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edition werdstrasse
Impressum Herausgeber: edition werdstrasse Redaktion: wir alle Lektorat: einige Illustrationen: Du, Felix Schaad, Markus Roesch Bilder: Von überall her, Deinem Büro, Oeschgi, Baron, Bossi und Birri Gestaltung und Satz: Atelier Hildbrand Lithos: Viktor Jeker Druck: Kromer Print AG, Lenzburg Erste Auflage: 10 – 31. Juli 2014 Copyright 2014 edition werdstrasse
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Seitenblicke aus 38 Jahren
Trotz all deiner Meriten als Journalist und Goalie schätze ich dich vor allem als Menschen. Don Alfredo, eine Anrede, wie sie perfekt zu einem Menschen wie Dich passt. Ich war tief beeindruckt. Von diesem Menschen wollte ich lernen. Was mir an Ihnen immer gefallen hat, ist Ihr Charisma. Wahrscheinlich war es aber eher Fredys Karma. Er hat eine Art, die mir gut tut. Der melancholische Liebhaber, der um die Unwiederbringlichkeit jedes Augenblicks, jedes Spielzugs, jeder Gefühlsregung weiss. Ich lernte von ihm, den Zweifel zu lieben. Gratulation für deinen Stil, dein Gespür für das Wesentliche und deine künstlerische Feinfühligkeit. Und dieses Vertrauen – es ist von Dir nie missbraucht worden. Nicht nur Virtuose auf der Schreibmaschine, auch ein Virtuose zwischen Wissen und Verschweigen. Auch mit Dir wird an unserer Zeitung eine Ära zu Ende gehen! Und fw. zeichnete, verwarf, zeichnete nochmals, nahm jede Idee auf, steckte mit seinem Enthusiasmus, der keine Fristen kannte, die Kollegen an. Der Tagi-Sportchef, der in seinem Reich sitzt, umgeben von seinem Archiv und unzähligen Memorabilien Diskussionen, befruchtend, belastend, beflügelnd, befangen, befreiend. fw. gehörte von Beginn weg zu den prägenden Figuren der fliegenden Journalisten. Du hast den Überblick, einen beneidenswerten Verstand, bewegst soviel. Er blieb lange, sehr lange, und er beschloss eines Tages, lebenslang zu bleiben. Es ist kein Beruf, es ist das Leben Fredy, das klingt kollegial, optimistisch, sympathisch. So warst Du als Chef. ER hatte uns gelesen. Und erst noch: IHM gefiel, was er gelesen hatte! Ich war stolz, dass der «grosse» Schweizer Sportjournalist sich für den «kleinen» Jus-Studenten interessierte. Du fluchst nicht ein einziges Mal. Ist halt so. Auf den Badetüchern liegend planten wir schwitzend die Zeitung der Zukunft. Wir rochen alle gleich, und wir tickten auch alle gleich. Erinnerst Du Dich an unseren verhassten Begleiter namens Scrib? Wenn wir jeweils ankamen, waren die ausländischen Zeitungen bereits ausgeweidet.
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Du warst ein Chef ohne Dünkel, mehr Kumpel als Vorgesetzter. Du skizziertest auf einer Serviette meine Einkommensmöglichkeiten mit dem vereinbarten Fixum. Ein Problem lösen oder eine Sorge teilen? Du greifst zum Hörer. Wichtiger war unser gemeinsamer Coiffeur. Weder bei Rot-Blau noch bei Blau-Weiss, sondern neben Euch. fw. ist einer der ersten, der mit den kleinen Wundergeräten ins Büro kommt. Muss auch noch den Tagi-Liveticker betreuen Du bist begeistert, als wäre Bruce da. Welch schönes Verständnis von Vernunft, lieber Fredy! Italien verlor das Spiel. Ich aber gewann mit Fredy einen liebenswerten Freund und Kollegen. Du hast eine Gabe, die vermutlich eine Seltenheit ist in diesem Geschäft. Doch reicht ein Episödeli, um fw., diesem sanften Poeten, diesem stillen Beobachter überhaupt gerecht zu werden? Vielleicht war es der Moment, in dem er sich sagen musste, dass es falsch war, nicht Fussballprofi zu werden. Was immer er dort vor dem Kasten tat, es hatte die gleiche Qualität, wie was er schrieb: es perlte. «Was wo läuft im Sport, wissen Sie immer!» Ein Nein hätte nicht aufs Lob gereimt, hätte irgendwie schnöde gewirkt. Galt es, die Spesen für Flug und Hotel zu rechtfertigen? Du wolltest dabei sein. Jetzt können wir es ja zugeben: Du warst sicher gedopt. Es war ein toller Trip. So nahe am Spielfeldrand ist er seither nie mehr gewesen. «An diesem Tisch möchte ich am Morgen frühstücken. Reservieren bitte!» Wo immer Fredy mit seinem kargen Haarschnitt und seinem Charme in Erscheinung tritt, da ist er Mittelpunkt, da will er dies sein. Er ist Trainer, Manager und Politiker der alten Schule in einem Der Herr Wettstein war unser erklärter Liebling. fw. den Freudentränen näher als Drmic dem Torerfolg. Es ist ein Jammer! Der Tagi ohne dich und ohne deine Sätze! Du warst immer da. Für alle.
schl. jc. sis. ggs. wie. adc. phm. de. djp. sul. tn. uhl. ws. ebi. dw. bos. fbi. gt. gw. sg. rha. kai. liv. pmb. ur. hw. spy. dr. rst. can. ukä. cb. clb. abb. atr. ths. jh. lav. kök. pes. mb. meh. sfr. om. pb. vög. rig. zog. gf. kla. be. ure. thw. bb. mos.
