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LXXX Heribert Tenschert 2017
LXXX Dis Manibus Otto Pächt • Eleanor Spencer Expiandis
Nr. 12
II 25 Stundenbücher aus Paris 1380 – 1460 Von Perrin Remiet, Jean de Nizières, Jacquemart de Hesdin, Pseudo-Jacquemart, Paul von Limburg, Mazarine-Meister, Boucicaut-Meister, Bedford-Meister (Haincelin de Haguenau), Dunois-Meister (Jean Haincelin), Laval-Meister, Meister des Royal Alexander, Conrad von Toul (Meister der Münchener Legenda Aurea), Meister von Popincourt, Meister des Harley-Froissart (Philippe de Mazerolles), Coëtivy-Meister, Meister des Etienne Sauderat, Meister des Jean Rolin, François le Barbier Père (Maître François), Meister des FoucaultBoccace
Katalog lxxx Heribert Tenschert 2017
Antiquariat Bibermühle AG Heribert Tenschert Bibermühle 1–2 · 8262 Ramsen · Schweiz Telefon: +41 (52) 742 05 75 · Telefax: +41 (52) 742 05 79 E-Mail: tenschert@antiquariat-bibermuehle.ch www.antiquariat-bibermuehle.com
Wichtiger Hinweis: Viele der abgebildeten Miniaturen sind leicht vergrößert wiedergegeben, zur besseren Identifikation der Sujets und der beteiligten Buchmaler. Die exakten Größen finden sich in der dinglichen Beschreibung, die man jeweils heranziehen möge.
English summaries of the descriptions available on application.
Autor: Prof. Dr. Eberhard König (mit Dr. Christine Seidel) Gestaltung, Redaktion, Lektorat: Heribert Tenschert Fotos: Martin & Heribert Tenschert Satz und PrePress: LUDWIG:media gmbh, Zell am See Druck und Bindung: Passavia GmbH & Co. KG, Passau ISBN: 978-3-906069-22-7
Inhaltsverzeichnis Band II 12 Das Luxemburg-Stundenbuch: Ein Hauptwerk der Bedford-Gruppe und des Meisters der Münchener Legenda Aurea aus Paris, wohl für Jacquette von Luxemburg, vom Jouvenel-Maler überarbeitet und vom Meister des Bartholomäus Anglicus ergänzt . . . . . . . . . 321 13 Ein brillant erhaltenes Stundenbuch vom Meister der Münchener Legenda Aurea, Conrad von Toul, im originalen Einband . . . . . . . . . . . . . . . . 383 14 Das Nanterre-Stundenbuch: Ein Meisterwerk vom Bedford-Meister und vom Dunois-Meister aus der Sammlung des Kardinals Camille de Neuf ville de Villeroy . . . . . . . . . 407 15 Vollständiges Stundenbuch aus der Spätzeit des Bedford-Stils . . . . . . . . . . . . 433 16 Das Popincourt-Stundenbuch: später in den Sammlungen Henry Yates Thompson, Dyson Perrins, Robert Danon und Helmut Beck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 17 Ein Stundenbuch vom Meister des Brotherton-Breviers in Leeds . . . . . . . . . . 473 18 Ein Pariser Stundenbuch vom Meister des Harley Froissart . . . . . . . . . . . . . . . 485 19 Ein Pariser Stundenbuch vom Coëtivy-Meister und dem Meister des Étienne Sauderat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 20 Ein unbekanntes Meisterwerk vom Coëtivy-Meister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 21 Edouard Rahirs einziges Stundenbuch: Ein Werk des Coëtivy-Meisters aus Paris für den Gebrauch von Rennes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 22 Ein klassisches Stundenbuch vom Meister des Jean Rolin . . . . . . . . . . . . . . . . 563 23 Das Pariser Stundenbuch des François de Dagues und der Katherine Ferrault aus Le Mans, vom Meister des Jean Rolin . . . . . . . 585 24 Ein Stundenbuch aus der Sammlung Frédéric Spitzer, von François Le Barbier dem Älteren, bisher als Maître François bekannt . . . . . . . . . . . . . . 599 25 Ein Stundenbuch vom Meister des Foucault-Boccace, eines Konkurrenten des Meisters von Jean Rolin und von François Le Barbier dem Älteren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 619 Bibligraphie: Ausstellungskataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 Bibligraphie: Aufsätze und Monographien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637
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12 Das LuxemburgStundenbuch: Ein Hauptwerk der Bedford-Gruppe und des Meisters der Legenda Aurea aus Paris, wohl für Jacquette von Luxemburg, vom Jouvenel-Maler überarbeitet und vom Meister des Bartholomäus Anglicus ergänzt
12 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Rot, mit einem Kalen der in Blau, Rot und Gold, in Textura. Paris, um 1430: Bedford- oder Dunois-Meister (Haincelin oder Jean Haincelin) und Meister der Münchner Legenda Aurea (Conrad von Toul), überarbeitet vom Jouve nel-Meister und mit Bordüren vom Meister des Bartholomäus Anglicus 44 Bilder und 16 Halbfiguren im Randschmuck: 22 als große Miniaturen mit Rundbo genabschluß in Doppelstabrahmen über vier Zeilen Text mit dreizeiliger Dornblatt-In itiale, dreiseitige Dornblatt-Zierleiste und Vollbordüren aus Dornblatt mit Akanthus und Blumen in den Ecken und den Mitten innen und außen; zwei Bild-Initialen in Vollbordü ren wie die Textseiten. Die vier erhaltenen Blätter des Kalenders mit Vollbordüren, darin jeweils fünf Bildfelder auf Recto und jeweils vier Halbfiguren oder Szenen auf Verso. Alle Textseiten mit Vollbordüren, die in zwei Arbeitskampagnen geschaffen wurden; zunächst Doppelstab-Zierleiste außen mit Dornblatt-Bordüren in Textspiegelhöhe innen und au ßen; dann überall ergänzt durch Akanthus und Blumen auf Dornblatt oben und unten, einige mit Figuren und Tieren belebt. Alle kleineren Initialen in Dornblatt: Zwei dreizei lig; zu den Psalmenanfängen zweizeilig, zu den Psalmenversen einzeilig. Versalien gelb laviert. 265 Blatt Pergament; dazu jeweils ein Doppelblatt modernes Pergament als Vorsätze. Gebun den in Lagen zu acht Blatt, davon abweichend die erste Kalenderlage 1(12-8: die drei äußeren Doppelblätter und das innere fehlen), Lage 4(4), 10(8-2: vor fol. 66 und 69 jeweils ein Blatt entfernt); 11(8-1: vor fol. 73 ein Blatt entfernt); 13(4). In einigen Lagen (so 21-24) die in Tin te geschriebenen originalen Blattzählungen der ersten Lagenhälfte in der rechten unteren Ecke noch sichtbar. Reklamanten (mit Ausnahme der Kursive auf fol. 177v) in der gleichen Schrift wie der Text: regelmäßig, auf fol 129v zweizeilig. Groß-Oktav (205 x 145 mm; Textspiegel: 92 x 64 mm). Rot regliert zu 15, im Kalender zu 17 Zeilen; nur die Senkrechten unten bis zum Rand aus gezogen. Unbeschnitten, wohl noch mit den alten Holzdeckeln erhalten. Der Kalender um acht Blatt beraubt, gebräunt und auf fol. 1 eine kleine Fehlstelle im unteren Bordürenstreifen. Gesichter des Johannes und in der Initiale zum Mariengebet Obsecro minimal berieben. Spuren from men Gebrauchs an wenigen Rändern, in den Malereien makellos. Floral gemusteter roter Ausbrenner-Samt über Goldfadenfond. Ganzgoldschnitt. Provenienz: Wappen finden sich an zwei Stellen: als Zeichnung im Silber eines Fensters auf fol. 9 und vollfarbig als der rote Löwe Luxemburgs auf Silber (fol. 165), dort als Wappen des seligen Kardinals Peter von Luxemburg (1369-1387). Die damit eröffnete Gebetsfolge ist sel ten, kommt aber auch im Wiener Bedford-Stundenbuch (ÖNB , cod. 1855) vor. Im Bild er scheint eine Statuette des heiligen Jakobus. Johannes der Täufer wird in den Suffragien durch
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ein sonst in Stundenbüchern nicht zu findendes Gebet für die Festtage des Heiligen mit fünfz eiliger Bild-Initiale hervorgehoben. Aufgrund der Betonung des Täufers könnte das schließlich ohne Bestellerwappen auskommen de Manuskript, wie Paolantonacci 2013 meinte, für Johann von Luxemburg (um 1400-1466) bestimmt gewesen sein, der jedoch das luxemburgische Wappen mit dem roten Strich des Ba stards trug: Dieser 1433 in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommene Fürst (siehe sein Bildnis im Haager Wappenbuch, KB , 76 E 10, fol. 55) ist nicht mit jenem Johann von Lu xemburg (1398-1441) zu verwechseln, der 1430 Jeanne d’Arc in Compiègne gefangen nahm und an die Engländer verkaufte. Wegen des textlich unbegründeten Hinweises auf Jakobus im Zusammenhang mit Luxem burg ist vor allem aber an Jakobäa oder Jacquette von Luxemburg als Auftraggeberin zu den ken. Sie hatte der Herzog von Bedford, nachdem seine erste Frau Anna von Burgund 1432 im Kindbett gestorben war, im darauf folgenden Jahr geheiratet. Nach Bedfords Tod 1435 ging sie – die spätere Lady Rivers – nach England. Für unser Stundenbuch ergäbe sich in beiden Fällen das gleiche Szenario: Angesichts der Feind schaft mit Karl VII. mag Jacquette oder der Bastard Johann das Buch nicht mehr erhalten haben, nachdem die Burgunder am 21. September 1435 Frieden mit Karl VII. geschlossen hatten und die Engländer beim Einzug des königlichen Konnetabels Arthur Richemont am 13. April 1436 Paris fluchtartig verlassen hatten. Vielleicht zeugen die Blattgold-Kronen, die bei der zweiten Ausstattungskampagne in weni gen Bordüren, so fol. 14, hinzugekommen sind, von einer Übernahme des Stundenbuchs durch einen Getreuen des französischen Königs. Auf dessen Partei weisen auch Stachelschweine hin (fol. 97v, fol. 128 und – hinter einem Baum versteckt – auf fol. 128v), die an den vom Herzog Ludwig von Orléans (ermordet 1407) gegründeten Ritterorden denken lassen und als Zeichen seines Hauses bei König Ludwig XII. wieder zu Ehren kamen. Im vorderen Deckel Exlibris von André Hachette mit A und H ligiert; dazu die Nr. 23 in Rot; auf dem Vorsatz gegenüber ein kleiner Stempel desselben Besitzers. Vente Hachette, Paris, 16.12.1953, lot 20: frs. 2.000.000,- Zuschlag; Paris, Millon, 27.04.2012, Einzelkatalog: € 2.018.672,-. Text Der Text weist erstaunliche Übereinstimmungen mit den drei weitgehend vom Bed ford-Meister selbst gestalteten berühmten Stundenbüchern auf, dem namengebenden Stundenbuch der Anne de Bourgogne und des John of Lancaster, Herzogs von Bedford (Lon don, BL , Add. Ms. 18850), dem sogenannten Lamoignon-Stundenbuch (Lissabon, Fund ação Calouste Gulbenkian, LA 237) und dem Wiener Stundenbuch (ÖNB , cod. 1855): Die auffälligste Gemeinsamkeit besteht durch die Horen zu den Sieben Wochentagen, die jeweils an Bußpsalmen und Litanei anschließen. Die Kalender stimmen weitgehend überein. fol. 1: Kalender in französischer Sprache, eingerichtet wie im Bedford-Stundenbuch und im Sobieski-Stundenbuch (Windsor Castle): jeder Tag besetzt, die Goldene Zahl in Gold, der Sonntagsbuchstabe A als Dornblatt-Initiale, die übrigen in Schwarz; die Kürzel der
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römischen Tageszählung abwechselnd blau und golden. Die Anfangsbuchstaben, meist S, in Dornblatt, die einfachen Heiligentage abwechselnd in Rot und Blau, Feste in Gold. Die Heiligenauswahl stimmt exakt mit dem Pariser Bestand im Bedford-Stundenbuch überein (mit Ausnahme des Ambrosius-Fests am 4.4., das dort irrig mit Bonifatius be setzt ist); orthographisch besteht größere Übereinstimmung als zum in wenigen Posi tionen abweichenden Sobieski-Stundenbuch. fol. 5: Perikopen, mit Abschlußgebeten: Johannes (fol. 5), Lukas (fol. 7), Matthäus (fol. 9) und Markus (fol. 11); kurze Passage aus der Johannes-Passion (fol. 12v). fol. 14v: Gebetsfolge: Acht Verse des heiligen Bernhard: Illumina domine oculos meos; Mariengebete: Fünf Freuden Mariae (der Rubrik zufolge commemoratio de quinque festis B. M. V.): Ave cuius conceptio (fol. 15); Obsecro te (redigiert für einen Mann: fol. 16); O in temerata (redigiert für einen Mann: fol. 20); Inviolata et integra (fol. 23v). fol. 25: Marienof fizium für den Gebrauch von Paris, mit drei vollständigen Nokturnen zur Marien-Laudes: Matutin (fol. 25 mit drei Nokturnen), Laudes (fol. 49), Prim (fol. 60), Terz (Anfang fehlt vor fol. 66), Sext (Anfang fehlt vor fol. 69), Non (Anfang fehlt vor fol. 73), Vesp er (fol. 77), Komplet (fol. 84). fol. 90: Bußpsalmen, mit Litanei (fol. 102v) mit Pariser Heiligen, vor allem Marcellus, Ludwig, Maurus, Bonitus, Medericus (Saint Merry), Maglorius. Bei den Frauen wird vor den typischen Pariser Heiligen Opportuna, Petronilla, Genovefa, Avia und Baltildis (baptildis) eine heilige Gemma genannt. Leroquais (1927, I, S. LXII) kennt ein einziges Bild mit einer Heiligen diesen Namens; es zeigt die gekrönte Märtyrerin aus Saintes (im Pariser Stundenbuch latin 18017, fol. 152v). Zum 20.6. wird dieselbe erwähnt im Pa riser Psalter der Bibl. Ste. Geneviève, ms. 2693 (Leroquais 1940-41, II , S. 161; beides 2. Hälfte des 15. Jhs.). Als Jungfrau wird Gemma in Brevieren des frühen 14. Jhs. für St. Vaast in Arras genannt (Arras, Bibl. mun., ms. 229 am 23.8.: Leroquais I, 1934, S. 40; ms. 725 in der Litanei: ebenda S. 64). Reizvoll wäre, mit Paolantonacci, hier an Gemma von Goriano Sicoli in den Abruzzen, auch Santa Gemma Reclusa genannt, zu denken. Sie ist am 12. oder 13.5.1426 (nicht erst 1439) gestorben, ihrem Tod folgten Wunder am Grab (Acta Sanctorum, Mai, III , 1680-88, S. 182). Sollte sie gemeint sein, wäre das für ein Stundenbuch erstaunlich aktuell; dann lieferte ihr Tod zugleich den Terminus ante quem non für unsere Handschrift. fol. 112: Horen der Wochentage: Trinität zum Sonntag (fol. 112); für die Verstorbenen zum Montag (fol. 120v); Heilig Geist zum Dienst ag (fol. 129v); Alle Heiligen zum Mitt woch (fol. 136); Altarsakrament zum Donnerstag (fol. 142); Heilig Kreuz zum Freitag (fol. 150); Jungfrau Maria zum Samst ag (fol. 157v). fol. 165: Gebet des Peter von Luxemburg (or(aci)o devota quam fecit sanctus petrus de lucebourg quondam cardinalis): Deus pater qui creasti, mit an der Litanei orientierten Bitten, die sich an die Personen der Trinität, Maria, die drei Erzengel, Johannes den Täufer, Pe trus, Paulus, Andreas, Johannes den Evangelisten und Martial von Limoges als Apostel (!), Stephan, Lorenz und Vinzenz, Martin, Nikolaus und Benedikt, Maria Magdalena,
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Martha, Agnes und Katharina und jeweils an die Heiligengruppen richten; für einen Mann (Respice me peccatorem, fol. 165v) eingerichtet; Jakobus wird nicht genannt. fol. 169: Gebete an die Personen der Trinität: Pater de celis (fol. 169), Fili redemptor (fol. 169v), Spiritus sancte (fol. 170). fol. 170v: Gebet des Beda Venerabilis über die Sieben Worte Jesu am Kreuz: Domine ihesu xp(ist)e qui septe(m) verba. fol. 172v: Gebet an Christus: Domine ih(es)u xp(ist)e vere deus qui de sinu patris. fol. 177: Passionsgebet: Deus qui voluisti p(ro) redemptione mundi a iudeis reprobari. fol. 178: To ten of fi zi um, für den Gebrauch von Paris (Ottosen 2007, S. 183-188): Ves per (fol. 178), die folgenden Stunden rubriziert: Matutin (fol. 186v), 1. Lesung (fol. 191v ebenfalls rubriziert und durch Initiale hervorgehoben); Laudes (fol. 217). fol. 225 Suffragien: Trinität (fol. 225), Heilig Kreuz (fol. 225v), Michael (fol. 226), Jo hannes der Täufer (fol. 226v) mit einem Gebet in die s(an)c(t)i ioha(n)nis et in octab(a) (fol. 227), Petrus (fol. 227), Paulus (fol. 227v), Andreas (fol. 228), Johannes Evange list (fol. 228v), Jakobus (fol. 229), Bartholomäus (fol. 229v), Matthäus (fol. 230), Tho mas (fol. 230), Philippus und Jakobus (fol. 230v), Simon und Juda (fol. 231), Matthias (fol. 231v), Barnabas (fol. 232), Markus (fol. 232v), Lukas (fol. 233), Unschuldige Kindlein (fol. 233v), Stephanus (fol. 234), Clemens (fol. 234v), Vinzenz (fol. 235), Lorenz (fol. 235), Dionysius (fol. 235v), Christophorus (fol. 236), Georg (fol. 237), Eustachius (fol. 237), Se bastian (fol. 238), Cosmas und Damian (fol. 238v), Thomas von Canterbury (fol. 238v), Eutropius (fol. 239), Quintinus (fol. 240), Lazarus (fol. 240v), Martin (fol. 241), Nikolaus (fol. 241v), Antonius Abbas (fol. 241v), Claudius (fol. 242), Augustinus (fol. 242v), König Ludwig (fol. 243), Anna (fol. 243v), Maria Magdalena (fol. 244), Katharina (fol. 244v), Agnes (fol. 245), Margareta (fol. 245v), Genovefa (fol. 246), Opportuna (fol. 246v), Bar bara (fol. 247), Avia (fol. 247v), Apollonia (fol. 248), Alle Heiligen (fol. 248v), in Epide mie-Zeiten (Tempore epidimie: fol. 249), De quibusdam s(an)c(t)is speciale donum a domino habentib(u)s (fol. 250). fol. 251: Gebete zur Messe: zur Elevation der Hostie: Ave verum corpus (fol. 251), zur El evation des Kelchs: Ave sanguis Domini (fol. 251v), O anima xpristi sanctifica me (fol. 251v), Domine ih(es)u xp(ist)e qui hanc sacratissimam carnem (fol. 252), Gebet mit 2000 Jahren Ablaß: Ave domine ih(es)u xpiste verbum patris (fol. 252v), zu Karfreitag: Ave caro xpisti cara (fol. 253v), vor Empfang der Hostie: Fons misericordie (fol. 253v), vor der Kommu nion: Domine non sum dign(us) (fol. 254v), nach der Kommunion: Domine ih(es)u xp(ist) e (fol. 254v). fol. 256: Französisches Gebetsp aar: quinze ioies nostre dame: Doulce dame de misericorde, mit eingeschobenen Ave Maria (fol. 256); devotes requestes: Doulz dieu, mit eingeschobe nen Pater noster (fol. 261v).
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fol. 264v: Drei weitere Gebete (die ersten beiden gereimt in kurzen Versen): Ihesus qui te lessas estendre (fol. 264v), Marie qui ih(es)us portas (fol. 264v). Sancte vraye croix (fol. 265). fol. 265v: nach Textende auf Recto leer und nicht regliert. Schrift und Schriftdekor Das Manuskript gehört zu den ausgezeichneten Stundenbüchern, die man in Paris in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts geschaffen hat. Die strenge Textura mit dem leuch tenden Rot der Rubriken wäre wie die Farbwechsel im Kalender mit einem dunkleren Rotton, Blau und Gold bereits im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts genauso möglich. Dazu paßt die dominierende Rolle des Dornblatt-Dekors, der bei den einzeiligen Initia len einsetzt. Mit seinem Großoktav-Format ist dieses Buch zwar nicht so groß wie die zum Vergleich heranzuziehenden berühmten Stundenbücher des Bedford-Meisters; der Schmuck der Initialen wirkt jedoch subtiler und kleinteiliger. Zeilenfüllstreifen sind be sonders auffällig; denn viele von ihnen sind in sich noch einmal auf eine selten zu find ende Art wie an wenigen Stellen im Londoner Bedford-Stundenbuch mit je einer Gold leiste oder rundherum gerahmt. Ein Vergleich mit dem späten Hauptwerk des Ateliers für den Herzog von Bedford, dem Pariser Salisbury-Brevier, latin 17294 der Bibliothèque nationale, verbietet sich; denn die dafür eingesetzte Schrift läßt die Disziplin vermissen, die hier noch herrscht; zudem stehen die einzeiligen Initialen dort im Zeilenverlauf und sind mit Federwerk und nicht mit Flächendekor geschmückt. Die Ausstattung des Buchs mit Randschmuck erfolgte offensichtlich in verschiedenen Etappen. Zur frühesten Arbeitskampagne gehören alle Seiten mit großen Miniaturen. In bester Tradition des zweiten Jahrzehnts nach 1400 beherrscht Dornblatt mit sehr eng gezogenen Spiral-Ranken den Gesamteindruck. Den Text mit dem Kopfbild umgeben von drei Seiten breite Zierleisten, die in den unteren Ecken gern kräftige Knoten bilden. Nur einmal – und das ohne hierarchische Intention – finden in solchen Leisten auch mit Buchmalerfarben gestaltete Blumen Platz (fol. 12v). Ins Zentrum der Spiralranken sind mit Buchmalerfarben Blüten gesetzt. In den vier Ecken der Buchseite und in der Mitte der breiten Außenbordüre sprießen aus dem Dorn blatt der Zierleisten farbige Elemente. Bunter, geradezu überschwänglich belebter Akanthus herrscht hier vor; in der Mitte der äußeren Bordürenstreifen, seltener auch in den Ecken können Blumen oder Erdbeeren erscheinen, meist aus dem Akanthus entsprin gend. Das geschieht meist eher beiläufig, gewinnt aber an Bedeutung, wenn beispielswei se zum Marienbild auf fol. 256 eine kleine Vase hinzukommt oder zum Pfingstbild auf fol. 129v ein regelrechter Blumentopf auf einem Bodenstreifen steht und den Akanthus ganz verdrängt. Akelei wird zur Taufe Christi (fol. 136) treffend wiedergegeben. Am schönsten und für die Bedford-Gruppe besonders charakteristisch sind die Veilchen, die bei der Marienverkündigung (fol. 25) und in einer breiten Schale bei der Anbetung des Kindes (fol. 60) daran erinnern, daß diese Blume im Londoner Stundenbuch geradezu Erkennungsmerkmal des Ateliers ist und bei den Brüdern Limburg in anderer Gestalt vorkommt (siehe dazu unser Buch Das Genie der Zeichnung, 2016, S. 40-43).
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In derselben Art wie die Bordüren zu den großen Incipits begleiten senkrechte Rand streifen aus Dornblatt mit bescheidenerem bunten Akanthus alle Textseiten einschließ lich der beiden durch Bild-Initialen hervorgehobenen Stellen. Außen wird der Textspie gel jeweils durch einen zierlichen Doppelstab abgesetzt, der in der Mitte gern Knoten ausbildet und aus dessen Enden kurze Akanthusformen sprießen. Auf Verso sprießen diese Zierleisten, wo möglich, aus zweizeiligen Initialen; auf Recto weichen sie nicht sel ten dem vorab geschriebenen Text aus. Da sich die senkrechten Randstreifen überall im Buch strikt an der Höhe des Textspie gels orientieren, muß es einen Zustand des Layouts gegeben haben, in dem unabhängig von den zweizeiligen Initialen durchweg ein breiter Randstreifen die Schrift nach außen, ein schmalerer nach innen begleitete. Stundenbücher solcher Gestalt sind extrem selten; das einzige uns bekannte Beispiel, Rosenberg Ms. 4, wird unten noch diskutiert werden. Aus der zunächst erreichten ungewöhnlichen Gestalt der Textseiten ergab sich der Wunsch nach Ergänzung oben und unten. Sie erfolgte jedoch in einem fremden Stil: Mit großzügiger Linienführung, die durch klare Tintenkonturen betont wird, breiten sich in einzigartigem künstlerischen Schwung Akanthusblätter aus. Auch im Kolorit setzt sich dieser Randschmuck vom Gewohnten ab: Gold und Silber sowie an vielen Stellen, wo man auf Metallfolie verzichtete, eine silbrige Wirkung von Weiß und Grau bestimmen den Eindruck; das gilt auch für Blumen, die sich dem zeichnerischen Drang zu präziser Stilisierung beugen müßen. Am engsten verwandt sind Arbeiten eines Meisters, den ich 1976 irrig im Oktober der Très Riches Heures erkennen wollte, und der inzwischen nach dem Bartholomäus An glicus fr. 135-136 der BnF genannt wird. Zwei Exemplare des Boèce (ein Blatt im Lou vre, Inv. 9838 mit Wien, ÖNB , cod. 2653, und Sankt Petersburg, Ermitage, ms. 14035) und eine genialische Wiederholung einer Cicero-Handschrift des frühen Bedford-Mei sters (Mailand, Trivulziana ms. 693 nach latin 7789 der BnF) enthalten Bordüren der gleichen Art. Gesteigert finden sie sich ausgerechnet in jenem gerade schon erwähnten Stundenbuch, Ms. 4 der Sammlung Alexandre Rosenberg in New York (siehe mein Buch über Barthélemy d’Eyck 1996, S. 83-86, sowie zuletzt Reynaud im Ausst.-Kat. Louvre 2011, S. 163-164, zu Nr. 84). Durch figürliche Elemente, die in unseren Bordüren ver streut auftreten, vor allem Vögel und Affen, verrät der Maler seine Herkunft vom Mei ster der Marguerite d’Orléans, besonders eindrucksvoll auf fol. 131v, wo ein Bogenschüt ze, von zwei Hunden begleitet, einen Bären verfolgt, der in eine Baumkrone fliehen will. Sicher sind die waagerechten Bordüren erst entstanden, nachdem die senkrechten text begleitenden Randstreifen gemalt waren. Virtuose spielerische Verbindungen des Akanthus mit einer zweizeiligen Initiale belegen keinen engeren Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Künstlern, sondern nur das Können des Meisters des Bartholo mäus Anglicus. Problematisch ist jedoch der Kalender: Dort lassen sich die beiden Ar beitsp hasen nicht so entschieden trennen, winden sich doch die moderneren Akanthus formen um Bildfelder, die von einem der beiden Hauptmeister der Miniaturen geschaffen wurden.
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Die Bilder Der Kalender Der spektakulär illuminierte Kalender bestätigt bereits den einzigartigen Charakter des Manuskripts, auch wenn nur ein Drittel von ihm erhalten ist: Die hier fruchtbare Tra dition setzt mit Jean Pucelles Illuminierung des Belleville-Breviers aus den 1320er Jahren (Paris BnF, latin 10484) ein und lebt in zwei der bedeutendsten Stundenbücher des Her zogs von Berry (Paris, BnF, latin 919 und 18014) fort. Inhaltlicher Kern ist die Gleich setzung des Jahreslaufs mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis. Da der Glaube als Weg zum Paradies begriffen wird, kombinieren die ältesten Beispiele menschenleere Monatsbilder im oberen Rand mit der Paradiesesp forte, aus der die Jungfrau Maria ein Banner mit einem Bildmotiv aus dem Credo hißt. Im Bas-de-page hingegen weist je ein Prophet auf den jeweiligen Artikel des Glaubensbekenntnisses hin, den einer der Apo stel dann ausspricht. In älteren Beispielen nehmen die Propheten Steine aus der Synago ge für die Kirche, während ihnen die Apostel einen weißen Schleier von den Schultern ziehen. Für die Tierkreiszeichen war zunächst kein Platz. Einzelne Elemente dieser Ikonographie haben auf unterschiedliche Weise fortgelebt; so durchzieht den Kalender eines von uns als Nr. 10 in Leuchtendes Mittelalter V beschrie benen Pariser Stundenbuchs der Abbau der Synagoge zugunsten der Kirche; und im Bre vier des Martin von Aragon (Paris, BnF, Rothschild 2529) wird die Himmelsp forte mit der Jungfrau Maria neben der Enthüllung der Propheten durch die Apostel zum The ma großer Kopfbilder. Aufwändiger umgestaltet hat der Bedford-Meister den Grundge danken im Wiener Stundenbuch: Dort wird über dem Text für die Monatsbilder breiter Raum geschaffen; und im äußeren Rand kommt ein zweites Monatsbild hinzu, während unten, nicht mehr im Bas-de-Page, sondern in der Bordüre Maria über der Paradieses pforte und das Paar aus Prophet und Apostel einfach mit ihren Sprüchen und den Ar tikeln des Credo nebeneinander stehen. Zwei Köpfe in den Initialen KL weisen jeweils auf die wichtigsten Heiligen des Monats. Erst beim Meister der Münchner Legenda Aurea kommen die Tierkreiszeichen hinzu; er reiht im unteren Rand der Recto-Seiten des Sobieski-Stundenbuchs Propheten, Zodiak, Monatsarbeit und Apostel, rückt dazu in die Mitte des äußeren Bordürenstreifens eine weitere Monatsarbeit, während auf Verso Halbfiguren von fünf Heiligen aus dem jewei ligen Monat Platz finden. In einem anderen Traditionsstrang hatte der Bedford-Mei ster in seinem Londoner Hauptwerk Zodiak und Monatsbilder unter den Text gestellt. In unserer Handschrift entwickelt der Meister der Münchner Legenda Aurea aus all die sen Elementen eine originelle neue Lösung. Das Layout wird perfektioniert, indem im Titel nicht nur der Monatsname, sondern auch das Et für den Mondzyklus eine einzei lige Dornblatt-Initiale erhält, so daß die Anfangsbuchstaben geradezu eine senkrechte Leiste bilden. Wie im Bedford-Stundenbuch erhalten auf Recto alle Darstellungen abge schlossene Bildfelder: Zwei Rechtecke sind unter dem Text vorgesehen für das Monats bild und – davon abgerückt in der rechten Ecke – den Zodiak; denn im Mittelalter setzte
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man den Wechsel des Tierkreiszeichens in die Monatsmitte. Mit Goldranken verzierte blaue oder rote Fonds hinterfangen die Gestalten, unabhängig davon ob sie als Arbeit auf die Erde oder als Sternzeichen in den Himmel gehören. Den Inhalt des jeweiligen Arti kels aus dem Credo veranschaulicht ein Medaillon im oberen Rand. Darauf weisen von rechts je ein Prophet und ein Apostel, die voneinander getrennt in Medaillons sitzen und deren Sprüche in Blau und Rot jeweils über ihr Bildfeld geschrieben sind. Hinzu kom men auf Verso, nun aber wie im Sobieski-Stundenbuch, aus dem Rankenwerk entspringen de Gestalten oder Symbole, die sich aus dem Festzyklus des einzelnen Monats erklären. So ergibt sich eine bemerkenswerte Abfolge, in der bis auf das Monatsbild April, das in den Londoner Bedford Hours ähnlich vorkommt, jedes Motiv frei entwickelt ist. Unter dem Zeichen der Kreuzigung Christi steht der April; auf das zentrale Bildme daillon weisen Zacharias und Johannes der Evangelist. Ein vornehmer Herr hat im Mo natsbild einen frischen grünen Ast gebrochen, während der Stier vor einer Felslandschaft ruht und aufschaut. Ein nicht durch Attribute gekennzeichneter Geistlicher, Georg mit dem Drachen, Markus mit dem Löwen und eine heilige Äbtissin zeigen sich auf Verso. Im Mai besetzt der Abstieg in den Limbus mit Jesus, der Adam und Eva aus dem Höl lenrachen befreit, die obere Bordüre, von Osea und Thomas erläutert. Ein Mann mit ei ner Blume und ein Falkner spazieren unten, während zwei nackte Männer als Zwillinge miteinander ringen. Jakobus und Philippus, ein goldenes Kreuzeszeichen, Johannes der Evangelist und der Pariser Bischof Germanus besetzen die Bordüre auf Verso. Dem Pfingstwunder ist der Artikel des Credo im August gewidmet; davon handelt Joel, auch wenn er sich – vielleicht bewußt – vom Wunder, das die Kirche konstituierte, ab wendet, während Bartholomäus mit dem Zeigefinger nach oben deutet. Zum Dreschen des Korns paßt, daß das Sternzeichen der Jungfrau mit ihrem Palmwedel zwischen zwei reifen Garben steht. Lorenz, die himmelfahrende Maria, König Ludwig und als kleine Szene die Enthauptung des Täufers werden auf Verso hervorgehoben. Die Kirche ist nun als Institution begründet; das zeigt das Medaillon über dem Sep tember, und das erkennt der Prophet Micha an, während der Apostel Matthäus darauf weist. Schon wird Wein im Bottich getreten, mit einem Stilleben aus Gefäßen und ei nem Weinfaß drum herum; eine verheiratete Frau mit schwarzer Haube hält die Waa ge vor einem blauen Grund, der stilisierter Himmel ist. Die Mariengeburt, der Apostel Matthias, Michael im Kampf mit dem Teufel und der Kardinal Hieronymus zeigen sich auf Verso. Die Bilder zu den Perikopen und zum Mariengebet: Evangelistenporträts eröffnen die vier Perikopen, in denen die Fleischwerdung und die Botschaft Jesu ausgedrückt wird, während der kurze Abschnitt aus der Passion nach Jo hannes mit der Geißelung bebildert ist. Die Evangelisten werden ähnlich dargestellt wie in den Stundenbüchern in London, Wien und Lissabon; doch nur Johannes folgt der dort benutzten Vorlage, die dann später noch in unserer Nr. 15 variiert werden sollte.
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Johannes auf Patmos ist in Stundenbüchern selten so liebevoll und detailreich dargestellt worden wie in diesem Beispiel (fol. 5), das an das etwa gleichzeitige Bild im Stundenbuch der Marguerite d’Orléans (lat. 1156B der BnF) denken läßt: Man blickt von dürren Felsen aus, auf denen Echsen leben, über das von vielen Enten belebte Wasser auf das winzige Eiland, das nur als Sockel für die plastische Gestalt des am Boden sitzenden jugendlichen Evangelisten konzipiert ist. Er hält mit der Linken ein Schriftband, dessen Schwung bis zum Boden reicht, und schreibt so konzentriert, als nehme er seine Umgebung gar nicht wahr. Am Boden neben ihm ist gerade der Streit von Teufel und Adler um sein Schreib zeug im Gange; und es zeigt sich – ganz ungewöhnlich in diesem Zusammenhang – ein Engel: Der weist schwebend zur Lichterscheinung, die im Bogenscheitel den recht dunk len Himmel über einer differenzierten Landschaft erhellt. Nahsichtiger sind die drei anderen Evangelisten gezeigt, in Interieurs, die von hellen Diaphragma-Bögen gerahmt werden, mit jenem erstaunlichen Sinn für stillebenhafte Ausschmückung, der beim Mazarine-Meister im namengebenden Stundenbuch und beim Boucicaut-Meister im Bessonnelle-Stundenbuch (Paris, BnF, lat. 1161) vorgeprägt und dann beim Bedford-Meister ausgelebt wird. Der Zuschnitt der Miniaturen variiert; denn der eingezogene Bogen des Johannesbilds kehrt erst bei Markus wieder; deshalb wirken Lukas und Matthäus mit ihren flacheren Bögen moderner. Zwischen dem auf den Bildrahmen bezogenen Diaphragma und dem dahinter liegenden Raum läßt sich keine schlüssige Kontinuität herstellen; dieser Umstand sorgt für malerische Unordnung. Bei Lukas (fol. 7) wird schon im rahmenden Bogen mit Außen und Innen gespielt; denn ein dünnes Säulchen links soll andeuten, man sehe den Raum von außen. Der Evangelist sitzt zwar rechts vor einer bildparallelen Wand mit silbernen Fenstern und einem pracht vollen roten Brokattuch, doch öffnet sich links der Blick über einem Gärtchen zum best irnten Himmel, durch den Schreiben wie zuweilen im Spätmittelalter als Nachtarbeit begriffen wird. Die dynamische Schräge, die vom Bücherpult rechts über das Schreibpult in der Mitte zur niedrigen Gartenmauer links führt, versteht sich nicht als Perspektive, sondern als ein vitales Gestaltungselement, das der Stier, ganz umwickelt vom Schrift band, nach links vorn hin durchbricht. Bei Matthäus (fol. 9) sorgt die ins Bild einbeschriebene Architektur wiederum für eine widersprüchliche Wirkung; denn unten setzt das Bild mit einer Stufe ein, von der schräg gestellte niedrige Bögen ausgehen, auf die dann am Bildrand zwei dünne Säulen gestellt sind, die den Maßwerkrahmen tragen. Die Rückwand, über der hier ein Holzgewölbe angedeutet ist, verläuft wieder bildparallel. Schräg schließt sich nach rechts eine Seiten wand an, die fast ganz aus dem Fenster besteht, in das der Luxemburger Löwe als Wap penscheibe eingesetzt ist. Da auch der mit herrlichem blauen Goldbrokat ausgeschlagene Thron des greisen Evangelisten schräg steht, wirkt es, als sei der Bildraum eine Art Sechs eck. Eine silberne Vase mit roten Blumen und ein kastenförmiges Buchpult mit drehba rem Ständer schieben sich links als stillebenhaftes Beiwerk ein. Der Evangelist schreibt nicht, sondern liest in einem blau gebundenen Folianten, ungeachtet der Tatsache, daß
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ihm sein Engel von rechts ein aufgeschlagenes Buch präsentiert und das Schreibzeug mit Tintenfaß und Futteral hält. Markus mit dem Löwen (fol. 11) erhält wieder einen eingezogenen Bogen; die Binnenar chitektur wirkt ruhiger; eine niedrige Stufe mit seitlich erhobenen Blöcken eröffnet den Blick. Bildparallel verlaufen die Rückwand und die Holztonne; davor spannt sich aber ein Joch eines Kreuzrippengewölbes; und nach rechts bricht der Raum hinter einem schräg gestellten Möbelstück aus, auf dem ein Kerzenständer, ein Buch, das Schreibzeug und eine Vase mit roten Nelken verteilt sind. Davor steht der Löwe, recht klein, und hält das Schriftband im Maul, auf das der Evangelist gerade unverständliche Buchstaben schreibt, während im fortlaufenden Text die Worte (ev)angely secundum marcum zu ahnen sind. Aus einem Passionszyklus stammt das Bild zur Passion nach Johannes. Übereinstim mend mit dem Incipit, in dessen letzter Zeile flagellavit steht, entschied man sich für die Geißelung (fol. 12v): Unter einem Kreuzrippengewölbe, vor Maßwerkfenstern, wie sie eher zu einer Kapelle passen würden, spannt sich ein rotes Brokattuch. Davor steht, ohne architektonische Anbindung die graue Steinsäule, deren Schaft ein Kelchkapitell als Basis und Kapitell hat. In einer geradezu filmischen Abfolge von links nach rechts, wie man sie zuweilen bei diesem Thema findet, kniet ein erster Scherge, um seine Geißel zu binden; ein zweiter holt zum Schlag aus, der dritte, nun auf der rechten Seite, hat die Arme schon über den Kopf gehoben, während der vierte, rechts vorn, seine Geißel nach dem Schlag sinken läßt. Hinter den Säulenschaft gebunden erträgt der Erlöser die Pein. Für das Obsecro te, das als einziges der beiden großen Mariengebete überhaupt bebildert ist, hat man nur eine stattliche sechszeilige Initiale vorgesehen. Später wurden diese Tex te gewöhnlich mit größeren Miniaturen ausgestattet; unser Stundenbuch ist also immer noch einem recht frühen Brauch verpflichtet: Maria am Webstuhl (fol. 17) arbeitet in einem schlichten Innenraum, der von links und mit der Längswand und der Holztonne bildparallel gesehen wird. An einem roten Webstuhl sitzt Maria mit offenem Haar und webt eine grüne Borte. Wie zuweilen bei Marien-Non (so in Berrys Grandes Heures, Pa ris BnF, fr. 919, fol. 34) erscheint rechts über ihr in Halbfigur ein Engel, um der Tem peljungfrau Brot und einen Krug zum Trinken zu bringen. Die Bilder zum Marien-Of fizium Zur Entstehungszeit unseres Stundenbuchs lag der Zyklus für das Marien-Of fizium in Paris fest. Hier erhalten sind nur fünf der einst acht Textanfänge. Die Miniaturen ent sprechen, zumindest in der Grundkonzeption, Bildern aus der Bedford-Tradition. Dazu gehört, daß zur Vesp er zwar wie gewohnt die Flucht nach Ägypten dargestellt wird; doch hatten sich Hauptwerke der Bedford-Gruppe der Vorgabe im Mazarine-Stundenbuch an geschlossen und statt der Flucht in eine Landschaft die Ankunft an einem Stadttor ge zeigt, das entweder Einlaß in Ägypten oder in eine Stadt wie Heliopolis gewährt. Vor einer halbrunden Apsis, die mit einem roten Brokat an einer Stange abgetrennt wird, also in einem sakralen Raum, spielt die Verkündigung an Maria zur Matutin (fol. 25).
