Inklusion auf dem Arbeitsmarkt am Beispiel des Gas

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Inklusion auf dem Arbeitsmarkt am Beispiel des Gastgewerbes im Wetteraukreis

Stefan Kuse Kathrin Ramsauer unter Mitarbeit von Heiko M端ller und Simon Schiefer Report Nr. 870 Wiesbaden 2014


Eine Veröffentlichung der

HA Hessen Agentur GmbH Postfach 1811 D-65008 Wiesbaden Konradinerallee 9 D-65189 Wiesbaden Telefon Telefax E-Mail Internet

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Folke Mühlhölzer (Vorsitzender) Dr. Rainer Waldschmidt

Tarek Al-Wazir, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten.


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Inklusion auf dem Arbeitsmarkt am Beispiel des Gastgewerbes im Wetteraukreis Inhalt

Seite

1

Einleitung

1

2

Grundlagen und Konzeption der Untersuchung

4

3

Kurzprofil des Wetteraukreises

6

3.1

Raumstruktur und demografische Entwicklung

6

3.2

Situation auf dem Arbeitsmarkt und auf dem Ausbildungsmarkt

9

3.3

Unterstützungsangebote für Menschen mit Behinderungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

4

5

Menschen mit Behinderungen im Wetteraukreis

25

4.1

Strukturelle Merkmale

26

4.2

Situation auf dem Arbeitsmarkt und dem Ausbildungsmarkt

34

Beschäftigungspotenziale für Menschen mit Behinderungen im Hotel- und Gaststätten-Bereich im Wetteraukreis

42

5.1

Arbeitgeber, Stellenangebot und -nachfrage

42

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3

Spezifische Chancen und Hemmnisse für die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt Barrierefreiheit Bewusstsein, Wissen, Interesse und Bereitschaft Unterstützungsbedarfe bezüglich der Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt

48 48 50

Eignung der Tätigkeitsfelder des Gastgewerbes

54

5.3 6

7

14

52

Schlussfolgerungen zum geplanten Modellprojekt im Wetteraukreis

57

6.1

„Café Inklusiv“

57

6.2

Netzwerkstelle

59

Zusammenfassung und Fazit

62

Verzeichnis der Expertinnen und Experten

70

Leitfäden der Interviews

71

Literaturverzeichnis

75

Tabellenverzeichnis

78

Abbildungsverzeichnis

79

I



HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

1

Einleitung

Spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland im Jahr 2009 ist das Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen auch in Hessen verstärkt in den Vordergrund gerückt. Die UN-Konvention gilt als Startschuss für eine Vielzahl von Maßnahmen, die Menschen mit Behinderungen eine verstärkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen sollen bzw. letztlich dafür Sorge tragen sollen, dass „Menschen mit und ohne Behinderungen von Anfang an gemeinsam in allen Lebensbereichen selbstbestimmt leben und zusammenleben“.1 Gemäß der UN-Konvention zählen dabei alle Personen zu den Menschen mit Behinderungen, „die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“.2 Die Hessische Landesregierung hat einen differenzierten Aktionsplan entwickelt, der die „Leitlinie und die Orientierung der hessischen Politik von und für Menschen mit Behinderungen für die nächsten Jahre sein [soll]“3 und der die Ziele und konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Hessen benennt.4 Ein Baustein ist u. a. die Durchführung von Projekten in hessischen Modellregionen, in denen jeweils – orientiert an den Schwerpunkten des Aktionsplanes – konkrete Maßnahmen zum Abbau noch bestehender Barrieren erprobt und ergriffen werden.5 Zur Koordination und Umsetzung der Maßnahmen im Bereich der Inklusion wurde eine Stabsstelle implementiert.6 Ein maßgeblicher Aspekt der Inklusion bzw. ein Handlungsfeld hinsichtlich der Umsetzung der UN-Konvention gemäß Hessischem Aktionsplan ist der Zugang der Menschen mit Behinderungen zum Arbeitsmarkt bzw. zur regulären Beschäftigung. Menschen mit Behinderungen sollen möglichst dauerhaft in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden, auf dem sie Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse ohne Zuschüsse oder sonstige Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ausüben. Von Fortschritten im Bereich der beruflichen Ausbildung und Beschäftigung 1 2 3 4

5 6

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013), S. 1. Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen (2010), S. 12. Hessisches Sozialministerium (2012a), S. 5. Vgl. zum Aktionsplan des Landes Hessen Hessisches Sozialministerium (2012a). Es wird dafür geworben, dass auch bei Kommunen Aktionspläne erstellt und Anlaufstellen zur Vernetzung (so genannte „Focal Points“) eingerichtet werden. Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013a), S. 12ff. Die sechs Modellregionen sind die Landkreise Werra-Meißner-Kreis, Groß-Gerau, Gießen, Lahn-Dill und die Städte Wiesbaden und Hochheim. Vgl. ebenda (Zugriff: 28. November 2013). Vgl. www.brk.hessen.de (Zugriff: 26. September 2013). Initiiert wurde die Stabsstelle zu Beginn des Jahres 2011. 1


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

von Menschen mit Behinderungen wird nicht nur eine Förderung der Chancengleichheit unter sozialen Gesichtspunkten erhofft. Die Fachkräftekommission Hessen erwartet zugleich u. a. einen Beitrag zur Deckung des bestehenden und erwarteten Fachkräftebedarfs infolge der demografischen Entwicklung.7 Die vorliegende Studie dient dazu, am Beispiel des Wetteraukreises und des Hotelund Gaststättengewerbes Beschäftigungspotenziale für Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzuzeigen. Zudem soll die Studie einen Beitrag dazu leisten, die Informations- und Planungsgrundlage für etwaige politische Aktivitäten zu verbessern. Im Wetteraukreis wird aktuell ein Modellprojekt geplant, das darauf abzielt, Menschen mit Behinderungen hinsichtlich der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen. Teil des Projekts sind eine Verkaufsstelle für Backwaren mit angeschlossenem Café und eine Netzwerkstelle. In der Verkaufsstelle bzw. dem Café (im Folgenden „Café Inklusiv“) sollen Menschen mit Behinderungen beschäftigt und insbesondere für Helfertätigkeiten (wieder) angelernt werden, um sie auf eine Beschäftigung im allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Die Netzwerkstelle zielt darauf ab, Kooperationen mit Betrieben u. a. aus dem Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes aufzubauen, um diese für Qualifizierungsmaßnahmen zu gewinnen und um die im Café qualifizierten und andere Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln.8 Die Mitarbeiter der Netzwerkstelle sollen zudem durch die Begleitung und ein Jobcoaching der kooperierenden Betriebe dafür Sorge tragen, dass die Integration reibungslos erfolgt und etwaige Ängste gegenüber der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen nachhaltig abgebaut werden.9 Gegenstand der vorliegenden Studie ist in dem Zusammenhang auch eine Betrachtung der Rahmenbedingungen für ein derartiges Modellprojekt. Kapitel 2 zeigt wesentliche studienleitende Fragestellungen sowie die methodische Vorgehensweise der Untersuchung zur Beantwortung der Fragen auf. Anschließend wird in Kapitel 3 ein Kurzprofil des Wetteraukreises z. B. hinsichtlich der Wirt-

7 8 9

2

Vgl. Fachkräftekommission (2012), S. 31ff. Die Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ werden in der vorliegenden Studie trotz inhaltlicher Unterschiede synonym verwendet. Geplant wird das Modellprojekt vom 2011 gegründeten gemeinnützigen Verein „your place“, der mit einer Geschäftsstelle in Ortenberg aktuell vorrangig in der Östlichen Wetterau aktiv ist und Menschen mit Behinderungen in den Bereichen Bildung, Arbeit, Wohnen und Freizeit unterstützt. Zu den Tätigkeiten des Vereins zählen u. a. die Beratung von Eltern, Angehörigen und Betroffenen sowie die Information und Netzwerkbildung der lokalen Wirtschaft und kommunalen Einrichtungen. Kooperationen bestehen z. B. zum Projekt „Familienstadt mit Zukunft“ in Büdingen, das seit 2007 auch Projekte zur gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen fördert und in dessen Rahmen ein Café namens „La Porta“ von Menschen mit und ohne Behinderung betrieben wird. Vgl. www.yourplace-wetterau.de (Zugriff: 15. Oktober 2013) und www.familienstadt-buedingen.de (Zugriff: 28. November 2013).


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schaftsstruktur, der Arbeitsmarktlage und der demografischen Entwicklung im hessischen Vergleich dargestellt. Zudem gibt das Kapitel einen Überblick über die Institutionen bzw. das regionale Beratungs- und Unterstützungsangebot für Menschen mit Behinderungen in Bezug auf die Teilhabe am Arbeitsmarkt. Gegenstand von Kapitel 4 ist eine Definition und Quantifizierung der Menschen mit Behinderungen im Wetteraukreis sowie die Darstellung ihrer derzeitigen Beschäftigungs- und Arbeitsmarktsituation. Kapitel 5 behandelt die Beschäftigungspotenziale der Menschen mit Behinderungen am Beispiel des Hotel- und Gaststättengewerbes im Wetteraukreis. Dargestellt werden z. B. Anzahl und strukturelle Merkmale potenzieller Arbeitgeber, Stellenangebot und -nachfrage, das aktuelle Wissen über die Fähigkeiten und Potenziale von Menschen mit Behinderungen sowie Hemmnisse hinsichtlich einer (verstärkten) Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Auch der Frage nach der Eignung der Tätigkeitsfelder des Gastgewerbes für Menschen mit Behinderungen wird nachgegangen. Kapitel 6 fasst die für das Modellprojekt spezifischen Ergebnisse zusammen, Kapitel 7 die Ergebnisse der Gesamtstudie.

3


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

2

Grundlagen und Konzeption der Untersuchung

In der vorliegenden Studie werden am Beispiel des Wetteraukreises Beschäftigungspotenziale für Menschen mit Behinderungen im Gastgewerbe betrachtet. Auf die Beschäftigungspotenziale haben Faktoren wie die beruflichen Qualifikationen, die Anzahl potenzieller Arbeitgeber sowie deren Stellenangebot einen Einfluss. Zudem sind statistisch meist nicht erfasste quantitative und qualitative Faktoren wie beispielsweise ein regionales und branchenspezifisches Bewusstsein für die Menschen mit Behinderungen oder das Wissen der Betriebe über deren arbeitsmarktbezogene Fähigkeiten von Bedeutung. Neben der Auswertung der verfügbaren amtlichen Statistiken stützt sich die vorliegende Studie daher auf leitfadengestützte Interviews. Die Interviews wurden geführt mit dem Berufsbildungswerk Südhessen, dem Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V., Kammervertretern, dem Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Hessen e. V., dem Landeswohlfahrtsverband Hessen, der Bundesagentur für Arbeit im Agenturbezirk Gießen – dieser umfasst den Wetteraukreis –, dem Bürgermeister der Stadt Friedberg und dem Verein your place e. V. Hinzu kamen Gespräche mit vier Betrieben aus der Branche des Hotel- und Gaststättengewerbes, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen. Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V. stellte schriftliche Informationen zur Verfügung. Ein Verzeichnis der Experten befindet sich im Anhang. Die Auswahl der Gesprächspartner erfolgte in Abstimmung mit dem Auftraggeber.10 Die Expertengespräche behandelten vor allem folgende übergeordnete Kernfragen: 

Welche Chancen und Hemmnisse gibt es für eine verstärkte Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes?

Wie stark ist das Wissen über die Fähigkeiten und Potenziale von Menschen mit Behinderungen ausgeprägt?

Sind die Tätigkeitsfelder in der Branche besonders gut oder schlecht für die Kompetenzen von Menschen mit Behinderungen geeignet?

Welcher Unterstützungsangebote bedarf es (eventuell), damit Unternehmen verstärkt Menschen mit Behinderungen eine Beschäftigung anbieten?

10 Im Folgenden wird grundsätzlich die männliche Form etwa bei Berufsbezeichnungen verwendet, um das Lesen des Textes zu erleichtern – es sind beide Geschlechter gemeint. 4


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Den Interviews lag jeweils ein Leitfaden zugrunde, der je nach Interviewpartner bzw. bekleideter Funktion und damit nach Perspektive des Gesprächspartners (Kammer/Verband, Unternehmen, Bildungseinrichtung) unterschiedliche Schwerpunkte setzte und die verschiedenen forschungsleitenden Fragen beleuchtete (vgl. Anhang). Die konkreten Fragestellungen unterschieden sich aufgrund der Heterogenität der Interviewpartner, auch weil auf Basis der Aussagen bereits interviewter Experten die vorhandenen Fragestellungen weiterentwickelt wurden. Den Experten sicherte die Hessen Agentur Vertraulichkeit der erhaltenen Informationen dahingehend zu, dass die Auswertungen der Gespräche keinen Rückschluss auf einen bestimmten Experten zulassen. Angesichts der geringen Anzahl der Experten, die sich zu einem bestimmten Themenschwerpunkt äußern konnten, schränkt dies die Möglichkeiten der Auswertung von Fragen ein. Aus den genannten Gründen können die Aussagen der Experten zu einer bestimmten Frage nicht nach Einzelpersonen differenziert dargestellt werden. Somit ist auch eine direkte Gegenüberstellung der Ansichten der Experten meist nicht möglich. Angesichts der begrenzten Anzahl an Expertengesprächen waren zudem a priori keine repräsentativen Ergebnisse etwa für die Gruppe der Unternehmen, der politischen oder im Bereich der Arbeitsvermittlung tätigen Akteure ermittelbar. Für die Zielsetzung des Projekts erscheinen die genannten Einschränkungen jedoch nicht bedeutsam. Die Gespräche wurden dazu genutzt, einen Überblick über die wesentlichen regionalen und branchenspezifischen Aspekte sowie über mögliche Stellschrauben zu gewinnen, Argumente aufzunehmen und zu hinterfragen sowie darauf aufbauend ein konsistentes Gesamtbild abzuleiten. Die Erkenntnisse aus den Expertengesprächen fließen nachfolgend zunächst ergänzend in die Darstellungen ein. Im Vordergrund stehen die Informationen in Kapitel 5, das allgemeine und spezifische Chancen und Hemmnisse für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Gastgewerbe des Wetteraukreises aufzeigt. Auch Kapitel 6, das zusammenfassend die Schlussfolgerungen zum geplanten Modellprojekt zieht, basiert vor allem auf den Ergebnissen der Expertengespräche.

5


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

3

Kurzprofil des Wetteraukreises

3.1

Raumstruktur und demografische Entwicklung

Der Wetteraukreis liegt im geografischen Zentrum Hessens in unmittelbarer Nähe des Ballungsgebiets Rhein-Main und stellt für Hessen eine wichtige Verkehrsverbindung von Nord nach Süd dar (vgl. Abbildung 1). Durch das Kreisgebiet führen die Autobahnen A5 (Frankfurt-Kassel) und A45 (Dortmund-Aschaffenburg). Wichtigster Bahnknotenpunkt ist die Kreisstadt Friedberg. Die Zahl der Auspendler aus dem Wetteraukreis (57.600 Personen) liegt etwa doppelt so hoch wie die der Einpendler (27.400 Personen). Allerdings ist das Pendelverhalten innerhalb der Wetterau sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Friedberg beispielsweise übersteigt die Zahl der Einpendler die der Auspendler um das 1,3-fache.11 Abbildung 1 Gemeinden und Städte des Wetteraukreises

Kartengrundlage: GfK Geomarketing. Darstellung der Hessen Agentur.

11 Datengrundlage für die Auswertungen zur Raumstruktur und zur demografischen Entwicklung ist vor allem das Gemeindedatenblatt der Hessen Agentur, das verschiedene Statistiken (z. B. des Hessischen Statistischen Landesamts und der Bundesagentur für Arbeit) heranzieht und in das auch von der Hessen Agentur erstellte Prognosen zur regionalen Bevölkerungsentwicklung einfließen. 6


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Der Kreis zeichnet sich durch eine hohe landwirtschaftliche Nutzung aus. Der Anteil der Landwirtschaftsfläche an der Gesamtfläche beträgt 53 % und übertrifft den des Regierungsbezirks Darmstadt 38 % und den Hessens insgesamt (42 %) deutlich. Die Bevölkerungsdichte liegt bei geringen 267 Einwohnern/m2 (RB Darmstadt: 509 Einwohner/qm, Hessen: 285 Einwohner/qm). Im Westen des Kreisgebiets befinden sich Mineral- und Thermalquellen. Trotzdem ist die Wetterau insgesamt – gemessen an der Zahl der Übernachtungen je 1.000 Einwohner – keine vom Tourismus geprägte Region: Im Jahr 2012 wurden hier 3.871 Übernachtungen gezählt, im Regierungsbezirk Darmstadt 4.843 und in Hessen insgesamt 4.980 Übernachtungen je 1.000 Einwohner. Die Bevölkerungszahl des Wetteraukreises liegt nach Ergebnissen des Zensus 2011 bei ca. 294.000 Personen. Damit leben rund 5 % der Einwohner Hessens im Wetteraukreis. Im langjährigen Vergleich haben sich die Bevölkerungszahlen positiv entwickelt, was auch auf Zuwanderungen aus dem Ballungsraum Rhein-MainGebiet zurückzuführen ist. Abbildung 2 Bevölkerungsentwicklung von 2000 bis 2012 im Regionalvergleich (Jahr 2000=100) 104

102

100

98

96 2000

2001

2002

2003

Wetteraukreis

2004

2005

2006

2007

RB Darmstadt

2008

2009

2010

2011

2012

Hessen

Quelle: Gemeindedatenblatt der Hessen Agentur. Die gestrichelten Linien verdeutlichen die Korrektur des Niveaus der Bevölkerungsanzahl durch den Zensus 2011.

Gemessen an der Zahl der Einwohner sind Bad Vilbel, Bad Nauheim und (mit leichtem Abstand) die Kreisstadt Friedberg die größten Städte des Wetteraukreises:

7


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Tabelle 1

Städte und Gemeinden im Wetteraukreis nach Einwohnerzahlen

Stadt / Gemeinde

Einwohner zum 31.12.2012 absolut

in %

Stadt / Gemeinde

Einwohner zum 31.12.2012 absolut

in %

1.

Bad Vilbel

31.700

10,8

16.

Wöllstadt

6.100

2,1

2.

Bad Nauheim

30.300

10,3

17.

Ober-Mörlen

5.700

1,9

3.

Friedberg

27.400

9,4

18.

Echzell

5.600

1,9

4.

Butzbach

23.900

8,2

19.

Münzenberg

5.600

1,9

5.

Karben

21.300

7,3

20.

Limeshain

5.200

1,8

6.

Büdingen

20.900

7,1

21.

Ranstadt

4.900

1,7

7.

Nidda

16.800

5,7

22.

Rockenberg

4.200

1,4

8.

Rosbach v. d. Höhe

11.900

4,1

23.

Glauburg

3.100

1,1

9.

Altenstadt

11.800

4,0

24.

Hirzenhain

2.900

1,0

10.

Wölfersheim

9.700

3,3

25.

Kefenrod

2.800

1,0

11.

Niddatal

9.300

3,2

12.

Ortenberg

8.900

3,0

13.

Florstadt

8.800

3,0

14.

Gedern

7.500

2,6

15.

Reichelsheim

6.700

2,3

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Gemeindedatenblatt der Hessen Agentur.

Das Durchschnittsalter der Einwohner im Wetteraukreis liegt aktuell bei 44 Jahren (Hessen insgesamt: 43 Jahre). Bis 2030 prognostiziert die Hessen Agentur weitgehend stabile bzw. sogar leicht ansteigende Bevölkerungszahlen, so dass sich der Wetteraukreis diesbezüglich besser als der hessische Durchschnitt entwickelt. Abbildung 3 Bevölkerungsentwicklung von 2012 bis 2030 im Regionalvergleich (Jahresendstand im Jahr 2012=100) 104

102

100

98

96 2012

2015

Wetteraukreis Quelle: Gemeindedatenblatt der Hessen Agentur.

8

2020

2025

RB Darmstadt

2030

Hessen


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Dabei ist allerdings die Alterung der Bevölkerung zu berücksichtigen. Sind aktuell rund 20 % der Bevölkerung im Wetteraukreis älter als 64 Jahre, werden es 2030 gemäß der Prognose der Hessen Agentur rund 28 % sein. Auch im Wetteraukreis steigt daher infolge der demografischen Entwicklung die Bedeutung der Fachkräftesicherung.

3.2

Situation auf dem Arbeitsmarkt und auf dem Ausbildungsmarkt

Arbeitsmarkt Die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt in Bezug auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eine in absoluten Zahlen hohe Bedeutung des Bereichs „Handel, Gastgewerbe und Verkehr” im Wetteraukreis auf. Etwa jeder vierte Beschäftigte ist im Jahr 2012 in diesem Bereich tätig: Tabelle 2

Verteilung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftszweigen im Regionalvergleich im Jahr 2012

Wirtschaftszweig

Wetteraukreis absolut

RB Darmstadt

Hessen

in %

absolut

in %

absolut

in %

Produzierendes Gewerbe

20.281

27,1

316.874

20,9

574.748

25,3

Handel, Gastgewerbe und Verkehr

19.169

25,6

387.763

25,6

554.949

24,4

Unternehmensdienstleistungen

14.226

19,0

469.465

30,9

576.519

25,4

Öffentliche und private Dienstleistungen

20.192

27,0

338.456

22,3

557.038

24,5

920

1,2

4.853

0,3

9.005

0,4

Sonstiges, keine Zuordnung möglich oder anonymisiert

Quelle: Gemeindedatenblatt der Hessen Agentur.

Zum hessischen Vergleichswert werden allerdings keine wesentlichen Unterschiede in der Beschäftigungsstruktur deutlich. Ein leicht überdurchschnittlich hoher Anteil der Beschäftigten im Wetteraukreis arbeitet im Produzierenden Gewerbe (einschließlich Baugewerbe). Leicht unterdurchschnittlich ist der Anteil hingegen im Bereich „Unternehmensdienstleistungen”, wobei der Vergleichswert für Hessen stark vom Rhein-Main-Gebiet beeinflusst werden dürfte.12 Vom gesamten Regierungsbezirk Darmstadt unterscheidet sich der Wetteraukreis in Bezug auf die Bedeutung des Bereichs „Handel, Gastgewerbe und Verkehr” kaum, hinsichtlich anderer Berei-

12 Aus der Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder geht zudem hervor, dass ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Erwerbstätigen in den Bereichen "Land- und Forstwirtschaft, Fischerei" arbeitet. 9


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

che (z. B. Unternehmensdienstleistungen) kann er jedoch nicht als typischer Kreis des Regierungsbezirks gelten. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bezogen auf den hessischen Durchschnitt leicht unterdurchschnittlich, aber positiv entwickelt. Abbildung 4 Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 2000 bis 2012 im Regionalvergleich (Jahr 2000=100) 110

100

90 2000

2001

2002

2003

Wetteraukreis

2004

2005

2006

2007

RB Darmstadt

2008

2009

2010

2011

2012

Hessen

Quelle: Gemeindedatenblatt der Hessen Agentur, Daten zum 30.06.

Dies ging (wie in Hessen insgesamt) einher mit einem Wachstum vor allem geringfügig entlohnter bzw. kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse, die im Wetteraukreis eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung haben (vgl. Tabelle 3).13

13 Das Gemeindedatenblatt der Hessen Agentur zeigt z. B. für die Kreisstadt Friedberg ein Wachstum der ausschließlich geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse von 2000 bis 2012 um 42 %. 10


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Tabelle 3

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und ausschließlich geringfügig Beschäftigte im Regionalvergleich

Merkmal

Wetteraukreis

RB Darmstadt

Hessen

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (30.06.2012) Veränderung gegenüber dem Jahr 2000 (in %)

74.788 1,9

1.517.411 3,7

2.272.259 4,5

Ausschließlich geringfügig Beschäftigte (30.06.2012) in % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Veränderung gegenüber dem Jahr 2000 (in %)

16.594 22,2 11,0

220.874 14,6 18,0

367.983 16,2 16,8

Quelle: Gemeindedatenblatt der Hessen Agentur.

Arbeitslosigkeit Im Juni 2013 waren rund 8.200 Personen im Wetteraukreis arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote (bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen) lag bei 5,3 % und damit unter dem hessischen Durchschnitt von 5,7 %. Männer (5,3 %) und Frauen (5,4 %) waren dabei in etwa gleich häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. Tiefer regional gegliederte Arbeitslosenquoten liegen nicht vor. In Tabelle 4 sind behelfsweise die Zahl der Einwohner im erwerbsfähigen Alter und die Arbeitslosenzahlen für Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern gegenübergestellt, um Hinweise auf die regionalen Arbeitsmarktlagen und Beschäftigungschancen zu erhalten. Tabelle 4

Städte und Gemeinden im Wetteraukreis nach Einwohner- und Arbeitslosenzahlen

Stadt / Gemeinde

Einwohner der Altersklasse 15 bis unter 65 Jahre zum Zensusstichtag 09.05.2011 Anzahl

1.