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He! Martin Born über die schönsten Zeiten, als der FC Tagi in der Blüte stand Am Ende war das Wort. Bestehend aus zwei Buchstaben, wobei sich der zweite beliebig oft wieder holen konnte. Heeee! Oder gar Heeeeee! Und in ganz schlimmen Fällen Heeeeeeeeeeeeeeeee! Es ist selten, dass man Fredy schreien hört. Und doch kam es vor. Manchmal sogar mehrmals innerhalb kurzer Zeit. Wenn er Elsener war oder doch eher Berbig und beim FC Tagi im Tor stand. Das Heeeeeeeeeeee ertönte, wenn wir ein Tor kassierten und wir sanft darauf aufmerksam gemacht werden mussten, dass mindestens einer von uns tapferen Verteidigern etwas falsch gemacht hatte. Am längsten war das Heeeeeeeeeeee – ungekürzt würde es über drei Zeilen laufen – wenn dem Goalie bewusst wurde,
dass möglicherweise auch er etwas nicht ganz richtig gemacht haben könnte. Daneben gegriffen zum Beispiel. Es waren grosse und schöne Zeiten, als der FC Tagi in der Blüte stand. Es gab denkwürdige Spiele mit einem Wettstein, der sich für höchste Aufgaben empfahl. In bester Erinnerung geblieben ist ein Cupspiel (war es schon der Halbfinal?) gegen Zellweger in Uster. Luzi Stamm hatte die Linsen vergessen und sprang um Meter neben die Bälle. Urs Ritschard war plötzlich auf seinen ohnehin schon lädierten Knien und suchte seine Linsen im Gras. Tognoni war Tognoni, und Fredy im Tor hielt alles. Er flog und flog und hielt und hielt und nur einmal kam ein Heeeee. Wir gewannen 2:1. Und
vielleicht war es der Moment, in dem er sich sagen musste, dass es falsch war, nicht Fussballprofi zu werden. Für mich war es besser so. Und auch wenn wir uns einmal für elf Jahre trennten, weil ich zum «Sport» ging und er im letzten Moment doch nicht, harmonierten wir in all den Jahren seit Juli 1978, als ich beim Tagi-Sport Hegi ersetzte, schon fast perfekt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es eine Situation gab, in der ein Heeeeeeee ertönte. Wir wüteten, hatten so viel Platz, wie wir wollten, pflegten neben dem Harten vor allem auch das Weiche, und das in jeder Form. Wer in Tagis der 70er-Jahre blättert, erkennt das Weiche an der kursiven Schrift. Guguus nannten wir es auch.
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Wegweisend war der Wahlkampf, als es darum ging, den Nachfolger von spy. als Ressort-Dienstchef zu wählen. So hiess das damals noch. Die Tagi-Redaktion war eine Basisdemokratie mit autonomen Ressorts, deren Chef keine Weisungsbefugnis hatte und deshalb Ressort-Dienstchef hiess. Er musste administrieren und erhielt im Monat einen Dubelibonus von 500 Franken. Weil wir uns vor Guidos Ehrgeiz fürchteten, machten wir für uns gegenseitig Wahlkampf. Ich war offensichtlich überzeugender und gewann (möglich dass es Fredy schwerer hatte, weil er meine Zerstreutheit nicht einfach so aus der Welt schaffen konnte). Wenig später wurde der Dienst aus dem Titel gestrichen, und so wurde aus Fredy der Boss. Guido liess sich vom unwiderstehlichen Werben Sepps betören und ging zur Fifa. Im Winter 1984 waren wir auf dem Weg vom Weltcup in Cortina – Zweierbesetzung, was denn sonst – zu den Winterspielen in Sarajevo. In Venedig hielten wir inne, um in feinen Restaurants Kräfte zu tanken. Zwei Tage vielleicht, mehr nicht. Natürlich waren wir seriös und verpassten es nicht, uns per Telefon auf der Redaktion zu melden. Man weiss ja nie. Und dann platzte die Bombe. Der ZSC, der sich wieder einmal aus der Nationalliga A verabschiedet hatte, gab seine neue Führungscrew bekannt. Mit Luzi Stamm als Kassier und Guido Tognoni als TK-Chef. Was er machen solle, fragte uns Urs Ritschard, der Dienst hatte. Gas geben, sagten wir. Und gaben ihm den Tipp, dass irgendwo ein GuidoFöteli mit Hockeyhelm herumliege. Und auch den Titel lieferten wir: Aufsteiger beim Absteiger. Die Folge war ein empörter Guido und ein chefredaktioneller Rüffel für den diensttuenden Redaktor. Uns konnte es nicht stören: Wir genossen den Frieden von Sarajevo.
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OLIVER HEGETSCHWEILER CHRISTOPH FISCH ANDY MÜLLER ANTONIO CASTILLO CLAUDIA BALDAUF MARTINA SNYDR BARBARA BÜRER PETER M. BIRRER URS GRAF GUIDO TOGNONI HARI GÖGL RENÉ HAURI HANSJÖRG SCHIFFERLI CHRISTOPH GRAF ROBERT HÖPOLTSEDER NICOLAS NIKITINE MARTIN SCHMID JÜRG CASANOVA BRIGITTE AMACHER PETER HERZOG UELI KÄGI PETER BÜHLER RENÉ STAUFFER URS RITSCHARD CHRISTIAN ANDIEL CHRISTIAN BRÜNGGER DEBORAH BUCHER KAI MÜLLER STEFAN KUMMER ROLAND JAUCH MARKUS EISENHUT ALEX TRUNZ CHRISTOPHE MARTIN MARKUS HERRMANN KURT FRISCHKNECHT PATRICK FEDERLI WALTER KRUCKER TATJANA HÄNNI MARTIN BORN JAN HIRSCHI DANIEL GERMANN PETER BAUMGARTNER MARKUS SENN THOMAS WYSS FRANK HYDE-ANTWI SARAH RENFER BIANCA SCHIFFERLE THOMAS SCHIFFERLE MARCEL GYR ANDI RÜPPEL ROLF GFELLER KURT HILDBRAND
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WALO DA RIN PHILIPP WYSS WERNER BOSSHARDT SABINE KLAPPER ROBERTO RAVANI TARCISI CADALBERT PETER B. BIRRER MONICA SCHNEIDER SILVAN LERCH DAVID WIEDERKEHR THOMAS NIGGL DANIEL WEHRLE PETER HAAB EMIL BISCHOFBERGER DAVID ESCHLE ALEX KÜHN FLORIAN LEHMANN ISABELLE VAN BEEK SEBASTIAN RIEDER DOMINIQUE EIGENMANN ANNELIES FRIEDLI NADINE FAESSLI TILL GANTENBEIN ANDRÉ BEHR PETER STAUB CHRISTIAN HAUETER DIETER RINGHOFER URS HONAUER REMO VOGELSANGER PHILIPP MUSCHG ANITA SCHNELLMANN BENJAMIN MUSCHG ETIENNE WUILLEMIN MARC VOGELSANGER DAVID SCHWEIZER PETER HEGETSCHWEILER SIMON GRAF SILVAN SCHWEIZER WERNER SCHWEIZER PETER SPYCHER BERNHARD BRUNNER STEFAN OSWALT JEAN-PIERRE COSTA ARIANE HEGETSCHWEILER ANDREAS SCHLUCHTER YVONNE KOHLER SUSANNE VOGELSANGER ROLF EISENHUT ANNA BAUMGARTNER
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Werner Schweizer Die Freude an der Revolution
Es gibt nur wenige, die sich an das Ende der Steinzeit des Umbruchs im TagiSportteil erinnern können. Es waren traurig verschränkte Seiten anfangs der 80er-Jahre, aufgefüllt mit dem Amalgam der kleinen Eigeninserate, wenn es dem Abendredaktor in der Eile nicht aufging. Von einem Layout wagte angesichts der Textwüsten noch niemand zu sprechen. Bei den Winterspielen 1984 von Sarajevo hatte der Tagi ein journalistisches Starensemble am Start. Es war Fredys letztes Rendezvous an der Bobbahn oder an den Pisten, im Gepäck zur Übermittlung die erste Ausgabe des später legendären Olivetti. Im technischen Ausdruck, den die Heimredaktion in diesen olympischen Tagen fabrizierte, erhielt der Tagi damals aber nur eine lederne Medaille. Uns dürstete nach Wiedergutmachung, nach Revanche, nach Revolution gar. An den Sommerspielen im gleichen Jahr in Los Angeles wurde an der Werdstrasse unter