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Kunstvoll spielt der dreiteilig gestaffelte Diaphragmabogen im Innenraum mit der Form der Miniatur, die wieder von einem eingezogenen Bogen bekrönt ist. Maria hat sich von ihrem Faltstuhl, der links unter einem Baldachin auf einem niedrigen hölzernen Podest steht, erhoben, um kniend in ihrem Buch zu lesen, das einen nicht leserlichen Text zeigt. Doch dann ist sie des von rechts hinzutretenden Engels gewahr geworden, hat sich ihm zugewendet und kreuzt nun die Unterarme in heiliger Verwirrung, die erkennbar aus ih rer Mimik spricht. Gabriel, in goldener Dalmatika und einem silbrig grauen Chormantel, ist bereits in die Knie gesunken und verkündet mit einem Zepter in der Rechten auf ei nem munter gewundenen Spruchband aue gratia plena dominus tecum. Winzig erscheint als Büste Gottvater vor einem der silbernen Fenster rechts oben; goldene Strahlen, nicht aber wie so oft die Taube sendet er aus. Ähnlich differenziert wie beim Johannesbild steigt die Landschaft in der Heimsuchung zu den Laudes (fol. 49) auf zum hohen Horizont. Ein Berg und zwei Bäume in der Mit telachse schließen unter den goldenen Strahlen aus dem Bogenscheitel die beiden Frau en zusammen. Links dahinter taucht eine Burg oder eine Stadt auf, aus der die Jungfrau gekommen ist, rechts hingegen nur eine Mühle, deren rauschender Bach steil nach unten fließt. Die Erzählung verlangt eigentlich Marias Weg übers Gebirg zum Haus von Elisa beth und Zacharias, der selbstverständlich kein Müller war. Eine Magd, die ein graues Beutelbuch trägt, setzt neben dem klassischen Farbklang von Blau mit Gold und Rosa mit Grau bei den Hauptfiguren einen munteren Akzent; denn das junge Mädchen mit dem eleganten Kranz um die Haarkalotte trägt über einem goldenen Unterkleid ein mit weißem Pelz verbrämtes leuchtendes Zinnober, das auch bei Elisabeth wiederkehrt als Futter ihres rosafarbenen Mantels. Zur Prim wird die Anbetung des Kindes (fol. 60) in einer ganz und gar ungewohnten Ar chitektur gezeigt: Die Tradition verlangt den Stall von Bethlehem, vielleicht in Ruinen von Davids Palast. Hier aber steht das Gebäude zumindest auf säuberlichem Steinfun dament und verfügt rechts über einen Kamin, in dem Feuer lodert. Holzstützen tragen das Dach des nach rechts mit gut gefugter Mauer geschlossenen Gebäudes, das nur links schadhaft ist und ins Freie blicken läßt, wo wie in den großen Bedford-Stundenbüchern bereits drei Hirten hereinschauen. Unter einer in der Mitte geöffneten Gaube steht ein Baldachin, wie man ihn auch als Betthimmel kennt; doch fehlt das Wochenbett. Davor kniet Maria, ganz in Blau, und mit gekreuzten Unterarmen den nackt am Boden liegen den Knaben anbetet, während der greise Joseph links niedergekniet ist und die Hände zum Gebet fügt. Der Boden ist mit Ähren bestreut; Ochs und Esel lugen zwischen dem Ziehvater und der Jungfrau direkt über dem Jesusknaben hervor. Gottvater erscheint im Kreise der Seraphim, während sechs silberne Vöglein, zu klein für Tauben, in der Gau be und von rechts über Marias Haupt herabfliegen. Zu den schönsten Miniaturen unseres Manuskripts gehört die Ankunft in Ägypten zur Vesp er (fol. 74): Unter den goldenen Strahlen aus dem Bogenscheitel wird die Heilige Familie mit dem Esel insofern besonders wirkungsvoll hervorgehoben, als die wilde Fel senlandschaft in vielen unterschiedlichen Farbtönen und Helligkeiten aufl euchtet: Über
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ein Fels-Repoussoir mit einem Fruchtbaum blickt man auf die gepflasterte Straße vor dem Stadttor rechts. Eine Echse, die neugierig aufblickt, macht deutlich, durch welche Wildnis Joseph den braunen Esel geführt hat. Der Ziehvater blickt zu Maria, die sich mit innigem Gesichtsausdruck zum in Weiß gewickelten Knaben neigt, dessen rechte Schulter nackt ist. In dem Moment, da zwei Männer zur Begrüßung aus dem Stadttor blicken, stürzt ein vergoldeter nackter Götze von einem Söller herab. Ganz und gar erstaunlich ist auch die Marienkrönung zur Komplet (fol. 84): Vor tief blauem Grund, der oben mit goldenen Sternen besät, zu den Seiten aber mit Goldranken verziert ist, steht Gottes Thron, mit höchst ungewöhnlicher grauer Bespannung, die mit Weiß und Grau geometrisch gemustert ist. Der Baldachin ragt weit vor; auf ihm singen drei mit oxidiertem Silber modellierte Cherubim von einem Blatt, dessen Text und No ten nicht lesbar sind. Maria kniet von links vor ihrem Sohn und kreuzt dabei die Unter arme. Sie trägt ein mit Gold bestirntes Kleid unter ihrem goldenen Mantel, der wie Jesu rosafarbener mit kräftigem Grün gefüttert ist. Ein Engel hält den Mantel, ein zweiter kommt aus der Höhe herab, um der Muttergottes die Krone auf das Haupt zu setzen. Jesus, der eine ähnliche Krone trägt, sitzt aufrecht mit einer großen goldenen Sphaira und segnet, während ein dritter Engel neben ihm die Harfe spielt. Davids Buße zu den Bußpsalmen Die Buße König Davids zu den Bußpsalmen (fol. 90) bietet die Möglichkeit für ein wei teres großartiges Bild des Menschen in bizarrer Landschaft: Unten kniet nach links ge wendet König David in rotem Mantel, gekrönt; die Harfe hat er vor sich abgelegt. Er hat in dieser Miniatur sichtlich die Welt des hell leuchtenden Palasts rechts hinter sich ge lassen, um in der Wildnis zu büßen. Sie erweist sich als eine schroffe Felslandschaft, die wie ein Kelch aufragt. Da steht, zwar zierlich, aber mit dem Flammenschwert ein Engel und weist nach oben, wo in Halbfigur Gottvater im Kreis der Seraphim am Himmel er scheint und sich zu König David herabneigt. Die Horen zu den einzelnen Wochentagen Für die Horen zu den Wochentagen hatte sich keine gültige Bildfolge entwickelt; in Frankreich sind sie selten; sie kommen jedoch in Hauptwerken des Bedford-Meisters vor. Für den Mangel an Vertrautheit mit diesen Texten spricht schon der Umstand, daß im Londoner Bedford-Stundenbuch die Abfolge vom sonst gewohnten Brauch abweicht; denn dort werden am Dienst ag die Heiligen und am Mittwoch der Heilige Geist verehrt; hier hingegen gilt dieselbe Ordnung wie im Wiener Stundenbuch. Nach der in flimmernden Farben gemalten Miniatur zu den Bußpsalmen wirkt das erste Bild zu den Wochentags-Horen geradezu beruhigt; dabei spielt der Wechsel des verant wortlichen Malers entscheidend mit: Die himmlische Erscheinung Gottes ist diesmal das eigentliche Bildthema: Der Sonntag ist als dies dominicalis der Dreieinigkeit gewidmet; deshalb zeigt sich die Trinität mit den vier Evangelisten (fol. 112) in der auch in London und Wien zitierten Tradition der Bebilderung von Psalm 109, bei der die Anfangsworte
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Dixit dominus domino meo durch eine fast zu einer Gestalt verschmelzenden Einheit von Sohn und Vater ausgedrückt werden. Von den Miniaturen des Bedford-Meisters zu den ersten Marienstunden und zu den Bußpsalmen löst sich dieses Bild jedoch entschieden: Im Körper wird die Einheit beschworen; denn mit den Knien rücken die beiden Gestal ten so eng zueinander, als trennten sie sich erst im Oberkörper hin zu den Häuptern, die hingegen sehr viel schärfer voneinander geschieden werden, allerdings durch die weiße Taube des Heiligen Geistes verbunden bleiben. Während eine riesige Tiara die beiden Köpfe beim Bedford-Meister überfängt, genügt Christus hier seine Dornenkrone, so daß die Tiara allein dem Vater zusteht. Unter dem goldenen Mantel, der beider Schultern umspannt, wird bei Christus der nackte Oberkörper des Schmerzensmanns sichtbar. Das Buch, das sie halten, verkündet in drei Zeilen, die über die beiden Seiten hin zu le sen sind: sancta/ trini/tas sit/ nome(n)/ domi/ ni be(nedictum). Mit Schwarz gemustertes Blattgold breitet sich unter den Füßen und zu den Seiten dieses eins gewordenen Paars aus, das keinen Thron nötig hat. Erst ein feurig roter Schein, der sich um das Gold legt, bildet die klassische Form der Mandorla. Seraphim umgeben die Gottheit im Himmels zentrum, das von tiefem Blau umgeben ist. Beide Bereiche sind durch einen scharfen, sehr klar konturierten Farbwechsel getrennt, nachdem über Davids Haupt der Übergang von der Vision Gottes im Kreise der Seraphim zum Himmel malerisch fließend gestaltet war. Im mit Silber gehöhten Blau, das auch durch den bekrönenden Seraph bizarr kon turiert wird, erscheinen keine Cherubim. Vielmehr zeigen im Bogenscheitel zwei Engel eine Schriftrolle, während in den vier Ecken die vier Evangelisten mit ihren Wesen hocken: Johannes links oben, Matthäus gegenüber, Lukas links unten und Markus dann rechts; sie ergänzen das Gottesbild zur Majestas Domini. Von ähnlich konkreter Malweise geprägt ist dann das Bild vom nächtlichen Totendienst in der Kirche zu den Montagshoren (fol. 120v): Wieder rücken im Gegensatz zu den viel kleinteiliger gemalten Miniaturen des Bedford-Meisters in London und Wien die Ge stalten näher an die vordere Bildebene. In einer auf den Mazarine- und den BoucicautMeister zurückgehenden Tradition, die ihrerseits sienesische Vorbilder verarbeitet hatte, wird der Blick in einen Kirchenchor gewährt. Vor dem Altar unter den silbernen Fen stern steht ein Katafalk mit brennenden Kerzen. Am Sängerpult links stehend stimmen drei Geistliche das Totenof fizium an (dessen Text in diesen Büchern an ganz anderer Stelle folgt), während zwei Pleurants im Chorgestühl gegenüber sitzen. Der Maler hat das drehbare Pult wie in seinen wunderbaren Stilleben der Evangelistenporträts auf ei nen mit Folianten bestückten Bücherkasten montiert. Die stärkere Nahsicht verlangt eine wesentliche Veränderung bei Katafalk und Chapelle ardente: Hatte der BedfordMeister mit zwei Registern gearbeitet und den Katafalk mit rotem Tuch bedeckt und darüber dann die blaue Chapelle gespannt und deren Decke mit französischen Königs lilien gemustert, so genügt hier eine einzelne Form, die ganz mit den Lilien auf Blau be setzt ist, obwohl kein präziser Zusammenhang mit der Königsfamilie bestehen dürfte. Das Pfingstwunder zu den Dienstagshoren von Heilig Geist (fol. 129v) spielt in einer Kapelle, die mit den drei Fenstern an den Raum denken läßt, in dem Jesus auf fol. 12v gegeißelt wurde. Nur ist diesmal das mittlere Fenster nicht mit Maßwerk ausgestattet,
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sondern mit rechteckigen Fensterflügeln, die sich öffnen, damit die Taube des Heiligen Geistes aus dem Himmel in den Raum schweben kann. Ein solch praktischer Sinn war dem Bedford-Meister fern, wie die Beispiele in London und Wien zeigen. Maria sitzt in ihrem langen blauen Mantel links der Bildmitte, ihr gegenüber steht oder kniet Petrus als bärtiger Greis, während Johannes mit dem Lockenkopf rechts vorn gemeint sein dürfte. Eine erstaunliche Entscheidung hat der für den gesamten Wochentagszyklus verant wortliche Maler bei den Mittwochshoren von Allerheiligen getroffen; denn diesen Text eröffnet die Taufe Christi (fol. 136). Das mag zwei unterschiedliche Gründe haben: Als erste Erscheinung der Taube des Heiligen Geistes im biblischen Bericht ist diese Sze ne eigentlich neben dem Pfingstwunder der wichtigste Beleg für den Heiligen Geist. Da im Londoner Bedford-Stundenbuch der Mittwoch dem Heiligen Geist zugeordnet war, könnte der Maler, der ja die Rubrik auf fol. 135v nicht vor Augen hatte, das Bild irrig an dieser Stelle eingemalt haben. Vielleicht aber stand ihm auch vor Augen, daß Johannes, dessen wichtigste Tat die Taufe Christi war, alle anderen Heiligen überragte. Die Her vorhebung des Täufers, der in den Suffragien als einziger ein Bild, wenn auch nur eine große Initiale erhielt, mag ebenso vom Namensp atron des Auftraggebers bestimmt ge wesen sein. In charakteristischer Weise unterscheidet sich die wunderbare Landschaft von den hoch getürmten Panoramen im Marienof fizium und im Davidbild. Der Einzug des Abschluß bogens bestimmt die Grenze von Erde und Himmel, die nicht vom Horizont, sondern von der Silhouette der darüber hinausragenden Berge, Bäume und Gebäude bestimmt ist. Unter einer en-face gegebenen Erscheinung Gottvaters im Kreis der Seraphim wird die Taufszene – und nicht der sonst gern isoliert die Bildmitte einnehmende Jesus – ge zeigt. Statt eines Flusses scheint ein See gemeint zu sein, auf dessen linkem Ufer, weit vorn, in Bedeutungsp erspektive deutlich kleiner, würdige Männer als Zuschauer ste hen, der erste spontan betend. Der ganz nackte Jesus verdeckt die Scham mit der linken Hand, segnet mit der Rechten und neigt den Blick. Johannes, deutlich älter mit grauem Bart und Haar, in einen golden schimmernden Mantel gehüllt, hält die silberne Flasche mit dem Taufwasser so energisch über das Haupt des Gottessohns, daß die Taube des Heiligen Geistes nach links ausweichen muß. Der Engel mit Christi Rock, der hier mit goldenen Mustern verziert ist, kniet rechts. Die dadurch bewirkte enge Verbindung mit der Hauptgruppe ebenso wie die Eingrenzung des Wassers durch Berge und zwei Städte im Hintergrund unterscheidet die Komposition von ähnlichen Bildern in stilverwand ten Handschriften, so im Salisbury-Brevier des Herzogs von Bedford (Paris, BnF, latin 17294, fol. 278v) und im stilistisch späteren Stundenbuch der Isabeau de Croix, das gera de im Kunsthandel aufgetaucht ist (fol. 185). Inhaltlich setzt sich unser Maler von dem genannten Beispiel dadurch ab, daß er mit praktischem Verstand dem Täufer nicht auch noch ein Buch in die Hand gibt. Das Letzte Abendmahl gehört in Zyk len der Wochentags-Horen zum Donnerstag (fol. 142), wurde es doch am Vorabend des Karfreitag gefeiert: In einem engen Zentral bau, der in der Art sienesischer Architekturen des 14. Jahrhunderts durch drei gestaffelt
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hohe Bögen von außen sichtbar ist und dessen fünfteiliges Kreuzrippengewölbe Sinn für die architektonischen Notwendigkeiten vermissen läßt, haben sich die zwölf Jünger mit Jesus in ihrer Mitte versammelt: Sie drängen sich, so daß ihre Zahl nur von den Nimben her bestimmt werden kann. Gegen den ikonographischen Brauch, entweder das Brot für Judas zu zeigen oder Petri Nachfrage bei Johannes, der an der Brust des Herrn ru hen müßte, steht hier die Kommunion des jugendlichen Lieblingsjüngers im Zentrum, die sonst so gut wie nie dargestellt ist. Judas erscheint – wie auch in den kompositorisch verwandten Bildern des Bedford-Meisters in London und Wien – auf wenig vertraute Weise; denn er wird mit der Rückenfigur in der Mittelachse gemeint sein. Wie bei An drea del Castagno im Refektorium von Sant’Apollonia in Florenz aus den 1440er Jahren trägt er einen auffälligen schwarzen Haarschopf. Vom Brauch weicht auch ab, daß sich einer der Apostel noch recht vertraut zu dem als einzigem Knienden beugt; von der Phy siognomie her könnte Petrus mit diesem Jünger gemeint sein; dann würde er hier seine Nachfrage direkt an den Verräter richten. Mit dem in Stundenbüchern genauso formulierten Text gehören die Horen von Heilig Kreuz zum Freitag. Wie auch sonst üblich werden sie von einem Bild der Kreuzigung (fol. 150) eingeleitet, wobei der Maler diesmal ganz auf die Vergegenwärtigung in Land schaft verzichtet. Als habe er ein altertümliches Andachtsbild im Sinn, breitet er einen kostbaren Fond aus goldenen, roten und blauen Karos, wie er um 1410 Mode war. Da bei besetzt er die Szene aber sehr dicht mit Figuren: Golgatha wird durch Totenschädel und Knochen unten als Schädelstätte bezeichnet. Groß ragen die Gestalten der Mutter gottes und des Lieblingsjüngers links und des Zenturio mit seinem Gesprächsp artner rechts auf. Zwei heilige Frauen links und ein Mann rechts wirken da eher als Füllsel. Von Johannes beschwichtigt, schaut Maria zum Sohn auf, dessen Seitenwunde den Tod be weist. Der Zenturio hingegen sendet ein Spruchband aus mit den Worten: vere filius dei erat iste. Gewisse Mühe hat es den Maler gekostet, dann auch noch die beiden Schächer an ihren vom Bogenabschluß des Bildes beschnittenen Kreuzen unter den Kreuzesar men Jesu unterzubringen. Zu den erstaunlichsten Bildern gehört die Mondsichelmadonna in der Sonne zum Sonn abend (fol. 157v) am Ende dieses Zyklus: Aus der Apokalypse stammt die Vorstellung von der verfolgten Mutter mit ihrem Kind, die auf dem Mond steht und in die Sonne gekleidet ist. Deshalb findet man vor allem im Spätmittelalter ungezählte Beispiele in je dem Medium der Bildkünste; und immer ist damit die Jungfrau Maria als Muttergottes gemeint. So auch hier in einer grandiosen Darstellung der aufrecht stehenden Königin der Engel, die in ihren blauen, innen golden ausgeschlagenen Mantel gehüllt ist. Sie hält den in golden schimmerndes Purpurrot gekleideten Jesusknaben so, daß er nach links aus dem Bild herausblickt, während sie zu Engeln schaut, von denen drei unten rechts ein großes Buch geöffnet haben, aus dem sie gewiß gerade singen, während über ihren munter bunten Flügeln ein vierter die Harfe schlägt. Raf finiert ist das Gewicht der Hauptfigur nach links verschoben; von dort müßte sich im Sinne der Leserichtung der Beter oder die Beterin des Stundenbuchs nähern, und dahin schaut deshalb auch der Jesusknabe.
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Ein ungewohntes Heiligenbild Peter von Luxemburg (1369-1387) war als Kleriker Spielball im Schisma zwischen Rom und Avignon. Vom Gegenpapst Clemens VII . mit nur 15 Jahren zum Erzbischof von Metz und Kardinal erhoben, versuchte er, sich gegen einen Konkurrenten durchzuset zen, den der deutsche König Wenzel und der römische Papst Urban VI . unterstützten. Peter von Luxemburg wurde dann aber nach Avignon gerufen, wo er im Geruche der Heiligkeit starb, als Stadtpatron verehrt, aber erst 1527 vom Medici-Papst Clemens VII . selig gesprochen. Als Heiligen zeigt ihn die Miniatur mit dem Gebet des Peter von Luxemburg (fol. 165). Durch zwei unterschiedliche Bögen eines architektonischen Rahmens, der an das Lu kasbild (fol. 7) erinnert, blickt man auf seinen Thronsitz, dessen blauer Bezug mit gol denen Sternen gemustert ist, und auf ein Betpult, das wie ein Altar mit einem goldenen Retabel bestückt ist. Der luxemburgische rote Löwe auf Silber verrät die Familie des in Rot gehüllten Kardinals, dem ein Engel den Kardinalshut bringt, während der jugend liche Prälat von seinem unleserlich beschriebenen Buch aufschaut und in vager Analo gie zur Stigmatisation des heiligen Franziskus schaut, wie der Gekreuzigte mit goldenen Strahlen im Dunkelblau eines Bogens erscheint, der in der schrägen Stirnwand des mit Holztonne gewölbten Raums geöffnet ist. Die Miniatur wird durch das leuchtende Zin nober zwischen tiefem Blau und den Schwung in der Gewandung der Hauptfigur belebt. Die Darstellung steht unter dem Zeichen des Pilgerheiligen Jakobus, dessen Statuette zwischen den beiden Bögen steht. Das läßt an Jacqueline oder Jacquette von Luxemburg (1415-1472) denken, die John of Lancaster, Herzog von Bedford, nach dem Tod seiner ersten Gemahlin Anna von Burgund geheiratet hatte. Das Bild zum Totenof fizium Wie in solchen Stundenbüchern gewohnt, wird nur die Toten-Vesp er bebildert. Da die oft gezeigte Totenfeier in der Kirche bereits auf fol. 120v die Montagshoren der Ver storbenen eröffnet hatte, wird nun die im Bedford-Stil besonders intensiv durchdachte Szene des Toten auf dem Friedhof (fol. 178) dargestellt. Anders als in den übrigen Va rianten dieses Themas, von denen wir in diesem Katalog einige beschreiben, wird das Genrehafte ganz ausgeschaltet, das sonst diese Szene bestimmt: Von den Priestern, Pleurants und sogar den Totengräbern verlassen, liegt ein nackter Leichnam auf einem stei nernen Grabdeckel mitten in der von einer rosafarbenen Mauer umfriedeten Wiese, die durch hölzerne Grabkreuze und ein hohes Metallkreuz als Friedhof gekennzeichnet ist. Die nackte Seele hat den Körper gerade verlassen und schwebt mit hoffnungsvoll ausge streckten Armen zu Gottvater, der sich mit Seraphim in einem goldenen Strahlenkranz im Bogenscheitel en-face zeigt. Wie in der zu Recht berühmten Miniatur des Toten auf dem Friedhof in den Grandes Heures de Rohan (Paris, BnF, latin 9471, fol. 159) versucht ein Teufel der Seele habhaft zu werden, während ein Engel, eher der Erzengel Michael als nur ein schlichter Schutzengel, mit dem goldenen Kreuzstab die Seele schützt, da
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mit sie von den Engeln aufgenommen werden kann, die unter der himmlischen Gloriole heranschweben. Eine Bild-Initiale zu den Suffragien In der besonders reichen Folge von Suffragien findet sich nur ein Bild, und zwar auf fol. 227 in einer fünfzeiligen Initiale, die nicht einmal einem Suffragium zugeordnet ist, sondern einem sehr ungewöhnlichen Text, der sich als Gebet versteht, das man zu Festen und Oktaven Johannes des Täufers sprechen soll. Da steht vor tiefem Blau unter golde nen Strahlen der ins Kamelfell gehüllte graubärtige Heilige, weist auf das Lamm, des sen winzige Gestalt erst durch einen schräg nach rechts aufsteigenden Felsen Wirkung erhält, und spricht zu Männern, die ihm in die Einöde gefolgt sind. Bilder zu den französischen Schlußgebeten Das für Pariser Stundenbücher typische Mariengebet zu den XV Freuden Marias Doulce dame leitet ein zauberhaftes Bild der Madonna im Zelt (fol. 256) ein. Vor mit Goldran ken gemustertem dunklen Blau erhebt sich ein rundes weißes Zelt, dessen goldene Spitze mit einem Fähnchen in den leeren Blattrand vorstößt. Engel geben uns Einblick in die se verwunschene Welt, indem sie von beiden Seiten heranfliegen, um die Zeltplanen zu öffnen. Größere Engel sitzen unten auf einer Wiese; der eine spielt eine Portativ-Orgel, der andere eine Harfe. Auf einem roten Stuhl sitzt die Gottesmutter mit einer hohen Krone. Auf ihrem Schoß steht das Jesuskind in einem goldgemusterten roten Rock und trinkt an ihrer Brust. Blumen sprießen in silbernen Vasen vorn links und hinten rechts, dazu ein Bäumchen in einem irdenen Topf in der Mitte vorn. Am köstlichsten aber sind die zarten roten Rosen, die im Zelt wachsen und wie ein Muster den Thron umgeben. Das folgende Herrengebet der VII Klagen des Herrn Doulz dieu eröffnet ein ungemein dichtes Bild des Jüngsten Gerichts (fol. 261v): Auf einem goldenen Bogen thront Jesus, mit den Füßen auf einer goldenen Weltenkugel; sein Nimbus berührt den Bogenschei tel, während zwei rot glühende Seraphim die Posaunen blasen. Die Rechte hat der Wel tenrichter zum Segen erhoben, die Linke weist abwehrend zu den Verdammten. Doch umgeben ihn direkt die Apostel, die hier nicht zu Gericht sitzen, sondern wie die Mut tergottes und Johannes der Täufer für die Menschen als Fürbitter eintreten. Derweil wird unten nicht die Auferstehung der Toten, sondern bereits auf eine ungemein irritie rende Weise der Gerichtsp rozeß gezeigt: In der Mitte steht ein Engel mit der Waage, in der ein Erlöster schwer genug für die Gnade ist, während der Verdammte bereits ins Höllenmaul rechts unten stürzt. Von erschütterndem Pessimismus zeugen die Gescheh nisse zu beiden Seiten: Während ein zweiter Engel auf den einzigen hier gezeigten Er lösten wartet, beugt sich zwar ein Teufel vor der Macht der Engel; ein zweiter aber hat links, wo man direkt unter der Muttergottes Erlöste erwarten würde, drei nackte Auf erstandene mit einer schwarzen Kette gebunden. Er wird sie nach rechts schaffen, wo ein zweiter schwarzer Teufel den beim Wägen Verdammten ins große Höllenmaul mit loderndem Feuer stößt.
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Zum Stil Die Arbeit an den Miniaturen in diesem Stundenbuch war offenbar zunächst klar zwi schen zwei Künstlern aufgeteilt, deren hierarchische Stellung bei diesem Auftrag eben so deutlich zu Tage tritt. Die beiden Maler verfügen jeder über ihr eigenes Vorlagen material; und schon deshalb vertreten sie eine unterschiedliche Optik, die sich ebenso in Pinselführung und Farbbehandlung zeigt. Doch kommt in unserem Manuskript ein sonderbares Faktum hinzu: Gesichter von jungen Frauen und Engeln, besonders klar erkennbar das Antlitz der Jungfrau Maria, sind weder von der einen noch der anderen Hand. Händescheidung, die sich in den meisten Fällen recht gut auf physiognomische Eigenarten verlassen kann, gerät deshalb an Grenzen. Die erste große Miniatur mit Johannes auf Patmos, sodann die ersten beiden Bilder zum Marien-Of fizium, und schließlich die Eröffnung von Bußpsalmen und Toten-Vesp er ver raten eine Sicht, in der Landschaft wie eine Tapisserie bis zum Ansatz des bekrönenden Abschlußbogens der Miniaturen aufragt, während ein goldenes Licht im Bogenscheitel nach unten strahlt. Farbe wird malerisch aufgetragen, in vielen kleinen Strichen; und es wirkt, als sei die ausführende Hand nicht immer ganz sicher, der verantwortliche Ma ler also bereits einigermaßen betagt. Dazu könnte passen, daß greise Gestalten wie die Elisabeth der Heimsuchung und der bärtige David zu den Bußpsalmen besonders ein drucksvoll und ergreifend gelungen sind. Licht breitet sich weich über die Objekte; Schatten sorgt in der Landschaft für lebendi ge Effekte; aber die Figuren erhalten kaum plastische Kraft. Den Gotteserscheinungen im Kreise der Engel bei den Bußpsalmen und der Toten-Vesp er kommt das sogar zugu te; denn Überwirkliches überzeugt auf erstaunliche Weise. Das gilt besonders, wenn die Miniatur zum Totenof fizium aus dem vertrauten Genre der Totenbilder ausbricht und den Kampf um die Seele des auf dem Friedhof liegenden Verstorbenen gestaltet. Evokation des Göttlichen ist weit weniger Sache des zweiten Malers, der den Kalender, die restlichen vier Bilder zu den Perikopen, wohl auch die Initiale mit Maria am Web stuhl, die sieben Bilder zu den Wochentags-Horen, den betenden Peter von Luxemburg, die Miniaturen zu den XV Freuden und VII Klagen ebenso wie die Bild-Initiale mit der Johannesp redigt gemalt hat. Er rückt Gestalten und Gegenstände stärker in den Vordergrund, ist ein Meister des spie lerisch eingefügten Stillebens, schmückt Interieurs phantasievoll aus, ohne sie schlüssig mit dem bildrahmenden Bogen zu kombinieren. Landschaften wirken bei ihm kompak ter und klarer. Mit seiner Pinselführung arbeitet dieser Maler auf rundliche plastische Wirkung hin. Selbst wenn beide Künstler ihre Farben wohl aus denselben Quellen be zogen, so weiß dieser Maler doch viel mehr Wirkung mit dem kostbaren Blau und den eindrucksvollen Flächen verschiedener Rottöne zu erzielen. Am klarsten unterscheiden sich die beiden Hände in unserem Stundenbuch dort, wo von ihnen gemalte Köpfe einer gemeinsamen Grundidee verpflichtet sind: Das gilt für die direkt aufeinander folgenden Miniaturen zu den Bußpsalmen und den Trinitätsho
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ren mit dem greisen David und Gottvater. Weiches Zerfließen der Form, das für den ei nen charakteristisch ist, läßt der zweite nicht zu; deshalb mag er ein wenig jünger sein. Die Landschaft der Taufe Christi bestätigt diesen Eindruck, zumal über der erstaun lich treffenden Raumerschließung bis zu den Architekturen in der Tiefe eine so ding lich greifbare Gotteserscheinung mit rundlichen Seraphim schwebt, daß man erkennt, wie stark die Wirklichkeit bei unserem zweiten Maler Vorrang vor dem Visionären hat. Seit den Beiträgen von Eleanor Spencer, vor allem ihrem Buch über die Sobieski Hours von 1977, sind sich Kenner einig, daß in diesem Gegensatz das Nebeneinander des Bed ford-Stils und des Meisters der Münchner Legenda Aurea zu Tage tritt. Im Londoner Bedford-Stundenbuch, das für einen unbekannten Auftraggeber geschaffen wurde und dann erst Wappen und Bildnisse des Herzogspaars von Bedford erhielt, tritt der zwei te Maler nur in letzten Hinzufügungen auf, mit denen die Handschrift zum Geschenk für Heinrich VI . von England eingerichtet wurde, wohl im Blick auf seine Krönung zum französischen König am 16. Dezember 1431 in der Pariser Notre Dame. Da das Bedford-Stundenbuch aber in dieser letzten Kampagne besonders einprägsame und deshalb einem breiteren Publikum bekannte Miniaturen von unserer zweiten Hand er hielt, verdrängen diese Arbeiten in der allgemeinen Wahrnehmung zuweilen den kon kurrierenden Stil des eigentlichen Bedford-Meisters. So repräsentiert eine der einge fügten Miniaturen in Wikipedia den Bedford-Meister; und selbst auf dem Umschlag meines Buchs über die Londoner Bedford Hours hat man ein solches Bild gesetzt, weil die schlichte Wucht, mit der dieser Künstler auftritt, fasziniert. Immerhin eröffnet dort ein Paradiesesbild von der Hand des Bedford-Meisters selbst die um 1430 hinzugefügten Miniaturen aus dem Alten Testament. Dieser Umstand betont zugleich, wie intensiv der ältere Meister, der auch in unserem Stundenbuch die wich tigsten Miniaturen geschaffen hat, seinen Vorrang behauptete. Parallel nebeneinander und doch in gleicher Weise hierarchisch gestuft arbeiten beide im Sobieski-Stundenbuch. Dort erhielt der Bedford-Meister ebenfalls die wichtigsten Aufgaben, indem er erneut die Marienstunden übernahm, während der andere Maler beispielsweise die Passion zu den Horen von Heilig Kreuz gestaltet hat. Genau in dieser Zeit wird unser Stundenbuch entstanden sein: Der Bedford-Stil domi niert; der Meister der Münchner Legenda Aurea aber steht nahezu gleichwertig neben der vielleicht um ein Jahrzehnt älteren Stillage. Im Kalender zeigt sich, daß Konzepte der Bedford-Werkstatt, die der Meister der Münchner Legenda Aurea um 1430 im So bieski-Stundenbuch noch bereichert hatte, von diesem Künstler nun noch ein letztes Mal perfektioniert werden – und das in kleinerem Format. Stilistisch erreicht der Maler hier die Höhe, die selbständige Werke wie das hinreißende Londoner Stundenbuch Add. Ms. 18192, ms. 2164 der Mailänder Trivulziana, Ms. 291 in Einsiedeln und auch Roth schild 2535 der Pariser Nationalbibliothek verkörpern. Schon in früheren Büchern, so in Katalog 66 (Das Pariser Stundenbuch um 1400) haben wir vorgeschlagen, im Meister der Münchner Legenda Aurea den sonst wohl leider nicht
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dokumentierten Conrad von Toul zu erkennen. Der Bedford-Stil wird gut begründet mit Haincelin de Haguenau, der 1409 Valet de Chambre des 1415 verstorbenen Dauphins Louis de Guyenne wurde, und Jean Haincelin verbunden. Daraus ist in der jüngsten Li teratur nahezu Gewißheit geworden, man könne beide als Vater und Sohn unterschei den, zumal man seit Spencer zwei aufeinander folgende, verwandtschaftlich eng verbun dene Stillagen unterscheidet. Dagegen stehen aber die Bedenken der Rouses von 2000, die meinen, mit den unterschiedlich geschriebenen Namen sei wohl doch nur ein und derselbe Buchmaler gemeint, der dann eben von 1403 an ein halbes Jahrhundert tätig gewesen sein müßte. Angesichts der stark mit älterer Buchkunst verbundenen Dominanz des Dornblatts in unserem Stundenbuch, die selbstverständlich auch vom Auftrag bestimmt gewesen sein mag, gehören die Miniaturen im Bedford-Stil in die Zeit des Übergangs vom älteren Bed ford-Meister zum jüngeren Dunois-Meister. Dessen namengebendes Werk, Ms. Henry Yates Thompson 3 der British Library, wird erst nach der Rückeroberung von Paris in der zweiten Hälfte der 1430er Jahre entstanden sein. Die charakteristischen rundköpfi gen und kurzwüchsigen Gestalten dort fehlen hier. Deshalb könnte man den alternden Bedford-Meister selbst für die Anlage unseres Buchs verantwortlich sehen. Problematisch bleiben drei Miniaturen im Marienof fizium: Die Flucht nach Ägypten wirkt, als habe sie der Bedford-Meister konzipiert, aber der Meister der Münchner Legenda Aurea ausgemalt; denn die teppichhaft ansteigende Landschaft mit den himm lischen Strahlen aus dem Bogenscheitel ist noch ganz dem älteren Stil verpflichtet; die Farben aber ebenso wie die Köpfe der Männer, die aus dem Tor treten haben die Kraft des nur wenig jüngeren Künstlers. Maria trägt in der Flucht nach Ägypten noch den vor allem für den Meister der Münch ner Legenda Aurea charakteristischen blauen Mantel mit goldenem Futter über einem im selben Blau gehaltenen Kleid. Bei der Anbetung des Kindes zur Prim und der Ma rienkrönung zur Komplet aber trägt die Muttergottes ein mit Gold gemustertes Kleid, das an Bilder der Ähren-Madonna denken läßt; ein goldener Gürtel schmückt sie beim Weihnachtsbild. Die eigenartige Bildanlage, die stark von zentraler Wirkung bestimmt ist, findet sich weder beim Bedford-Meister, noch beim Meister der Münchner Legenda Aurea. Ein eindrucksvoller Maler, der offenbar zum Bedford-Kreis gestoßen ist, tritt hier hervor, vielleicht eine Hand, die bei den ersten Arbeiten im Stundenbuch der Marguerite de Foix des Londoner Victoria & Albert Museums (Salting Ms. 1222) mitgewirkt hat. Alle Marienköpfe, sogar die des Verkündigungsbildes oder auch der hinreißenden Mond sichel-Madonna, sowie fast alle Kindes- und Engelsgesichter, wurden von einer vierten Hand übermalt. Am schlüssigsten läßt das Christuskind des zuletzt genannten Bildes den Meister des Jouvenel des Ursins erkennen, dessen relativ kurzes Auftreten von den 1430er bis in die 1450er Jahre in meinem Buch von 1482 umrissen wurde, ehe Avril und Reynaud gewisse Korrekturen zu dem dort entworfenen Bild in der Pariser Ausstellung von 1993 beisteuerten.
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Das Auftreten dieses Malers in unserem 1982 noch nicht präsenten Manuskript eröffnet neue Aspekte: Ich hatte den im Loiregebiet tätigen Maler vielleicht etwas zu entschie den von Pariser Trends seiner Zeit abgesetzt; in seiner Fouquet-Ausstellung 2003 ortete ihn Avril vage im Fahrwasser des Dunois-Meisters. Sterling wiederum hatte schon 1990 im zweiten Band seiner Pariser Malerei 1300-1500 die von mir an der Loire angesiedelte Stilfolge von Jouvenel-Meister und Meister des Genfer Boccaccio ganz nach Paris ver setzt und mit den dort dokumentarisch belegten Malernamen von André d’Ypres und Colin d’Amiens verbunden. So nahe wie hier kommt der Jouvenel-Meister den Pariser Buchmalern sonst nie. Für sei nen Einsatz in diesem Buch ergeben sich mehrere Optionen: Die Mariengesichter könn ten, wie das im 15. Jahrhundert von unserem Provost-Stundenbuch bis zu Jean Colombes Stundenbuch des Louis de Laval immer wieder beobachtet werden kann, von den Pariser Malern bewußt leergelassen worden sein, damit ein anderer sie vollendete. Daß der aber jünger und deshalb wohl auch weniger ausgewiesen sein dürfte, spricht dagegen. Deshalb erhält die Vorstellung Gewicht, das Buch sei zunächst in einem Auftrag ange legt worden, der in die engere Umgebung des 1435 in Rouen verstorbenen Herzogs von Bedford gehörte. Nach dem Abzug der Engländer sei es dann an eine Person gelangt, die sich zu Karl VII . bekannte. Die Gesichter wären vermutlich nicht mehr in Paris selbst gemalt worden. Die Königskrone und die an mehreren Stellen auftauchenden Stachel schweine könnten damit zusammenhängen. An dieser Stelle kommt der am stärksten irritierende Umstand ins Spiel: Die Ergänzun gen der Bordüren stammen nicht aus dem engeren Jouvenel-Kreis, sondern vom Meister des Bartholomäus Anglicus, fr. 135-136. Dieser Künstler gehört ebenso wie der JouvenelMeister in die Nachfolge des Meisters der Marguerite d’Orléans und damit ins Loire-Tal, vielleicht auch nach Le Mans, wie Nicole Reynaud meinte. Von diesem Künstler ist nur ein Stundenbuch bekannt: Ms. 4 der New Yorker Sammlung Alexandre P. Rosenberg (Ausst.-Kat. New York 1982, Nr. 35). In geradezu paradoxer Weise stimmt diese Hand schrift mit unserem Stundenbuch überein; denn alle Textseiten sind dort mit senkrech ten Bordürenstreifen zu beiden Seiten des Textfelds ausgestattet, sehen also heute noch so aus wie unsere Textseiten, bevor der Meister des Bartholomäus Anglicus die waage rechten Bordürenstreifen ergänzte. Der Eindruck drängt sich auf, der Meister des Bartholomäus Anglicus habe sich bei sei nem einzigen Stundenbuch ausgerechnet in dieser Hinsicht an unserem Manuskript orientiert und dessen höchst ungewöhnliches Layout übernommen. Wie stark ihn un ser Stundenbuch beeindruckt hat, beweisen zwei entschiedene Rückgriffe auf einzelne Bilder: Der Meister des Bartholomäus Anglicus wiederholt exakt die Maria des Pfingst wunders in einer Variante der gesamten Komposition. Vor allem aber macht er sich die Darstellung zur Toten-Vesp er bis in die Disp osition der Grabdeckel zu Eigen. Dort aber ersetzt er die Gotteserscheinung durch eine Variante, die er ebenfalls aus unserem Stun denbuch kennt – Gottvater im Kreise der Seraphim, wie er über der Taufe auf fol. 136 erscheint. Da er sich nun auf Miniaturen in unserem Buch bezieht, die von zwei verschie
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denen Malern ausgeführt wurden, diente dieses unser Manuskript selbst dem jüngeren und ortsfremden Meister als Quelle! Ein erstaunliches und beeindruckendes Beispiel Pariser Buchmalerei der frühen 1430er Jahre, eher vom Bedford-Meister selbst als vom Dunois-Meister, also von Haincelin de Haguenau, angelegt und vom Meister des Münchner Legenda Aurea, also Conrad von Toul, mit prachtvollen Miniaturen versehen. Der Auftrag wird aus dem engeren Umkreis des Herzogs von Bedford, Gouverneur in Paris, stammen, am ehesten aus der Familie Luxemburg, entweder für Johann, Bastard von Luxemburg, oder, eher noch, für Jacquette de Luxemburg, Bedfords zweite Frau, die spätere Lady Rivers. Bei der Rückeroberung von Paris 1435 unvollendet, dürfte das Buch in die Hände eines Königst reuen gelangt sein, für den dann der Jouvenel-Meister die wich tigsten Frauengesichter ausmalte und der Meister des Bartholomäus Anglicus den Randdekor auf spektakuläre Weise ergänzte. Angesichts der Vielfalt entscheiden der Stiltendenzen ist dieses eines der interessantesten Manuskripte aus dem zwei ten Viertel des 15. Jahrhunderts, eindrucksvoll im Gegensatz der daran beteiligten Temperamente und von einer Wirkung, in der historische Bedeutsamkeit und äs thetische Brillanz auf unerhörte Weise zusammentreffen. LIT ER AT UR: Ugo Paolantonacci, Les Heures Hachette, Paris 2012 (=vente Paris, Millon, 27.4.2012), ein ganzer diesem Manuskript gewidmeter Katalog.
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13 Ein brillant erhaltenes Stundenbuch vom Meister der Münchener Legenda Aurea, Conrad von Toul, im originalen Einband
13 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Rot, mit einem Kalen der in Blau und Rot, Festtage in Gold, geschrieben in Textura. Paris, 1430-40: Meister der Münchener Legenda Aurea: Conrad von Toul 16 große Miniaturen über vier Zeilen in mit Goldleisten umrandeten Vollbordüren, durchweg mit Dornblattdekor, dessen Ranken in farbigen Blüten enden: vierzeilig die Initialen; dreiseitig die breiten Zierleisten; die Ranken mit buntem Akanthus und Blu men in den Ecken. Alle Textseiten mit Bordürenstreifen aus Dornblatt außen; die kleineren Initialen im Flächendekor in Gold auf roten und blauen Gründen mit weißem Dekor: drei zeilig zum Mariengebet O intemerata, zweizeilig zu den Psalmenanfängen, einzeilig zu den Psalmenversen; Zeilenfüller der gleichen Art. Versalien gelb laviert. 176 Blatt Pergament, jeweils ein fliegendes und ein festes Vorsatz aus altem Pergament vorne und hinten. Gebunden in Lagen zu acht Blatt, davon abweichend die Kalenderlage 1 (12), die original unregelmäßig geplante Lage 3 (6+1) ohne Verlust, Lage 13 (6+1) am Ende des Ma rienoffiziums, ebenfalls ohne Textverlust, sowie Lage 16 (4). Groß-Oktav (225 x 158 mm, Textspiegel 108 x 59 mm). Rot regliert zu 15, im Kalender zu 16 Zeilen; horizontale Reklamanten in kleiner Bastarda mit verziertem Anfangsbuchstaben, weitgehend erkennbar, aber schon für den ersten Einband getrimmt. Komplett und makellos erhalten. Blindgeprägter Pariser Kalbledereinband des 15. Jahrhunderts auf vier echte Bünde; Rücken kompartimente mit sich kreuzenden Streichlinien, Deckel ganz bedeckt von Dekor in Blind prägung: der äußere Rahmen gebildet durch Einzelstempel in Wappenschildform mit jeweils drei fleurs-de-lis; innerer Rahmen aus vier Streichlinienfileten, darin weiterer Rahmen aus Einzelprägung mit rechteckigem Löwenstempel, gefolgt von nochmaligem Filetenrahmen, der wiederum ein Hochrechteck einschließt aus Stempeln mit Monogramm IM (Iesus Maria?), der innere Bezirk wird gebildet aus zwei vertikalen Reihen mit beherrschendem Lilienstempel in Rautenform (das Überwiegen der fleurs-de-lis ließ Théophile Belin 1908 über eine könig liche Provenienz spekulieren; sie ist keineswegs ausgeschlossen, aber aus diesen Indizien nicht schlüssig belegbar). Spätere Pergamentvorsätze, Goldschnitt mit dem ursprünglichen gemalten Akanthus- und Blumendekor in mehreren Farben, oxydierte Wappenmalerei auf Vorderschnitt. Halbmaro quin-Etui mit Samtfütterung von J. & St. Brockman, Oxford. Bis auf eine unauffällige Ver stärkung der Gelenke (ca. 1900-1910) ist der Einband völlig unrestauriert, die Stempel scharf und bestens lesbar. Provenienz: Das Wappen des Auftraggebers auf dem seitlichen Rand des Buchblocks über Goldschnitt ist nicht mehr zu entziffern; aus der Oxydation wäre zu entnehmen, daß der Fond Silber war.