Bad Vilbel

20.160

in % 10,4

Arbeitslose zum 30.06.2013 Anzahl 651

in % 8,0

2.

Bad Nauheim

18.790

9,7

934

11,4

3.

Friedberg

18.450

9,5

1.116

13,6

15.980

8,3

858

10,5

473

5,8

4.

Butzbach

5.

Karben

14.010

7,3

6.

Büdingen

13.970

7,2

722

8,8

10.930

5,7

485

5,9

7.820

4,0

237

2,9

314

3,8

7.

Nidda

8.

Rosbach v. d. Höhe

9.

Altenstadt

8.150

4,2

10.

Wölfersheim

6.500

3,4

266

3,3

11.

Niddatal

6.190

3,2

192

2,3

12.

Ortenberg

5.800

3,0

240

2,9

5.910

3,1

240

2,9

13.

Florstadt

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur.

11


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Danach fällt beispielsweise in der hinsichtlich der Einwohneranzahl größten Stadt des Wetteraukreises, Bad Vilbel, die Arbeitslosigkeit eher gering aus, während in Bad Nauheim und Friedberg vergleichsweise viele Arbeitslose registriert sind. Im Vergleich zum Jahr 2000 haben sich die Arbeitslosenzahlen im Wetteraukreis, spiegelbildlich zur Zunahme der Beschäftigung, positiv entwickelt: Abbildung 5 Entwicklung der Arbeitslosenzahlen von 2000 bis 2013 im Regionalvergleich (Jahr 2000=100) 180 160 140 120 100 80 60 2000

2001

2002

2003

Wetteraukreis

2004

2005

2006

2007

2008

RB Darmstadt

2009

2010

2011

2012

2013

Hessen

Quelle: Gemeindedatenblatt der Hessen Agentur. Daten zum 30.06.

Ausbildungsmarkt Die Berufsberatungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit verdeutlicht das bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern registrierte Angebot an und die Nachfrage nach Berufsausbildungsstellen gemäß Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. Handwerksordnung (HwO). Im Wetteraukreis gab es 2012 neben Frankfurt am Main sowie den Kreisen Main-Kinzig und Lahn-Dill die größte Zahl noch unvermittelter Bewerber. Gemessen am Saldo zwischen unbesetzten Stellen und unvermittelten Bewerbern weist der Wetteraukreis mit 330 fehlenden Stellen die zweitschlechteste Ausbildungsmarktlage für Jugendliche in Hessen auf (vgl. die folgende Abbildung).14

14 Zu den unvermittelten Bewerbern zählen die zum Stichtag 30.09.2012 bisher gänzlich „unversorgten Bewerber“ gemäß der Definition der Bundesagentur für Arbeit und Bewerber, die bereits Alternativen in Aussicht haben wie z. B. einen weiteren Schulbesuch, eine Einstiegsqualifizierung oder die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme. Für die letztgenannten „Bewerber mit Alternative zum 30.09.“ suchen die zuständigen Stellen der Arbeitsverwaltung ebenfalls noch weiter nach einem Ausbildungsplatz. 12


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Abbildung 6 Unbesetzte Stellen und noch unvermittelte Bewerber in Hessen 2012 Vogelsbergkreis

-65

Hochtaunuskreis

-71

Fulda

-73

Main-Taunus-Kreis

-77

Landkreis Offenbach

-82

Werra-Meißner-Kreis

-83

Wiesbaden, Landeshauptstadt

-90

Hersfeld-Rotenburg

-94

Odenwaldkreis

-105

Rheingau-Taunus-Kreis

-108

Offenbach am Main, Stadt

-109

Darmstadt, Wissenschaftsstadt

-135

Limburg-Weilburg

-147

Bergstraße

-154

Waldeck-Frankenberg

-159

Frankfurt am Main, Stadt

-159

Schwalm-Eder-Kreis

-181

Darmstadt-Dieburg

-225

Marburg-Biedenkopf

-264

Groß-Gerau

-275

Lahn-Dill-Kreis

-277

Gießen

-283

Kassel

-291

Kassel, documenta-Stadt

-310

WETTERAUKREIS

1.248

-330

Main-Kinzig-Kreis

-352 -800

-400 Stellendefizit

0 unvermittelte Bewerber

400

800 unbesetzte Stellen

Quelle: Hessen Agentur (2013), S. 11.

Zusammenfassend verfügt der Wetteraukreis somit über eine gute Arbeitsmarktlage mit der Einschränkung allerdings, dass geringfügig entlohnte bzw. kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse eine im Vergleich zum hessischen Gesamtwert überdurchschnittlich hohe Bedeutung haben. Für junge Menschen erscheint es aktuell relativ schwer zu sein, einen dualen Ausbildungsplatz zu erhalten, was als Indiz für eine Zurückhaltung der Betriebe im Hinblick auf die Fachkräftesicherung gewertet werden kann.

13


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

3.3

Unterstützungsangebote für Menschen mit Behinderungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen erhalten nach der Sozialgesetzgebung Leistungen, u. a. um Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und speziell am Arbeitsleben zu fördern. Zuständig für die Leistungen sind z. B. die Bundesagentur für Arbeit (BA), die Träger von Gesetzlicher Rentenversicherung und Unfallversicherung, die Träger der Sozialhilfe sowie die örtliche Jugendhilfe als so genannte Rehabilitationsträger jeweils in Abhängigkeit z. B. von der Dauer der Erwerbstätigkeit bis zum Eintritt der Beeinträchtigung. Für Menschen mit festgestellten Schwerbehinderungen gemäß Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX, vgl. hierzu auch Kapitel 4) gibt es besondere Unterstützung. Zu nennen sind beispielsweise die Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber,15 der besondere Kündigungsschutz, die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr, Integrationsprojekte und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sowie institutionell Integrationsämter und Integrationsfachdienste. Darüber hinaus unterstützen Bund und Land die Teilhabe speziell am Arbeitsleben im Rahmen von (arbeitsmarktpolitischen) Förderprogrammen. Das Spektrum der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist breit und betrifft die Bereiche 

Berufsvorbereitung,

berufliche Ausbildung, berufliche Anpassung und Weiterbildung,

Erlangung und Erhaltung des Arbeitsplatzes (einschließlich Arbeitsvermittlung, Trainingsmaßnahmen, Eignungsabklärung bzw. Arbeitserprobung, Probebeschäftigung, bedarfsgerechte Gestaltung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, Eingliederungszuschüsse, Beratung, begleitende Hilfen, Mobilitätshilfen).

Zielgruppen der Förderung sind Menschen mit Behinderungen und auch Arbeitgeber z. B. bei Eingliederungszuschüssen. Die Leistungen werden in der Regel bewilligt, das heißt, es besteht kein Rechtsanspruch. Im Folgenden werden die mit Blick

15 Nach § 71 Abs. 1 SGB IX sind Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 SGB IX dazu verpflichtet, auf mindestens 5 % dieser Arbeitsplätze Menschen mit Schwerbehinderung bzw. ihnen Gleichgestellte zu beschäftigen. Arbeitgeber, die der Vorgabe nicht nachkommen, müssen eine Ausgleichsabgabe zahlen, deren Höhe bis zu 290 Euro pro Monat erreichen kann. Auszubildende mit Schwerbehinderung werden auf zwei bis drei Pflichtarbeitsplätze für Menschen mit Schwerbehinderung angerechnet. Eine Reduzierung der Ausgleichsabgabe ist möglich, wenn Aufträge an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen erteilt werden. 14


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auf die Zielsetzung der Studie wesentlichen regionalen Unterstützungsangebote für Menschen mit Behinderungen zur Teilhabe am Arbeitsmarkt dargestellt.16 Bundesagentur für Arbeit Die Bundesagentur für Arbeit ist nach § 6a SGB IX der (regionale) Rehabilitationsträger für die Teilhabe am Arbeitsleben, stellt den Rehabilitationsbedarf fest und macht einen Eingliederungsvorschlag. Die Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit gibt Aufschluss über die von den Arbeitsagenturen und Jobcentern durchgeführten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für arbeitsuchende Menschen mit Schwerbehinderungen (bzw. Gleichgestellte). Hessenweit zählte die Förderstatistik im Jahresdurchschnitt 2012 rund 5.000 Teilnahmen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen durch die Personengruppe (vgl. Tabelle 5).17 Die meisten Teilnahmen entfielen auf „Besondere Maßnahmen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben“ mit 1.442 Teilnahmen (z. B. rehaspezifische Maßnahmen). An zweiter Stelle rangierten Fördermaßnahmen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (z. B. Eingliederungszuschüsse). Insgesamt sind die Teilnahmen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen seit 2010 im Zuge der konjunkturellen Erholung deutlich gesunken. Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich auf Bundesebene. Tabelle 5

Bestand an Teilnehmern mit Schwerbehinderungen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gemäß der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit in Hessen

Maßnahmeart

2010

2011

Aktivierung und berufliche Eingliederung

1.038

752

842

Berufswahl und Berufsausbildung

471

448

460

Berufliche Weiterbildung

345

263

229

Aufnahme einer Erwerbstätigkeit

1.922

1.754

1.285

Besondere Maßnahmen zur Teilhabe behinderter Menschen

1.464

1.472

1.442

786

622

477

30

28

33

231

193

219

6.287

5.532

4.986

Beschäftigung schaffende Maßnahmen Freie Förderung Sonstige Förderung Insgesamt

2012

Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2013), Darstellung der Hessen Agentur.

16 Detaillierte Informationen zu den vielfältigen Leistungen für Menschen mit (Schwer)Behinderung und für Arbeitgeber bietet z. B. die Broschüre „Leistungen im Überblick: Behinderte Menschen im Beruf“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen aus dem Jahr 2012. 17 Nicht enthalten sind Leistungen an Personen im Eingangsverfahren bzw. Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Die Förderstatistik zählt Teilnahmen, nicht Personen. Da Personen auch mehrere Leistungen erhalten können, fällt die Zahl der Personen niedriger aus. Vgl. zum Begriff der Gleichstellung auch Abschnitt 4.1. 15


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Die Eingliederungsquoten der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit geben an, welcher Anteil der Teilnehmer an den Maßnahmen sechs Monate nach deren Abschluss in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht. Die niedrigsten Eingliederungsquoten weisen die Maßnahmenarten „Beschäftigung schaffende Maßnahmen“ und „sonstige Förderung“ auf (vgl. Tabelle 6). Am häufigsten gelang die Eingliederung bei Teilnehmern von Maßnahmen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (z. B. Eingliederungszuschüsse), deren Inanspruchnahme seit 2010 deutlich rückläufig ist.18 Hier waren 64 % der Teilnehmer, die die Maßnahme zwischen September 2011 und August 2012 beendet hatten, sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Tabelle 6

Eingliederungsquoten von Teilnehmern mit Schwerbehinderungen an Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit sechs Monate nach Abschluss der Maßnahmen in Hessen

Maßnahmeart

kumulierte Austritte von Sept. 2009 bis Aug. 2010

kumulierte Austritte von Sept. 2010 bis Aug. 2011

kumulierte Austritte von Sept. 2011 bis Aug. 2012

Aktivierung und berufliche Eingliederung

32%

35%

34%

Berufswahl und Berufsausbildung

44%

45%

47%

Berufliche Weiterbildung

40%

41%

37%

Aufnahme einer Erwerbstätigkeit

60%

61%

64%

Besondere Maßnahmen zur Teilhabe behinderter Menschen

25%

26%

25%

Beschäftigung schaffende Maßnahmen

13%

12%

11%

Freie Förderung

22%

21%

20%

Sonstige Förderung

13%

11%

10%

Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2013), Darstellung der Hessen Agentur.

Integrationsämter und Integrationsfachdienste Integrationsämter (Amt für die Sicherung der Integration schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben) nehmen Aufgaben nach dem Recht für Menschen mit Schwerbehinderungen wahr. Dazu zählen neben der Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe für die Verletzung der Beschäftigungspflicht vor allem die Durchsetzung des besonderen Kündigungsschutzes für beschäftigte Menschen mit Schwerbehinderungen und ihnen Gleichgestellte. Nach § 85 SGB IX sind Kündigungen bei diesen Arbeitnehmern unwirksam, wenn sie ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes erfolgen. Aufgaben der Integrationsämter bestehen zudem in

18 Der Rückgang hatte keine nennenswerten Folgen, insofern dass die Arbeitslosenzahlen der Menschen mit Schwerbehinderungen in Hessen seit 2010 um rund 2 % gesunken sind (vgl. auch Abschnitt 4.2). 16


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der Beratung und Förderung von Menschen mit Schwerbehinderungen und Arbeitgebern (z. B. auch hinsichtlich einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung) sowie z. B. in Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für betriebliche Integrationsteams in Betriebsräten, Personalräten sowie Vertretungen der Menschen mit Schwerbehinderungen.19 Die Ämter können auch Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz übernehmen in Abhängigkeit von den Mitteln, die aus der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehen.20 Die Integrationsämter sind in Hessen beim Landeswohlfahrtsverband Hessen angesiedelt, der die Aufgaben der Sozial- und Behindertenhilfe wahrnimmt. Aus dem Jahresbericht 2012 des Landeswohlfahrtsverbands Hessen gehen die in Tabelle 7 dargestellten Leistungen der Integrationsämter an Arbeitgeber zur Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderungen am Arbeitsmarkt in Hessen hervor.21 Tabelle 7

Leistungen der Integrationsämter an Arbeitgeber zur Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderungen am Arbeitsmarkt in Hessen 2010 bis 2012

Leistungen Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen Behinderungsgerechte Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen (einschließlich Integrationsprojekte) Prämien und Zuschüsse für Berufsausbildung Insgesamt

Geförderte Arbeitsverhältnisse 2010

2011

2012

75

90

66

522

650

697

2.316

2.218

3.114

22

40

33

2.935

2.998

3.910

Quelle: Landeswohlfahrtsverband Hessen (2013), Darstellung der Hessen Agentur.

Die größte Zahl geförderter Arbeitsverhältnisse wird dem Bereich „Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen (einschließlich Integrationsprojekte)“ zugeordnet, der Zuschüsse als Minderleistungsausgleich oder für personelle Unterstützung beinhaltet, aber auch die Zahl der in Integrationsprojekten geförderten Arbeitsverhältnisse.22 Die Anzahl der geförderten Arbeitsverhältnisse in diesem Bereich hat von 2010 bis 2012 um rund ein Drittel zugenommen. Die behindertengerechte Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen wurde 2012 in 697 Fällen gefördert. Das bedeutet ebenfalls ein Plus von 34 % gegenüber dem Jahr 2010, was als Indiz für

19 Bis 2007 war die Vermittlung in Beschäftigung ebenfalls Aufgabe der Integrationsämter. Derzeit können sie mit diesen Aufgaben noch z. B. von der Bundesagentur für Arbeit bzw. den Jobcentern beauftragt werden. 20 Vgl. §§ 102 Absatz 4 SGB IX und 17 Absatz 1a Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung. 21 Vgl. Landeswohlfahrtsverband Hessen (2013), S. 32. 22 Zur Definition von Integrationsprojekten vgl. den folgenden Abschnitt. 17


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

die wachsende Bedeutung des Themas Inklusion auf dem Arbeitsmarkt gewertet werden kann. Die Integrationsfachdienste (IFD) gemäß §§ 109ff. und § 33 Abs. 6 SGB IX sollen übergreifend für die Bundesagentur für Arbeit (im Bereich der Vermittlung), einen anderen Rehabilitationsträger (z. B. Eingliederung nach einem Unfall) oder für das Integrationsamt (Begleitung, Sicherung eines Arbeitsplatzes für besondere Zielgruppen) tätig sein. Sie befinden sich in der Regel in der Trägerschaft freier, gemeinnütziger Träger. Auch im Wetteraukreis werden die IFD im Einzelfall z. B. von der Bundesagentur für Arbeit mit der Vermittlung beauftragt. Im Jahresbericht 2012 des Landeswohlfahrtsverbands Hessen wird allerdings auf eine in Hessen im längerfristigen Vergleich stark sinkende Zahl an Beauftragungen hingewiesen.23 Standorte der Integrationsfachdienste in der Wetterau sind Büdingen und Friedberg.24 Integrationsprojekte Integrationsprojekte bzw. Integrationsfirmen gemäß §§ 132 und 133 SGB IX ermöglichen eine Beschäftigung für Menschen mit Schwerbehinderungen, die nur unter großen Schwierigkeiten eine reguläre Arbeit annehmen können, für die aber zugleich eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (siehe unten) keine adäquate Beschäftigungsmöglichkeit bietet. Damit bilden sie eine Art Zwischenform zwischen Werkstatt für Menschen mit Behinderungen und allgemeinem Arbeitsmarkt. Der Anteil Beschäftigter mit Schwerbehinderungen liegt in den Firmen zwischen 25 % und 50 %. Integrationsprojekte werden durch Mittel der Ausgleichsabgabe von den Integrationsämtern gefördert. Je nach Einzelfall haben die Integrationsfirmen Anspruch auf finanzielle Hilfen wie Förderpauschalen und Nachteilsausgleiche.25 Zielgruppe sind vor allem Menschen mit einer geistigen oder seelischen Behinderung, die eine individuelle arbeitsbegleitende Betreuung benötigen, sowie Menschen mit einer schweren Sinnes-, Körper- oder Mehrfachbehinderung. Auch für Beschäftigte einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen, die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln wollen, oder für Abgänger von Förderschulen können Integrationsprojekte Beschäftigungschancen bieten. Erforderlich für die Gründung ist ein Eigenanteil des Antragsstellers von mindestens 30 % der gesamten Aufwendungen. Integrationsämter bzw. Integrationsfachdienste bieten auf Basis eines konkreten

23 Vgl. Landeswohlfahrtsverband Hessen (2013), S. 22. 24 Vgl. www.integrationsamt-hessen.de (Zugriff: 30. Oktober 2013). 25 Aufgaben und finanzielle Förderung von Integrationsfirmen bzw. Integrationsprojekten sind im SGB IX geregelt. Integrationsfirmen können rechtlich selbstständige Unternehmen sein oder unselbständige Betriebe und Abteilungen von Unternehmen und öffentlichen Arbeitgebern. 18


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Businessplans – dieser muss inhaltliche Anforderungen des Integrationsamtes erfüllen – eine betriebswirtschaftliche Gründungsberatung an, die die Umsetzbarkeit und Marktchancen des Projekts prüft. Das Verzeichnis „Integrationsfirmen in Deutschland“, das vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln unter www.rehadat.de zur Verfügung gestellt wird, enthält Angaben zu über rund 800 Integrationsfirmen bzw. Integrationsprojekten.26 In Hessen werden danach aktuell rund 60 Integrationsfirmen bzw. Integrationsprojekte gezählt. Zum Teil wurden die Projekte von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen initiiert, so dass eine enge Zusammenarbeit besteht. Das Produkt- und Dienstleistungsportfolio ist breit und reicht vom Café- und Hotelbetrieb bis zur digitalen Archivierung und Aktenvernichtung. Aus dem Jahresbericht 2012 des Landeswohlfahrtsverbands Hessen geht hervor, dass 2012 mehr als 800 Arbeitsverhältnisse in Integrationsprojekten gefördert wurden.27 Im Wetteraukreis findet sich kein Integrationsprojekt, was einige der interviewten Experten auf ein eventuell fehlendes lokales Engagement zurückführen. Des Weiteren bestehen jedoch offenbar Vorbehalte gegenüber Integrationsprojekten u. a. dahingehend, dass bei ihnen ein Vorrang der Bedeutung von Wettbewerbsfähigkeit gegenüber sozialem Engagement vermutet wird. Das Klostercafé und das Hotel Elysee in Seligenstadt, die beide vom Verein Lichtblick (bzw. einer eigens gegründeten Beschäftigungsgesellschaft) betrieben werden, sind Beispiele für offenbar erfolgreich agierende Integrationsfirmen in Hessen.28 Die Initiative geht hier vor allem auf die Eltern der Menschen mit Behinderungen zurück. Auch die so genannten „CAP-Märkte“ können als Beispiel dienen. Sie werden über Franchising als Integrationsfirma, Abteilung einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen oder als Kombination aus beidem betrieben. Die Marktleitungen erhalten dabei durch ein deutschlandweites Netz von Fachberatern z. B. Unterstützung bei der Marktanalyse und im Betrieb.29 Integrationsprojekte müssen den überwiegenden Teil ihrer laufenden Kosten selbst erwirtschaften, weswegen sie dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugerechnet werden. Wettbewerbsverzerrungen werden insofern vermieden, dass die Förderungen – mit

26 Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen veröffentlicht in ihrem Jahresbericht die Zahl der geförderten Integrationsprojekte. 27 Vgl. Landeswohlfahrtsverband Hessen (2013), S. 26. Dies bezieht sich allerdings auf eine Zahl der Integrationsprojekte von nur 43 Firmen. Damit dürfte die Gesamtzahl der Arbeitsverhältnisse tatsächlich noch höher ausfallen. 28 Vgl. hierzu www.klostercafe-seligenstadt.de (Zugriff: 9. Dezember 2013). 29 Vgl. hierzu www.cap-markt.de (Zugriff: 9. Dezember 2013). 19


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Ausnahme des so genannten Ausgleichs für den besonderen Aufwand – auch allen anderen Arbeitgebern zustehen.30 Werkstätten für Menschen mit Behinderungen Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) sind teilstationäre Einrichtungen der Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am Arbeitsleben.31 Zielgruppe der WfbM sind Personen, die wegen Art oder Schwere ihrer Beeinträchtigungen (noch) nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Dies wird in einem gutachterlichen Verfahren festgestellt. Die Mehrheit (bundesweit etwa 80 %) der Beschäftigten in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen hat geistige Beeinträchtigungen, 20 % psychische Beeinträchtigungen.32 Gemäß dem Verzeichnis der anerkannten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen der Bundesagentur für Arbeit gibt es aktuell 51 Werkstätten für Menschen mit Behinderungen mit Hauptadresse in Hessen. Diese verfügen zum Teil über jeweils bis zu 10 weitere Betriebsstätten, so dass sich die Gesamtzahl auf rund 170 Werkstätten in Hessen summiert.33 Im Wetteraukreis befinden sich vier Werkstätten mit Hauptsitz an den Standorten Friedberg, Echzell, Ortenberg und Nidda. Diese Werkstätten betreiben weitere Betriebsstätten in Friedberg, Hirzenhain, Glauburg und Reichelsheim. Darüber hinaus unterhält eine Werkstatt mit Hauptsitz im Vogelsbergkreis eine Betriebsstätte in Büdingen. Gemäß den Internetauftritten der einzelnen Träger bieten diese Werkstätten aktuell rund 650 Menschen einen Arbeitsplatz.34 Diese Personen stellen eine mögliche Zielgruppe des Modellprojekts dar. Mit dem so genannten „Fachkonzept Werkstätten für Menschen mit Behinderungen“ strebt die Bundesagentur für Arbeit an, die berufliche Bildung in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen stärker einerseits an den Fähigkeiten und Kompetenzen der Menschen mit Behinderungen, andererseits an den Anforderungen des all-

30 Vgl. Landeswohlfahrtsverband Hessen (2013), S. 26. 31 Im SGB IX werden diese Einrichtungen als Werkstätten für behinderte Menschen bezeichnet, worauf sich die Abkürzung bezieht. 32 Vgl. die Statistik „Belegte Plätze nach Bundesländern 2012 in den Mitgliedseinrichtungen der BAG WfbM“ unter www.bagwfbm.de (Zugriff: 16. Oktober 2013). 33 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2013), S. 129ff. Aus dem Jahresbericht 2012 des Landeswohlfahrtsverbands Hessen geht hervor, dass im Dezember 2012 in den WfbM im Zuständigkeitsbereich des Verbands rund 17.000 Personen beschäftigt waren, davon nur rund 500 Personen auf betriebsintegrierten Beschäftigungsplätzen. Etwa 1.300 Mitarbeiter in den Werkstätten bedurften einer besonderen Betreuung, Förderung und Pflege. Vgl. Landeswohlfahrtsverband Hessen (2013), S. 35. 34 Vgl. www.diakonie-wetterau.de, www.bhw-wetteraukreis.de, www.lg-bingenheim.de, www.rauher-berg.de (Zugriff: 9. Dezember 2013). 20


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gemeinen Arbeitsmarktes zu orientieren. Teil des Fachkonzepts ist auch eine intensivere Erprobung in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes.35 Unterstützte Beschäftigung Ziel des 2009 im SGB IX eingeführten Instruments „Unterstützte Beschäftigung“ ist es, Menschen mit Behinderungen und besonderem Unterstützungsbedarf dauerhaft in ein geeignetes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Es erfolgt auf Basis eines individuell erstellten Fähigkeitsprofils und einer individuellen Arbeitsplatzakquisition eine individuelle und betriebliche Qualifizierung – statt der normalerweise erfolgenden Qualifizierung in Gruppen und nachgelagerten Vermittlung.36 Bei Bedarf ist im Anschluss eine Berufsbegleitung mit einem zeitlich begrenzten Jobcoaching förderfähig. Für die erste Phase der Unterstützten Beschäftigung sind die Rehabilitationsträger zuständig (vor allem BA), für die zweite Phase in der Regel die Integrationsämter bzw. die Integrationsfachdienste. Voraussetzung für letzteres ist das Vorliegen eines Schwerbehindertenausweis bzw. einer Gleichstellung. Die Dauer der Maßnahme beträgt in der Regel bis zu 2 Jahre. Möglich sind u. a. Übergänge (zurück) in die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt, wobei Integrationsprojekte nach einer Umfrage der „Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung“ bundesweit eine untergeordnete Rolle spielen.37 In Hessen haben bis zum Jahresende 2011 insgesamt 344 Personen die Maßnahme begonnen. Damit wird das Instrument – verglichen mit dem Bund – überdurchschnittlich genutzt.38 In Anspruch nehmen können das Instrument „Unterstützte Beschäftigung“ vor allem Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, aber auch Werkstattbeschäftigte.39 Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke In Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken können Menschen mit Behinderungen Ausbildungen in anerkannten Ausbildungsberufen absolvieren. Die Ausbildungen verfahren zwar mehrheitlich nicht nach dem dualen System, jedoch werden auch Ausbildungen verzahnt mit (Kooperations)Betrieben angeboten. In Hessen gibt es ein Berufsförderungswerk in Frankfurt am Main und drei Berufsbildungswerke an den Standorten Kassel, Bad Arolsen und Karben (Wetteraukreis). Das Berufsbil35 36 37 38 39

Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013b), S. 302. Diese Vorgehensweise des Platzierens und Qualifizierens ist auch im Modellprojekt vorgesehen. Vgl. www.bag-ub.de (Zugriff: 28. November 2013). Vgl. Hessisches Sozialministerium (2012a), S. 111f. Vgl. Landeswohlfahrtsverband Hessen (2013), S. 29. 21


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

dungswerk Südhessen betreibt im Rahmen der Berufsausbildung von Menschen mit Behinderungen in Karben das „Café an der Nidda“ als Ausbildungs- bzw. Praxisbetrieb, das einem Altenzentrum angegliedert ist.40 Fördermaßnahmen von Bund und Land Hessen Der Bund und das Land Hessen unterstützen darüber hinaus die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am Arbeitsleben im Rahmen von zeitlich befristeten Arbeitsmarktprogrammen.41 Finanziert werden die Programme und Modellvorhaben für besonders betroffene Menschen mit Schwerbehinderungen durch die genannte Ausgleichsabgabe. Für Hessen relevant sind vor allem die Programme: 

Programm Job4000

Hessisches Perspektivprogramm zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen (HePAS)

Bundesprogramm „Initiative Inklusion“.