Leitung von fw. alles anders. Er führte den damals streng verbotenen Blockumbruch ein, egal, was die TA-Cheftechniker mit erhobenem Zeigefinger dachten oder auch bemängelten. Der Sport-Umbruch auf der Aufschlagseite wurde zur Kunstform erhoben, wenigstens für zwei Wochen. Die Olympiaberichterstattung hatte eine Struktur und erstmals auch Farbe, am Ende sogar ein Inhaltsverzeichnis. Der Mut zur grosszügigen Illustration setzte sich durch, es gab gar Text mit einem seitenfüllenden Helgen unterlegt, ein fast unfassbarer Wandel. Die Resultate fanden sich gesondert in einer speziellen Rubrik. Nichts mehr wie zuvor Man plante – am Nachmittag zuerst im Santa Lucia am Stauffacher, dann mit den Korrespondenten in Kalifornien. Und fw. zeichnete, verwarf, zeichnete nochmals, nahm jede Idee auf, steckte mit seinem Enthusiasmus, der keine
Fristen kannte, die Kollegen an. Stühli im ersten Stock setzte die endgültigen Vorgaben von fw. um, bastelte noch ohne Computer die kompliziertesten, dann aber umso schöneren Seiten. Es herrschte Aufbruchstimmung. Wir freuten uns auf jeden neuen Olympiatag. Die Revolution ging nicht spurlos am Tagi vorbei. Eines Tag erschien die Inländerin Verena Thalmann im Dienstraum, die sich zuvor noch nie in diesen Trakt verirrt hatte. Sie sagte, sie wolle nur mitteilen, dass sie zum ersten Mal in ihrer TA-Karriere die Sportseiten anschaue und sogar lese. Der Tenor im Haus war derselbe. Nach Los Angeles war nichts mehr wie zuvor. Ein dauerhaftes Zurück zum alten System war unmöglich, auch wenn es von einigen tapferen Bleisoldaten eingefordert wurde. Der Sport spielte formal und inhaltlich eine Vorkämpferrolle auf dem Weg in eine anschaulichere und bessere Zeitung. Und das war allein das Verdienst von fw.
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Peter Hegetschweiler
Stallgeruch
Stallgeruch? Bei Fredy? Ausgerechnet! Mit Pferden, flach, hoch oder dressiert, war doch bei ihm nie was. Und doch. Ich attestiere fw. Stallgeruch. Tagi-Stallgeruch. Der hat sich zwar auch bei ihm in den letzten Jahren – oder besser: im letzten Jahrzehnt – mehr und mehr verflüchtigt. Leider. Und ist spätestens mit der konvergenten TA-Redaktion endgültig verloren gegangen. Selbst modern statt antiquiert formuliert: Tagi-Groove ist heute von gestern. Und nicht nur, weil Fredy jetzt geht. Angenommen hat er das, was ich meine, früh. Und zunächst unfreiwillig. Vor 38 Jahren wars, an den Olympischen Winterspielen im Februar 1976 in Innsbruck. Wir, W.E., hw. und spy., das damalige Dreiergestirn der TA-Sportredaktion, hatte fw. als designierten Nachfolger bewusst in seiner unmittelbaren Nähe einquartiert, im gleichen Hotel. Und weil es eben dort, im Sporthotel Penz, stetig und unnachgiebig nach Pommes-frites-Öl
roch, rochen wir schon nach der ersten Olympia-Woche alle gleich – obwohl Fredy noch für die «ZürichseeZeitung» schrieb. Und wir tickten auch gleich. Von der ersten Minute an, nicht nur in Innsbruck. Die Begeisterung fürs Schreiben, der Enthusiasmus fürs Blattmachen, der Ehrgeiz, in den 70er- und vor allem in den 80er-Jahren zu jenen zu gehören, welche die beste Zeitung der Schweiz machen, nicht nur im Sport, zeichnete uns und, selbstverständlich, viele weitere Kolleginnen und Kollegen aus – über alle Ressortschranken hinweg. Bis in die Chefredaktion. Es war die Zeit, in welcher die TA-Auflage auf über 260 000 Exemplare stieg und der Stellenanzeiger dreimal pro Woche als eigener Bund gedruckt wurde. Fredy hat diese Zeit mitgeprägt. Und mit seiner Persönlichkeit in seinem Ressort dafür gesorgt, dass man das, was ich hier Stallgeruch nenne, genau so gut auch als Teamspirit bezeichnen könnte, so lange er spürbar war.
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Veränderte Tagi-Welt Von New York über die Niagara-Fälle bis zum letzten Montagsprotokoll Ein Protokoll von pb. pb. war 1979 auf einer halbjährigen Reise durch die USA. fw. wollte gerne mal dahin. fw. prüfte, ob es in dieser Zeit in Nordamerika eine Sportveranstaltung gäbe, die für den Tagi-Leser von Interesse sein könnte. fw. wurde fündig. Am 25./26. August 1979 wurde in Montreal der Weltcup der Leichtathleten ausgetragen. Einziger Schweizer Bezug: Ryffel startete über 5000 m für das Team Europa. fw. buchte den Flug nach New York – auf Tagi-Spesen. pb. holte ihn am JFK-Flughafen ab, im offenen Chevrolet Cabriolet fuhren sie nach Montreal. fw. hatte dort das Hotel schon gebucht – auf Tagi-Spesen. fw. und pb. besuchten zusammen den Weltcup. pb. schrieb danach in der «Zürichsee-Zeitung»: «Eine Provinzveranstaltung – der Leichtathletik-Weltcup fand in Kanada kaum Resonanz.» fw. berichtete im Tagi weniger kritisch über den dürftigen Publikumsaufmarsch und die mässigen Leistungen der Athleten. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Moskau habe eben keiner der Stars seine Karten aufdecken wollen. Galt es, die Spesen für Flug und Hotel zu rechtfertigen? fw. und pb. machten sich nach dem langweiligen Wochenende in Montreal auf die Reise, zunächst zu den Niagara-Fällen und dann zurück an die Ostküste für Badeferien nach Virginia Beach – nicht auf Tagi-Spesen. pb. brachte fw. danach zurück nach New York. Beim Abschied waren sie sich einig: «Der Tagi mit seiner grosszügigen Spesenregelung ist einfach ein toller Arbeitgeber.» pb. wechselte konsequenterweise nach absolvierter RingierJournalistenschule zum Tagi. fw. und pb. sind mittlerweile 35 Jahre älter und bald respektive bereits pensioniert. fw. schrieb in einem seiner letzten Protokolle zur Montagsitzung am 13. Mai 2014: «Spesen: Es werden nur Originalbelege akzeptiert. Bei Taxifahrten nach Mitternacht muss die Zeit auf der Quittung stehen. Grundsätzlich muss der ÖV benutzt werden, wenn das nicht geht, bitte gut begründen.»