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Um die Wende zum 20. Jahrhundert war das Manuskript im Besitz von Théophile Belin, dem damals führenden Handschriftenhändler in Frankreich; in seinem aufwendigsten Katalog „Catalogue de livres rares et précieux“, 1908, ist es unter Nr. 324 mit 3 ganzseitigen Tafeln ab gebildet: 15.000.- Goldfrancs. Verkauft wurde es an den Sammler Jean Hersent (1862-1946, Sohn von Hildevert Hersent, dem berühmten Bauingenieur und Erfinder), dem auch einige der gedruckten Stundenbücher unserer Sammlung Horae b. m. v. gehörten (u. a. Nrn. 90, 149, vgl. DBF17,1131f.): Exlibris auf dem ersten fliegenden Vorsatz. Zuletzt europäische Pri vatsammlung. Text fol. 1: Kalender, jeder Tag mit Heiligen besetzt, Heiligennamen abwechselnd rot und blau, die Goldene Zahl in Gold, Sonntagsbuchstaben b-g in Braun, Sonntagsbuchsta ben a in Gold auf Rot und Blau, Iden und Nonen in Rot und Blau, die Festtage in Gold. Die Heiligenauswahl mit Genovefa und Dionysius weist ebenso wie die dialektale Fär bung auf Paris. fol. 13: Perikopen, beginnend mit Johannes als Suffragium (fol. 13), Lukas (fol. 15), Mat thäus (fol. 16v) und Markus (fol. 18). Fol. 19v: Mariengebete für einen Mann redigiert: Obsecro te (fol. 19v), 23v: O intemerata. fol. 28: Marienof fizium für den Gebrauch von Paris: Matutin (fol. 28), Laudes (fol. 53), Prim (fol. 64v), Terz (fol. 70v), Sext (fol. 75), Non (fol. 79v), Vesp er (fol. 84), Komplet (fol. 91). fol. 97: Bußpsalmen, mit Litanei (fol. 109). Die knappe Heiligenauswahl weist nach Pa ris (so Genovefa). fol. 114: Horen von Heilig Kreuz (fol. 114) und Horen von Heilig Geist (fol. 117v). fol. 121: To ten of fi zi um, für den Gebrauch von Paris. fol. 168: Französische Gebete an Maria und Jesus: Doulce Dame (fol. 168); Doulx dieu (fol. 173v). Schrift und Schriftdekor: Noch in Textura geschrieben, erweist sich dieses Manuskript in unserer Folge von vier Handschriften, die vom selben Künstler ausgemalt wurden, als das späteste Beispiel: Die Schrift ist niedriger und ein wenig unruhiger geworden. Die kleineren Zierbuchstaben sind einheitlich im Flächendekor gehalten; dabei wird den zweizeiligen Initialen gern eine in den Randstreifen ausgreifende Art von zackigen Verzierungen angefügt. Auf den Bildseiten herrscht zwar der Dornblattdekor; doch werden die Bordüren nun von Blattgold umrandet, so daß sie teppichhaft fest gefügt wirken. Das auf die relativ späte Entstehung deutende Mittel der Rahmung durch einfaches, nicht mit Tintenlinien verstärktes Blattgold findet sich auch in den Bildern. Als einzige Miniatur erhielt Davids
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Buße zu Beginn der Bußpsalmen einen traditionsgemäß als Doppelstab ausgeführten Rahmen, bei dem in die Blattgoldleiste ein Farbstreifen eingefügt wurde, der in Rot und Blau gefärbt und mit einer weißen Linie gehöht ist; gearbeitet ist, wobei beide Teile von einer schwarzen Tintenlinie getrennt werden. Allen übrigen Miniaturen fehlt dieses De tail; und so mögen wir hier mit der Buße Davids zu dem wichtigsten Incipit eines Stun denbuchs neben der Marien-Matutin, die älteste Miniatur der Bildfolge vor uns haben. Wo Landschaft die Bilder beherrscht, waren Binnenstreifen vorgesehen, die die Gold leiste zum Doppelstab ergänzen sollten. Das unterblieb bei Interieurs, deren in weiß grauem Stein gehaltene Binnenrahmung als Diaphragma dient und offenbar die zur Entstehungszeit des Buches bereits altmodische Ausbildung des Doppelstabs überflüs sig machte. Die Bilder: Die Perikopen werden nur mit einer Miniatur, Johannes auf Patmos (fol. 13), eröffnet. Auf einem kleinen Eiland, das fast die ganze Bildfläche einnimmt, sitzt der Evangelist in rotem Gewand, in einen weiten blauen Mantel gehüllt, und schreibt den Beginn seines Evangeliums auf eine breite Schriftrolle. Neben ihm sitzt sein Symboltier, der Adler, und reckt den Hals nach dem heiligen Text. Der blond gelockte Evangelist wird als Jüngling auf einer Insel dargestellt, obwohl die Apokalypse während der Verbannung auf Patmos entstand. Alterslos wurde er nach der Ölmarter an der Porta Latina in Rom. Zwischen zwei Felsspitzen eröffnet der Maler den Blick auf eine befriedete Stadt am Horizont, über der sich eine rote Sonne mit goldenen Strahlen auf dem tiefblauen Firmament aus breitet, das die leuchtende Farbe des Mantels raf finiert wiederholt. Zum Obsecro te hat der Meister der Münchener Legenda Aurea die Pietà, also die Be weinung Christi unter dem Kreuz gewählt (fol. 19v). Maria, ganz in Blau, ist vor dem Kreuz, an dem die Marterwerkzeuge Christi hängen, niedergesunken und hält ihren toten Sohn in den Armen. Vor ihr liegt noch der ungenähte Rock Christi, obwohl die Schergen bereits bei der Kreuzaufrichtung ihr Würfelspiel getrieben hatten; nun wird auch das Kleidungsstück zum Symbol der Passion. Von links ist ein Engel hinzugetre ten und präsentiert die in ein Tuch gehüllten Nägel, während er sich trauernd der Mut ter zuwendet. Sie wird begleitet von zwei Frauen, die ihre Gesichter verhüllen und so an Pleurants erinnern, die bei Begräbnissen den Sarg des Verstorbenen begleiten. Die Sze ne ist so zeitlich von dem eigentlichen Geschehen der Passion gelöst und wird zu einem Bild der Anbetung und des Gedenkens des Opfers am Kreuz. fizium beginnt auf fol. 28 mit der Verkündigung an Maria. Unter einem Das Marienof roten, innen mit einem grünen Brokat ausgeschlagenen Baldachin links hat Maria vor ihrem Betpult Platz genommen. Ihre Arme schützend vor die Brust erhoben, wendet sie sich über die linke Schulter, denn von rechts tritt der in ein goldenes Gewand geklei dete Engel mit einem aufgewirbelten Schriftband hinzu, um die Botschaft zu verkün den. Wie durch einen maßwerkverzierten Torbogen aus hellem Gestein wird das Bild gerahmt, so daß der Innenraum, der mit einer flachen Rundtonne gewölbt ist, nur den
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Fond der Szene zu bilden braucht. Rechts blicken wir auf ein kleines Fenster, durch das die göttlichen Strahlen in das Zimmer fallen und winzig klein die Taube des Heiligen Geistes herabschwebt. Zu den Laudes folgt die Heimsuchung (fol. 53). Auf einer Erdscholle vor einer steilen Ge birgskette trifft Maria auf ihre Base Elisabeth, die vor der Gottesmutter auf die Knie ge sunken ist, um deren Leib zu fühlen. Aus der Stadt im Hintergrund ist Maria über das Gebirg gestiegen. Conrad von Toul stattet diese Szene gern etwas reicher aus als üblich und so wird die blau gewandete Maria mit blond gelocktem Haar von Joseph begleitet, der zwischen den beiden Frauen auftaucht und Elisabeth die Hand auf die Schulter legt. Auch diese Szene wird von einer goldenen Strahlensonne beleuchtet, die am oberen Bild rand von in einem Rund angelegten Wolkenbahnen und tiefblauem Fond eingefaßt wird. Die Geburt Christi (fol. 64v) zur Prim wird in der mittelalterlichen Buchmalerei selten in der tatsächlichen Weihnacht gezeigt; und auch in unserer Miniatur strahlt eine gol dene Sonne, die hier auch als Morgenstern verstanden werden kann, auf den bildparal lel gestellten Stall und dessen schadhaftes Strohdach, über das Tauben laufen. Ein ro ter Baldachin hängt hinter der Gottesmutter, die in blauem Gewand und mit mächtiger Gestalt das Zentrum der Szene bildet. Sie hat das nackte Christuskind auf ein weißes Tuch vor sich auf den Boden gelegt und betet es an. Ochs und Esel haben sich links zu dem Kind gesellt, und Joseph, halb von den tragenden Balken des Stalldachs überschnit ten, tritt mit zum Gebet gefalteten Händen hinzu. Zur Terz auf fol. 70v gestaltet der Maler mit der Hirtenverkündigung eine wunderbar dy namische Szene. Mit gerecktem Hals dreht sich ein Hirte in blauen Strümpfen und roter Kappe gen Himmel, um zu der Erscheinung des blauen Engels in den Wolken über den schroffen Felskanten aufzuschauen, der dort erscheint und das Gloria in Excelsis präsen tiert. Das strahlt auf den Hirten, der sich auf seinen Stock stützt und mit der Hand die Augen schützt. Ein zweiter taucht hinter einer kleinen Baumgruppe auf und bläst Flöte. Vorn im unwegsamen Gelände haben sich die Schafe versammelt und grasen oder blicken aufgeregt in die Höhe. Drei, von denen eines ein goldenes Glöckchen um den Hals trägt, sind zu dem aufgeschreckten Schäfer getreten und folgen seinem Blick. Die Anbetung der Könige (fol. 75) zur Marien-Sext findet in einem fast höfischen Am biente statt. Nicht mehr in einem verfallenen Stall, sondern in einem umfriedeten und mit rotem Brokat verhangenen Garten hat die Gottesmutter unter einem Baldachin aus Goldbrokat Platz genommen. In ihren Heiligenschein mit Pinselgold eingeschrieben ist eine Krone, die die Gottesmutter den Heiligen Drei Königen gleichstellt, dem eleganten Sinn des Malers entsprechend. In ein rotes Kleidchen gehüllt sitzt der Knabe auf dem Schoß seiner Mutter und wendet sich zu dem ältesten König. Der hat seine Krone be reits abgenommen und kniet, sein Geschenk in ein weißes Tuch gehüllt, vor dem Knaben. Die beiden anderen haben sich hinter ihm aufgereiht und tragen noch ihre Kronen. Der jüngste von ihnen wirkt mit seinem geschlitzten Mantel, dessen blauer Stoff mit Gold wie mit fleur-de-lis verziert ist, wie ein französischer König; andächtig und zugleich würdig steht er hinter dem ältesten. Auch Joseph wohnt der Szene bei, etwas beiläufig taucht er
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hinter Marias Baldachin auf und faßt grüßend an seinen Hut. Vor einer Blendbogenrei he mit rosafarbenem Ehrentuch wie in einem Thronsaal empfängt die Muttergottes die drei Könige; das verwandelt dabei die Szene in eine ausgesprochen zeremoniell verstan dene Szene höfischer Ehrerbietung. Die Darbringung im Tempel (fol. 79v) ist wieder eine jener dichter bevölkerten Szenen, die als typisch für den Meister der Münchener Legenda Aurea gelten können. In einem schräg nach rechts fluchtenden Altarraum hat der in vollem Ornat gezeigte Priester Simeon, als einziger neben Maria nimbiert, die Hände ausgebreitet um das nackte Chri stuskind in Empfang zu nehmen, das ihm Maria über den Altar reicht. Ihre Begleiterin im Profil, die nicht als Mädchen, sondern durch die weiße Haube als Matrone gezeigt wird, trägt ein braunes Kleid und ein weißes Kopftuch. Statt eines Taubenkörbchens hält sie nur die Kerze zum Fest von Maria Lichtmeß. Auch hier ist Joseph wieder anwe send: Hinter dem Altartisch taucht er zwischen Maria und Simeon auf und greift sich diesmal an seine rote Mütze. Wie schon zur Verkündigung rahmt auch hier ein weißer Bogen als Diaphragma den Blick in den Innenraum. Daß dieser Maler gern schräg aufragende spitze Berggipfel mit vereinzelten kleinen Baumgrüppchen einsetzt, um dahinter eine kleine Stadtansicht in der Ferne zu zeigen, kehrt in der Flucht nach Ägypten (fol. 84) wieder. Bemerkenswert ist ebenso, wie Conrad von Toul den Blick in das Bild mit einer Felskante eröffnet, auf der sich die Hauptgrup pe bewegt. Hier ist es die beherrschende Gottesmutter, die als Bildmittelpunkt würdig auf dem grauen Esel sitzt. In ein rotes Tuch hat sie das kleine Christuskind gehüllt und blickt sanft auf den Sohn. Joseph, der seinen Beutel an einem Stab über der Schulter trägt, führt den Esel soeben nach links aus dem Bild, also ungewohnter Weise zum Falz hin. Den Sinn des Malers für den kompositorischen Symbolgehalt, der mit nur wenigen strategisch eingesetzten, aber kräftigen Farben auskommt, zeigt Marias Nimbus, der in Punzierung mit einem Strahlenkranz verziert ist: Er erhebt sich zwischen den zwei aus einanderstrebenden Bergspitzen und betont so nicht nur das kompositorische, sondern auch das inhaltliche Bildzentrum. Eine golden strahlende Sonne im Bogenscheitel ver kündet zugleich Gottes Anwesenheit. Zur Komplet, der letzten Gebetsstunde des Marienof fiziums, wird wie gewohnt die Ma rienkrönung (fol. 91) gezeigt. Über einem grünen Kachelgrund thront links unter einem goldenen Baldachin der Sohn in Gestalt eines Königs und segnet die Mutter, die vor ih rem Thron auf die Knie gesunken ist und ihre Hände vor der Brust verschränkt, während ihr ein kleiner Engel von oben die Krone auf das blondgelockte Haupt setzt. Elemente wie der Wolkenkranz und das darüber liegende tiefblaue Firmament, das in allen Miniaturen als himmlisches Phänomen der Gewandfarbe der Muttergottes gegenübergestellt wird, verraten den feinen Sinn des Malers für bestimmende Bildharmonien und Farbbezüge. Landschaft aus steilen scholligen Felsen, Baumgrüppchen und einer leuchtenden Stadt im Hintergrund dient bei Davids Buße zu den Bußpsalmen (fol. 97) dazu, jene Einöde zu bezeichnen, in die sich der biblische König zurückzog, um Gott um Vergebung zu bitten. In rotem Mantel, mit einer blauen Geldkatze am Gürtel kniet David auf einer
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Wiese und hat die Harfe bereits vor sich abgelegt; seine Krone aber trägt der graubärti ge König noch immer auf dem Haupt. Flehend erhebt er die Hände und blickt auf zu ei ner kleinen Gotteserscheinung, die nun im roten Auge eines Strahlenkranzes erscheint. Durch den Doppelstab als Rahmung ist dies die einzige traditionsgemäß vollendete Mi niatur, mithin vielleicht auch die älteste. Die Heilig-Kreuz-Horen eröffnen wie gewohnt mit einem Bild der Kreuzigung (fol. 114), die der Maler in ein mächtiges Bild der Klage unter dem Kreuz verwandelt: Der kräf tig konturierte Körper Christi hängt am Kreuz, das vor dem tiefblauen konzentrischen Firmament vor goldenen Sternen, Sonne und Mond aufgerichtet ist. Golgatha, die Schä delstätte, die der Maler durch Knochen am Fuße des Kreuzes präzisiert, ist nur ein flach gewölbter Hügel, auf dem Maria und Johannes unter das Kreuz getreten sind und den Erlöser beweinen. Statt wie der durch seine narrativen Hymnen rhythmisierte Text aus dem Passionsgeschehen zu erzählen, ist der Tod Christi als der Zeit enthoben begriffen. Auf ähnliche Weise wird die Eingangsminiatur zu den fast immer auf die Heilig-KreuzHoren folgenden Heilig-Geist-Horen begriffen. Am besten ließ sich das Wirken des Hei ligen Geistes im Pfingstwunder (fol. 117v) fassen: In einem Kircheninterieur, das vom fast weißen Steinbogen als Diaphragma gerahmt wird, hat sich Maria inmitten der Apostel vor einem roten Ehrentuch niedergelassen, das den roten Sternenfond in der zentralen Gewölbekappe wieder aufgreift. Über Maria erscheint die Taube des Heiligen Geistes, die rote und goldene Strahlen aussendet. Daß der Maler hier nur sechs statt der zwölf Jünger Christi zeigt, verbindet sich wohl mit seinem Sinn für große, schwere Figuren, die in seinen Miniaturen grundsätzlich mehr Raum beanspruchen und in einem raf finier ten Wechsel von Grün, Hellrot und Dunkelblau die Muttergottes rahmen. Auch hier zeigt sich in der Bildkomposition der strenge Sinn des Malers für ausgewogene und kla re Farbharmonien, die als bemerkenswertes Element die Blickregie und Bildhierarchie seiner Miniaturen lenken. Auch zur Totenvesp er eröffnet der Maler den Blick in den Chorraum und den Altar durch einen hellen Diaphragmabogen, der sich entlang des Bildrandes zum oberen Ab schluß der Miniatur hin zu einer polygonalen Nische mit hängender Arkatur entwickelt. Hier wird auf fol. 121 das nächtliche To ten of fi zi um begangen. Rechts im Profil steht ein Geistlicher und singt gemeinsam mit einem zweiten aus einem Chorbuch. Durch den mit einem blauen Tuch überdeckten Sarg werden sie von den schwarz gewandeten Pleurants getrennt, die ihre Gesichter in Trauer verhüllt haben. Da die Totenvigil in der Nacht gelesen wird, stehen Kerzen um den Sarg den Verstorbenen zur nächtlichen Andacht. Zum Mariengebet Doulce dame thront Maria im Hortus conclusus (fol. 168) mit dem in ein weißes Hemdchen gekleideten Christuskind unter einem roten Baldachin und ist zu gleich als milchspendende Mutter gezeigt. Ins Gold von Marias Nimbus ist wie bei der Anbetung der Könige eine Krone eingetragen. Erneut blicken wir rechts auf eine hohe Gartenmauer mit Blendbogenfries, die wie dort mit einem Ehrentuch verhängt wurde. An der Stelle der drei Könige sitzt nun ein in Albe gekleideter Engel und musiziert auf einer Harfe.
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Das Herrengebet auf fol. 173v wird auch hier von einer Darstellung des Weltenrichters zwischen Maria und Johannes eingeleitet. Wie zu einem Triumphbogen formen die po saunenden Cherubim am Firmament einen Halbkreis um den Gottessohn, der selbst vor einem hellblauen Himmelsfond sitzt. Unter den Füßen des auf dem Regenbogen thro nenden Schmerzensmanns erheben sich die Seelen der Verstorbenen als winzige Gestal ten zwischen Maria, die hier zum erstenmal nicht in ein blaues, sondern in ein golde nes Gewand gekleidet ist, und Johannes dem Täufer. Sie zeigen, daß Christi triumphale Wiederkehr das Jüngste Gericht für die Menschen bringt. Zuschreibung, Lokalisierung und Datierung: Alle Miniaturen sind im reifen Stil des Meisters der Münchner Legenda Aurea, in dem wir Conrad von Toul erkennen, ausgeführt. Von Text und Konzeption her handelt es sich fraglos um ein Pariser Werk, für das diese Handschrift geradezu mustergültig ist. Schon der Randschmuck verrät eine recht späte Entstehungszeit. Dazu paßt die Aufhel lung der Palette, die großzügige Lebendigkeit der Bewegung, vor allem aber die gegen über unseren beiden vorherigen Nummern auffällige Lichthaltigkeit der Himmel. Noch ist der Maler ganz konzentriert; seine Präzision wird in späteren Werken nachlassen. Damit zeigt er sich hier noch ganz auf der Höhe seines Könnens. Dieses Stundenbuch von der Hand des Meisters der Münchner Legenda Aurea, den wir als Conrad von Toul identifizieren, ist ein herausragendes, makellos erhaltenes Beispiel eines ungemein reich ausgestatteten Pariser Horariums, das von der beson deren Kunstfertigkeit der Pariser Buchmaler der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zeugt. Der dichte Dornblattdekor ist auf jeder Seite aus fein geschnittenem und po liertem Blattgold gebildet und ergänzt so die reiche Blattvergoldung der Initialen und Zeilenfüller im Textverlauf. Künstlerische Raf finesse und technische Perfek tion zeigen sich auch in den farbstarken Miniaturen: Fest geformte Figuren füllen prächtig die Bilder des Malers, der viel Sinn für reduzierte, aber edle Farbakkorde besitzt und seine Muttergottes gern mit einem besonders filigran veredelten Heili genschein auftreten läßt. LIT ER AT UR:
Das Manuskript ist bisher nicht publiziert.
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14 Das NanterreStundenbuch: Ein Meisterwerk vom Bedford-Meister und vom Dunois-Meister aus der Sammlung des Kardinals Camille de Neuf ville de Villeroy
14 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Rot, mit einem Kalen der in Rot und Blau, Festtage in Gold, in Textura von zwei Schreibern. Paris, c. 1435-40: Bedford- und Dunois-Meister (Haincelin de Haguenau und Jean Haincelin) 16 große Miniaturen mit Rundbogenabschluß in Doppelstabrahmen über vier Zeilen Text mit vierzeiligen Dornblatt-Initialen; mit teppichhaft dichten Vollbordüren aus Blumen und Akanthus, die nach innen mit einem Doppelstab, nach außen mit einer Goldleiste gerahmt sind; alle Textseiten mit dichten Dornblattbordüren in Höhe des Textfeldes am äußeren Rand, deren Maße durch eigene Reglierung definiert sind. Die kleineren Initia len in Flächendekor: zweizeilig für Psalmenanfänge; einzeilig für Psalmenversen; Zeilenfüller der gleichen Art. Versalien gelb laviert. 189 Blatt Pergament, dazu zwei Vorsatzblätter Pergament vorn und eines hinten sowie je ein Doppelblatt Marmorpapier. Gebunden in Lagen zu vorwiegend acht Blatt, davon abweichend die Lagen 1 (12-2), 2 (8-2), 3 (8-2), 7 (8-1), 9 (2), 10 (8-1), 12 (8-4), 22 (8-1), 23 (2); die an schließenden Quaternionen Lagen ohne Lücken. Aus Buchstaben und Zahlen zusammenge setzte Bindermarken in der ersten Hälfte einiger Lagen. Horizontale Reklamanten so einge tragen, daß sie schon vom ersten Buchbinder weitgehend getrimmt wurden. Groß-Oktav (228 x 155 mm, Textspiegel: 94 x 63 mm). Rot regliert zu 15, im Kalender zu 17 Zeilen. Um einige Blätter beraubt, im verbliebenen Bestand vorzüglich erhalten: so breitrandig, daß die Einstichlöcher für die Reglierung noch sichtbar sind. Bei der Bindung des mittleren 17. Jahr hunderts blieb der von der Buchmalerwerkstatt mit einer charakteristischen Bordürenmalerei geschmückte Schnitt unversehrt. In der Handschrift noch ein vielleicht originaler Seitenfinder mit sechs Bändchen um einen mit Brokat geschmückten beweglichen Steg. Gebunden in rotes Maroquin der Mitte des 17. Jahrhunderts, mit goldgeprägtem Kardinals wappen des Camille de Neufville de Villeroy, als Erzbischof von Lyon Primas von Frankreich (1606-1693, Erzbischof ab 1653, Ernennung zum Kardinal strittig): d’azur au chevron d’or, accompagné de trois croisettes ancrées du même. Provenienz: Das Buch wurde, wie die weiblichen Formen in den Mariengebeten verraten, be wußt auf eine Frau eingerichtet; der umfangreiche Bestand an ungewohnten Texten in franzö sischer Sprache kann diesen Aspekt noch unterstreichen. Auf dem Schnitt mag ein Y erkenn bar sein. Ein eindrucksvolles Bild zeigt die erste Besitzerin, mit ihrer aufwendigen Haube der Zeit um 1440 entsprechend, im Gebet zur Madonna (fol. 141v). Dort wie unter dem Bild der heiligen Genovefa (fol. 162v) finden sich Schilde: Zunächst ein Allianzwappen: Silber mit zwei blauen Wellen unter einem roten Turnierkragen sowie auf Rot ein goldener Löwe mit einem winzigen schwarzgrundigen Schild. Die heilige Genovefa betont entweder den Bezug zu Paris oder läßt den Namen der Dame erkennen; jedoch hat man auf dem entsprechenden Blatt das zunächst wie auf fol. 141v ausgeführte Allianzwappen durch die Farben des Mannes überdeckt.
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Das hier als Wappen des Mannes eingesetzte Silber mit zwei blauen Wellen findet sich als Farben einer Frau in einem Stundenbuch für den Gebrauch von Amiens, das für Philippot de Nanterre bestimmt war: Sotheby’s London, 9.7.1973, lot 68, später in der Pariser Weiller-Auk tion 30.11.1998, lot 1. Dort wurde es nach Rietstap, S. 295, als Nanterre bestimmt; Rietstap spricht von „D’argent à trois fasces ondées d’azur“, Segoin hingegen kennt zwei wie in unserer Handschrift. Der dreiteilige Turnierkragen bezeichnet einen Sohn zu Lebzeiten des Vaters. Mathieu de Nanterre und dessen Gemahlin Guillemette le Clerc könnten gemeint sein; Mathieu war der älteste Sohn von Simon de Nanterre. Ein Simon de Nanterre war 1409 und 1418 Präsident des Pariser Parlaments; Mathieu nahm dasselbe Amt von 1461 bis 1465 ein, wurde dann nach Toulouse versetzt, dann wieder nach Paris geholt, wo er etwa 1487 starb. Guillemette le Clerc könnte als Wappen Rot mit einem goldenen Löwen gehabt haben; ihre einzige Tochter hieß Geneviève; sie heiratete 1475 Jean IV de Viste, dessen Familie mit den berühmten Einhornteppichen im Pariser Cluny-Museum aus der Zeit um 1500 verbunden ist (doch sieht Carmen Decu Teodorescu, in Bulletin monumental 168-4, 2010, S. 355-367, die se Serie heute als einen Auftrag von Antoine II le Viste, ebenfalls Präsident des Parlaments). Ursprünglich enthielt die Handschrift auf den vorderen Deckblättern Pilgerzeichen; erst nach deren Abnahme trug sich ein Besitzer auf dem Verso vorn ein: „Castillon“. Camille de Neufville war ein Patenkind von Camillo Borghese, der sich als Papst Paul V. nann te (1605-1621) und den Petersdom vollendete. Der spätere Erzbischof war von Jesuiten in Rom erzogen worden, diente als Lieutenant du Roi, verdankte seinen Aufstieg der Königin Anne von Österreich, die ihn für seine Treue zu Ludwig XIV. während der Fronde belohnte; er hat te in Vimy, das ihm zu Ehren in Neuville umgetauft wurde, seinen Sitz mit einer der bedeu tendsten Bibliotheken seiner Zeit, die über 5000 Bände, darunter das gewichtigste Werk des Bedford-Meisters enthielt, das heute als Salisbury-Brevier des Herzogs von Bedford bekannt ist: latin 17294 der Pariser Nationalbibliothek (vgl. den La Vallière-Katalog I, 1784, Nr. 273, wo er als Provenienz ausgewiesen wird); er besaß im übrigen noch eine weitere stilverwandte Handschrift: Sotheby’s, 27. Juli 1920, Nr. 508A, mit zwei Abbildungen auf Tafeln. Nachdem er sich 1653 noch geweigert hatte, das Amt des Erzbischofs von Lyon anzunehmen, um schließlich 1654 als Erzbischof konsekriert zu werden, kümmerte er sich, nach dem Vor bild des heiligen Karl Borromäus vorbildlich um seine Erzdiözese, verhielt sich den Jansenisten gegenüber relativ tolerant und handhabte die Bekehrung oder Vertreibung der Reformierten milder als sonst in Frankreich üblich. Die Notiz zur Handschrift für den Avery Sale, Anderson, New York, 1919, bezieht sich auf einen heute verlorenen Brief von Theodore Child, der das Buch vor 1811 besessen hat. Laut Monogramm und Jahreszahl auf dem zweiten Deckblatt vorn um 1811 im Besitz eines „G. Y. A. (?)“. Kupferstich-Exlibris von Samuel Putnam Avery (1893 in London gestochen von C. W. Sherborn) im vorderen Deckel.; in dessen Auktion der Anderson Galleries, New York, 10.11.1919, lot 631, mit Abb: 4350 Dollar. Grace Phillips Johnson, Sale Christie’s N. Y. 1977, Nr. 95; British Rail Pension Fund; 1988 an J. Paul Getty Jr. verkauft. Leuchtendes Mittel alter II, 1990, Nr. 44. Bibliotheca Philosophica Hermetica, Amsterdam: J. R. Ritman Sale, Sotheby’s London, 2000, lot 21;. Europäische Privatsammlung.
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Der Text fol. 1: Kalender in französischer Sprache mit Pariser Heiligen, Heiligentage in Rot und Blau, Feste in Gold; Goldene Zahl in Gold, Sonntagsbuchstaben b-g in Schwarz, Sonn tagsbuchstabe a in Gold auf roten und blauen Flächen, römische Tageszählung alternie rend in Blau und Rot. Die Monate September und Oktober vom Schreiber vertauscht; der heilige Ludwig am 25.8. und Dionysius am 9.10. in Gold. Die Monate Januar und Februar fehlen. fol. 13: Perikopen: Johannes (fol. 11), Lukas (Anfang fehlt vor fol. 12), Matthäus (fol. 13) und Markus (fol. 14v). fol. 15: Mariengebete: Obsecro te (redigiert für eine Frau, Anfang fehlt vor fol. 15), O in temerata (Anfang fehlt vor fol. 17). fol. 20: Marienof fizium für den Gebrauch von Paris: Matutin (Anfang fehlt vor fol. 20), Laudes (fol. 38v), Prim (fol. 47v), Terz (Anfang fehlt vor fol. 52), Sext (fol. 55), Non (fol. 58v), Vesp er (fol. 62), Komplet (fol. 68). fol. 74: Bußpsalmen: (Anfang fehlt vor fol. 74), mit Litanei (fol. 82v). fol. 91: Horen von Heilig Kreuz und Horen von Heilig Geist (nur zwei Blatt erhalten). fizium: fol. 131v leer. fol. 93: Totenof fol. 132: Gebetsfolge in französischer Sprache: Mariengebet: Doulce dame (fol. 132), ge folgt vom Herrengebet Doulx dieu (fol. 138). Glorieuse vierge (fol. 141); Annengebet: Tressaincte dame (fol. 152). fol. 154: Gereimte Heiligengebete in Französisch, jeweils gefolgt von einem Suffragium in Latein: Sebastian: Dieux qui donnas (fol. 154), Margarete: Noble vierge (fol. 156) und Margaretengebet für schwangere Frauen: Ma dame saincte margarite; (fol. 160v), Gen ovefa: Vierge doulce (fol. 162v), Christophorus: Saint xpistofle martir (fol. 164), Math urin: O glorieux Saint Mathurin – mit Suffragium in Französisch (fol. 165v), Kathari na (fol. 167), Fiacrius (fol. 173), Johannes der Täufer (fol. 174), Petrus (fol. 174v), Paulus (fol. 175), Jakobus (fol. 175), Johannes der Evangelist (fol. 176), Andreas (fol. 176v), Mar kus (fol. 176v), Barnabas (fol. 177), Stephanus (fol. 177v), Laurentius (fol. 178), Dionysius (fol. 178v), Cosmas und Damian (fol. 179), Hyppolyt (fol. 179v), Blasius (fol. 180), Mar tin (fol. 180v), Benedikt (fol. 181), Ludwig von Frankreich (fol. 181v), Aegidius (fol. 182), Franziskus (fol. 182v), Antonius (fol. 183), Maurus (fol. 183v), Claudius (fol. 184). fol. 185v: Gebet des Peter von Luxemburg (siehe auch Nr.12, fol. 165). Fol. 189v: Textende.
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Schrift und Schriftdekor Eine sehr stolze Textura geht hier mit dem gewohnten Schriftdekor aus Goldbuchsta ben auf blauen und weinroten Flächen zusammen. Die teppichhaft dichten Randstrei fen außen sind noch nicht konturiert, aber optisch durch farbige Elemente in den Ecken akzentuiert. Hingegen werden die Bordüren der Bildseiten nach innen durch Doppelstäbe und nach außen durch einfache Goldleisten begrenzt. Auf einigen Blättern finden sich unten Bo denstreifen, die jeweils nur die Mitte einnehmen, so daß die Ecken unten mit blau-golde nem Akanthus besetzt werden können, der zuweilen schon auf Höhe der Initialen links und auch rechts wiederkehrt. Die Bildfolge fol. 11: Jede der vier Perikopen war bebildert; doch ist die Miniatur mit dem heiligen Lukas verloren: Johannes auf Patmos (fol. 11) wird in einer kühnen Sicht gezeigt, in der das Eiland von oben zu sehen ist, ganz von graublauem Wasser mit silbernen Lichtern umgeben, wobei der Horizont hoch im abschließenden Bogen, knapp unter einem goldenen Licht liegt, das Gottes Gnade ausdrücken soll. Solche Landschaftsbilder sind in der westlichen Ma lerei ungemein selten. Matthäus (fol. 13) hat sich in einem hohen Kirchengebäude niedergelassen; eine leicht nach rechts versetzte Säule teilt die Miniatur in zwei Bogenfelder. Von links unter dem breiteren Bogen, reicht ihm der Engel das Tintenfaß; dort liegen zwei Bücher auf einer Art Anrichte, rechts sitzt der Evangelist mit seinem Buch und streckt die Feder zum Tintenfaß hin. Roter und violetter Brokat grenzen seinen Raum vom Kirchenschiff da hinter ab. Markus (fol. 14v) schließlich sitzt in einer kleinen Kapelle und schreibt, während der recht große Löwe mit seiner rechten Pranke ein geschlossenes Buch bewacht. fol. 20: Die Bilder im Marienof fizium repräsentieren guten Pariser Brauch: Bei der Heimsuchung zu den Laudes (fol. 38v) faßt ein hoher Felsen im Hintergrund die beiden Hauptfiguren zusammen; Maria ist von links gekommen, von Joseph begleitet, während ihr Elisabeth allein entgegentritt. Das Haus des Zacharias wird nicht gezeigt. Gegen Bibeltext und Bildtradition stehen bei der Anbetung des Kindes zu Prim (fol. 47v) zwei Ställe in Bethlehem einander gegenüber: Hinter einem Felsen, der an eine echte Ge burtshöhle denken läßt, taucht links ein spitzer Giebel auf, unter dem das rote Wochen bett mit einem bestirnten roten Baldachin steht; davor kniet die Muttergottes. Rechts hingegen sind Esel und Ochs unter einem schrägen Holzverschlag im Tierstall gegenüber untergebracht; davor sinkt Joseph in die Knie und nimmt seinen dunklen Hut ab. Ein Flechtzaun links und ein Lattenzaun treffen in der Mitte aufeinander; davor ist die mit
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Weidengeflecht umgebene kreisrunde Krippe mit dem nackten Knaben gestellt. Golde ne Strahlen senken sich aus dem Stern im Bogenscheitel zu ihm herab; ein paar Strah len gelten auch der Muttergottes links. Ein bartloser Hirte ist bereits zum Zaun gekom men, mit betenden Händen. Für die Anbetung der Könige zur Sext (fol. 55) rückt der Stall mit dem spitzen Giebel nach rechts; hier steht nun die Krippe mit Esel und Ochs hinter Maria. Die Muttergot tes sitzt auf dem roten Bett mit einem großen weißen Kissen und hält den nackten Kna ben. Ihm reicht der älteste König ein rotes Kästchen mit goldenen Münzen, während der mittlere den Kronhut abnimmt. Er trägt Robe courte wie der jüngste, der mit dem Pelzbesatz seines roten Wamses dann doch noch eleganter wirkt, wie er vor dem Blick auf ein Gewässer und Befestigungen dahinter auftritt. In einer Komposition, die immer noch an sienesische Varianten des Themas von Am brogio Lorenzettis Altarbild in den Uf fizien denken läßt, steht unter einem dreifach gestaffelten Bogen ein Altar, zu dem Maria bei der Darbringung im Tempel zur Non (fol. 58v) mit ihrer Magd gekommen ist, die Kerze und Taubenkörbchen mitbringt. Den nackten Jesusknaben reicht sie dem greisen Simeon, der in prachtvollem Chormantel da steht und die mit weißem Tuch bedeckten Arme ausstreckt. Landschaft mit auffälligen steilen Felsen ist eine Stärke dieses Stundenbuchs; davon profitiert das elegante Bild der Flucht nach Ägypten zur Vesp er (fol. 62): Der Esel ist im gleichen Grau wie die Felsen gefärbt. Auf einem roten Satteltuch sitzt die Muttergottes, die ihrem Wickelkind (wie in unserer Nr. 14) die Brust gibt, während sich Joseph zu ihr umdreht. Zur altertümlichen, aber sehr kostbaren Musterung des Fonds mit winzigen Karos auf Blattgold kehrt der Maler bei der Marienkrönung zur Komplet (fol. 68) zurück. Auf die vorn kniende Muttergottes, der ein Engel auf einer Wolke die Krone bringt, wartet eine mit rosafarbenem Brokat bedeckte Bank, die sich bildparallel erstreckt, während die Gottheit, hier wieder Gottvater mit Bügelkrone, unter einem Baldachin auf einem da neben gestellten Thron sitzt und segnet. fol. 93: Das Totenof fizium eröffnet mit einem Begräbnis auf einem Friedhof: Die Kom position wirkt lotrecht mit dem knapp über dem unteren Bildrand ausgehobenen Grab, in das zwei Männer einen in Leinen eingenähten Toten betten. Drei Priester in schwar zen Chormänteln und ein jugendlicher Akolyth mit dem Weihwasserbehälter vollziehen die Zeremonie, ihnen gesellen sich noch weitere hinzu, die aus der Kapelle hinten treten, während die Pleurants mit ihren schwarzen Kapuzen rechts einen geschlossenen Block bilden. Ein Beinknochen und ein Schädel liegen links vor der schräg nach rechts oben zurückweichenden Friedhofsmauer. In deren Schatten schwebt ein schwarzer Teufel; ihn wehrt ein Engel mit langem Kreuzstab ab, der die Seele des Verstorbenen zu Gott bringt. fol. 132: Ein eindrucksvolles Bild der diesmal in einen mit Hermelin gefütterten blau en Mantel gekleideten Madonna mit Engeln eröffnet die XV Freuden Mariä (fol. 153): Der Boden ist grün gefliest. Eine Zierarchitektur umgibt die Gestalten mit einem Rund
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bogen hinter Maria und schräg dazu gestellten Seitenteilen, die ihrerseits von je einem Säulchen geteilt werden. Links greift ein Engel in die Harfe, rechts hingegen stecken zwei Engel die Köpfe zusammen, um gemeinsam von einem Schriftband abzusingen. Wie die Baumkronen über der Architektur stehen, gemahnt das Bild an florentinische Madon nenbilder wie Domenico Venezianos Sacra Conversazione aus Santa Lucia degli Magnoli von 1446 in den Uffzien. Die Sieben Klagen des Herrn beginnen mit einem Bild des Jüngsten Gerichts (fol. 158): Auf dem Regenbogen sitzt der Weltenrichter als Schmerzensmann vor einer feurigen Mandorla; zwei Engel grenzen seine Erscheinung mit ihren langen Posaunen ab gegen Maria, die links in weißem Gewand und mit gesenktem Haupt verharrt, während der Täufer im Kamelfell aufrecht betet. Aus ihren Gräbern wachen drei Nackte auf, ein Mann vorn links wendet sich nur mühsam zur Mitte, während ein zweiter Mann neben ihm und eine Frau rechts zuversichtlich aufschauen. In einem Palastraum, in den ein Engelchen durch ein Fenster von hinten hereinblickt, begegnen sich vor einem Blick in die Landschaft die Madonna und eine Beterin zum Gebet Glorieuse vierge (fol. 141): Wie in Bildern der Lukasmadonna von Rogier van der Weyden (Boston, Museum of Fine Arts) hat sich die Muttergottes mit dem in ein wei ßes Hemdchen gekleideten Knaben in das Haus begeben, in dem die Szene spielt; denn hier steht das Betpult der Dame, die in das gleiche Rot gekleidet ist, das auf der Frauen seite im Nanterre-Wappen unten erscheint. Die Erziehung Mariens wird zum Annengebet: Tressaincte dame (fol. 152) gezeigt: Anna thront mit einem Buch auf dem Schoß; dahinein schreibt die Jungfrau Maria, die sonst bei diesem Thema erst Lesen lernt. Das Bild ist ähnlich disp oniert wie die vorausgehende Miniatur; denn wieder steht links ein hoher Thron, während die schräge Wand rechts ei nen Blick in Landschaft zuläßt. Doch gerade die Verwandtschaft der Miniaturen macht deutlich, wie unterschiedlich die steilere Raumkonzeption und das sehr viel kostbarer wirkende Kolorit nun sind; am deutlichsten wird das in den ungemein brillant gemal ten Brokaten und den wunderbaren Farbwirkungen im Rot und Grün des Baldachins. fol. 156: Gegen den Brauch, Margarete mit dem Drachen im Dunkel ihres Kerkers zu zeigen, blickt man hier von außen auf das vorspringende Gebäude mit dem schweren Ei sengitter, hinter dem, fast noch im Tageslicht, das Wunder geschehen ist: Noch ragt das Mantelende aus dem Rachen des Ungeheuers, das die Heilige verschluckt hat; da bricht sie schon mithilfe des winzigen goldenen Kreuzes aus dem Rücken aus. Die Kompositi on erinnert an Bildzyklen der Limburgs zur Katharinen- und Hieronymus-Legende in den New Yorker Belles Heures. Noch einmal kehren die steilen Proportionen des Annenbildes bei der heiligen Gen ovefa (fol. 162v) wieder: In einem hohen Raum, der diesmal symmetrisch gezeigt wird, mit demselben Boden aus grünen und grauen Fliesen, die geschickt plastisch hervorge hoben werden, und einem ähnlich bezaubernden Brokat als Ehrentuch hinter der Heili gen, steht Genovefa und hält eine hohe Kerze, von links ist ein Engel bemüht, die Flamme
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am Brennen zu halten, während sie von rechts ein schwarzer Teufel mit einem Blasebalg löschen will. Die bildparallele Bank hinten und eine Anrichte mit Zinngerät unter dem Fensterausblick rechts zeigen, wie intensiv man sich hier mit altniederländischem Rea lismus auseinandersetzt. Zuschreibung, Lokalisierung und Datierung: Als ein mustergültiges Beispiel eines Pariser Luxus-Stundenbuchs aus dem zweiten Vier tel des 15. Jahrhunderts verrät diese Handschrift den dominierenden Stil, den man lange als das Wirken der Bedford-Werkstatt begriff. Nach bedeutenden Arbeiten von Eleanor Spencer über die beiden namengebenden Handschriften in London (Add. Ms. 18850) und Paris (lat. 17294), ihrem Buch über das Sobieski-Stundenbuch in Windsor Castle, Bei trägen von Catherine Reynolds, die aus deren unveröffentlichter Dissertation gespeist sind, und meinen eigenen Arbeiten zum nun ins zweite Jahrzehnt gesetzten Bedford-Stun denbuch in London hat sich die Einschätzung verändert: Die Arbeiten des eigentlichen Bedford-Meisters setzen nun schon in den Jahren kurz nach 1400 ein; was Millard Meiss noch als Bedford-Trend bezeichnete, wird weitgehend dem Meister zugeschrieben, wäh rend ein Stilnachfolger Statur gewonnen hat, den man nach H. Yates Thompson Ms. 3 in London als Dunois-Meister bezeichnet. Die schon lange diskutierte Verbindung mit zwei in den Quellen genannten Namen be kommt dadurch neues Gewicht: Haincelin de Haguenau und Jean Haincelin. Die Lite ratur hat sich darauf geeinigt, beiden denselben Vornamen zu gehen: Hans oder Jean, ohne viel darüber nachzudenken, wie aus Haincelin Hans wird und warum der dann nicht wie Jean Haincelin einfach auch den in Paris vertrauten Vornamen Jean trug. Des halb kann ich mir vorstellen, daß der eine der beiden Heinz, also Heinrich hieß; und ich bin auch nicht einmal sicher, ob der Ortsname zu Recht mit der Freien Reichstadt im Elsaß zu identifizieren ist: Hagnau bei Meersburg am Bodensee kommt genausogut in Frage – und hat den bemerkenswerten Reiz, daß dort Stephan Lochner herstammt, des sen Kunst in Köln blühte und gar nicht soweit von unserem Stil entfernt ist. Problematisch bleibt hier die Bestimmung der beiden herausragenden Bilder am Ende der Handschrift; sie verbinden sich auf das Engste mit der wunderbaren Variante von Jan van Eycks Antwerpener Brunnenmadonna im Stundenbuch der Huntington Lib rary (San, Marino, Ms. HM 1100, fol. 182; siehe Van Buren 1999). Die Hauptminiaturen stehen zwischen Bedford- und Dunois-Meister. Da ungek lärt bleibt, wann der ältere Künstler seine Tätigkeit beendete, mag die Frage hier offen blei ben. Ein stolzes Stundenbuch des späten Bedford-Stils, noch ohne Zeichen sinkender Ar beitskraft, zwar nicht vollständig erhalten, aber in den überkommenen Miniaturen von unerhörter Schönheit und Strahlkraft, mit zwei Bildern, die anschaulich wer
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den lassen, mit welchem Ehrgeiz man in Paris versuchte, es den besten Tafelmalern der altniederländischen Kunst in der Buchmalerei gleichzutun. Wie das hier als Nr. 16 beschriebene Popincourt-Horarium zeugt dieses eindrucks volle und kostbare Stundenbuch für die Familie Nanterre vom neuen Selbstbewußtsein einer in Paris und in der Île de France angesiedelten Käuferschicht, die als Juristen (das Parlament in Paris war ein Gerichtshof) und in der Verwaltung zu Vermögen und Ansehen kamen. LIT ER AT UR: Leuchtendes Mittelalter II , 1990, Nr. 44. Zu Nanterre: Louis Moréri, Le grand dictionnaire historique, Nouvelle édition avec suppléments de Goujet, revu par Drouet, Bd. 7, Paris 1759, S. 911.
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15 Vollständiges Stundenbuch aus der Spätzeit des Bedford-Stils
15 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Rot, mit einem Kalen der in Rot, Blau und Gold, in Textura. Paris, um 1450: der späte Bedford-Meister 15 große Miniaturen mit flachem Rundbogenabschluß in Doppelstabrahmen, davon eine mit vier runden Bildmedaillons, umgeben von dreiseitigen Zierstäben in gleicher Art sowie mit Gold gerahmten Vollbordüren aus Dornblatt mit blau-goldenem und rotem Akanthus in den Ecken und der Mitte außen, verstreut Blumendekor; vierzeilige Dorn blatt-Initialen zu vier Zeilen Text; Die beiden bildlosen Mariengebete mit entsprechenden vierzeiligen Initialen und Doppelstab mit dreiseitiger Bordürenklammer gleicher Art au ßen; alle Textseiten mit Bordürenstreifen am äußeren Rand; kleinere Initialen in Blattgold auf roten und blauen Flächen: zweizeilig bei Psalmenanfängen, einzeilig zu den Psalmenver sen Zeilenfüller der gleichen Art. Versalien gelb laviert. 160 Blatt besonders feines Pergament, vorne und hinten je ein fliegendes und ein festes Vor satz aus modernem Pergament. Gebunden in 22 Lagen zu vorwiegend acht Blatt, davon ab weichend die Kalenderlagen 1 und 2 (6) sowie die Lagen 4 (4), 12 (4) und 21 (4). Groß-Oktav (205 x 148 mm, Textspiegel: 110 x 70 mm). Rot regliert zu 16 Zeilen in Text und Kalender; horizontale Reklamanten. Vollständig und breitrandig erhalten mit Resten von altem Goldschnitt und Bemalung; ein, zwei Gesichter jedoch, nachdem sie offenbar Spuren frommen Gebrauchs zeigten, vor gerau mer Zeit leicht retuschiert. Moderner Einband: alter grüner Samt mit Schrägrankenmuster auf festen Deckeln, dazu eine silberne Schließe. Provenienz: Auf dem zweiten Vorsatz Eintrag von 1665 eines Moriau, Pfarrer von St.-Prie; er hatte das Buch von seinem Vater geerbt, der es seinerseits von Germaine Mutele, der Mut ter von Anne Laurent erhalten hatte, die ihrerseits mit Moriaus Großvater, einem Advokaten François Girard in Auxerre verheiratet war (heute separat bewahrt). Auf dem textlosen Blatt 152 ein Eintrag: Matherat de Vassy / 1773; die Vassy waren eine alte normannische Familie: Dictionnaire de la Noblesse, Bd. 19, Paris 1876, Sp. 523-534. Sotheby’s London, 3. Februar 1913, lot 498. Ebenda, 6.12.1983 (Versteigerung des Evange liars Heinrichs des Löwen!), Nr. 94. Text fol. 1: Französischer Kalender mit Pariser Heiligen, Heiligentage in Rot und Blau, Fest tage in Gold; Goldene Zahl in Gold, Sonntagsbuchstaben b-g in Schwarz, Sonntags buchstabe a in Gold auf roten und blauen Flächen, römische Tageszählung alternierend in Gold, Blau und Rot. Die Monate September und Oktober vom Schreiber vertauscht; Genovefa (3.1.), Yvo (19.5.), Dionysius (9.10.) und Ludwig (25.8.) als Fest; dazu Me
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trannus (30.1.), Opportuna (22.4.), Fortunatus (5.5.), Mathurinus (Mathelin, eigentlich Translatio 10.5.), Germanus (28.5.), Landericus (10.6.), Gervasius (19.6.), Fara (7.12.). fol. 13: Perikopen: Johannes als Suffragium (fol. 13), Lukas (fol. 14v), Matthäus (fol. 16) und Markus (fol. 18). fol. 19: Mariengebete: Obsecro te (redigiert für einen Mann), O intemerata (fol. 22). fizium für den Gebrauch von Paris, mit drei vollen Nokturnen zur Mafol. 25: Marienof tutin: Matutin (fol. 25), Laudes (fol. 46), Prim (fol. 56), Terz (fol. 61v), Sext (fol. 65v), Non (fol. 69v), Vesp er (fol. 73v), Komplet (fol. 79v). fol. 85: Bußpsalmen, mit Litanei (fol. 96v), deren sehr knappe Heiligenauswahl die für Paris typischen Dionysius, Gervasius und Prothasius, sonst aber keine nur lokal verehr ten Heiligen anruft. fol. 99v: Horen von Heilig Kreuz (fol. 99v) und Heilig Geist (fol. 105). ten of fi zi um. Vesp er (fol. 110v), Matutin (fol. 117, von einer Rubrik einge fol. 110v: To leitet). fol. 151v-152v: leer. fol. 153: Französisches Mariengebet: Doulce dame (fol. 153); Herrengebet Doulx dieu (fol. 158). Schrift und Schriftdekor: Dieses großzügig angelegte Manuskript ist ein charakteristisches Werk eines guten Pa riser Schreibers. Die Textura mit den Initialen, die im Textverlauf Flächendekor für einbis zweizeilige Buchstaben einsetzt und dazu Dornblattranken mit kleinen Blüten und Blättchen in Buchmalerfarben stellt, zeigt den Anspruch, der dieses Werk prägt. Sinn für Dekorationshierarchie bedingt, daß die beiden bildlosen Mariengebete mit vierzeili gen Dornblatt-Initialen und Doppelstab mit dreiseitiger Bordürenklammer gleicher Art außen hervorgehoben werden. Die Bildseiten mit den großen Dornblatt-Initialen bauen auf dem System der Dornblat tranken mit gemalten Elementen in den Ecken auf. Blau-goldener, zuweilen auch mit kräftigem Rot gestalteter Akanthus überwiegt dabei. Zu Text und Bild werden die Bor düren mit Doppelstäben begrenzt, die auch als Bildrahmen dienen; nach außen hinge gen durch eine einfache Goldlinie. Nur die Marien-Matutin wird noch üppiger gestaltet: Dichtes gemaltes Blattwerk läßt dem Dornblatt nur die Rolle eines Grundmusters. Statt der Doppelstäbe als innere Be grenzung genügen nun Goldleisten nach innen und außen. Vier von Akanthus gerahm te runde Bildmedaillons knüpfen an die Pracht älterer Stundenbücher aus der BedfordWerkstatt an.