Einen Überblick über die Leistungen bietet der Hessische Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Zielbereiche sind in der Regel die Ausbildung, Eingliederung und Sicherung der Beschäftigung bestimmter Zielgruppen z. B. durch finanzielle Anreize bei der Schaffung neuer Ausbildungs- und Arbeitsplätze oder durch eine verstärkte Beratung und Begleitung der Betriebe. Zielgrößen sind z. B. die Zahl der neu geschaffenen Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnisse.42 Die Förderung erfolgt auch hier in der Regel in Bezug zu den entstehenden Kosten (z. B. Lohnkosten von Mitarbeitern mit Schwerbehinderungen). Bei Ausbildungserfolg sowie Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis können die Programme Prämien vorsehen. Seit 2006 wurden beispielsweise mit Mitteln des Vierten Hessischen Schwerbehinderten-Programms – dieses wird 2014 vom Hessischen Perspektivprogramm zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen (HEPAS) abgelöst – rund 1.200 Menschen mit Schwerbehinderungen in dauerhafte Arbeitsverhältnisse vermittelt.43 Im Rahmen der Initiative Inklusion soll zukünftig u. a. die Inklusionskompetenz der Kammern (Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer etc.) gestärkt werden. Teil ist die Konstitution von Kooperationsgremien bzw. Netzwerken in den Re40 Vgl. hierzu cafe-an-der-nidda.bbw-suedhessen.de (Zugriff: 9. Dezember 2013). 41 Programme wie die „Initiative für Ausbildung und Beschäftigung“ haben darüber hinaus zwar keine spezielle Ausrichtung auf die Inklusion von Menschen mit Behinderungen, können aber auch dafür genutzt werden. 42 Vgl. zum Beispiel zum Programm Job4000 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013c), S. 8ff. 43 Vgl. Hessisches Sozialministerium (2012a), S. 111f. 22


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gionen Hessens durch die Integrationsfachdienste und Berufsförderungswerke. In den Kooperationsgremien sollen neben der Agentur für Arbeit u. a. Fachkräfte für berufliche Integration, Vertreter von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Vertreter der Wirtschaft vertreten sein.44 Im Rahmen der Initiative wurden zudem das Berufsbildungswerk Südhessen mit Sitz in Karben und das Berufsbildungswerk Nordhessen mit Sitz in Bad Arolsen mit der Akquise und Besetzung von Ausbildungsplätzen beauftragt. Das Ziel von insgesamt 110 zusätzlichen betrieblichen Ausbildungsplätzen für junge Menschen mit Behinderungen bis Ende 2013 wurde bereits im Sommer 2013 erreicht.45 Mittelbar resultieren auch aus mit europäischen Strukturfondsmitteln kofinanzierten Programmen Möglichkeiten einer finanziellen Unterstützung von (Modell)Projekten, die darauf abzielen, die Teilhabechancen von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt zu verbessern. Aus Programmen wie der Förderung der regionalen Entwicklung (u. a. Dorferneuerung bzw. -entwicklung, Landtourismus, Regionale Wertschöpfung und Lebensqualität) und der Städtebauförderung ergeben sich zudem Fördermöglichkeiten für (Um)Bau und Einrichtung von Gebäuden in definierten Fördergebieten.46 Im Innenstadtbereich von Bad Nauheim beispielsweise könnten grundsätzlich Fördermittel für den (Um)Bau eines Gebäudes aus dem Städtebauförderprogramm mit Fördermitteln für die Einrichtung aus dem Programm Förderung der lokalen Ökonomie kombiniert werden.47 Für Vorhaben in Orts- bzw. Stadtteilen in ländlichen Regionen stehen grundsätzlich Mittel der Förderung der regionalen Entwicklung zur Verfügung.48 Ansprechpartner sind die Vertreter der Kommunen, der Kreisverwaltung in Friedberg sowie z. B. (im Fall einer Förderung im ländlichen Raum) Vertreter des Vereins Oberhessen.

44 Vgl. www.lwv-hessen.de (Zugriff: 10. Dezember 2013). 45 Vgl. www.bbw-suedhessen.de (Zugriff: 4. Dezember 2013). 46 Vgl. Richtlinien des Landes Hessen zur Förderung der regionalen Entwicklung (2013). Staatsanzeiger für das Land Hessen Nr. 16 vom 15. April 2013, S. 515f. 47 Einziger weiterer Standort des Städtebauförderprogramms ist Büdingen. 48 Fördergebiete sind Orts- bzw. Stadtteile von Büdingen, Butzbach, Florstadt, Karben, Nidda, Niddatal, Ortenberg, Reichelsheim, Wölfersheim und Ranstadt. 23


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Weitere Akteure, Interessensvertretungen und Unterstützungsangebote für Menschen mit Behinderungen im Wetteraukreis Die folgende Tabelle zeigt auf Basis von Internetrecherchen und ergänzenden Experteninformationen das breite Spektrum der im Handlungsfeld tätigen Akteure und regionalen Interessenvertretern sowie deren Standort bzw. Sitz auf. Die meisten Einrichtungen befinden sich in der Kreisstadt Friedberg. Tabelle 8

Weitere Akteure im Handlungsfeld im Wetteraukreis

Akteur

Standort

Behindertenbeirat

Büdingen

Behindertenhilfe Wetteraukreis gGmbH

Nidda

Bundesverband für Rehabilitation und Interessenvertretung Behinderter

Nidda

Bundesverband Körperbehinderter (BSK) Diakonisches Werk Wetterau (Integrationsfachdienst für schwerbehinderte Menschen im Berufsleben) Diakonisches Werk Wetterau (Integrationsfachdienst – Arbeitsvermittlung und berufsbegleitende Beratung für schwerbehinderte Menschen) FAB gGmbH Internationaler Bund Behindertenhilfe Wetteraukreis

Bad Nauheim Karben Friedberg Friedberg Bad Nauheim

Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.

Friedberg

Sozialverband VdK – Kreisverband Friedberg

Friedberg

Wetterauer Werkstätten

Friedberg

Quelle: www.wetteraukreis.de (Zugriff: 10. Dezember 2013), Experteninformationen.

Eine der in Tabelle 8 aufgeführten Interessensvertretungen, die Behindertenhilfe Wetteraukreis gGmbH, betreibt aktuell an verschiedenen Standorten in der Wetterau „Dorfläden“ bzw. Märkte, in denen u. a. Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung beschäftigt sind. Diese Märkte sind wegen Finanzierungsproblemen der Behindertenhilfe von Schließung bedroht, so dass die Mitarbeiter zum Teil wieder in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen zurückkehren.49 Einige interviewte Experten sehen dies als starken Rückschlag für die Inklusionsbemühungen in der Wetterau.

49 Vgl. z. B. www.giessener-anzeiger.de (Zugriff: 28. November 2013). 24


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4

Menschen mit Behinderungen im Wetteraukreis

Zur Beschreibung der Größe, der strukturellen Merkmale und der Arbeitsmarktsituation der Gruppe der Menschen mit Behinderungen in Hessen und im Wetteraukreis werden im weiteren Verlauf die folgenden Statistiken herangezogen: 

Mikrozensus des Hessischen Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 2009,50

Daten des Regierungspräsidiums Gießen, Landesversorgungsamt Hessen, Dezernat 61, zu Menschen mit einem Grad der Behinderung von 20 bis 40,51

Statistik der Menschen mit Schwerbehinderungen des Hessischen Statistischen Landesamtes (Grad der Behinderung ≥ 50),

Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zu Beschäftigung und Arbeitslosigkeit von Menschen mit Schwerbehinderungen.

Diese Statistiken beinhalten eine Vielfalt an Informationen vor allem für die Personengruppe der Menschen mit anerkannten Schwerbehinderungen. Zu Menschen mit Behinderungen, aber ohne Anerkennung der Behinderung – diese sind grundsätzlich ebenfalls Zielgruppe des Modellprojekts im Wetteraukreis – liegen (noch) keine Informationen auf Hessenebene vor. Eine Datenquelle, die auf Bundesebene Auskunft über Menschen mit Behinderungen, aber ohne Anerkennung der Behinderung gibt, ist das Sozio-ökonomische Panel (SOEP).52 Diese Datenquelle wird zur Beschreibung der Zielgruppe gemäß der Definition der Bundesregierung im Teilhabebericht über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen herangezogen. Im Teilhabebericht wird zwischen Beeinträchtigung und Behinderung unterschieden: Besteht aufgrund von Besonderheiten von Körperfunktionen (auch geistige und psychische) oder Körperstrukturen eine Einschränkung, z. B. beim Sehen, Hören oder Gehen, so wird dies als Beeinträchtigung bezeichnet. Erst wenn im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung Teilhabe und Aktivitäten durch ungünstige Umweltfaktoren

50 Der Mikrozensus als 1 %-Stichprobenbefragung der Haushalte wird jährlich durchgeführt. Bisher wurden im Abstand von vier Jahren zwei Fragenkomplexe aus dem Bereich „Fragen zur Gesundheit“ zu Behinderungen erhoben. Die Beantwortung dieser Fragen ist freiwillig. Mit dem Mikrozensus werden die Bereiche Ausbildung, Einkommensstruktur sowie Gesundheit und die Partizipation am Erwerbsleben untersucht. Erfasst sind Menschen mit einer anerkannten Behinderung (Grad der Behinderung zwischen 20 und 100). Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013a), S. 33. Für Hessen stehen frühestens Mitte 2014 neue Daten zur Verfügung, da 2013 eine Erhebung erfolgte. 51 Mit dem Grad der Behinderung (GdB) sollen die Auswirkungen einer oder mehrerer Behinderungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft abgebildet werden. Die GdB sind in Zehnerschritten zwischen 20 und 100 abgestuft. 52 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013a), S. 33f. Zu den Menschen mit Beeinträchtigungen zählen im SOEP alle Menschen, die eine amtlich festgestellte Erwerbsminderung oder eine Schwerbehinderung aufweisen. Hinzu kommen Menschen mit einer chronischen Erkrankung oder mit chronischen Beschwerden, wenn bei ihnen zusätzlich mindestens eine von drei Teilhabeeinschränkungen „immer“ oder „oft“ vorkommt oder sie beim Treppensteigen oder anderen anstrengenden Tätigkeiten im Alltag stark beeinträchtigt sind. Damit ist das SOEP hinsichtlich der Abbildung der Personengruppe „Menschen mit Beeinträchtigung“ die umfassendste Datenquelle. 25


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

dauerhaft eingeschränkt werden, liegt eine Behinderung vor.53 Nach aktuellen Daten des SOEP haben in Deutschland von insgesamt ca. 8,9 Mio. Personen mit Beeinträchtigungen im Alter von 18 bis 64 Jahren rund 5,2 Mio. Personen bzw. 58 % eine festgestellte bzw. anerkannte Behinderung.54 Entsprechend werden 3,7 Mio. Menschen mit Behinderungen bzw. 42 % statistisch nicht erfasst. Aufgrund der geringen Stichprobengröße liefert das SOEP für Hessen und auf Landkreisebene keine repräsentativen Daten. Jedoch wird deutlich, dass die Gruppe der Menschen mit Behinderungen regional deutlich größer sein dürfte, als andere Statistiken es aussagen. Es wird angestrebt, den Mikrozensus um eine Zusatzfrage zu ergänzen, die jährlich auch das Merkmal „Beeinträchtigungen“ abfragt.55 Aufgrund des geringen Stichprobenumfangs werden aber auf Ebene eines vergleichsweise dünn besiedelten Landkreises wie der Wetterau auch dann keine Ergebnisse darstellbar sein. Die nachfolgend zur Auswertung herangezogenen Statistiken geben zum Teil nur Informationen für die Landesebene, nicht den Wetteraukreis. In den Expertengesprächen wurde eine etwaige Ausnahmestellung des Wetteraukreises verneint. Demnach können Anteile, die nur auf Landesebene ausgewiesen werden, für Schätzungen auf Kreisebene durchaus herangezogen werden. 4.1

Strukturelle Merkmale

Ende September 2013 leben in Hessen rund 429.000 Menschen mit einem Grad der Behinderung von bis zu 40. Mehr als 50 % der Personen weisen dabei eine Einbuße der körperlichen Beweglichkeit auf: Tabelle 9

Menschen mit einer Behinderung mit GdB 20 – 40 in Hessen und im HAVS Gießen Anzahl Hessen

Anzahl HAVS Gießen

GdB 20 GdB 30 GdB 40

133.026 201.242 94.207

25.227 40.768 14.004

Insgesamt Davon mit einer Einbuße der körperlichen Beweglichkeit

428.475

79.999

241.883

45.293

Menschen mit Behinderungen (GdB 20-40)

Quelle: Regierungspräsidium Gießen, Landesversorgungsamt Hessen, Dezernat 61 (Stand 30.09.2013), Darstellung der Hessen Agentur.

53 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013b), S. 7. 54 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013b), S. 44. Daten der Befragungswelle im Jahr 2010. Das sind 10 % der Bevölkerung. 55 Zu berücksichtigen sind bei Befragungen grundsätzlich mögliche Probleme der Untererfassung von Menschen mit Behinderungen (z. B. Bewohner stationärer Einrichtungen). Zum Teil bestehen Verständnis- und Kommunikationsbarrieren. Dies stellt eine wichtige Herausforderung auch für die Weiterentwicklung der Datengrundlagen dar. 26


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30 können Menschen mit Schwerbehinderungen gleichgestellt werden, wenn sie infolge der Behinderung ohne die Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten können.56 Personen mit einem Grad der Behinderung von 20 sind von den Unterstützungsangeboten des SGB IX hingegen ausgeschlossen. Daten über die Anzahl der Menschen mit diesem Grad der Behinderung liegen für den Wetteraukreis nicht vor. Um eine Vorstellung der Größenordnung zu erhalten, kann der Amtsbezirk Gießen der Hessischen Ämter für Versorgung und Soziales (HAVS) herangezogen werden, in dessen Zuständigkeitsbereich der Wetteraukreis liegt. Hier leben rund 80.000 Menschen mit einem Grad der Behinderung zwischen 20 und 40, und damit rund ein Fünftel der hessischen Bevölkerung mit diesem Grad der Behinderung.57 Den Gesamtbevölkerungsanteil des Wetteraukreises an Hessen von rund 5 % berücksichtigend weisen geschätzt rund 21.000 Personen im Wetteraukreis einen Grad der Behinderung von bis zu 40 auf. Die Statistik der Menschen mit Schwerbehinderungen des Hessischen Statistischen Landesamtes liefert Informationen zu Arten von Behinderungen bei Menschen mit amtlich anerkannten Schwerbehinderungen, die einen gültigen Schwerbehindertenausweis besitzen.58 Insgesamt leben in Hessen rund 600.000 Personen bzw. rund 10 % der Bevölkerung mit Schwerbehinderungen. Mehr als 50 % der Menschen mit Schwerbehinderungen sind älter als 64 Jahre, nur 11 % jünger als 45 Jahre. Zu einem starken Anstieg des Bevölkerungsanteils der Menschen mit Schwerbehinderungen kommt es ab dem 44. Lebensjahr. Die folgende Übersicht zeigt die absoluten Zahlen auf:

56 Die Gleichstellung erfolgt auf Antrag. 57 Die HAVS Gießen ist für die Landkreise Gießen, Lahn-Dill-Kreis, Marburg-Biedenkopf, Vogelsbergkreis und Wetteraukreis zuständig. 58 Die Statistik der Menschen mit Schwerbehinderung ist eine Totalerhebung, aber keine Vollerhebung, da nicht alle in Betracht kommenden Personen einen Schwerbehindertenausweis beantragen. 27


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Tabelle 10 Menschen mit Schwerbehinderungen nach Altersklassen und Geschlecht im Jahr 2012 in Hessen davon

Insgesamt

Altersklassen

absolut

Männer in %

absolut

Frauen in %

absolut

in %

bis 14 Jahre 15 bis 24 Jahre 25 bis 34 Jahre 35 bis 44 Jahre 45 bis 54 Jahre 55 bis 64 Jahre 65 oder mehr Jahre

9.151 11.424 15.891 30.153 78.647 145.622 312.044

1,5 1,9 2,6 5,0 13,0 24,2 51,8

5.375 6.555 8.797 15.341 40.052 77.335 159.954

58,7 57,4 55,4 50,9 50,9 53,1 51,3

3.776 4.869 7.094 14.812 38.595 68.287 152.090

41,3 42,6 44,6 49,1 49,1 46,9 48,7

Insgesamt

602.932

100,0

313.409

52,0

289.523

48,0

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur.

Insgesamt sind 48 % der Menschen mit Schwerbehinderungen weiblich. In jüngeren Altersklassen fällt der Anteil der Frauen dabei geringer aus. Am häufigsten verfügen die Personen mit Schwerbehinderungen über einen Grad von 50 sowie von 100. Dabei liegt der Fokus des Grades der Behinderung nicht auf möglichen arbeitsmarktrelevanten Funktionseinschränkungen, denn „Umfang und Grad beschäftigungsrelevanter Leistungsbeeinträchtigungen korrelieren weder direkt noch zwangsläufig mit einem Grad der Behinderung“.59 Der Grad der Behinderung unterscheidet sich stark nach dem Alter der Personen (vgl. Abbildung 7). Bei den vergleichsweise wenigen jungen Menschen mit Schwerbehinderungen fällt der Grad der Behinderung hoch aus. Je älter und damit je häufiger die Personen Schwerbehinderungen aufweisen, desto seltener wird ein hoher Grad der Behinderung registriert. Erst in Altersklassen ab 64 Jahren kommt es wieder vergleichsweise oft zu hohen Graden der Behinderung.

59 Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2013), S. 18. 28


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Abbildung 7 Menschen mit Schwerbehinderungen in Hessen nach Altersklassen und Grad der Behinderung im Jahr 2012 in % Grad der Behinderung

50 insgesamt

70

35

65 oder mehr

Altersklasse

60

80

90

11

11

16

28

15

12

100 5

12

22

7

26

62 bis unter 65

48

18

10

8

4

12

60 bis unter 62

48

18

10

9

3

12

55 bis unter 60

46

45 bis unter 55

42

35 bis unter 45

15 bis unter 18 unter 15

10

15

34 27

8

24 22

10

17

40

25 bis unter 35 18 bis unter 25

18

6 7

8 9

9

12

9

12

8

14

3

9 10

11

4

14

4

17

3

23

3

31 40

17

3

41

19

2

42

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur.

Die Arten der schwersten Behinderung werden in der Statistik in neun Oberkategorien und rund 60 Unterkategorien unterschieden. Die Einteilung in die Kategorien orientiert sich dabei nicht primär an der ursächlichen Krankheit (z. B. Multiple Sklerose), sondern an der Erscheinungsform der Behinderung und der durch sie bestimmten Funktionseinschränkung (z. B. funktionelle Veränderung an Gliedmaßen).60 Der Blick richtet sich auch hier nicht auf mögliche arbeitsmarktrelevante Funktionseinschränkungen. Tabelle 11 gibt für die Oberkategorien einen Überblick über die Art der schwersten Behinderung und welcher Anteil von Menschen mit Schwerbehinderungen davon betroffen ist. Zudem zeigt die Tabelle, welchen Grad der Behinderung die betroffenen Menschen in den Oberkategorien aufweisen.

60 Vgl. Statistisches Bundesamt (2013). S. 7. 29


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Tabelle 11 Menschen mit Schwerbehinderungen nach Art der schwersten Behinderung und Grad der Behinderung in Hessen im Jahr 2012 in %

Art der schwersten Behinderung

Anteil an allen Behinderungen

Verteilung nach dem Grad der Behinderung 50

60

70

80

90

100

in %

in %

in %

in %

in %

in %

in %

Beeinträchtigung der Funktion von inneren Organen bzw. Organsystemen

25,0

31,5

16,3

10,5

13,4

5,8

22,5

Sonstige und ungenügend bezeichnete Behinderungen

21,9

35,2

15,3

11,1

11,3

5,1

22,0

Querschnittlähmung, zerebrale Störungen, geistig-seelische Behinderungen, Suchtkrankheiten

18,3

33,4

12,6

9,1

11,5

4,1

29,3

Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und des Rumpfes, Deformierung des Brustkorbes

13,2

51,0

18,8

10,7

7,7

3,4

8,4

Funktionseinschränkung von Gliedmaßen

10,6

35,5

20,0

14,1

11,1

5,3

13,9

Sprach- oder Sprechstörungen, Taubheit, Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörungen

4,5

31,4

17,0

13,3

11,2

6,0

21,1

Blindheit und Sehbehinderung

4,2

15,8

8,1

7,5

7,7

6,5

54,6

Verlust oder Teilverlust von Gliedmaßen

1,7

22,4

14,1

13,0

11,2

7,0

32,3

Kleinwuchs, Entstellungen u. a.

0,6

45,3

22,3

12,5

9,1

3,1

7,7

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur.