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Fredy kam, sah und blieb sehr lange sitzen Guido Tognoni
Es war 1978, August. Einige Monate zuvor, bei der EishockeyWeltmeisterschaft in Prag, hatte ich auf Mission als Sportredaktor eine Frau kennengelernt, die ich in jenem August besuchen wollte. Es waren zehn Jahre her, seitdem russische Truppen den Prager Frühling abgewürgt hatten, und da ich im Visumsantrag naiverweise bei der Berufsangabe «Journalist» eingetragen hatte, wurde mir die Einreise in die Tschechoslowakei verweigert. So stand statt einer hoffnungsvollen Auslandreise der Sonntagsdienst auf der Sportredaktion auf dem Programm, das Zusammenstellen der damaligen Bildseite, die jeweils am Montag den Sportbund eröffnete. Der Sonntag war prächtig, und es reichte noch für etwas Sonnenbaden in Küsnacht. Zu den wenigen Leuten, die bereits vor der Mittagszeit in der Küsnachter Badi herumlagen, gehörte eine attraktive junge Dame mit bester Figur, Sonnenbrille und einer Art weisser Baseballmütze, unter der prächtiges Haar herausquellte. Ich entdeckte sie rechtzeitig, um mich ihr höchst unauffällig zu nähern und das Badetuch in
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Sprechdistanz auszubreiten. Diese Sprechdistanz wurde ausgiebig genutzt, das Badetuch rückte bald etwas näher, der Nachmittag hatte sich bestens angelassen. Beneidenswerte Lockenpracht Dann war plötzlich Fredy da. Auch er mit beneidenswerter Lockenpracht und einem keineswegs übertriebenen Fettanteil am Torhüter-Körper. Fredy erkannte mich, aber was er ebenso schnell erkannte, war die Attraktion des Nachmittags. Und Fredy kam, sah und freute sich. Während ich mich Mitte Nachmittag selbst zum Sonntagsdienst abkommandieren und das Badetuch einrollen musste, blieb Fredy auf dem Rasen sitzen. Er blieb lange, sehr lange, und er beschloss eines Tages, lebenslang zu bleiben. Fredy heiratete jene Ruth, die ich für ihn entdeckt hatte. Und ich sollte schliesslich jene Daniela heiraten, die an jenem Wochenende im August 1978 vergeblich auf meinen Besuch gewartet hatte.
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Peter Staub 40 Zeilen für 38 ½-Jahre TA-Sportchef
Eine Episode oder ein gemeinsames Erlebnis. Gerne – es gibt doch genügend davon: kulinarische, musikalische, sportliche, lustige und traurige. Doch reicht das, um fw., diesem sanften Poeten, diesem stillen Beobachter und Zeitzeugen überhaupt gerecht zu werden? Nein. Deshalb eine (absolut unvollständige) Übersicht über das journalistische Wirken von fredyinho (so seinTwitterAccount) aus der weiten und grossen Welt des Sports. Altobelli, Alessandro: «Rossi, Tardelli e Altobelli» jubelte ganz Italien und fw. nach dem WM-Titel 1982. Bickel, Fredy: Momentan oft alleine in Bern, singt Piaf-Lieder. Hören wir einmal ein Duett mit fw.? Canepa, Ancillo: Präsident FC Zürich. Aber. Immer-noch-amliebsten-gerne-Spieler. Wie fw. Del Curto, Arno: In Küsnacht Mitte der 80er Jahre «Bewunderer» der fw.-Eis-Pirouetten. Elber, Giovane: Brasilianischer Torjäger. Bei GC und Bayern München. Mit fw. als Tribünengast. Facchinetti, Gilbert: Schöne Abende in den 80er mit Xamax. Liebenswerter Chef – wie fw. Gress, Gilbert: Früher einst Trainer. «45mal um den Platz – meisterliche Qualen». fw. über die Vorbereitung von GG. Hoeness, Uli: Schwierige Zeiten. Das weiss fw. Darum H auch wie Hitzfeld, Heynckes oder Hodgson. Illgner Bodo: Deutscher Torhüter, Weltmeister 1990. «Notti magiche» in Rom – auch für fw. Jeandupeux, Daniel: Ex-Nationalcoach. Später auf Odyssee. Où est Caen? Nicht wahr, fw.? Klinsmann, Jürgen: Sohn eines Bäckermeisters, grosse Karriere! Enger Bezug zum TA - dank fw. Löw, Jogi: Eigentlich Joachim. Über Nacht «Vom Jogi zum Löw». Wunderbarer Titel von fw. Matthäus, Lothar: «Ich bin süchtig nach Harmonie» - Zitat aus einem Gespräch mit fw. Netzer, Günter: 1973 erster deutscher Spieler in Spanien. Liebt(e) Madrid und den Rotwein – wie fw. Overath, Wolfgang. Holt überraschend «Bergdoktor» Latour als FCK-Coach. fw. darum auf Dienstreise in Köln.
Ponte, Raimondo: «Ein Leben für den Fussball» – 1999 von fw. getextet. Gilt auch heute noch. Quiroga, Facundo Hernán. Argentinier. Verteidiger bei Napoli und Wolfsburg. Das «Q» von fw. literarisch nie entdeckt. Rehhagel, Otto: «Zuerst das Chaos, zuletzt ein Blackout» – fw. – nach einem 2:2 der Bayern. Sutter, Alain: «Blonder Engel». Letzte Station als Spieler in Texas. fw.-Besuch in Dallas. Einreise am US-Zoll mit Tücken . . . Trapattoni, Giovanni: «No say the cat is in the sack, when you have not the cat in the sack.» (K)ein Wortakrobat wie fw. Uidemar. Brasilianischer Nationalspieler. 2 Länderspiele. 1987 und 1989. Das «U» alos wie das «Q» – oder, fw.? Vicente de, Adrian: Joker und Torjäger aus Argentinien. Mit langen Haaren – wie einst der jugendliche fw. Wolfisberg, Paul: Ex-Nationalcoach. «Weshalb diese Reise, wieso nach Afrika?» fragt fw. 1983 nach 4 Spielen in 7 Tagen . . . Xamax, FC: Für fw. in den 80ern ein stolzer Klub mit Herz. 30 Jahre später Konkurs und «Im Eiltempo in den Abgrund». Yakin, Murat: 1999 nach Erdbeben feige aus Istanbul «abgehauen». «Spenden Sie eine Million!» – fordert fw. in einem «Offenen Brief.» Zurbriggen, Pirmin: Fällt aus dieser Reihe. Das Walliser Ski-As lockt mit seinen Erfolgen sogar einst fw. in die Berge . . . Keinen Platz in dieser Auflistung fanden: Franz Beckenbauer, Roberto di Matteo, Heinz Hermann, Sven Hotz, Ciriaco Sforza, Joseph S. Blatter, Vujadin Boskov, Rolf Fringer, Arsène Wenger, Nestor Subiat, Ike Shorunmu, Diego Maradona, Lionel Messi, Pep Guardiola, Christian Gross, Marcel Koller, Hennes Weissweiler, Louis van Gaal und viele mehr. Die Liste ist beeindruckend, lieber Fredyinho. 40 Zeilen für 38 ½-Jahre reichen nicht. Deshalb ist dieser Text auch doppelt so lang. Eine Frage sei zum Schluss aber noch erlaubt: Wo um Himmelswillen sind fw.-Texte über Sportlerinnen? Die Frauen liebst Du doch noch mehr als den Fussball und den Sport! Oder?