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Die Bildfolge Die Perikopen eröffnen mit einer einzelnen Miniatur, die wie in Paris üblich nur Johan nes auf Patmos (fol. 13) zeigt: Der blondgelockte Evangelist sitzt auf einem spitz aufra genden Eiland. Links neben ihm hat sich der Adler mit ausgebreiteten Schwingen nie dergelassen und hält das Tintenfaß an einem Band im Schnabel. Ihm gegenüber will ein Teufel die Arbeit des Schreibenden zu stören. Mit beiden Händen jongliert er ebenfalls ein Tintenfaß, um den Evangelisten bei der Niederschrift fehlzuleiten. Doch Johannes hat sich eifrig über sein Schriftband gebeugt. Sein roter Mantel umhüllt ihn wie eine Schale, die ihrerseits vom Ufer der Insel umgeben wird. Die Wasserfläche wird zum ho hen gerundeten Horizont fast weiß, unter recht kräftig blauem Himmel. Die Verkündigung an Maria (fol. 25) zur Marien-Matutin findet unter einem Tonnen gewölbe in einer mit vielen Bögen geschmückten Architektur statt, die sich zum freien Himmel öffnet. Dort erscheint Gott in kleiner Halbfigur, der in der Linken die Sphaira hält und mit der Rechten die Taube des heiligen Geistes segnet, die er soeben zur Jung frau gesandt hat. Unter einem grünen, innen mit Altrosa ausgeschlagenen Baldachin und auf rotem Lager kniet Maria vor ihrem Betpult. Von rechts, vielleicht aus dem bildpar allelen Bogen ist der Erzengel Gabriel herzugetreten, in bläulich schattierter Albe und fl attert, mit einem innen grün, außen in Altrosa getöntem Chormantel, der bewegt auf um auf ähnlich aufgewirbeltem Schriftband den Gruß zu entbieten. In weichem Kolo rit, mit locker aufgetragener Farbe werden das Blau von Marias Gewandung und das mit kräftige warme Rot, das sie umgibt, sowie das Gold des Betpults und des Kissens, auf dem Maria kniet, mit dem Farbenpaar von leuchtendem Grün und mattem Altrosa so wie Weiß und hellen Zwischentönen gerahmt. In den Ecken der Vollbordüre formen die feinen Akanthusranken ganz in der Traditi on der Bedford-Werkstatt kleine Medaillons, die dem Maler zusätzlich Raum für Bil der bieten: Hier sind es Szenen aus der Marienlegende, die im Uhrzeigersinn zu lesen sind: Links oben wird Joachims Lammopfer vom Tempel zurückgewiesen; rechts folgt die Verkündigung an Joachim bei den Hirten, darunter der Kuß an der Goldenen Pfor te und in der linken unteren Ecke wird schließlich die Mariengeburt gezeigt. Die Heimsuchung zu den Laudes (fol. 46) findet wie gewohnt in einer Landschaft statt: vor spitz aufragenden und golden schimmernden Bergen trifft die elegant gestreckte Ma ria mit blond gelocktem Haar auf ihre Base Elisabeth, die sich mit verhülltem Haupt als ältere verheiratete Frau präsentiert. Demütig öffnet sie die Arme, um Maria zu begrü ßen. Ihr violettes Gewand mit dem zu Altrosa abgetönten Rot ihres Mantels fügt sich farblich gut in die Landschaft, während Maria im himmlischen Blau alle Aufmerksam keit auf sich zieht. Als Kunstgriff der atmosphärischen Darstellung setzt der Maler zu dem rasche Goldhöhungen auf Bergspitzen und Wölkchen, die die Szene in glänzendes Licht tauchen. Die Anbetung des Kindes zur Marien-Prim (fol. 56v) erweist sich als eine ähnlich wie die Verkündigung geschichtete Komposition. Das schräg ins Bild ragende Stalldach ist
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links so hoch angesetzt, daß der Maler den umgebenden Bretterzaun in die bildparallel gestellte überdachte Krippe überführt, in dem Ochs und Esel dem heiligen Geschehen beiwohnen. Am Fuß ihres fast bildbeherrschenden Betts kniet die Muttergottes auf dem über den Boden gebreiteten Saum des roten und mit Sternen verzierten Bettbezugs und betet den nackten Christusknaben an, der auf ihrem blauen Mantelsaum liegt und wie der Morgenstern selbst strahlt. Joseph, viel kleiner als Maria dargestellt, hat seinen Stab beiseite gelegt und verneigt sich im Profil vor dem Gottessohn. Die Kerze in seiner Hand symbolisiert dabei Weihe und Nacht, also die Weihnacht, die in dieser Zeit so gut wie nie bei Dunkelheit gezeigt wird. Unter dem Zeichen von „puer natus est“ steht wie schon beim frühen Bedford-Meister (König 2007, S. 28-30) die Hirtenverkündigung zur Terz (fol. 61v). Diesen Jesaias-Vers (Is. 9,6), mit dem auch die Weihnachtsmesse beginnt, verkündet ein Engel im Abschluß bogen der weiträumigen Miniatur: Vor den Mauern von Bethlehem, die knapp unter dem waagerecht verlaufenden Horizont stehen, breitet sich das Gelände mit Schafen, ei nem aufrecht sitzenden Hund und zwei Hirten, die beide ergriffen aufschauen: der eine links vorn am Boden sitzend, hat seine Sackpfeife abgesetzt und den Kopf so zurückge worfen, daß ihm der Hut abfällt, während der andere rechts in einer fast tänzerischen Bewegung innehält und den Hut zieht. Daß Maler die Anbetung der Könige zur Sext (fol. 65v) in einem ganz anders gebauten Stall als die Weihnacht zeigen, ist nicht selten, fällt hier aber besonders stark auf: In den Abschlußbogen des Bildes ragt über einem doppelten Rundbogen, dessen steinerne Kon struktion daran denken läßt, daß die Szene in den Ruinen von Davids Palast spielt, eine Decke, deren Balken in der perspektivischen Ansicht geradezu radial ausstrahlen. Die Fi guren sind jedoch eher auf die Schräge bezogen, die von der linken Seitenwand bestimmt ist: Aus einem steinernen Bogen schauen Ochs und Esel über das Kopfende von Mari as Bett; die Muttergottes balanciert auf zwei Fingern ein Goldkästchen, das Joseph mit beiden Händen ergreifen will. Dafür muß er sich über einen Flechtzaun beugen, der die Szene nach rechts hinten begrenzt, wo vor freiem Himmel ein Ziehbrunnen steht. Den Kasten hat Maria vom ältesten König erhalten, der den Fuß des nackten Knaben küs sen will, der seinerseits eine goldene Kugel in der Hand hält. Die beiden anderen Köni ge knien zu beiden Seiten; der mittlere ist rechts gerade im Begriff, seinen Kronhut ab zunehmen; der jüngste und modischste drängt von links ins Bild. Auffällig viel Gold ist mit kräftigem Pinselstrich im Bild verteilt. Vor einer mit purpurnem Damast abgetrennten Apsis spielt die Darbringung im Tem pel zur Non (fol. 69v): Im Widerspruch zu deren zentraler Ausrichtung, die noch von einem runden Ziborium unterstrichen wird, ragt der Altar rechts schräg nach vorn. Ein Antependium aus grünem Brokat wirkt, als sei der übliche Steinblock gemeint; doch wird die Tischplatte, wie man rechts sieht, von Säulen gehalten, so daß man unter dem weißen Tuch rechts einen Fuß Simeons, das mit Pelz verbrämte Untergewand und den Saum seiner violetten Tunika sieht. Die Figuren folgen der Leserichtung: Von einer ju gendlichen Magd, die hier nur das Taubenkörbchen trägt, begleitet, ist Maria auf den
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Altarstufen niedergekniet. Sie streckt die von einem weißen Tuch verdeckten Hände aus, und es wirkt, als sei abweichend vom ikonographischen Brauch der Moment gemeint, in dem sie den nackten Knaben wieder aufnimmt, nachdem sie ihn Simeon anvertraut hatte. Barhäuptig neigt sich der Greis, von einem alten Mann begleitet, den man mit Jo seph verwechseln könnte, der aber eher zu den Priestern gehört. Vor einer Stadt in der Ferne und einer Kulisse zweier steil aufragender Felsen schreitet der Esel bei der Flucht nach Ägypten zur Vesp er (fol. 73v) nach rechts. Wieder folgt die blonde Magd in rotem Kleid. Joseph hingegen führt das Tier und blickt zu Maria zu rück, die in einer ungewohnten ikonographischen Wendung auf der Flucht dem Kind die Brust gibt; Clark 2016, der auf dieses Motiv in Add. Ms. 31835, fol. 80v (seine Fig. 60) gestoßen ist, kennt nur ein weitere Beispiel, im Neville-Stundenbuch, BnF, latin 1158, fol. 91 (seine Ill. 164). Die recht späte Entstehung dieser Miniaturen wird von der Marienkrönung zur Komplet (fol. 79v) unterstrichen: Über Gottes Thron hängt wie beim Altar der Darbringung im Tempel ein weißes Ziborium. Den blauen Himmel grenzen Kreissegmente mit feu rigen Seraphim ein, die vom Bogenabschluß in die Miniatur hineinragen. Eine im Bed ford-Stil sonst kaum zu findende Architektur in goldgehöhten Brauntönen spannt sich als niedrigere Front mit vier Maßwerkbögen zwischen zwei seitlichen Ziergiebeln. Von dieser Fassade trennt den schlichten mit goldgehöhtem Rosa bedeckten Thronkasten grüner Brokat. Maria kniet links mit gekreuzten Armen; zwei Seraphim, deren unteres Flügelpaar noch vom Brokat verdeckt ist, erscheinen mit der Krone, während ein greiser Gottvater, wie ein Kaiser gekrönt, die Krönung der Muttergottes segnet. fol. 85: Geradezu aufgewühlt wirkt das Bild von Davids Buße zu den Bußpsalmen: Un ter freiem Himmel, in dem Gottvater mahnend erscheint, kniet der greise König zwi schen einem Kasten mit drehbarem Bücherpult, wie ihn auch Evangelisten haben und auf dem er den Psalter geöffnet hat, links und einem Baldachin rechts, unter dem ein Kissen sichtbar wird. Eingegrenzt wird der geflieste Raum durch eine bildparallele Wand mit Maßwerkfenstern, die den Eindruck schafft, eigentlich habe der Maler ein Interieur wiedergeben wollen, es dann aber zum Himmel geöffnet, um Gott einbeziehen zu kön nen. Der König windet sich geradezu; und auch die Hand des Malers wirkt eigentüm lich unsicher, suchend und in der Gestaltung des Raums vor allem auf der linken Bild seite inkonsequent. Doch sobald man sich den Künstler als Greis vorstellt, erhält diese Miniatur eine besondere Qualität, als sei sie schwindenden Kräften abgerungen. fol. 99v: Die Horen eröffnen mit den gewohnten Erkennungsbildern: Doch bei der Kreuz-Matutin ist das Bild thematisch als Lanzenstich (fol. 99v) präzisiert: In einer Landschaft, die im Mittelgrund Berge zu beiden Seiten ansteigen läßt und hin ten zu einer Stadt führt, die kaum als Jerusalem konzipiert sein dürfte, steht das Kreuz unter Sonne und Mond. Von Frauen begleitet und von Johannes gehalten blickt Maria flehentlich auf zu ihrem toten Sohn, während auf der Seite gegenüber der greise Zen turio auf einen Schild gestützt zwei Männern Christus als Gottes Sohn bekundet. Blut
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dringt nicht nur aus der Seitenwunde, sondern fließt entlang der Arme und rinnt von Kreuzesstamm auf den Felsen. Auch das Pfingstwunder zur Geist-Matutin (fol. 105) ist thematisch präzisiert: Eng ge drängt sitzen die Apostel, vom Betrachter durch eine getreppte Mauer getrennt, um ei nen Bücherkasten in einem holzvertäfelten Raum. Unter Holztonne öffnet sich hinten ein Fenster; dort erscheint die Taube mit schwingenden feurigen Flammen. Von Schlaf links vorn bis zu heller Aufregung reichen die Reaktionen; doch im Zentrum der Kom position wird die Eintracht der Gottesmutter mit dem Lieblingsjünger Johannes gezeigt, wobei Petrus links neben Maria nur eine Nebenrolle zukommt. fol. 110v: Zur Bebilderung des Totenof fiziums hat man im Bedfordkreis die Beisetzung auf dem Friedhof bevorzugt; gern sehen moderne Betrachter darin Bilder vom Pariser Friedhof der Unschuldigen Kindlein. Davon kann hier aber nicht die Rede sein; denn in demselben aufgeregten Sinn für im Raum gekippte Bildelemente, den wir schon bei Da vid spüren konnten, ist hier ein kleiner Friedhof ohne Karrner gezeigt: Das frisch aus gehobene Grab steht schräg, so daß unten links Platz bleibt, einen Schädel mit Knochen und den Spaten der Totengräber zu zeigen, die jetzt in die Grube steigen, um den ein genähten Leichnam zur letzten Ruhe zu betten. Gebracht wurde der Tote in dem Sarg, dessen Deckel eine weitere Schräge rechts unten beschreibt. Drei Priester in schwarzen Chormänteln stehen zwischen dem Sarg und der kleinen Kapelle hinten, während sich drei Pleurants links eng zusammendrängen; wieder wird gegen Raumlogik verstoßen, sind sie doch viel zu kurz. Zudem stehen hinter ihnen fünf brennende Kerzen, die ei gentlich die Pleurants halten müßten. Über zwei gekreuzten Beinknochen erhebt sich ein Bildstock vor der schräg um eine Ecke geführten Friedhofsmauer. Über ihr schwebt be reits der Schutzengel des Verstorbenen, um dessen als Kleinkind gezeigte Seele zu Gott zu führen, ohne daß wie bei diesem Bildthema gewohnt, ihn ein Teufel dabei aufhält. fol. 153: Wie Davids Baldachin zu verstehen ist, erhellt bei der Darstellung der Madon na mit musizierenden Engeln zu den XV Freuden Mariä: Die Gottesmutter sitzt auf ei nem roten Kissen unter einem entsprechenden grünen Baldachin, nun in einem Raum, der links hinten durch ein Fenster erleuchtet wird. Ihr blauer Mantel ist mit weißem Pelz gefüttert, vielleicht Hermelin ohne schwarze Schwänzchen, wie das in der Kölner Ma lerei um Stephan Lochner üblich war und in unserer Nr. 18 zuweilen vorkommt, aller dings dort bei der Darbringung und der Marienkrönung eher aus Nachlässigkeit, nach dem Marias Mantelfutter aus weißem Pelz bei der Verkündigung, der Heimsuchung und der Weihnacht mit kräftigen Schwarz besetzt war. Ein Engel mit Laute musiziert; nach der Harfe eines zweiten Engels greift interessiert das in ein goldenes Hemdchen gekleidete Jesuskind. fol. 158: Das Jüngste Gericht zu den Sieben Klagen des Herrn zeigt den Weltenrich ter vor einer feurig roten Mandorla mit zwei kleinen Engeln in der Höhe, die ihre ge schwungenen Posaunen zur Erde wenden, so daß sie eine Zäsur zu Maria und Johannes dem Täufer schaffen. Jesus wendet sich zu Maria, die nachdenklich dasitzt, während der
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Täufer inständig die Hände ausstreckt. Aus ihren Gräbern unten steigen drei Tote auf, zwei Männer mit guter Hoffnung, eine Frau rechts vorn aber verzweifelt. Zum Stil Stilistisch steht das Manuskript dem Stundenbuch der Janne de Cavilliere, MA 26 der Pu blic Library in New York, nahe, das 2005 von Jim Marrow im Ausst.-Kat. Splendor of the World als Nr. 52 vorgestellt wurde. Für den geschätzten Kollegen handelt es sich bei der Handschrift, die für eine bei der Porte de Baudet wohnende Dame in Paris bezeugt ist, um ein Werk des Dunois-Meisters. Diese Zuschreibung müßte dann eigentlich auch für unser Buch gelten, das zudem noch ein wenig später entstanden sein dürfte als das Ma nuskript in New York. Die am frappierendsten übereinstimmenden Miniaturen sind uns in letzter Minute begegnet: In Ms. Parm. 1649 in der Biblioteca Palatina in Parma; vgl. Farinelli 2001, Nr. 34 mit fünf Abb.: die Verkündigung (ebenda S. 62) und die Flucht (S. 60) sowie die meisten übrigen kanonischen Miniaturen sind eindeutig von der Hand unseres Malers, in den späteren Partien waren der Meister von Jean Rolin (Kreuzab nahme, S. 197) und sogar der Meister der Philippa von Geldern (Hiob, S. 199) betei ligt – ein weiterer Beweis für die sehr späte Zeitstellung der Bedfordminiaturen, die der Hauptmeister in Parm. 1649 nicht mehr fertigstellen konnte. Die Bebilderung unseres Stundenbuchs verrät durchweg ein und dieselbe Hand; und sie zeigt auch, daß es sich um einen alten, geradezu greisen Maler handeln muß, dessen Motorik nicht mehr seiner reifen Schaffenszeit entspricht. Dabei beeindruckt aber wie bei anderen Werken hoch betagter Künstler zugleich, wie frei der Maler gegen Normen verstößt. In einer Zeit, da man auch in seiner Pariser Werkstatt die neue Kunst der Al ten Niederländer wahrnahm, setzt er sich unbekümmert über die Bemühungen hinweg, Raum logisch zu gestalten. Statt dessen interessiert ihn die Fläche; er arbeitet mit er staunlichen Schrägen, hebt die Erschließung der Bildtiefe im Bild des Friedhofs auf und läßt den büßenden David in seiner Reue geradezu formlos werden. Während der Dunois-Meister ohnehin kurzwüchsige Figuren mit runden Köpfen bevor zugte, sich stärker dem Einfluß der altniederländischen Tafelmalerei öffnete und sogar Bildmotive Jan van Eycks in seine Arbeiten integrierte, um in seinen späten Werken zu nehmend beruhigte Flächen zu gestalten, mag man es hier mit dem späten Bedford-Mei ster selbst zu tun haben. Der hätte dann aber fast genausolange gelebt wie sein Nachfolger. Ein vollständig erhaltenes Pariser Stundenbuch im späten Bedford-Stil, dessen ein drucksvolle Miniaturen von einem Künstler zeugen, der zwar nicht mehr über die Kraft seiner besten Jahre verfügt, aber mit der Art erstaunt, wie er souverän alle Anforderungen an feinmalerische Technik und säuberliche Organisation beiseite schiebt, um einige geradezu ergreifende Alterswerke zu schaffen. LIT ER AT UR:
Das Manuskript ist bisher nicht publiziert.
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16 Das PopincourtStundenbuch: später in den Sammlungen Henry Yates Thompson, Dyson Perrins, Robert Danon und Helmut Beck
16 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische Handschrift auf Pergament, mit lateinischen Rubriken in Rot und Blau sowie ei nem französischen Kalender in Gold, Blau und Rot, in Bastarda. Paris, um 1440-45: Meister des Popincourt-Stundenbuchs (auch Hoo-Meister) und ein zweiter Pariser Buchmaler der 1440er Jahre 26 Bilder: dreizehn große Miniaturen mit Bogenabschluß über vier Zeilen Text mit dreioder vierzeiligen Dornblatt-Initialen in Vollbordüre mit dreiseitiger Dornblatt-Zierleiste, meist um den Textspiegel, zuweilen auch in der Mitte der Dornblattbordüren mit blaugoldenem Akanthus und Blumen in Ecken und Mitte außen; zwölf Bilder in Rechtecken oder runden Medaillons mit den Tierkreiszeichen in breiten dreiseitigen Rankenklam mern von außen, die mit Blumen oder Akanthus zum Bildfeld und an den Enden des Randschmucks innen belebt sind; eine Bild-Initiale von vier Zeilen Höhe; aus zweizeili gen Initialen sprießt ein Doppelstab mit einer Rankenklammer von links; alle einfachen Textseiten mit Dornblattbordüre außen, so daß sich auf Recto mit den Außenbordüren in Höhe des Textspiegels fast der Eindruck von Vollbordüren ergibt; so auch bei der ein zigen Bild-Initiale. Einzeilige Initialen zu den Psalmenversen in Gold auf roten und blauen Gründen mit weißem Liniendekor, am Zeilenbeginn; Zeilenfüller in gleicher Art. Versalien gelb laviert 178 Blatt Pergament; die festen Vorsätze Papier, vorn vier fliegende, nicht foliierte Vorsätze, mit 15 Zeilen regliert wie der Textblock das erste Doppelblatt auf den Kopf gestellt; hinten ein ursprünglich textloses Quaternio aus festerem Pergament, das ebenfalls wie der Buchblock regliert ist (fol. 167-174). Gebunden in Lagen zu acht Blatt, davon abweichend die vier Vor satzblätter vorn, die Kalenderlagen 1-2 (6), Lage 3 (8+1; das Endblatt hinzugefügt), Lage 11 (8+1; fol. 86 mit fünf Zeilen Textende vom selben Schreiber, ohne Randschmuck, hinzuge fügt). Keine Reklamanten. Klein-Oktav (142 x 100 mm; Textspiegel: 64 x 46 mm). Rot regliert zu 15, im Kalender zu 17 Zeilen. Vollständig, breitrandig und ohne Benutzungsspuren erhalten. Historistischer Fanfare-Einband auf fünf sichtbare Bünde mit zwei Silberschließen perfekt er halten: Capé vor 1867: der braune Grund mit Zeichnung in Goldprägung ist mosaiziert mit schwarzen Bändern und roten Feldern. Goldschnitt. Innendeckel mit rotem Maroquin; mit Purpur-Seide bespannte Vorsätze aus Papier. In einem außen mit glattem, innen mit Wildle der bespanntem Schuber, außen mit breiten Pergamentstreifen; rundes Schild mit der Num mer 77; das kleine Exlibris von Dyson Perrins mit Nr. 41. Dieser Schuber wiederum in einem Pappschuber mit blindgeprägtem Besitzerzeichen des Ehepaars Beck, das im Innendeckel wie derkehrt. Provenienz: Wappen auf Blau zeigen ein gezacktes goldenes Kreuz (croix engrêlée), in den Feldern fünfblättrige rote Rosen: auf fol. 21v unter Textende mit Helmzier und Wappenweib
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chen, beschriftet mit popincourt und hangest; auf fol. 109v in der Bordüre von einem Engel gehalten und in der Miniatur des Totendienstes dort als Decke des Katafalks: Die Beterin unter dem Kreuz auf fol. 157v, deren Ehemann dort keine Heraldik trägt, trägt einen Rock mit einem Allianzwappen, auf der Frauenseite drei goldene Kreuze (croix molines) auf Rot verbindet, wohl Popincourt und Le Bègue, auch wenn Popincourt sonst keine Rosen zeigt und Le Bègue in anderen Farben gehalten ist. Der Name popincourt und die Farben der zugehö rigen Wappen könnten zeitgenössische Überarbeitung verraten. Als die frühesten namentlich gesicherten Besitzer können Jean de Popincourt (gest. 25.1.1480), Seigneur von Liancourt im Beauvaisis und Sarcelles bei Paris und seine Gemahlin Catherine le Bègue gelten. Nachdem schon im Jahr 1400 ein Jean de Popincourt (gest. 1403) 1. Präsident des Pariser Parlaments gewesen war, erhielt der jüngere Jean, ein Neffe oder Großneffe, 1472 dasselbe Amt. Das Pariser Hôtel der Familie in der rue Popincourt (zeitweilig Pincourt) gab dem 11. Arrondissement den noch heute geläufigen Spitznamen arrondissement de Popincourt. Die Bestimmung von Wappen und Besitzerpaar wird gestützt durch den Geburtseintrag auf fol. ii, der dem Enkel Guillaume de Plessis (1491-1550) gilt; denn die einzige Erbin, Claudine (gest. 1510), hatte 1463 Jean de Plessis (gest. 1494) geheiratet: „L’an iiiiciiijxx/Et unze le xxive Jour de Janvier/ fu né guillaume/ Duplesseys…“. Guillaume, Claudines 7. Sohn, Maître d’hôtel von Henri II und für den König Legat in der Schweiz, vermerkt am Ende der Hand schrift eigenhändig seine 1527 im Schloß von Écouen vollzogene Heirat mit Françoise de Ter nay, die der Mutter des Königs Franz I., Louise de Savoie als fille d’honneur gedient hatte. Danach hat er die Geburten zweier Töchter Sidoine (cydoisne) und Yolande in Liancourt 1528 und 1529 mit denselben Daten notiert, die auch Père Anselme (Histoire généalogique IV, 1728, S. 755) nennt (als habe dieser Historiker Zugang zum Livre de raison in unserem Manuskript gehabt). Liancourt, und damit vielleicht auch das Stundenbuch, ging später durch Heirat an die La Rochefoucauld. Der Name Hangest auf fol. 21v erklärt sich vielleicht dadurch, daß vor der schließlich gültigen Ehe eine Verbindung mit einem Mitglied der seit dem 12. Jahrhundert in der Pikardie nach gewiesenen Familie Hangest geplant war (einem Jean de Hangest, der aus der in Genlis an gesiedelten burgundischen Linie stammte und mit Marie d’Amboise verheiratet war, gehörte unsere Nr. 23 in Tour de France, Bd. II). Collection Emmanuel Martin, Livres rares et précieux, Paris 5.2.1877, Nr. 23; Bottini, San Remo: 1896 an Henry Yates Thompson, dessen Nr. 35 (Besitzerzeichen mit Hinweis auf Bd. I, Nr. 35); in dessen Auktion, Sotheby’s 14.5.1902, an Pickering und Chatto. Von J.&J.Leigh ton 1906 an Charles William Dyson Perrins, der das Ms. zunächst als Nr.15 zählte, dann als Nr. 41 (im kleinen runden Exlibris): Sein Wappenexlibris mit Initialen DP und Lothringer kreuz, daran angehängt sein horizontal geteiltes Wappen mit drei Löwenköpfen, darunter ein w-förmiger Chevron mit drei Hagebutten. In der Dyson-Perrins-Auktion Sotheby’s 2.12.1959, lot 77: an Berès (dessen Schildchen auf dem Vorsatz, cat. 60, Nr. 7); von dort an Robert Da non: dessen Auktion Paris 21.3.1973, lot 7; schließlich Beck, Ms. 29 (blind geprägtes Exlibris mit der Nr. auf dem Vorsatz): deren Auktion Sotheby’s London, 16.6.1997, lot 24. Auf dem Verso des als i gezählten zweiten Vorsatzblattes eine längere Ausführung zu Vorbe sitzern.
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Text fol. 1: Kalender in französischer Sprache, abwechselnd in Blau und Rot, Feste in Gold, jeder Tag besetzt, die Goldene Zahl in Gold, die Sonntagsbuchstaben A als goldene In itialen auf blauen und roten Feldern, die Sonntagbuchstaben b-g und die römische Ta geszählung in derselben Farbe wie die Einträge zu den Heiligen, auch wenn dort Gold verwendet ist. Die Orthographie der stark dialektal gefärbten Einträge und die Heili genauswahl weisen auf Paris. fol. 13: Perikopen: Johannes (fol. 13), Lukas (fol. 14), Matthäus (fol. 15v), Markus (fol. 17). fol. 18: Mariengebet, redigiert für einen Mann: Obsecro te; auf dem hinzugefügten fol. 21 ändert sich in der 8. Zeile die Schrift. fol. 22: Marien-Of fizium für den Gebrauch von Paris: Matutin (fol. 22, mit drei Noktur nen), Laudes (fol. 44), Prim (fol. 55v), Terz (fol. 61v), Sext (fol. 66), Non (fol. 70), Vesp er (fol. 74), Komplet (fol. 81); fol. 86 nur fünf Zeilen, ohne Bordüre, fol. 86v leer. fol. 87: Bußpsalmen mit Litanei (fol. 99), die schlanke Heiligenauswahl, ohne Genovefa, pariserisch mit Gervasius am Ende der Märtyrer. fol. 102v: Horen des Heiligen Kreuzes (fol. 102v) und des Heiligen Geistes (fol. 106). fol. 109v: Totenof fizium: Vesper (fol. 109v), Erste Nokturn (fol. 117v, nicht markiert), Laudes (fol. 143 mit Rubrik). fol. 157v: Mariengebete: Stabat mater (fol. 157v), Mariensuffragium: O maria plasma nati (fol. 159v, auch in Nr. 10, für den Gebrauch von Sarum), mit Schlußgebet, in dem Gott um die Fürbitte der Jungfrau gebeten wird: Interveniat pro nobis quesumus domine nunc et in hora mortis nostre apud clementiam tuam beata et gloriosa, sempiterna virgo ma ria (fol. 160v), Heu mater misericordie (fol. 161). fol. 162v: Gebete an Christus: zu den fünf Wunden: Domine ihu xpe fili dei vivi precor te per sanctissima quinque vulnera (fol. 162v), zu den Sieben Worten am Kreuz: Domine ihu xpe qui septem verba (fol. 163v), O Beatissime domine ihu xpe. Respicere digneris super me (fol. 164v). fol. 165: Textende; ab 165v leer. fol. 166: Livre de raison des Guillaume Duplessis von 1527-1529. Schrift und Schriftdekor Dieses Stundenbuch ist einheitlich mit brauner Tinte in Bastarda geschrieben. Die Schriftsorte muß zur Entstehungszeit des Manuskripts nicht mehr erstaunen; denn ge gen 1450 verzichtete man vor allem bei zierlichen Stundenbüchern zunehmend auf die Textura. Dabei hat man in Paris anders als im Loiregebiet, wo eine stärker formalisierte Bastarda üblich war, niedrigere Buchstaben und hellere Tinten eingesetzt; dafür ist un ser Manuskript ein gutes Beispiel.
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Im Schriftdekor bleibt die hierarchische Stufung von Flächendekor für die einzeiligen Initialen und die Zeilenfüller gültig. Ungewöhnlich ist die konzeptionell unterschiedli che Ausstattung von Kalender und Textseiten, auch wenn sie offenbar derselben Hand verdankt wird: Man geht von breiten, streng rechteckig begrenzten und teppichhaft mit Dornblatt gefüllten Randfeldern aus, die nur punktuell, meist in der Mitte, mit einem Blüten- oder Fruchtzweig in Buchmalerfarben belebt sind. Im Kalender werden sie auf den Recto-Seiten von außen um den Textspiegel herumgelegt; das zweizeilige KL erhält hingegen keinen Randschmuck. Im Text hingegen werden alle zweizeiligen Initialen von einem Doppelstab begleitet, der nur selten mit dem Buchstaben verbunden ist; von die ser Zierleiste geht jeweils eine Rankenklammer von links mit farbigen Elementen in den Ecken aus; deren Vertikale läßt zum Falz hin oft die teppichhafte Dichte vermissen. Auf Recto-Seiten sorgt die überall eingesetzte Außenbordüre in Höhe des Textspiegels für eine besonders prächtige Wirkung. Akanthus, der auf den Textseiten keine große Rolle spielt, besetzt auf den Bildseiten ge meinsam mit stark stilisierten Blumenzweigen die Ecken und die Mitte. Zwar kommt Rot noch vor; doch gewinnt die Farbkombination von Blau und mit Rot modelliertem Gold sichtlich Oberhand, wie das um die Mitte des 15. Jahrhunderts überall in Frank reich zu beobachten ist. Bemerkenswert ist die Dominanz strenger Formen: Dornblatt bestimmt auch bei den wichtigsten Textanfängen den Eindruck; Zierleisten behalten den Charakter breiter Balken; sie werden bevorzugt um den Textspiegel gelegt, können aber auch als Mittelachse der Bordüre dienen; sie sind durchweg vom Dornblattdekor aus konzipiert, auch wenn die Blattgoldstreifen mit Blüten besetzt sein mögen. An den Ecken können die Leisten aussetzen zugunsten von prächtig gemaltem Rankenwerk. Prinzipiell kann die Leiste zum Falz hin als einfacher Doppelstab gebildet sein. Im Sin ne einer gewissen Texthierarchie aber erhalten die Marien-Matutin, der Beginn der Buß psalmen, die Geist-Matutin und die letzte Bildseite auf der schmalen Seite eine Leiste mit Flächendekor; daraus bricht dann aber der Schmuck der Kreuz-Matutin und der Toten-Vesp er aus, wo der Dekor auch zum Falz hin unverändert fortgesetzt wird und damit die prächtigste Wirkung entfaltet. Die Bilder fol. 1: Zwölf Tierkreiszeichen, auf die Erde geholt, in unterschiedlich zugeschnittenen Bildflächen, die unabhängig von ihrer Form dem zuweilen weit ausgreifenden Zeilen ende ausweichen: Wassermann als nackter junger Mann mit zwei goldenen Krügen, Fi sche in Wasser vor Mustergrund; Widder und Stier in Landschaft; Zwillinge nackt, mit zwei Oberkörpern aus einem Körper, der sich über dem Nabel teilt; Krebs als Hummer; Löwe vor Mustergrund; Jungfrau zwischen zwei dicken Korngarben; Mädchen mit der Waage vor Mustergrund; Skorpion auf Wiese unter bestirntem Blau; Schütze als Ken taur, Steinbock als Halbfigur im Ammonshorn. fol. 21v: Frauenbüste in der Helmzier des Wappens Popincourt. fizium entspricht Pariser Tradition: fol. 22: Der Zyklus zum Marien-Of
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Die Marienverkündigung zur Matutin (fol. 22) findet unter einem Diaphragmabogen in einer kleinen Kapelle statt, die links in einen weiteren Sakralraum geöffnet und zur Mit te mit drei silbernen Fenstern ausgestattet ist, während sich rechts die rundbogige Tür befindet, durch die Gabriel eingetreten ist, während im Okulus über der Tür eine sehr kleine Gotteserscheinung die Taube des Heiligen Geistes aussendet. Für die ungemein prachtvolle Wirkung dieser kleinen, aber geradezu gedrängt vollen Miniatur sorgen die kostbaren Farben: Blau sind Kleid und Mantel der Jungfrau ebenso wie die Tunika des Engels und die Gewölbekappen. Blau ist auch Gabriels rechter Flügel, der linke hingegen wird in blassem Grün gegeben, das im Fliesenmuster und im Holzgewölbe des Neben raums links wiederkehrt sowie in der Bildmitte ein Kissen färbt. Rot greift von rechts aus ein; denn Gabriels Chormantel, das Ehrentuch und der Einband von Marias Buch sind mit unterschiedlicher Leuchtkraft gefärbt, während Gottvater fast schrilles Rot trägt. Während Blattgold nur für Marias Nimbus eingesetzt ist, sind mit Pinselgold, das auch zur Höhung der Architektur dient, die Innenseite von Marias Mantel und die breite mit Perlen geschmückte Borte von Gabriels Chormantel ebenso wie die Muster eines roten Ehrentuchs hinter den beiden Figuren gemalt. Geradezu past os aufgetragen wird Gold auf Gabriels Mantelschließe und der Lilienvase. Eine erstaunliche Wirkung wird bei der Heimsuchung zu den Laudes (fol. 44) erzielt, die unter Gottes Licht in einer weit nach oben ansteigenden Landschaft gezeigt wird; denn Joseph schreitet hinter Maria so aus, daß sein Kopf zwischen den nimbierten Häuptern der beiden Frauen auftaucht und dadurch in den Farbklang von Blau und Gold bei Maria sowie Rosa, Blaugrau und Weiß bei Elisabeth kräftiges Rot drängt. Ein rund umzäun ter Garten im Mittelgrund links mag als Hortus conclusus und damit als Anspielung auf eines der wichtigsten Beiworte Marias dienen. Landschaft spielt auch bei der Anbetung des Kindes zur Prim (fol. 55v) eine wichtige Rolle; denn der Stall schiebt sich wie bei einer Anbetung der Könige von links ins Bild. Er ist üppig ausgestattet mit einem großen roten Wochenbett, das von roten Vorhängen umgeben ist. Maria kniet links vor dem Kind, das sie auf eine mit Weidengeflecht ver sehene Krippe gelegt hat. Joseph ist mit seinem Gehstock von rechts herangetreten und sinkt mit einer fassungslos erhobenen Hand ins Knie. Durch veränderte Gewandfarben wird die Wirkung der Hauptfiguren der Heimsuchung, wiederholt; denn der Ziehvater trägt nun wie Elisabeth Rosa und Blaugrau über einem matteren Rot. Bei der Hirtenverkündigung zur Terz (fol. 61v), die vor Bethlehem spielt, das links oben als befestigte Stadt erscheint, schauen drei Männer zu einem Engel auf, dessen Spruch band die fehlerhaft geschriebenen Worte „gl(ori)a i(n) E(c)celcis pro“ trägt. Die Land schaft ist geschickt gegliedert: Ein Weg grenzt die Herde rechts vorn von den links ein wenig zurückgesetzten Hirten ab, deren Bewegung durch einen spitz nach rechts anstei genden Felsen unterstützt wird. Der Hund wirkt wie ein Scharnier zwischen Mensch und Tier. Im Mittelgrund schlängelt sich ein Bach unterhalb eines Berges und der Hügel mit der Stadt links wird durch eine säuberlich angeordnete Baumreihe begrenzt.
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Für die Königsanbetung zur Sext (fol. 66) wird der Stall des Weihnachtsbilds wieder holt; doch nun sind die roten Tücher nicht mehr sichtbar. Ein grüner Vorhang ist nach links zurückgezogen. Dort sitzt Joseph, auf seinem Stuhl eingeschlafen, die Füße auf ei nem blauen, golden bestirnten Kissen, während Maria ihr rotes Bett nun unter einem grauweißen Betthimmel oder Baldachin unter dem Giebel des Stalls wie einen Thron besetzt. Das Kind greift nach dem Gold im Kelch des ältesten Königs, dessen Krone am Boden rollt. Die beiden jüngeren Könige wenden sich im Gespräch einander zu; statt des Sterns leuchtet wie bei der Heimsuchung eine kleine Gloriole im Scheitel der Miniatur. Bei der Darbringung zur Non (fol. 70) wartet Simeon, die Hände mit goldenem Tuch bedeckt, unter einem roten Baldachin auf den nackten Knaben. Maria ist von rechts her zugetreten und dreht ihr Antlitz zum Betrachter. Ihr folgt die Magd mit dem Tauben körbchen und der Kerze ohne Heiligenschein. Die Architektur ist eigentlich symme trisch auf eine kleine zentrale Apsis mit drei silbernen Fenstern ausgerichtet; doch öffnet sich rechts der Bogen, unter dem Maria eingetreten ist, in einen gewölbten Nebenraum, während nicht nur der rote Baldachin, sondern auch ein davon herabhängendes grünes Tuch links die Sicht nehmen. Als dynamischer Landschaftsmaler erweist sich der verantwortliche Künstler auch bei der Flucht nach Ägypten zur Vesp er (fol. 74): Der Esel trabt energisch voran; leicht nach rechts geneigt schreitet Joseph voraus. Zwei Felsspitzen ragen schräg nach rechts auf. Maria hat das Kind mit gekreuzten roten Bändern in Weiß gewickelt. Die Marienkrönung zur Komplet (fol. 81) vereint in einem engen Raum unter bestirntem Blau und Wolken den Stuhl für Maria und den Thron unter einem Baldachin für den mit purpurner Tiara gekrönten Christus, der segnet, während zwei Engelchen hinter der roten Brokatabsperrung von hinten mit der Krone auftauchen, was an den Krönungst ep pich Karls VII . im Louvre denken läßt (E. Antoine, Le dais de Charles VII. Une acquisit ion exceptionelle pour le Louvre, Dijon 2010). fol. 87: Zu den Bußpsalmen kniet David büßend, noch umhegt von der mit einem ro ten Ehrentuch bespannten Mauer seines Palastgartens, im Freien. Mit Krone auf dem Haupt und der goldenen Aumonière am Gürtel, die Harfe neben sich am Boden, wendet sich der König mit offenen Händen im Gebet zu Gott, der im Kreis goldener Engel vor Rot als Büste erscheint. Die Malerei arbeitet zwar mit den gleichen Farben, wirkt aber, als sei sie von anderer Hand. fol. 102v: Auch zu den Horen sind die gewohnten Erkennungsbilder geschaltet: Vor goldenem Karomuster, das in einem seichten Bogen bestirntem Blau mit Sonne und Mond weicht, wird die Kreuzigung zur Kreuz-Matutin (fol. 102v) gezeigt: Der Gekreu zigte, mit Maria und Magdalena links und Johannes mit Buch rechts, senkt im Tod das Haupt zur Mutter. Das Pfingstwunder der Ausgießung des Heiligengeistes zur Geist-Matutin (fol. 106) spielt in einem mit blauer Holztonne gewölbten, vermutlich nicht sakral verstandenen
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Raum. Die Stirnwand ist zwar mit einem großen Maßwerkfenster versehen, die Fenster in den symmetrisch in die Tiefe fluchtenden Seitenwänden aber sind wie in profanen Bauten rechtwinklig geschnitten. Vor dem Bogen in der Mitte erscheint die Taube des Heiligen Geistes über Maria und Johannes als den Hauptfiguren; links ist noch Petrus an der Tonsur zu erkennen; die meisten der insgesamt elf Apostel aber sind nur durch ihre Nimben erkennbar. fol. 109v: Zum Totenof fizium das Chorgebet mit drei Priestern links und zwei Pleurants rechts vor goldenem Retabel; die besondere Wappenform der Popincourt inspiriert hier zu einer sehr ungewöhnlichen Gestaltung des Katafalks: Das gezackte goldene Kreuz bestimmt das Decktuch. In der Bordüre unten ein Engel mit dem Wappen. fol. 157v: Zum Stabat mater wird statt des bescheidenen Bildes der Kleinen Kreuzigung ein volkreicher Kalvarienberg gezeigt: Zwischen den schräg gestellten Kreuzen mit den in kleinerem Maßstab gegebenen Schächern spannt sich Christi Kreuz, über dem wieder um Sonne und Mond, nun aber in hellem Himmel, die kosmische Dimension des Gesch ehens andeuten. Der Kreuzestod ist bereits eingetreten; doch noch drängt sich hinten eine dichte Schar von Soldaten, einer von ihnen ist Stephaton mit dem Essigschwamm; doch für Longinus, der den Lanzenstich ausgeführt hat, und für den Zenturio, der im Gekreuzigten wahrhaft Gottes Sohn erkannte, wären mehrere Kandidaten zu nennen. Vielleicht hatte der Maler vor, alle Guten à dextre, also für die Betrachter links hinter Maria, den heiligen Frauen und dem Lieblingsjünger Johannes zu versammeln; doch si cher konnte er den Beter und die Beterin rechts nicht zu den Bösen zählen. fol. 161: Zum Mariengebet Heu mater misericordie wird als letztes Bild eine vierzeilige In itiale geschaltet, die vor brillantem Blattgold die Madonna mit Kind als Halbfigur zeigt. Zum Stil Mit Ausnahme des Davidbildes sind alle Bilder, die Medaillons im Kalender, die BildInitiale am Schluß und die großen Miniaturen zweifelsfrei von ein und derselben Hand ausgeführt, die in vieler Hinsicht der Bedford-Werkstatt verpflichtet ist und zur Gene ration des Dunois-Meisters gehört. Ausgangsp unkt für die Benennung des Malers ist entweder unser Stundenbuch (Plotzek 1987) oder das etwa größere und mit 28 Minia turen ausgestattete, noch in Textura geschriebene Stundenbuch des Kanzlers der Norman die Thomas Lord Hoo von 1444, das seit 1874 der Royal Irish Academy in Dublin gehört (RIA MS 12 R 31: siehe Williams 1975). Wer ihn nach Thomas Hoo nennt, betont den Bezug zur englischen Besatzung in Rouen, geht aber vom ikonographisch ungewöhnlich sten Werk aus; wer hingegen unser Stundenbuch zum Ausgangsp unkt nimmt, begreift den Künstler von seiner Verwurzelung in der Pariser Buchmalerei her. Am besten erkennt man den Buchmaler an seinen zarten, zuweilen rührenden Frauen gesichtern. Unsere Beschreibungen haben bereits auf zwei hervorragende Eigenschaften hingewiesen: Der Popincourt- oder Hoo-Meister ist ein begabter Landschafter und kann brillant mit Farben umgehen. Dem Bedford-Meister verdankt er die Wirkung von Blau
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und Gold bei Marias Gewandung ebenso wie die schönen breiten mit Perlen besetzten goldenen Borten von Chormänteln. Die Verkündigung von rechts, die feinen silbernen Fenster, die Dichte des Figurenreliefs – all das hat er bei dem älteren Pariser Maler ken nengelernt. Auf eigentümliche Weise bleiben in der Kunst dieses Malers wie auch im Randdekor seiner Handschriften altertümliche Züge erhalten: So greift er in den beiden Bildern der Kreuzigung im Popincourt-Stundenbuch zwei verschiedene Stilstufen auf: In der „Kleinen Kreuzigung“ zur Matutin der Horen kombiniert er das um 1410 beliebte Ka romuster mit bestirntem Blau; daß seine Miniatur nicht sehr viel früher entstanden sein kann, merkt man nur an der mangelhaften Abgrenzung beider Sphären, die so in der älteren Pariser Buchmalerei unmöglich gewesen wäre. Hingegen vermag er den volkrei chen Kalvarienberg vor einen hellen Himmel zu stellen, der sich über einer fernen Stadt landschaft erhebt. In seinen Landschaften setzt der Maler zur Raumordnung Wege und Flüsse, vor allem aber Baumreihen ein. Der steile Anstieg seiner Miniaturen zu erstaunlich hohem Hori zont ist sicher noch ganz dem Bedford-Meister selbst verpflichtet. Doch ist dessen gern ein wenig malerische Malweise nun abgelöst durch einen zuweilen geradezu past osen Fa rbauftrag, insbesondere bei dem bewußt dick aufgetragenen Gold, das zu Höhung und Belebung dient. Wie zuweilen in der Pariser Buchmalerei zu beobachten ist, hat dieser Meister einem Kollegen ein wichtiges Bild überlassen: Der Beginn der Bußpsalmen wurde von einem Maler gestaltet, den wir schon in einem Pariser Heilsspiegel (Sammlung Renate König, Ms. 33. Leuchtendes Mittelalter, Neue Folge III , Nr. 8; zuletzt van Euw in Ausst.-Kat. Köln 2001, Nr. 33) kennen gelernt haben: Er hat das am 4. Mai 1441 von Bertran de Beauvau, einem königlichen Kammerherren in Paris erworbene fr. 541 der BnF ausge malt; sein durchweg mit Paris verbundenes Œuvre unterstreicht noch einmal die auch von der Provenienz unseres Stundenbuchs her naheliegende Lokalisierung in die Haupt stadt. In Paris ist das Popincourt-Stundenbuch in den 1440er Jahren entstanden. Im hier beschriebenen Stundenbuch beeindruckt die Lebendigkeit der dicht ge drängten Bilder mit ansprechenden Physiognomien, prachtvollen Farben, die üppig mit Gold aufgewertet werden, und Landschaften, in denen die Figuren oft recht raf fi niert gesetzt sind. Das Popincourt-Stundenbuch verbindet sich mit der Geschichte ei ner in der Hauptstadt und ihrer nahen Umgebung ansässigen Familie, nach der man noch heute ein ganzes Arrondissement nennt. Künstlerisch erweist es sich als ein Hauptwerk, das die Pariser Buchmalerei der 1440er Jahre würdig vertritt und den Maler in all seinen charakteristischen Eigenarten vor Augen treten läßt. In seinen für die meisten anderen Werke des Meisters typischen Miniaturen ist es ein vorzüg licher Ausgangsp unkt für die Benennung eines Buchmalers, der wie hier Familien
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bediente, die in der Pariser Geschichte eine bemerkenswerte Rolle spielten, jedoch auch für die englische Besatzung, zuweilen sogar in Rouen gearbeitet hat. LIT ER AT UR:
Yates Thompson I, Nr. 35; Plotzek 1983, Nr. 21; De Hamel 1997, Nr. 24.
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17 Ein Stundenbuch vom Meister des Brotherton-Breviers in Leeds
17 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, in schwarzer Textura, mit roten Rubriken. Paris, um 1440: Meister des Brotherton-Breviers in Leeds Sechs große Miniaturen, davon fünf mit gemusterten Gründen aus Gold, Rot und Blau, über vier Zeilen Text mit dreizeiligen Dornblatt-Initialen, mit breiten Zierleisten mit Flächen aus Gold, Rot und Blau in Vollbordüren aus Dornblatt mit buntem Akanthus und wenigen Blumen. Neun Prachtseiten mit vierzeiliger Dornblatt-Initiale, DoppelstabZierleiste links und von links um den Textspiegel greifender dreiseitiger Dornblatt-Bor düre mit Blüten. Die Eingangsseite des Kalenders mit Vollbordüre, die übrigen Seiten des Kalenders mit Bordürenstreifen aus Dornblatt mit blau-goldenem Akanthus und Blu men außen, auf Recto zuzüglich eines Streifens Dornblattbordüre links. Zwei Seiten mit vierzeiligen goldenen Zierbuchstaben auf roten und blauen Flächen mit entsprechenden Bordürenstreifen außen. Die übrigen Zierbuchstaben in Gold auf roten und blauen Flächen: einer dreizeilig, bei Psalmenanfängen zweizeilig, bei Psalmenversen einzeilig. Versalien nicht behandelt. 206 Blatt Pergament; dazu je ein Doppelblatt Papier als festes und fliegendes Vorsatz. Gebun den in Lagen zu acht Blatt, davon abweichend die Kalenderlage 1 (12), die Lage 3 (4+1 – Endblatt hinzugefügt), 11 (4), 15 (8-2 – die beiden mittleren Blätter entfernt), 20 (8+1 – End blatt hinzugefügt), 23 (6), 27 (4). Reklamanten beschnitten, nur an wenigen Stellen erhalten. Zu 15, im Kalender zu 16 Zeilen, rot regliert. Kleines Quarto (176 x 126 mm; Textspiegel: 92 x 60 mm). Bestens erhalten, bis auf ein Doppelblatt komplett. In einem französischen Einband der Wende vom 18. zum 19. Jahrhunderts: Rotes Maroquin mit Goldprägung: Randleiste mit Weinlaub-Ornament auf den Deckeln, Zierstreifen auf dem glatten Rücken, in der Art von Mairet. Provenienz: Trotz der für einen Mann eingerichteten Gebete, deren letztes auf fol. 178v dem Beter das Epitheton „peccatori“ gibt, erscheint auf fol. 179 eine Frau, vermutlich eine Domini kanerin, im Gebet zur Hl. Katharina. Daß mit dem Genus nicht sorgsam umgegangen wur de, zeigen Gebete auf fol. 166 und 174, die eine „peccatrix“ nennen. Einer sicher nicht zeitgenössischen Notiz am Textende (fol. 206) zufolge aus dem Jahr 1409. Im 19. Jahrhundert in Frankreich (laut Notiz auf dem vorderen Vorsatz). Edward Hilton Young, für den 1935 der Adelstitel eines „Lord Kennet, of the Dene“ einge führt wurde (1879-1960), dessen Wappenexlibris im Vorderdeckel (siehe The Complete Pee rage XIII, 1940, S. 555). Im Buch soll eine Notiz gelegen haben, die berichtet, der Band sei etwa 1928 in Budapest von einem Münchner Buchhändler erworben und von Maggs 1938 an Lord Kennet verkauft wor den.