Mit 25 % entfällt der größte Anteil auf die Beeinträchtigung der Funktion von inneren Organen bzw. Organsystemen. Wesentlich ist zudem die Kategorie „Querschnittlähmung, zerebrale Störungen, geistig-seelische Behinderungen, Suchtkrankheiten“ (18 %), in der vor allem Menschen mit „geistig-seelischen Behinderungen“ geführt werden.61 In Bezug auf die Grade der Behinderung unterscheiden sich die Behinderungsarten nicht wesentlich, auch differenziert nach den einzelnen Oberkategorien verfügen die Personen mit Schwerbehinderungen am häufigsten über einen Grad von 50 sowie von 100. Ein vergleichsweise hoher Anteil an Personen mit einem Grad der Behinderung von 100 wird in der Kategorie „Blindheit und Sehbehinderung“ ausgewiesen. 61 In dieser Oberkategorie der Statistik der Menschen mit Schwerbehinderungen werden geistige und seelische Behinderungen zusammengefasst, obwohl sich Menschen mit geistigen und seelischen Behinderungen sowie ihre Bedarfe deutlich unterscheiden können. 30


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Im Wetteraukreis leben im Jahr 2012 rund 29.200 Personen bzw. rund 10 % der Bevölkerung mit Schwerbehinderungen. Auch hier verfügen die Personen mit Schwerbehinderungen am häufigsten über einen Grad von 50 sowie von 100. Es sind keine wesentlichen Unterschiede zur Gesamtsituation in Hessen festzustellen – auch nicht bei der Verteilung nach Altersklassen (vgl. Tabelle 12). In die „jüngere“ Altersklasse der 15-bis 44-Jährigen – diese soll vorrangig im Modellprojekt Berücksichtigung finden – fallen rund 3.000 Personen: Tabelle 12 Menschen mit Schwerbehinderungen nach Altersklassen in Hessen und im Wetteraukreis im Jahr 2012 Schwerbehinderte Menschen

Wetteraukreis

Hessen

insgesamt

29.241

602.932

darunter weiblich in %

47,5

48,0

insgesamt

448

9.151

in %

1,5

1,5

insgesamt

623

11.424

davon Altersklasse: bis 14 Jahre 15 bis 24 Jahre 25 bis 34 Jahre 35 bis 44 Jahre 45 bis 54 Jahre 55 bis 64 Jahre 65 Jahre oder älter

in %

2,1

1,9

insgesamt

786

15.891

in %

2,7

2,6

insgesamt

1.513

30.153

in %

5,2

5,0

insgesamt

3.934

78.647

in %

13,5

13,0

insgesamt

7.234

145.622

in %

24,7

24,2

insgesamt

14.703

312.044

in %

50,3

51,8

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur.

Auch bei der Art der schwersten Behinderung zeigt sich ein für Hessen und den Wetteraukreis vergleichbares Bild (vgl. Tabelle 13). Mit 25 % und 18 % entfallen auch im Wetteraukreis große Anteile auf die Kategorien „Beeinträchtigung der Funktion von inneren Organen bzw. Organsystemen“ und „Querschnittlähmung, zerebrale Störungen, geistig-seelische Behinderungen, Suchtkrankheiten“. In der jüngeren Altersklasse von 15 bis 44 Jahren haben die „geistig-seelischen Behinderungen“ eine hohe Bedeutung. In die Kategorie fallen ca. 900 Personen. Im Vergleich dazu zählt die über alle Altersklassen bedeutendste Kategorie „Beein-

31


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

trächtigung der Funktion von inneren Organen bzw. Organsystemen“ hier nur rund 500 Personen. Mehr als 100 Personen werden zudem den drei Kategorien „Funktionseinschränkung von Gliedmaßen“, „Blindheit und Sehbehinderung“ sowie „Sprach- oder Sprechstörungen, Taubheit, Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörungen“ zugeordnet. Tabelle 13 Menschen mit Schwerbehinderungen nach der Art der schwersten Behinderung im Wetteraukreis im Jahr 2012

Art der schwersten Behinderung

Menschen mit Schwerbehinderung Anzahl

in %

darunter in Altersklasse: 15 bis 44 Jahre Anzahl

in %

45 bis 65 Jahre Anzahl

in %

Beeinträchtigung der Funktion von inneren Organen bzw. Organsystemen

7.428

25,4

516

6,9

2.813

37,9

Sonstige und ungenügend bezeichnete Behinderungen

6.563

22,4

956

14,6

2.515

38,3

Querschnittlähmung, zerebrale Störungen, geistig-seelische Behinderungen, Suchtkrankheiten

5.332

18,2

929

17,4

2.471

46,3

Funktionseinschränkung der Wirbelsäule und des Rumpfes, Deformierung des Brustkorbes

3.837

13,1

94

2,4

1.417

36,9

Funktionseinschränkung von Gliedmaßen

2.820

9,6

152

5,4

975

34,6

Sprach- oder Sprechstörungen, Taubheit, Schwerhörigkeit, Gleichgewichtsstörungen

1.243

4,3

131

10,5

473

38,1

Blindheit und Sehbehinderung

1.274

4,4

105

8,2

320

25,1

Verlust oder Teilverlust von Gliedmaßen

565

1,9

35

6,2

143

25,3

Verlust einer Brust oder beider Brüste, Entstellungen u.a.

179

0,6

4

2,2

41

22,9

100,0

2.922

10,0

11.168

38,2

Insgesamt

29.241

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur.

32


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Qualifikationen in schulischer und beruflicher Hinsicht Wesentliche Faktoren für die Eignung eines Menschen für den Arbeitsmarkt sind schulische und berufliche Qualifikationen. Über das Bildungsniveau der Menschen mit Behinderungen liegen auf regionaler Ebene keine umfassenden Informationen vor. Aus den Ergebnissen des Mikrozensus 2009 für Hessen zum höchsten Schulund Berufsabschluss von 15-jährigen und älteren Personen geht hervor, dass das schulische Bildungsniveau von Menschen mit Behinderungen hinter dem der Menschen ohne Behinderung zurückblieb.62 Während nur 10 % der Menschen mit Behinderungen ihr Abitur absolvierten, bestanden rund 25 % der Menschen ohne Behinderungen die Abiturprüfung. Vergleicht man die Anteile der Personen ohne Schulabschluss, ist dieser Anteil bei Menschen mit Behinderungen (5,3 %) allerdings nur um 1,6 Prozentpunkte höher als der bei Menschen ohne Behinderung (3,7 %). Beim Berufsabschluss zeigt sich, dass 59 % der Menschen mit Behinderungen, aber nur 50 % der Menschen ohne Behinderung über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Einen Hochschulabschluss weisen Menschen ohne Behinderung allerdings mit einem Anteil von 10 % etwa doppelt so häufig auf wie Menschen mit Behinderungen.63 Das Gesamtbild der Qualifikationen in schulischer und beruflicher Hinsicht von Menschen mit Behinderungen ist allerdings zu differenzieren. Das Qualifikationsniveau dürfte mit dem Alter variieren und ist auch von der Art der Behinderung beeinflusst. So ist beispielsweise bei Menschen mit ausschließlich körperlicher Behinderung kein schlechteres Bildungsniveau zu erwarten, zumal die Beeinträchtigung häufig erst in späterem Alter eintritt. Meist geringer sind hingegen die Bildungschancen von Menschen mit geistiger Behinderung einzuschätzen. Neben der Art der Behinderung korreliert auch der Grad der Behinderung (negativ) mit dem Qualifikationsniveau.64 Es wird deutlich, dass sich aus den verfügbaren Statistiken, insbesondere auf regionaler Ebene, nur bedingt Aussagen zu Erwerbspotenzialen der Personengruppe Menschen mit Behinderungen ableiten lassen. Die Statistiken sind in der Regel defizitorientiert, richten den Blick nicht auf die Eignung der Personen für den Arbeitsmarkt sowie Bedarfe hinsichtlich der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses.

62 Vgl. Hessisches Sozialministerium (2012b), S. 438ff. Zu den Menschen mit Behinderungen zählen im Mikrozensus Personen mit einem Grad der Behinderung von 20 bis 100. 63 Die IWAK-Betriebsbefragung aus dem Herbst 2012, die sich mit der Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung befasst, kommt für die Rhein-Main-Region (einschließlich Wetterau) zu vergleichbaren Ergebnissen. Der Großteil der Beschäftigten mit Schwerbehinderung kann danach einen Berufsabschluss vorweisen. Zudem gleicht der Akademikeranteil unter den Beschäftigten mit Schwerbehinderung dem Akademikeranteil von allen Beschäftigten. Vgl. Nüchter, O. / Schmid, A. (2013), S. 1ff. 64 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013b). S. 120. 33


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

4.2

Situation auf dem Arbeitsmarkt und dem Ausbildungsmarkt

In Hessen lag die Erwerbsquote von Menschen mit Behinderungen gemäß dem Mikrozensus im Jahr 2009 bei rund 30 % und damit deutlich unter der Erwerbsquote von Menschen ohne Behinderung (62 %). Somit steht ein Großteil der Menschen mit Behinderungen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Den geringsten Unterschied zur Erwerbsquote von Menschen ohne Behinderung gibt es in der Altersklasse 15 bis 24 Jahre, in der rund die Hälfte der Menschen mit anerkannter Behinderung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.65 Da entsprechende Informationen im Mikrozensus für den Wetteraukreis nicht vorliegen, werden nachfolgend Ergebnisse der Beschäftigungs- und Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit präsentiert. Beschäftigungssituation Die Beschäftigungsstatistik zu Menschen mit Schwerbehinderungen basiert auf Daten, die von der Bundesagentur für Arbeit u. a. zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht und zur Berechnung einer eventuell fälligen Ausgleichsabgabe erhoben werden. Sie liefert Informationen über die Anzahl der Arbeitgeber mit 20 und mehr Arbeitsplätzen, ihren Pflichtarbeitsplätzen (besetzt, unbesetzt), Beschäftigungsquoten (Ist-Quote) sowie über ausgewählte Merkmale wie z. B. Betriebsgrößenklasse, Wirtschaftszweig, Altersgruppe und Region. In Hessen waren im Jahr 2011 insgesamt 92.338 Menschen mit anerkannten Schwerbehinderungen in Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen beschäftigt, 2.865 Personen bzw. 3 % davon im Wetteraukreis (vgl. Tabelle 14). Der überwiegende Teil der Beschäftigten (82 %) war den Altersklassen ab 45 Jahre zugeordnet. Dies ist auf die Verteilung der Bevölkerung mit Schwerbehinderungen nach Altersklassen zurückzuführen (vgl. Abschnitt 4.1).

65 Vgl. Hessisches Sozialministerium (2012b), S. 442ff. 34


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Tabelle 14 Beschäftigte Menschen mit Schwerbehinderungen nach Geschlecht und Alter im Jahr 2011 im Wetteraukreis und in Hessen Wetteraukreis

Hessen

Alter Insgesamt

Männer

Frauen

Insgesamt

Männer

Frauen

unter 15 Jahre

-

-

-

-

-

-

15 bis unter 20 Jahre

2

2

-

133

77

55

20 bis unter 25 Jahre

19

9

10

746

402

343

25 bis unter 30 Jahre

46

22

24

1.610

868

742

30 bis unter 35 Jahre

87

36

51

2.755

1.415

1.340

35 bis unter 40 Jahre

134

77

57

4.417

2.416

2.001

40 bis unter 45 Jahre

242

110

132

8.914

4.815

4.099

45 bis unter 50 Jahre

412

212

200

14.806

8.267

6.539

50 bis unter 55 Jahre

602

313

289

19.311

10.804

8.507

55 bis unter 60 Jahre

808

435

373

24.325

13.797

10.529

60 Jahre und älter

513

299

214

15.309

9.439

5.870

2.865

1.514

1.351

92.338

52.311

40.028

Insgesamt

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung der Hessen Agentur.

Bei nahezu allen im Wetteraukreis Beschäftigten mit Schwerbehinderungen liegt ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vor. Gleichstellungen sind hingegen selten. Der Anteil liegt im Wetteraukreis bei rund 6 %, in Hessen bei 12 %: Tabelle 15 Beschäftigte Menschen mit Schwerbehinderungen nach Geschlecht und Personengruppe im Jahr 2011 im Wetteraukreis und in Hessen Wetteraukreis

Hessen

Personengruppe Insgesamt

Männer

Frauen

12

8

3

Schwerbehind. Menschen

2.674

1.397

Gleichgestellte Menschen

178

Sonstige Personen Angabe fehlt

Auszubildende

Insgesamt

Insgesamt

Männer

Frauen

476

272

204

1.277

80.542

45.158

35.384

109

69

11.301

6.864

4.437

-

-

-

3

2

1

1

-

1

15

13

2

2.865

1.514

1.351

92.338

52.311

40.028

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung der Hessen Agentur.

35


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Hessenweit gibt es laut BA-Statistik 317 Arbeitgeber im Gastgewerbe, die 20 und mehr Arbeitsplätze aufweisen. Diese Arbeitgeber stellen insgesamt 51.247 Arbeitsplätze zur Verfügung.66 Die Ist-Quote, die den Anteil der durch Menschen mit Schwerbehinderungen besetzten Arbeitsplätze an allen hierfür zu zählenden Arbeitsplätzen angibt, beträgt im Gastgewerbe 4,5 % und ist damit geringer als über alle Wirtschaftszweige hinweg (5,2 %). Im Wetteraukreis gibt es im Gastgewerbe 10 Arbeitgeber mit 20 und mehr Arbeitsplätzen – 736 Arbeitsplätze insgesamt. Hier liegt die Ist-Quote mit 1,9 % deutlich unter dem hessischen Durchschnitt des Gastgewerbes. Dies deutet regionale Nachhol- bzw. Beschäftigungspotenziale an: Tabelle 16 Beschäftigte Menschen mit Schwerbehinderungen in ausgewählten Wirtschaftszweigen im Jahr 2011 im Wetteraukreis Arbeitgeber Wirtschaftsabschnitte (WZ 2008)

Arbeitsplätze

mit 20 und mehr Arbeits-

Insgesamt

plätzen

zu zählende Arbeitsplätze

Pflichtarbeitsplätze Ist-Quote besetzt

unbesetzt

Verarbeitendes Gewerbe

87

10.868

10.062

610

50

6,1

Baugewerbe

23

1.224

1.060

40

15

3,7

Handel; Instandhaltung u. Reparatur von Kraftfahrzeugen

83

7.935

6.372

213

118

3,3

Verkehr und Lagerei

16

773

629

16

13

2,6

Gastgewerbe

10

736

478

9

15

1,9

11

861

827

18

21

2,2

29

5.590

5.237

230

55

4,5

30

3.226

2.498

107

40

4,3

Öffentl. Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung

26

5.148

4.538

422

1

9,3

Gesundheits- und Sozialwesen

48

6.654

5.721

367

11

6,4

9

635

567

35

7

6,1

396

47.580

41.097

2.286

353

5,6

Information und Kommunikation Erbringung von freiberufl., wissensch. u. techn. Dienstleistungen Erbringung von sonst. wirtschaftl. Dienstleistungen

Erbringung von sonst. Dienstleistungen Insgesamt

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung der Hessen Agentur.

66 Arbeitsplätze im Sinne des Zweiten Teils des SGB IX sind gem. § 73 Abs. 1 SGB IX „alle Stellen, auf denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden.” Die Absätze 2 und 3 dieses Paragrafen regeln, was nicht als Arbeitsplatz in diesem Sinne gilt. 36


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Um einen Überblick über die Gesamtzahl der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigten Menschen mit Schwerbehinderungen und ihnen Gleichgestellten zu erhalten, werden von der Bundesagentur für Arbeit bei Arbeitgebern mit weniger als 20 Beschäftigten im fünfjährigen Abstand in Form einer repräsentativen Teilerhebung ebenfalls Informationen erhoben, zuletzt im Jahr 2010.67 Regionale Ergebnisse liegen für Hessen, aber nicht den Wetteraukreis vor.68 2010 waren bei nicht anzeigepflichtigen Arbeitgebern in Hessen weitere rund 11.000 Arbeitsplätze durch Menschen mit Schwerbehinderungen und ihnen Gleichgestellte besetzt. Darunter befanden sich rund 8.000 Menschen mit Schwerbehinderungen und 3.000 Gleichgestellte, so dass Gleichstellungen bei kleineren Unternehmen offenbar vergleichsweise häufig auftreten. Gegenüber dem Jahr 2005 sank die Gesamtzahl der besetzten Arbeitsplätze um rund 1.700 Plätze bzw. 13 %. Zu Rückgängen kam es allein bei den durch Menschen mit Schwerbehinderungen besetzten Plätzen (- 3.250 Plätze bzw. - 29 %). Die Gesamtzahl der besetzten Arbeitsplätze für Gleichgestellte verdoppelte sich hingegen. Neben der Beschäftigungsstatistik kann die IWAK-Betriebsbefragung aus dem Herbst 2012 einen Eindruck davon geben, inwieweit Unternehmen aus dem Gastgewerbe bereits Menschen mit Behinderungen beschäftigen.69 Die Befragung erfolgte in der Rhein-Main Region, zu der der Wetteraukreis in der Studie gezählt wird.70 Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 15 % aller Betriebe mindestens einen Menschen mit Schwerbehinderungen beschäftigen. Dieser Anteil liegt im Gastgewerbe nur bei rund 7 %. Auch bei der Betrachtung des Anteils der Menschen mit Schwerbehinderungen an allen Beschäftigten schneidet das Gastgewerbe mit 1,1 % unterdurchschnittlich ab (alle Betriebe: 3,6 %) und liegt auf dem letzten Platz der betrachteten Bereiche.

67 68 69 70

Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013b), S. 132. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2012). Vgl. Nüchter, O. / Schmid, A. (2013). S. 3f. Die Abgrenzung der Region Rhein-Main umfasst in dieser Studie die IHK-Bezirke Rheinhessen, Wiesbaden, Frankfurt, Limburg, Gießen-Friedberg, Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern, Offenbach, Darmstadt sowie Aschaffenburg. Vgl. Nüchter, O. / Schmid, A. (2013), S. 1. 37


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Arbeitslosigkeit Die Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit gibt Aufschluss über die Arbeitslosigkeit von Menschen mit anerkannten Schwerbehinderungen.71 Es können allerdings nur Bestände, keine Arbeitslosenquoten, ausgewiesen werden.72 2012 waren 692 Personen mit Schwerbehinderungen und Wohnsitz im Wetteraukreis arbeitslos (vgl. Tabelle 17). Damit wohnen ca. 5,3 % der arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderungen Hessens im Wetteraukreis. An den Arbeitslosen insgesamt hat der Wetteraukreis einen Anteil von nur 4,2 %. Demnach gibt es im Wetteraukreis vergleichsweise viele arbeitslose Menschen mit Schwerbehinderungen. Tabelle 17 Bestand an arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderungen im Jahr 2012 in Hessen Bestand an arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderungen

Wetteraukreis Insgesamt

Hessen

Männer

Frauen

Insgesamt

Männer

Frauen

15 - 24 Jahre

18

11

8

393

236

158

25 - 34 Jahre

72

40

32

1.273

756

517

35 - 44 Jahre

99

60

39

2.044

1.207

837

45 - 54 Jahre

219

133

86

4.128

2.409

1.719

55 - 64 Jahre

284

182

102

5.187

3.126

2.061

0

0

0

11

7

4

692

425

267

13.036

7.741

5.295

65 Jahre und älter Insgesamt

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung der Hessen Agentur.

Im Vergleich zum Jahr 2010 hat sich die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderungen im Wetteraukreis um 17 % erhöht, wovon vor allem Personen ab 45 Jahren betroffen waren. Dieser Anstieg steht im Gegensatz zur hessenweiten Entwicklung. Hier sind die Arbeitslosenzahlen der Menschen mit Schwerbehinderungen insgesamt um rund 2 % gesunken.

71 Gemäß § 16 SGB III sind alle Personen arbeitslos, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen, dabei den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und nicht Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind (§ 16 Abs. 2 SGB III). Zu den Erwerbslosen zählen alle Personen, die nicht erwerbstätig sind und die in den letzten vier Wochen aktiv nach einer Stelle gesucht haben. Die Unterschiede zwischen Erwerbslosigkeit und Arbeitslosigkeit folgen aus den verschiedenen Erhebungsmethoden (Stichprobenbefragung versus Registrierung) und unterschiedlichen Konkretisierungen von Begriffsmerkmalen. Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013b), S. 142. 72 Es fehlt die Bezugsgröße in der Bevölkerung. 38


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Deutschlandweite Daten der Bundesagentur für Arbeit belegen, dass die Dynamik in der Entwicklung der Arbeitslosigkeit – auch in der mittleren Altersgruppe der 25- bis unter 55-Jährigen – bei Arbeitslosen mit Schwerbehinderungen deutlich geringer als bei anderen Arbeitslosen ist. Dies hat zur Folge, dass die Dauer der Arbeitslosigkeit und der Anteil der Langzeitarbeitslosen deutlich höher sind. Das Ergebnis, dass es Menschen mit Schwerbehinderungen trotz einer vergleichbaren Qualifikation in geringerem Maße als nicht schwerbehinderten Menschen gelingt, die Arbeitslosigkeit zu beenden, kann auch als Indiz für einen Handlungsbedarf im Bereich der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt gewertet werden.73 Bei der Beurteilung der Arbeitsmarktlage – und zudem bei der Abschätzung der Größe der potenziellen Zielgruppe des Modellprojekts – ist die sogenannte „Stille Reserve“ zu berücksichtigen, also eine unbekannte Zahl von Menschen, die sich nicht arbeitslos meldet, auch weil sie ihre Chance auf Ausbildung oder Beschäftigung ohnehin gering einschätzt. Dies dürfte für Menschen mit und ohne Behinderungen gleichermaßen gelten. In diesem Zusammenhang sei zudem auf eine Dunkelziffer an Personen verwiesen, die vorzeitig verrentet würden, um eine Anpassung des Arbeitsplatzes oder die Schaffung eines alternativen Arbeitsplatzes zu vermeiden. Ein weiterer Aspekt ist die Feststellung im Teilhabebericht der Bundesregierung, dass Menschen mit Beeinträchtigungen häufiger in einem Beruf arbeiten, der ein geringeres als das vorhandene Ausbildungsniveau erfordert und der nicht den Interessen entspricht.74 Situation auf dem beruflichen Ausbildungsmarkt Aktuell gibt es rund 350 anerkannte Ausbildungsberufe nach Berufsbildungsgesetz bzw. Handwerksordnung mit den Lernorten Berufsschule und Betrieb. Menschen mit Behinderungen haben zusätzlich die Möglichkeit, eine spezielle sogenannte Fachpraktiker-Ausbildung nach § 66 Berufsbildungsgesetz (BBiG) und § 42m Handwerksordnung (HwO) zu absolvieren. Diese Ausbildungen haben ihren Schwerpunkt in der Praxis und richten sich an junge Menschen, die aufgrund der Art und Schwere der Behinderungen (noch) keine anerkannte Ausbildung absolvieren können.75 Da-

73 Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2013a). S. 9ff. 74 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013b), S. 135. 75 Vgl. Faltblatt „Betriebliche Ausbildung von jungen Menschen mit Behinderung“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke e. V. (2013). Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderungen durchlaufen derzeit einen Prozess zur Vereinheitlichung und Qualitätsverbesserung. Sie werden hier unter dem Begriff „Fachpraktiker-Ausbildung“ gebündelt. Teilweise finden sich diese Neuerungen noch nicht in den Bezeichnungen der amtlichen Statistik. 39


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

zu erfolgt eine entsprechende Begutachtung.76 Ziel ist langfristig die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Berufsbildungsstatistik des Hessischen Statistischen Landesamtes gibt auch Auskunft über Menschen, die eine Ausbildung als Fachpraktiker absolvieren. Menschen mit Behinderungen, die einen anerkannten Ausbildungsberuf erlernen, sind jedoch statistisch nicht identifizierbar. 2012 begannen in Hessen 426 Personen, davon 78 im Wetteraukreis, eine Fachpraktiker-Ausbildung. An der Gesamtzahl der Vertragsabschlüsse in Berufen nach § 66 BBiG bzw. § 42m HwO hat der Wetteraukreis damit einen Anteil von 18 %, während er über alle Berufe betrachtet nur 4 % erreicht. Dies dürfte auf die Arbeit des Berufsbildungswerkes am Standort Karben zurückzuführen sein. Gegenüber dem Jahr 2008 werden, entgegen dem Gesamttrend in Hessen und im Wetteraukreis, mehr Neuverträge in der Ausbildung zum Fachpraktiker gezählt, wofür vor allem der Handwerksbereich verantwortlich ist. Im Bereich Industrie und Handel waren die Neuvertragszahlen hingegen rückläufig. Hinsichtlich der Zahl der Neuverträge nach Zuständigkeitsbereichen zeigt sich das folgende Bild: Abbildung 8 Verteilung der Neuverträge nach Zuständigkeitsbereichen im Wetteraukreis 2012 Fachpraktiker-Ausbildung

anerkannte Ausbildungsberufe Landwirtschaft 3%

Landwirtschaft 21%

Öffentlicher Dienst 1%

Industrie und Handel 46%

Handwerk 33%

Handwerk 33%

N = 78

Freie Berufe 8%

Industrie und Handel 55%

N = 1.556

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur.