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In Schale ins Bolschoi Peter Spycher Viele Jahre, lieber Fredy, sassen wir zusammen im gleichen Boot. Doch nur einmal berichteten wir gemeinsam von einem Grossanlass: Im Sommer vor 34 Jahren von den Boykottspielen in Moskau. Statt über die Helden und Versager in den Stadien sei hier kurz die Rede von drei kleinen Episoden aus jenen Tagen. Erinnerst du dich an unseren verhassten Begleiter namens Scrib? Das unhandliche und schwere Ungetüm war ein Vorläufer der Computergenerationen, die seither zum Alltagswerkzeug eines Journalisten gehören. Übermittelt wurde der Text via Microkasette per Telefon. Die bangen Momente mit dem Warten
auf die blinkenden Pfeile sind mir noch präsent. Technik-Guru Walter Jäggi hat mir dazu noch geschrieben: «Der Scrib kostete übrigens (damals) 17 000 Franken. Zusammen mit dem Natel A war die Reportertechnik etwa doppelt so teuer wie mein damaliges Auto. Die Zeiten ändern sich . . . » Frühschoppen im Fernsehen Ja, und einmal hatten wir in Moskau sogar einen freien Abend. Peter Meier war es gelungen, Karten für ein Ballet im Bolschoi zu besorgen. Da mussten wir uns ja schon etwas in Schale werfen. Allerdings lässt mich das Gedächtnis hier etwas im
Stich. Ich kann mich überhaupt nicht mehr erinnern, was nach der Pause am Schwanensee noch alles passiert ist . . . Am Schlusstag hast Du mich dann im Stich gelassen. Dein Fernsehauftritt bei Werner Höfer im internationalen Frühschoppen zwang Dich zu einem verfrühten Heimflug auf Umwegen. Ich weiss noch, Dir lag die Einladung aus Mainz schwer auf dem Magen. Am Samstagmorgen sassen wir auf der sonnigen Terrasse des Hotels Rossija, und Du hast Dir zurechtgelegt, was Du der illustren Runde erzählen könntest. Und ich musste anderntags den Kuko für die Front selber schreiben.
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«Rominger» Christian Andiel Es hatte damals, Mitte der 90er-Jahre, nicht lange gedauert, bis mir klar war: Der «Tages-Anzeiger» ist doch um einiges besser als die «Basler Zeitung», bei der ich seit September 1990 arbeitete. Endgültig klar war mir das nach der Fussball-WM 1994, wo ich mit einigen Kollegen des TA äusserst nette Erlebnisse hatte und wohl auch die Aufmerksamkeit von Fredy geweckt hatte – weniger wegen meiner Artikel, als eher durch die Tatsache, dass ich in San Francisco zu den Trainingseinheiten und Pressekonferenzen mit dem Radl unterwegs war. Den Spitznamen «Rominger», von Fredy höchstpersönlich verliehen, wurde
ich eine recht lange Zeit nicht mehr los. So kam es 1996 zum Wechsel, der mit einem Gespräch in Zürich zumindest weitgehend vorbereitet werden sollte. Fredy lud mich in ein Café nahe des Bahnhofs ein, ich war nervös, rechnete zwar nicht gerade mit einem Notar, wappnete mich aber dennoch mit ein paar Artikeln, die zumindest mir gelungen erschienen, mit einem frisch gebügelten Hemd, Jacket, einer schwarzen Hose (keine Jeans!). Lohn auf der Serviette Am Ende dauerte das Gespräch etwa fünf Minuten, Fredy (Polohemd, Jeans und
braune Lederjacke, die er anbehielt) skizzierte auf einer Serviette des Cafés meine Einkommensmöglichkeiten mit dem vereinbarten Fixum, das Papier war rasch gefüllt mit Zahlen, die immer wieder überschrieben, korrigiert wurden, Fredy plauderte und erklärte Begriffe, die ich auf der Serviette ums Verrecken nicht entziffern konnte. Plötzlich schaute Fredy auf, und als von mir nicht sofort eine Bemerkung kam, sagte er: «Ich muss jetzt leider weg, aber es ist ja alles klar, oder? Wir hören voneinander.» Als ich zwei Tage und eine gewisse Bedenkzeit später Fredy anrufen und meine Zusage geben wollte, fand ich im Briefkasten den Vertrag.
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Peter Bühler Tagi statt «Sport» – wegen fw.
Lieber Fredy nebenstehender Brief, verfasst von unserem alten und kürzlich leider verstorbenen Kollegen Walo Lutz, datiert vom 7. April 1981. Am Tag zuvor hatte ich im Hardturm für den «Sport» das Nationalliga-A-Spiel Grasshoppers gegen Nordstern Basel besucht. GC war Leader, Nordstern Letzter. Eine klare Sache also, dachte jeder – und wohl auch Lutz. Da konnte man ja auch einen Ringier-Journalistenschüler für die Berichterstattung losschicken, viel konnte da nicht falsch laufen. Nun, für GC lief alles falsch. Am Schluss hatte Nordstern gegen das GC von Berbig, Egli, Wehrli, Koller und Heinz Hermann 2:0 gewonnen. Und ich schrieb in meinem ersten Bericht für den «Sport» überhaupt über Deine Freunde Claudio Sulser und Livio Zanetti: «Bei GC erreichte kein Spieler seine Normalform. (…) Sulser und Zanetti konnten sich gegen ihre Gegenspieler Süss und Zehnder nie entscheidend durchsetzen. Und der Bündner hatte sogar noch grosses Glück, dass Schiedsrichter Nyffenegger seine Tätlichkeit an Zehnder grosszügig übersah.» Der Artikel schaffte es auf die Frontseite – nicht wegen der Brillanz der Schreibe, sondern wegen der Brisanz des Resultats. Dem Chefredaktor Lu. aber gefiel der Bericht offenbar, wie sein Schriftstück zeigt.
