Branchenprofil Chemische und Pharmazeutische Indus

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Branchenprofil Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen

Dr. Claus Bauer Gergana Petkova

Report Nr. 839 Wiesbaden 2013


Eine Veröffentlichung der

HA Hessen Agentur GmbH Postfach 1811 D-65008 Wiesbaden Konradinerallee 9 D-65189 Wiesbaden Telefon Telefax E-Mail Internet

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Folke Mühlhölzer (Vorsitzender), Dr. Rainer Waldschmidt

Florian Rentsch, Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten.


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Branchenprofil Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen

Inhalt

Seite

Vorwort

I

Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen im Überblick

1

Beschäftigte

3

Unternehmenslandschaft: Betriebe und bedeutende Unternehmen

4

Umsatz

9

Produktpalette und Produktionsschwerpunkte

10

Internationales: Außenhandel, Direktinvestitionen und Eigentumsverhältnisse

11

Forschung und Entwicklung

14

Ausbildung

18

Ausblick

19



Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, die Leistungsfähigkeit der hessischen Wirtschaft basiert keineswegs nur auf einem starken Dienstleistungssektor, sondern Hessen ist traditionell auch ein wichtiger Industriestandort. Ich denke hierbei an den Maschinenbau, die Elektro- und Metallindustrie und natürlich auch an Chemie und Pharma. Das Branchenprofil „Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen“, das die Hessen Agentur im Auftrag meines Hauses erstellt hat, zeigt eindrucksvoll die Vielfalt und Bedeutung dieser Branche auf, die mit über 58.000 Beschäftigten größter industrieller Arbeitgeber Hessens ist. Zahlreiche bedeutende Unternehmen von Clariant über Fresenius und K+S bis zu Merck, Merz und Sanofi stehen für die Qualität „Made in Hessen“. Die Produkte der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie erfreuen sich nicht nur innerhalb Deutschlands einer großen Nachfrage, sondern auch im Ausland, wie aus der hohen Exportquote von 67 % hervorgeht. Die hessische Landesregierung ist stets bestrebt, die Rahmenbedingungen für die Industrie zu optimieren. Hier sind zum Beispiel die Verkehrs- und Datennetze, d.h. eine leistungsfähige Infrastruktur, zu nennen. Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld meines Hauses ist die Fachkräftesicherung. Denn ohne gut ausgebildete Arbeitskräfte wird es der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie kaum gelingen, im zunehmenden internationalen Wettbewerb weiterhin erfolgreich zu sein. Über die vorliegende Veröffentlichung zu Chemie und Pharma hinaus möchte ich Ihnen auch die weiteren Branchenprofile bedeutender hessischer Industriezweige empfehlen, die unter www.hessen-agentur.de  Wirtschafts- & Regionalforschung  Wirtschaft & Strukturwandel zum Download zur Verfügung stehen. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Florian Rentsch, Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung

I



Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen im Überblick 

58.422 Beschäftigte waren im Jahr 2011 in der Chemie- und Pharmaindustrie Hessens tätig.1 Hiervon entfallen zwei Drittel – 39.346 Beschäftigte – auf die Herstellung von chemischen Erzeugnissen. 19.076 Personen sind dem Pharmabereich zuzuordnen. Die Branche ist damit der größte industrielle Arbeitgeber in Hessen. 13,6 % aller deutschlandweit Beschäftigten der Chemie- und Pharmaindustrie haben ihren Arbeitsplatz in Hessen.

180 Betriebe der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie zählte Hessen im Jahr 2011. Der mit Abstand größte Standort in Hessen – sowohl im Hinblick auf die Zahl der Betriebe als auch der Beschäftigten – ist Frankfurt am Main.

Bedeutende Unternehmen der Chemischen Industrie und Pharmazeutischen Industrie mit mehr als 1.000 Beschäftigten in Hessen sind u.a. Abbott, B. Braun Melsungen,2 Celanese, Clariant, CSL Behring, DAW, Evonik, Fresenius, K+S, Lilly Pharma, Merck, Merz, Procter & Gamble und Sanofi.

Die Chemische und Pharmazeutische Industrie ist bei weitem die umsatzstärkste Branche des Verarbeitenden Gewerbes in Hessen: Sie konnte 2011 einen Umsatz in Höhe von 24,5 Mrd. Euro erwirtschaften. 57,6 % des Jahresumsatzes der Branche entfielen 2011 auf die Chemiesparte und 42,4 % auf Pharma, womit die Bedeutung der Pharmazeutischen Industrie in Hessen erheblich stärker ausgeprägt ist als auf Bundesebene (21,6 %).

2011 wurden 16,3 Mrd. Euro Umsatz mit dem Ausland erwirtschaftet, womit sich die Exportquote der Branche – definiert als der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz – auf 66,6 % beläuft. Der Direktinvestitionsbestand der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie Hessens im Ausland betrug zum Jahresende 2010 9,4 Mrd. Euro. Im Gegenzug hatten ausländische Investoren 7,5 Mrd. Euro in der hessischen Branche angelegt.

Die Chemische und Pharmazeutische Industrie ist die Industriebranche Hessens mit den mit Abstand höchsten Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (2,0 Mrd. Euro im Jahr 2009). Durch eine besonders hohe Innovationskraft zeichnet sich unter den Chemiesparten die Biotechnologie aus.

1

Mit Ausnahme der Angaben zu einzelnen Unternehmen und zur Ausbildung beziehen sich alle Angaben zu Beschäftigten, Betrieben und Umsätzen für Hessen, andere Bundesländer und Deutschland auf Betriebe von Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten. Informationen zu einzelnen Unternehmen (z.B. Zahl der Mitarbeiter, Produktpalette, Marktposition, Eigentumsverhältnisse) beruhen auf Recherchen der Hessen Agentur (Internetauftritte der Unternehmen, Presseartikel, Unternehmensdatenbanken wie z.B. MARKUS, Anfrage bei den Unternehmen usw.) Bei B. Braun Melsungen ist zu beachten, dass das Unternehmen seinen Tätigkeitsschwerpunkt in der Medizintechnik hat und somit wirtschaftszweigsystematisch nicht der Chemischen Industrie zugeordnet wird.

2

1


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

5.706 Studierende der Chemie und Pharmazie sowie 5.198 der Biologie waren zum Wintersemester 2011/12 an hessischen Hochschulen immatrikuliert. Die hessischen Betriebe der Chemie und Pharmazie beschäftigten im Jahr 2011 1.649 Auszubildende.

Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen: Wichtige Indikatoren im Überblick Anteil am Verarbeit. absolut Gewerbe Hessens in % Beschäftigte (2011)

Anteil an Chemie und Automobil Pharma Deutschlands in %

Zum Vergleich: Elektro

Ernährung

GummiMaschinenund bau Kunststoff

Metall

absolut

58.422

14,7

13,6

47.885

49.932

35.388

34.473

43.875

52.072

180

6,5

9,5

75

314

374

223

374

412

Umsatz (in Mio. Euro, 2011)

24.542

21,9

13,3

16.518

10.133

8.992

8.155

10.026

18.356

Auslandsumsatz (in Mio. Euro, 2011)

16.339

29,4

15,0

9.653

4.732

1.651

2.393

6.320

9.356

FuE-Aufwendungen (in Mio. Euro, 2009)

2.011

49,3

28,3

1.009

333

-1

1652

211

164

Betriebe (2011)

1

Für die Ernährungsindustrie liegen keine Angaben vor.

2

Einschließlich Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden.

Quelle: destatis, HSL, Stifterverband Wissenschaftsstatistik, Berechnungen der Hessen Agentur.