76 „Die Feststellung, dass Art und Schwere/Art oder Schwere der Behinderung eine Ausbildung nach einer Ausbildungsregelung für behinderte Menschen erfordert, soll auf der Grundlage einer differenzierten Eignungsuntersuchung erfolgen. Sie wird derzeit durch die Bundesagentur für Arbeit – unter Berücksichtigung der Gutachten ihrer Fachdienste und von Stellungnahmen der abgebenden Schule, gegebenenfalls unter Beteiligung von dafür geeigneten Fachleuten (u.a. Ärzte, Psychologen, Pädagogen, Behindertenberater) aus der Rehabilitation bzw. unter Vorschaltung einer Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung – durchgeführt.“ (Rahmenregelung für Ausbildungsregelungen für behinderte Menschen gemäß § 66 BBiG / § 42m HwO, S. 4). 40


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Der Bereich Landwirtschaft spielt in der Ausbildung zum Fachpraktiker eine größere Rolle als in den anerkannten Ausbildungsberufen, der Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel hingegen eine geringere Rolle.77 In den Bereichen „Öffentlicher Dienst“ und „Freie Berufe“ gibt es keine Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderungen gemäß § 66 BBiG bzw. § 42m HwO. Insgesamt wurden 2012 in Hessen 102.505 Auszubildende gezählt, 1.352 Personen bzw. 1 % davon in der Fachpraktiker-Ausbildung. Bezogen auf die Gesamtzahl der Auszubildenden stellen Menschen in der Fachpraktiker-Ausbildung in der Landwirtschaft mit rund 10 % den größten Anteil der Auszubildenden. In Industrie- und Handel (rund 800 Auszubildende) und im Handwerk (rund 300 Auszubildende) haben Menschen in der Fachpraktiker-Ausbildung lediglich einen Anteil von etwa 1 % der Auszubildenden. Die Struktur im Wetteraukreis unterscheidet sich von der Gesamtsituation Hessens: Insgesamt wurden 4.183 Auszubildende gezählt – die Zahl der Auszubildenden in der Fachpraktiker-Ausbildung lag bei 217 Personen bzw. im Vergleich zu Hessen überdurchschnittlichen 4 %. Dabei ist der Anteil der Auszubildenden in der Fachpraktiker-Ausbildung auch in allen Zuständigkeitsbereichen überdurchschnittlich: Er beträgt rund 5 % in Industrie- und Handel sowie im Handwerk (Hessen: 1 %), in der Landwirtschaft sogar 28 % (Hessen: 10 %). Berufe des Hotel- und Gaststättenbereichs erlernten 2012 im Wetteraukreis 67 Personen mit Behinderungen. Der Anteil dieser Berufe an allen Fachpraktiker-Ausbildungen liegt bei 31 %, was auf eine vergleichsweise hohe Bedeutung der Berufe hinweist. Der meistgewählte Beruf fällt mit „Werker im Gartenbau / Gartenbauhelfer“ jedoch in den Zuständigkeitsbereich der Landwirtschaft. In Industrie und Handel sowie Handwerk werden im Einzelnen die Berufe „Bau- und Metallmaler“, „Beikoch“, „Hauswirtschaftshelfer“, „Metallbearbeiter“ mit jeweils mehr als 30 Auszubildenden sowie „Holzbearbeiter“ mit 22 Auszubildenden am häufigsten gewählt. In ihnen sind insgesamt 94 % der Auszubildenden zum Fachpraktiker tätig. Die Wiedereinführung der Ausbildereignungsverordnung im Jahr 2009 hat sich nach Angaben interviewter Experten der Unternehmensseite grundsätzlich und speziell im Bereich der Fachpraktiker-Ausbildung – diese stellt besondere Anforderungen – negativ auf die Ausbildungsbereitschaft einiger, vor allem kleinerer Unternehmen ausgewirkt. Darauf reagieren die Kammern und auch Bildungsträger, indem sie Unterstützung beim Nachweis der Ausbildereignung anbieten.

77 Berufe des Hauswirtschaftsbereichs (z. B. Köche, Beiköche) werden in Hessen im Zuständigkeitsbereich von Industrieund Handel erfasst. 41


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

5

Beschäftigungspotenziale für Menschen mit Behinderungen im Hotel- und Gaststätten-Bereich im Wetteraukreis

Dieses Kapitel fokussiert auf die in Kapitel 2 dargestellten Kernfragen zu Beschäftigungspotenzialen von Menschen mit Behinderungen im Hotel- und GaststättenBereich im Wetteraukreis. Die folgenden Ausführungen basieren vorrangig auf den Ergebnissen der leitfadengestützten Experteninterviews. Die Beschäftigungspotenziale von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hängen von ihnen selbst bzw. von ihren beruflichen Qualifikationen und Interessen ab, zudem von der Nachfrage der Betriebe. Wesentlich ist ebenso, dass Arbeitsanbieter und -nachfrager regional und qualifikatorisch zueinander passen und zueinander finden bzw. vermittelt werden. Aus den geführten Expertengesprächen geht hervor, dass es für die Beschäftigung im Hotel- und Gaststätten-Bereich im Wetteraukreis auf allen Seiten (Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Vermittlung) derzeit Chancen und Hemmnisse gibt. Betont wird die Bedeutung des aktuellen Angebots an offenen Stellen bzw. des Fachkräftebedarfs seitens der Betriebe (Abschnitt 5.1). Im Vordergrund stehen damit allgemeine bzw. vom etwaigen Vorliegen einer Behinderung unabhängige Faktoren. Darüber hinaus wurden in den Interviews weitere für Menschen mit Behinderungen spezifische Chancen und Hemmnisse ermittelt. Diese lassen sich in physische und mentale Barrieren sowie in Probleme im Hinblick auf die Vermittlung unterscheiden (Abschnitt 5.2). Die Auswirkungen einer Behinderung können in Kombination mit den Barrieren bzw. ungünstigen Umweltfaktoren auch dazu führen, dass bestimmte Tätigkeitsfelder im Gastgewerbe für Menschen mit einer bestimmten Behinderungsform besser oder auch weniger gut geeignet sind als andere (Abschnitt 5.3).

5.1

Arbeitgeber, Stellenangebot und -nachfrage

Im Vordergrund bei der Einschätzung der Beschäftigungspotenziale steht das regional vorhandene Angebot an Arbeitgebern und offenen Stellen im Hotel- und Gaststätten-Bereich. Daher werden zunächst die potentiellen Arbeitgeber und das Stellenangebot des Gastgewerbes im Wetteraukreis anhand von Daten des Statistischen Landesamtes und der Bundesagentur für Arbeit dargestellt.

42


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Struktur potenzieller Arbeitgeber Im Wetteraukreis gab es im Jahr 2011 gemäß Unternehmensregister 814 im Hotelund Gaststättenbereich tätige Unternehmen. Davon entfielen 16 % der Unternehmen auf den Bereich der Beherbergung, 84 % auf den Bereich Gastronomie. Tabelle 18 Unternehmen der Wirtschaftsbereiche Beherbung und Gastronomie nach Betriebsgrößen im Wetteraukreis im Jahr 2011 Anzahl der Unternehmen Wirtschaftsbereich

Insgesamt

0-9

davon mit einer Anzahl an Beschäftigten von 10-49 50-249 250 oder mehr

Beherbergung

133

122

10

1

0

Gastronomie

681

672

7

2

0

Insgesamt

814

794

17

3

0

Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Darstellung der Hessen Agentur.

In den Unternehmen des Hotel- und Gaststättenbereichs in der Wetterau waren rund 1.500 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, davon ca. 400 in der Beherbergung, 1.100 in der Gastronomie. Somit verfügen die vergleichsweise wenigen in der Beherbergung tätigen Unternehmen durchschnittlich über eine höhere Zahl an Beschäftigten (3 Personen) als die in der Gastronomie (1,6 Personen). Die deutliche Mehrzahl aller Unternehmen hat zwischen null und neun sozialversicherungspflichtige Beschäftigte (vgl. Tabelle 18). Nur 8 % der Unternehmen in der Beherbergung und lediglich 1 % in der Gastronomie verfügen über mehr als neun Beschäftigte, keines hingegen über 250 und mehr Beschäftigte. Somit ist das Gastgewerbe im Wetteraukreis durch viele, hinsichtlich der Beschäftigtenzahl kleine Unternehmen geprägt, bei denen es meist keinen Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen gibt und deren Möglichkeiten insbesondere zur Neueinstellung von Menschen mit Behinderungen aufgrund begrenzter Betriebskapazitäten eingeschränkt sein können. Vor dem Hintergrund des sprichwörtlichen Verantwortungsbewusstseins kleinerer, häufig eigentümergeführter Betriebe kann dies jedoch auch als Vorteil interpretiert werden. Grundsätzlich werden zum hessischen Durchschnitt der branchenspezifischen Betriebsgrößenstruktur allerdings keine nennenswerten Unterschiede deutlich.78

78 Daten des Hessischen Statistischen Landesamtes. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Angaben nur auf Unternehmen beziehen. Die Anzahl der Unternehmen und der Betriebe unterscheidet sich jedoch nur unwesentlich. Im Jahr 2011 wurden im Wetteraukreis im Gastgewerbe 858 Betriebe gezählt. 43


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Stellenangebot und Stellennachfrage im Gastgewerbe Das Gastgewerbe (gemäß Wirtschaftszweigklassifikation von 2008) meldete im September 2013 in Hessen insgesamt ca. 2.100 freie Stellen, die Mehrzahl davon – wie nach dem Unternehmensregister zu erwarten – in der Gastronomie: Tabelle 19 Stellenangebot im Gastgewerbe im September 2013 in Hessen Wirtschaftsabteilung / Wirtschaftsgruppe

Bestand gemeldeter Arbeitsstellen absolut

in %

559

100,0

544

98,5

10

1,0

Campingplätze

4

0,5

Sonstige Beherbergungsstätten

*

*

1.494

100,0

1.162

75,1

241

18,7

91

6,3

2.053

100,0

Beherbergung davon: Hotels, Gasthöfe und Pensionen Ferienunterkünfte und ähnliche Beherbergungsstätten

Gastronomie davon: Restaurants, Gaststätten, Imbissstuben, Cafés, Eissalons u. ä. Caterer und Erbringung sonstiger Verpflegungsdienstleistungen Ausschank von Getränken Insgesamt Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung der Hessen Agentur.

Im Agenturbezirk Gießen, der seit dem 1.1.2013 die Landkreise Wetteraukreis, Gießen und Vogelsbergkreis umfasst, wurden insgesamt 250 Stellen im Gastgewerbe gemeldet. Tiefer regional gegliederte Informationen liegen in der Differenzierung nicht vor. Stellenangebot und Stellennachfrage in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen Differenziert nach Berufen gemäß der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010) zeigt sich bei der Gegenüberstellung von Arbeitslosen und offenen Stellen nach Berufsbereichen für Hessen das folgende Bild:

44


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Abbildung 9 Arbeitslose je gemeldeter Arbeitsstelle nach Berufsbereichen in Hessen im September 2013 Land-, Forst-, Tierwirtschaft, Gartenbau

10,6

Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit

7,7

Unternehmensorga,Buchhalt,Recht,Verwalt.

7,3

Kaufm.Dienstl.,Handel,Vertrieb,Tourismus

5,6

Insgesamt

5,4

Geisteswissenschaften, Kultur,Gestaltung

5,1

Naturwissenschaft, Geografie, Informatik

3,4

Bau,Architektur,Vermessung,Gebäudetechn.

3,4

Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung

3,1

Gesundheit, Soziales, Lehre u. Erziehung

2,9

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung der Hessen Agentur.

Auf eine Stelle bewerben sich demnach im Berufsbereich „Kaufmännische Dienstleistungen, Handel, Vertrieb, Tourismus“ knapp sechs Arbeitslose. Danach ist das Stellenangebot bzw. sind die Beschäftigungschancen für die Arbeitslosen in diesem Berufsbereich durchschnittlich. Betrachtet man die zugehörige Teilgruppe „Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe“, so haben in Hessen im September 2013 insgesamt 3,8 % aller Arbeitslosen Interesse an diesen Berufen. Es handelt sich um 6.833 Personen (vgl. Tabelle 21). Tabelle 20 Stellenangebot und -nachfrage in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen im Wetteraukreis und in Hessen im September 2013 Region Hessen Wetteraukreis

Bestand gemeldeter

Bestand gemeldeter

Anzahl Arbeitslose /

Arbeitsstellen

Arbeitsloser

Anzahl Arbeitsstellen

1.674

6.833

4,1

263

1.352

5,1

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung der Hessen Agentur.

Das Angebot an offenen Stellen in diesem Bereich beläuft sich auf 1.674 Stellen.79 Im Wetteraukreis entfielen auf den Bereich insgesamt 263 Stellen und 1.352 Arbeitslose. Damit stehen rechnerisch fünf Arbeitslose einer Stelle gegenüber, was

79 Das sind rund 5 % aller offenen Arbeitsstellen. 45


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

gegenüber der hessischen Gesamtsituation schlechtere Beschäftigungschancen für Arbeitslose impliziert.80 Bei der Einschätzung von Beschäftigungspotenzialen sind zudem das Anforderungsniveau von Stellenangebot und -nachfrage zu berücksichtigen. Die folgende Übersicht verdeutlicht, dass in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen das Gros des Stellenangebots für Tätigkeiten als Fachkraft gemeldet wird, wobei Fachkräfte nach der KldB 2010 bereits deutlich komplexere bzw. stärker fachlich ausgerichtete Tätigkeiten verrichten als Helfer. Das Niveau wird in der Regel durch zwei- oder dreijährige Berufsausbildungen bzw. durch berufsqualifizierende Abschlüsse an Berufsfach- oder Kollegschulen erreicht.81 Tabelle 21 Stellenangebot und -nachfrage in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen im September 2013 in Hessen nach Anforderungsniveau Anforderungsniveau

Bestand gemeldeter Arbeitsstellen absolut

in %

Bestand gemeldeter Arbeitsloser absolut

in %

176

10,5

1.847

27,0

Fachkraft

1.419

84,8

4.457

65,2

Spezialist

42

2,5

211

3,1

Experte

37

2,2

318

4,7

1.674

100,0

6.833

100,0

Helfer

Insgesamt

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Darstellung der Hessen Agentur.

Analoge Informationen, wie viele Menschen mit Behinderungen Stellen mit welchem Anforderungsniveau in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen suchen, liegen nicht vor.82 Grundsätzlich verdeutlicht das Profil von Stellenangebot und -nachfrage aktuell begrenzte Chancen für eine Arbeitsaufnahme insbesondere für Arbeitslose, die nicht das Fachkräfteniveau erreichen.83 Vor diesem Hintergrund dürfen auch die

80 Grundsätzlich ist bei der Einschätzung der Beschäftigungschancen auch die Konkurrenz durch nicht arbeitslose Arbeitsuchende zu berücksichtigen, deren Zahl nahezu gleich hoch ausfällt wie die der Arbeitslosen. Die Zahl der Arbeitssuchenden lag im September 2013 bei 12.024 Personen – davon waren 6.833 Personen arbeitslos. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2013b). Auf der anderen Seite dürfte bei der Bundesagentur für Arbeit gemäß diverser Studien grundsätzlich nur rund ein Drittel der tatsächlichen offenen Stellen gemeldet sein. 81 Entsprechende Berufserfahrung/informelle berufliche Ausbildung wird als gleichwertig angesehen. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2013b). 82 Auch Informationen über die beruflichen Qualifikationen der arbeitslosen Menschen mit Behinderungen sind auf regionaler Ebene nicht verfügbar. 83 Dies gilt auch über alle Berufe betrachtet: Im September 2013 haben nur ca. 16 % der offenen Stellen in Hessen die Anforderung „Helfertätigkeit“, 84 % erforderten weitergehende Kenntnisse. Es suchen rund 72.000 Arbeitslose eine Stelle mit dem niedrigsten Anforderungsniveau, während dafür nur rund 5.300 Stellen gemeldet sind. 46


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Vermittlungschancen der im Modell-Café qualifizierten Mitarbeiter – diese sollen für Helfertätigkeiten (z. B. Beikoch) angelernt werden – nicht zu hoch eingeschätzt werden. Ein Blick in das online-Stellenangebot der Bundesagentur für Arbeit zeigt neben den schulischen und beruflichen Kompetenzen weitere Anforderungen der Betriebe an Stellenbewerber auf. Dazu zählen u. a. Mobilität und das Vorhandensein eines eigenen PKWs, Flexibilität, Belastbarkeit, Stressresistenz sowie eigenverantwortliches Handeln. Derartige Anforderungen verengen das Spektrum der Stellenangebote für Interessenten grundsätzlich – Menschen mit Behinderungen können gerade aufgrund einer Behinderung überdurchschnittlich häufig betroffen sein. Angesichts der Heterogenität der Personengruppe der Menschen mit Behinderungen kann jedoch nicht verallgemeinert oder gar beziffert werden, wie viele Menschen mit welchen Behinderungen diese Anforderungen der Betriebe erfüllen. Einer Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Gastgewerbe können nicht zuletzt auch die beruflichen Interessen der potenziellen Arbeitnehmer Grenzen setzen. Über diese Interessen liegen insbesondere auf regionaler Ebene nur unzureichend Informationen vor. Die präsentierten Statistiken der Bundesagentur für Arbeit beispielsweise geben über den Wunschberuf eines arbeits- bzw. stellensuchenden Menschen mit Behinderungen im Wetteraukreis keine Auskunft. Im Rahmen der Expertengespräche konnten Informationen über die Interessen der Menschen mit Behinderungen, Erfahrungen, gewünschte Einsatzgebiete etc. im Bereich des Gastgewerbes (vgl. Abschnitt 5.3) ebenfalls nur in Ansätzen und mittelbar, beispielsweise über Interessensvertreter, eingeholt werden. Zu berücksichtigen bei der Einschätzung der Beschäftigungspotenziale ist jedoch u. a. die Attraktivität des Bereichs für die potenziellen Beschäftigten in finanzieller Hinsicht. Eine aktuelle Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der HansBöckler-Stiftung zeigt auf Basis von Daten des Mikrozensus gerade für das Gastgewerbe auf, dass 35,8 % der Hauptverdiener von Armut bedroht seien.84 Diese finanziellen Perspektiven dürften sich eher negativ auf das Interesse potenzieller Arbeitnehmer auswirken, eine Beschäftigung im Gastgewerbe anzustreben. Dies gilt gerade auch für Eltern, deren Kind in einer WfbM arbeitet, zumal die Rückkehr in die Werkstatt nach Expertenangaben problematisch ist. Einschränkend auf die Attraktivität der Arbeitsplätze im Gastgewerbe für potenzielle Arbeitnehmer können sich

84 Zahl der abhängig erwerbstätigen Haupteinkommensbezieher mit einem bedarfsgewichteten Einkommen unter 60 % des mittleren Einkommens der entsprechenden Bevölkerungsgruppe. Vgl. Unger, B. / Bispinck, R. / Pusch, T. / Seils, E. / Spannagel, D. (2013), S. 49. 47


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

darüber hinaus Spezifika wie ein hoher Zeitdruck, eine hohe Dienstleistungsorientierung und ein zum Teil rauer Umgangston auswirken.

5.2

Spezifische Chancen und Hemmnisse für die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt

Für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen bzw. ihre Teilhabe am Arbeitsleben zeigen sich Barrieren, die grundsätzlich ausgeräumt werden können, so dass sie nicht „natürlich“ im Sinne von unveränderlich sind. Die Barrieren sind unterschiedlicher Art und in der Regel in Bezug zur Art der Behinderung des potenziellen Beschäftigten zu setzen. Sie bestehen z. B. in baulicher Hinsicht. Identifiziert wurden in den Expertengesprächen jedoch auch Barrieren, die sich mehr auf das Bewusstsein und die Bereitschaft der Betriebe, der Belegschaft, der Kundschaft beziehen und die insofern eher in den „Köpfen“ bestehen. 5.2.1

Barrierefreiheit

Die Barrierefreiheit des Arbeitsplatzes (und des Weges dorthin) – dies sowohl im Bereich des Service (z. B. im Verkaufsraum eines Cafés) als auch im internen Bereich (z. B. in der Küche) – ist eine Grundvoraussetzung zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen.85 Barrierefreiheit meint, dass z. B. Gebäude, deren Ausstattung und auch Arbeitsmittel so gestaltet werden, dass sie von jedem Menschen ohne Einschränkungen, also universell, nutzbar sind. Über die Barrierefreiheit der Betriebe im Hotel- und Gaststättenbereich in Hessen und speziell im Wetteraukreis liegen bislang keine umfassenden Informationen vor. Die präsentierten Statistiken der Bundesagentur für Arbeit beispielsweise geben über eine mögliche Barrierefreiheit einer offenen Stelle für bestimmte Personengruppen standardisiert keine Auskunft, was für Stellensuchende mit Behinderungen ein Erschwernis darstellen dürfte. Als Ergebnis der Expertengespräche lässt sich festhalten, dass eine Barrierefreiheit der Betriebe im Hotel- und Gaststättenbereich nur in Ausnahmefällen zu vermuten ist. Die befragten Unternehmensvertreter verwiesen auf vorhandene Barrieren sowohl in Restaurants als auch in Hotels, die Nutzungseinschränkungen für die Menschen mit Behinderungen unabhängig von der Beeinträchtigungsart (schwere Körperbehinderungen, Sinnesbehinderungen, geistige, psychische Behinderungen) mit sich bringen. Die Barrieren zeigen sich im Hin85 Für barrierefreies Bauen gibt es in Deutschland DIN-Normen, die rechtlich Empfehlungen darstellen, so dass keine Anwendungspflicht besteht. Je nach Bundesland bestehen unterschiedliche Regelungen und Festlegungen, was die Einhaltung von Normen der Barrierefreiheit für bestimmte Bauten oder Anlagen betrifft. Unter www.rehadat.de findet sich Literatur zum Thema Barrierefreies Bauen (Zugriff: 22. November 2013). 48


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blick auf den Zugang zu und der Bewegung in den Gebäuden, aber auch im Hinblick auf die im Gastgewerbe verwendeten Arbeitsmittel. Häufig wurden für langjährige Mitarbeiter, die gleichsam in eine Beeinträchtigung bzw. Behinderung „hineingealtert“ sind, Arbeitsplätze speziell an die Bedürfnisse angepasst bzw. neue Arbeitsplätze im Betrieb gefunden.86 Die Bereitschaft der Betriebe insbesondere zur Einrichtung neuer barrierefreier Arbeitsplätze erscheint aktuell noch wenig ausgeprägt, selbst wenn die barrierefreie Umgestaltung eines Arbeitsplatzes gerade für Menschen mit Schwerbehinderungen durch den Rehaträger oder das Integrationsamt finanziell unterstützt werden kann.87 Offenbar haben die Betriebe bisher selten Anlass gehabt zu Veränderungen, die im Umbau grundsätzlich Kapazitäten binden und u. a. den Betriebsablauf stören. Die kleinbetriebliche Struktur im Gastgewerbe kann in dem Zusammenhang ein (zusätzliches) Hemmnis für die Realisierung von Anpassungs- und Umbaumaßnahmen darstellen. Zudem ist die Spezifität etwaiger Investitionen zu berücksichtigen. Bei der Anpassung eines Arbeitsplatzes an die individuellen Bedürfnisse eines Mitarbeiters mit einer bestimmten Behinderung können Kosten entstehen, die bei einem Wechsel des Mitarbeiters zum Großteil verloren zu gehen drohen („sunk costs“). Auch die Ergebnisse der IWAK-Betriebsbefragung aus dem Herbst 2012 weisen darauf hin, dass die Beschäftigungschancen von Menschen mit Schwerbehinderungen im Gastgewerbe aktuell (noch) unterdurchschnittlich sind. Hier wurden Betriebe auch nach zusätzlichen Beschäftigungspotenzialen für Menschen mit Schwerbehinderungen befragt.88 Insgesamt gaben 14 % der Betriebe an, dass sie über (weitere) Arbeitsplätze verfügen, die grundsätzlich mit Menschen mit (Schwer)Behinderung besetzt werden könnten. Im Gastgewerbe ist dieser Anteil geringer und liegt bei 6 %. 2014 soll in Hessen das bundeseinheitliche Kennzeichnungssystem der Nationalen Koordinationsstelle Tourismus für Alle e.V. – NatKo für barrierefreie Angebote im touristischen Bereich eingeführt werden, was die Bedeutung dieses Themas bei touristischen Anbietern weiter steigern dürfte. Barrierefreie Angebote werden von Experten festgestellt und mit verschiedenen Logos und Piktogrammen gekenn-