Ich, mächtig stolz, zeigte Dir in der Helvti den Brief. Dein Ratschlag: «Geh nach der Journalistenschule nicht zum Sport, versuch lieber, beim Tagi anzuheuern.» Du warst damals noch nicht einflussreicher Sportchef, sondern «normaler» Redaktor. Wenig später war ich dann tatsächlich beim Tagi – aber nur auf dem Fussballplatz. Mein lädiertes Knie hielt den Trainingsbelastungen mit der 1. Mannschaft des FC Küsnacht nicht mehr stand, für das Fussballteam des Tagi in der Firmenmeisterschaft reichte es aber gerade noch. Und so lernte ich sie alle kennen, die TA-Sportredaktoren: gt., die technisch leicht limitierte Laufmaschine im Mittelfeld; mb., den knallharten Abräumer in der Abwehr; ws., den lauffaulen Filigran-Techniker auf der Flanke; und ur., den verspielten, manchmal etwas chaotisch-wirren Spielgestalter. Wir alle wurden Meister der Serie B mit Mitspielern wie Theo Bächtold, dem stürmenden Pfarrer, Luzi und Tobi Stamm, Kurt Schorrer, Urs Honauer, Hama Neukomm, Kudi Frischknecht – und natürlich mit Dir als fast unüberwindbarem Goalie! Ein Jahr danach schaffte ich es dann auch noch in die Sportredaktion des Tagi. Die entscheidende Propaganda für mich hatte Martin Born gemacht. Er sagte: «Der Baron kann gut tschutten, vielleicht kann er ja auch passabel schreiben.»
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Links von Hennes Livio Zanetti Vor fast genau 33 Jahren habe ich Fredy am Abend vor dem Viertelfinal des Uefa-Cupspiels Sochaux gegen GC in der Peugeot-Stadt näher kennengelernt. Damals war ich richtig stolz, dass der «grosse» Schweizer Sportjournalist sich für den «kleinen» Jus-Studenten und Fussballer aus Poschiavo interessierte. Heute bin ich sehr dankbar, dass mir die beiden Fredys, nämlich fw. und Fredy Bickel, als einzige Freunde aus der Fussballszene geblieben sind. Wir drei treffen uns regelmässig in Bern oder in Zürich und geniessen die gemeinsamen Stunden. In bester Erinnerung ist mir folgende Episode: An einem Freitagnachmittag im Frühling 1983 traf ich Fredy zu einem Interview. Es war der Tag vor einem Auswärtsspiel gegen Servette. Fredy hatte erfahren, dass ich wegen der grossen Verletztenliste bei GC in der Startelf stehen würde. Nach dem Interview verabschiedete er sich mit den Worten: «Einen guten Titel für den Artikel über Dich werde ich schon finden.» Ich muss noch erwähnen, dass mein damaliger Trainer Hennes Weisweiler für mich weder als Fussballer (was ich heute verstehe) noch als Person grosse Sympathien hegte. Ich kam selten zum Einsatz, sass stets mit anderen Ersatzspielern zu Weisweilers Linken auf der Spielerbank. Als ich nun aber am Samstagmorgen in der Halle des Flughafens in Kloten eintraf, kam mir der wild fuchtelnde Weisweiler mit rotem Kopf entgegen und sagte sichtlich erregt: «Livio, das war sicherlich politisch gemeint!» Nichts ahnend fragte ich zurück: «Trainer, was meinen Sie?» «Sie wissen es ganz genau, der Titel über Ihrem Interview im ‹Tages-Anzeiger›: ‹Links von Hennes›, heisst der! Ich war ziemlich überrascht – und dummerweise fiel mir keine bessere Antwort ein als: «Trainer, rechts von Ihnen gibts ja nichts.» Nach dem Spiel in Genf spielte ich unter Weisweiler nur noch wenige Minuten. . . . Eine andere Episode, die Fredy immer wieder gerne bei unseren jetzigen Treffen zum Besten gibt, handelt von einem einst in der «Bündner Zeitung» erschienenen Beitrag mit dem Titel: «Timo Konietzka: Livio Zanetti ist reif für die Nationalmannschaft». Als die beiden Fredys und ich Timo einmal in Brunnen besuchten, fragte ihn fw.: «Timo, hast Du damals wirklich in nüchternem Zustand diese Aussage gemacht?» Timo als alter Kumpel antwortete sybillinisch: «Fredy, warum willst Du den Livio nicht in dem Glauben belassen?» Auf Italienisch würde man sagen: «Se non é vero, é ben trovato.»
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Claudio «Vico» Klages, Münchner Rekordbesucher
Es sei vorweggenommen: Fredy und ich haben wenig gemeinsam. Er arbeitet links der Limmat bei einer linken Zeitung, ich war bei einer rechten Zeitung am rechten Seeufer tätig. Er kennt Uli Hoeness sehr gut, ich überhaupt nicht. Er brachte es zum Sportchef, ich nur zum Stellvertreter. Dafür gibt es keine Erklärung. Der Unterschied bestand wohl darin, dass sich die Nachfolger für eine Chefposition am Bellevue vordrängten, an der Sihl aber Angst vor der Mehrarbeit hatten oder anderswo lieber eine fette Abgangsentschädigung kassieren wollten. Fredy war aber ohne Zweifel über all die Jahre der richtige Mann am richtigen Platz. Wenigstens im Beruf. Das Kapitel Freizeit und Hobby wäre seitenfüllend, ist heute aber nicht gefragt. Die wenigen Zeilen zu seiner Pensionierung enthalten also nur die halbe Wahrheit, fast wie immer im Tagi. Die andere Hälfte fiel der Zensur der Herausgeber(in) zum Opfer. Beschränken wir uns also auf diese langweiligere Hälfte. Unsere politische Geisteshaltung war fast gezwungenermassen
weit differenzierter (und entsprechend selten ein Thema) als die Identifikation mit unserem Beruf. Wir liebten Reisen um die halbe Welt, froren gemeinsam an eisigen Skitagen, pflegten bis spätabends den olympischen Geist, schwitzten in stinkigen Handballhallen, besuchten fast jedes grössere Fussballstadion gemeinsam, mit Vorliebe südlich von Zürich in wärmeren Gefilden. Zudem fände der Schweizer Journalist fw. problemlos Aufnahme im Guinness-Buch der Rekorde: Keiner war mehr in München als er! Manchmal musste ich ihn begleiten. Keine leichte Aufgabe, vom Olympiastadion jeweils fast als letzte ausser dem Abwart Richtung Stadt zu fahren, weil wir auf irgendein persönliches Wort von Hitzfeld oder Hoeness warten mussten. Vor allem, weil irgendwann keine Taxis mehr vorfuhren – bei klirrender Kälte. Das Rätsel Studienreisen Die Reisebegleitung kostete überhaupt oft Nerven und Kraft. Am liebsten hätte man Fredy jeweils an die Leine genom-
men, den schweren, schwarzen Archivkoffer irgendwo stehen gelassen, alle Zeitungskioske vorgängig geschlossen, sämtliche Damen . . . Zensur! Immer schwirrten seine Gedanken durch Strassen, Stadien, Hotelhallen, Bars und Terminals ohne derer habhaft zu werden. Dabei hat Fredy durchaus auch sehr gemütliche Seiten. Beispielsweise jene des unkomplizierten Kumpels auf Studienreisen quer durch Asien, ohne Zeitungen, ohne Handy. Wobei es für mich bis heute ein Rätsel bleibt, was er für den Tagi dort studierte. Oder jene des treuen Freunds, der auch in den letzten Jahren auf getrennten Wegen immer für einen Schwatz, ein offenes Ohr oder einen Besuch im Grotto Zeit fand. Wo Fredy mit seinem kargen Haarschnitt, seinem Charme, je nach Situation mit dem Liebreiz einer windzerzausten Arve, in Erscheinung tritt, da ist er Mittelpunkt, da will er dies sein. Und ich weiss auch, warum dem so ist: Es sind Professionalität, Persönlichkeit, Herzlichkeit, Ausstrahlung.