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Der Text fol. 1: Kalender, in französischer Sprache, jeder Tag besetzt, einfache Tage abwechselnd rot und blau, Feste in Gold. Die Schreibweise dialektal gefärbt; die Heiligenauswahl mit Genovefa (3.1.), Nikolaus (9.5. als Fest), Martin (4.7. und 11.11. – beide als Fest), Ludwig (25.8. als Fest), Dionysius (9.10. als Fest) für den Gebrauch von Paris. fol. 13: Perikopen: Johannes (fol. 13 – mit Einführungst ext Valde honorandus est beatus jo hannes und Gebet Ecclesiam tuam), Lukas (fol. 14v), Matthäus (fol. 15v), Markus (fol. 17). fol. 18: Mariengebete, für einen Mann redigiert: Obsecro te (fol. 18), O intemerata (fol. 21v). fol. 26: Marienof fizium für den Gebrauch von Paris: Matutin (fol. 26), Laudes (fol. 47v), Prim (fol. 57v), Terz (fol. 62v), Sext (fol. 66v), Non (fol. 70), Vesp er (fol. 73v), Komplet (fol. 80); fol. 85/v leer. fol. 86: Bußpsalmen, mit Litanei (fol. 98); die Heiligenauswahl wenig spezifisch; auffäl lig sind Arnulf und Genovefa. fol. 103v: Horen: des Heiligen Kreuzes (fol. 103v), des Heiligen Geistes (fol. 109v); Ende fehlt. fol. 113: To ten of fi zi um für den Gebrauch von Paris (Anfang fehlt). fol. 157: Suffragien: Trinität (fol. 157), Maria (fol. 157v), Michael (fol. 158), Johannes der Täufer (fol. 158v), Peter und Paul (fol. 159), Jakobus (fol. 159v), Stephanus (fol. 160), Ni kolaus (fol. 160v), Maria Magdalena (fol. 161), Michael (fol. 161v), für den Tagesverlauf und den Besuch der Messe (fol. 162); In viam pacis (fol. 176v – in Stundenbüchern des Herzogs von Berry wird dieser Text ans Ende gestellt, allerdings durch Psalmen ergänzt; siehe fol. 223v in den Belles Heures in New York); Sancta maria mater domini nostri ihesu xpristi, succurre michi peccatori (fol. 178v); dieses ist das sechste in einem Stundenbuch nachgewiesene Beispiel! fol. 179: Horen: der heiligen Katharina (fol. 179), der Empfängnis Mariens (fol. 186). fol. 190: Passion nach Johannes. fol. 193v: Suffragien für die Wochentage. fol 197: XV Joyes. fol. 203: VII Requestes. fol. 206: Sainte vraye croix aouree. Textende mit kalligraphisch eingetragener Jahreszahl 1409 in der untersten Zeile. fol. 206v: leer.
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Schrift und Schriftdekor Mit seiner gravitätischen Textura gehört dieses Manuskript ins zweite Viertel des 15. Jahr hunderts. Noch war nicht entschieden, ob der Akanthus wie bei den Bildseiten vollfarbig bleiben durfte oder wie im Kalender zur später kanonisch werdenden Beschränkung auf Blau und Rot finden mußte; entsprechend kommt die Randzier der Bildseiten ebenso wie jene der Textanfänge mit großen Dornblatt-Initialen ohne eine Grenzlinie nach au ßen aus, während die Bordüren im Kalender senkrecht rot gerandet sind. Die Datierung wird erschwert durch Rückgriffe auf ältere Formen wie die breiten Zier leisten mit Flächen aus Gold, Rot und Blau. Die Bildfolge Das Buch ist zurückhaltend bebildert; mit Ausnahme des letzten Bildes sind alle Minia turen mit teuren Karogründen aus Blattgold mit Blau und Rot versehen: fol. 26: Als einziges Bild zum Marienof fizium dient die Marienverkündigung (fol. 33) mit dem Engel von links und Maria unter einem Baldachin an ihrem Betpult vor dem Karomuster, in dem sich Gottvater in einem Himmelssegment zeigt, und darunter einer Mauer mit einem Brokat als Ehrentuch. Die Möbel wirken wie Versatzstücke aus einem Interieurbild, in dem die Verkündigung in einem gewölbten Sakralraum gezeigt würde. fol. 86: Bei Davids Buße zu den Bußpsalmen ist der Schauplatz wie eher in Rouen als in Paris üblich eine Art Palast-Terrasse, doch hier nicht unter freiem Himmel, sondern wieder vor Mustergrund, in dem wie bei der Marienverkündigung Gott in einem Him melssegment erscheint. Vor David liegt seine Krone; er hat ein Buchpult mit zwei Eta gen, darauf zwei Gebetbücher und die Harfe. fol. 103v: Zur Kreuz-Matutin wird die Kreuzigung mit nur drei Personen gezeigt: der Erlöser flankiert von Maria links und Johannes rechts. Die Landschaft zeigt nur Wie sen zwischen Felsen und Baumgruppen. fol. 109v: Die Ausgießung des Heiligen Geistes wird in unter einem gestaffelten dreitei ligen Bogen, vor weitgehend zurückgedrängtem Karomuster gezeigt. Gemeint ist eine recht enge Kapelle, wie sie beim Bedford-Meister häufiger zu finden ist. Im Fenster in der Mittelachse erscheint die Taube mit weißen, nicht feurigen Strahlen über der nach links gewendeten Maria, die neben dem jugendlichen Johannes sitzt, mit Petrus im Rücken; die hier versammelten Apostel reagieren unterschiedlich, einer kauert am Boden und blickt auf ein aufgeschlagenes Buch. fol. 179: Bebildert sind schließlich die ungewohnten Horen: Katharina (fol. 179) steht wie im Boucicaut-Stundenbuch (Paris, Musée Jacquemart-André, ms. 2: Abb. bei Meiss 1968 und Châtelet 2000) majestätisch im Raum; sie erscheint ge krönt, mit Palmzweig, neben sich das Rad, und wendet sich zu einer Frau, die in schwar
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zem Nonnenhabit, von ihrem Schutzengel der gekrönten Heiligen empfohlen, an ihrem Betpult kniet. Wie bei der Verkündigung ist eine Mauer mit einem Brokat bespannt. finiert Der Kuß an der Goldenen Pforte bewirkt die Empfängnis Mariens (fol. 186): Raf werden Torformen ineinander gestellt. Von der goldenen Leiste um die Miniatur führt der Blick zum Steinrahmen des Bildes, in den ein zierlicher goldener Maßwerkbogen ein beschrieben ist, der vermutlich die „Goldene Pforte“ bedeuten soll; dann folgt der grün geflieste Raum, in dem sich Joachim und Anna küssen, die vor einem dreifach gestaffel ten Rundbogen stehen. Der Maler Die Miniaturen stehen zwischen dem Bedford-Atelier und jenen neuen Stilrichtungen, die sich um 1440 in Paris durchsetzen und von Malern wie dem Meister des Étienne Sauderat vertreten werden, um dann schließlich in der Gestalt des Meisters des HarleyFroissarts sogar entscheidend auf flämische Buchmalerei zu wirken. Die einzelnen Per sönlichkeiten sind nicht leicht zu fassen. So findet man unseren Maler unter jenen, die mit dem Bedford-Meister und dem Dunois-Meister für den Herzog von Bedford am Salis bury-Brevier latin 17294 der Pariser Nationalbibliothek mitgearbeitet haben. Dem von Catherine Reynolds nach einem Bild zu den Reliquien des Erzmärtyrers dort (fol. 529v) als Stephanus-Maler bezeichnetem Stil steht er zumindest sehr nahe. Uns scheint jedoch die beste und klarste Arbeit seiner Hand ein Pariser Brevier, das mit der Sammlung Brotherton an die Universität Leeds gelangt ist: In dieser zweispaltig ge schriebenen Handschrift recht stattlichen Formats aus der Zeit um 1440 ist der Künstler auf sich gestellt und vermag in den weiten Räumen seine anmutigen Figuren auf eine für die Zeit fortschrittliche Weise in schlichten von Licht durchfluteten Landschaften unter zubringen. Dabei schwingen immer noch geradezu anachronistisch Erinnerungen an die Pariser Malerei des frühen 15. Jahrhunderts mit, wenn beispielsweise kleine Bäumchen im Vordergrund beim Einstieg ins Bild für eine gewisse Distanz sorgen sollen. Ebenso ein Werk von der Hand unseres Meisters ist das Ms. Ludwig IX 6, heute im Getty Mu seum, Los Angeles, vgl. Plotzek, Handschriften der Sammlung Ludwig II (1982), S. 103114, mit Abb. 91-110, hier noch dem Bedford-Meister selbst gegeben, sowie Fitzwilliam Museum, Ms. 81, mit fünf Miniaturen von seiner Hand (vgl. Cambridge Illuminations, 2006, no 90, mit Farbabbildung). Das Temperament dieses Malers ist verhalten wie beim Meister des Étienne Sauderat. Mit rührender Unschuld blicken Gestalten wie Gabriel und die Jungfrau in der Verkün digung, die in einem knapp bemessenen Raum spielt, der wie bei den Nachfolgern des Bedford-Meisters üblich durch eine bildparallele Barriere, die mit textilem Muster be spannt ist, nach hinten abgeschlossen wird. Hier prangt darüber noch der traditionelle Mustergrund aus Gold, Blau und Rot, sicher ein Zeichen für die recht frühe Entstehung des Buches, etwa zu jener Zeit, als die am schließlich unvollendeten Salisbury-Brevier be teiligten Künstler durch den Tod des Herzogs von Bedford 1434 ihren Auftraggeber verloren hatten.
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Ein bemerkenswertes Stundenbuch aus Paris: Reich illuminiert, aber nur sparsam bebildert von einem Maler aus dem Umfeld des Bedford-Meisters, der beispielsweise am unvollendeten Salisbury-Brevier für den Herzog von Bedford mitgearbeitet hat. Ihn nennen wir hier nach einem prächtigen Brevier, das mit der Sammlung Brother ton an die Universität Leeds gelangt ist. Mit einigen sonst selten zu findenden Texten und dem Bild einer Nonne, der ersten Besitzerin, der die heilige Katharina erscheint. LIT ER AT UR: John Alexander Symington, The Brotherton Library. A Catalogue of Ancient Manuscripts and Early Printed Books, Collected by Edward Allen, Baron Brotherton of Wakefield, Leeds 1931, S. 16-19.
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18 Ein Pariser Stundenbuch vom Meister des Harley Froissart
18 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Rot, mit einem Kalen der in Rot und Blau, Festtage in Gold, Textura. Paris, c. 1450: Meister des Harley-Froissart: Philippe de Mazerolles (?) 14 große Miniaturen mit Rundbogenabschluß über drei Zeilen Text; zwei dieser Bildsei ten mit geschlossenem Fond in Pinselgold, blau-rotem Akanthus und Schriftbändern, die dreizeiligen Initialen mit blauem Akanthus auf Gold; die übrigen Bildseiten meist mit dreizeiliger, einmal mit zweizeiliger Dornblatt-Initiale, beim Suffragium ohne Zierbuch staben, in Vollbordüren mit aus einem Bodenstreifen sprießendem Blumen und blau-golde nem Akanthus, von einer schmalen Goldleiste gerahmt. Eine vierzeilige blaue DornblattInitiale mit Bordürenstreifen außen. Psalmenanfänge mit zweizeiligen Dornblatt-Initialen; Psalmenverse an Zeilenbeginn mit einzeiligen Goldbuchstaben auf roten und blauen Flächen; Zeilenfüller in gleicher Art. Versalien gelb laviert. 214 Blatt Pergament, vorne ein fliegendes Vorsatz aus Pergament sowie feste Vorsätze Perga ment; gebunden vorwiegend in Lagen zu acht Blatt, davon abweichend die Kalenderlage 1(12) sowie die Lagen 8(6) und 19(4), also vollständig. Reste horizontaler Reklamanten. Zu 11, im Kalender zu 16 Zeilen, rot regliert. Duodez (110 x 80 mm, Textspiegel 56 x 36 mm). Vollständig und sehr gut erhalten. Moderner roter Samteinband mit einer Schließe, Goldschnitt. Provenienz: Auf dem Vorsatz das Exlibris „Bibliothèque de / André Guillot-Le Comte“. Text fol. 1: Kalender in französischer Sprache, in der für Paris charakteristischen Orthogra phie: jeder Tag besetzt, Heiligentage in Rot und Blau, Festtage in Gold, goldene Zahl in Gold, Sonntagsbuchstaben b-g in Gold, Sonntagsbuchstabe A in Gold auf rotem und blauem Grund; der Grundbestand pariserisch, dazu einige nordfranzösische, normanni sche und englische Heilige wie Ulphe am 31.1. (Amiens), König Edward am 18.3. (West minster, Salisbury, Winchester), Ildevert am 27.5. (Rouen), Grimbaldus (Grumbaut) am 8.7. (Winchester), Gaugerici (Gauger) am 24.9. (Elevatio, Cambrai), Ursinus am 30.12. (Rouen und Bourges). fol. 13: Johannesp erikope als Suffragium. fol. 16v: Mariengebet: Obsecro te, für einen Mann redigiert; weitere Mariengebete als Suffragien: Ave cuius conceptio (fol. 23v), Ave Maria gratia plena (fol. 26) und In omni tribulatione (fol. 28).
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fol. 29: Marienof fizium für den Gebrauch von Paris, mit drei vollständigen Noktur nen: Matutin (fol. 29), Laudes (fol. 48), Prim (fol. 67), Terz (fol. 76), Sext (fol. 82), Non (fol. 88), Vesp er (fol. 94), Komplet (fol. 99v). fol. 107: Bußpsalmen, mit Litanei (fol. 129), mit den in Paris besonders verehrten Steph anus, Dionysius, Gervasius und Prothasius, Maurus, Germanus und Fiacrius, Genovefa und Opportuna, jedoch keinem der ungewöhnlichen nordfranzösischen und englischen Heiligen des Kalenders. fol. 137: Horen von Heilig Kreuz und Horen von Heilig Geist (fol. 145). fol. 151: To ten of fi zi um, für den Gebrauch von Paris. fol. 213: Suffragien ebenfalls mit Pariser Prägung: Heiliger Geist (fol. 207), Dionysius (fol. 207v), Cosmas (fol. 209), Maurus (fol. 210), Magdalena (fol. 211), Genovefa (fol. 212), Avia (fol. 213), Alle Heiligen (fol. 214). Schrift und Schriftdekor Noch ist dieses Stundenbuch in Textura geschrieben, in einer schlichten Art. Der Schrift dekor folgt Pariser Brauch; Flächendekor wird für einzeilige Zierbuchstaben und Zei lenfüller, Dornblatt hingegen für die größeren Initialen eingesetzt. Dabei kommt dem Mariengebet Obsecro te eine vierzeilige Dornblatt-Initiale mit teppichhaftem Randstrei fen außen zu, der wie die Bordüren der Bildseiten mit blau-goldenem Akanthus und sti lisierten Blumen gefüllt ist. Bei den Bildseiten ist Dornblatt nur noch in Initialen präsent; auf ungewöhnliche Wei se verbindet sich Akanthus am Rand mit den Zierbuchstaben. Darin drückt sich die um die Mitte des 15. Jahrhunderts aufkommende Tendenz aus, die einzelnen Dekorati onsfamilien nicht mehr streng zu trennen. Eine weitere Eigenart ist auffällig und extrem selten: Wie zeitgleiche Pariser Handschriften bereits in diesem Katalog belegen, gehö ren Akanthusblätter eigentlich in die Ecken, Blumen aber in die Mitte der Randstreifen. Hier hingegen nimmt man den Umstand besonders ernst, daß der Schmuck von einem Bodenstreifen ausgeht, aus dem Pflanzen, nicht aber Akanthus sprießen kann. Deshalb kann Akanthus nur in den Ecken oben seinen angestammten Platz behaupten, wird aber unten aus den Ecken verdrängt, um sich links mit den Dornblatt-Initialen zu verbinden und rechts einfach ein Stück höher zu rücken. Eine besondere Stufe der Dekorationshierarchie ist der Marien-Matutin und dem Beginn der Bußpsalmen vorbehalten. Dort werden die Initialen mit blauem Akanthus und nicht mehr mit Dornblatt gefüllt. Der Fond wird mit Pinselgold ausgemalt. Je drei Schriftbän der besetzen die Mitten der Randstreifen. Weil die gewohnte Kombination mit Gold vor diesem Fond keinen optischen Wert hat, ist Akanthus nun blau und rot.
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Bildfolge fol. 13: Für die Perikopen genügt ein Eröffnungsbild mit Johannes auf Patmos: Auf der Insel sitzt vor einem schroff nach rechts aufsteigenden Felsen der jugendliche Evangelist, en-face zum Betrachter gewendet, mit einem Schriftband auf dem Schoß, auf dem das Incipit des Evangeliums steht, und greift mit der Rechten weit nach links aus, um seine Feder im Tintenfaß zu netzen, das ihm der Adler mitsamt des Futterals für Federn und Messer hält. Das Eiland ist von Wasser umflossen, im Hintergrund weitet sich der Blick über eine mit reifem Korn oder Raps bebaute Insel zum Festland mit Dörfern und einer Stadt oder Burg im Grau der Ferne. fol. 29: In einigen Details setzt sich der Zyklus zum Marienof fizium vom Gewohnten ab; dazu gehört, daß Marias blauer Mantel mit Hermelin gefüttert ist und daß Szenen wie die Marienverkündigung und die Anbetung des Kindes ganz unter freiem Himmel spielen. In einer Bordüre auf deren mit Pinselgold gefülltem Grund drei Schriftbänder mit Preis ungen der Jungfrau Maria stehen: Ave regina celorum ave, Regina celi letare qu(ia) q(uem) meru(isti portare), Ecce ancila (d)om(ini) fiat mich(i), wird die Marienverkündigung zur Matutin (fol. 29) gezeigt: Der Pariser Bedford-Tradition folgend ist der Engel von rechts – hier durch ein Burgtor – eingetreten. Unter freiem Himmel ist er in einer Art Palasthof auf dem Fliesenboden niedergekniet und grüßt mit den Worte Ave gracia plena dominus (tecum). Die Jungfrau kniet vor ihm, in einem mit Hermelin gefütterten blauen Mantel und senkt das Haupt im Gebet. Ein steinernes Gewölbe, das sich wie ein großer Balda chin über ihr erhebt, betont ihre Bedeutung. Ein Quergebäude hinten mit einem Turm und einem goldenen Erker versperren die Sicht in die Landschaft. Gottvater zeigt sich in einer kleinen Himmelserscheinung rechts oben. Die Komposition wird verständli cher, wenn man die Variante von der Hand des Jean-Rolin-Meisters in unserer Nr. 22 einbezieht. Vor einer mit Türmen besetzten Landschaftskulisse, die genau auf Höhe des Bogenan satzes endet, treffen Maria und Elisabeth einander bei der Heimsuchung zu den Laudes (fol. 48). Mit Hermelin gefüttert ist hier nicht nur Marias dunkelblauer, sondern auch Elisabeths graublauer Mantel; ein tiefes Purpurrot kommt mit dem Kleid der älteren Frau hinzu. Die kahle Landschaft besteht im wesentlichen aus zwei teigigen Felsen mit Baumreihen dazwischen. Ähnlich wie die Marienverkündigung spielt die Anbetung des Kindes zur Prim (fol. 67) unter freiem Himmel; das geschieht vor einem bildparallelen blauen Brokat zwischen Gebäuden. Daß rechts der Stall von Bethlehem gemeint ist, versteht man am ehesten, wenn man hier die Königsanbetung auf fol. 82 sowie Versionen des Themas aus Italien und in unserer Limburg-Handschrift einbezieht (fol. 87v sowie Gentile da Fabriano in einem Nikolausbild der Uf fizien: König 2016, S. 58-61). Sie zeigen zuweilen auf ähn liche Weise ein schräges Dach über Maria, unter dem hier ein Ehrentuch gespannt ist. Auf einem grauen Estrich, der mit goldenen Ähren bestreut ist, knien Joseph links vor
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einem höheren Gebäude und Maria rechts, der Ziehvater fassungslos, die Jungfrau mit zum Gebet gefügten Händen. Die kastenförmige Krippe ist dem Maler so ungeschickt hinter Joseph geraten, daß sie beide eigentlich das nackte Kind gar nicht sehen können. Die Hirtenverkündigung zur Terz (fol. 76) wird einem alten Mann, der Joseph ähnelt, und einem blonden Jüngling zuteil. In seinem prachtvoll blauen Wams kniet der ältere, während der jüngere steht. Sie erheben sich über die Schafe, die verstreut grasen; so recht sehen können sie den Engel im Bogenabschluß der Miniatur nicht. Dort verkündet er nicht das Gloria, sondern wie schon in frühen Hauptwerken des Bedford-Meisters die Worte, mit denen die Weihnachtsmesse einsetzt: „puer natus“ (siehe zu dieser Eigenart des Bedford-Meisters König 2007, S. 10-12). Bei der Anbetung der Könige zur Sext (fol. 82) wird der Stall von Bethlehem wie bei der Prim nur durch ein schräges Vordach angedeutet; das rosafarbene Ehrentuch ist gegen ein kürzeres, nun schwarzgrundiges ausgetauscht. Diesmal ist der Schauplatz wie ge wohnt eine sonst leere Landschaft mit Türmen von Bethlehem gegen den Himmel. Ma ria, deren Mantel neben den breiten Hermelinkragen der beiden älteren Könige nicht ganz so konsequent wie sonst gefüttert ist, sitzt auf einem für diese Episode sonst kaum zu findenden Podest, das mit rosafarbenem Tuch verdeckt ist. Sie präsentiert den Kna ben, der wie Johannes auf Patmos mit seinen blonden Locken zum Betrachter schaut. Der älteste kniet vor ihr und reicht einen goldenen Kelch; der mittlere schickt sich an, niederzuknien; der jüngste aber, eleganter als die anderen, dreht sich in seiner Robe courte und setzt mit Schwarz einen besonderen Akzent, trägt er diese seltene Farbe doch als Beinkleid und Sendelbinde, was an burgundische Hofkleidung unter Philipp dem Gu ten und Karl dem Kühnen denken läßt. Die Darbringung im Tempel zur Non (fol. 88) spielt in einem engen mit Holztonne ge wölbten Kapellenraum, der nach links zur Landschaft offen ist. Bildparallel ist ein wein roter Brokat gespannt; davor kniet Maria und reicht dem greisen Simeon das Kind, das er auf einem so fülligen weißen Tuch aufnimmt, daß der Altarkasten beinahe vom Ma ler vergessen und offenbar als hölzern dargestellt wurde. Marias Mantelfutter ist nun rein weiß; ihre Begleiterin trägt zum weinroten Kleid eine schwarze Haube. Kerzen oder Taubenkörbchen sind nicht zu sehen. Bei der Flucht nach Ägypten zur Vesp er (fol. 94) wird der nach rechts schreitende Esel, auf dem Maria mit dem in Weiß gewickelten Kind sitzt, von Joseph, der vorausgeht, und der Magd, die der Heiligen Familie folgt, gerahmt. Die Magd, wieder in Weinrot, aber mit weißer Schürze, trägt einen Korb auf der nun graugefärbten Haube; Joseph hinge gen ein schwarzes Bündel. Doch wie sich ein teigiger Felsen über seiner hohen grauen Mütze türmt, wirkt es, als trüge er auch diesen. Die Landschaft ist nur knapp bemessen: ein von einer Baumreihe abgeschlossener Hügel. Der Eindruck von zwei schräg gestellten Gebäuden wie bei der Prim stellt sich angesichts der beiden Thronbaldachine bei der Marienkrönung zur Komplet (fol. 99v) wieder ein: Vor dem linken, der mit rosafarbenem Brokat ausgeschlagen ist, kniet die Muttergottes
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in ihrem Blau, das erneut nur mit Weiß gefüttert ist. Gottvater als Greis in Rosa und Blaugrau thront hingegen vor blauem Brokat. Den Blick schließt in der Mitte eine nied rige Mauer, die mit einem gelbgoldenen Tuch behängt ist. Die Art, wie der eine Engel die Krone bringt, vor allem aber die beiden Thronbaldachine lassen an den Thronbehang für Karl VII . denken, der vor wenigen Jahren vom Louvre erworben wurde (Antoine 2010); beide sind mit flammend goldenen Sonnen besetzt. fol. 107: Fliesenboden unter freiem Himmel und das Geschiebe von zwei schräg gestell ten Gebäuden, zwischen denen ein Ehrentuch den Blick begrenzt, lassen bei Davids Buße zu den Bußpsalmen an die Marienverkündigung denken. Nun steht links der Palast, ei genartig verhängt durch ein blaues Brokattuch, während rechts ein Altar mit grünen Vor hängen zu beiden Seiten eingerichtet ist. Der greise David kniet, mit der Krone auf dem Haupt und nun einem rein weißen Pelzkragen (als habe der Maler einfach zuweilen die schwarzen Hermelinschwänzchen vergessen) und betet. Im Bogenabschluß der Minia tur zeigt sich Gott in einem Wolkenkranz. Wie bei der Verkündigung hat auch diesmal die Bordüre einen mit Pinselgold ausgemalten Fond; drei Schriftbänder wenden sich an Gott: Tibi soli penam et malum, Miserere mei domine secund(um), Asp erges me domine ysopo. fol. 139: Die Horen erhalten die gewohnten Erkennungsbilder: Die Kreuzigung zur Kreuz-Matutin (fol. 139) zeigt den toten Christus am Kreuz wie ein aufragendes Y, von dem erschreckend viel Blut nach unten tropft. Links kauern Ma ria und Johannes. Rechts steht vor einem zweiten Soldaten der greise Zenturio mit ho hem hermelinverbrämtem Hut, senkt den Blick und stützt sich mit der Linken auf einen blauen Schild, auf dem ein silberner Schrägbalken ebenfalls in Silber ausgeführte Zei chen teilt: à dextre ein Kastell, à senestre drei Sterne. Das Pfingstwunder zur Geist-Matutin (fol. 145) gehört zu den frühen Beispielen, die diese bis dahin meist um eine zentrale Achse geordnete Szene dynamisch zu einer Seite wenden, so daß die Muttergottes, nun wieder mit Hermelinfutter, die Apostel anführt, die Erscheinung des Heiligen Geistes zu erleben. Dazu wenden sich alle in dem engen, mit einer Holztonne gewölbten Kapellenraum nach rechts, zu einem Altar, über dem sich ein Bogenfeld öffnet; darin zeigt sich die Taube des Heiligen Geistes mit feurigen Strahlen und kleinen Flämmchen, die aber nicht in den Innenraum zu Maria, Petrus und den anderen Aposteln eindringen. fol. 151: Zum Totenof fizium wird ein Begräbnis gezeigt, in einer Komposition aus Weiß und Schwarz mit leuchtendem Blau, die des Malers Stärken unterstreicht: Auf einer mit blauem Tuch bedeckten Bahre liegt der in weißes Leinen eingenähte Tote, dessen Lei chentuch ein großes schwarzes Kreuz zeigt. Ihn wird der Totengräber zur Ruhe betten, der in die Grube gestiegen ist und in Rosa gekleidet ist. Ein junger Akolyth und ein Prie ster in strahlend weißer Albe und blauem Chormantel sprengen Weihwasser. Hinter ih nen stehen ganz in Schwarz gehüllte Pleurants; ein weltlicher Herr ist links vorn zum Kopfende des Grabes getreten, auch er in Schwarz, aber mit rosafarbenem Beinkleid.
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fol. 213: Zur Ikonographie der in Paris besonders verehrten heiligen Avia gehört eine Episode, die sich als Parallele zum Martyrium des Pariser Patron Dionysius, also Saint Denis, verstehen läßt. So wie er vor der Hinrichtung im Kerker von Christus selbst die letzte Kommunion erhielt, so erschien Avia die Jungfrau Maria mit Kelch und Hostie. So steht denn hier links der Kerker, aus dessen vergittertem Fenster die in Rot geklei dete Heilige demütig betend blickt, während Maria, von einem Engel als Meßdiener be gleitet, die Hostie reicht und den Kelch hält. Diesmal trägt sie wieder ihren Mantel mit Hermelin gefüttert. Zum Stil Unser Manuskript ist ein seltenes Beispiel für ein Pariser Stundenbuch, das von einem Il luminator ausgemalt wurde, den man hauptsächlich aus profanen Handschriften kennt, die im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts in Brügge entstanden sind: Bekannt wurde er durch ein Bilderbuch mit Miniaturen aus dem Froissart für Philippe de Commynes, Harley 4380 der British Library (Ausst.-Kat. London 2003, Nr. 68). Als Meister des Harley-Froissart vertritt er eine gern übersehene Tendenz: Während man immer wieder darauf hinweist, wie stark die Pariser Kunst von fremden Einflüssen bestimmt ist, ver gißt man gern, daß Künstler ebensogut aus der Metropole in den Norden gehen moch ten. Analog zum 1481/82 verstorbenen Willem Vrelant, dessen Brügger Buchmalerei sich, wie Farquhar 1974 dargelegt hat, aus Paris und Rouen herleiten läßt, stammt der Stil des Harley-Froissart aus dem Umfeld des Dunois-Meisters, also der Pariser Bed ford-Tradition. Nun ist Pascal Schandel 2011 eine erstaunliche Entdeckung zu diesem Stil gelungen: Al les, was die Quellen über Philippe de Mazerolles, den 1479 in Brügge verstorbenen Hof maler Karls des Kühnen von Burgund erkennen lassen, deutet darauf hin, daß niemand anders als dieser 1454 in Paris und dann 1467 als burgundischer Valet de chambre do kumentierte Maler und Buchmaler den Froissart für Commynes und die entscheidenden Werke für Karl den Kühnen und Edward IV. von England geschaffen hat. Ärgerlich an diesen Schlußfolgerungen für uns ist der Umstand, daß wir eine in sich geschlossene und überzeugende These von Mara Hofmann und Ina Nettekoven vorgelegt haben, der zu folge sich hinter dem Namen Mazerolles ein künstlerisch stärkerer Charakter verbirgt: der Meister von Fitzwilliam 268, von dem wir in Illuminationen 5, 2004 ein unerhört schönes Stundenbuch als unbekanntes Hauptwerk präsentierten. Beide Stilgruppen treffen aufeinander bei den Ausgaben der Militär-Ordonnanz Karls des Kühnen von 1473. Von herausragender Qualität ist das Londoner Exemplar Add. Ms. 36619, das wohl für den Herzog selbst bestimmt war; es stammt vom Meister von Fitzwilliam 268, also sozusagen unserem Mazerolles, während alle anderen von Schan dels Mazerolles ausgeführt wurden. Die Gegenseite erklärt die große Diskrepanz zu den schlichten Bild-Initialen im übrigen Bestand (fünf der zwanzig sind erhalten in Den Haag, Kopenhagen, München, Paris und Wien, darunter cod. gall. 18 und ms. fr. 23963) so: Ausgerechnet der Hofmaler des Herzogs habe für das aufwendige Frontispiz im
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wichtigsten Exemplar der Ordonnanz einen brillanteren Kollegen eingesetzt. Was ver wirrend klingen mag, ist doch nicht ganz unwahrscheinlich: So hat Jean Colombe in sei nem eigentlichen Hauptwerk, dem Stundenbuch des Louis de Laval, latin 920 der BnF, einer Fouquet-Hand ausgerechnet die wichtigsten Gesichter überlassen (siehe dazu zu letzt Seidel 2017). Gewichtiger sind weitere Argumente: Ein Doppelblatt des 1467/68 von Mazerolles für Karl den Kühnen ergänzten Schwarzen Stundenbuchs ist im Louvre aufgetaucht; die Randmedaillons stammen vom Meister des Harley-Froissart (MI 1091: Schandel 2011, ill. 238). Im selben Stil ausgemalt ist eine ganze Anzahl von Royal Manuscripts der Bri tish Library; sie bilden den eigentlichen Kernbestand an flämischen Handschriften in englischem Königsbesitz: Royal 14 E i-ii, 14 E iv-vi, 15 E i, 16 G ix, 17 F ii-iii, 18 D ixx, 18 E iii-viv, 19 E i und 19 E v. Für sie hat Edward IV. bei seinem zweiten Exil in den Niederlanden Mazerolles 1479 kurz vor dessen Tod bezahlt. Damit müßte der Meister von Fitzwilliam 268 in die Anonymität zurückfallen, der Ma ler unseres Stundenbuchs aber erhielte mit Philippe de Mazerolles den Namen eines we nigstens 1454 in Paris dokumentierten Künstlers, der seine Version des späten BedfordStils in den Niederlanden zu einer ungemein dekorativen Buchmalerei fort entwickeln sollte. Ein vollständig erhaltenes Pariser Stundenbuch eleganten kleinen Formats von ei nem der bemerkenswertesten Künstler, die in einer Zeit, da die Hauptstadt allzu gern Tendenzen aus dem Norden aufnahm, seinerseits Pariser Kunst in die Nieder lande brachten: vom Meister des Harley-Froissart, in dem man nach neuesten Er kenntnissen wohl Philippe de Mazerolles erkennen sollte, der 1454 in Paris nachge wiesen ist und ab 1467 in burgundischen Diensten als Valet de chambre des Herzogs Karls des Kühnen stand. Unabhängig von der vielleicht dann doch strittigen Na mensfrage lassen Text und Gestaltung keinen Zweifel an der Tatsache, daß die hier beschriebene Handschrift noch in Paris entstanden ist. LIT ER AT UR:
Das Manuskript ist bisher nicht publiziert.
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19 Ein Pariser Stundenbuch vom Coëtivy-Meister und dem Meister des Étienne Sauderat
19 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Rot, mit einem Kalen der in Rot und Blau, Feste in Gold, in Textura. Paris, um 1450: vom Meister des Étienne Sauderat angelegt und vollendet, mit vor züglichen Miniaturen vom Meister des Olivier de Coëtivy. Dreizehn Bilder, davon zehn als große Miniaturen mit teilweise eingezogenem Rundbo genabschluß, einfachen Goldrahmen, über vier Zeilen Text mit dreizeiliger Dornblatt-In itiale und dreiseitiger breiter Zierleiste, meist mit Dornblattdekor, zweimal mit Blumen. Mit rot modellierter goldener Linie konturierte Vollbordüren, zwei nur mit Blumen und Akanthus, die anderen mit Dornblattranken, die gemalten Elemente nur in den Ecken, meist mit einem größeren figürlichen Element auf einem Bodenstreifen (davon vier mit Engel oder Heiligen) sowie in der Regel zwei weiteren Motiven, häufig ein Hermelin, sonst Vögel; eine weitere Seite mit dreizeiliger Bild-Initiale und zwei Bildfeldern in der Bor düre, die auf Pinselgold dicht mit Blumen und Akanthus besetzt ist. Alle Textseiten mit Dornblattbordüre außen. Zweizeilige Initialen zu den Psalmenanfängen mit Dornblattde kor; einzeilige Initialen zu den Psalmenversen in Gold auf roten und blauen Flächen, Zeilen füller in gleicher Art. Versalien gelb laviert. 199 Blatt Pergament, dazu je zwei Vorsätze: Kollation untunlich, es fehlen einige Blätter, un ter anderem fünf bis sechs mit Miniaturen. Oktav (160 x 115 mm; Textspiegel: 80 x 47 mm). Zu 14, im Kalender zu 17 Zeilen. Rote Reglierung kaum sichtbar. Gebunden in goldgemusterte rote Seide über Holzdeckeln, mit sieben sichtbaren Bünden. In den Bildern sehr gut erhalten, eine Reihe von Blättern außen fachgerecht angerändert. Provenienz: Ein Wappen in der Bordüre von fol. 13 nur mit Blau ausgefüllt: von der Rück seite her sind drei goldene Stierköpfe („rencontre de bœuf“) zu erkennen, also evtl. das Wap pen der Familie Boiveau im Burgund oder der flämischen Familie Van der Coets (Renesse II, 529). Auffällig sind die in den meisten Bordüren zu findenden Hermeline. Sie mögen auf eine Beziehung zur Bretagne hinweisen, wie man sie in einem zweiten hier beschriebenen Stunden buch des Coëtivy-Meisters (Nr. 20) und beim namengebenden Werk findet, war es doch für Olivier de Coëtivy, einen der ranghöchsten bretonischen Militärs unter Karl VII. bestimmt. W. E. Miller F. S. A., in seiner Nachlaß-Auktion Sotheby’s, 25.-26.3.1941, lot 281. Text fol. 1: Kalender fol. 13: Perikopen, Johannes (fol. 13, als Suffragium), Lukas (fol. 15). fol. 16v: Mariengebet, für einen Mann redigiert famulo tuo (fol. 19v): Obsecro te.
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fol. 21v: Suffragium der heiligen Barbara und Mariengebet: Regina celi letare alleluia (fol. 22v). fol. 23: Ma rien of fi zi um für den Gebrauch von Paris, die Anfänge von Matutin, Terz, Sext und Non fehlen: Matutin (fol. 23), Laudes (fol. 36), Prim (fol. 50v), Terz (vor fol. 58), Sext (vor fol. 60), Non (vor fol. 67), Vesp er (fol. 71v), Komplet (fol. 80v). fol. 87: Bußpsalmen, mit Litanei (fol. 103), die nur wenige unspezifische Heilige nennt, ohne Trennung von Märtyrern und Bekennern. fol. 108v: Horen von Heilig Kreuz (fol. 108v) und Heilig Geist (fol. 108v – Anfang fehlt). fol. 125: To ten of fi zi um, für den Gebrauch von Paris. fol. 164: Französische Gebete: XV Joies: Doulce dame (fol. 164), VII Requêtes: Doulz dieu (fol. 170). fol. 173v: Suffragien und Gebete: darunter ein französisches Margaretengebet (fol. 174v), Gebete an Maria und Christus sowie die Zehn Gebote in Französisch (fol. 192); Texten de fol. 199. Schrift und Schriftdekor Die Textura mit der recht hellen Tinte für den Text, dem dunkleren Rot für die Rubri ken und den prachtvollen Schriftfarben im Kalender vertritt gute Pariser Schriftkunst um 1450. Dazu paßt die Zuordnung des Schriftdekors mit gelb lavierten Versalien, ein zeiligen Initialen in Gold auf roten und blauen Flächen samt der zugehörigen Zeilen füller. Auch das Dornblatt für alle größeren Zierbuchstaben von Psalmenanfängen an versteht sich in diesem Sinn. Bordüren zum Text sind nicht von Initialen abhängig; sie treten überall als Streifen in derselben Höhe wie der Textspiegel auf. Auf einen Zusammenhang von Ranken in zweizeiligen Buchstaben mit dem Dornblatt der Randstreifen ist verzichtet. Der Rand schmuck ist noch ganz vom Dornblatt dominiert. In Buchmalerfarben gemalt sind nur einzelne grüne Blättchen sowie verstreute Blüten und Früchte. Teppichhaft wird das Rankenwerk von roten Randlinien nach unten außen und oben, aber nicht zum Text spiegel hin eingegrenzt. Auf den mit Miniaturen geschmückten Seiten wird der Randschmuck von goldenen, mit Rot modellierten Linien umfaßt. Überall bleiben die aus älterer Tradition stammenden breiten Zierleisten präsent; sie sind um den Textspiegel gelegt, meist mit kräftigen Dorn blattmotiven besetzt, zuweilen aber mit Blüten in Buchmalerfarben. Im Randschmuck behauptet Dornblatt meist seinen angestammten Platz, von den Ecken aus eingerahmt mit stilisierten Blumen oder blau-goldenem Akanthus. Auf den meisten Bildseiten treten Figuren auf, in drei Fällen Heilige und einmal ein Engel mit dem Kreuz, sonst Drôlerien, darunter ein eindrucksvoller Tanzbär. Meist stehen sie auf Bodenstreifen, seltener unten, lieber in der Mitte der Außenbordüren. Vögel kommen auf den meisten Bildseiten hin
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zu. Nur auf wenigen Bildseiten verdrängt das in Buchmalerfarben gegebene Blattwerk das Dornblatt ganz und gar; das ist beim Davidbild der Fall, und ausgerechnet dort fällt die Belebung der Bordüre fort. Hingegen nimmt die einzige mit Bildern besetzte Bordüre (fol. 13) einen eigenen Rang innerhalb einer Dekorationshierarchie ein: Pinselgold schafft einen Fond, wie er in der Entstehungszeit des Buchs noch selten zu finden ist. Stilisierte Blumen stehen neben blau-goldenem Akanthus; die Tatsache, daß sich deshalb dessen Gold kaum vom Unter grund abhebt, wird hier nicht weiter beachtet (siehe hingegen unsere Nr. 21). Dieser mit Bildern durchsetzte Randschmuck verrät die ausführende Hand recht klar; die Physiognomie von Johannes auf Patmos verbindet sich mit den weiblichen Heiligen zu Marien-Laudes und Marien-Prim. Sie setzt sich zugleich gegen die Manier ab, in der die auffälligsten Hauptbilder gemalt sind. Am Ende wird sich herausstellen, daß un ser Stundenbuch von zwei Malern gestaltet wurde: Der genialere hat kaum am Rand schmuck mitgearbeitet; so entsteht der Eindruck, man habe es mit einem Buch zu tun, das von einem eingesessenen Pariser Buchmaler im wesentlichen vorbereitet wurde, ehe denn dieser bedeutendere Künstler für eine brillante Mitarbeit gewonnen wurde. Die besonders aufwendige Bordüre zur letzten Miniatur mag auf einen Konzeptions wandel zurückgehen, wie er sich zuweilen ergibt, wenn einem normalen Buchblock noch ein paar ungewohnte Texte während der Arbeit hinzugefügt wurden. Die Bilder fol. 13: Nur die erste Perikope wird mit drei kleinen Szenen aus der Geschichte des Evan gelisten Johannes bebildert (fol. 13): Zur dreizeiligen Initiale kommen Bildfelder in den Randstreifen außen und unten: Von einem Predigtstuhl aus verkündet er das Evange lium vor Kaiser Domitian. Der läßt ihn dann in der nächsten Szene die Ölmarter an der Porta Latina in Rom erleiden. Das ovale Bild ist dann unten dem Johannes auf Patmos gewidmet: Der Bildrand schmiegt sich um die Insel, auf der Johannes sitzt – zwi schen dem Teufel, der ihm links das Schreibzeug gestohlen hat, und dem Adler rechts, der von einem Faß aus den Teufel beäugt, ohne schon einzugreifen. Der Fond der dicht mit Akanthus und Blumen besetzten Bordüre ist in Blattgold ausgeführt. Nicht nur das winzige Format der Bilder, sondern auch ihre Machart werden erweisen, daß sie nicht vom genialen Hauptmaler dieses Manuskripts, sondern von dem stammen, der für den Grundbestand verantwortlich war. fol. 23: Leider fehlen im Marienof fizium vier Bilder; der erhaltene Bestand beweist je doch, daß eine Bilderfolge ausgeführt war, wie sie für Paris charakteristisch ist: Der Zy klus war offenbar von einzelnen Gestalten in den Bordüren begleitet, darunter zwei weib lichen Heiligen. Die Heimsuchung zu den Laudes (fol. 36) erweist sich als Variante der für den CoëtivyMeister üblichen Komposition: Maria ganz in Blau ist von links zu Elisabeth gekommen, deren rosafarbenes Kleid unter dem ebenfalls in Rosa gehaltenen Mantel mit breiten wei
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ßen Pelzstreifen verbrämt ist; darunter werden noch die braunen Ärmel eines Unterklei des sichtbar. Die Geste bleibt unklar, als suchten beide nach den Händen und dem Leib der anderen. Ein Flechtzaun grenzt den Vordergrund ab und begleitet den Weg noch ein Stück hinauf zur eindrucksvollen Burg des Zacharias, aus der die ältere Frau der Jung frau entgegengekommen ist. Saftiges Grün erfüllt die Landschaft, tiefes dunkles Blau kennzeichnet den Himmel. Im rechten Randstreifen steht die Pariser Patronin Genovefa, an der hohen Kerze er kennbar, um deren Flamme Teufel und Engel streiten; weit darüber schaut ein krumm schnabliger Vogel, vielleicht ein Neuntöter, zum Hauptbild. Noch dunkler ist der Himmel über der Anbetung des Kindes zur Prim (fol. 50v), deren Komposition zum Grundbestand der Vorlagen des Coëtivy-Meisters gehört: Nacht wird auch im dunklen Grün der Landschaft und im fast schwarzen Stall von Bethlehem aus gedrückt. Maria kniet links und hat den nackten Knaben auf ein rechteckiges Stück ih res blauen Mantels gelegt. Hinter ihr lagern Esel und Ochs. Von rechts ist Joseph herzu getreten, hat seinen hohen Filzhut auf den Boden gestellt und ist über seinem Stock ins Knie gesunken. Anders als sonst zuweilen wird der Blick in die Landschaft nicht durch ein Mäuerchen, sondern durch dunkelbraune Felsen abgegrenzt. In der Ferne rechts sind die Schafe auf der Weide, ihr Hirte blickt auf zum Stern, neben dem die Sichel des zu nehmenden Mondes im bestirnten Himmel erscheint. Die heilige Katharina, mit dem Schwert und dem Bruchstück des Rades liest in der Bor düre links unten ein Buch. Ein schwarz getupftes weißes Tier, vielleicht ein mißverstan dener Hermelin mit rotem Halsband bäumt sich über der Heiligen auf, während ein grüner Vogel, vielleicht ein Sittich, rücklings fällt. Landschaftsmalerei beherrscht der Coëtivy-Meister; deshalb sind Darstellungen der Flucht nach Ägypten zur Vesp er (fol. 71v) in seinem Œuvre besonders eindrucksvoll: So schreitet die Heilige Familie hier auf einem Weg, der aus der Stadt im Hintergrund herabführt, nach rechts. Wieder wirkt der Himmel nachtblau. Ein Halbwesen aus einem geringelten Drachenschwanz und dem Oberkörper eines Nar ren mit Narrenstab begleitet das Bild, während unter dem Text der Hermelin mit dem roten Halsband wiederkehrt. Von der Hand, die bei der Johannes-Perikope und den weiblichen Heiligen zu Laudes und Prim greifbar wurde, ist die Marienkrönung zur Komplet (fol. 80v): Vor tiefem Blau, das mit goldenen Sternen gemustert ist, erhebt sich eine braune mit Gold gehöhte bild parallele Zierarchitektur mit dem Thron, der in der Bildmitte unter einem rosafarbenen Ziborium auf die Muttergottes wartet und – dazu im Winkel – dem sehr viel reicher ausgestatteten Gottest hron rechts. Von einem Engel in weißer Tunika gestützt, kniet Maria in der Bildmitte und betet gesenkten Haupts, während ein Engel mit der Krone hinter der Architektur auftaucht und der in päpstlichen Ornat gekleidete Christus die Rechte segnend hebt.