86 Vgl. zur Problematik, dass eine Weiterbeschäftigung aus einer innerbetrieblichen Situation heraus wahrscheinlicher ist als eine Neueinstellung, auch Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2013), S. 23. 87 Als Rechtsgrundlage dienen hierfür § 33 SGB IX, § 102 Absatz 3 SGB IX in Verbindung mit § 26 SchwerbehindertenAusgleichsabgabeverordnung. Ein Arbeitgeber kann seinen Antrag auf die behinderungsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes eines Beschäftigten mit Schwerbehinderung bei dem Integrationsamt beim Landeswohlfahrtsverband Hessen stellen. Sollte sich ergeben, dass ein anderer Leistungsträger zuständig ist, wird der Antrag entsprechend weitergeleitet. Vgl. Landeswohlfahrtsverband Hessen (2012) S. 56ff. 88 Vgl. Nüchter, O. / Schmid, A. (2013). S. 3ff. 49


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

zeichnet, die die Eignung für bestimmte Nutzergruppen signalisieren. In einer Online-Datenbank sollen die Angebote abrufbar sein.89 5.2.2

Bewusstsein, Wissen, Interesse und Bereitschaft

Barrierefreiheit bezieht sich nicht nur auf die physische Barrierefreiheit, sondern auch auf ein grundsätzliches Bewusstsein für die Rechte und Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen. Sowohl die UN-Konvention als auch der hessische Aktionsplan messen der Bewusstseinsbildung eine zentrale Bedeutung bei.90 Aus den geführten Interviews geht hervor, dass bei vielen Arbeitgebern noch Nachholbedarf bezüglich des Wissens- und Informationsstands über die Fähigkeiten und Potenziale von Menschen mit Behinderungen besteht. Dies bestätigten sowohl Gesprächspartner auf Unternehmensseite und der Bundesagentur für Arbeit als auch Gesprächspartner des Landeswohlfahrtsverbands und der Bildungseinrichtungen. Wie die Interviews zeigen, kommen Unternehmen mit der Thematik häufig erst in Berührung, wenn bei langjährig Beschäftigten Behinderungen während ihres Berufslebens auftreten. Zudem sei eher die Auslagerung von Tätigkeiten an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen verbreitet. Das Interesse, sich ohne direkte Veranlassung und darüber hinaus intensiv über die Fähigkeiten und Potenziale der Menschen von Behinderungen zu informieren, sei insgesamt noch wenig ausgeprägt. Nur in Ausnahmefällen habe die Thematik Eingang in die Unternehmensphilosophien gefunden. Vielmehr weisen die befragten Experten übereinstimmend darauf hin, dass bei vielen Unternehmen noch Vorbehalte und Befürchtungen gegenüber Neueinstellungen bestehen. Diese beziehen sich z. B. auf hohe Ausfallzeiten bzw. beschränkte Einsatzmöglichkeiten der Menschen mit Behinderungen und auch den besonderen Kündigungsschutz. Zudem werden der Beratungsdschungel und der bürokratische Aufwand im Vorfeld und im Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses von Unternehmensseite als große Hürde bei der Einstellung von Menschen mit Behinderungen genannt. Auch der Landeswohlfahrtsverband und die Bildungseinrichtungen bestätigten dieses Problem.91 Viele Befürchtungen gründen jedoch offenbar auch auf Unwissenheit und könnten bei näherer Auseinandersetzung mit diesem Thema zum Großteil ausgeräumt werden. Als Beispiel kann der Kündigungsschutz von Menschen mit Behinderungen herangezogen werden. Aus dem Jahresbericht 2012 des Landeswohlfahrtsverbands Hessen geht hervor, dass 2012 bei den Integrationsämtern rund 3.000 Anträge auf Zustimmung zur Kündigung eines Menschen

89 Vgl. www.hessen-tourismus.de (Zugriff: 25. Oktober 2013) und auch www.natko.de. 90 Vgl. Hessisches Sozialministerium (2012a). S. 21ff. 91 Auch aus den Ergebnissen der IWAK-Betriebsbefragung geht hervor, dass viele Betriebe höhere Kosten und verstärkte Schutzvorschriften (z. B. Kündigungsschutz) befürchten. Vgl. Nüchter, O. / Schmid, A. (2013). S. 9. 50


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mit Schwerbehinderungen bearbeitet und entschieden wurden. Rund 500 Arbeitsverhältnisse bzw. 17 % blieben erhalten – entsprechend haben die Integrationsämter in der Mehrzahl der Fälle (83 %) einer Kündigung zugestimmt.92 Auch Vorbehalten in Bezug auf die Fähigkeiten der Menschen mit Behinderungen kann entgegnet werden, dass sich die Arbeitgeber z. B. durch die finanziell unterstützte Probebeschäftigung selbst ein Bild von den Fähigkeiten eines Menschen mit Behinderungen machen können. Bezogen auf die Hindernisse, die auf Unwissenheit seitens der Betriebe aufbauen, besteht nach Ansicht sowohl der Unternehmensseite als auch auf Seiten des Landeswohlfahrtsverbands und der Bildungseinrichtungen weiterer Sensibilisierungsund Aufklärungsbedarf durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Eventuell trägt auch der wachsende Druck zur Fachkräftesicherung dazu bei, dass sich Arbeitgeber stärker mit der Thematik befassen. Vor allem die Interviewpartner aus der Wirtschaft gehen davon aus, dass Menschen mit Behinderungen im Hinblick auf die Deckung der Fachkräftebedarfe zunehmend in den Fokus der Unternehmen rücken werden. Einschränkend auf die Beschäftigungschancen wirken sich auch Befürchtungen der Belegschaft aus, z. B. hinsichtlich eventuell höherer Ausfallzeiten, die von ihr kompensiert werden müssten, sowie weiterer Auswirkungen auf die eigenen Tätigkeiten. Auf Seiten der Belegschaft ist ebenfalls die Bereitschaft erforderlich, die spezifischen Bedürfnisse der Beschäftigten mit Behinderungen bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und -inhalte zu berücksichtigen. Ein Interviewpartner berichtete von einem Unternehmen, dessen Geschäftsführung die Einstellung von Menschen mit Behinderungen zwar forcierte. Die Einstellung wurde jedoch von den Mitarbeitern nicht mitgetragen, was letztendlich zum Scheitern der Anstellung führte. Möglicherweise wurde die Belegschaft mit Blick auf einen etwaigen Zusatzaufwand nicht genügend unterstützt. Hier können zudem ebenfalls weitere Sensibilisierung und Aufklärung über die Fähigkeiten der Menschen mit Behinderungen angezeigt sein. In Einzelfällen werden Beschäftigungsbarrieren auch auf eine mangelnde Akzeptanz seitens der Kunden zurückgeführt. Ihrem Anspruch z. B. auf Schnelligkeit des Service können einige Beschäftigte mit Behinderungen – zumindest im „normalen“ Tagesgeschäft – möglicherweise nicht gerecht werden. Hier sei ebenfalls ein grundlegender Bewusstseinswandel erforderlich, der das Arbeiten im Gastgewerbe grundsätzlich – für Menschen mit und ohne Behinderungen – attraktiver machen könne. Auf der anderen Seite wird etwa der Betrieb eines Cafés, bei dem die Kunden auf eventuell veränderte Abläufe eingestellt sind, von der Mehrheit der Experten als 92 Vgl. Landeswohlfahrtsverband Hessen (2013), S. 39ff. 51


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

erfolgsversprechend angesehen. Viele Kunden könnten ein derartiges Konzept aktiv unterstützen. 5.2.3

Unterstützungsbedarfe bezüglich der Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt

Die Beschäftigungschancen von Menschen mit Behinderungen hängen auch davon ab, dass sie und passende Betriebe zueinanderfinden. Externe Vermittlungsarbeit kann den Prozess vereinfachen. Dies ist Aufgabe vor allem der Arbeitsagenturen und Jobcenter sowie regional für Menschen mit Schwerbehinderungen der Integrationsfachdienste – letzteres auch in der Wetterau. Nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit der interviewten Experten bestehen bei der Vermittlung mit Blick auf soziale Gesichtspunkte, aber auch auf die Fachkräftesicherung noch Potenziale. Es zeige sich zusätzlicher Unterstützungsbedarf bei den Akteuren (Betriebe, Menschen mit Behinderungen bzw. Angehörige und Betreuungspersonen), von der Anbahnung bis zur Verstetigung eines neuen Beschäftigungsverhältnisses. Ein Gesprächspartner erklärte, dass diesbezüglich noch zu viel dem Zufall oder beispielsweise dem ehrenamtlichen Engagement überlassen werde. Grundsätzlich wurde das Unterstützungsangebot von allen interviewten Experten positiv beurteilt, vor allem was die Anwendungsbereiche und die finanziellen Aspekte anbelangt. Eher zeigt sich, dass das Wissen darüber bei den Arbeitgebern offenbar noch gering ausgeprägt ist. Die Hilfestellungen sind in vielen Betrieben offenbar kaum bekannt.93 Als Grund führen die Experten an, dass es nicht immer einfach sei, die Betriebe – vor allem kleine Betriebe ohne Beauftragten für die Menschen mit Schwerbehinderungen – z. B. mittels Informationsveranstaltungen oder Broschüren zu erreichen. Zwar sei eine leichte Öffnung für die Thematik u. a. aufgrund des sich abzeichnenden Fachkräftemangels zu erkennen, jedoch vollziehe sich der Prozess eher langsam. Entsprechend zeigt sich hier weiterer Sensibilisierungs- bzw. Informationsbedarf. Eventuell ergibt dabei der Aufbau der regionalen Kooperationsgremien im Rahmen der für Menschen mit Schwerbehinderungen bzw. Gleichgestellte ergriffenen „Initiative Inklusion“ oder etwa die Einrichtung einer Inklusionsberatungsstelle durch die Handwerkskammer Wiesbaden weitere Impulse für die Stärkung

93 Zu diesem Ergebnis kommt auch die IWAK-Betriebsbefragung, die einen geringen Bekanntheitsgrad der neueren Programme zur Inklusion (u. a. ehemaliges 4. Hessische Schwerbehindertenprogramm, „Initiative Inklusion“) dokumentiert. Vgl. Nüchter, O. / Schmid, A. (2013). S. 6. 52


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des Bewusstseins für die Themen Fachkräftesicherung und Inklusion auf dem Arbeitsmarkt.94 Als Hemmnis für die Vermittlung wird darüber hinaus von interviewten Experten der Unternehmerseite und der Bildungseinrichtungen genannt, dass aktuell vielfach ein „Kümmerer“ fehle, der den Vermittlungsprozess zwischen Unternehmen und Menschen mit Behinderungen bzw. ihren Angehörigen und Betreuungspersonen vor Ort anstößt und begleitet. Betriebe werden in einem geringeren Maße als nötig aktiv akquiriert und individuell beraten, selten direkte Kontakte zu Menschen mit Behinderungen bzw. ihren Angehörigen hergestellt.95 Für die Betriebe sei es zudem oftmals schwer, die informellen beruflichen Kompetenzen der Menschen mit Behinderungen einzuschätzen. Zwar besteht die Möglichkeit, beispielsweise durch Praktika oder finanziell unterstützte Probebeschäftigungen einander kennenzulernen. Allerdings wäre auch bereits im Vorfeld eine Information über Zertifizierungen der Kammern und/oder eine aussagekräftige individuelle Zeugnisformulierung bezogen auf die in einem Beruf geforderten Kompetenzen hilfreich. Einige Betriebe fühlen sich nach Angaben eines Wirtschaftsvertreters zudem mit einem „Förderdschungel“ konfrontiert und mit der Antragstellung überfordert. Hinzu komme auf Unternehmensseite letztlich auch eine Unsicherheit bezüglich der Bewältigung von Problemen nach der Vermittlung. Auch die Interessen der Angehörigen können einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wege stehen. So bestehen z. B. offenbar teils große Bedenken hinsichtlich des Verlassens der „geschützten Welt“ der Werkstätten. Werde einmal der Sprung aus einer Werkstatt in den allgemeinen Arbeitsmarkt gewagt, ist eine Wiedereingliederung in eine Werkstatt nicht selbstverständlich. Insofern zeigen sich Potenziale dahingehend, den Angehörigen Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Werkstätten aufzuzeigen und ihnen Ängste zu nehmen. Letztlich besteht nach Ansicht der Experten noch ein Mangel an zuständigen regional verankerten Vertrauenspersonen, die über detaillierte Kenntnisse hinsichtlich der unterschiedlichen Arten von Beeinträchtigungen verfügen und die deren Auswirkungen im Beschäftigungssystem einschätzen können. Hilfreich wären bei diesen Vertrauenspersonen zudem fundierte Kenntnisse der relevanten Arbeitsmärkte. Dabei

94 In der Inklusionsberatungsstelle soll am Standort Wetzlar ein Mitarbeiter die Inklusionskompetenz der Handwerkskammer insgesamt und der Aus- und Weiterbildungsberater im Speziellen verbessern. 95 Vgl. hierzu auch IAB (2013) S. 56ff. Hier wird ein zu hoher Betreuungsschlüssel für eine adäquate Betreuung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen beschrieben. Zugleich bleibe auch keine Zeit, um potenzielle Arbeitgeber oder potenzielle Arbeitsplätze aufzusuchen. 53


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

sehen die Experten Handlungsbedarf hinsichtlich einer stärkeren Koordination der Leistungen und zuständigen Träger („Leistungen aus einer Hand“).

5.3

Eignung der Tätigkeitsfelder des Gastgewerbes

Das Spektrum der Tätigkeiten im Gastgewerbe reicht von der Beschäftigung in (Groß)Küchen über Service-, Rezeptions- und Reinigungsarbeiten bis hin etwa zur Pflege der Außenanlagen. Ein Ziel der Expertengespräche war zu eruieren, welche dieser Tätigkeitsfelder für Menschen mit einer bestimmten Behinderungsform besser oder auch weniger gut geeignet sind. Bei den Gesprächspartnern konnten diesbezüglich vor allem Beispiele bzw. Erfahrungen zur Beschäftigung von Menschen mit geistigen, seelischen sowie (schweren) körperlichen Beeinträchtigungen eingeholt werden. Zu anderen Behinderungsformen (z. B. Seh-, Hörbehinderung) lagen keine Erfahrungen vor.96 Ein Gesprächspartner verwies zunächst darauf, dass für viele Menschen mit bestimmten Behinderungsformen, beispielsweise Diabetiker, Epileptiker, Organgeschädigte, bei Nutzung der normalen Hilfsmittel zur Alltagsbewältigung zumeist keinerlei Einschränkungen im Beruf vorliegen. Dies trifft beispielsweise auch auf Personen mit einem Teilverlust von Gliedmaßen zu, die die Beeinträchtigung durch entsprechende Prothesen vollständig kompensieren können. Damit wäre ein großer Teil der statistisch erfassten Personen mit Schwerbehinderungen (vgl. Kapitel 4.1) bezogen auf die Beeinträchtigung für die Tätigkeiten im Gastgewerbe geeignet. Für andere Menschen mit anderen Formen der Behinderung erscheinen hingegen manche Tätigkeitsfelder im breiten Aufgabenspektrum des Hotel- und Gaststättengewerbes besser geeignet als andere. So wird sowohl von Unternehmensseite als auch von Seiten der Bildungseinrichtungen für Menschen mit einer geistigen Behinderung ein großes Potenzial für eine Anstellung z. B. in Großküchen und Kantinen gesehen. Dieser Bereich eigne sich aufgrund der strukturierten und standardisierten Arbeitsabläufe. Die angebotenen Speisekarten der Großküchen bzw. Kantinen werden über einen längeren Zeitraum im Voraus geplant, wodurch sich die Tätigkeiten der Menschen mit Behinderungen organisatorisch gut einbinden lassen. In diesem Bereich besteht auch für einfachere oder zuarbeitende Tätigkeiten Bedarf (z. B. Waschen und Schneiden von Gemüse und Obst). Auch die mechanische Bedienung einiger (Küchen)Maschinen, beispielsweise von Spülmaschinen, kommt in Frage. Für einen reibungslosen Ablauf ist eventuell eine spezielle Einrichtung des 96 Oder diese wurden von den Interviewten nicht thematisiert, z. B. weil die Behinderung bzw. Beeinträchtigung nicht bekannt ist oder gar nicht als solche wahrgenommen wird. 54


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Arbeitsplatzes sicherzustellen. Ein Interviewpartner verwies exemplarisch darauf, dass Autisten das Arbeiten mit Blick zur Wand dem Blick in den Küchenraum vorziehen. Insgesamt attestiert ein Gesprächspartner auch für Menschen mit schweren seelischen Beeinträchtigungen ein Potenzial zur Beschäftigung in Großküchen und Kantinen. Weniger geeignet für Menschen mit geistigen, seelischen oder auch schweren körperlichen Behinderungen scheinen nach Meinung mehrerer Experten hingegen Küchenarbeiten in Restaurants mit à la Carte-Gerichten oder das Event-Catering – Bereiche, die eine hohe Flexibilität und Schnelligkeit aller Akteure erfordern und die durch einen eher rauen Umgangston gekennzeichnet seien können. Hier liegt zudem eine größere Unsicherheit bei der Planung der Essen vor – es müssen mehr Zutaten verarbeitet werden und Gerichte müssen pünktlich serviert werden. Der hohe Zeitdruck, die geforderte Flexibilität und der damit verbundene hohe Leistungsdruck seien für viele von derartigen Beeinträchtigungen Betroffene schwer zu erfüllen und potenziell überfordernd, wie sowohl Vertreter der Bildungseinrichtungen als auch der Arbeitgeber festhielten. Als weiterer geeigneter Bereich für Menschen mit einer geistigen oder seelischen Behinderung wurden Reinigungsarbeiten im Hotel identifiziert. Dabei sei jedoch auf eine Assistenz bzw. ein Arbeiten mindestens in Zweierteams zu achten. Mehrere Experten waren der Ansicht, dass die sich wiederholenden Tätigkeiten dazu beitragen, dass die Personen in ihren Aufgaben an Sicherheit und Schnelligkeit gewinnen. Trotzdem könnten Ausfallzeiten nicht ausgeschlossen werden. Hier sei es sinnvoll, Lösungsstrategien parat zu haben. Als weiteren geeigneten Bereich identifizierte ein Unternehmensvertreter die Pflege der Außenanlagen von Hotels oder Restaurants, die bei ihm von Mitarbeitern einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen durchgeführt wird. Eine Beschäftigung von Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen sei in diesen genannten Bereichen u. a. aufgrund der aktuell häufig noch fehlenden baulichen Barrierefreiheit schwieriger. Diese fehle nicht nur in den Küchen, sondern auch für den Zugang z. B. zu Hotelzimmern, Lagerräumen und Sanitäreinrichtungen, wie Arbeitgeber bestätigten. Ein größeres Potenzial zeige sich im Empfangsbereich von Hotels. In Bezug auf den Bereich Service differenzierten Interviewpartner nach Klientel und nach Ausrichtung des Unternehmens. Als geeignet wurde beispielsweise die Essensausgabe in Kantinen angesehen. Hier gebe es in der Regel auch keine Akzeptanzprobleme auf Seiten der Kunden, wie ein Unternehmensvertreter erläuterte. 55


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Unterstützend könne die aktive Kommunikation der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen wirken, so dass sich die Kundschaft auf etwaige Veränderungen im Ablauf einstellen kann. Eine Vermarktung und Werbung mit der Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderungen, die Stigmatisierungseffekte befürchten lässt, sei dabei allerdings zu vermeiden. Problematischer wurde die Situation sowohl von Unternehmerseite als auch von Seiten der Bildungseinrichtungen beispielsweise in Restaurants mit à la Carte-Gerichten angesehen. Zum einen sei hier im Service ein hohes Leistungsniveau und Flexibilität von Nöten und zum anderen sei die Kundenakzeptanz auch in Bezug auf die Schnelligkeit der Bedienung vermutlich nicht immer gegeben. Ein spezieller Bereich, der sich für die Beschäftigung von Menschen gerade mit einer geistigen Behinderung eignen könnte, ist nach Ansicht eines Gesprächspartners die Systemgastronomie, die standardisierte Konzepte in allen Bereichen des Restaurants umsetzt. Die Standardisierung von Arbeitsabläufen und ein begrenztes Sortiment kommen den Fähigkeiten vieler Menschen mit geistigen Behinderungen entgegen. Aufgrund der großen Verbreitung der Systemgastronomie könnte ein Gewinnen dieser Anbieter für die Inklusionsbemühungen grundsätzlich sehr hilfreich sein. Von Seiten der Bildungseinrichtungen wurde betont, dass in Bezug auf allgemeine Hemmnisse wie Schnelligkeit und Ausdauer manchmal ein Vertrauensvorschuss von Seiten der Unternehmen an die Menschen mit Behinderungen nötig sei. Die Beschäftigungspotenziale insbesondere von Menschen mit geistigen Behinderungen seien sehr individuell und müssten häufig durch intensive Begleitung und Unterstützung in längeren Prozessen erschlossen werden. Durch Übung seien Verbesserungen im Hinblick auf die Schnelligkeit möglich.

56


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6

Schlussfolgerungen zum geplanten Modellprojekt im Wetteraukreis

6.1

„Café Inklusiv“

Ziel der Einrichtung der Verkaufsstelle bzw. des Cafés Inklusiv, in dem Menschen vor allem mit geistiger Behinderung qualifiziert und beschäftigt werden sollen, ist es, ein Bewusstsein für Inklusion und die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Daran mangelt es aktuell offenbar noch immer, wenn man wesentliche Literaturquellen und die Ergebnisse der in dieser Studie durchgeführten Experteninterviews zur Beurteilung heranzieht. Die Bewusstseinsbildung vollzieht sich langsam und könnte von entsprechenden Projekten beschleunigt werden. Zwar hat das Projekt in gewisser Hinsicht den Charakter einer Insel, was dem Inklusionsgedanken zuwiderläuft. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass auch viele Menschen mit geistiger Behinderung gerade zu Beginn der Tätigkeit auf ein ungestörtes Arbeiten in einem eher entspannten Arbeits- und Kundenumfeld angewiesen sind. Für die Umsetzung des „Café Inklusiv“ gibt es verschiedene offenbar erfolgreiche Beispiele, etwa das „Klostercafé Seligenstadt“ oder das „Café LesBar“ in der Stuttgarter Stadtbibliothek. Bei der Umsetzung des Cafés gilt es, eine Vielzahl von Anforderungen zu beachten: 

Eine zentrale Rolle spielt die Wahl des Standorts. Friedberg beispielsweise erscheint hier aufgrund einer guten infrastrukturellen Anbindung in dieser Hinsicht grundsätzlich geeignet. Bei der Standortwahl ist zudem auf eine hohe Kundenfrequenz zu achten, wozu beispielsweise eine touristisch wertvolle Lage, lange Öffnungszeiten etc. beitragen können.

Sichergestellt sein sollte eine optimale Balance des Anteils an Mitarbeitern mit und ohne Behinderung. Eine Orientierung diesbezüglich können Integrationsprojekte bieten, in denen der Anteil Beschäftigter mit Schwerbehinderungen zwischen 25 % und 50 % liegt.

Bei Einrichtung und Betrieb des Cafés ist grundsätzliche Barrierefreiheit sowohl in der Küche, an der Verkaufstheke (vorwiegend für die Mitarbeiter) als auch im Sitzbereich des Cafés anzustreben. Denn weder potenzielle Mitarbeiter noch Kunden sollten hinsichtlich der Nutzung eingeschränkt sein. Für einen barrierefreien Zugang zum Gebäude und zur barrierefreien Bewegung im Gebäude wird u. a. ausreichend Platz benötigt, Stellflächen müssen ausreichend lang, Bewegungsflächen eben sein. Griffe, Arbeits- bzw. Küchengeräte u. ä. sollten in einer Höhe angebracht werden, dass sie von allen Menschen gut zu erreichen sind. 57


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Förderlich sind zudem übersichtliche Raumanordnungen, Tastkanten und/oder Bodenindikatoren, akustische und optische Signale. Auch die Schaffung einer Rückzugsmöglichkeit für Mitarbeiter wird als sinnvoll erachtet. Barrieren beziehen sich dabei nicht nur auf das Gebäude und dessen Ausstattung, sondern auch auf die Verwendung von (technischen) Arbeitsgeräten. Bei der Ausgestaltung des Service könnten innovative Ansätze, beispielsweise durch den Einsatz von neuen Medien, erprobt werden, aber auch klassische wie z. B. das Ausfüllen eines Bestellformulars genutzt werden. Eher gegen den Inklusionsgedanken spräche die Form der Selbstbedienung, wenn die Interaktion der Menschen im Vordergrund stehen soll. 