Methodische Anmerkung zur neuen Wirtschaftszweigsystematik WZ 2008 Die Umstellung von der Wirtschaftszweigsystematik WZ 2003 auf die neue Systematik WZ 2008 bringt auch Auswirkungen für das vorliegende Branchenprofil zur Chemischen und Pharmazeutischen Industrie mit sich. Hierbei sind zwei Aspekte zu nennen: Erstens wurde die Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen, die in der WZ 2003 eine Gruppe innerhalb der Abteilung Chemische Industrie war, in eine eigene Abteilung ausgegliedert. Da sich die Änderungen der Branchenabgrenzung in sehr engen Grenzen halten, entspricht die Zusammenfassung der beiden Abteilungen Chemische Industrie und Pharmazeutische Industrie gemäß WZ 2008 weitestgehend der Chemischen Industrie gemäß WZ 2003. Folglich ist die Vergleichbarkeit der Wachstumsraten der Jahre 2009 und 2010 mit denen der Jahre 2008 und früher nur in geringem Maße eingeschränkt. Zweitens liegen die Angaben zu den Direktinvestitionen noch nicht in der neuen WZ 2008 vor.

2


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Beschäftigte Die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen zählte im Jahr 2011 58.422 Beschäftigte, was 14,7 % der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe in Hessen entspricht. Damit ist die Chemische und Pharmazeutische Industrie der größte industrielle Arbeitgeber in Hessen. 13,6 % aller in der Branche in Deutschland tätigen Personen haben ihren Arbeitsplatz in Hessen. Lediglich im ungleich größeren Nordrhein-Westfalen sind mit 100.000 Beschäftigten mehr Personen in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie beschäftigt als in Hessen. Die Beschäftigungsentwicklung der Branche präsentierte sich vor der Krise ähnlich der des hessischen Verarbeitenden Gewerbes insgesamt, d.h. sie lag 2007 und 2008 jeweils höher als im Jahr zuvor. Entwicklung der Beschäftigung in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie und im Verarbeitenden Gewerbe in Hessen und Deutschland 2007 – 2011* in % zum Vorjahr 4

Chemische und Pharmazeutische Industrie

in % zum Vorjahr 4

2

2

0

0

-2

-2

-4

-6

-4

Beschäftigte 2011 (in 1.000): Hessen Deutschland

2007

58,4 428,6

2008

-6 2009

2010

2011

Verarbeitendes Gewerbe

Beschäftigte 2011 (in 1.000): Hessen Deutschland

2007

398,3 5.832,4

2008

2009

2010

2011

* Die Vergleichbarkeit der Wachstumsraten ab 2009 mit den Wachstumsraten 2008 und früher ist aufgrund der Umstellung der Wirtschaftszweigsystematik nur eingeschränkt möglich. Quelle: destatis, HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.

Im Krisenjahr 2009 ist der Arbeitsplatzabbau in der hessischen Chemischen und Pharmazeutischen Industrie unterdurchschnittlich ausgefallen, wie der Vergleich mit den Veränderungsraten im Verarbeitenden Gewerbe deutlich macht: Einem Rückgang um 2,3 % in Hessen und 2,9 % auf Bundesebene steht ein Beschäftigungsminus im Verarbeitenden Gewerbe von 5,3 % in Hessen bzw. 4,5 % in Deutschland

3


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

insgesamt gegenüber. Gestützt auf sowohl im Pharmabereich als auch in der Chemie gestiegene Umsätze hat sich der Beschäftigungsrückgang (-0,8 %) verlangsamt. Im Jahr 2011 konnte die Beschäftigungsentwicklung der Branche wieder ins Plus drehen (+1,5 %), wofür die Chemie (+2,0 %) verantwortlich zeigt, während im Pharmasegment geringfügig weniger Personen (-0,4 %) tätig waren als noch ein Jahr zuvor. Der Blick über Hessen und Deutschland hinaus zeigt, dass Deutschland mit klarem Abstand der wichtigste Chemiestandort innerhalb der EU ist. Von den gut 1,7 Mio. Personen, die im Jahr 2011 in der EU-27 in der Chemischen Industrie beschäftigt waren,3 hatten etwa ein Viertel ihren Arbeitsplatz in Deutschland – zum Vergleich: Den zweiten Rang belegt Frankreich mit knapp 15 %.

Unternehmenslandschaft: Betriebe und bedeutende Unternehmen 180 Betriebe (2010: 179 Betriebe) der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie gab es im Jahr 2011 in Hessen – 147 davon werden der Herstellung von chemischen Erzeugnissen zugeordnet, 33 Betriebe produzieren pharmazeutische Erzeugnisse. Die Betriebszahl ändert sich vor allem aufgrund von Restrukturierungen. So werden Betriebe veräußert oder gekauft, Dienstleistungen ausgelagert oder verschiedene Tätigkeitsfelder unter einem neuen Dach gebündelt. Hierdurch kann es auch zu einer veränderten statistischen Zuordnung kommen (z.B. ein Wechsel von Chemie zu Pharma oder umgekehrt), da die Betriebe nach dem Schwerpunktprinzip den verschiedenen Wirtschaftsbereichen zugeordnet werden. Im Vergleich zum Verarbeitenden Gewerbe insgesamt ist die Chemische und Pharmazeutische Industrie durch einen überdurchschnittlich hohen Konzentrationsgrad gekennzeichnet: Sind im Verarbeitenden Gewerbe lediglich 10,2 % der Betriebe Großbetriebe (mindestens 250 Beschäftigte), so sind es in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie 23,3 %. In diesen 42 Großbetrieben sind 78,9 % der Beschäftigten der Branche tätig, die 78,8 % des Branchenumsatzes erwirtschaften.

3 4

Vgl. VCI (Hrsg.), Chemiewirtschaft in Zahlen 2012, Frankfurt 2012, S. 116.


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Größenstruktur der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie sowie des Verarbeitenden Gewerbes in Hessen im Jahr 2011 – Anteil der Großbetriebe* an Zahl der Betriebe, Beschäftigten und Umsatz

Chemische und Pharmazeutische Industrie

23,3

Betriebe

Verarbeitendes Gewerbe

10,2

78,9

Beschäftigte

59,9

78,8

Umsatz

71,1 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100 Anteil in %

* Betriebe mit 250 und mehr Beschäftigten Quelle: HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.

Die Betrachtung der räumlichen Verteilung der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie innerhalb Hessens zeigt klare Schwerpunkte. So ist die Konzentration in Südhessen insbesondere in der Stadt Frankfurt am höchsten, wo die amtliche Statistik 118 Betriebe – hiervon 23 Betriebe der Pharmazeutischen Industrie – ausweist.4 Hierbei kommt dem Industriepark Höchst eine wesentliche Rolle zu. Dort betreibt die Sanofi-Aventis Deutschland GmbH den weltweit größten Produktionsstandort für Insuline sowie ihren größten Einzelstandort für Forschung in Deutschland. Insgesamt sind 6.000 Mitarbeiter beim Unternehmen vor Ort beschäftigt. Wie das Unternehmen bekannt gegeben hat, wird der Standort weiter gestärkt und mit einem Investitionsvolumen von rund 60 Millionen Euro die Fertigung ausgebaut. Weitere Unternehmen wie der Pflanzenschutzproduzent Bayer CropScience AG mit rund 800 Mitarbeitern in der Forschung und Wirkstoffproduktion für Herbizide und Insektizide, die Celanese Gruppe (rund 1.000 Mitarbeitern vor Ort), zu der auch das Werk von Ticona gehört, die Basell Polyolefine GmbH sowie Sandoz – eine weltweit tätige Gruppe von Generika- und Biotechnologieunternehmen – haben ebenfalls im Industriepark Höchst ihren Standort. In Frankfurt-Höchst 4

Ein unmittelbarer Vergleich der im nachfolgenden Text gemachten Angaben mit der vorstehenden Tabelle ist allerdings nicht möglich. Dies vor allem aus zwei Gründen: Erstens liegt den Daten der amtlichen Statistik die Betriebsebene zugrunde, während sich die Angaben im Text weitgehend auf Unternehmen beziehen. Zweitens ist insbesondere bei breitem Produktspektrum nicht immer zweifelsfrei erkennbar, welcher Branche ein Unternehmen zuzuordnen ist (z.B. Chemie oder Pharma bzw. Maschinenbau oder Elektrotechnik). 5