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Ein Bär ist in der Bordüre neben dem Bild an einen Baum gebunden. Der Bodenstreifen unter ihm ist ebenso mit roten Früchten besät wie jener unter dem Hermelin unten. Ein Vogel links oben kommt noch hinzu. fol. 87: In Leserichtung von links nach rechts aufgebaut ist das Bild von Davids Buße zu den Bußpsalmen. Vor einem schräg gestellten Bau, eher einer Kapelle als einem Palast, von dem aus eine Mauer den Garten vorn abgrenzt, kniet der König im Purpurmantel über blauem Gewand, mit breitem Hermelinkragen. Die Harfe ist mit ihrer Spitze in die Wiese gerammt und steht nun über dem dort abgelegten Kronhut. Ein ganz in glühen dem Rot erscheinender Engel faßt das Schwert von Gottes Zorn an der Schneide, wäh rend der Blick über einen grünen Hügel an einer Burg entlang in die Ferne geführt wird. Ein Vogel unten sowie ein kleiner roter Schmetterling und eine fette Fliege beleben die Bordüre. fol. 108v: Auch die Kreuzigung zur Matutin der Heilig-Kreuz-Horen (fol. 108v) stammt von der zweiten Hand: In das steile Bildfeld mit seinem Bogenabschluß sind die drei Kreuze gezwängt. Ein eigentümliches künstlerisches Temperament sorgt für Bewegung in diesem schon durch die leicht nach rechts gerückte Stellung von Christi Kreuz nicht ganz symmetrischen Bild. Die beiden Schächerkreuze sind recht nah zur Mitte gerückt. Links entsteht um die Gruppe der zusammenbrechenden Maria mit Johannes und ei ner weiteren heiligen Frau eine Leere, die bis zur weißen Stadtmauer blicken läßt, die für die Wirkung eines recht niedrigen Horizonts unter dem Himmel mit Sonne, Mond und Sternen sorgt. Rechts hingegen herrscht Gedränge: Ein Reiter führt Soldaten an, deren Helme einen schwarzen Block im Mittelgrund bilden, während vor ihm zwei wei tere Soldaten stehen. Ein Vogel zeigt sich links oben. Auf einem Bodenstreifen kniet ein mit weißer Halskrau se geschmückter Affe und bändigt eine gelbe Schlange. Unten aber trägt ein Engel das Kreuz als wichtigstes unter den Arma Christi. fol. 125: Ein Begräbnis auf einem Friedhof zeigt der zweite Maler zum Totenof fizium. Links steht die niedrige Kapelle; hinten versperrt ein Karrner den Blick: Aus dem Lau bengang unten schauen Menschen, während im Gebälk darüber ungezählte Totenschä del zu sehen sind. Ein vornehmer Herr sieht zu, wie zwei Totengräber den eingenähten Leichnam vorn zur letzten Ruhe betten. In Schwarz gekleidete Pleurants begleiten den Priester und seine beiden Akolythen. Ein Vogel rechts oben, ein kühn zusammengesetztes Mischwesen auf einem Bodenstrei fen in der Mitte rechts und wieder der Hermelin unten beleben die Bordüre. fol. 170: In einer wunderbaren Vision des Jüngsten Gerichts zu den VII Klagen des Herrn kehrt der Coëtivy-Meister wieder: Der Weltenrichter thront auf dem Regenbo gen in einer gelb leuchtenden Mandorla vor dunkelblauem Grund, den Strahlen erhel len. Zu seinen Füßen scharen sich links und rechts als Halbfiguren aus Wolkenkränzen auftauchend Maria mit weiteren Heiligen, von denen nur die Nimben zu erkennen sind,
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links und Johannes der Täufer, wohl mit Aposteln rechts. Unter ihnen bläst ein einziger Engel die Posaune des Jüngsten Gerichts und weckt damit die Toten auf, die sich in ih ren geöffneten Gräbern aufrichten. Edel, wie die Miniatur ausgeführt ist, erstaunt, daß sie nur links und unten mit der sonst gewohnten Goldleiste, rechts aber direkt mit der Dornblattzierleiste gerahmt ist. Der Täufer, der hier wie sonst mit Maria als wichtigster Fürbitter auftritt, erscheint ohne gestischen Bezug nochmals neben dem Hauptbild, von dem er sich sogar bei seiner Wei sung des Lammes abwendet. Rechts oben und unter dem Text tauchen nun zwei Her meline mit Halsband auf. fol. 174v: Im Bild der heiligen Margarete im Kerker und einer Beterin verbindet der Co ëtivy-Meister auf eindrucksvolle Weise die Kostbarkeit der Buchmalerei mit Elementen der Darstellung: Die Legende will, daß die Heilige im dunkelsten Kerker von Beelzebub, der ihr als Drache auflauert, verschlungen wird, dann aber durch die Kraft ihres kleinen Kreuzes dessen Rücken durchbricht. Den Rahmen der Miniatur begleiten Säulen, die im Bogenabschluß einen mit blauem Zierrat eingelegten Bogen tragen. Schwere Eisen gitter vor schwarzem Grund deuten das Gefängnis an; sie hängen von oben herab, aber sparen den Raum für den Drachen, die Heilige, den nach oben geringelten Drachen schwanz und die Beterin aus. Mit großer Sorgfalt ist das grüne Unwesen gestaltet, aus dessen Rachen nur das Ende des purpurnen Mantels herausschaut. Grün ist auch Mar garetes Kleid, anmutig ihre Haltung, wie sie den Kopf im Gebet zu dem kleinen Kreuz neigt und sich damit zugleich zur Beterin wendet, die in ihrem tiefblauen Kleid mit ei nem dunkelroten Kopfputz neben ihr kniet. Von der zweiten Hand ist wieder der Randschmuck mit einem Engel, der neben dem Hauptbild die Laute spielt, und mit zwei funkelnd schönen Vögeln. fol. 192: Den Abschluß des erhaltenen Bildzyklus bildet eine ungemein eindrucksvolle Darstellung vom Marientod zum französischen Mariengebet O trescertaine esperance: Wie so oft beim Coëtivy-Meister widerspricht die Bewegung im Bild der Leserichtung: Bildparallel steht das Sterbebett mit dem Kopfende links, um das die Apostel noch ein mal vereint werden. Vorn hockt Johannes voller Melancholie, während ein zweiter sich nach links betend wendet. Ein kleiner Engel schwebt über dem Kissen der entschlafe nen Muttergottes, während von rechts Petrus mit den anderen Aposteln eindringen, der Apostelfürst wie gewohnt als der Liturg im Chormantel, der Weihwasser auf die Tote sprengt. Derweil ist deren Seele von Engeln erhoben und schwebt vor dem roten Bett himmel, ohne daß sich die Gottheit zeigt. Drei kleinere Singvögel und ein prachtvoller Pfau, der ein Rad schlägt, beleben die Rän der.
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Zum Stil Auf den ersten Blick könnte man meinen, zwei Buchmaler hätten sich die Arbeit an die sem einst noch prächtiger ausgeschmückten Stundenbuchs so geteilt, daß der begabtere von beiden als Hauptmeister dem anderen gleichsam die schlechtere Hälfte überlassen hätte: In der Tat von unerhörter Brillanz ist der Künstler, den man nach dem zwischen 1450 und 1473 entstandenen Stundenbuch des Olivier de Coëtivy und der Marguerite de Valois in Wien (ÖNB , Cod. 1929: Pächt und Thoss I, 1974, S. 29-32, mit Abb. 32-41) nennt. Einige seiner Miniaturen hier ergänzen auf eindrucksvolle Weise, was man be reits von ihm weiß, das gilt vor allem für die beiden letzten Bilder, die fast die unerhörte Qualität von Nr. 20 in unserem Katalog Leuchtendes Mittelalter, Neue Folge IV erreichen. Dieser künstlerischen Wucht kann der andere Maler nicht viel entgegensetzen: Seine Miniaturen vertreten eine Manier, die um die Mitte des 15. Jahrhunderts für die Pari ser Kunst charakteristisch ist. Ähnlich bleiche Inkarnate kennt man vom Dunois-Mei ster ebenso wie vom Meister des Jean Rolin, mit dem dieser engste Nachfolger des Bed ford-Meisters zuweilen zusammengearbeitet hat. Doch beide Maler kommen für unser Buch nicht in Frage. Eher haben wir es mit einer Variante jenes Stil zu tun, der 1991 angesichts von vermut lich Pariser Ergänzungen im Stundenbuch der Marguerite d’Orléans identifiziert wur de (König 1991, S. 49-53): Hauptwerk des Malers ist ein Livre des Propriétés des choses, das 1447 von einem Schreiber Estienne Sauderat aus Auxerre kopiert wurde (Amiens, Bibl. mun., ms. 399: König 1991, Abb. 1). Auftraggeber war ein Jean de Chalon aus der Familie, die 1370 die Grafschaft Auxerre an die französische Krone verkauft hatte. Der Meister des Étienne Sauderat war offenbar für die gesamte Gestaltung des Manu skripts verantwortlich; genau besehen stammt auch die Gestalt der Beterin auf fol. 174v von seiner Hand. Als in Paris um 1450 angesehener Künstler wird er es gewesen sein, der den Meister des Olivier de Coëtivy gewonnen hat, die schönsten Miniaturen einzumalen. Ein entscheidender Moment in der Geschichte der Pariser Buchmalerei könnte damit in diesem Manuskript anschaulich vor Augen treten: Die Hauptstadt zog Künstler aus dem Norden an, die zuweilen den altansässigen Buchmalern deutlich überlegen waren; sie bot den Fremden Betätigung und wurde zugleich dadurch künstlerisch bereichert. Die Miniaturen des Sauderat-Meisters erkennt man am besten am Kolorit: Er verfügt offenbar nicht über das meisterliche Blau, das die Himmel über Heimsuchung, Weih nacht und Flucht so erstaunlich leuchten läßt. Entweder verläßt sich der Sauderat-Ma ler auf einen ähnlich starkfarbigen einheitlichen blauen Fond hinter der Marienkrönung oder hellt in den Randbildern zu Johannes, bei David und der Kreuzigung den Himmel so auf, wie das in Paris üblich war. Vielleicht markiert unser Stundenbuch den Moment, in dem der auch als Tafelmaler und Entwerfer von Glasmalerei hervorgetretene Coëtivy-Meister in Paris ankommt und zunächst bei Einheimischen mitarbeitet. Deshalb wüßte man gern, welcher der beiden Künstler die heute verlorene Verkündigung geschaffen hat!
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Ein Pariser Stundenbuch, das durch die Vorliebe für Hermeline in den Bildbordü ren einen bretonischen Bezug haben dürfte. In der Geschichte der Pariser Buchma lerei repräsentiert es vielleicht einen historisch außerordentlich wichtigen Moment: Vom Schriftdekor und den Bordüren her nicht viel später als um 1450 zu datieren, erweist sich das Manuskript in Text, Randschmuck und Bildern als ein charakteri stisches, in Teilen auch ungewöhnliches Pariser Stundenbuch. Angelegt von einem soliden Maler aus dem Umfeld des Dunois-Meisters, den man erst 1991 als den Mei ster des Étienne Sauderat definiert hat, brilliert das Werk durch unerhört schöne und lebendige Miniaturen eines Künstlers, der Tafelbilder, Glasfenster und Buch malereien gestaltet hat. Dieser Coëtivy-Meister, der sicher aus dem Norden in die Hauptstadt gekommen ist, verfügte offenbar in der Entstehungszeit noch nicht über eine eigene Werkstatt; um so bemerkenswerter verblüfft er hier durch seine Miniatu ren, die Bildgedanken formulieren, wie sie in den 1460er Jahren in Brügge und Gent aufgegriffen werden sollten und bis ins 16. Jahrhundert lebendig blieben. LIT ER AT UR:
Das Manuskript ist unveröffentlicht.
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20 Ein unbekanntes Meisterwerk vom Coëtivy-Meister
20 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Rot, in schwarzer Tex tura. Paris, um 1455/60: Meister des Olivier de Coëtivy: Henry de Vulcop? Acht Bilder: sieben große Miniaturen über vier Zeilen Text mit vierseitigen Bordüren aus blau-goldenem Akanthus und stilisierten Blüten und Früchten, ein kleines ovales Bildchen ohne begleitenden Dekor im oberen Rand; zahlreiche dreiseitige Bordüren derselben Art auf den Anfangsseiten der Marienstunden, ca. 200 breite Bordüren dieser Art auf allen Textseiten mit zweizeiligen Dornblattinitialen; zwei- bis vierzeilige Dornblatt-Initialen in Blau oder Rot mit weißem Liniendekor auf Goldgrund. Einzeilige Initialen in Blattgold auf farbigen Gründen mit Dornblattdekor, Zeilenfüller der gleichen Art. Versalien gelb laviert. 164 Blatt Pergament, in moderner Foliierung von 2-165; zwei Pergamentvorsätze vorn und hinten. Gebunden vorwiegend in Lagen zu acht Blatt, die genaue Kollation läßt sich aufgrund der engen Bindung nicht bestimmen. Keine Reklamanten. Zu 15 Zeilen, im Kalender zu 17 Zeilen. Rot regliert. Oktav (181 x 127 mm; Textspiegel 95 x 59 mm). Roter Maroquinband des 18. Jahrhunderts auf fünf echte Bünde, Rückenkompartimente reich vergoldet und mit dem Monogramm IHS bzw. MA (gekrönt); Deckel in „Du Seuil“-Vergol dung mit doppeltem Kastenrahmen aus je drei Goldfileten, vorn im Dornenkranz „IHS “, hinten, gekrönt „MA“; Steh- und Innenkantenvergoldung, alter, in Girlandenform gepunzter Goldschnitt. Keine Hinweise zur Provenienz. Text fol. 2: Kalender mit vorausgehenden Angaben in französischer Sprache zu den bewegli chen Festen: Queres prime lune apres les nonnes du janvier (fol. 2), mit einer kurzen Re kapitulation in Lateinisch, in Schwarz und Rot; die zwölf Monate von fol. 4 an: in franzö sischer Sprache, jeder Tag besetzt, Goldene Zahl und Feste in Rot; Sonntagsbuchstaben b-g und einfache Tage in Braun, Sonntagsbuchstaben A als Flächen-Initialen in Gold auf Rot und Blau, römische Tageszählung abwechselnd rot und braun. fol. 16: Perikopen: Johannes (fol. 16), Lukas, Matthäus und Markus. fol. 21: Mariengebet: Obsecro te (fol. 21); fol. 28v leer. fol. 29: Marienof fizium für den Gebrauch von Paris: Matutin (fol. 29), Laudes (fol. 39v), Prim (fol. 50), Terz, Sext, Non, Vesp er, Komplet; fol. 79v leer. fol. 80: Bußpsalmen mit Litanei. fol. 97v: Horen von Heilig Kreuz (fol. 97v) und Horen von Heilig Geist (fol. 101v).
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fol. 105: To ten of fi zi um, für den Gebrauch von Paris. fol. 149: Gebete in französischer Sprache: Quinze joies (fol. 149); Sept requestes de nostre Seigneur (fol. 155). fol. 165: Textende. Schrift und Schriftdekor Die gewählte Schrift, eine sorgfältige Textura in heller Tinte mit hellroten Rubriken, ver rät eine konservative Tendenz, zu der auch der recht sparsame Bildschmuck paßt. Die einzeiligen Initialen sind wie in vielen Pariser Handschriften um die Mitte des 15. Jahr hunderts ebenso wie die Zeilenfüller in Flächendekor gehalten. Daß zweizeilige Buch staben dann in den Dornblattdekor wechseln, gehört zum Brauch; doch verwundert durchaus, daß ihnen Bordürenstreifen außen zugeordnet werden. Höher bewertet sind dann einige Incipits: der Anfang des Johannes-Evangeliums auf fol. 15, aber nicht die übrigen Perikopen, und das Mariengebet Obsecro te. Sie erhalten zur drei bzw. vierzeiligen Dornblatt-Initiale Rankenklammern, die sich von außen um den Textspiegel legen, während die Marienstunden von Laudes bis Komplet zu den vieroder fünfzeiligen Zierbuchstaben mit breiteren Bordüren versehen sind, die auf Verso auf drei Randstreifen von links beschränkt sind, auf Recto aber zu vierseitigen Vollbor düren werden. Alle Textbordüren, von den einfachen Streifen außen zu den Vollbordüren beispielswei se auf fol. 50 bestehen aus stilisiertem Blattwerk in Buchmalerfarben, aus Blau, Blaugrau und Gold zusammengefügtem Akanthus, Blumen- und Fruchtzweigen mit grünem und in dünnem Muschelgold gefärbtem Laub. Dornblatt ist zu einem Restmuster geworden, das sich mit kurzen Tintenlinien und winzigen goldenen Blättchen gerade noch halten kann. Die Flächen sind mit roten Randlinien abgegrenzt, jedoch nur an den langen Sei ten innen und außen, während die schmalen Enden, so bei den Textbordüren, kontur los bleiben. Bei den Textbordüren sind die Zierleisten verschwunden; wie breite Teppiche legen sich die Bordüren um Schrift- und Bildfeld. Bodenstreifen dehnen sich fast über die ganze Breite; doch an keiner Stelle sind sie von Tieren oder Vögeln besetzt. So bleibt denn der ganze Randschmuck unbelebt. Der Schritt zu Kompartimentbildung wird noch nicht vollzogen. Die Bildfolge fol. 2: Im oberen Rand ein kaum drei Textzeilen hohes, mit rotem Band umgebenes Bild der Pietà: Vor Goldgrund das Kreuz, davor Maria sitzend mit dem toten Christus auf dem Schoß. fol. 29: In die Pariser Buchmalerei bringt der Maler unseres Stundenbuchs einen neu en Sinn für Interieurs, wie das Bild zur Verkündigung zur Marien-Matutin anschaulich
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zeigt: Die Begegnung der Jungfrau mit dem Erzengel Gabriel findet in einem mit Holz tonne gewölbten Palastraum statt, der nach rechts zu einer bildparallelen Wand fluch tet; unter deren großem rechteckigen Fenster steht eine mit grünem Stoff bespannte Bank. Auch die linke Wand ist mit einem etwas kleineren Fenster geöffnet; näher zum Betrachter aber hebt ein Baldachin den Platz hervor, an dem die Jungfrau zum Gebet kniet. Wie in Rogier van der Weydens berühmter Lukas-Madonna, von der mehrere Exemplare erhalten sind (als Original gilt das Bild im Museum of Fine Arts in Boston), halten Schnüre das Tuch. Mit einem großen Buch in den Händen kniet Maria vor ihrem hölzernen Betpult, auf dem eine gelöschte Kerze steht. Von rechts ist Gabriel eingetre ten und niedergekniet. Ohne Schriftband und Zepter erläutert er mit einer sprechen den Geste seiner Hände, was es mit der winzigen Taube auf sich hat, die sich in dünnen Goldstrahlen zu Maria niedersenkt. Die Jungfrau ist ganz in ein wunderbar kraftvolles Blau gekleidet, das auf den Engelsflügeln wiederkehrt, die innen golden sind. Das Rosa des Brokats, mit dem der Baldachin innen ausgeschlagen ist, und das zarte Grün von dessen Außenseite, das auch auf der Bank wiederkehrt, schmücken die Dalmatika, die Gabriel über seiner Albe trägt. Eindrucksvoll sind die feinen Schlagschatten am Boden, insbesondere beim Betpult. fol. 80: Meisterschaft in der Darstellung von Außenarchitektur verrät das Bild von Da vid als Büßer zu den Bußpsalmen: Wieder gegen die Leserichtung kniet der König nach links gewandt; mit dem leuchtend blauen Kronhut in den Händen schaut er auf zum En gel, der das feurige Schwert von Gottes Zorn an der Schneide faßt. David ist zur Buße durch ein offenes Tor auf eine Wiese ins Freie getreten. Hinter der bildparallelen Mauer, an der seine große Harfe lehnt und einen schönen Schlagschatten wirft, richtet sich die Perspektive der königlichen Wasserburg nach links: Es wirkt, als sei David aus dem gro ßen kapellenartig aufragenden Bau gekommen; der offenbar vor der Befestigungsanlage steht. In der Bildtiefe schreitet hingegen ein Mann mit seinem Hund über eine Brücke in ein Burgtor. Steinfarbe, Grün und das zarte Graublau des Himmels prägen den Ein druck des Bildes; davor stehen Rosa und Blau in Davids Gewandung; sie werden in Dä chern und Turmspitzen variiert. fol. 97v: Bei der Kreuzigung zur Matutin der Heilig-Kreuz-Horen spannt sich der Quer balken so, daß er vom Bogenabschluß der Miniatur abgeschnitten wird. Groß und ein drucksvoll beherrscht der bleiche Leib des Erlösers den Eindruck. Ihn flankiert Blau, Marias Gewandung und das Wams des Zenturio, der mit großer Geste Christi Gottes sohnschaft bezeugt. Am Fuße des Kreuzes kniet Magdalena in hellem Rosa und Grün. Schauplatz ist eine Senke, von der eine Straße aufsteigt zu einer Stadt, die von einer gro ßen gotischen Kirche beherrscht wird. fol.101v: Von den flankierenden Fenstern her als profaner Bau charakterisiert ist der Saal, in dem das Pfingstwunder zur Matutin der Heilig-Geist-Horen geschieht: Ein ro safarbener Baldachin nimmt in der Bildmitte den größten Raum ein. Auf ihm thront Maria unter der Taube und liest in einem Buch. Während sie offenbar als bereits ganz vom Heiligen Geist ergriffen verstanden wird, senken sich Flammen auf die Apostel, die
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sich mit dem jugendlichen Johannes links und dem tonsurierten Petrus rechts vorn um die Gottesmutter versammelt haben. Maria ist hier also schon Verkörperung der Kir che; der Raum, in dem das Wunder spielt, aber ist noch nicht sakral. fol. 105: Licht im Raum ist eine Stärke des Malers; doch die perspektivische Konstruk tion beherrscht er nicht sicher; das zeigt sich bei der Feier des To ten of fi zi ums in einem weiten Kirchenchor, der sich wie ein breiter Trichter öffnet. Der Blick über einen links vorn wie ein Repoussoir wirkenden Pleurant hinweg wendet sich nach links, also erneut gegen die Leserichtung. Dort steht der Altar mit dem Tabernakel unter einem runden Ziborium. Schräg davor, wie man vor allem an dem Fliesenboden sehen kann, ist der Katafalk gestellt, mit nur zwei Kerzen links und einem hohen Kreuz am Kopfende. Auf der Gegenseite bringt bildparallel eingerichtetes Chorgestühl mit drei weiteren Pleurants etwas Ruhe in die Komposition; die wird aber gleich wieder gestört durch ein Seiten portal links, durch das weltliche Beter eintreten. Derweil haben Priester rechts den Ge sang des Totenof fiziums angestimmt; auch sie wollen in ihren viel zu kurzen Proportio nen mit den schweren Köpfen nicht so recht in die anspruchsvoll konzipierte, aber nicht ganz gelungene Komposition passen. Genial aber wirken die Farben: Das Steingrau do miniert; das Schwarz der Pleurants und der in Goldbrokat gegebenen Chormäntel der Sänger kommt hinzu. Doch erst durch Blau wird eine großartige Wirkung erzeugt: Es bestimmt die Brokate, die den Katafalk bedecken, als Antependium des Altars dienen und hinter dem Chorgestühl gespannt sind. Altrosa antwortet dieser Hauptfarbe nur zaghaft im Ziborium, dem Gewand des ersten Beters, der gerade in den Chor tritt und den Kappen der Sänger. fol. 149: In einem ähnlichen Raum wie die Ausgießung des Heiligen Geistes, nur mit klei nerem Ausschnitt, der den etwas breiter gestalteten und mit Wangen versehenen Thron näher heranrückt, sitzt Maria mit Kind zu den Fünfzehn Freuden: Die Jungfrau reicht dem Knaben die Brust und beweist damit, daß sie wahrhaft Mutter ist. Der Thronbal dachin ist wieder mit Fäden an der Holztonne befestigt. Engel in weißen Tuniken flan kieren ihn und ziehen die Vorhänge zurück. Auch wenn die mit Ausnahme des Blaus zarten Farben, Rosa, Hellgrün und der Goldschimmer auf dem Holz nicht recht dazu passen, läßt diese Miniatur an die vielen Madonnenbilder von Hans Memling denken, fol. 155: Ein Bild der Trinität eröffnet die Sieben Klagen des Herrn: Von Engelschö ren der Cherubim in zartem Blau und der Seraphim fast in Orange umgeben, erscheint eine helle Mandorla; darin thronen Sohn und Vater mit der Taube, in einen gemeinsa men rosafarbenen Mantel gehüllt. Die Komposition geht auf Bilder zu Psalm 109 (Dixit dominus domino meo) zurück, wie sie im Londoner Bedford-Stundenbuch um 1415 und im Stundenbuch der Marguerite d’Orléans um 1430 vorgeprägt sind (London, BL , Add. Ms. 18850, fol. 113v, und Paris, BnF, lat. 1156B, fol. 163: König 1991 und König mit Seidel 2013, S. 108-109).
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Zum Stil Physiognomien von Frauen und Männern lassen jenen ausgezeichneten Maler und Buch maler erkennen, der im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts in Paris gearbeitet hat und den man nach dem zwischen 1450 und 1473 entstandenen Stundenbuch des Olivier de Co ëtivy und der Marguerite de Valois in Wien (ÖNB , Cod. 1929: Pächt und Thoss I, 1974, S. 29-32, mit Abb. 32-41) nennt. Miniaturen gleichen Inhalts dort bieten Varianten der selben Bildvorstellungen, die in unserem Manuskript ausgeführt sind. Eine gewisse Ver spieltheit verbindet beide Werke. Als ein Meister gleichermaßen des Interieurs wie der Landschaft erweist sich der Künst ler. Die Beschränkung auf nur wenige Miniaturen hat ihn vielleicht dazu inspiriert, den Details größere Aufmerksamkeit zu schenken. Die ungemein feine strichelnde, oft punk tende Malweise zeichnet seine Kunst hier ebenso aus wie das sehr zurückhaltende und vornehme Kolorit. Besonders fällt der Sinn für sacht ausgeführte Schlagschatten auf. Die Diskussion um den Namen des Malers bewegt die Literatur nun schon seit einem Jahrhundert. Von Entwürfen für Troja-Teppiche (vorwiegend im Louvre) ausgehend hat sich Nicole Reynaud 1973 dafür ausgesprochen, es handele sich um einen der Brüder Vulcop. In ihrer Auseinandersetzung mit einem Tafelbild der Auferweckung des Laza rus (ebenfalls im Louvre) hat sie dann aber, was in ihrem Werk sonst kaum einmal pas siert ist, ihre Meinung geändert. Ihrem Vorschlag, ihn in einer über drei Generationen in Paris tätige Familie aus Iepern und Amiens unterzubringen und als Colin d’Amiens anzusprechen, haben sich weite Kreise angeschlossen. Diese These überlebte auch den Vorschlag von Charles Sterling, der im zweiten Band seiner Geschichte der Pariser Ma lerei 1990 zwei der dokumentierten Namen kühn auf die Stilfolge anwendete, die sich vom Jouvenel-Meister (siehe hier Nr. 12) zum Meister des Genfer Boccaccio ergibt; der ältere dieser beiden wäre demnach André d’Ypres, der jüngere hingegen Colin d’Amiens. Damit hat sich Sterling nicht durchsetzen könnten, weil niemand sonst diese beiden Stil varianten in Paris angesiedelt sieht; und deshalb schien der Fall mit der berühmten Pari ser Ausstellung von 1993 gelöst. Inzwischen ist man aber von verschiedener Seite sozu sagen auf die zweite Hälfte der Geschichtskonstruktion zurückgekommen, die Sterling umrissen hatte: Mit anderen Grenzziehungen zwischen den einzelnen Personalstilen griff Sterling ein Brüderpaar auf, Conrad und Henry de Vulcop, die sich seiner Meinung nach hinter dem etwas älteren Stil des Dreux Budé und dem unseres Coëtivy-Meisters verbergen. Ein grundlegender Beitrag zu unserem schon genannten Katalog Neue Folge IV schließt sich der Überzeugung an, man dürfe im Coëtivy-Meister Henry de Vulcop sehen. Weitere Forschungen von Carmen Decu Teodorescu werden diese Linie weiter verfolgen. Auch wenn die Bebilderung auf ein in Paris seltenes Mindestmaß beschränkt ist, brilliert dieses vollständig erhaltene Stundenbuch durch die Kunst des Malers, den man als Coëtivy-Meister kennt und für dessen Identifizierung widersprüchliche Vor
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schläge im Raum stehen. Die Miniaturen variieren auf intelligente Weise das, was man im fragmentarisch erhaltenen und wohl etwa zur gleichen Zeit geschaffenen Wiener Manuskript findet. Auch hier erstaunt der Sinn für Licht und Raumdarstel lung trotz der Schwächen in der perspektivischen Konstruktion. Verwandtschaft zu altniederländischer Malerei höchster Qualität prägt die Kompositionen bis in ge wisse Details; doch setzt sich das zarte Kolorit entschieden von der Buntheit ab, die von Rogier van der Weyden bis zu Hans Memling die große Tafelmalerei in Brüssel und Brügge prägt. LIT ER AT UR:
Das Manuskript ist bisher nicht publiziert.
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21 Edouard Rahirs einziges Stundenbuch: Ein Werk des CoëtivyMeisters aus Paris für den Gebrauch von Rennes
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21 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Rennes, mit einem Pariser Kalender. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Gold oder Blau, mit einem Kalender in Blau und Rot, Feste in Gold, in Bastarda. Paris, um 1460: Coëtivy-Meister: Henry de Vulcop? 23 große Miniaturen mit flachem Rundbogenabschluß über drei oder vier Zeilen Text mit entsprechend bemessenen Dornblatt-Initialen in Doppelstab-Goldrahmen, an drei Seiten gerahmt von Dornblattleisten; Bordüren mit vorwiegend blau-goldenem Akanthus und Blumen, von feinen goldenen Linien nach außen begrenzt: die wichtigeren Incipits mit Kompartimenten von Gold- und Pergamentgrund; bei den Marienstunden von Laudes bis Komplet und den Suffragienbildern nur Pergamentgrund mit kleinem Bodenstreifen unten, von je drei Vögeln belebt. Der Kalender bildlos, aber mit Vollbordüren derselben Art, zum Textspiegel mit dreiseitigen Doppelstäben begrenzt. Alle Textseiten mit Bor dürenstreifen außen. Zweizeilige Initialen zu den Psalmenanfängen in Dornblatt; einzeilige Initialen zu den Psalmenversen in Gold auf roten und blauen Flächen am Zeilenbeginn, Zei lenfüller in gleicher Art. Versalien gelb laviert. 238 Blatt Pergament, dazu je zwei fliegende Vorsätze vorn und hinten. Gebunden in Lagen zu acht Blatt, davon abweichend die beiden Kalenderlagen 1-2 (6) sowie die Lagen 11 (6), 14 (6), 15 (10), 17 (6), die um ein Endblatt ergänzte Lage 18 (8+1) und schließlich die Lage 22 (10) und die Endlage 31 (4). Regelmäßig Reklamanten in derselben Schrift wie der Text. Oktav (168 x 122 mm) Textspiegel: 87 x 60 mm). Rot regliert zu 15, im Kalender zu 16 Zeilen. Im 17. Jahrhundert wurde gemusterter roter Samt über die originalen Holzdeckel gezogen; aus dieser Zeit das Marmorpapier in den Vorsätzen sowie der Bezug mit roter Seide. Zwei Schlie ßen verloren. In einem Halbmaroquin-Schuber. Provenienz: Vollständig und vorzüglich erhalten; doch wurden off enbar die Wappen in den Initialen von fol. 25, 36v, 64v und 69 bereits im 15. Jahrhundert ausgekratzt und übermalt; deshalb keine lesbaren Hinweise auf die Besteller. Es wird sich wie bei Olivier de Coëtivy, der dem anonymen Maler seinen Namen gegeben hat, um Bretonen in Paris gehandelt haben, die ihren heimatlichen Gebrauch bewahren wollten, dabei aber keine speziellen Wünsche zum Ka lender hatten; bretonisch sind einige ungewohnte Heiligen in den Suffragien so Hervé und der in moderner Schrift mit Stift als „St. Meen“ auf fol. 203 charakterisierte Mennanus. Paris, Auktion Privatsammlung Edouard Rahir V, 19.-21.5. 1937, no. 1372; Lyon, Lar danchet, cat. 43, 1939, no. 1253; Sotheby’s London, 2.12. 1986, lot 58; danach Privatsamm lung USA . Text fol. 1: Kalender fol. 13: Perikopen: Johannes (fol. 13), Lukas, Matthäus und Markus.
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fol. 20: Mariengebet Obsecro te; fol. 24v leer. fol. 25: Marienof fizium für den Gebrauch von Rennes: Matutin (fol. 25), Laudes (fol. 36v), Prim (fol. 48), Terz (fol. 55), Sext (fol. 60), Non (fol. 64v), Vesp er (fol. 69), Komplet (fol. 76v). fol. 83: Horen von Heilig Kreuz (fol. 83), Horen von Heilig Geist (fol. 91), Montagsho ren der Toten (fol. 98). fol. 106: Bußpsalmen, jeder mit einer Textsequenz, die sich auf die Sieben Todsünden bezieht und damit einen Bezug zu den wenigen Stundenbüchern herstellt, in denen die se Deutung der Bußpsalmen bildlich betont wird (so zum Dunois-Stundenbuch, London, BL , H. Y. Thompson Ms. 3), mit Litanei (fol. 130). fol. 137: To ten of fi zi um, wohl für den Gebrauch von Rennes (Ottosen 1993, S. 162, B735, S. 311). fol. 190: Suffragien: Trinität, Kreuz, Frieden, Jungfrau Maria, Johannes Evangelist, Eutropius, Claudius, Maturinus, Adrian, Huervius (Hervé), Agrippanus, erneut das Kreuz (nun mit der Bitte um Schutz durch die Namen Gottes und die Kreuzeszeichen für ei nen Beter, der bezeichnet ist als N. portator huius carte), Johannes der Täufer, Michael, Nikolaus, Anianus, Mennanus, Sebastian, Katharina, Apollonia, Maria mit ihren Fest tagen, Anna, Maria Magdalena, Andreas, Peter und Paul, Martin, Christophorus, Juli an, Vincentius, Stephanus, Laurentius, Antonius Abbas, Fiacrius, Franziskus, Eligius, Maurus, Alle Heiligen. fol. 222v: Johannesp assion. fol. 224v: Gebete: darunter die Verse des Heiligen Bernhard (fol. 229v); Bedas Gebet mit den Sieben Worten Christi am Kreuz (fol. 231v); Meßgebete (fol. 233v). Schrift und Schriftdekor Dieses Manuskript ist in einer eleganten Bastarda geschrieben; von besonderem Auf wand zeugen die Rubriken, die nicht nur im ohnehin schon ungewöhnlichen Blau, son dern auch in Gold geschrieben sind. Für die besondere Sorgfalt zeugt die Art, wie die Schriftgröße für die Antiphonen sehr deutlich reduziert ist. Der fortschrittlichen Schrift widerspricht in gewisser Weise der Umstand, daß die Hierarchie der einfachen Initia len älterem Pariser Brauch folgt: Flächendekor dient für einzeilige Zierbuchstaben und zugehörige Zeilenfüller, Dornblattdekor für alle größeren Initialen, die vorzüglich sind, soweit sie nicht die ursprüngliche Heraldik verdecken. Randschmuck entspricht der fortschrittlicheren Tendenz: Dornblatt herrscht zwar bei den Textbordüren vor; sie werden aber von großformigem blau-goldenen Akanthus be herrscht, der die Mitten besetzt. Zudem enden die Randstreifen in erstaunlicher Regel mäßigkeit mit Dornblatt, das sich um eine Blüte oder Frucht windet.
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Auf den Bildseiten bleibt dem Dornblattdekor eine wichtige Funktion; denn sie bestim men die Zierleisten; und das geschieht auf eigentümliche Weise: Fast überall werden die Leisten in gleicher Breite auch zum Falz hin ausgeführt, was ihnen einen stärker deko rativen, weniger funktionalen Charakter gibt und vorausweist auf geradezu anachroni stischen Einsatz im 16. Jahrhundert. Die Bildbordüren hingegen sind fortschrittlich orientiert: Dornblatt ist auf ein Grund muster reduziert; durchweg werden die Felder mit goldenen Linien umgeben. Zwei Klas sen sind zu unterscheiden: Die einfacheren Incipits, das heißt außer der Matutin alle Ma rienstunden, und die Suffragien erhalten Randschmuck mit einem Bodenstreifen, auf dem ein Vogel sitzt; zwei weitere Vögel kommen als Belebung der mit stilisierten Blumen und Akanthus gefüllten Flächen vor. Hingegen werden Blumen und Akanthus bei den Bordüren der anderen bebilderten Textanfänge geschieden: Vor Pergamentgrund steht der Akanthus, weil dessen goldene Partien auf Kompartimenten, die schon in Goldgrund gehalten sind, nicht gut wirken. Kompartimentbordüren sind wohl gerade in der Entstehungszeit unseres Stundenbuchs aufgekommen. Das gibt dem Manuskript eine historisch bemerkenswerte Note. Die Bilder fol. 13: Zu den Perikopen ist nur ein Bild geschaltet, Johannes auf Patmos, und hier zeigt sich, wie eindrucksvoll der Maler aus wenigen Elementen Landschaft gestaltet: Vorn ist das niedrige Felsenufer der Insel von lebhaften Meereswellen umspült; in leichter Schrä ge erhebt sich das Eiland, von unterschiedlich hohen Bäumen besetzt. Vor ihnen sitzt der Evangelist in seiner rosafarbenen Tunika und schreibt auf ein Schriftband, das nach links ausschwingt und dort vom Adler gehalten wird. Er taucht hinter dem Bildrand auf und neigt ebenso wie Johannes seinen nimbierten Kopf. Der obere Kontur der Flügel und der Heiligenschein des Evangelisten bilden mit dem Horizont eine eindrucksvolle Linie. fol. 20: Das Obsecro te eröffnet mit einem Bild der Thronenden Madonna: Unter dem Engelsgruß ave gracia plena, der auf den Baldachin geschrieben ist und damit dem Betrachter in den Mund gelegt wird, zeigt sich die milchspendende Jungfrau. Ihr roter Thron erscheint vor einem ganz und gar irreal wirkenden violetten Grund. fol. 25: Marienof fizium mit dem üblichen Zyklus: Durch einen kostbar mit goldenen Sternen verzierten Steinbogen blickt man in den kah len Sakralraum, in den Gabriel durch eine geschlossene Tür links bei der Verkündigung zur Matutin (fol. 25) eingetreten ist; nun kniet er in seiner Albe und dem mit gleißendem Gold erleuchteten roten Chormantel und breitet noch die roten Flügel. Die Taube senkt sich auf goldenen Strahlen herab zur Jungfrau Maria, die demütig in ein Buch vertieft auf dem Fliesenboden sitzt. Wie in manchen Verkündigungsbildern (siehe König 1996, S. 51-68) werden die Bereiche der Jungfrau und des Engels in der Architekturkulisse ge schieden; dazu dient hier ein Bündel von Gewölbevorlagen: zum Engel gehört die Tür, zu Maria die Perspektive auf die Kirche.
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Vor der Kulisse einer hell gefärbten Burg, deren rund geschlossene Baukörper typisch für den Maler sind, und vor einem Flechtzaun, der an ein Kompositionselement im Septem berbild von Berrys Très Riches Heures in Chantilly denken läßt, treffen bei der Heimsu chung zu den Laudes (fol. 36v) Maria, ganz in Blau, und Elisabeth mit Rosa über Violett, aufeinander. Während die Jungfrau ihr Haupt senkt, prüft die ältere, ebenfalls sichtbar schwangere Frau geradezu befremdet deren schwangeren Leib – nach derselben Bildvor lage, die auch im Wiener Coëtivy-Stundenbuch diente (ÖNB , Cod. 1929, fol. 24v). Unter nachtblauem Himmel vor dem dunklen Stall, in dem Ochs und Esel kauern, ist die Jungfrau Maria bei der Anbetung des Kindes zur Prim (fol. 48) niedergekniet. Sie hat den nackten Knaben auf ein rechteckiges Stück ihres Mantels gelegt. Joseph ist von rechts hinzugetreten, auf seinen Stock gestützt niedergekniet und hat den Filzhut abge nommen; ein Flechtzaun grenzt die Szene zum noch nachtblauen Himmel ab. Die Schlichtheit der Landschaft und ein schlüssiger Einsatz der Farben sorgen bei der Verkündigung an die Hirten zur Terz (fol. 55) für überzeugende Wirkung: Links unten dreht sich der Hirtenhund, dessen Fell dasselbe Grau hat wie das Schuhwerk der Hir ten, um und schaut auf, wie ein Hirte aufrecht stehend und zwei weitere noch am Boden kauernd zum Engel aufblicken, der vor dem Himmel die Botschaft gloria in excelsis deo et in ter(ra pax hominibus) verkündet. Der nächtlich blaue Grund, das Rosa des Gewan des und das Weiß des Spruchbandes kehren in der Gewandung der Hirten wieder und sorgen vor dem zarten Grün der Weide mit den Schafen, die in Gruppen oder einzeln grasen und im Mittelgrund unter einem Baum geschart sind, für einen wunderbaren Ef fekt. Der Maler setzt sich mit dem Phänomen des Horizonts auseinander, indem er den stehenden Hirten mit dem Kopf vor den Himmel ragen läßt. Vor demselben Stall, den man zur Prim sah, spielt die Anbetung der Könige zur Sext (fol. 60); nur ist nun die abschließende Mauer niedriger, und ein schräg zur Bildmitte ab fallender Hügel wird sichtbar: Vor Maria mit dem auf ihrem Schoß liegenden und ein fach in den Himmel schauenden nackten Knaben ist der älteste König niedergekniet. Sein Geschenk steht vorn am Boden, während Joseph hinter der Jungfrau die Hände nach der Gabe ausstreckt, die der zweite König auf einem weißen Tuch reicht. Genauso hält auch der jüngste König sein Präsent, während er zum Stern aufschaut, der im Bo genscheitel prangt. Sehr ungewohnt ist bei der Darbringung zur Non (fol. 64v), daß der greise Simeon mit einem Begleiter zum Portal des Tempels gekommen ist. Dort hat er das nackte Kind auf einem Tuch entgegengenommen. Doch der Knabe wendet sich bereits zurück zur Jung frau, die mit dem Ziehvater Joseph von rechts herangetreten ist. Ähnlich hat einer der Brüder Limburg die Szene begriffen, in der allerdings viel figurenreicheren und seiten verkehrten Zeichnung unseres Stundenbuchs, fol. 88, wo auch der Altar ins Portal ge rückt ist (König 2016, S. 55). Später wird man die Darbringung in flämischer Buchma lerei ähnlich wie hier vom Altar lösen, so im Breviarium Grimani, fol. 514v (König und Heyder 2016, Abb. 62). Inhaltliche Gründe für eine solche Art der Darbringung sind
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in unserem Katalog LM NF IV, 2007, zu Nr. 20, auf S. 255 erörtert: Marias Reinigung wäre Voraussetzung gewesen, den Tempel überhaupt betreten zu dürfen. Besonders schlüssig ist die Landschaft bei der Flucht nach Ägypten zur Vesp er (fol. 69) gestaltet: Hinter einem Wiesenstreifen taucht die Heilige Familie auf; sie hat die Stadt links hinten auf der Straße verlassen, hinter der ein Hügel ansteigt. In ihren Mantel ge hüllt, drückt die Jungfrau Maria ihr Wickelkind an sich, während Joseph liebevoll zu ihr schaut. Die Marienkrönung zur Komplet (fol. 76v) wird ähnlich wie das Madonnenbild auf fol. 20 allein vom Thron bestimmt, der diesmal in Grün vor dunkelblauem Fond steht. Weit außen ragen die Thronwangen empor. Der in Jesu Gestalt mit einer spitzen Tiara gezeigte Gott hat so auf einer Seite Platz genommen, daß die vor ihm kniende Jungfrau nach ihrer Krönung, die gerade durch einen Engel vollzogen wird, zu seiner Rechten sit zen kann. Das tiefe Blau ihrer Gewandung bildet mit dem rosafarbenen Mantel Gottes und dem Weiß der Tuniken von Gott und Engel vor dem Grün des Throns den oft in diesen Miniaturen wiederholten Farbklang. fol. 83: Während die Horen von Heilig Kreuz und Heilig Geist mit den üblichen Erken nungsbildern eröffnen, erstaunt die Darstellung zu den Montagshoren der Verstorbenen, zeigt sie doch die Gottheit, an die sich das Stundengebet richtet: Unter bestirntem Nachthimmel, der für die Sonnenfinsternis steht, zeigt sich vor der Kulisse der Stadt Jerusalem die Kreuzigung zur Kreuz-Matutin (fol. 83) in einem sehr ungewohnten Moment: Der Tod am Kreuz ist eingetreten; die Gottesmutter ist hilflos in die Knie gesunken, von Johannes gehalten, während zwei Frauen ihr stumm beistehen; hinter einem Wiesenstück, das als Repoussoir eingesetzt ist, erscheint noch auf seinem Schimmel der römische Zenturio und ein Mann des Fußvolks; doch die anderen, un ter ihnen der Hohepriester, haben sich auf den Heimweg zur Stadt gemacht. Wie sie im Mittelgrund erscheinen, erinnert an die berühmte eyckische Miniatur im Turiner Stun denbuch, fol. 48v, und ihre Varianten in Venedig und Padua (Bœspflug und König 1998, S. 176-179). Der Brauch, bei der Ausgießung des Heiligen Geistes zur Geist-Matutin (fol. 91) Ma ria gegen den Bericht in der Apostelgeschichte einen prominenten Platz zu geben, wird selten einmal so gut verständlich wie in dieser Miniatur, die erneut an spätere Entwick lungen in der flämischen Buchmalerei denken läßt wie fol. 205v im Breviarium Grimani (König und Heyder 2016, S. 122): Die Ausgießung des Heiligen Geistes begründet die Kirche, und Maria thront hier im Zentrum eines Zentralbaus als Verkörperung der Kirche, und schaut unter ihrem die Stirn bedeckenden Mantel von ihrem Buch zum ju gendlichen Johannes auf, der im Kreis der Apostel sitzt, während über dem Bogen der Architektur die Taube erscheint. Aus der Tradition der Bebilderung von Psalm 109 (Dixit dominus domino meo) erklärt sich die Bildformel der Thronenden Trinität zu den Montagshoren der Toten (fol. 98): Wie eine Gestalt mit zwei Oberkörpern sitzen Jesus und Gottvater, in einen gemeinsa
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men rosafarbenen Mantel gehüllt, zwischen sich die Taube, mit einem Buch, das verkün det: Ego sum alpha et o, novissimus et primus quoniam in. Ähnlich haben ältere französi sche Buchmaler die Trinität gestaltet, so im Bedford-Stundenbuch und im Stundenbuch der Marguerite d’Orléans (London, BL , Add. Ms. 18850, fol. 113v, und Paris, BnF, lat. 1156B, fol. 163: König 1991 und König mit Seidel 2013, S. 108-109). fol. 106: In seiner Schlichtheit überrascht das Bild von David als Büßer zu den Bußpsal men: Nach links gewendet kniet der graubärtige König, hat die Hände – fassungslos – nicht zum Gebet gefügt und schaut auf, ohne den Engel Gottes so recht sehen zu können, der direkt über seinem bekrönten Haupt erscheint, mit der Hand um die Schneide das glühende Schwert hält und auf den Zorn Gottes weist, der sich hier nicht zeigt. Davids Zepter steht wacklig im Innenraum auf einem Tisch; seine Harfe lehnt an der niedrigen Mauer, die den Palastgarten vom Blick über eine Wiese und eine Burg zum Meer trennt. Die Kante dieser Mauer und der Meereshorizont bilden gemeinsam mit der Schräge von Landschaft und Burg die entscheidenden Kompositionslinien. fol. 137: Die Kargheit, die manche Miniaturen prägt, sorgt beim Begräbnis vor einem Blick in eine Kirche zum Totenof fizium für eine besonders irritierende Wirkung: Auf ei nem Friedhof, der nach hinten von einem Laubengang begrenzt wird, findet ein Begräb nis statt: Vor dem Blick in einen Sakralraum wird der in weißes Leinen eingenähte Tote von zwei Totengräbern sacht in das ausgehobene Grab gelegt. Ein Priester liest, begleitet von drei Akolythen, von denen einer das Weihwasser bereithält. Zwei Geistliche tragen Stangen mit vierteiligen roten Wappen, deren Inhalt nicht lesbar ist. Pleurants drängen aus dem Innenraum nach rechts. fol. 190: Suffragien: Einen sehr ungewöhnlichen Sinn für ikonographische Einfälle beweist der Salvator mit den Arma Christi zur Trinität (fol. 190): Vor einem blaugrauen mit silbernen Sternen geschmückten Himmel, ohne jeden Blick auf die Erde erscheint der Erlöser, ohne daß gezeigt wäre, worauf er sitzt, zwischen Kreuz und Geißelsäule, drei Nägel, Seil und Gei ßel schweben neben den größeren Arma Christi. Das Buch in Christi Hand verkündet in einer schwer lesbaren Variante zu fol. 98: Ego sum alpha et o, novissim(us) et prim(us) et…querum. Der Ritterheilige Adrian (fol. 196) steht in einer Burg, mit Hammer über dem Amboß in der Rechten und Schwert in der Linken, zu Füßen ruht der Löwe. Michaels Drachenkampf (fol. 201) ist ganz auf die ikonische Darstellung des in Gold gepanzerten aber in flammendem Rot von Flügeln, Mantel und Schild erscheinenden Erzengels konzentriert, der den affenartigen gehörnten Teufel auf einem niedrigen Bo denstreifen niedergeworfen hat und selbst vor zart graublauem Himmel erscheint. Se bastians Pfeilmarter (fol. 203v) findet auf einer Wiese innerhalb einer Burgmauer statt; dabei wird die Konfrontation der zwei Bogenschützen und des fast nackten Märtyrers, den sie an einen Baum gebunden haben, vom weiter zurückgesetzten Donjon in der Bild mitte dominiert.