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War dieses Goalie-Outfit 端berhaupt schon auf dem Markt?
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Pascale Vögeli Bananen und Coramin Wie war das heiss an diesem Tag, 2004 in Portugal, ich habe nur schon gelitten als Zuschauerin. Ich hatte nur einen Auftrag: Dir, Fredy, beizustehen, das heisst, nicht zu helfen, Tore zu verhindern, aber in Deiner Nähe zu sein. Also machte ich das, trug aus Solidarität ein rotes Trikot, stolz auf die Schweizer Journalisten, die heroisch zum Kampf antraten gegen die wilden Engländer. Du hast Dich, natürlich, ins Tor gestellt, und was möglicherweise viele Deiner Gschpänli nicht wussten: Du hast trotz Beschwerden auf die Zähne gebissen. Stell Dir vor, das wäre in der richtigen Nationalmannschaft passiert. Jörg Stiel an Deiner Stelle hätte sich einen Nachmittag am Pool gegönnt. Aber nein, Du wolltest dabei sein. Zehn
Jahre später können wir es ja zugeben: Du warst sicher gedopt. Ich stellte mich hinter das Tor – mit Bananen und einem Haufen Coramin, die aussehen wie Sugus, aber Tabletten sind und bleiben. Du hast in der Hitze angefangen, Bananen reinzuschaufeln, ich kam kaum mehr nach mit Schälen. Und zwischendurch hast Du nach einem Coramin gerufen. «Noch eins, bitte!» Ich habe geschwitzt, aber weniger wegen der hohen Temperaturen, sondern weil ich mir Sorgen gemacht habe. Wie kann man bloss so viele Bananen essen, ohne eine tagelange Verstopfung befürchten zu müssen? Und Coramin in dieser Dosis, das überlebt normalerweise kein Elefant. Irgendwann habe ich die Packungsbei-
lage durchgelesen und voller Schrecken festgestellt: eine Tablette alle drei, vier Stunden, auf keinen Fall mehr! Aber die Schachtel habe ich auf Dein Geheiss geleert wie ein Päckli Kaugummi. Du bist durch den Strafraum gesegelt wie ein Jungspund, die Engländer sind verzweifelt an Dir, und keiner hat mitbekommen, wie sehr ich mich gesorgt habe um Dich. All die Medikamente haben Dir aber offensichtlich nicht geschadet. Wir haben ein Unentschieden erreicht! Ein Jahrzehnt ist das her. Jetzt trittst Du ab. Als grosser Goalie, grosser Journalist, grosser Mensch. Ich hoffe, dass sich unsere Wege noch oft kreuzen in Zukunft. Nur eines werde ich nicht mehr tun: Dich mit Coramin füttern.
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Andi Schluchter
Held
im grünen Pullover
Fredy, Du bist eine andere Generation. Du bist viel älter. Während des Aktivdienstes (nein, nein . . . sooo alt bist Du auch wieder nicht) auf dem Felde kreuzten sich unsere Laufwege noch nicht. Wobei, wann schon kreuzen sich die Laufwege eines Goalies und eines gegnerischen Libero? Auch 1988 bei der EM in Deutschland und 1990 bei der WM in Italien dienten wir verschiedenen Herren – während Du für den Tagi der damaligen FussballHauptstadt Zürich (Meister GC) mit Deinen geschliffenen Texten ein Menu Surprise nach dem anderen auftischtest, versuchte ich das Fussball-Entwicklungsgebiet Basel (Nationalliga B!) mit Wurst und Brot am Fussballtrog zu halten.
Apropos GC. Für den Stadtclub liefertest Du eines deiner besten Hüterspiele. Am 19. September 1990 war es, als die Grasshoppers in der Qualifikation zur Champions League bei Roter Stern Belgrad antraten. Am Morgen des Spieles, auf einem Nebenplatz des europäischen Maracanã, begab es sich, dass ein paar Schweizer Journalisten auf altgediente jugoslawische Profikicker trafen. Diese spielten die Schweizer in Grund und Boden. Nur der Goalie, dieser Wettstein in seinem grünen Pullover, flog nach links, hechtete nach rechts und brachte die Profis zur Verzweiflung. Das Schlussresultat weiss ich nicht mehr, zu oft stand ich als Libero im Weg und wurde zufällig am Kopf getroffen. Der Held aber stand
zweifelsfrei zwischen den Pfosten, der Charly Elsener aus Küsnacht. Dass Goalie und Libero genau zehn Jahre später, ab September 2000 an der Werdstrasse begannen, für längere Zeit in derselben Mannschaft zu spielen, sei hier nur am Rande erwähnt. Fredy, trotz all deiner Meriten als Journalist und Goalie schätze ich Dich vor allem als Menschen. Unsere emotionalen Begegnungen im Mai 2009, als diese Zeitung auch einen Libero vom Felde holte, aber noch mehr unsere privaten Gespräche ein paar Monate später, als Schnitter Tod in unser beider Familien zuschlug, werde ich nie vergessen. Fredy, ich danke Dir für all diese Begegnungen. Blyyb suuber!
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Markus Eisenhut Seine Hälfte war die gegnerische Fredy Wettstein und Sport, das passt einfach. In unwesentlich jüngeren Jahren war er ein begnadeter Fussball-Goalie, der es blendend verstand, in wenigstens eine Ecke zu hechten. Fredy war auch ein Künstler auf dem Eis. Ich meine zu wissen, dass Fredy ab und an in der Ära Sepp Voegeli im Journalisten-Training im Hallenstadion aufschien. Zusammen mit Guido Tognoni etwa, mit Martin Born, und mit dem Manager von Andreas Vollenweider, dessen Name eine fette Beute meiner Vergesslichkeit geworden ist, der mich aber stets als
belehrender Mutmachonkel in Trainerhosen genervt hatte. Sie alle spielten, so glaube ich, damals für die Dental Flyers. Die Flyers machten jeden Winter auf kanadische Wochen und bespielten jede Hobby-Mannschaft westlich des Urals. Auch die Blick Blackhawks, für die ich die Schlittschuhe schnürte. Verbürgt ist, dass wir mindestens einmal gegen die Flyers aufs Eis gingen. Das Resultat verdrängte ich erfolgreich. In Erinnerung geblieben sind mir aber die satten Handgelenkschüsse von der blauen Linie von Erich Morger, der grüne Helm von Mario
Casanova und seine Unfähigkeit, den Puck zu lupfen. Und geblieben ist mir das Spiel von Fredy Wettstein. Seine Hälfte war die gegnerische. Zurück über die Mittellinie – jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht – kam er nur nach einem Tor. Fredy war der Einwegstürmer schlechthin, die gerade Linie war seine Linie. Vorwärts. Wie das Leben, das auch nicht rückwärts läuft. Und vor dem Tor? Was immer er dort vor dem Kasten tat, es hatte die gleiche Qualität, wie das, was er schrieb: es perlte. So glaube ich zu wissen.