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

befindet sich darüber hinaus der weltweit größte Produktions- und Forschungsstandort der Clariant Gruppe mit rund 1.600 Beschäftigten, wo im Herbst 2013 das in Bau befindliche „Clariant Innovation Center“ eröffnet werden soll. Weitere große Unternehmen der Branche mit Sitz in Frankfurt sind u.a. die Allessa GmbH (700 Mitarbeiter), die Merz Gruppe und die Hartmann Druckfarben GmbH. Die im Jahr 2011 gegründete Styrolution Group GmbH (Joint Venture zwischen BASF und der britischen INEOS) hat ebenfalls in Frankfurt ihre Unternehmenszentrale, hier sind etwa 150 Mitarbeiter beschäftigt. Der zweitgrößte Standort der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie liegt mit der Stadt Darmstadt ebenfalls in Südhessen. Hier befinden sich Verwaltung, Forschung und Entwicklung sowie die größte Produktionsstätte der Merck KGaA in Deutschland mit mehr als 8.000 Mitarbeitern. Nach dem Bau einer neuen Produktionsanlage im Jahr 2011 hat das Unternehmen 2012 erneut ein Bekenntnis zum Standort abgegeben und 37 Millionen Euro in einen neues Technik- und Laborgebäude investiert. Die Merck KGaA zählt zusammen mit ihren 900 Mitarbeitern in Gernsheim zu den größten hessischen Arbeitgebern. Ferner beschäftigt der Evonik Konzern, bei dem insgesamt mehr als 5.400 Personen in Hessen tätig sind, über 1.500 Mitarbeiter in Darmstadt. Die Landeshauptstadt Wiesbaden ist ein weiterer wichtiger Standort. Im Industriepark Kalle-Albert betreiben mehrere Unternehmen Produktions- und Forschungsanlagen wie z.B. der Wursthüllen- und Schwammtuchhersteller Kalle GmbH mit ca. 750 Mitarbeitern, die Mitsubishi Polyester Film GmbH – ein Hersteller von Polyesterfolien – mit 500 Mitarbeitern, die SE Tylose GmbH & Co. KG mit ebenfalls rund 500 Mitarbeitern, die Agfa-Gevaert Graphic Systems GmbH, die Clariant Gruppe sowie SGL Carbon SE, einer der weltweit führenden Hersteller von Produkten aus Carbon, Graphit und Verbundmaterialien für Anwendungen in der Industrie sowie der Luftund Raumfahrttechnik. In Wiesbaden befindet sich zudem der Hauptsitz der Abbott GmbH & Co. KG mit rund 1.400 Mitarbeitern. Am Standort ist neben der Geschäftsführung, der Diagnostika-Produktion, Marketing und Logistik auch die Forschung und Entwicklung von besonderer Bedeutung: Wiesbaden ist der größte Standort der Abbott GmbH & Co. KG für Diagnostika-Entwicklung außerhalb der USA. Somit besteht in Wiesbaden die komplette Wertschöpfungskette von der Forschung und Entwicklung über die klinische Prüfung, die Zulassungsbeantragung bis hin zu Produktion, Vermarktung, Distribution und Vertrieb des fertigen Produkts. Ein weiterer Standort des Unternehmens in Hessen ist Wetzlar. Nach der erfolgten Abspaltung des forschenden Pharmageschäfts von Abbott, das zum Jahresanfang 2013 als unabhängiges BioPharma-Unternehmen unter dem Namen AbbVie weitergeführt wird, befindet sich in Wiesbaden auch die AbbVie-Deutschlandzentrale mit rund 500 Beschäftigten.

6


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Regionale Verteilung der Chemischen Industrie und der Pharmazeutischen Industrie in Hessen im Jahr 2011 Verwaltungsbezirk

Chemische Industrie Betriebe

Pharmazeutische Industrie

Beschäftigte

Betriebe

Beschäftigte

Regierungsbezirk Darmstadt

118

31.826

23

13.994

Darmstadt, Wissenschaftsstadt

6

n.a.

1

n.a.

Frankfurt am Main, Stadt

32

7.461

4

n.a.

Offenbach am Main, Stadt

3

542

1

n.a.

Wiesbaden, Landeshauptstadt

8

2.066

1

n.a.

Kreis Bergstraße

9

1.210

4

342

Darmstadt-Dieburg

4

n.a.

2

n.a.

Landkreis Groß-Gerau

12

2.174

0

0

Hochtaunuskreis

3

90

1

n.a.

Main-Kinzig-Kreis

14

2.858

2

n.a.

Main-Taunus-Kreis

8

n.a.

1

n.a.

Odenwaldkreis

2

n.a.

0

0

Landkreis Offenbach

10

1.131

3

n.a.

Rheingau-Taunus-Kreis

4

412

0

0

Wetteraukreis

3

n.a.

3

0

12

1.377

9

n.a.

Regierungsbezirk Gießen Landkreis Gießen

2

n.a.

2

n.a.

Lahn-Dill-Kreis

6

763

1

n.a.

Landkreis Limburg-Weilburg

1

n.a.

1

n.a.

Marburg-Biedenkopf

1

n.a.

5

4.394

Vogelsbergkreis

2

n.a.

0

0

Regierungsbezirk Kassel

17

6.143

1

n.a.

Kassel, documenta-Stadt

1

n.a.

0

0

Landkreis Fulda

3

n.a.

0

0

Landkreis Hersfeld-Rotenburg

4

3.799

0

0

Landkreis Kassel

3

343

0

0

Schwalm-Eder-Kreis

4

368

1

n.a.

Landkreis Waldeck-Frankenberg

1

n.a.

0

0

Werra-Meißner-Kreis

1

n.a.

0

0

n.a.: Zahlenwert geheim zu halten. Quelle: HSL.

Für Clariant mit Standorten in Sulzbach (Verwaltungsstandort der Clariant-Gesellschaften in Deutschland und der Service-Region Europa), Höchst und Wiesbaden arbeiten zusammen rund 2.200 Beschäftigte in Hessen. Im Industriepark Hanau-Wolfgang befindet sich die zweitgrößte Produktionsstätte der Evonik Degussa GmbH in Deutschland mit rund 3.100 Beschäftigten. Hier werden nicht nur Chemiekatalysatoren und Reaktionsharze sowie pharmazeutische Wirkstoffe hergestellt, 7