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Das Bild der heiligen Katharina (fol. 205) ist ganz auf die Erscheinung der Heiligen konzentriert, die aus jedem Erzählzusammenhang herausgelöst in einer Kapelle unter einem Baldachin zwischen zwei Fenstern erscheint und in ihr Buch schaut, während sie sich mit der Rechten auf das Schwert stützt, mit beiden Beinen auf einem bartlosen Kö nig stehend, der in dieser Version kaum älter als sie selbst ist. Wie bei der thronenden Madonna zum Obsecro te sorgt ein vom Boden des Bildrands be schnittener Baldachin, der diesmal tiefblau ist, bei der Salbung in Bethanien zum Suff ragium der heiligen Magdalena (fol. 212) für die hierarchische Überhöhung der Hauptfi gur. Doch Christus sitzt an einem eigentümlich schräg gestellten Tisch zwischen Petrus zur Rechten und Johannes zur Linken, der sich zu einem Apostel umdreht, der ebenso wie ein weiterer vorn vom rechten Bildrand abgeschnitten wird. Davor ist Magdalena in rosafarbenem Mantel niedergekniet, um mit ihrem Goldhaar die nackten Füße des Er lösers zu salben. Von besonderem Reiz ist das Bild des Christophorus (fol. 215v): Auf die Begrenzung des Wassers durch zwei Ufer ist verzichtet; so sieht es aus, als schreite der Riese aus dem nur zum Horizont hin durch Land mit Burg geschlossenen Gewässer auf das Felsenufer rechts. Er trägt den Jesusknaben, der eine Sphaira mit goldenem Kreuz hält. Ihn erwartet der Einsiedler mit einem Stab, der wohl als Fackel gedacht ist; denn auf geradezu einzig artige Weise ist die Anwesenheit des Einsiedlers hier verstanden: So gut wie immer spielt diese Szene in der Buchmalerei am hellichten Tag; hier aber spannt sich ein Nachthim mel mit Sternen und weist auf eine besondere Qualität des Malers hin. Von eindrucksvoller Schlichtheit ist die letzte Miniatur; sie zeigt die Stigmatisation des heiligen Franziskus (fol. 220), der vor einer Gartenmauer sein Buch ins Gras gelegt hat und nun kniend den Gekreuzigten im Himmel erblickt, während seine fünf Wunden schon aufgebrochen sind. Bei der Vision ist auf das Seraphische verzichtet: Ein kleines Kruzifix mit lebendigem Erlöser schwebt goldstrahlend herab. Zum Stil Das Buch gehört zu den schönsten Werken eines der besten Maler und Buchmaler des 15. Jahrhunderts in Paris. Man nennt ihn nach dem zwischen 1450 und 1473 entstan denen Stundenbuch des Olivier de Coëtivy und der Marguerite de Valois in Wien (ÖNB , Cod. 1929: Pächt und Thoss I, 1974, S. 29-32, mit Abb. 32-41), dessen zehn Miniaturen Varianten derselben Bildvorstellungen bieten, die in unserem Manuskript mit strenge rem Sinn für die Komposition ausgeführt sind. Zu den Höhepunkten unseres Katalogs Leuchtendes Mittelalter, Neue Folge IV von 2007 gehörte Nr. 20, eines der brillantesten Werke des Künstlers, das in seiner Farbkraft noch deutlich über das namengebende Manuskript in Wien hinausgeht. Dort gesellte sich mit Nr. 22 noch ein weiteres Buch desselben Stils hinzu. Zur Diskussion um den Namen siehe die vorige Nr. 20.
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Ein vollständig erhaltenes, brillant schönes Hauptwerk des Malers, den man als Co ëtivy-Meister kennt und um dessen Identifizierung immer noch gerungen wird, sehr viel bilderreicher als das nur fragmentarisch erhaltene, wohl früher entstandene Wiener Manuskript, mit einem erstaunlichen Sinn für Licht und Raumdarstellung. Zugleich ein Beispiel dafür, daß nicht nur der aus der Bretagne stammende Olivier de Coëtivy, sondern auch andere Landsleute in Paris solch herrliche Bücher haben ausmalen lassen. In diesem Fall haben die Besteller, deren Wappen getilgt wurden, sogar die Of fizien nach dem Brauch von Rennes kopieren lassen, ohne sich allzu sehr um den Kalender und die Litanei zu kümmern. Nur in den Suffragien treten mit Hervé und Méen zwei in der Hauptstadt kaum bekannte Heilige auf. Mit der wieder zunehmenden Zuversicht, man könnte diesem genialen Buchmaler seinen Namen zurückgeben, möchten wir ihn Henry de Vulcop nennen. LIT ER AT UR:
Das Manuskript ist bisher nicht publiziert.
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22 Ein klassisches Stundenbuch vom Meister des Jean Rolin
22 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Weinrot und Hellrot, mit einem Kalender in Rot, Blau und Gold, in Textura. Paris, um 1450: Meister des Jean Rolin, mit Ergänzungen vom Maler von Walters 205: Bourges oder Poitiers, um 1460 14 große Miniaturen mit rundbogigem Abschluß und zwei historisierte Initialen in rotblauem Akanthus mit Gold- und Silberhöhungen: 11 Kopfminiaturen über vier Zeilen Text und dreizeiligen Akanthusinitialen in Rot, Blau, Grün und Violett mit besonders feinem Kantendekor in Farbe oder Gold, dazu vierseitige Akanthusbordüren auf Dorn blattrest mit Früchten, Blumen, Vögeln, Insekten und Drolerien; auf fol. 32 zwei Bild medaillons; ergänzt 3 weitere große Miniaturen, ebenfalls in vierseitigen Akanthus- und Blattwerkbordüren; zu den historisierten Initialen dreiseitige Dornblattbordüren; zweiz eilige Kompartiment-Initialen in Gold auf Rot und Blau mit weißem Liniendekor, dazu Bor dürenstreifen mit Tintenspiralwerk und Akanthus, jede Textseite mit einem einseitigen Tinten spiralbordürenstreifen mit Blattwerk und Akanthus, einzeilige Initialen zu den Psalmenversen und Zeilenfüller in der gleichen Art; gelb lavierte Versalien, in den ergänzten Texten rot an gestrichene Versalien. 203 Blatt Pergament, je 1 festes Vorsatz vorne und hinten aus Papier; gebunden vorwiegend in Lagen zu acht Blatt, davon abweichend Lage 1 (3), die Kalenderlage 2 (12), Lage 11 (8-1, 8. Blatt entfernt), Lage 14 (4), Lage 15 (8+1, 9. Blatt mit dem Suffragium eingefügt), Lage 24 (8-1, 8. Blatt entfernt), Lage 25 (8-1, 8. Blatt entfernt) und Lage 26 (2+1, 3. Blatt ergänzt); fast durchweg horizontale Reklamanten. Zu 15, im Kalender zu 17 Zeilen, rot regliert. Oktav (170 x 120 mm, Textspiegel 85 x 56 mm). Roter Maroquin-Einband des 17. Jahrhunderts mit flachem Rücken, Deckel und Rücken nur mit goldgeprägten Doppellinien umrissen, also im Stil der Jansenisteneinbände, mit Löchern für zwei entfernte Seidenbänder; Goldschnitt. Provenienz: Théophile Belin, sein Prestige-Katalog von 1906, Nr. 13: 4.500 Goldfrancs. Ver kauft – wie unsere Nummer 13! – an Jean Hersent, den Sohn von Hildevert Hersent (Exli bris). P. Sourget, Chartres, Katalog VI, 1989, Nr. 3: frs. 1.000.000,-. Zuletzt in einer fran zösischen Privatsammlung. Text fol. 1: Suffragium der heiligen Monika (fol. 1), Magdalenengebet der Klage unter dem Kreuz (fol. 2): Maria unxit pedes ihesu et extercit (irrig für extersit) capillis capitis sui…, Suffragium des heiligen Augustinus (fol. 2v). fol. 4: Kalender in französischer Sprache, jeder Tag besetzt, Heiligentage alternierend in Rot und Blau, Festtage in Gold, Goldene Zahl in Gold, Sonntagsbuchstaben b-g in
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Schwarz, Sonntagsbuchstabe a in Gold, Iden und Nonen den Heiligentagen folgend in Rot und Blau; nach Pariser Formular. fol. 16: Perikopen, beginnend mit Johannes als Suffragium (fol. 16), Lukas (fol. 17v), Mat thäus (fol. 19) und Markus (fol. 21). fol. 22: Mariengebete: Obsecro te (fol. 22), für einen Mann redigiert, gefolgt vom O in temerata (fol. 26v). fol. 31: Suffragien: Christophorus (fol. 31). fol. 32: Marienof fizium für den Gebrauch von Paris: Matutin (fol. 32), Laudes (fol. 58), Prim (fol. 71), Terz (fol. 78), Sext (fol. 83), Non (Anfang fehlt, fol. 87), Vesp er (fol. 91v), Komplet (fol. 99v). fol. 106 (auf einem hinzugefügten Blatt, in abweichender Schrift): Suffragium des 1446 von Eugen IV. heiliggesprochenen heiligen Nikolaus von Tolentino. fol. 107: Horen von Heilig Kreuz (fol. 107) und Horen von Heilig Geist (fol. 111v). fol. 116: Bußpsalmen, mit Litanei (fol. 129), darunter viele Pariser Heilige. ten of fi zi um, für den Gebrauch von Paris: Vesp er (fol. 134), Matutin (Anfang fol. 134: To nicht hervorgehoben, fol. 142v), Laudes (mit einer Rubrik hervorgehoben, fol. 171). fol. 187: Mariengebet: Doulce dame (Anfang fehlt, fol. 187), Herrengebet: Doulx dieu (An fang fehlt, fol. 194). fol. 196v: Suffragien: Genovefa (fol. 196v), Appolonia (fol. 197), Sebastian (fol. 198), Anna (fol. 199), Avia (fol. 200), Barbara (fol. 200v). fol. 201: Sündenablaßgebet des heiligen Gregor: O bone Ihesu o dulcissime… fol. 203v: Textende. Schrift und Schriftdekor In der Wahl der Textura zeigt sich eine verbreitete konservative Tendenz in der Pariser Buchkunst, die vom einfachen Schriftdekor mit den gelb lavierten Versalien, den Psal menversen am Zeilenbeginn und den ein- bis zweizeiligen Goldbuchstaben auf Flächen in Weinrot und Blau ebenso bestätigt wird wie vom Kalender in Rot und Blau mit den Festen in Gold. Teppichhafte Bordüren in Dornblatt mit wenigen Blättern und Blüten in den Buchmalerfarben unterstreichen diesen Eindruck. Auf den Bildseiten im Buchblock löst man sich jedoch wenigstens bei den großen Initia len von dieser konservativen Einstellung: Hier wird das Dornblatt von fleischigem Blatt werk ersetzt, das zur Familie des Akanthus gezählt werden kann und in unserer Nr. 18 als besondere Auszeichnung für die beiden wichtigsten Incipits dient.
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Auch bei den Bordüren kommt etwas in Bewegung: Noch hat sich der blau-goldene Akanthus nicht durchgesetzt; auch der Platz, den er im Randschmuck einnimmt, er staunt, besetzt er doch nicht plump die Ecken, sondern rückt oben ein Stück weit her ab, während er unten in den Ecken die Blumen flankiert, die von einem nicht sehr brei ten Bodenstreifen aus sprießen. Die abrupt endenden Doppelstäbe, die von drei Seiten um das Textfeld gelegt sind, und die schlichten roten Randlinien der Bordüren, in de nen Dornblatt nur noch als Restmuster geduldet ist, legen eine relativ frühe Entstehung des Buches nahe. Vögel und die wenigen Säugetiere und Grotesken, mit denen durchweg die Mitten unten und außen besetzt sind, bestärken die vorzügliche Qualität der Arbeit. Die Einrichtung der Eröffnungsseite zum Marienof fizium schreibt sich mit den beiden runden Medaillons aus der Marienlegende in die Tradition der Bedford-Werkstatt ein. Die fast zeitgenössischen Hinzufügungen verraten eine regionale Schule, die mit Paris wenig zu tun hat. Vom verantwortlichen Maler aus bleibt offen, ob das Buch somit schon bald nach Poitiers oder Bourges gelangt ist. Die Bilder fol. 2: Maria Magdalena am Fuß des Kreuzes wird zum Gebet Maria unxit pedes ihesu gezeigt: Während der Text mit der Erinnerung an die Salbung in Bethanien einsetzt, löst das Bild die Heilige und das Kreuz Christi aus der biblischen Erzählung: Mit gelö sten blonden Locken kniet Magdalena in blauem Kleid und rotem Mantel vor dem leeren Kreuz, das, wenn auch mit dem Titulus inri bezeichnet, nur als goldenes Zeichen vor dem dramatisch bewölkten Himmel über Hügeln steht, die nicht das Heilige Land zu Christi Lebzeiten, sondern Frankreich und damit die Umwelt der Benutzer des Buches darstellen. Stilistisch gehört die markant plastische Malerei nicht zur Pariser Buchma lerei, sondern stammt mit der Bordüre vom Maler von Walters 205. fol. 22: Die Mariengebete eröffnen zwei historisierte Initialen: zum Obsecro te eine thro nende Maria mit Kind (fol. 22), zum O intemerata die Pietà mit Johannes und Maria, die den toten Christus unter dem Kreuz hält (fol. 26v); die blauen Initialen sind mit Sil ber gehöht. fol. 32: Zum Marienof fizium der vertraute Zyklus: Zur Matutin die Verkündigung an Maria (fol. 32) in derselben Bildformel, die auch der Meister des Harley-Froissart verwendete; dabei wird die Komposition verständlicher, weil der Maler näher an den Ursprüngen zu sein scheint: Auch hier der Engel, Pariser Bed ford-Tradition gemäß, von rechts – und wie in Nr. 18 durch ein Burgtor – eingetreten. Unter freiem Himmel ist er in einer Art Palasthof auf dem Fliesenboden niedergekniet und grüßt mit den Worte Ave gracia plena dominus tecum. Die Jungfrau kniet nun nicht vor ihm, sondern vor ihrem Betpult, nur in Blau gekleidet und senkt das Haupt im Gebet. Was dort nur funktionslose Zierarchitektur war, ist hier ein monumentaler Steinbau, in dem ein hoher Baldachin Platz findet, wobei man nicht recht erkennen kann, ob er Ma rias Bett oder einer Bank dient. Ein Quergebäude hinten mit einem Turm und wieder
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einem auffälligen Erker versperren die Sicht in die Landschaft. Die Gotteserscheinung, nun vor Blattgold, rückt in die Mitte. Kreisrunde Medaillons mit dem Kuß an der Gol denen Pforte unten und, in etwas kleineren Maßen, Mariä Tempelgang ergänzen das Hauptbild in den Bordüren. Die zweite Szene verzichtet auf jüdische Priester und zeigt nur ein Gebet des von den Eltern begleiteten Mädchens vor einem christlichen Altar. Von einem Hügel herabgekommen ist Maria in Begleitung eines Engels; um sie zu emp fangen, hat die greise Elisabeth ihr stattliches Haus rechts verlassen und sinkt nun bei der Heimsuchung zu den Laudes (fol. 58) in die Knie. Wunderbar rahmen Rosatöne in der Dalmatika des Engels und dem Kleid der Alten das leuchtende Blau, in das die Jung frau gehüllt ist, vor dem zarten Grün von Wiese und Bäumen, neben dem Grau der Stei ne und unter dem lichten Himmelblau. Bei der Anbetung des Kindes zur Prim (fol. 71) sind Maria und der greise Joseph neben einander vor dem rechteckigen weißen Tuch niedergekniet, das an ein Altartuch den ken lassen soll, auf dem der Leib des Herrn, hier der nackte Jesusknabe, gelegt ist. Der Stall links hinter ihnen, in dem Ochs und Esel verharren, ist nur ein zu allen Seiten of fenes Gestell mit schadhaftem Dach. Über den Flechtzaun blicken zwei Hirten, die be reits herbeigeeilt sind, während ein dritter sich weiter hinten im Wortsinne auf den Weg macht. Goldene Strahlen senken sich vom Stern auf das Kind. Kompositionell eindrucksvoll ist die Verkündigung an die Hirten zur Terz (fol. 78): Um die Hauptgruppe zweier Hirten und zweier Hunde vor einer dichten Schafherde vorn, fließt ein Bach; ein Holzsteg erlaubt, ihn nach links zu überqueren, wo ein dritter Hir te mit einer zweiten Herde fast schon im Mittelgrund erscheint. Der Verlauf des Bachs dahinter wird nicht weiter verfolgt; denn nach rechts hin erhebt sich ein felsiger Berg; von links fließt ein breiterer Fluß um einen weiter entfernten, niedrigeren Berg offenbar hin zu der befestigten Stadt, die den Horizont besetzt. Zwei Engel zeigen sich vor Gold grund und verkünden – in bester Bedford-Manier – den Introitus zur Weihnachtsmes se: puer natus est nobis et. Die Würde des Bildes wird auch dadurch unterstrichen, daß bei den Hirten auf alle Buntfarben verzichtet ist. Bei der Anbetung der Könige zur Sext (fol. 83) kehrt der Stall von Bethlehem mit sei nem von links ins Bild ragenden Giebel fast ganz so wieder, wie er zur Prim schon ge zeigt wurde; nur ist nun der Flechtzaun nach links gerückt, um den Königen freie Bahn zu geben. Das brauchen sie in dieser ungewöhnlichen Darstellung: Während Maria vorn auf dem Boden in einer Demutsformel am Boden sitzt und mit dem nackten Jesuskna ben den ältesten König empfängt, preschen die beiden jüngeren von rechts heran zu Jo seph, der noch im Schatten des Stalls steht. Wie in einem heftigen Ballett bewegen sie sich parallel, die Rücken einander zugewendet, reißen – der vordere mit links, der hin tere mit rechts ihre Kronhüte vom Kopf und halten mit weit ausgestrecktem Arm ihre Geschenke in die Luft. Eilig bewegt sich die Heilige Familie bei der Flucht nach Ägypten zur Vesp er (fol. 91v) auf einem Weg vorn; denn hinter ihnen, direkt nach einer Biegung des Weges folgen die
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Soldaten des Herodes. Sie haben gerade einen Bauern bei der Kornsaat nach den Flie henden gefragt; der aber ist schon in den Genuß des Kornwunders gekommen; denn gelb sind die Ähren hochgeschossen. Daß der Mann bereits die Sichel zur Hand hat, ist vielleicht dann doch ein wenig übertrieben. Die zwei stumpfen Türme in der Stadt am Horizont lassen an Notre Dame in Paris denken! Wolken in prächtigem Blau, von Silber durchzogen, deuten am unteren Bildrand auf ungewohnte Art an, daß die Marienkrönung zur Komplet. (fol. 99v) im Himmel statt findet. Dort kniet die Muttergottes, von einem Engel begleitet, vor einer mit Brokat be hängten Mauer, über den sich ein weiterer Engel mit der Krone beugt. Gottes Thron mit prachtvoller Maßwerkarchitektur steht rechts; darauf sitzt der greise Gottvater mit Chormantel und Tiara eines Papstes. Wieder tiefblau ist der Fond; dort sind Ton in Ton Engel erkennbar, jedoch nicht wie gewohnt Cherubim, sondern jugendliche Gestalten in Alben und Chormänteln. Die Horen mit den gewohnten Erkennungsbildern: Zur Matutin von Heilig Kreuz ist die Kreuzigung (fol. 107) mit den Frauen um Maria und den Soldaten um den Zenturio auf einem Platz dargestellt, der durch einen Schä del und Knochen als Golgatha bezeichnet ist. Wie so oft ist es kein Berg, sondern eine Senke, im Mittelgrund steigen zu beiden Seiten felsige Hügel an, ehe dann eine Stadt den Horizont besetzt. Sonne und Mond am Himmel flankieren den Titulus inri. Ma ria wendet sich sacht zu Johannes um, offenbar weil sie das viele Blut nicht mehr erträgt, das von Christi Armen tropft. Der Hauptmann hingegen tritt energisch zum Kreuz, im verlorenen Profil. Beim Pfingstwunder zur Matutin von Heilig Geist (fol. 111v) scharen sich die Apostel um ein drehbares Buchpult in einer Kapelle. Durch das Fenster ist die Taube gekommen und zeigt sich nun, ein wenig beengt, unter einem rosafarbenen Ziborium über Maria, die von links mit Johannes aufschaut. Von besonderem Zauber ist das Bild mit König Davids Buße zu den Bußpsalmen (fol. 116): Die linke Bildhälfte nimmt eine geradezu abenteuerliche Zierarchitektur ein mit einer extrem dünnen Säule, hinter der in herrlich sattem Blau der Königst hron steht. Von ihm ist David aufgestanden, um nun auf einem zur Architektur nicht recht passen den Fliesenboden zu knien. Den Kronhut hat er abgelegt, die Harfe lehnt vor ihm; auf merksam betrachtet ihn sein Windhund, wie er da mit erhobenen Händen kniet und nicht recht aufschaut zu Gott, der sich in einem Himmelssegment vor bestirntem Blau zeigt. Der Blick führt über einen Fluß zu einer fernen Stadt, die mit zwei stumpfen Tür men, die allerdings hinter einer befestigten Brücke stehen, vage an Notre Dame und da mit an Paris denken läßt. Immer noch in gewisser Weise der Tradition der Bedford-Werkstatt verpflichtet ist das Bild einer Beerdigung auf einem Friedhof zum Totenof fizium (fol. 134); doch herrscht nun eine konsequentere Bildordnung, die anders als in unseren Nrn. 14 und 15 von par alleler Schichtung ausgeht: Das frisch ausgehobene Grab mit den zwei Männern, die den
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in weißes Tuch eingenähten Leichnam zur letzten Ruhe betten, nimmt den ganzen Vor dergrund ein. Darüber baut sich die Gruppe der drei in schwarze Chormäntel gehüllten Priester bildparallel auf. Für Details ist hier kein rechter Sinn; denn die drei begnügen sich damit, in ein gemeinsames Buch zu schauen; Kreuz und Weihwasser werden nicht gezeigt. Von links kommen Männer, angeführt von einem vornehmen Herrn, der sich die Nase zuhält und drei Pleurants. Rechts erhebt sich die Kapelle; den Blick nach hin ten begrenzt der Karrner, der bis hinauf in zwei Ziergiebel sorgfältig mit gereihten To tenschädeln verziert ist. Nachgetragen hat der Maler von Walters 205 in den bilderlos konzipierten Suffragien ein Kleinbild mit dem Sebastiansmartyrium (fol. 196v) und hat dazu auch den Bordü renstreifen außen an drei Seiten zu einer Vollbordüre ergänzt. Dabei paßt die Szene, in der zwei Bogenschützen vor einem Felsen stehen, der eine mit dem Pfeil zielend, der an dere den Bogen spannend, und Sebastian mit ihren Pfeilen spicken, nicht recht zu der Landschaft mit ihren winzigen Baumreihen schon zu den Füßen des Heiligen. Dem Ablaßgebet mit den Sieben Versen des Heiligen Gregor wird ein ungewohntes Bild der Gregorsmesse (fol. 201v) vorangestellt: Vor violettem Fond, auf dem die Arma Chri sti dekorativ verteilt sind, steht ein steinerner Sarkophag, über dem ein großer Engel wie bei einer Engelspietà den toten Erlöser so hält, daß aus dessen linker Hand Blut in den Meßkelch fließen kann, den der Papst auf dem parallel zum Sarkophag stehenden Altar neben dem Meßbuch abgestellt hat. Christi Blut und nicht wie gewohnt Christi Körper wird dadurch hier zum zentralen Thema der Vision des rechts unten knienden Papstes. Zum Stil Der gesamte Buchblock ist ein schönes, makellos erhaltenes Beispiel für die Kunst eines Buchmalers, dessen Stil zunächst von Paul Durrieu unter dem Namen Jacques de Be sançon subsummiert wurde, ehe man erkannte, daß damit drei aufeinander folgende Ge nerationen erfaßt waren. Als der älteste und früheste Buchmaler in dieser Reihe kommt dem Schöpfer unserer Miniaturen eine besonders prominente Rolle zu; doch bleibt er als einziger noch heute anonym. In ihrer Arbeit über ein bedeutendes Exemplar von Susos Horloge de Sapience, die zu den rezenteren Erwerbungen in Brüssel gehört (KBR , IV, 111) hat Eleanor Spencer (Sciptorium XVII , 1963, S. 277-299) den Meister zu einem Mo ment identifiziert, da seine ungemein präzise und neuartige Kunst mit dem späten Bed ford-Stil zusammentrifft. Klarheit über den Rang des Künstlers schaffen Aufträge für Jean Rolin (1408-1483), den Sohn des burgundischen Kanzler Nicolas Rolin, der 1448 zum Kardinal erhoben wurde und für sein Bistum Autun (im Amt ab 1436) eine gan ze Anzahl von ähnlich gestalteten Meßbüchern anlegen ließ (Lyon, Bibl. mun., Ms. 517; Autun, Bibl. mun., Ms. 108A und 114A, sowie ein Kanonbild in der Sammlung Wil denstein des Musée Marmottan-Monet, Paris). Für Spencer stand fest, daß der Maler aus den Niederlanden nach Paris gekommen ist, Charles Sterling hingegen hat versucht, ihn aus einer nicht ausreichend dokumentier
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ten Buchkunst des französischen Burgunds herzuleiten. Forschungen von Peter Rolfe Monks sind noch nicht im erforderlichen Umfang publiziert. Der Maler des Bildes der heiligen Magdalena unter dem Kreuz und der zwei letzten Miniaturen wird nach einem Stundenbuch für den Gebrauch von Bourges, Baltimore, Walters 205 benannt. Er war es auch, der die Ausmalung von Paris, BnF, Ms. lat. 16234 begonnen hat, einem Werk des Schreibers Philibert Debrest in Bourges, der eine Reihe von humanistischen Texten in pseudohumanistischer Schrift kopiert hat. Sein Stil ver bindet sich allerdings auch mit Poitiers. Ein bisher unbekanntes, eindrucksvolles Werk des Meisters von Jean Rolin, relativ früh entstanden und eng mit unserem Stundenbuch vom Meister des Harley-Froiss art verbunden: Fast vollständig und in sehr schönem Zustand erhalten. LIT ER AT UR:
Das Manuskript ist bisher nicht publiziert.
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23 Das Pariser Stundenbuch des François de Dagues und der Katherine Ferrault aus Le Mans vom Meister des Jean Rolin
23 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Rom. Lateinische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Blau, mit einem Kalender in französi scher Sprache, in Blau, Rot und Gold in Bastarda. Paris, ca. 1460: Meister des Jean Rolin 30 Bilder und eine Anzahl von mehr oder weniger textbezogenen Bild-Initialen: acht große Miniaturen mit gezacktem Rundbogenabschluß in einfachen Goldleisten über vier Zeilen Text mit historisierten oder Akanthus-Initialen, in Vollbordüren auf Pergamentoder Goldgrund mit zwei oder drei Grotesken; 22 Randbilder mit Bogenabschluß in den Vollbordüren des Kalenders, mit jeweils einer Groteske unten; alle Textseiten mit Bor dürenstreifen außen in der Höhe des Textspiegels, durchweg mit je einem grotesken Mo tiv. Zwei Incipits mit dreizeiligen historisierten Initialen; viele zweizeilige Initialen mit Köpfen. Zweizeilige Initialen zu den Psalmenanfängen, wo sie nicht mit Köpfen belebt sind, mit Akanthus- oder Gold-Buchstaben auf Flächen in Rot und Blau; entsprechende einzeilige Initialen zu den Psalmenversen in Gold auf roten und blauen Gründen mit weißem Linien dekor, Zeilenfüller in gleicher Art. Versalien gelb laviert. 233 Blatt Pergament, vorne und hinten je zwei fliegende Vorsätze aus Pergament; festes und fliegendes Vorsatz marmoriert; Doublüren. Gebunden in Lagen zu acht Blatt, davon abwei chend die erste Kalenderlage 1(12-1: Anfangsblatt fehlt), Lage 4(6-2: nach einem leeren Blatt zwei weitere leere entfernt), Lage 5(8-1, erstes Blatt entfernt), Lage 8(8-1, zweites Blatt ent fernt), Lage 10(8-1: zweitletztes Blatt, nur Text, fehlt), Lage 11(8-1, zweites Blatt entfernt), Lage 16(2, das zweite Blatt leer vor Zäsur), Lage 19(8+1, das leere fol. 144 hinzugefügt), Lage 20(8-1: des erste Blatt fehlt), Lage 22(4), Lage 31(6-1: Anfangsblatt entfernt). Duodez (119 x 85 mm; Textspiegel: 58 x 37 mm). Zu 15, im Kalender zu 17 Zeilen, rot regliert. Im 19. Jahrhundert gebunden in dunkelgrünes Maroquin, mit Doublüren und Marmorierung der inneren Vorsätze. Goldschnitt mit eleganter Rankenmalerei aus der Zeit des Einbands. Provenienz: Am Ende ein ungemein umfangreiches Livre de raison der Familie des François de Dagues und seiner Frau Katherine Ferrault aus Le Mans aus der Zeit von 1532-1616, mit zahlreichen Signaturen. Auf dem ursprünglich leer gebliebenen fol. 162 unter einem unleserlich gemachten, nicht sehr viel älteren Exlibris der Besitzeintrag eines Constant Huet vom 1. Januar 1809. Text fol. 1: Kalender in französischer Sprache, jeder Tag besetzt, Goldene Zahl und Feste in Gold, Sonntagsbuchstaben a in Gold auf roten und blauen Flächen, b-g in Schwarz, rö mische Tageszählung und einfache Heiligentage abwechselnd blau und rot. Heiligenaus wahl mit Festen von Dionysius (9.10.), Marcellus (3.11.) deutet auf Paris; Januar fehlt.
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fol. 13: Perikopen: Johannes, als Suffragium mit zwei Gebeten am Schluß (fol. 12), Lu kas (fol. 14), Matthäus (fol. 16) und Markus (fol. 18). fol. 19: Mariengebete, redigiert für einen Mann: Obsecro te (fol. 19), O intemerata (fol. 24). fol.29: Suffragien: Trinität, im Textverlauf (fol. 29), Johannes Baptista (fol. 29v); Petrus (fol. 30v), Stephanus (fol. 31), Katharina (fol. 31v). fol. 32v-33v leer. fol. 34: Ma rien of fi zi um für den Gebrauch von Rom: Matutin (fol. 34, Anfang fehlt), Lau des (fol. 48) Prim (fol. 64, Anfang fehlt), Terz (fol. 70), Sext (fol. 76), Non (fol. 80, An fang fehlt), Vesp er (fol. 85), Komplet (fol. 95v), Advents-Of fizium mit Egrediatur virga sowie drei Lesungen, beginnend mit Missus est angelus gabriel, (fol. 100v); danach Psal mengruppen für die Matutin verschiedener Wochentage (fol. 108, 113), fol. 119/v leer. fol. 120: Bußpsalmen, mit Litanei (fol. 135v), mit reichem Bestand, einschließlich wich tiger Pariser Heiligen, darunter Genovefa. fol. 144/v leer. fol. 145: Horen von Heilig Kreuz (fol. 145, Anfang fehlt) und Heilig Geist (fol. 154). fol. 161v-163v ursprünglich leer; auf fol. 162 Besitzeintrag von Constant Huet vom 1.1.1809; schon auf fol. 47 im unteren Randstreifen fand sich ein solcher getilgter Be sitzeintrag. fol. 164: To ten of fi zi um, für den Gebrauch von Paris: Vesp er (fol. 164), Matutin (fol. 175, nicht markiert), Laudes (fol. 207, nicht markiert). fol.223v: ursprüngliches Textende. fol. 224-232: Livre de raison der Familie des François de Dagues und seiner Frau Kath erine Ferrault aus Le Mans aus der Zeit von 1535-1616; fol. 232v leer. Schrift und Schriftdekor Wie eine bemerkenswerte Gruppe Pariser Stundenbücher ist dieses Manuskript in ei ner kleinen, eckigen Bastarda geschrieben, mit blauen Rubriken. Psalmenverse setzen am Zeilenbeginn ein und erhalten goldene Buchstaben auf blauen und weinroten Flächen; die vielen Zeilenfüller gehören zur selben Art. Die zweizeiligen und größeren Initialen hingegen erweisen sich als sehr viel fortschrittlicher, sind sie doch aus hellem Akanthus gebildet; ihre Binnenfelder sind mit Blumen, häufig auch mit Köpfen, zuweilen in Text anspielung gefüllt. Besonderer Reichtum entwickelt sich in den vorzüglichen textbegleitenden Bordüren streifen, die durchweg mit einer grotesken Figur besetzt sind. Dieselbe Qualität auch in den Bildbordüren, von denen einige mit Goldgrund arbeiten.
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Die Bilder fol. 1: Kalender mit Monatsbildern auf Recto, Tierkreiszeichen auf Verso; die Tierkreis zeichen ganz auf die Erde geholt, indem jeweils hinter der Gestalt aus dem Zodiak eine Burg im Hintergrund auftaucht – mit Ausnahme der Jungfrau, die sogar geradezu sinn widrig in einen Burghof gestellt ist. Die Bilder verraten ganz besondere Anmut und war ten oft mit Motiven auf, die man sonst kaum findet. Das beginnt bereits mit dem ersten Monatsbild: Zum Februar (der Januar fehlt), wo ein Mann mit dem Rücken zum Ka min steht, die Schuhe ausgezogen hat und die rechte Fußsohle nackt zum Feuer hält. Die Fische schwimmen in einem Fluß unter einer Burg. Ein Mann trimmt im März Wein stöcke; der Widder schreitet nach links. Im April sitzt eine junge vornehme Frau mit spitzer Haube an einem schräg nach rechts weisenden Gartenspalier, offenbar um einen Kranz zu schmücken; der dunkle Stier schreitet nach rechts. In dieselbe Richtung reitet ein vornehmes Paar im Mai; wie eine Parodie zum Sündenfall wirken die Zwillinge, die als nacktes Kinderpaar in einem umzäunten Garten, freilich unter zwei Bäumen einander fassen. Der Schnitter im Juni erscheint vor steilen Heuhaufen; vom Krebs hatten franzö sische Buchmaler nur eine ungefähre Ahnung. Auf das schlichte Bild der Kornernte vor einer Burg folgt im Juli der Löwe, der aufmerksam an einer Straße sitzt, die zu einer an deren Burg führt. Dreschen im August findet in einer Scheune statt; die Jungfrau mit der Märtyrerpalme steht in einem Burghof, von göttlichem Licht erhellt. In den Bottich für die Weinkelter im September kippt ein zweiter eine Bütte voll Trauben; ein junges Mäd chen führt die Waage in der Landschaft spazieren. Der Sämann schreitet im Oktober auf dem Acker nach rechts; der Skorpion, die ungewöhnlichste Gestalt in diesem Kalender, ist eine Art grünes Krokodil mit langem Schwanz. Der Schweinehirt im Eichenwald gehört zum November; als Schütze wird ein Kentaur gezeigt, der nach rechts prescht, aber nach links mit dem großen Bogen zielt. Schweineschlachten mit Frau, die das Blut auffängt, bestimmt den Dezember; als Halbwesen steckt der Steinbock in einem Ammonshorn. fol. 13: In den Initialen zu den Perikopen kleine Köpfe bei Johannes (fol. 12) und Mat thäus (fol. 16); der Hundekopf bei Markus (fol. 18) beweist, daß damit nicht die Evan gelisten gemeint sind. fol. 19: Von einer gewissen Ferne zu den Texten zeugt, daß bei den Mariengebeten zwar zunächst Marias Kopf das Obsecro te eröffnet (fol. 19), dann aber das Schweißtuch der Veronika dem O intemerata voran gestellt ist, das dort nicht angesprochen wird (fol. 24). fol. 34: Vom Zyklus des Marienof fiziums, der keine Abweichung vom Brauch bot, sind vier Miniaturen erhalten; dabei fällt auf, daß unser Manuskript zu den bemerkenswer ten Beispielen gehört, die auf buntfarbige Kleidung der Hauptfiguren verzichten, so daß eine Art Grisaille-Wirkung entsteht: Die Heimsuchung zu den Laudes (fol. 48) mit Maria auf dem Weg zur Burg von Zacha rias und Elisabeth schafft den irrigen Eindruck, die Ältere sei über’s Gebirg gekommen. Ein runder Flechtzaun sorgt für eine eigentümliche Distanz der Betrachter zur Szene
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und scheint das in ungezählten späteren flämischen Bordüren wiederkehrende Motiv vor wegzunehmen, bei dem die rund umzäunten Wiesen mit kleinen weißen Kaninchen be lebt sind (z. B. Leuchtendes Mittelalter III , Nr. 19, dreimal: Abb. S. 345 und 349). In der Initiale erscheint ein Bärtiger, wohl Elisabeths Gatte Zacharias, der Vater des Täufers. Bei der Hirtenverkündigung zur Terz (fol. 70) sitzt ein Hirtenpaar vorn; die Frau hat – höchst ungewohnt für die Nachtstunde, die eigentlich evoziert werden müßte, einen Be cher in der Hand und auf einem Tuch ein Brot; ihr Hund macht Männchen. Weiter hin ten sitzt ein weiterer Hirte, der mit seinem Hirtenstab bis zu den Goldstrahlen reicht, die vom Engel ausgehen. Eine hinreißende Wasserlandschaft erstreckt sich bis zur Stadt im Hintergrund; in der Initiale erscheint Veronika mit dem Schweißtuch. Bei der Königsanbetung zur Sext (fol. 76) sitzt Maria wie in vielen unserer Pariser Bei spiele links; vor ihr kniet wie gewohnt der älteste König; der mittlere steht unter dem Giebel des Stalls, während der jüngste als Rückenfigur zum Stern aufschaut, dessen Strahlen durch ein Loch im schadhaften Dach nach unten dringen. Die Flucht zur Vesp er (fol. 85) folgt wie gewohnt der Leserichtung und ist nach rechts gerichtet. Joseph, im strengen Profil, geht eilig voraus. Wie in Nr. 22 gibt Maria dem Kind die Brust, allerdings so nach links gedreht, daß Joseph, drehte er sich um, ihre Brust nicht sehen könnte. Das Kornwunder, das dort ebenfalls gezeigt wurde, rückt so weit nach vorne, daß Marias Kopf die Szene unterbricht: Links ist das Korn schon hoch auf geschossen; der Bauer verfügt auch diesmal bereits über eine Sichel, obwohl er ja zum Säen auf sein Feld gegangen war, und schaut sich um zu den Soldaten, die rechts hinter einem Hügel auftauchen. Die Stadt in der Ferne meint wohl Bethlehem. Diesmal hat die Bordüre einen Fond aus Pinselgold; in der Initiale wird ein weibliches Haupt, vielleicht Maria, vor blauem Grund in einem grünen Bilderrahmen gezeigt. Bei der Marienkrönung zur Komplet (fol. 95v) kniet die Muttergottes sehr jugendlich vor dem für sie freigehaltenen Teil von Gottes Thron, wo ein grünes Samtkissen auf dem rosafarbenen Tuch für sie bereit steht. Hinter der bildparallelen Thronlehne taucht ein Engel auf und setzt ihr die Krone auf das Haupt. Farblich eindrucksvoll ist in einem tief blauen Wolkenkranz der goldene Fond, wo sich unter einem tiefblauen runden Ziborium eine dichte Masse von Seraphim drängt. fol. 120: Zu den Bußpsalmen wird ein Gebet König Davids gezeigt: Der Greis, der seine Krone auf dem Haupt behält, die Harfe aber links in einen Torbogen abgestellt hat, kniet in einer gotischen Kapelle vor einem von zwei Kerzen flankierten goldenen Schrein. Vom zierlichen Gebäude wird die rechte Außenwand in kühner Perspektive verkürzt gezeigt. Im Profil schaut David auf, die Hände fassungslos erhoben, ohne daß ein Engel oder gar Gott erschiene. Ob der elegante Frauenkopf in der Initiale Bathseba oder gar eine Bete rin aus der Entstehungszeit des Manuskripts sein soll, bleibt ungeklärt. fol. 154: Zur Matutin von Heilig Geist hat man sich beim Pfingstwunder in einem recht geräumigen spätgotischen Sakralraum versammelt, der offenbar polygonal begriffen wird: Für Maria ist in der Mitte zwischen zwei Fensterpaaren ein hoher Thron errich
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tet. Darüber und unter der herabragenden Zierarchitektur erscheint die Taube des Hei ligen Geistes in roter Glorie. Die Apostel, unter denen nur Johannes vorn links erkenn bar ist, rücken zu den Seiten, die ganz vorn sitzenden schauen im verlorenen Profil auf. fol. 164: Zum Totenof fizium wird mit der Beichte am Sterbebett aus einem nirgendwo als Gesamtheit greifbaren Zyklus von Musterblättern zu Sterben und Begraben, aus dem in Stundenbüchern jeweils nur Einzelbilder gewählt werden konnten, eine sehr seltene Szene gewählt. Besonders gern haben sich die beiden Buchmaler mit Namen François Le Barbier, die in der bisherigen Literatur unter Maître François und Meister des Jacques de Besançon geführt werden, dieser Bilder bedient; hier aber haben wir es mit deren Vor gänger, dem Meister des Jean Rolin zu tun. Das Sterbebett ist noch leer: Vorn sitzt ein Geistlicher mit rosafarbenem Bonnet und nimmt einem Mann besten Alters, der eher wirkt, als sei er der zuweilen am Sterbebett des Vaters gezeigte Sohn, weil er noch sein Kurzschwert im Gürtel hat und wie ein Reisender den Hut über der Schulter hängen hat, tröstlich die Beichte ab; ein Hund schaut zu. Ein göttlicher Goldstrahl dürfte drei Ärzten hinten die Dringlichkeit verrät, die sie auch m Uringefäß erkennen. Zum Stil Die Ausmalung stammt vom Meister des Jean Rolin und seiner Werkstatt; der Meister hat alle großen Miniaturen ausgeführt, nicht aber die ungezählten Köpfe in Initialen und die Grotesken in den Bordüren. Das Manuskript ist in der reifen Zeit des Künstlers um 1460 entstanden und verbindet sich mit anderen Stundenbüchern desselben Stils durch den bewußten Verzicht auf buntfarbige Gewänder. Damit rückt es in engen Bezug zum später von Jean Fouquet ergänzten Stundenbuch des Simon de Varie, das in drei Bände aufgeteilt wurde, die heute in der Königlichen Bibliothek in Den Haag und im GettyMuseum in Los Angeles liegen (Marrow 1994). Ein bemerkenswertes Stundenbuch vom Meister des Jean Rolin, zwar einiger Blät ter beraubt, im erhaltenen Bestand aber unversehrt und durch den Einband und den bemalten Goldschnitt ein sehr schönes Manuskript kleinen Formats. Im Verzicht auf Buntfarben bei den Gewändern ein charakteristisches frühes Beispiel für eine Art von Halbgrisaille, die gerade von den drei Generationen Pariser Buchmaler ge schätzt wurde, die Durrieu unter dem Namen Jacques de Besançon zusammenge faßt hatte und in denen man heute den Schöpfer dieses Buchs und die ihm nachfol genden François Le Barbier den Älteren und den Jüngeren erkennt. Ungemein reich im Randschmuck und in den vielen mit Köpfen besetzten zweizeiligen Initialen, ein drucksvoll in den Miniaturen und vielleicht einzigartig im Totenbild. Dieses Ma nuskript mit seinem ungewohnt dichten Livre de Raison von 1532 bis 1616 mit den vielen Signaturen und durch das wiederauflebende Interesse zu Beginn des 19. Jahr hunderts ist ein über Jahrhunderte hochgeschätztes Monument älterer Spiritualität. LIT ER AT UR:
Das Manuskript ist bisher nicht publiziert.