Ein weiterer wesentlicher Faktor für den Erfolg des Projekts ist die aktive Vermarktung bei Vermeidung von Stigmatisierungseffekten. Die Unternehmensphilosophie der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen sollte offensiv nach außen getragen werden, auch damit Akzeptanz und Zuspruch bzw. (finanzielle) Unterstützung zum Café sichergestellt werden können. Das rechtzeitige Einbinden der Menschen mit Behinderungen selbst (z. B. über Internetauftritte), ihrer Betreuung (z. B. Angehörige) und Interessenvertreter, der Arbeitsverwaltung, von Integrationsamt und Integrationsfachdienst, Kommune, Kammern und Verbandsvertretern erscheint zur Herstellung und Sicherstellung breiter Akzeptanz und Zuspruch zum Projekt, aber auch im Hinblick auf die Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit (z. B. ein Internetlink zum Projekt auf einer Homepage) ein Erfolgsfaktor. Eventuell kann damit auch die (langfristige) finanzielle Unterstützung z. B. hinsichtlich einer reduzierten Miete bzw. Pacht des Gebäudes sichergestellt werden.

Grundsätzlich ist – bei Berücksichtigung von Art und insbesondere Grad der Behinderung der potenziellen Beschäftigten – in finanzieller Hinsicht die Einrichtung des Cafés als Integrationsprojekt bzw. als Integrationsfirma zu überdenken. In diesen arbeitet ein Mindestanteil an Menschen mit anerkannten Schwerbehinderungen und besonderen Einschränkungen (25 %). Der Antragsteller muss dabei einen Eigenanteil von 30 % der gesamten definierten Aufwendungen tragen. Bei der Personalgewinnung helfen die Arbeitsverwaltung und auch die Integrationsämter bzw. Integrationsfachdienste, die zudem eine betriebswirtschaftliche Beratung zu Investitionsentscheidungen und Kapazitätsberechnungen anbieten.

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6.2

Netzwerkstelle

An das „Café Inklusiv“ soll der Projektidee nach eine Netzwerkstelle angegliedert werden. Die Netzwerkstelle hat das Ziel, Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Dabei soll aktiv auf Menschen mit Behinderungen, auf deren Angehörige und Unternehmen zugegangen werden. Eine Vermittlung sowohl in einen Qualifizierungs- als auch in einen Arbeitsplatz kann in unterschiedliche Bereiche wie beispielsweise Altenbetreuung, Produktion oder auch Gastgewerbe erfolgen. Die Netzwerkstelle zielt z. B. durch die Begleitung und ein Jobcoaching der kooperierenden Betriebe darauf ab, dass Ängste gegenüber der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen abgebaut werden. Für die aufgeführten Tätigkeiten der Netzwerkstelle wird von den in dieser Studie befragten Interviewpartnern Bedarf gesehen. Angesichts der häufig unterdurchschnittlichen Erwerbsbeteiligung und einer schlechteren Arbeitsmarktlage der Personengruppe könne die Ausrichtung auf aktive Netzwerkarbeit sowie auf die verstärkte Akquise und Sensibilisierung von Unternehmen, Eltern und Schülern nach Ansicht der hier interviewten Experten einen wesentlichen Beitrag zur Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leisten. Ein Gesprächspartner betonte dabei, dass gerade an regional verankerten Vertrauenspersonen, die über ein möglichst breites Wissen über die Fähigkeiten und Potenziale der Menschen mit Behinderungen verfügen, ein Bedarf besteht. Idealerweise werden Menschen mit geistigen Behinderungen im Lebenslauf auf neuen Bildungsstufen bzw. in neuen Lebenslagen durchgängig begleitet. Auch hier kann die Netzwerkstelle offenbar eine (Zuständigkeits)Lücke schließen. Hinweise darauf, dass die Netzwerkarbeit Potenziale birgt, geben auch die Planungen zur Einrichtung regionaler Kooperationsgremien im Rahmen der Bund-Länder-Initiative Inklusion. In den Kooperationsgremien sollen u. a. die Agentur für Arbeit, Fachkräfte für berufliche Integration, Vertreter von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Vertreter der Wirtschaft vertreten sein. Die Initiative Inklusion bezieht sich auf Menschen mit anerkannten Schwerbehinderungen bzw. Gleichgestellte. Die Größe und die strukturellen Merkmale der Zielgruppe der Netzwerkstelle im Wetteraukreis lassen sich anhand der amtlichen Statistik nicht umfassend abbilden. Detaillierte Daten liegen nur zu Menschen mit Schwerbehinderungen vor, obwohl die Zielgruppe des Modellprojekts weiter gefasst ist. Darüber hinaus gilt es u. a. zu berücksichtigen, dass sich nur ein gewisser Teil der Menschen mit Behinderungen die Behinderung amtlich anerkennen lässt und damit statistisch identifizierbar wird

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Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

(auf Bundesebene 42 %).97 Bezüglich der Beteiligung am Erwerbsleben bzw. der Arbeitslosigkeit kommt hinzu, dass eine entsprechende Meldung der Arbeitslosigkeit nicht immer erfolgt („Stille Reserve“). Festzuhalten ist, dass die Netzwerkstelle über eine potenziell große Zielgruppe und ein breites Aufgabenspektrum verfügt. Ihre Arbeit kann auch darin bestehen, die diversen nicht registrierten Personengruppen für eine Anerkennung der Behinderung und eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu sensibilisieren. Bei der Einrichtung und Umsetzung sollten folgende Punkte berücksichtigt werden: 

Grundsätzlich ist etwa über die Einbindung der verschiedenen Akteure die Vermeidung von Doppelstrukturen zum Beispiel zu den Aufgaben der Integrationsämter oder der Netzwerkarbeit im Rahmen der Initiative Inklusion – diese beziehen sich auf Menschen mit anerkannten Schwerbehinderungen bzw. Gleichgestellte – zu beachten (vgl. Kapitel 4).

Die Netzwerkstelle könnte (unabhängig vom Café oder) zur Eröffnung des Cafés zeitlich vorgelagert ihre Arbeit aufnehmen, damit die Zielgruppe des Projekts, eventuelle Qualifizierungsunterstützer und qualifizierende sowie aufnehmende Betriebe akquiriert werden können.

Die Nachhaltigkeit der Netzwerkstelle wird über Erlöse des Cafés angestrebt. Dabei kann die Netzwerkstelle eventuell mit einem erheblichen Arbeitsumfang und entsprechendem Personalbedarf konfrontiert sein, was dieses Konzept in Frage stellen könnte. Auch wenn dazu befragte Experten grundsätzlich Bereitschaft zur Unterstützung der Netzwerkstelle signalisierten, haben sich unmittelbare Finanzierungsquellen im Rahmen der Gespräche nicht erschlossen. Ein potenzielles Interesse haben z. B. die Kommunen – die allerdings häufig mit knappen Kassen konfrontiert sind – und Arbeitgeber(vertreter).

Neben der Finanzierung der Netzwerkstelle durch die Erlöse des Cafés besteht eine Verknüpfung darin, dass die Netzwerkstelle auch die im Café qualifizierten Mitarbeiter langfristig in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren versucht. Bis auf eine mögliche räumliche Verknüpfung von Café und Netzwerkstelle sind weitere Synergien nicht erkennbar.

97 Dabei könnte es sich bei den Personen, die sich die Behinderung nicht anerkennen lassen, häufig um Menschen mit seelischen Behinderungen handeln (u. a. Schizophrenie, Depression, Angstzustände, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen). 60


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Nicht (repräsentativ) zu beantworten ist die Frage, welche Möglichkeiten und welche Bereitschaft auf Seiten der Betriebe zur Kooperation mit einer Netzwerkstelle bestehen. Vielfach wird der Wunsch nach Dienstleistungen aus einer Hand geäußert – ein weiterer Akteur könnte auf Vorbehalte stoßen.

Die Qualifizierung im Modellprojekt „Café Inklusiv“ bzw. das Anlernen der Mitarbeiter im Café und in Betrieben ist offenbar auf Helfertätigkeiten ausgerichtet. Zu berücksichtigen ist in Bezug auf die angestrebte Vermittlung in den Arbeitsmarkt bzw. auf die Beschäftigungschancen, dass gerade für Helfertätigkeiten eine hohe Konkurrenz für die Anzulernenden besteht. Selbst für höher Qualifizierte scheinen die Beschäftigungschancen in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen gemessen am Verhältnis von Arbeitssuchenden und offenen Stellen derzeit eher begrenzt. Auf der anderen Seite können physische und mentale Barrieren Menschen mit Behinderungen die Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erschweren. Gerade im Hotel- und Gaststättenbereich ist Barrierefreiheit zu und in den Gebäuden (z. B. in Küchen, beim Zugang zu Sanitäreinrichtungen und Lagerräumen etc.) gemäß den in dieser Studie befragten Experten eher selten gegeben. Zudem können die häufig begrenzten Betriebskapazitäten die Möglichkeiten einschränken, diese Barrieren abzubauen. Auch wenn die Tätigkeiten der Netzwerkstelle somit sicherlich eine wesentliche Unterstützung für eine (dauerhafte) Integration in den Arbeitsmarkt darstellen, dürfen die Beschäftigungspotenziale für Menschen mit Behinderungen, selbst für hochqualifizierte, in quantitativer Hinsicht im Gastgewerbe nicht zu hoch eingeschätzt werden. Die Potenziale in anderen Branchen – die Arbeit der Netzwerkstelle soll sich nicht nur auf das Gastgewerbe beziehen – gilt es zu eruieren.

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Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

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Zusammenfassung und Fazit

Ein Aspekt der Inklusion von Menschen mit Behinderungen ist ihr Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt. Von diesbezüglichen Fortschritten wird nicht nur eine Förderung der Chancengleichheit unter sozialen Gesichtspunkten erhofft. Die Fachkräftekommission Hessens erwartet zugleich u. a. einen Beitrag zur Deckung des bestehenden und prognostizierten Fachkräftebedarfs infolge der demografischen Entwicklung. Die vorliegende Studie stützte sich einerseits auf Auswertungen der amtlichen Statistik, andererseits auf leitfadengestützte Interviews. Sie dient dazu, am Beispiel des Hotel- und Gaststättengewerbes im Wetteraukreis Beschäftigungspotenziale bzw. Chancen und Hemmnisse für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzuzeigen. Gegenstand sind auch diesbezügliche Eignungen sowie Bedarfe von Menschen mit Behinderungen. Die Studie zielt letztlich darauf ab, die Informations- und Planungsgrundlage für etwaige politische Aktivitäten zu verbessern. Der Wetteraukreis liegt mit einer insgesamt guten infrastrukturellen Anbindung im geografischen Zentrum Hessens in unmittelbarer Nähe des Ballungsgebiets RheinMain. Wichtigster Bahnknotenpunkt ist die Kreisstadt Friedberg. Gemessen an den Erwerbstätigenzahlen ist der Kreis im hessischen Vergleich von einer leicht überdurchschnittlich hohen Bedeutung der Landwirtschaft, des Produzierenden Gewerbes und des Baugewerbes gekennzeichnet. Der Tourismus spielt – mit Ausnahme des Westens des Kreisgebiets, der über Mineral- und Thermalquellen verfügt – insgesamt eine eher untergeordnete Rolle. Aktuell leben rund 5 % der Einwohner Hessens im Wetteraukreis. Im langjährigen Vergleich haben sich die Bevölkerungszahlen auch aufgrund von Zuwanderung aus dem Rhein-Main-Gebiet positiv entwickelt. Bis 2030 prognostiziert die Hessen Agentur weitgehend stabile bzw. sogar leicht ansteigende Bevölkerungszahlen. Aufgrund der Alterung der Bevölkerung wird jedoch das Erwerbspersonenpotenzial sinken, sich der Druck zur Fachkräftesicherung auch im Wetteraukreis erhöhen. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote mit 5,3 % leicht unter dem hessischen Durchschnitt von 5,7 %. Im Wetteraukreis leben im Jahr 2012 geschätzt rund 21.000 Personen mit einem Grad der Behinderung von bis zu 40 und nochmals rund 29.000 Personen bzw. 10 % der Bevölkerung (wie in Hessen insgesamt) mit festgestellten Schwerbehinderungen. Weitere, differenzierte Informationen z. B. zur Arbeitsmarktsituation oder zu Strukturmerkmalen der Menschen mit Behinderungen gibt es dabei – mit Einschränkungen auf regionaler Ebene – in öffentlichen Statistiken meist nur für die letztge-

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nannte Gruppe, die Menschen mit Schwerbehinderungen. Von den Menschen mit Schwerbehinderungen ist im Wetteraukreis rund die Hälfte 65 Jahre oder älter, „nur“ rund 3.000 Personen fallen beispielsweise in die Altersklasse 15 bis 44 Jahre. Bei den wenigen jungen Menschen mit Schwerbehinderungen fällt der Grad der Behinderung relativ häufig hoch aus. In der Altersklasse spielt die in der Statistik ausgewiesene Beeinträchtigungsart „Querschnittlähmung, zerebrale Störungen, geistigseelische Behinderungen, Suchtkrankheiten“ eine bedeutende Rolle. Diese wird von Menschen mit „geistig-seelischen“ Behinderungen dominiert. Über die beschäftigungsrelevanten Strukturmerkmale der Gruppe der Menschen mit Behinderungen – z. B. schulische und berufliche Qualifikationen – liegen insbesondere auf regionaler Ebene nur unzureichende Informationen vor. Grundsätzlich liegt der Fokus in öffentlichen Statistiken nicht auf der Eignung der Personen für den Arbeitsmarkt oder sogar auf den Bedarfen hinsichtlich der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses. Die in der Statistik der Menschen mit Schwerbehinderungen ausgewiesenen Grade und Arten der Behinderungen etwa geben diesbezüglich nur grobe Anhaltspunkte – die Eignung für die Teilhabe am Arbeitsmarkt kann sich von Person zu Person deutlich unterscheiden. Angesichts dieser Heterogenität ist das Betrachten einer vermeintlich homogenen Personengruppe „Menschen mit Behinderungen“ und die Analyse ihrer Potenziale für den Arbeitsmarkt grundsätzlich mit Problemen behaftet. In Hessen lag die Erwerbsquote der Menschen mit Behinderungen im Jahr 2009 – aktuellere Zahlen liegen derzeit nicht vor – bei rund 30 % und damit deutlich unter der Erwerbsquote von Menschen ohne Behinderung (62 %).98 Somit steht ein Großteil der Menschen mit Behinderungen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Den geringsten Unterschied zur Erwerbsquote von Menschen ohne Behinderung gibt es in der Altersklasse 15 bis 24 Jahre, in der rund die Hälfte der Menschen mit anerkannten Behinderungen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Entsprechende Informationen für den Wetteraukreis liegen nicht vor. In der Wetterau wohnen 2013 rund 700 arbeitslose Menschen mit Schwerbehinderungen bzw. 5,3 % der arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderungen Hessens.99 Damit hat sich die Zahl der arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderungen im Kreis seit 2010 deutlich um 17 % erhöht, während sie hessenweit um rund 2 % zurückging. Bei der Bewertung der absoluten Zahl der Arbeitslosen ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass sich einige Personen nicht arbeitslos melden, weil

98 Ergebnisse des Mikrozensus. Zu den Menschen mit Behinderungen zählen im Mikrozensus Personen mit einem Grad der Behinderung von 20 bis 100. 99 Für Menschen mit Behinderungen können in Hessen und im Wetteraukreis keine Arbeitslosenquoten ausgewiesen werden. 63


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

sie die Hoffnung auf Beschäftigung bereits aufgegeben haben. Menschen mit (Schwer)Behinderungen könnten nach Meinung von im Rahmen der Studie befragten Experten überdurchschnittlich häufig zu dieser Personengruppe zählen. Das Unterstützungsangebot für Menschen mit Beeinträchtigungen bzw. Behinderungen in Bezug auf die Teilhabe am Arbeitsleben ist grundsätzlich breit, vor allem was den Personenkreis der Menschen mit anerkannten Schwerbehinderungen und ihnen Gleichgestellte anbelangt. Die Unterstützungen werden zwar von unterschiedlichen Trägern, aber doch in allen arbeitsmarktrelevanten Bereichen (Berufsvorbereitung, berufliche Aus- und Weiterbildung, Erlangung und Erhaltung des Arbeitsplatzes) sowohl an Arbeitnehmer als auch an Arbeitgeber – häufig als Ermessensleistung – gewährt. Sie bestehen in finanzieller Form – z. B. als Zuschuss zu den Lohnkosten (meist zeitlich begrenzt), zu einer befristeten Probebeschäftigung oder zu einer barrierefreien (Um)Gestaltung des Arbeitsplatzes –, aber auch z. B. in Beratung von Menschen mit Behinderungen und Arbeitgebern. Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Integrationsprojekte bzw. Integrationsfirmen bieten für Personen, die wegen Art oder Schwere der Beeinträchtigung (noch) nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, besondere Unterstützung. In den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sind Ende 2013 im Wetteraukreis rund 650 Personen beschäftigt. Ein in seiner Größe unbekannter Anteil der Beschäftigten dürfte ebenfalls für die Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Frage kommen, wenn die Alternative finanziell ausreichend attraktiv ist bzw. vergleichbare Sicherheiten bietet. Nach Ansicht eines interviewten Experten ist dabei zu berücksichtigen, dass nach der Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Rückkehr in die Werkstätten mit Problemen behaftet ist, weil erneut eine hinreichende Beeinträchtigung nachgewiesen werden muss. Zielgruppe von Integrationsprojekten bzw. Integrationsfirmen – diese werden zwar finanziell unterstützt, agieren aber insofern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, dass sie den überwiegenden Teil ihrer laufenden Kosten selbst erwirtschaften müssen – sind vor allem Menschen mit einer geistigen oder seelischen Behinderung sowie Menschen mit einer schweren Sinnes-, Körper- oder Mehrfachbehinderung. Der Anteil Beschäftigter mit Schwerbehinderungen liegt in den Integrationsfirmen zwischen 25 % und 50 %. Die Firmen wurden zum Teil von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen initiiert, so dass eine enge Zusammenarbeit besteht. Relevante Beispiele für offenbar erfolgreiche Integrationsprojekte sind – im Hinblick auf die Zielsetzung der Studie – das Klostercafé und das Hotel Elysee in Seligenstadt. 2012 wurden in rund 60 Integrationsprojekten in Hessen mehr als 800 Arbeitsverhältnisse gefördert. Im Wetteraukreis findet sich kein Integrationsprojekt, was einige der im Rahmen der Studie interviewten Experten auf ein eventuell fehlendes lokales Engagement zurückführen. Zugleich zeigten sich in einem Gespräch jedoch Vorbehalte gegenüber 64


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Integrationsprojekten dahingehend, dass bei ihnen ein Vorrang der Bedeutung von Wettbewerbsfähigkeit gegenüber sozialem Engagement vermutet wird. Aus den geführten Expertengesprächen geht hervor, dass es für die Beschäftigung im Hotel- und Gaststätten-Bereich im Wetteraukreis derzeit auf allen Seiten (Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Vermittlung) Chancen und Hemmnisse gibt. Betont wird die Bedeutung des aktuellen Angebots an offenen Stellen bzw. des Fachkräftebedarfs der Betriebe. Im Vordergrund stehen damit allgemeine bzw. vom etwaigen Vorliegen einer Behinderung weitgehend unabhängige Restriktionen. Im Jahr 2011 gibt es im Wetteraukreis 814 im Gastgewerbe tätige Unternehmen, die eine für die Branche in Hessen typische Betriebsgrößenstruktur aufweisen. Das Gewerbe ist durch viele kleine Unternehmen geprägt, was mit Blick auf begrenzte Betriebskapazitäten z. B. bei Arbeitsplatzumbau und -anpassung ein Nachteil für die Neueinstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen sein kann, aber aufgrund des sprichwörtlichen Verantwortungsbewusstseins kleinerer, häufig eigentümergeführter und lokal verhafteter Betriebe auch ein Vorteil sein kann. Bei der Erfüllung der gesetzlichen Beschäftigungspflicht von Menschen mit Behinderungen zeigt sich aktuell, dass das Gastgewerbe im Wetteraukreis die Pflichtquote von 5 % unterschreitet und zudem deutlich unter dem hessischen Vergleichswert liegt. Dieser Befund kann ebenfalls als Hemmnis oder als Chance für eine verstärkte Beschäftigung in dem Wirtschaftsbereich der Region interpretiert werden. Die Knappheit an Arbeitskräften scheint insgesamt (noch) nicht stark ausgeprägt zu sein, wenn man das bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern gemeldete Stellenangebot in Tourismus-, Hotelund Gaststättenberufen zur Nachfrage in das Verhältnis setzt: Im Wetteraukreis standen im September 2013 rechnerisch fünf Arbeitslose einer Stelle gegenüber. Das Gros des Stellenangebots in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen wurde dabei für Tätigkeiten als Fachkraft gemeldet – ein Niveau, das vermutlich (genaue Angaben liegen nicht vor) nicht alle Menschen mit Behinderungen erfüllen können. Weitere Anforderungen der Betriebe an Stellenbewerber wie z. B. die Mobilität oder das Vorhandensein eines eigenen PKWs verengen das Spektrum geeigneter Stellen für Menschen mit bestimmten Behinderungsformen zusätzlich. Spezifische Hemmnisse für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt können in physischen Barrieren sowie mentalen Barrieren („Barrieren in Köpfen“) bestehen. Zur physischen Barrierefreiheit der Betriebe und des Stellenangebots im Hotel- und Gaststättenbereich in Hessen und speziell im Wetteraukreis – Barrierefreiheit zeigt sich jeweils in Bezug zur Art der Beeinträchtigung eines potenziellen Beschäftigten – liegen bislang nur unzureichende Informationen vor. U. a. geben die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit über eine mögliche Barrierefreiheit einer offenen Stelle für bestimmte Personengruppen 65


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

keine Auskunft. Die Expertengespräche lassen physische Barrierefreiheit der Betriebe im Hotel- und Gaststättenbereich nur in Ausnahmefällen vermuten. Es zeigen sich Nutzungseinschränkungen für die Menschen mit Behinderungen beim Zugang zu und der Bewegung in den Gebäuden (z. B. in Küchen, beim Zugang zu Lagerräumen und Sanitäreinrichtungen), aber auch im Hinblick auf die im Gastgewerbe verwendeten Arbeitsmittel. Wenn, dann wurden Arbeitsplätze meist speziell für Beschäftigte, die im Betrieb in eine Behinderung „hineingealtert“ sind, neu eingerichtet oder an die Bedürfnisse angepasst. Aus den Interviews geht zudem hervor, dass bei Arbeitgebern, bei Belegschaft und Kundschaft mitunter noch Barrieren „in den Köpfen“ bestehen. Die Arbeitgeber beispielsweise haben nach Ansicht der Experten zum Teil noch wenig Interesse an der Thematik, woraus u. a. Nachholbedarfe im Hinblick auf den Wissens- und Informationsstand über die Fähigkeiten der Menschen mit Behinderungen resultieren. Vielmehr bestehen nach Ansicht der befragten Experten noch Vorbehalte und Befürchtungen gegenüber Neueinstellungen, die bei näherer Auseinandersetzung mit der Thematik zum Großteil ausgeräumt werden können. Die Vorbehalte beziehen sich u. a. auf höhere Ausfallzeiten und den besonderen Kündigungsschutz. Nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit der interviewten Experten bestehen auch bei der Vermittlung potenzieller Arbeitnehmer und Arbeitgeber – grundsätzlich und im Wetteraukreis – noch Potenziale. Zwar werden z. B. die finanziellen Unterstützungsleistungen für die Zielgruppen in ihrer Höhe und Ausgestaltung von den befragten Experten überwiegend positiv beurteilt. Es zeige sich jedoch zusätzlicher Unterstützungsbedarf bei den im Handlungsfeld tätigen Akteuren. Ein zentraler Ansatzpunkt zur Erschließung von Beschäftigungspotenzialen der Menschen mit Behinderungen sei eine aktivere Netzwerkarbeit, verstärkte Akquise und Sensibilisierung von Betrieben (und ihrer Belegschaft), von Menschen mit Behinderungen, Eltern und Betreuungspersonen sowie Schulen. Betont wird, dass gerade an regional verankerten Vertrauenspersonen mit einem möglichst breiten Wissen über Fähigkeiten und Potenziale der Menschen mit Behinderungen ein Bedarf besteht. Das Gastgewerbe verfügt in den Bereichen Gastronomie und Beherbergung über ein sehr breites Aufgabenspektrum von Helfer- bis Fachkrafttätigkeiten. Die Tätigkeitsfelder reichen von der Beschäftigung in (Groß)Küchen über Service-, Rezeptions- und Reinigungsarbeiten bis hin etwa zur Pflege von Außenanlagen. Im Rahmen der Expertengespräche konnten Beispiele bzw. Erfahrungen zur Eignung der Tätigkeitsfelder vor allem für Menschen mit (schweren) geistigen, seelischen sowie körperlichen Beeinträchtigungen eingeholt werden. Zu anderen Behinderungsformen (z. B. Seh- oder Hörbehinderungen) lagen bei den Experten keine Erfahrungen vor oder diese wurden von den Interviewten nicht thematisiert, z. B. weil die Behin66