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

sondern auch Forschung und Entwicklung betrieben. Außerdem beschäftigt die Umicore AG & Co. KG mehr als 1.000 Mitarbeiter in Hanau. Zu den größten Arbeitgebern in Hessen gehört auch die in Schwalbach am Taunus ansässige Procter & Gamble AG, die in Hessen an insgesamt 6 Standorten rund 6.000 Mitarbeiter beschäftigt. Weitere bedeutende Unternehmen der Branche in Südhessen sind u.a. der Gesundheitskonzern Fresenius in Bad Homburg und Friedberg mit seinen Tochterunternehmen Fresenius Kabi – eines der führenden Unternehmen im Bereich der Infusionstherapie und in der klinischen Ernährung in Europa – und Fresenius Medical Care, der weltweit führende Anbieter von Produkten und Dienstleitungen für Patienten mit Nierenversagen. Die Lilly Deutschland GmbH mit Hauptsitz in Bad Homburg und Produktionsstätte im mittelhessischen Gießen (mit insgesamt über 900 Mitarbeitern), der Generika-Produzent Stada Arzneimittel AG (über 950 Mitarbeiter) in Bad Vilbel, der Automobilzulieferer ContiTech Techno-Chemie GmbH in Karben, die Biotest AG in Dreieich (700 Mitarbeiter) sowie die Unternehmen der DAW-Firmengruppe in Ober-Ramstadt (rund 1.300 Mitarbeiter insgesamt bei Alpina Farben GmbH, CAPAROL Farben Lacke Bautenschutz GmbH und der Konzernmutter Deutsche Amphibolin-Werke von Robert Murjahn Stiftung & Co. KG) und in Lampertheim (Landkreis Bergstraße) die BASF-Gruppe mit der BASF Lampertheim GmbH (früher Ciba Lampertheim) sowie weitere Konzerngesellschaften mit insgesamt rund 1.000 Mitarbeitern vor Ort sind ebenfalls zu nennen. In Mittelhessen sind insbesondere die Nachfolgegesellschaften der Behringwerke in Marburg wie CSL Behring GmbH (mit 2.000 Mitarbeitern der weltweit größte Forschungs- und Produktionsstandort des Unternehmens), Novartis Vaccines and Diagnostics GmbH (1.100 Mitarbeiter), die Siemens Healthcare Diagnostics Products GmbH sowie die in Limburg ansässige Mundipharma GmbH (rund 900 Mitarbeiter) anzuführen. Die vergleichsweise geringe Anzahl der in der amtlichen Statistik in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie für Nordhessen ausgewiesenen Beschäftigten ist vor allem dadurch begründet, dass die im Schwalm-Eder-Kreis ansässige B. Braun Melsungen AG mit rund 5.800 Mitarbeitern vor Ort ihren Tätigkeitsschwerpunkt in der Medizintechnik hat – und somit statistisch nicht der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie zugeordnet wird. Die K+S Gruppe hat insgesamt rund 5.000 Mitarbeiter in Nordhessen. Zudem ist Bad Hersfeld einer der hessischen Standorte der ehemaligen Hoechst AG, deren Zweigwerk für technische Fasern mit rund 400 Mitarbeitern heute von der Performance Fibers GmbH geführt wird. In Bad Hersfeld befindet sich auch das Entwicklungszentrum für medizintechnische Produkte, ein Produktionswerk und ein Distributionszentrum von Fresenius Kabi. In Wildeck ist die Alsecco GmbH, die Dämmsysteme herstellt, tätig.

8


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Umsatz Chemie und Pharma erwirtschafteten im Jahr 2011 einen Umsatz in Höhe von 24,5 Mrd. Euro – ein Wert, der 13,3 % des Umsatzes der Branche bundesweit entspricht. Hessen ist damit nach Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (BASF, Boehringer Ingelheim) der drittgrößte Produzent unter den Bundesländern. Deutschland wiederum weist nach der VR China, den USA und Japan den viertgrößten Weltmarktanteil auf und ist damit vor Frankreich der größte Standort in der EU.5 Umsatzentwicklung in der Chemischen Industrie und im Verarbeitenden Gewerbe in Hessen und Deutschland 2007 – 2011* in % zum Vorjahr 25

Chemische und Pharmazeutische Industrie

in % zum Vorjahr 25

20

20

15

15

10

10

5

5

0

0

-5

-5

-10 -15 -20

-10

Umsatz 2011 (in Mrd. Euro): Hessen Deutschland

2007

-15

24,5 184,2

2008

-20 2009

2010

2011

Verarbeitendes Gewerbe

Umsatz 2011 (in Mrd. Euro): Hessen 112,2 Deutschland 1.734,7

2007

2008

2009

2010

2011

* Die Vergleichbarkeit der Wachstumsraten ab 2009 mit den Wachstumsraten 2008 und früher ist aufgrund der Umstellung der Wirtschaftszweigsystematik nur eingeschränkt möglich. Quelle: destatis, HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.

Die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen ist klar besser durch die Wirtschaftskrise gekommen als die Branche auf Bundesebene: 2009 ging der Umsatz in der hessischen Chemischen und Pharmazeutischen Industrie lediglich um 2,9 % gegenüber dem Vorjahr zurück. Auf Bundesebene hingegen musste die Branche einen massiven Rückgang des Umsatzes um 14,2 % verkraften. Dieser relativ positive Verlauf in Hessen ist wesentlich auf den Pharmabereich zurückzuführen, der im Gegensatz zu den vielen anderen Branchen in der Krise keinen Umsatzeinbruch zu verzeichnen hatte. Das hohe Gewicht der Pharmasparte innerhalb der 5

Vgl. VCI (Hrsg.), Chemiewirtschaft in Zahlen 2012, Frankfurt 2012, S. 104. 9


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in Hessen hat sich somit merklich stabilisierend auf die Branche insgesamt ausgewirkt. Dies unterstreicht der Vergleich mit der Entwicklung des Verarbeitenden Gewerbes in Hessen, wo im Jahr 2009 der Umsatz um 13,2 % hinter dem Vorjahreswert zurückblieb. Entsprechend geringer fallen allerdings auch die Wachstumsraten nach der Krise aus, da es keine krisenbedingten Umsatzeinbußen aufzuholen gilt. Für 2011 steht für die Chemische und Pharmazeutische Industrie ein Umsatzplus von 4,8 % zu Buche (Deutschland: +7,7 %), womit das Wachstum über dem Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes liegt.

Produktpalette und Produktionsschwerpunkte Ein erheblicher Teil der umfang- und facettenreichen Produktpalette der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie sind Vorleistungen – für andere Branchen, aber auch für Chemie und Pharma selbst. Wirtschaftszweige, die einen erheblichen Teil ihrer Vorprodukte direkt von der Chemischen Industrie beziehen, sind z.B. die Gummi- und Kunststoffverarbeitung, die Textil-, Bekleidungs- und Lederindustrie sowie die Papier- und Druckindustrie. Deren Produkte werden wiederum in vielen weiteren Branchen eingesetzt, so z.B. in der Automobilindustrie: Zahlreiche chemische Produkte finden sich in Kunststoffen für Elektronik, Tankbehälter, Beleuchtungsteile, Fahrzeuginnenausstattung u.v.m. wieder. Ebenfalls wichtige Kunden sind die Privaten Haushalte (z.B. Medikamente sowie Körperpflege- und Reinigungsmittel). Die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen ist durch einen Schwerpunkt auf der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen gekennzeichnet: 42,4 % des Gesamtumsatzes der Branche im Jahr 2011 wurde von Betrieben erwirtschaftet, die pharmazeutische Erzeugnisse – d.h. pharmazeutische Grundstoffe und bzw. oder Pharmazeutika – herstellen. Von dieser Spezialisierung rührt die Bezeichnung Hessens als „Apotheke Deutschlands“ her. Diese hohe Bedeutung pharmazeutischer Erzeugnisse unterscheidet die Produktionsstruktur der heimischen Branche erheblich von der in Deutschland insgesamt. Auf diesen Branchenzweig entfällt auf Bundesebene nur ein Umsatzanteil von 21,6 %. Im Gegenzug spielt für Deutschland insgesamt die Produktion von chemischen Erzeugnissen (78,4 %) eine deutlich wichtigere Rolle als in Hessen (57,6 %). Innerhalb der Chemie zeigt sich dies vor allem bei den chemischen Grundstoffen (Hessen: 37,4 %, Deutschland: 51,9 %). Zu den chemischen Grundstoffen zählen u.a. Industriegase, anorganische wie auch organische Grundstoffe aller Art, Kunststoffe in Primärformen und Düngemittel.

10


HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung –

Chemie- und Pharmaumsatz nach Sparten in Hessen und Deutschland im Jahr 2011

Herstellung von ... chemischen Erzeugnissen chemischen Grundstoffen, Düngemitteln und Stickstoffverbindungen, Kunststoffen in Primärformen und synthetischem Kautschuk in Primärformen Schädlingsbekämpfungs-, Pflanzenschutzund Desinfektionsmitteln Anstrichmitteln, Druckfarben und Kitten Seifen, Wasch- Reinigungs- und Körperpflegemitteln sowie von Duftstoffen sonstigen chemischen Erzeugnissen Chemiefasern pharmazeutischen Erzeugnissen pharmazeutischen Grundstoffen pharmazeutischen Spezialitäten und sonstigen pharmazeutischen Erzeugnissen Insgesamt

Hessen*

Deutschland

in Mio. Euro

in %

in Mio. Euro

in %

14.132

57,6

144.435

78,4

9.169

37,4

95.604

51,9

n.a.

n.a.