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24 Ein Stundenbuch aus der Sammlung Frédéric Spitzer, von François Le Barbier dem Älteren, bisher als Maître François bekannt, mit Ergänzungen für ein Mitglied der Familie Rais
24 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Rot, mit einem Kalender in Rot, Blau und Gold, in Bastarda. Paris, um 1470: Maître François, also François Le Barbier der Ältere, mit Hinzufü gungen aus der Zeit Alexanders VI. nach 1492 Insgesamt 15 große Miniaturen: davon zwölf mit Rundbogen in Goldleisten über vier Zei len Incipit mit dreizeiliger farbiger Initiale auf Blattgold, mit vierseitigen Bordüren mit blau-goldenem Akanthus in den Ecken und Blumen in den Mitten, unregelmäßig von Vö geln und grotesken Wesen belebt; hinzugefügt ein textloses Bild in dreiseitigen Bordüren sowie ein weiteres Vollbild und ein etwa eine halbe Seite einnehmendes Bild ohne Rand schmuck. Alle Textseiten des ursprünglichen Buchblocks mit Bordürenstreifen aus Blu men und Akanthus außen. Blattgoldbuchstaben auf roten und blauen Flächen: Zweizeilig zu den Psalmenanfängen, auf Recto-Seiten zuweilen mit rechteckig begrenzten Bordürenstrei fen links; einzeilig zu den am Zeilenbeginn stehenden Psalmenversen; Zeilenfüller der gleichen Art. Hinzugefügte Partien mit Pinselgold-Buchstaben auf abwechselnd weinroten und blauen Flächen; in dieser Art auch der Kalender, der allerdings offenbar zum alten Buchblock gehört. Versalien gelb laviert. 190 Blatt Pergament. Gebunden in Lagen zu acht Blatt, durch Textverluste und Hinzufü gungen zahlreiche Abweichungen: 1(2+1), Kalenderlage 2(12), Lage 3(2+1), 4(8-1, Endblatt fehlt), 5(4), 6(8-1, Eingangsblatt fehlt), 9(8-1, Blattverlust vor fol. 55), 12(8-1, Blattverlust vor fol. 79), 12 (8-1, Blattverlust vor fol. 87). 16(4), 17(8-1, Eingangsblatt fehlt), 20(6-1, Eingangs blatt fehlt), 21(8+1, Eingangsblatt hinzugefügt), nach der regelmäßigen Lage 25(8) die letzten zwölf Blätter nicht zu kollationieren. Zu 12, im Kalender zu 17 Zeilen; rot regliert. Duodez (133 x 95 mm, Textspiegel: 70 x 49 mm). Zwar mit Blattverlusten, in den Malereien aber vorzüglich erhalten. Neuer roter Samtband über den alten Holzdeckeln; zeitweilig als Vorsätze dienende Blätter von den Deckeln gelöst. Provenienz: Auf dem nach 1492 hinzugefügten fol. 17 ein Wappen: viergeteilt, in 1 und 4 aus Gold ein schwarzes Kreuz mit einem roten Kreis links oben; in 2 und 3 Silber mit drei achteckigen Sternen und einem Dolch in Schwarz: Rais oder Retz beziehungsweise Texor von Ravisi. Offenbar gehörte das Buch zumindest um 1500 der Familie des berüchtigten Gilles de Rais (1406-1440), der als Marschall Karls VII. neben Jeanne d’Arc kämpfte und durch sei ne Verbrechen als Inbild eines „Blaubarts“ zu sinistrem Ruhm kam und dessen Tochter, Ma rie de Rais, 1442 Prigent VII de Coëtivy, den Bruder des mehrfach zitierten Olivier de Co ëtivy, heiratete. Wie das Schildchen im Vorderdeckel mit den Initialen F. S. zeigt, gehörte das Buch im 19. Jahr hundert Frédéric Spitzer (1815-1892), der die wohl umfangreichste Privatsammlung mittelal terlicher Kunst hinterließ, deren fast 3500 Objekte 1893 in über mehr als zwei Monate ver
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teilten Auktionen versteigert wurden; darunter befanden sich jedoch nur 39 Manuskripte und wenige Einzelminiaturen; unser Stundenbuch war Nr. 3018, versteigert am 1. Juni 1893. Es erschien als Nr. 21 von Leuchtendes Mittelalter V, 1993. Seither in einer französischen Pri vatsammlung. Text fol. 1: Hinzufügung aus der Zeit Alexanders VI . (1492-1503): Oracio nova pape alex andri: O domine ih(es)u xp(ist)e fili dei vivi, mit Ablaßversprechen. Sieben Verse des Hei ligen Gregor: Domine ih(es)u xp(ist)e adoro te in cruce pendentem (fol. 1v); fol. 2v-3v textlos. fol. 4: Kalender in lateinischer Sprache, obwohl nicht jeder Tag besetzt ist, wie bei Ka lendarien in französischer Sprache bei den einfachen Heiligentagen abwechselnd weinrot und blau, Feste in Gold. Goldene Zahl und Sonntagsbuchstaben a blau; Sonntagsbuch staben b-g schwarz. Die Heiligenauswahl wenig aussagekräftig; fol. 16 leer. fol. 16v: Bibeltext zur Fußwaschung, mit den Wappen der Familien Rais und Textor: Joh. 13,1-15, in der Rubrik irrig bezeichnet als Initium s(an)cti eva(n)gelii secundu(m) johan ne(m); fol. 17v-18v leer. fol. 19: Perikopen in einer irrigen Reihenfolge; denn die Erzählung von der Anbetung der Könige nach Markus wird vor den Lukasbericht über die Verkündigung gestellt; dazu gibt es dann falsche Angaben in den Rubriken: Johannes (fol. 19), Matthäus wird als Lu kas rubriziert (fol. 21) und Lukas als Markus (fol. 23), Markus schließlich als Matthäus (fol. 25, Text bricht ab). fol. 26: Mariengebet Obsecro te (Anfang fehlt; männliche und weibliche direkt hinterein ander: ego sum facturus… Et michi ancille tue N. impetres.); fol. 29v leer. fol. 30: Marienof fizium für den Gebrauch von Rom, eingeschaltet die Horen von Heilig Kreuz und Heilig Geist: Marien-Matutin (fol. 30, Anfang fehlt), Marien-Laudes (fol. 41), Kreuz-Matutin (fol. 54), Geist-Matutin (fol. 55, ohne Domine labia mea aperies und des halb bildlos), Marien-Prim (fol. 56), Marien-Terz (fol. 62), Marien-Sext (fol. 68), Mari en-Non (fol. 73), Marien-Vesp er (fol. 79, Anfang fehlt), Marien-Komplet (fol. 87, Anfang fehlt); Salve regina (fol. 90); Psalmengruppen für andere Wochentage (fol. 90v); Advents of fizium (fol. 100). fol. 110: Bußpsalmen (Anfang fehlt) mit Litanei (fol. 122v) mit Heiligen aus Regionen südlich der Loire: Martial von Limoges nach den ersten Päpsten; Justus und Pastor; Honoratus; besonders viele Frauen, darunter Radegundis von Poitiers; fol. 132v leer. fol. 133: To ten of fi zi um, für den Gebrauch von Rom: Vesp er (rubriziert „vigilie mortuo rum“, Anfang fehlt). fol. 181: Suffragien: Johannes Evangelist (fol. 181), Sebastian (auf fol. 181v angekün digt, fehlt), Nikolaus (fol. 182), Martin (auf fol. 182v angekündigt, fehlt), Apollonia (fol. 183). Hinzugefügte Franziskaner-Suffragien: Franziskus (fol. 184), Antonius von
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Padua (fol. 184), gefolgt von (S)urgit xp(ist)us cum tropheo (fol. 184v); (V)exilla regis pro deunt (fol. 186). Suffragium des Eutropius von Saintes (fol. 187); zum Namen Jesu: La moitié du nom de Ihésus. fol. 188: Gebete zu einzelnen Heiligengruppen: (O) vous seraphins… und so fort fol. 189: Suffragium Michael. fol. 189v: Gottesgebet: Pater omnis creature. fol. 190: O fons vite. fol.190v: aus Joh. 13 derselbe Text in derselben Schrift wie fol. 16v, bricht in der 7. Zei le ab; Textende. Schrift und Schriftdekor Zwischen Tradition und Neuerung steht der Schriftdekor: Die Bastarda hatte sich be reits seit Jahrzehnten durchgesetzt; doch lebt in der Ausstattung mit Flächendekor äl tere Pariser Tradition fort. Auch war dem Illuminator der Brauch kaum noch vertraut, zweizeiligen Initialen eigene Bordürenstreifen zuzuordnen, die bei einem durchgehenden Textdekor mit Randschmuck außen nur auf Recto-Seiten nötig waren. Eigentlich gehö ren solche Elemente zum Dornblattdekor, aus dem dann das Bordürenstück sprießen müßte; doch von Dornblatt ist bei den Initialen ebensowenig zu sehen wie in den Ran ken. Dem offenbar hier zu Tage tretenden Mißverständnis entspricht der Umstand, daß man dann doch über weite Strecken auf solche Elemente verzichtet hat. Die Randstreifen sind teppichhaft dicht gefüllt und von einfachen roten Linien umgrenzt, die in der glei chen Art wie die durchweg gut sichtbare Reglierung ausgeführt sind. Der Blumendekor ist stark stilisiert, Akanthus auf Blau und Gold beschränkt. Die Vögel in den Bordüren scheinen wenigstens im Marienof fizium von der Hand des Hauptmalers zu stammen. In den großen Initialen der Bildseiten treten neuere Tendenzen auf: Sie sind mit stilisier tem Akanthus gefüllt, zur Marien-Non sogar bereits in jenen weißlichen Tönen, die um 1500 dominieren sollten. Pinselgold statt Blattgold erlaubt, die darin eingebetteten For men flüssiger zu gestalten, wobei noch weitgehend ein umgebender Blattgoldstreifen bei behalten bleibt. Billiger und moderner sind die Initialen der Perikopen und Suffragien: Der Buchstabe wird in dunkelrotem oder dunkelblauem Akanthus auf der jeweiligen Gegenfarbe ausgebildet und dann mit Gold und Silber als ein Gebilde aus Blattformen modelliert. In gleicher Art sind die KL im Kalender gestaltet. Hinzufügungen aus den Jahrzehnten um 1500 machen aus diesem Kodex eine Art Schriftmusterbuch: Eine besonders feine Zierschrift, der Bastarda des Buchblocks ver wandt, wird auf fol. 16v/17 21zeilig eingesetzt, mit einer fortschrittlichen Pinselgold-In itiale auf weinrotem Grund. Der Text sollte offenbar zunächst auf fol. 190v geschrieben werden; dort hat der Schreiber sieben Zeilen ausgeführt und die Arbeit abgebrochen, um das dann vorn eingefügte Doppelblatt zu benutzen. Ähnlich gestaltet sind Initialen
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auf fol. 1v-2, wo allerdings eine altertümlich steile Textura mit sandfarbig lavierten Ver salien eingesetzt ist. Bastarda wie im Buchblock dient für die Franziskaner-Suffragien auf fol. 184, wo die Rubriken in einer hellroten Tinte geschrieben sind, die auch für zweizeilige Lombarden benutzt wird. Auf fol. 184v-186v kehrt eine ähnliche Textura wie auf fol. 1v/2 wieder, nun allerdings mit leer gebliebenen Räumen für die Initialen. Auf fol. 187 genügt dann eine fast kursive Gebrauchsschrift, die auf fol. 188 noch einmal vergröbert wird. Schön schrift nach dem Vorbild von fol. 16v/17 wird für das Michaels-Suffragium auf fol. 189 ausp robiert. Drei weitere Hände haben dann die Texte auf fol. 189v und 190 in abneh mender Qualität geschrieben. Zu den Hinzufügungen gehören auch Ergänzungen und Korrekturen im Buchblock, so mehrere Zeilen unter dem Text von fol. 167v und 176v. Die Bilder fol. 1v: Über den Versen des Kirchenvaters Gregor wird in einem rechteckigen Bild der Inhalt der Gregorsvision gezeigt: Vor einer mit farbigen Säulenschäften besetzten Wand zeigt sich der Schmerzensmann im mit Pinselgold gehöhten Sarkophag, mit über dem Schoß gekreuzten Armen, aus seinen Wunden blutend, das Haupt gesenkt. fol. 3: Zwischen zwei textlosen Seiten ein bartloser Bischof in einer Landschaft, namen los, als Hochrechteck mit Bordüren links, unten und rechts. fol. 18: Ohne Randschmuck ein großes textloses Bild der Fußwaschung Christi: Schau platz ist eine Raumecke in einem flachgedeckten Zimmer mit einem großen Fensteraus blick in die Landschaft, den Renaissancesäulen rahmen. Rechts kniet Jesus vor einer gro ßen Schale nieder, um Petrus, der sich mürrisch sträubt, mit seiner weißen Schürze den rechten Fuß zu trocknen. Durch einen Bogen links drängen die anderen Apostel mit den jugendlichen Brüdern Johannes und Jakobus herein. Eine Inschrift am Gewandsaum be zeichnet Petrus; bei Jakobus sind die Buchstaben durcheinander geraten. fol. 19: Die vom Schreiber in der Textfolge angerichtete Unordnung nimmt der Maler nicht zur Kenntnis; seine Bilder verraten, daß er die einzelnen Texte kennt und bei der Arbeit an noch ungebundenen Blättern die Rubrizierung nicht vor Augen hatte; in gu ter Tradition eröffnet er die Perikopen durch vier Evangelistenportraits: Johannes auf Patmos (fol. 19) sitzt auf dem nach vorn kreisrunden Eiland, das sich mit Bäumen hinter ihm wunderbar in die Tiefe erstreckt, in einer weiten Flußlandschaft vor der Kulisse einer Stadt; der Adler hält sein Schreibzeug. Johannes schreibt in ein Buch, während die drei anderen auf Schriftbänder schreiben, die sie auf die Knie gelegt haben. In der Bordüre unten ein nackter Knabe, der ein Mischwesen mit Kamelskopf und ei nem bärtigen Menschenkopf an der Brust reitet. Die drei weiteren Miniaturen sind als bemerkenswerte Interieurs gestaltet und mit Dia phragmen eingefaßt. Deren Maßwerk teilt bei Matthäus und Lukas als Doppelbogen
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mit einem hängenden Schlußstein die Räume so, daß jeweils eine Hälfte dem unter ei nem Baldachin sitzenden Evangelisten und die andere seinem Attributswesen zugeteilt ist. Dabei wechselt die Leserichtung; denn Matthäus sitzt rechts, Lukas links. Matthäus (fol. 21) sitzt vor einem leeren Bücherpult; denn ihm genügt die Inspiration durch den Engel, der ihm ein Buch geöffnet vorhält, damit der Evangelist daraus auf sein Schrift band notieren kann. Lukas (fol. 23) hingegen, der ebenfalls auf ein Schriftband schreibt, hat ein blau gebundenes Buch vor den Stier auf den Boden gelegt und ein zweites auf dem Bücherpult hinten abgestellt. Markus (fol. 25) sitzt unter einem Betthimmel vor ei nem schräg im Raum stehenden Kasten, der ein drehbares Buchpult trägt und blättert ein Buch, aus dem er abschreibt. Der Löwe ist weit nach rechts gedrängt und blickt den Betrachter an. fol. 30: Das Marienof fizium wird abweichend von in Paris gewohnter Norm von einem Passionszyklus eröffnet. Damit wird die einzige Erzählung, die sich in der christlichen Tradition im Ablauf eines einzelnen Tages von Nacht bis erneutem Einbruch der Nacht hinzieht, auf das tägliche Stundengebet bezogen. Das geschieht unabhängig von den ein gefügten Stunden des Heiligen Kreuzes, weil die dort am Anfang (fol. 54v) berichtete Gefangennahme bereits zu den Marien-Laudes (fol. 41) dargestellt ist. Derartig gestaltete Stundenbücher finden sich oft in Westfrankreich; das prominenteste Beispiel war für Guy de Laval bestimmt, wurde für uns von Gabriele Bartz analysiert, gibt einem bedeutenden Maler seinen Notnamen und wird heute in der Sammlung Renate König aufbewahrt (Leuchtendes Mittelalter, Neue Folge III, 2000, Nr. 6 und kurz darauf in einem später auch als Monographie erschienenen Beitrag zu Nr. 8 der Kölner Ausstel lung von 2001; siehe auch die in diesem Jahr erscheinende Monographie der Autorin). Der Zyklus setzt zu den Marien-Laudes mit der Gefangennahme Christi (fol. 41) ein: Unter dem gegen den Nachthimmel ragenden Gartentor bildet die Gruppe des Judas kusses das Zentrum des Figurenreliefs, das von links unten nach rechts ansteigt. Da bricht Malchus ins Knie, während Petrus sein Schwert in die rote Scheide steckt. Unbe irrt vom Kuß des Verräters und vom Tritt eines von rechts angreifenden Soldaten streckt Jesus die Hand aus, um das abgeschlagene Ohr wieder anzusetzen. Im Kolorit kämpfen Buntfarben mit dem Wunsch, nächtlichen Eindruck zu schaffen; dadurch entsteht eine Farbkomposition, die auf eigenartige Weise gegensätzliche Figuren miteinander verbin det: Judas trägt dasselbe Violett, das Jesu Ungenähten Rock kennzeichnet, und darüber ebenfalls einen roten Mantel, dessen Farbe im Wams des Malchus wiederkehrt. Die üp pige Goldhöhung aller drei roten Flächen verbindet mit der nur rot modellierten golde nen Tunika Petri, dessen prachtvoll blauer Mantel wiederum im Wams des Angreifers rechts eine Parallele findet. Eigentlich müßte nun das Verhör durch den Hohenpriester folgen; stattdessen wird be reits zur Kreuz-Matutin die Geißelung (fol. 54) gezeigt: Säulen mit hellgrünen Schäften tragen einen goldenen Bogen als Binnenrahmung der Miniatur; eine leicht mit Rosa ge tönte Säule trägt das Gewölbe eines durch schräg gestellte Wände geschlossenen Poly gons. An diese Säule ist Christus gebunden; zwei Schergen schlagen von den Seiten auf
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ihn ein. Selbst sie tragen das Violett, das eigentlich Jesu Rock auszeichnet. Rotes Schuh werk vorn blitzt auf. Daß beide Farbtöne in unserem Stundenbuch geradezu für den Maler zum Programm werden, zeigt Jesus vor Pilatus zur Marien-Prim (fol. 56): Pilatus und die drei Männer um ihn tragen Violett, das bei Christus durch den roten Mantel fast verdeckt ist. Rotes Schuhwerk sorgt wieder für einen gar nicht ins Gesamtkolorit integrierten Effekt. Jesus, ganz in die Figurengruppe links mit ihrer Isokephalie eingebunden, trägt die Dornen krone; Pilatus einen hohen Hut, wie er da auf seinem Thron unter einem runden Balda chin sitzt und sich vorbeugt, um die Hände zu waschen. Die Kreuztragung zur Marien-Terz (fol. 62) variiert einen alten Bildgedanken des Boucicaut-Meisters, wie er im Berliner Stundenbuch (Kupferstichkabinett, Ms. 78 C 4) ausgeprägt ist: Aus dem Stadttor von Jerusalem links führt der Weg nach rechts oben; dabei sorgt die neue Beherrschung des Raums dafür, daß das Gedränge vor der Stadt in deutlichen Kontrast zur schlichten Öffnung in die Landschaft tritt, ohne daß Golgatha gezeigt würde. Maria in ihrem blauen Gewand folgt ihrem Sohn, der das Kreuz mit dem Querbalken nach vorn trägt und von drei Schergen gestoßen und gezerrt wird. Das Ge sicht des Lieblingsjüngers Johannes taucht hinter der erhobenen Faust eines Peinigers auf. Kompositionell überraschend ist die Kreuzannagelung zur Marien-Sext (fol. 68); man könnte fast den Eindruck bekommen, der Maler habe es auf äst hetisches Alternieren von Miniatur zu Miniatur angelegt; denn wie bei der Geißelung wird das Personal erneut stark reduziert: Auf einem ansteigenden Hügel, mit dem Querbalken rechts oben liegt das Kreuz, an das Jesu Hände und Füße nur gebunden sind. Es geht nicht um sinnvolle Abläufe, sondern um Gesten, die Grausamkeit ausdrücken sollen: Vorn zerrt ein Scher ge den Strick, der um die Füße gebunden ist und drängt nach rechts; er bringt auffälli ge Farben ins Bild: über weißen Beinkleidern ist sein Wams prachtvoll blau, und seine Mütze leuchtet rot. Zwei weitere, durch Proportionen und mattere Farbtöne zurückge nommen, sind dabei, Jesu rechte Hand festzuzurren und nun auch anzunageln. Geisterhaft wirkt die Kreuzigung zur Marien-Non (fol. 73): Unter einem dunklen Him mel, in dem die Sonne wie ein Stern von Bethlehem leuchtet und der silberne Mond durch Oxydation ganz schwarz geworden ist, steht Christi Kreuz über einem Knochen und einem Schädel, der den Begriff Golgatha als Schädelstätte veranschaulicht. Johan nes und Maria stehen links, zu ihnen ist der tote Christus gewendet, während Soldaten rechts offenbar dem vornehmen Herrn zuhören, der erstaunlicher Weise als Rückenfi gur am Bildrand steht, in langer Robe und mit hohem Hut, aber auf ein Schild gestützt; das beste Element dieses links nicht recht überzeugenden Bildes ist der bartlose Soldat, der mit seiner Hand auf den Erlöser zeigt und fragt, ob der wirklich Gottes Sohn ist. fol. 181: In den Suffragien wird nun auch Johannes Evangelist (fol. 181) in seinem Studio gezeigt, wo er unter dem Diaphragma als zarter Jüngling neben einer Truhe mit drehba rem Buchpult steht. In der Hand hält er den vergifteten Kelch, aus dem er mit seiner Se gensgeste ein grünes Ungeheuer vertreibt. Im Hintergrund des eindrucksvoll beleuchte
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ten Raums spannt sich ein blauer Brokat. Tiefer Schatten links und diff uses Licht rechts geben den Gegenständen eine erstaunliche Präzision. Unter einem Doppelbogen mit hängendem Schlußstein, wie er bei Matthäus und Lu kas zu finden war, jedoch in einem Raum, der mit dem roten Brokat und den schräg ge stellten Seitenwänden an die Szene der Geißelung erinnert (auch wenn hier keine Säule steht) wird der Bottich mit den drei Jünglingen und, rechts daneben stehend, Nikolaus (fol. 182) gezeigt: Die Nackten richten sich betend auf zum heiligen Bischof, dessen Se genshand die Bildmitte einnimmt. Zum Stil Der Buchblock ist einheitlich illuminiert. Das graue Violett als Kleiderfarbe, die von Jesu Ungenähtem Rock vertraut ist, hier aber unterschiedslos Guten wie Bösen zukommt, ist neben den kleinen Partien von leuchtendem Rot geradezu eine Erkennungsfarbe des ver antwortlichen Künstlers, der dazu Grün und Blau bevorzugt und besonders fein Braun töne differenziert, die in Rot wie Schwarz übergehen können. Nur die reinen Farben Blau, Zinnober und Grün sowie das nur selten benutzte Gelb kommen ohne Gold höhung aus. Geschickt weiß der Maler mit Schatten umzugehen. Da er Haut eher grau tönt und sogar Gesichter kaum mit Rot belebt, gibt der Maler den Figuren ein klares Relief. Raumtiefe interessiert ihn weniger als die Geschlossenheit von Figurengruppen. Bei den Evangeli sten und den Heiligen der Suffragien könnte der Eindruck entstehen, sie seien von ande rer Hand; vielleicht aber ist nur die Intensität der Durcharbeit angesichts der geringeren Bedeutung dieser Partien gemindert. Im Hauptmeister wird man ohne Zögern den sogenannten Maître François erkennen. Ihn hat der General des Trinitarierordens Robert Gaguin, der 1488 eine Übersetzung von Cäsars De bello gallico vorlegte, die ihrerseits einem wichtigen Pariser Buchmaler den Notnamen gibt (Leuchtendes Mittelalter VI , Nr. 35), in einem Brief an Charles de Gau court als „egregius magister Franciscus“ bezeichnet. Dabei bezog sich Gaguin auf ein mo numentales Exemplar der Cité de Dieu, also der französischen Fassung der Schrift De civitate Dei des Kirchenvaters Augustinus – ms. fr. 18-19 der Pariser Nationalbibliothek, die ganz und gar eigenhändig ausgeführt sind. Seit neuestem jedoch meint man, den Namen des Künstlers endlich zu kennen: Mathieu Deldicque hat in der Revue de l’art 2014 den überzeugenden Vorschlag gemacht, Vater und Sohn François le Barbier, die beide als Buchmaler gearbeitet haben und vermutlich mit den Druckern Jean Barbier und Symphorien Barbier verwandt waren, mit unserem Meister und dem jüngeren Jacques de Besançon als François le Barbier den Älteren, des sen Lebensende im Dunkeln bleibt, und François le Barbier den Jüngeren, der wohl 1501 verstorben ist, zu identifizieren. Diese hochwillkommene Präzisierung sorgt dafür, ganz im Sinne von Eleanor P. Spencer, die ihr Leben lang über diesen Maler geforscht hat, endlich die letzten Zweifel zu beseitigen, man habe es mit einem Sohn François von Jean
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Fouquet zu tun; sie sorgt auch für eine willkommene Distanzierung von der Familie der d’Ypres oder d’Amiens. Allerdings bleibt ein Problem: Der Name sagt nichts über die Herkunft des in Paris ansässigen François Le Barbier, der vermutlich 1455/56 ein Haus auf dem Pont Neuf Notre-Dame gemietet hat. Die Herkunft aber ist von Interesse, nach dem bereits Eleanor Spencer enge Bezüge zu flämischer Malerei gesehen hat. Mit Maître François haben wir uns bereits in unserem Katalog Leuchtendes Mittelalter Neue Folge I, 1997, ausführlich auseinandergesetzt, weil uns damals ein eindrucksvoller Boccace vorlag. In erster Linie tritt der Künstler in der Bebilderung großer Texthand schriften hervor. Doch hat er auch eine bemerkenswerte Anzahl vorzüglicher Stunden bücher gestaltet. Ungewohnt ist in der hier vorgestellten Handschrift die Ausrichtung auf den Gebrauch von Rom, die Einschaltung der Horen von Heilig Kreuz und Heilig Geist ins Marienof fizium und schließlich die Bebilderung der Marienstunden von Lau des an mit einem Passionszyklus. Gerade diese Eigenschaft verbindet man eher mit der Loiregegend und der Bretagne, zumal sie im Stundenbuch des Guy de Laval besonders prominent auftritt. Die besondere Gestaltung des Marienof fiziums erhält durch die späteren Hinzufügun gen für die Familie Texor de Ravisi oder besser Rais vielleicht einen historischen Sinn: Der Buchblock könnte bereits für diese Familie geschaffen worden sein. Die hinzugefügten Miniaturen stammen aus zwei deutlich unterschiedenen Malkultu ren, die nicht genauer definiert werden können. Durch ihr dunkles Kolorit verbinden sich der Schmerzensmann und die Fußwaschung (die für die Rais gemalt wurde) gegen den namenlosen Bischofsheiligen. Am eindrucksvollsten ist dabei der Schmerzensmann, zumal der Wahl des Sujets ein kluger Gedanke zugrunde liegt: Indem statt der Dar stellung der Gregorsvision nur der geistliche Kern der Vision gezeigt wird, versetzt der Maler die Beter in die Rolle des Kirchenvaters, dem der Schmerzensmann beim Meß opfer erschienen ist. Ein eindrucksvolles Werk von François Le Barbier dem Älteren, den man bis 2014 nur als Maître François kannte: Unter den guten Stundenbüchern des Malers nimmt die hier vorgestellte Handschrift einen bemerkenswerten Platz ein, bietet sie doch den wichtigsten Passions-Zyklus wenigstens bis zur Kreuzigung und dazu ganz vor zügliche Evangelistenportraits. Wohl für Mitglieder der Familie Rais geschaffen und zumindest für sie mit zwei eindrucksvollen Bildern nach 1492 ergänzt. LIT ER AT UR:
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25 Ein Stundenbuch vom Meister des FoucaultBoccace, eines Konkurrenten des Meisters von Jean Rolin und von François Le Barbier dem Älteren
25 • Stundenbuch. Horae B. M. V. für den Gebrauch von Paris. Lateinische und französische Handschrift auf Pergament, Rubriken in Rot, mit einem Kalen der in Rot und Blau, Festtage in Gold, geschrieben in Textura. Paris, um 1460: Meister des Foucault-Boccace und ein Mitarbeiter Acht große Miniaturen mit flachem Rundbogenabschluß, gerahmt von dreiseitiger Zier leiste, die zum Falz mit einem Doppelstab übergeht, über vier Zeilen Text mit dreizeiligen Dornblattinitialen; vierseitige Akanthusbordüren mit dichtem grün-goldenen Blattwerk, Blüten und wunderbaren vollfarbigen Vögeln und Insekten, gerahmt mit Rot oder Gold; eine vierzeilige Dornblattinitiale mit geometrischem Muster zum Mariengebet. Zweiz eilige Dornblatt-Initialen in Rot oder Blau auf Gold, jede Textseite mit einer Bordüre außen mit Blattwerk und Akanthus, aus den zweizeiligen Initialen zu Psalmenanfängen auf Recto zusätzlich in den Rand ausstrahlendes Dornblatt, einzeilige Initialen zu den Psalmenversen in Gold auf rot-blauem Grund mit weißem Liniendekor, Zeilenfüller in der gleichen Art. Ver salien gelb laviert. 192 Blatt Pergament, vorne und hinten je 1 fliegendes und 1 festes Vorsatz aus Pergament. Gebunden in Lagen zu acht Blatt, davon abweichend die Kalenderlage 1 (12) sowie die Lagen 2(8-1, 7. Blatt fehlt), 4(8-1, Eingangsblatt fehlt), 9 (8-1, 7. Blatt fehlt), 10(8-1, 4. Blatt. fehlt), 11(8-1, 8. Blatt fehlt), 12 (6), 15 (6), 22 (8-1, 2. Blatt fehlt) und die Endlage 25 (4). Zu 15, im Kalender zu 17 Zeilen, rot regliert. Oktav (159 x 114 mm, Textspiegel 77,5 x 51,5 mm). Roter Samteinband, eine Schließe, Goldschnitt. Provenienz: Sotheby’s London, 12.7.1939, lot 9: £ 60.0.0, an Joseph. Text fol. 1: Kalender für Pariser Gebrauch, jeder Tag besetzt, Heiligentage in Rot und Blau, Festtage in Gold, Goldene Zahl in Gold, Sonntagsbuchstaben b-g in Schwarz, Sonn tagsbuchstabe A in Blattgold auf rot-blauem Grund, Iden und Nonen in denselben Far ben wie die Heiligentage. fol. 13: Perikopen: Johannes (fol. 13), Lukas (fol. 14v), Matthäus (fol. 16) und Markus (fol. 17v). fol. 19: Mariengebet: Obsecro te (Anfang fehlt), für eine Frau redigiert; O intemerata (fol. 22v). fol. 27: Marien-Antiphon: Ave regina celorum, auf einem sonst leeren Blatt. fol. 27v: leer. fol. 28: Marienof fizium für den Gebrauch von Paris, mit drei vollständigen Nokturnen zur Marien-Matutin: Matutin (fol. 28, Anfang fehlt), Laudes (fol. 51v), Prim (fol. 63),
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Terz (fol. 69), Sext (Anfang fehlt vor fol. 73), Non (fol. 77), Vesp er (fol. 80v), Komplet (fol. 88). fol. 94: Bußpsalmen, mit Litanei (fol. 107), darunter die Pariser Heiligen Dionysius, Lud wig, Opportuna und Genofeva. Claudius unter den Bekennern spricht für eine relativ späte Entstehung der Handschrift. fol. 112: Horen von Heilig Kreuz (Anfang fehlt) und Horen von Heilig Geist (Anfang fehlt, fol. 114). fol. 117: To ten of fi zi um, für den Gebrauch von Paris. fol. 165: Gebete in französischer und lateinischer Sprache: XV Joyes: Doulce dame (An fang fehlt, fol. 165), VII Requestes: Doulx dieu (fol. 170v), Ave domine ihesu xpe (fol. 174), Verse des heiligen Bernhard: Illumina occulos meos (fol. 175), Omnipotens sempiterne deus qui ezechie regi vide (fol. 176). fol. 176v: Suffragien: Trinität (fol. 176v), Heilig Kreuz (fol. 177), Michael (fol. 177v), Jo hannes Baptista (fol. 178), Petrus und Paulus (fol. 178v), Christophorus (fol. 179), Seba stian (fol. 180v), Nikolaus (fol. 181v), Anna (fol. 182v). fol. 183: Gebete zur Lesung während des Kirchgangs und der Messe: Quant on se veult co nfesser: Per sanctorum omnium… (fol. 183), Devant qu’on recoive le corps n(ost)re s(eigneu) r. (fol. 183v), Domine Ihesu xpe fili dei… (fol. 184), En recevant le corps: Domine non sum digna… geschrieben für eine Frau (fol. 184), Apres la reception du corps: Vera susceptio co rporis et sanguinis tui deus… (fol. 184v). fol. 184v: Suffragien: Vincentius (fol. 184v), Laurentius (fol. 185), Stephanus (fol. 185v), Cosmas und Damian (fol. 186), Fiacrius (fol. 186v), Genofeva (fol. 187), Barbara (fol. 187v), Margarete (fol. 188), Katharina (fol. 188v), Avia (fol. 189), Agnes (fol. 189v), Thomas (fol. 190). Schrift und Schriftdekor Konservative Tendenzen drücken sich in der Wahl der Textura aus, zu der der Flächen dekor für die einzeiligen Gold-Initialen und der Dornblattdekor zu den zweizeiligen Zierbuchstaben paßt. Bordürenstreifen zu allen Textseiten auf dem Außenrand waren üblich; älterem Brauch folgt die Zuordnung von Bordürenstücken zu den zweizeiligen Initialen, die sich nur auf Recto zeigen läßt. Die Textbordüren sind recht aufwendig mit in Buchmalerfarben ausgeführten Motiven bereichert, darunter gern auch Akanthus motive. Auch auf den Bildseiten zeigt sich ein gewisses Verharren in Traditionen; denn so fort schrittlich die wunderbaren Blattranken mit dem eleganten blau-goldenen Akanthus auch sein mögen, so behauptet Dornblatt doch bei den breiten Zierleisten seinen Platz. Mit raschen Strichen, aber erstaunlich treffend sind Vögel skizziert, die einige Bordüren beleben. Die festen Goldränder geben dem Randschmuck Halt.
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Bildfolge fol. 13: Zu den Perikopen genügt wie so oft ein einziges Bild; es zeigt Johannes auf Patmos: In ein goldenes Gewand ohne Mantel gehüllt sitzt der jugendliche, geradezu mäd chenhaft wirkende Evangelist auf der Insel, die vorn und links von Wasser begrenzt wird, während rechts der Adler mit dem Schreibzeug im Schnabel steht, vor einem Felsen in demselben Grauton wie das Gefieder. Ein schlanker dürrer Baum steht hinter Johannes; gegen den Himmel erheben sich in der Ferne die Türme der Stadt Ephesus. Fol. 28: Nur vier der einst acht Bilder zum Marienof fizium blieben von Blatträubern ver schont; sie lassen erkennen, daß auch hier der gewohnte Brauch für die Bebilderung galt. Die Heimsuchung zu den Laudes (fol. 51v) rückt die Ausmalung unseres Stundenbuchs sehr viel energischer ins Umfeld dessen, was man bisher dem Maître François gab: Von einem dunklen Berg wird die Jungfrau Maria herabgestiegen sein. Nun steht sie, ganz in Blau gekleidet vor Elisabeth, deren Haus wie eine lichtdurchflutete, mit Maßwerk geschmückte Kapelle die rechte Bildhälfte einnimmt. Die greise Frau trägt Rosa, dazu aber in demselben Blau wie Maria eine Haube. Im Hintergrund stehen wieder Türme vor dem Himmel. Die Anbetung des Kindes zur Prim (fol. 63) schließt sich der Tradition an, den Stall von links ins Bild ragen zu lassen; unter dem Giebel kniet Maria und betet den nackten Kna ben an, den sie auf ihren Mantelsaum gelegt hat. Joseph ist von rechts gekommen und ebenfalls niedergekniet. Zwischen beiden steht ein kleiner Engel in grüner Tunika; hin ter Maria lagert der Esel und dreht von links seinen Kopf zur Mitte, hinter Joseph der Ochse. Ein glänzendes braunes Brokattuch grenzt den Vordergrund gegen die nur sum marisch behandelte Landschaft ab. Das anmutigste Bild in diesem Manuskript ist die Hirtenverkündigung zur Terz (fol. 69): Ein etwas zu großer Hirte sitzt links unten und bläst die Sackpfeife; ein zweiter steht rechts, sehr viel kürzer und mit seinen schwarzen Schuhen so mit dem Schuhwerk des anderen verschmolzen, daß die Formen nicht recht unterschieden werden können. Sein Haupt wendet er im Profil nach links, nur von der Fläche, nicht von der Tiefendimensi on her zu der auffälligsten Gestalt gewendet: eine ganz in Weiß gekleidete Hirtin, deren Sitz im Halbrund von einem Flechtzaun umgeben wird. Von einer wohl nur im Sommer zu machenden Beobachtung inspiriert ist die Darstellung der Schafherde: Sie drängt sich unter einem Baum links im Mittelgrund auf eine Weise, als handele es sich um eine run de Mauer aus abgeschliffenen grauen Steinen. Vor den Türmen einer Stadt am Horizont richtet sich die Flucht nach Ägypten zur Ves per (fol. 80v) nach rechts, wie in unseren Manuskripten üblich. Dahin schreitet der Esel mit gesenktem Kopf, von Joseph geführt, während die Muttergottes liebevoll auf ihr Wickelkind blickt, das sie im Arm trägt. Maria sitzt im Damensitz auf einem Satteltuch mit wunderbarem roten Goldbrokat.
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fol. 94: Nach links gewendet kniet David in Buße zu den Bußpsalmen vor einem wieder lichtdurchfluteten Palastbau, der wie eine Kapelle wirkt, auf einer Wiese, die durch eine niedrige Mauer von der Landschaft dahinter getrennt ist. Die Harfe und den Kronhut hat er abgelegt; doch trägt er eine Scheibe auf dem Kopf, die wie ein negativer Kreuz nimbus wirkt, ist sie doch grau und mit Schwarz genauso vierteilig gemustert wie Chri sti Heiligenschein im Trinitätsbild von fol. 170v. Er betet zu Gott, der sich links oben über den Türmen einer Stadt in einer Himmelserscheinung zeigt. fol. 117: Aus der auch in unserer Nr. 23 benutzten Serie von Bildvorlagen zu den Ster be- und Begräbnisriten, die im Umfeld von François Le Barbier dem Älteren und dem fizium heran Jüngeren für Stundenbücher dienten, stammt auch das hier zum Totenof gezogene Bild der Lesung der Totenvigil am Sterbebett: Wie in diesem Zyklus üblich steht das Bett bildparallel, mit der Kopfseite links, also in der Leserichtung nach rechts gewendet, mit einem Stuhl links. Der Betthimmel besteht aus rotem Brokat, an den ein goldenes Bildchen mit einem Kreuz geheftet ist. Der Sterbende wird von seiner Ehefrau begleitet, die zum Betrachter gewendet hinter der Längsseite des Bettes steht. Mit of fenen Augen blickt er noch zu dem Mönch am Fußende, der laut vorliest. Er trägt über der schwarzen Soutane ein weißes Skapulier. fol. 170v: Über kraftvoll blauen Wolken steht Gottes Thron; ihn besetzt die Trinität in der Bildformel, die sich aus dem gewohnten Bild zu Psalm 109 (Dixit dominus domi no meo) herleitet: In einen gemeinsamen rosafarbenen Mantel gehüllt zeigen Sohn und Vater, die Taube zwischen ihren Häuptern, das offene Buch des Lebens. Ihr steinerner Thron wird von Engelgruppen gerahmt, die im feurigen Rot der Seraphim gehalten sind. Kreise aus demselben Rot, Gelb und Blau hinterfangen den Sitz, über dem sich noch ein hoher steinerner Bogen erhebt. Zum Stil Die Bilder schöpfen, wie die Darstellung zum Totenof fizium, aber auch Davids Buße zeigt, aus den Bildvorlagen, die seit den Anfängen des Meisters von Jean Rolin in dessen Pariser Familie verwendet wurden. Dem entspricht auch der Farbgeschmack mit den kühlen Grundfarben. In meinem Buch (mit Gabriele Bartz), Boccaccio und Petrarca in Pa ris, (Leuchtendes Mittelalter. Neue Folge I) Bibermühle 1997, bin ich auf diesen bis dahin gar nicht von seinem Umfeld geschiedenen Buchmaler gestoßen. Er ist ein Zeitgenosse eher von Maître François, also François le Barbier dem Älteren; An dem monumentalen Boccace, den ich damals beschrieben habe und der einmal Nicolas Foucault gehört hat, war er vom Frontispiz an führend beteiligt. Der Künstler wird wie sein berühmterer Zeitgenosse beim Meister des Jean Rolin ge lernt haben. Mit François le Barbier d. Ä. teilt er den Sinn für helle Farben, gibt Blau und Grün einen leichten Grauton. Anders als jener gliedert er seine Bilder stärker geo metrisch; das tritt in diesem Manuskript besonders klar in der Heimsuchung zu Tage: In großen Schrägen staffelt er Berge und Wiesen; am leichtesten erkennt man ihn an den
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säuberlich in Dreiecke gegliederten Baumkronen, die eigentümlich flächig angelegt sind, während beispielsweise in Nr. 24 Bäume plastisch gerundet sind. Der Meister des Foucault Boccace hat auch an den Wharncliffe Hours in Melbourne (Manion 1981) mitgearbeitet und dort beispielsweise Johannes auf Patmos gemalt. Des sen Bild hat er hier allerdings einem Mitarbeiter überlassen. In Zeichnung und Malerei steht dessen Arbeitsweise der Werkstatt der Schöffen von Rouen nahe; das spricht aus dem Johannesgesicht ebenso wie dem David zu den Bußpsalmen und wird von der mit recht kräftigen Schraffen arbeitenden Modellierung bestätigt. Ein Pariser Stundenbuch aus dem Orbit der bedeutenden Generationsfolge, die vom Meister Jean Rolins über François le Barbier père zu François le Barbier fils führt, mit altertümlichen Zügen im bemerkenswert aufwendigen und guten Schrift- und Randdekor. Die besten Miniaturen hat eine interessante Hand aus dem Umfeld der beiden besser erforschten Maler geschaffen. Wir sind 1997 im Boccace, der einst Nicolas Foucault gehört hat, auf ihn gestoßen, aber noch nicht dazu gekommen, sein Œuvre ausreichend abzustecken. LIT ER AT UR:
Das Manuskript ist bisher nicht publiziert.
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Register Zum rascheren Auffinden von Autoren, Übersetzern und Bearbeitern (1); Buchmalern (2), Schreibern (3); Buchbindern (4); sowie Auftraggebern und Provenienzen (5). Die Num mern beziehen sich auf diejenigen des Katalogs. Da es sich bei den Handschriften durch gehend um Stundenbücher handelt, werden diese im Register nicht eigens aufgeführt. A
E
Alençon, Françoise de (5) 2 Ashburnham, Earl of (5) 2 Avery, Samuel Putnam (5) 14
Elst, Charles van der (5) 1
B Barrois, Joseph (5) 2 Beck, Helmut (5) 16 Bedford-Meister (2) 12, 14, 15 Belin, Théophile (5) 13, 22 Berès, Pierre (5) 8, 16 Berry, Jean Duc de (5) 4 Boiveau, Familie (5) 19? Boucicaut-Meister (2) 6 Boucicaut-Nachfolger (2) 8 Bourbon, Cathérine de (5?) 3 British Rail Pension Fund (5) 14 Brockman, James (4) 1, 13 Brugalla (4) 2 Budé, Jean (5) 2
C Castelnau, Familie (5) 4 Clore, Charles (5) 3 Coëtivy-Meister (2) 19, 20, 21 Collection Arcana (5) 1, 21 Conrad von Toul (2) 10, 11, 12, 13 Corlieu, Jean de (5) 6 Corlieu, Thomas de (5) 6
D Dagues, François de (5) 23 Danon, Robert (5) 2, 16 Dunois-Meister (2) 11, 12, 14
F Ferrault, Kathérine (5) 23 François le Barbier Père (2) 24 Friedlaender, Helmut (5) 11
G Getty Jr., J. Paul (5) 14 Girard, François (5) 15 Guillot-Le Comte, André (5) 18 Guise-Meister (2) 7
H Hachette, André (5) 12 Haincelin de Haguenau (2) 12, 14, 15 Hangest, Familie (5) 16 Hersent, Jean (5) 13, 22 Hoo-Meister (2) 16 Huet, Constant (5) 23
J Jacquemart de Hesdin (2) 3 Jacquette de Luxembourg (5) 12 Jean Haincelin (2) 11, 12, 14 Johnson, Grace Phillips (5) 14 Joseph [Buchhändler] (5) 25 Jouvenel-Meister (2) 12
K Kraus, Hans Peter (5) 15
– 637 –
Register
L
O
La Gabetière, Seigneur de (5) 11 Laurent, Anne (5) 15 Laval-Meister (2) 7 Le Begue, Cathérine (5) 16 Le Clerc, Guillemette (5) 14 Lenfumé, M. (5) 8 Liancourt, Familie (5) 16 Limburg, Paul? von (2) 4 Lusignan, Familie (5) 6
O’Moydon, Jacobus (5) 10 Orléans, Louis de (5) 4
M Mairet (4) 17 Maître François (2) 24 March, Dom Bartolomé (5) 2 Martin, Emmanuel (5) 16 Mazarine-Meister (2) 5 Mazerolles, Philippe de (2) 18? Meister der Maria von Geldern (2) 1 Meister der Münchener Legenda Aurea (2) 10, 11, 12, 13 Meister des Bartholomäus Anglicus (2) 12 Meister des Brotherton-Breviers (2) 17 Meister des Etienne Sauderat (2) 19 Meister des Foucault-Boccace (2) 25 Meister des Harley-Froissart (2) 18 Meister des Jean Rolin (2) 22, 23 Meister des Londoner Alexander (2) 9 Meister von Walters 205 (2) 22 Michault, Louis (5) 9 Miller, W. E. (5) 19 Milward, N. (5) 10 Moriau (5) 15 Murray, Charles Fairfax (5) 2 Mutele, Germaine (5) 15
N Nanterre, Geneviève de (5) 14 Nanterre, Mathieu de (5) 14? Neufville de Villeroy, Camille de (5) 14 Nizières, Jean de (2) 2
P Perrins, Charles Dyson (5) 2, 16 Plessis, Guillaume de (5) 16 Poictevin, Pierre (5) 3 Popincourt, Jean de (5) 16 Popincourt-Meister (2) 16 Pseudo-Jacquemart (2) 3
R Rahir, Edouard (5) 21 Rais (Retz), Familie (5) 24 Remiet, Perrin (2) 1 Ritman, Joost (5) 14 Rosainville, Aubert de (5) 11 Rosenthal, Erwin (5) 2
S Sourget, Patrick (5) 22 Spitzer, Frédéric (5) 24
T Talbot-Meister (2) 9 Ternay, Françoise de (5) 16 Texor de Ravisi (5) 24 Thompson, Henry Yates (5) 10, 16 Troussier, Jean de (5) 11
V Van der Coets, Familie (5) 19? Vassy, Matherat de (5) 15 Vever, Henri (5) 10 Vignay, Jean de (1) 2 Visconti, Valentina (5) 4 Vulcop, Henri de? (2) 19, 20, 21
Y Young, Edward Hilton, Lord Kennet (5) 17
– 638 –
II
LXXX Heribert Tenschert 2017