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derung bzw. Beeinträchtigung nicht bekannt ist oder gar nicht als solche wahrgenommen wird. Ein Gesprächspartner verwies zunächst darauf, dass für viele Menschen mit bestimmten Behinderungsformen, z. B. Diabetiker, Epileptiker, Organgeschädigte etc., bei Nutzung der normalen Hilfsmittel zur Alltagsbewältigung zumeist keinerlei Einschränkungen im Beruf vorliegen. Dies trifft beispielsweise auch auf Personen mit einem Teilverlust von Gliedmaßen zu, die die Beeinträchtigung durch entsprechende Prothesen vollständig kompensieren können. Damit wäre ein großer Teil der statistisch erfassten Menschen mit Schwerbehinderungen bezogen auf die Beeinträchtigung für die Tätigkeiten im Gastgewerbe geeignet. Bei Menschen mit anderer, stärkerer Beeinträchtigung verengt sich hingegen das Spektrum der Tätigkeitsfelder. Für Menschen mit geistigen und seelischen Behinderungen wurde in den geführten Interviews beispielsweise die Arbeit in Großküchen und Kantinen als geeignet angesehen, da hier in der Regel strukturierte und standardisierte Arbeitsabläufe vorliegen. Weniger geeignet für die Personengruppe erscheinen nach Ansicht von Unternehmensvertretern und Bildungseinrichtungen hingegen Küchenarbeiten in Restaurants mit à la Carte-Gerichten oder das Event-Catering – Bereiche, die hohe Anforderungen an Flexibilität und Schnelligkeit aller Akteure stellen. Als ein weiterer geeigneter Bereich für Menschen mit geistigen oder seelischen Behinderungen wurden Reinigungsarbeiten im Hotel identifiziert. Dabei könne jedoch eine Durchführung der Tätigkeiten in Zweierteams erforderlich sein. Aufgrund der häufig fehlenden physischen Barrierefreiheit sei eine Beschäftigung von Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen in diesen Tätigkeitsfeldern aktuell oftmals eher schwierig. Bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Service-Bereich der Gastronomie differenzierten die Gesprächspartner nach Klientel und Ausrichtung des Betriebs. Als geeignet wurde beispielsweise die Essensausgabe in Kantinen gesehen. Dort jedoch, wo im Service ein hohes Leistungsniveau und Flexibilität vorausgesetzt werden, kann es Einschränkungen geben. Die Kundenakzeptanz sei hier vermutlich nicht immer gegeben. Ein Bereich, der sich für die Beschäftigung von Menschen gerade mit einer geistigen Behinderung eignen könnte, ist nach Ansicht eines interviewten Experten die Systemgastronomie, die standardisierte Konzepte in allen Bereichen eines Restaurants umsetzt. Aufgrund der großen Verbreitung der Systemgastronomie könnte ein Gewinnen dieser Anbieter für die Inklusionsbemühungen grundsätzlich sehr hilfreich sein. Im Wetteraukreis wird aktuell ein Modellprojekt geplant, das darauf abzielt, Menschen mit Behinderungen im Hinblick auf die Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen. Teil des Projekts sind eine Verkaufsstelle für Backwaren mit angeschlossenem Café und eine Netzwerkstelle. In der Verkaufsstelle bzw. im Café sollen Menschen mit Behinderungen beschäftigt und insbesondere für Helfertätigkeiten (wieder) angelernt werden, um sie auf eine Beschäftigung im allge67


Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

meinen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Die Netzwerkstelle zielt darauf ab, Kooperationen mit Betrieben aufzubauen, um diese für Qualifizierungsmaßnahmen zu gewinnen und um die im Café qualifizierten sowie andere Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige sollen Wege zur Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgezeigt werden – diesbezüglich wird eine Zusammenarbeit mit Schulen angestrebt. Zu beachten ist im Hinblick auf die Einrichtung der Netzwerkstelle eine Vermeidung von Doppelstrukturen beispielsweise mit den Aufgaben der Integrationsämter und Integrationsfachdienste sowie aufgrund aktueller Entwicklungen im Rahmen der Initiative Inklusion. Vor dem Hintergrund der dargestellten Ergebnisse könnte das Modellprojekt einen Beitrag vor allem zum Abbau der identifizierten Barrieren „in den Köpfen“ und im Bereich der Vermittlung leisten. Trotzdem dürfen die Beschäftigungspotenziale speziell im Gastgewerbe in quantitativer Hinsicht aktuell nicht überschätzt werden. Grund sind die derzeit gemäß Statistik eher gering ausgeprägten Arbeitskräftebedarfe und darüber hinaus die vorhandenen physischen Barrieren. Die Potenziale in anderen Branchen – die Arbeit der Netzwerkstelle soll sich nicht nur auf das Gastgewerbe beziehen – gilt es zu eruieren. Die Methodik der vorliegenden Untersuchung und die damit erzielten Ergebnisse lassen sich auf andere Branchen und die Ermittlung dortiger Beschäftigungspotenziale für Menschen mit Behinderungen übertragen. Eine Auswertung der amtlichen Statistiken erscheint erforderlich, um u. a. eine Vorstellung von der Größe und den strukturellen Merkmalen der Gruppe der Menschen mit Behinderungen in einer Region zu erhalten. Einschränkungen ergeben sich dadurch, dass in öffentlichen Statistiken detaillierte Angaben zu Anzahl, Art der Behinderung, Arbeitslosigkeit und Beschäftigung nur zu (registrierten und anerkannten) Menschen mit Schwerbehinderungen vorliegen.100 Zudem ist die Aussagekraft in Bezug auf die beschäftigungsrelevanten Strukturmerkmale der Menschen mit Behinderungen begrenzt. Auf kleinräumiger Ebene zeigen sich zusätzliche Einschränkungen der Datenverfügbarkeit, so dass zusammenfassend für die Seite der Menschen mit Behinderungen nur grobe Schätzungen der Beschäftigungspotenziale möglich sind. Auch um dieser Problematik Rechnung zu tragen, wurden im Rahmen der Studie zusätzlich Experteninterviews geführt. Mit Hilfe der Interviews konnten wichtige Informationen zu den geeigneten Tätigkeitsfeldern für Menschen mit Behinderungen im Gastgewerbe gewonnen und auch die spezifischen Chancen und Hemmnisse für eine verstärkte Beschäftigung im Gastgewerbe beleuchtet werden. Vor dem Hintergrund der be-

100 Nach aktuellen Daten des Sozio-ökonomischen Panels haben in Deutschland von den Menschen mit Beeinträchtigungen im Alter von 18 bis 64 Jahren nur rund 58 % eine festgestellte bzw. anerkannte Behinderung. Entsprechend werden 42 % (3,7 Mio. Menschen) statistisch nicht erfasst. 68


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grenzten Anzahl an Experteninterviews waren zwar keine differenzierten und repräsentativen Ergebnisse ermittelbar. Für die Zielsetzung der Studie erscheint dies jedoch weniger bedeutsam. Die Gespräche wurden dazu genutzt, einen Überblick über die wesentlichen regionalen und branchenspezifischen Aspekte sowie über mögliche Stellschrauben zu gewinnen, Argumente aufzunehmen und zu hinterfragen sowie darauf aufbauend ein konsistentes Gesamtbild abzuleiten. Einen differenzierteren, repräsentativen Überblick über die Beschäftigungspotenziale und möglichen Tätigkeitsfelder der Menschen mit Behinderungen, über das Vorhandensein physischer und mentaler Barrierefreiheit und über die besonderen Ausgestaltungen der Arbeitsplätze, über die Erfahrungen der Betriebe mit der Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen etc. kann eine breiter angelegte, branchenspezifische Unternehmensbefragung geben. Wesentliche Befragungsinhalte und -strukturen lassen sich aus der vorliegenden Studie ableiten. Zur Sicherung und Förderung des Zugangs von Menschen mit Behinderungen zum Arbeitsmarkt können nach den im Rahmen der Studie gewonnenen Erkenntnissen weitere Maßnahmen beitragen. Ein Beispiel ist die Veröffentlichung von Fallbeispielen bzw. „Best-practice“-Beispielen, die den Unternehmen praxisnahe Hilfestellung im Umgang mit dem Themenkomplex bieten und einen weiteren Beitrag zur Sensibilisierung leisten. Ein mögliches Thema wäre beispielsweise die Darstellung konkreter Einrichtungs- und/oder Anpassungsmaßnahmen von Arbeitsplätzen für Menschen mit einer spezifischen Behinderung in unterschiedlichen Branchen bzw. Tätigkeitsfeldern. Im Rahmen der vorliegenden Studie konnten nur in Ansätzen Erfahrungen der Menschen mit Behinderungen, Informationen zu ihren beruflichen Interessen und favorisierten Einsatzgebieten eingeholt werden. Eventuell liefert der um Fragen zur Beeinträchtigung erweiterte Mikrozensus in dieser Hinsicht zukünftig neue Erkenntnisse. Es erscheint allerdings lohnenswert, darüber hinaus über Expertengespräche mit Menschen mit Behinderungen selbst, mit ihren Angehörigen, Betreuungspersonen und Interessenvertretern weitere Informationen zu gewinnen.

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Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Verzeichnis der Expertinnen und Experten Institution

Agentur für Arbeit Gießen

Berufsbildungswerk Südhessen

Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V.

Bürgermeister der Stadt Friedberg

Name

Stefan Leyerer

Ralf Heiß Anne Hoffmann Rolf Klatta (Darmstadt) Michael Keller

Gourmet-Werkstatt Rhein-Main-Wetterau GmbH

Tobias Schmitt

Handwerkskammer Wiesbaden

Dr. Martin Pott

Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Hessen e. V.

Julius Wagner

Industrie- und Handelskammer Gießen-Friedberg

Kerckhoff-Klinik GmbH

Landeswohlfahrtsverband Hessen

Sandra Kraft

Detlef Schneider Rosita Schlembach (Kassel) Maria Stillger (Wiesbaden) Doris Lotze-Wessel (Darmstadt)

Landhotel Naunheimer Mühle

Klaus Gütlich

Thomas Wolf Catering Service

Thomas Wolf

Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e. V. (VhU) yourplace e. V.

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Dr. Werner Scherer Daniela Wüstenbecker Russel Rainer Gimbel


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Leitfäden der Interviews A: Vertreter von Verbänden, Kammern und Landeswohlfahrtsverband 1.

Welche (regionalen) Chancen und Hemmnisse bestehen für eine verstärkte Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes? Bestehen aus Ihrer Sicht Probleme im Hinblick auf die Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt? Wenn ja, was sind die Hauptprobleme (z. B.: Anpassung des Arbeitsplatzes bzw. der Produktionsabläufe, Akzeptanz, Fehlzeiten, Vorbehalte bei Kunden und Kollegen, Kosten, regionale Aspekte)? Wie hoch schätzen Sie die Beschäftigungspotenziale für Menschen mit Behinderungen grundsätzlich und insbesondere im Hotel- und Gaststättenbereich der Wetterau ein? Sind manche Tätigkeitsfelder möglicherweise besser oder schlechter geeignet und warum (z. B.: Kantine vs. à la Carte)?

2.

Wie stark ist Ihrer Einschätzung nach das Wissen über die Fähigkeiten und Potenziale von Menschen mit Behinderungen bei Unternehmen ausgeprägt? Kennen Sie Beispiele für gelungene Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt? Können Unternehmer Ihrer Erfahrung nach die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen einschätzen? Haben Sie den Eindruck, dass sich die Unternehmen dieser Personengruppe zunehmend öffnen (Fachkräftesicherung, Unternehmensphilosophie, soziales Engagement)?

3.

Welcher Unterstützungsangebote bedarf es Ihrer Ansicht nach, damit Unternehmen verstärkt Menschen mit Behinderungen eine Beschäftigung anbieten? Ergreift Ihre Institution Maßnahmen, um die Unternehmen stärker für Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren? Wenn ja, welche Maßnahmen? Wie muss das Auswahl- und Unterstützungssystem Ihrer Ansicht nach konkret gestaltet sein, um die Chancen auf nachhaltige Beschäftigung zu erhöhen oder zu sichern (z. B.: Praktika, Probebeschäftigung, finanzielle Unterstützung)? Wie beurteilen Sie das geplante Modellprojekt? Können Sie Erfolgsfaktoren nennen? Welche Unterstützung zum Modellprojekt könnte wer (in der Region) leisten?

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Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

B: Unternehmensvertreter 1.

Allgemeine Fragen zum Unternehmen Bitte erläutern Sie uns kurz die Struktur Ihres Unternehmens (Bereich des Gastgewerbes, Anzahl der Mitarbeiter etc.).

2.

Fragen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen und deren Tätigkeitsfeldern im Unternehmen Beschäftigen Sie Menschen mit Behinderungen? Falls ja, welche Behinderungsform liegt bei Ihren Mitarbeitern vor? Falls ja, in welchen Tätigkeitsfeldern Ihres Unternehmens sind sie tätig (Großküchen, Küchen, Reinigungsarbeiten, Service, Rezeptionsarbeiten, Pflege der Außenanlagen)? Wann traten die Beeinträchtigungen auf? Erst während der Beschäftigung im Unternehmen? (Für wen) ist Ihr Betrieb in baulicher Hinsicht barrierefrei? Erhalten Sie für die Beschäftigung Unterstützungsleistungen? Falls ja, um welche handelt es sich dabei? Wie schätzen Sie die Leistungen ein? Haben Sie einen Bedarf an weiteren Arbeitskräften? Kommen Menschen mit Behinderungen für die Tätigkeiten in Frage?

3.

Spezielle Fragen zur Ausbildung von Menschen mit Behinderungen (Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen ausbilden) Wenn Sie an Ihren ersten Auszubildenden mit Behinderungen zurück denken: Wissen Sie noch, ob damit Schwierigkeiten (z. B.: Akzeptanz bei Kunden und Kollegen, Anpassung des Arbeitsplatzes bzw. der Produktionsabläufe etc.) verbunden waren? Warum haben Sie sich für die Ausbildung von Menschen mit Behinderungen entschieden? Wie sind die Chancen Ihrer Auszubildenden nach der Beendigung der Ausbildung auf einen Arbeitsplatz im allgemeinen Arbeitsmarkt?

4.

Welche regionalen Chancen und Hemmnisse bestehen für eine verstärkte Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes? Wie ist die Resonanz/Akzeptanz im Kollegenkreis hinsichtlich der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen? Wie ist die Resonanz/Akzeptanz bei den Kunden hinsichtlich der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen? Kennen Sie andere Unternehmen der Region, die sich – nach Beschäftigung mit dem Thema – gegen eine Einstellung von Menschen mit Behinderungen entschieden haben? Welche Gründe hatten diese Unternehmen?

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5.

Welcher Unterstützungsangebote bedarf es Ihrer Ansicht nach, damit Unternehmen verstärkt Menschen mit Behinderungen eine Beschäftigung anbieten? Wie muss das Auswahl- und Unterstützungssystem Ihrer Ansicht nach konkret gestaltet sein, um die Chancen auf nachhaltige Beschäftigung zu erhöhen oder zu sichern (z. B.: Praktika, Probebeschäftigung, finanzielle Unterstützung)? Welche Anpassungen der Infrastruktur sind aus Ihrer Sicht in Ihrem Betrieb und für Menschen mit welcher Behinderungsform erforderlich und möglich/finanzierbar? Ergreifen Sie Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen als Mitarbeiter zu gewinnen? Wenn ja, welche Maßnahmen?

C: Vertreter von Bildungseinrichtungen und Bundesagentur für Arbeit 1.

Allgemeine Fragen zur Bildungseinrichtung Bitte erläutern Sie uns den Schwerpunkt Ihrer Arbeit, die Aufgaben sowie Zielgruppen Ihrer Institution. Wird die Vermittlung der Absolventen nachverfolgt? Wenn ja, welche Bereiche sind in Bezug auf die Vermittlungsquote erfolgreich und weniger erfolgreich?

2.

Welche regionalen Chancen und Hemmnisse bestehen für eine verstärkte Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes? Was sind Ihrer Erfahrung nach die Hauptprobleme bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Gastgewerbe (z. B.: Anpassung des Arbeitsplatzes bzw. der Produktionsabläufe, Akzeptanz, Fehlzeiten, Vorbehalte bei Kunden und Kollegen, Kosten, regionale Aspekte)?

3.

Wie stark ist Ihrer Einschätzung nach bei Unternehmen das Wissen über die Fähigkeiten und die Potenziale von Menschen mit Behinderungen ausgeprägt? (Wie) können Unternehmer Ihrer Erfahrung nach die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen einschätzen? Haben Sie den Eindruck, dass sich die Unternehmen (in der Wetterau) dieser Personengruppe zunehmend öffnen (Fachkräftesicherung, Unternehmensphilosophie, soziales Engagement)?

4.

Sind die Tätigkeitsfelder des Gastgewerbes Ihrer Einschätzung nach besonders gut oder schlecht für die Kompetenzen von Menschen mit Behinderungen geeignet? Welche Tätigkeiten im Gastgewerbe (Großküchen, Küchen, Reinigungsarbeiten, Service, Rezeptionsarbeiten, Pflege der Außenanlagen) eignen sich Ihrer Ansicht nach für welche Behinderungsformen?

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Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

5.

Welcher Unterstützungsangebote bedarf es Ihrer Ansicht nach (auch in der Wetterau), damit Unternehmen verstärkt Menschen mit Behinderungen eine Beschäftigung anbieten? Wie muss das Auswahl- und Unterstützungssystem Ihrer Ansicht nach konkret gestaltet sein, um die Chancen auf nachhaltige Beschäftigung zu erhöhen oder zu sichern (z. B.: Praktika, Probebeschäftigung, finanzielle Unterstützung, Einbeziehung des Umfelds)? Welche Anpassungen der Infrastruktur sind aus Ihrer Sicht in Ihrem Betrieb und für Menschen mit welcher Behinderungsform erforderlich und möglich/finanzierbar? Wie beurteilen Sie das geplante Modellprojekt? Können Sie Erfolgsfaktoren nennen? Welche Unterstützung zum Modellprojekt könnte/sollte wer leisten?

D: Vertreter der Politik 1.

Wie stark ist Ihrer Einschätzung nach bei Unternehmen bzw. anderen kommunalen Akteuren das Wissen über die Fähigkeiten und die Potenziale von Menschen mit Behinderungen ausgeprägt? Kennen Sie aus Ihrer Arbeit Beispiele für gelungene Integration von Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt? Wie groß ist die Bedeutung der Thematik „Inklusion“ auf kommunaler Ebene? Wie stehen die privaten und öffentlichen Unternehmen der Thematik gegenüber (Fachkräftesicherung, Unternehmensphilosophie, soziales Engagement)? Welche Akteure haben Ihrer Erfahrung nach vor allem ein Interesse an diesem Thema? Welche Maßnahmen werden ergriffen?

2.

Welcher Unterstützungsangebote bedarf es Ihrer Ansicht nach, damit Unternehmen verstärkt Menschen mit Behinderungen eine Beschäftigung anbieten? Wie beurteilen Sie das regionale Umfeld und die Akzeptanz hinsichtlich der Umsetzung eines Modellprojektes? Welche Unterstützung zum Modellprojekt könnte/sollte wer leisten? Worauf ist bei der Umsetzung des Inklusionsprojektes besonders zu achten?

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Literaturverzeichnis Aktion Mensch e.V. (2013): Inklusionsbarometer Arbeit – Wie steht es um die Inklusion auf dem deutschen Arbeitsmarkt? Ein neues Instrument macht Fortschritte messbar; in Kooperation mit Handelsblatt Research Institute, Aktion Mensch e.V. (Hrsg.), Bonn. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2013): Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen - Expertise im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Stand: Mai 2013, Berlin. Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen (2010): UN-Behindertenrechtskonvention, Berlin. Bundesagentur für Arbeit (2012): Schwerbehinderte Menschen in Beschäftigung, Teilerhebung 2010 Deutschland, Nürnberg. Bundesagentur für Arbeit (2013): Verzeichnis der anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.), Nürnberg. Bundesagentur für Arbeit (2013a): Der Arbeitsmarkt in Deutschland – Der Arbeitsmarkt für schwerbehinderte Menschen. Nürnberg. Bundesagentur für Arbeit (2013b): Arbeitsmarkt in Zahlen, Arbeitsmarktreport, Nürnberg, Stand: September 2013. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013): Initiative Inklusion, Maßnahmen zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Eine Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der Arbeits- und Sozialministerien der Bundesländer, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.), Stand: September 2013, Bonn. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013a): Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft, Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.), Bonn. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013b): Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, Teilhabe –

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Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

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Inklusion auf dem Arbeitsmarkt im Wetteraukreis

Tabellenverzeichnis Tabelle 1 2 3 4 5 6

7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

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Seite

Städte und Gemeinden im Wetteraukreis nach Einwohnerzahlen Verteilung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftszweigen im Regionalvergleich im Jahr 2012 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und ausschließlich geringfügig Beschäftigte im Regionalvergleich Städte und Gemeinden im Wetteraukreis nach Einwohner- und Arbeitslosenzahlen Bestand an Teilnehmern mit Schwerbehinderungen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gemäß der Förderstatistik der Bundesagentur für Arbeit in Hessen Eingliederungsquoten von Teilnehmern mit Schwerbehinderungen an Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit sechs Monate nach Abschluss der Maßnahmen in Hessen Leistungen der Integrationsämter an Arbeitgeber zur Teilhabe von Menschen mit Schwerbehinderungen am Arbeitsmarkt in Hessen 2010 bis 2012 Weitere Akteure im Handlungsfeld im Wetteraukreis Menschen mit einer Behinderung mit GdB 20 – 40 in Hessen und im HAVS Gießen Menschen mit Schwerbehinderungen nach Altersklassen und Geschlecht im Jahr 2012 in Hessen Menschen mit Schwerbehinderungen nach Art der schwersten Behinderung und Grad der Behinderung in Hessen im Jahr 2012 in % Menschen mit Schwerbehinderungen nach Altersklassen in Hessen und im Wetteraukreis im Jahr 2012 Menschen mit Schwerbehinderungen nach der Art der schwersten Behinderung im Wetteraukreis im Jahr 2012 Beschäftigte Menschen mit Schwerbehinderungen nach Geschlecht und Alter im Jahr 2011 im Wetteraukreis und in Hessen Beschäftigte Menschen mit Schwerbehinderungen nach Geschlecht und Personengruppe im Jahr 2011 im Wetteraukreis und in Hessen Beschäftigte Menschen mit Schwerbehinderungen in ausgewählten Wirtschaftszweigen im Jahr 2011 im Wetteraukreis Bestand an arbeitslosen Menschen mit Schwerbehinderungen im Jahr 2012 in Hessen Unternehmen der Wirtschaftsbereiche Beherbung und Gastronomie nach Betriebsgrößen im Wetteraukreis im Jahr 2011 Stellenangebot im Gastgewerbe im September 2013 in Hessen Stellenangebot und -nachfrage in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen im Wetteraukreis und in Hessen im September 2013 Stellenangebot und -nachfrage in Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen im September 2013 in Hessen nach Anforderungsniveau

8 9 11 11 15

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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Gemeinden und Städte des Wetteraukreises Bevölkerungsentwicklung von 2000 bis 2012 im Regionalvergleich (Jahr 2000=100) Bevölkerungsentwicklung von 2012 bis 2030 im Regionalvergleich (Jahresendstand im Jahr 2012=100) Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 2000 bis 2012 im Regionalvergleich (Jahr 2000=100) Entwicklung der Arbeitslosenzahlen von 2000 bis 2013 im Regionalvergleich (Jahr 2000=100) Unbesetzte Stellen und noch unvermittelte Bewerber in Hessen 2012 Menschen mit Schwerbehinderungen in Hessen nach Altersklassen und Grad der Behinderung im Jahr 2012 Verteilung der Neuverträge nach Zuständigkeitsbereichen im Wetteraukreis 2012 Arbeitslose je gemeldeter Arbeitsstelle nach Berufsbereichen in Hessen im September 2013

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