2.974

1,6

1.156

4,7

10.488

5,7

735

3,0

13.195

7,2

1.912

7,8

19.943

10,8

n.a.

n.a.

2.232

1,2

10.410

42,4

39.750

21,6

n.a.

n.a.

1.283

0,7

n.a.

n.a.

38.467

20,9

24.542

100,0

184.185

100,0

n.a.: Zahlenwert geheim zu halten. Quelle: destatis, HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.

Internationales: Außenhandel, Direktinvestitionen und Eigentumsverhältnisse Von den 24,5 Mrd. Euro Umsatz der Branche im Jahr 2011 entfielen 16,3 Mrd. Euro auf den Auslandsumsatz, was einer Exportquote6 von 66,6 % entspricht. Damit ist die Branche erheblich stärker international ausgerichtet als der Durchschnitt des hessischen Verarbeitenden Gewerbes, wo die Exportquote bei 49,6 % liegt. Die Auslandsmärkte sind für die heimische Branche zudem bedeutender als für die Branche auf Bundesebene (59,2 %). Hessen importierte im Jahr 2011 Erzeugnisse der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie im Wert von insgesamt 9,8 Mrd. Euro. Davon entfielen 5,4 Mrd. Euro bzw. 55,4 % auf chemische Erzeugnisse und 4,4 Mrd. Euro bzw. 44,6 % auf pharmazeutische Erzeugnisse. Das bedeutendste Herkunftsland für chemische Erzeugnisse ist mit einem Anteil von 12,7 % Frankreich – fast die Hälfte der Importe aus Frankreich besteht aus Duftstoffen und Körperpflegemitteln. Bei Pharmazeutika führen die USA (25,8 %) die Rangliste an. 12,9 % der gesamten hessischen Einfuhr von Fertigwaren sind chemische und pharmazeutische Produkte.

6

Die Exportquote gibt den Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz an. 11


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

Hessischer Außenhandel1 mit chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen im Jahr 2011 Import2

Export2

in Mio. Euro

Anteil in %

in Mio. Euro

Anteil in %

Chemische Erzeugn.

5.405

55,4

Chemische Erzeugn.

8.126

56,2

Pharmazeutische Erzeugn.

4.358

44,6

Pharmazeutische Erzeugn.

6.339

43,8

Insgesamt

9.763

100,0

14.465

100,0

Insgesamt

wichtigste Handelspartner CHEMIE Frankreich

687

12,7

Frankreich

695

8,6

USA

617

11,4

Italien

558

6,9

Vereinigtes Königreich

514

9,5

Belgien

475

5,8

wichtigste Handelspartner PHARMA USA

1.123

25,8

USA

1.715

27,1

Schweiz

495

11,4

Frankreich

497

7,8

Vereinigtes Königreich

443

10,2

Italien

329

5,2

1 Die Angaben beziehen sich auf Fertigwaren. Über die Fertigwaren hinaus werden zwar auch Halbwaren, d.h. Erzeugnisse, die erst verhältnismäßig gering bearbeitet sind, sowie Rohstoffe gehandelt. Bei diesen Warengruppen ist eine Zuordnung zu einem bestimmten Wirtschaftszweig jedoch kaum möglich. 2 Import und Export werden auf Bundesländerebene nach zwei unterschiedlichen Konzepten (General- bzw. Spezialhandel) erfasst. Eine Saldierung der Ein- und Ausfuhrwerte ist deshalb nicht statthaft. Quelle: HSL, Berechnungen der Hessen Agentur.

Im Gegenzug exportierte Hessen chemische und pharmazeutische Güter im Wert von 14,5 Mrd. Euro (56,2 % chemische Erzeugnisse und 43,8 % Pharma). Wichtigster Absatzmarkt für chemische Produkte ist Frankreich. Der mit großem Abstand bedeutendste Auslandmarkt für die heimische Pharmaindustrie sind die USA: Insgesamt gesehen bestehen 22,1 % der exportierten Fertigwaren aus chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen, womit diese Hessens „Exportschlager“ schlechthin sind. Der Anteil dieser Güter an der hessischen Ausfuhr ist damit doppelt so hoch wie der an den Einfuhren. Auch die Direktinvestitionen7 sind ein wichtiger Indikator für die internationale Verflechtung einer Branche. Die hessische Chemische und Pharmazeutische Industrie investiert in beachtlichem Ausmaße im Ausland und ist im Gegenzug auch attraktiv für ausländische Investoren. So addierte sich der Direktinvestitionsbestand der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie Hessens im Ausland zum Jahresende 7

12

Eine Direktinvestition ist eine grenzüberschreitende Investition, mit dem Ziel des Investors, eine dauerhafte (Kapital-) Beteiligung an einem Unternehmen im Ausland herzustellen. Zu beachten ist, dass Direktinvestitionen zunächst nur Kapitalbewegungen zwischen In- und Ausland widerspiegeln, d.h. es können unmittelbar weder die Motive des Investors daraus abgeleitet werden noch können z.B. Fragen, inwieweit Direktinvestitionen Realkapital schaffen oder zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen, beantwortet werden. Datenquelle der (vorläufigen) Angaben zu Direktinvestitionen ist die Deutsche Bundesbank.


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2010 auf 9,4 Mrd. Euro, was der Hälfte des Direktinvestitionsbestands des gesamten hessischen Verarbeitenden Gewerbes im Ausland entspricht. Obgleich knapp zwei Drittel der Direktinvestitionen auf Europa entfallen – hierunter die Schweiz mit 2,3 Mrd. Euro –, ist die hessische Chemische und Pharmazeutische Industrie doch auf allen Kontinenten mit Investitionen präsent. Im Gegenzug waren zum Jahresende 2010 ausländische Investoren mit einem Betrag von 7,5 Mrd. Euro an der Branche in Hessen beteiligt. Damit entfällt etwa ein Fünftel aller ausländischen Direktinvestitionen, die in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie investiert sind, auf Hessen. Sie ist der mit großem Abstand wichtigste Investitionsbereich für ausländische Investoren im hessischen Verarbeitenden Gewerbe. Der Blick auf die Eigentumsverhältnisse bedeutender Unternehmen der Branche in Hessen unterstreicht die Internationalität der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie, wobei die zum Teil komplexen Unternehmensverflechtungen bisweilen eine eindeutige Aussage erschweren. Zu dieser Betrachtungsweise des investiven Engagements in der nachfolgenden Tabelle tritt, wie bereits erwähnt, noch die Gegenrichtung: Zahlreiche Unternehmen der heimischen Chemischen und Pharmazeutischen Industrie sind im Ausland aktiv und unterhalten dort z.B. Produktionsstätten. Eigentumsverhältnisse bedeutender Unternehmen der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in Hessen Name

Konzernmutter

Sitz Unternehmen bzw. Sitz Konzernmutter

Abbott GmbH & Co. KG

Abbott Laboratories

USA

AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG

AbbVie Inc.

USA

Agfa-Gevaert Graphic Systems GmbH

Agfa-Gevaert N.V.

Belgien

Allessa GmbH

Cassella GmbH (Familienbesitz)

Deutschland

Alpina Farben GmbH, Alsecco GmbH, CAPAROL Farben Lacke Bautenschutz GmbH

Deutsche Amphibolin-Werke von Robert Murjahn Stiftung & Co. KG (Familienbesitz)

Deutschland

B.Braun Melsungen AG

Familienbesitz

Deutschland

Bayer CropScience AG

Bayer AG (börsennotiert)

Deutschland

Biotest AG

börsennotiert, mehrheitlich Familienbesitz

Deutschland

Basell Polyolefine GmbH

LyondellBasell Industries N.V.

Niederlande

BASF Lampertheim GmbH

BASF SE (börsennotiert)

Deutschland

Celanese Gruppe

Celanese Corp.

USA

Clariant Gruppe

Clariant AG

Schweiz

ContiTech Techno-Chemie GmbH

Continental Konzern (börsennotiert)

Deutschland

CSL Behring GmbH

CSL Ltd.

Australien

Evonik Degussa GmbH

Evonik Industries AG (75 % RAGStiftung, 25 % CVC Capital Partners)

Deutschland / Luxemburg

Fresenius SE & Co. KGaA

börsennotiert, mehrheitlich Else-KrönerFresenius-Stiftung / Familienbesitz

Deutschland

13


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

Eigentumsverhältnisse bedeutender Unternehmen der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in Hessen (Fortsetzung) Name

Konzernmutter

Sitz Unternehmen bzw. Sitz Konzernmutter

Hartmann Druckfarben GmbH

SunChemical Corp.

USA

K+S Gruppe

börsennotiert

Deutschland

Kalle GmbH

mehrheitlich Silverfleet Capital Partners LLP

Vereinigtes Königreich

Lilly Deutschland GmbH

Eli Lilly and Company

USA

Merck KGaA

börsennotiert, mehrheitlich Familienbesitz

Deutschland

Merz Gruppe

Familienbesitz

Deutschland

Mitsubishi Polyester Film GmbH

Mitsubishi Chemical Holdings Corp.

Japan

Mundipharma GmbH

mehrheitlich Familienbesitz

USA

Novartis Vaccines and Diagnostics GmbH

Novartis AG

Schweiz

Performance Fibers GmbH

Performance Fibers Holdings Inc.

USA

Procter & Gamble

Procter & Gamble Corp.

USA

Sandoz Industrial Products GmbH

Novartis AG

Schweiz

Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

Sanofi-Aventis S.A.

Frankreich

SE Tylose GmbH & Co. KG

Shin-Etsu Chemical Co. Ltd.

Japan

SGL Carbon SE

börsennotiert

Deutschland

Siemens Healthcare Diagnostics Products GmbH

Siemens AG (börsennotiert)

Deutschland

Stada Arzneimittel AG

börsennotiert

Deutschland

Styrolution Group GmbH

Gemeinschaftsunternehmen der BASF SE (börsennotiert) und der INEOS Group Ltd.

Deutschland / Vereinigtes Königreich

Ticona GmbH

Celanese Corp.

USA

Umicore AG & Co. KG

n.v. Umicore S.A.

Belgien

Quelle: Recherchen der Hessen Agentur.

Forschung und Entwicklung Der Forschung und Entwicklung (FuE) kommt eine wesentliche Rolle zu, denn Produkt- und Prozessinnovationen sind von entscheidender Bedeutung, um sich im nationalen und internationalen Wettbewerb behaupten zu können. Gemäß den Angaben des Stifterverbandes Wissenschaftsstatistik hat die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen im Jahr 2009 2,0 Mrd. Euro für Forschung und Entwicklung aufgewendet.8 Somit entfallen 49,3 % der FuE-Aufwendungen des hessischen Verarbeitenden Gewerbes auf die hiesige Chemische und Pharmazeutische Industrie und diese stellt mit 28,3 % den größten Anteil aller Bundesländer an FuE8

14

Hierbei handelt es sich nur um die so genannten internen FuE-Aufwendungen – d.h. Aufwendungen innerhalb des Unternehmens –, die den überwiegenden Teil der gesamten FuE-Aufwendungen ausmachen. Externe FuE-Aufwendungen sind Aufträge an andere Forschungsinstitutionen.


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Aufwendungen der Branche in Deutschland insgesamt. Auffallend hoch ist dabei der Anteil der Pharmaforschung an den FuE-Aufwendungen der Branche in Hessen: 79 % bzw. 1,6 Mrd. Euro. In Deutschland liegt dieser Anteil lediglich bei 55 %, worin sich die große Bedeutung der Pharmaindustrie in Hessen widerspiegelt. Wie aus einer Untersuchung9 im Auftrag des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) hervorgeht, übernimmt die Chemische Industrie – als Lieferant von innovativen Materialien für den produzierenden Sektor – für viele Industriezweige einen erheblichen Teil der Forschungsarbeit und ist zudem ein Impulsgeber für Innovationen in ihren Kundenbranchen: 15 % aller branchenübergreifenden FuE-Vorleistungen im Produktionssektor stammen aus der Chemieindustrie. Wichtigster Nutzer der von der Chemie ausgehenden Innovationsimpulse ist die Automobilindustrie. In Hessen sind fünf hoch spezialisierte Regionen im Bereich Chemie und Pharma zu erkennen, in denen die Forschung und Entwicklung eine wichtige Rolle spielt: • Frankfurt: Industriepark Frankfurt-Höchst und Industriepark Griesheim Allein bei Sanofi am Standort Frankfurt sind gut 1.100 Mitarbeiter mit Forschung und Entwicklung beschäftigt. Sie konzentrieren sich auf StoffwechselErkrankungen wie Diabetes (der Industriepark Höchst ist weltweit größter Produktionsstandort von Insulin), Herz-Kreislauf-Krankheiten sowie thrombotische Erkrankungen. • Region Darmstadt Der Stammsitz Darmstadt der Merck-Gruppe ist zugleich der wichtigste Produktions- und Forschungsstandort. Hier sind die chemische und die präklinische Forschung, die zentrale Verfahrensentwicklung, die Analytik sowie Einheiten zur klinischen Entwicklung von Arzneimitteln konzentriert – zum Teil in einem Mitte 2010 neu eröffneten Chemie-Forschungszentrum. • Region Wiesbaden (einschl. Industriepark Kalle-Albert) Schwerpunkt: Chemie und Pharma • Hanau: Industriepark Wolfgang Schwerpunkt: u.a. Spezial- und Feinchemie Hanau ist der weltweit größte Forschungsstandort im Geschäftsfeld Chemie der Evonik Gruppe. • Pharmaserv Marburg (Behringwerke) Schwerpunkt: Biotechnologie und Pharma 9

Vgl. ZEW (Hrsg.), Innovationsmotor Chemie 2009: FuE-Potenziale und Standortwettbewerb, Mannheim und Hannover 2009, S. 21ff. Die Ausführungen in diesem Absatz beziehen sich ausschließlich auf die Chemische Industrie – ohne die Pharmazeutische Industrie. 15


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

Zu den wichtigsten Forschungseinrichtungen in Hessen, die im Bereich Pharma und Chemie tätig sind, zählen: • Universitätsklinikum Gießen und Marburg sowie Universitätsklinikum Frankfurt • vier Max-Planck-Institute: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt • Paul-Ehrlich-Institut in Langen (Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel) • Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) in Gießen • Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) • Karl-Winnacker-Institut der DECHEMA e.V. in Frankfurt • Zentrum für Arzneimittelforschung, Entwicklung und Sicherheit (ZAFES) in Frankfurt • Georg-Speyer-Haus in Frankfurt • Institut für Biologischen Pflanzenschutz in Darmstadt (Institut des Julius KühnInstituts – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen) • Center for Interdisciplinary Nanostructure Science and Technology – CINSaT in Kassel Nicht zuletzt wird auch direkt an den hessischen Hochschulen eine breite Palette von chemie- und pharmarelevanten Forschungsthemen an den entsprechenden Fachbereichen u.a. im Rahmen verschiedener Sonderforschungsbereiche, Graduiertenkollegs und Forschergruppen bearbeitet – sei es an der TU Darmstadt, den Universitäten Gießen, Marburg und Frankfurt oder an der Hochschule. Häufig findet die Forschung in Kooperation mit Unternehmen statt. Hierzu steht modernste Infrastruktur zur Verfügung, wie ein Beispiel aus Marburg zeigt: Im dortigen Hochsicherheitslabor (BSL-4-Labor) Philipps-Universität werden gefährliche Viren erforscht, um neue Diagnosemethoden, Impfstoffe und Therapien zu entwickeln. Vergleichbare Einrichtungen gibt es gegenwärtig in Europa nur in Lyon und Stockholm. Mit dem neu gebauten Zentrum für Tumor- und Immunbiologie (ZTI) werden der Forschung in Mittelhessen weitere Impulse verliehen. Dort sollen im Laufe des Jahres 2013 16


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mehr als 20 Arbeitsgruppen aus den Bereichen Tumor-, Immun- und molekulare Zellbiologie zusammengeführt werden. Besonders FuE-intensiv ist die Biotechnologie, die als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts angesehen wird. Die Bandbreite der in Hessen ansässigen Unternehmen dieser Branche reicht von großen Unternehmen der Life Sciences Industrie bis hin zu kleinen, hoch spezialisierten und meist jungen Nischenanbietern. Mit der Biotechnologie werden große Hoffnungen auch als Wirtschaftsfaktor verbunden. Entsprechend intensiv sind in Deutschland die Anstrengungen der einzelnen Bundesländer, sich als Standorte der Biotechnologie zu empfehlen und den Unternehmen der Branche ansprechende Rahmenbedingungen zu bieten. Ein herausragendes Projekt in diesem Zusammenhang ist das Frankfurter Innovationszentrum Biotechnologie (FIZ), das im Jahr 2012 bereits sein 10-jähriges Bestehen feiern konnte – und Anfang 2013 seine Fläche um ein weiteres Mal erweitert. Die wirtschaftliche Bedeutung der Biotechnologie in Hessen verdeutlicht eine Studie der Aktionslinie HessenBiotech im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung aus dem Jahr 2009.10 Die Untersuchung hat 225 hessische Biotechnologie-Unternehmen ermittelt. Hiervon zählen 59 Unternehmen zu den so genannten Kern-Biotech-Unternehmen, d.h. Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit vorrangig auf Basis biotechnologischer Methoden betreiben und damit mehr als 75 % des Umsatzes erzielen. Die hessischen Biotechnologie-Unternehmen erwirtschaften einen Umsatz von 5,2 Mrd. Euro und beschäftigen 19.500 Mitarbeiter. Die Biotechnologie in Hessen ist geprägt durch die rote oder auch medizinische Biotechnologie: Gut 80 % des hessischen Biotechnologieumsatzes entfallen auf dieses Segment der Biotechnologie. Als Schrittmacher für die Biotechnologie-Region Rhein-Main versteht sich die Frankfurt Bio Tech Alliance: Mitglieder sind neben Großunternehmen und Mittelständlern u.a. auch Start-ups, Beratungsunternehmen und Hochschulen. Speziell der weißen Biotechnologie widmet sich der Cluster Integrierte Bioindustrie (CIB) Frankfurt, der das Ziel hat, die weiße Biotechnologie in Hessen zu etablieren – mit dem Fokus auf die Fein- und Spezialchemie. Dabei wird Wissenschaft und Wirtschaft vernetzt und zur Kooperation aufgerufen. CIB Frankfurt unterstützt diese Aktivitäten mit Kommunikationsplattformen, Know-how und Fördermitteln. Auch mit der Aktionslinie Hessen-Biotech des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung bekommen die hessischen Unternehmen und Existenzgründer aus dem Bereich Biotechnologie/Life Sciences Rückenwind: Die Branche wird durch eine Bündelung und Koordinierung der hessischen BiotechAktivitäten unterstützt und durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit gefördert. Der Kompetenzatlas auf dem Hessenbiotech Internetportal (www.hessen-biotech.de) gibt einen Einblick in das Leistungsvermögen der hessischen Biotechnologie – von der Forschung und Entwicklung über Anlagenbau und Auftragsproduktion bis hin zu Beratung, klinischer Forschung, Marketing und Produktion.

In Hessen haben sich auch verschiedene Clusternetzwerke gegründet, deren Ziel es u.a. ist, die Entwicklung neuer Technologien zu fördern und die Kooperation sowie den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Industrie zu erleichtern. Im Bereich der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie sind u.a. zu nennen: Cluster Integrierte Bioindustrie Frankfurt (CIB Frankfurt), rhein-main-cluster Chemie & Pharma, Initiative gesundheitswirtschaft rhein-main, timm – Technologie & Innovation Medizinregion Mittelhessen und nicht zuletzt das Spitzencluster Chemie Cluster für Individualisierte ImmunIntervention (CI3).

10 Vgl. HA Hessen Agentur GmbH (Hrsg.): Biotechnologie in Hessen – Standortstudie 2009: Daten und Fakten zur wirtschaftlichen Bedeutung der Biotechnologie in Hessen, Wiesbaden 2009. 17


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

Ausbildung Nicht nur die Forschung und Entwicklung, sondern auch die Ausbildungslandschaft ist für die Branche von großer Bedeutung. 5.706 Studierende waren in Hessen im Wintersemester 2011/12 in den Fächern Chemie und Pharmazie eingeschrieben – gut 300 mehr als noch ein Jahr zuvor. Im Prüfungsjahr 2011 legten 588 Studierende ihre Abschlussprüfungen erfolgreich ab. Die Hochschulausbildung in der Chemie hat in Hessen eine sehr lange Tradition: So verfügt Hessen mit der Philipps-Universität Marburg über eine Einrichtung, in der 1609 die weltweit erste Professur für Chemie eingerichtet wurde. Doch nicht nur dort wird Chemie und Pharmazie gelehrt, sondern auch an der Universität Frankfurt sowie Chemie an den Universitäten Gießen und Darmstadt. Das Studienangebot wird ergänzt durch eher ingenieurwissenschaftlich ausgerichtete Angebote der Fachhochschulen wie z.B. Chemische Technologie der FH Darmstadt. Vor dem Hintergrund der weiter an Bedeutung gewinnenden Biotechnologie ist ferner die Biologieausbildung anzuführen: 5.198 Studierende der Biologie zählten die hessischen Hochschulen im Wintersemester 2011/12; 765 absolvierten im Prüfungsjahr 2011 ihre Ausbildung erfolgreich. Fachausbildung Chemie und Pharmazie in Hessen Anzahl Studierende im WS 2011/12 davon: Chemie

3.908

Pharmazie

1.798

Biologie

5.198

Absolventen (Diplom, Master und Bachelor) im Prüfungsjahr 2011 davon:

1.353

Chemie

355

Pharmazie

233

Biologie

765

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in beruflicher Ausbildung in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie zum 31.12.2011

1.649

Auszubildende in chemie- und pharmazierelevanten Berufen* 2011 davon:

1.563

Chemieberufe (einschließlich Pharmakant)

581

Technische Sonderfachkräfte Chemie

674

Technische Sonderfachkräfte Biologie

260

Technische Sonderfachkräfte (Werk)stoffprüfung * Gruppen 14, 15, 6311, 6323, 6330, 6331 und 6334 der Ausbildungsstatistik. Quelle: HSL, Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

18

10.904

48


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Über die Hochschulausbildung hinaus ist auch die betriebliche Ausbildung von Belang: 1.649 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in beruflicher Ausbildung (Auszubildende) zählten die hessischen Betriebe der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie zum Jahresende 2011.11 Wird die Ausbildungsstatistik nach Berufen herangezogen, so wurden im Jahr 2011 in Hessen 1.563 Personen in chemierelevanten Berufen ausgebildet.12

Ausblick Veränderungen der Unternehmenslandschaft der hessischen Chemischen und Pharmazeutischen Industrie in den Dimensionen von Altana – Verkauf der Pharmasparte und Verlegung des Unternehmenssitzes nach Wesel in Nordrhein-Westfalen – und Linde – nach Kauf der britischen BOC Group und Verkauf der Gabelstaplersparte Verlegung des Unternehmenssitzes nach München – haben in Hessen in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr stattgefunden. Die Beispiele Merck und Styrolution zeigen jedoch, dass die Branche weiterhin in Bewegung ist: So hat Merck unlängst sein Crop-Bio-Science Geschäft verkauft, da es nur wenige Anknüpfungspunkte zu dem übrigen Produktportfolio von Merck hatte. Gekauft wurde hingegen der US-Laborausrüster Millipore, der unter dem Namen Merck Millipore eingegliedert wurde. Styrolution, seit Oktober 2011 als eigenständiges Unternehmen am Markt, ist ein Joint-Venture zwischen BASF und dem britischen Unternehmen INEOS, in dem wesentliche Styrolgeschäftsaktivitäten zusammengeführt wurden. Sowohl die Unternehmenszentrale von Styrolution als auch die Hauptverwaltung für Europa sind in Frankfurt am Main ansässig. Auch zukünftig ist mit Veränderungen in der Branche und deren Rückwirkungen (z.B. auf den hessischen Arbeitsmarkt) zu rechnen: So lässt die hohe Wettbewerbsintensität – und speziell im Pharmabereich zudem der Spardruck im Gesundheitswesen, der nicht zuletzt einen Trend zu preiswerten, generischen Arzneimitteln bewirkt – die Unternehmen fortwährend nach Kostensenkungspotenzialen suchen. Zugleich erfordert der intensive Wettbewerb hohe Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, um sich mit innovativen Produkten und verbesserten Produktionsverfahren am Markt behaupten zu können. Die Fokussierung auf die Kernkompetenzen durch Abspaltung von Randaktivitäten und Ausgliederung von Dienstleistungen, um dann durch Wachstum in diesen Kernkompetenzen zu den wichtigsten Anbietern zu 11 Diese Angaben spiegeln allerdings die Bedeutung der Branche als Ausbildungsplatzanbieter nicht vollständig wider, da insbesondere zahlreiche der Unternehmen im Industriepark Höchst ihre Auszubildenden bei der ebenfalls dort ansässigen Provadis Partner für Bildung und Beratung GmbH ausbilden lassen. Dieses Unternehmen zählt wirtschaftszweigsystematisch jedoch nicht zur Chemischen und Pharmazeutischen Industrie, sondern zum Dienstleistungssektor. 12 Nach dem Berufsbildungsgesetz wird Berufsausbildung vielfach nach der Art des Ausbildungsberufs und nicht nach der Zugehörigkeit des Ausbildungsbetriebs zu einem bestimmten Wirtschaftsbereich unterschieden. Daher deckt sich die Gliederung der Ausbildungsbereiche nicht mit der Wirtschaftsgliederung nach der Systematik der Wirtschaftszweige. 19


Branchenprofil Chemische u. Pharmazeutische Industrie in Hessen

gehören, ist eine Strategie, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Das Wachstum wird durch Zukäufe im In- und Ausland wie auch durch organisches Wachstum und verstärkte Innovationstätigkeit realisiert. Dabei ist auch die Verlagerung von Arbeitsplätzen der Forschung und Entwicklung in andere Länder keineswegs ausgeschlossen, wie die Neustrukturierung der Forschung und Entwicklung bei Sanofi zeigt. Vermehrte Forschungs- und Produktentwicklungskooperationen sind ebenfalls eine Konsequenz dieser Entwicklung – ein Trend, der mit dem beabsichtigten „House of Pharma“ in Frankfurt aufgegriffen wird. Kehrseite der erheblichen Produktivitätszunahmen, die die Branche erzielen konnte, ist ein Rückgang der Beschäftigung. Besonders ausgeprägt stellt sich der Wettbewerb bei Grundchemikalien dar, welche in großen Anlagen hergestellt nahezu überall auf der Welt erhältlich sind. Der Preis und die Lieferfähigkeit sind hier die maßgeblichen Wettbewerbsparameter. Hingegen sind Fein- und Spezialchemikalien – seien es Klebstoffe, Additive, Lacke, Farben, Duftstoffe o. ä. – diesem Wettbewerbsdruck weniger ausgesetzt und werden zugleich als Wegbereiter für neue Anwendungsgebiete der Chemie angesehen. Die Chemieindustrie in Hessen ist diesbezüglich gut positioniert, der Anteil der Herstellung von Grundchemikalien ist deutlich niedriger als im Bundesdurchschnitt. Hessen wird sicherlich auch weiterhin Standort der Grundstoffindustrie bleiben, wie nicht zuletzt die erheblichen Investitionen von Akzo Nobel in die Modernisierung der Produktion im Industriepark Höchst zeigen. Durch diese Verbundstruktur mit anderen Unternehmen der Branche verfügen die hiesigen Grundstoffhersteller über Standortvorteile gegenüber Importeuren. Wachstumsimpulse werden von der Grundstoffindustrie allerdings kaum ausgehen. Erhebliche Zukunftspotenziale für die Branche werden auch mit der Nanotechnologie, der rasant wachsenden Biotechnologie und dem Einsatz nachwachsender Rohstoffe verbunden. Der Chemischen Industrie kommt bei der Nanotechnologie eine tragende Rolle als Lieferant von Nanomaterialien (z.B. Pigmente und Additive) und als Hersteller von Komponenten (bspw. modifizierte Kunststoffe und Lacke) zu. Diese Erzeugnisse der Chemischen Industrie finden aufgrund ihrer Vielfältigkeit bereits heute in zahlreichen Branchen Verwendung – mit stark steigender Tendenz. Auch mit dem Markt für Biotechnologie-Produkte werden erhebliche Wachstumsraten verbunden, ja bisweilen von einer Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts gesprochen. Das weite Feld der nachwachsenden Rohstoffe ist ebenfalls zu nennen: Nach wie vor sind fossile Energieträger die wichtigsten Rohstoffe der Branche, während nachwachsenden Rohstoffen nur eine untergeordnete Rolle zukommt. Angesichts der Entwicklung bspw. des Rohölpreises kommt der Sicherung kostengünstiger Rohstoffe für die heimische Branche eine zunehmende Bedeutung zu. Mit dem höheren Stellenwert von Aspekten der Nachhaltigkeit dürfte aber auch der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen – erleichtert bzw. teilweise erst ermöglicht durch

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neue Produktionsprozesse der weißen Biotechnologie – in der Chemischen und Pharmazeutischen Industrie zukünftig an Relevanz gewinnen. Innovationen (nicht nur) in diesen Feldern sind für die Schaffung wettbewerbsfähiger Produkte und damit zukunftssicherer Arbeitsplätze auch unbedingt erforderlich, denn in den Markt drängen seit einigen Jahren verstärkt neue Wettbewerber insbesondere aus Asien. So ist die Volksrepublik China anzuführen, die binnen weniger Jahre zum größten Chemieproduzent der Welt aufgestiegen ist. Speziell im Pharmabereich ist z.B. an Generika-Hersteller aus Indien zu denken. Aber auch der Nahe Osten ist zu nennen, wo Produktionskapazitäten für chemische Erzeugnisse dadurch entstehen, dass dortige rohöl- oder erdgasbasierte Unternehmen ihre Fertigungstiefe durch vertikale Integration erweitern. Für Innovationen stellt die Sicherung der Fachkräftebasis eine zentrale Voraussetzung dar. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels werden die Anstrengungen von Politik und Wirtschaft vor allen Dingen im so genannten MINT-Bereich für die Chemische und Pharmazeutische Industrie in Hessen besonders wichtig sein. Es eröffnen sich für die traditionell stark exportorientierte hessische Chemie und Pharmazie aber auch neue Absatzmärkte. So steigt z.B. in der VR China der Bedarf an hochwertigen Erzeugnissen der Spezialchemie, die zum Teil auch aus Hessen importiert werden. Auch die neuen EU-Mitglieder importieren in beachtlichem Ausmaße Erzeugnisse der hessischen Chemischen und Pharmazeutischen Industrie. Insgesamt gesehen ist eine Verschiebung der Dynamik und der Produktionszentren zugunsten der aufstrebenden Schwellenländer zu konstatieren, in der die Produktion und die Nachfrage wesentlich stärker steigen als in den Industrienationen. Diese Entwicklung schlägt sich sowohl in den Exporten als auch in entsprechenden Auslandsinvestitionen der heimischen Branche in diesen Märkten nieder.

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