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Werner Bosshardt Der Standfeste Zunächst arbeiteten wir nebeneinander. Hier Falkenstrasse, dort Werdstrasse. Ein paar Jahre ist es her, Ende der 70er-Jahre. Gemeinsame Schnittfläche war Leichtathletik, die damals noch zu Fredys journalistischem Revier gehörte. Jedenfalls solange eine attraktive blonde Zürcher Hochspringerin von Rekord zu Rekord sprang. Später fanden wir uns an der Werdstrasse. Zwar (noch) nicht im selben Ressort, aber Partner im Bemühen, den aufreibenden Sitzungen und Retraiten zwecks Neuerfindung des «Tages-Anzeigers» eine Spur von Gelassenheit abzutrotzen. Er
übrigens weit erfolgreicher als ich. Zuletzt, schon in diesem Jahrhundert, arbeiteten wir miteinander. Er als Chef und sensibler Motivator, ich als ProduktionsAushilfe, die ihm die Rückkehr zu den journalistischen Wurzeln verdankte. Im praktizierenden Sport profilierte sich Fredy als begnadeter Fussball-Torhüter, das ist längst Legende. Dass er auch Eishockey gespielt hat, ist weniger bekannt. Sport prägt den Charakter. Und umgekehrt. Ob in den heiss umkämpften Zeitungsderbys NZZ gegen «Tages-Anzeiger» auf dem altehrwürdigen Dolder oder im
Journalisten-Team, das unter dem Patronat von Hallenstadion-Direkter Sepp Voegeli die Rinks der halben Ostschweiz unsicher machte: Fredy gehörte zu den auffallendsten Figuren, und im Rückblick fällt mir auf, wie sehr er auch auf dem Eis sich selbst blieb. Fredy, der Standfeste, den nicht so schnell etwas umwerfen konnte. Fredy, der Treffsicherheit geschickt mit Eleganz zu verbinden wusste. Fredy, der harte Bandagen nach Möglichkeit vermied. Und Fredy, dessen Verständnis von Kollegialität und Loyalität es widerstrebte, sich in die Arbeit der eigenen Verteidigung einzumischen.
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Der Wortzauberer Barbara Bürer Es ist ein Jammer! Der Tagi ohne Dich und ohne Deine Sätze, die nach vielen Einschüben und noch mehr Kommas oft dort endeten, wo man gar kein Ende erwartet hatte. Du bist ein Wortzauberer, ein stiller Beobachter dieser rauen Sportwelt – mit der Liebe zu italienischen Cantautori, deren Songtexte Du immer wieder in Reportagen eingeflochten hast. Bildseiten über Go-Kart Ach Fredy! Was soll ich tun ohne Deine Texte, die ich schon vor 36 Jahren verschlungen habe? Ich, die ich Dich mit 23 Jahren kennengelernt habe. Im alten Tagihaus. Du stecktest den Kopf aus der Tür, als ich ganz aufgeregt meinen ersten Artikel für die Sport-Bildseite (Go-Kart!) vorbei gebracht hatte. Du hast diesen Text gelesen, mir weitere Aufträge erteilt, so dass ich voller Glück davon getänzelt bin. Du warst derjenige, der mir den Mut gegeben hat, mich aus dem kaufmännischen Job zu verabschieden und ins Schreibhandwerk einzusteigen. Ein paar Jahre später, Du warst inzwischen Sportchef vom Tagi und von der
neu lancierten SonntagsZeitung, hast Du mich, die ich da im Radio arbeitete, in Dein Team geholt. Wenn ich irgendwann, irgendwo diesen Beruf gelernt habe (ihn auch zu lieben), dann war es bei Dir in diesem grandiosen Team. Du hast mich journalistisch begleitet und weiter gebracht, mich unterstützt, wenn ich am Verzweifeln war («das chan ich nööd!») oder wenn sich Männer anschickten, sich gegen mich (in dieser fast frauenfreien Zone) aufzulehnen. Du hast mich losgeschickt in die Welt des Sports, an Welt- und Europameisterschaften, an Olympische Spiele. Die schönsten Jahre Glaub mir, noch immer denke ich an diese Zeit zurück, manchmal auch mit Wehmut, mit Sehnsucht, weil diese zwei Jahre auf Deiner Redaktion zu den Schönsten gehörten. Ich danke Dir, lieber Fredy, für alles. . . . und ich weiss wirklich nicht, wie ich in Zukunft ohne eine Zeile von Dir auskommen soll. Dir alles Gute!
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Romana Lavagnoli Italia ’90 oder die beiden Heiligen Neapels
Italia ’90, Fussball-WM, Napoli. Dort begegnete ich Fredy das erste Mal. Damals lebte ich zeitweise in Neapel und mein Vater bat mich, dem Sportchef vom Tagi und dem Fotografen Beat Marti zu helfen. Die Fussball-Welt blickte gespannt auf den in Neapel bevorstehenden Match Italien - Argentinien. Diego Armando Maradona war zu dieser Zeit, neben San Gennaro, der zweite Heilige Neapels, und viele Fussballbegeisterte fragten sich «auf welcher Seite werden die Tifosi der SSC Napoli stehen? Auf der Seite von Italien oder Maradona und somit Argentinien?»
Doch noch vor dieser Fussball-Begegnung lernte ich Fredy und Beat kennen. Treffpunkt war vor dem Stadion San Paolo. Für eine Reportage wollten die beiden in die Altstadt, nach Forcella. Danilo, Neapolitaner und mein damaliger Freund, meinte skeptisch «nach Forcella mit dieser teuren Fotoausrüstung? Könnte unangenehm werden». Doch Fredy und Beat machten sich darüber keine Gedanken, und los ging die Fahrt in dem kleinen, engen, verbeulten Fiat. In Forcella angekommen, spazierten wir durch die schmalen Gassen. Ziel war eine Pizzeria. Nach ein paar hundert
Metern, ohne Zwischenfall, erreichten wir das Lokal. Beat fotografierte, Fredy interviewte den Inhaber. Zum Schluss gab es köstliche Pizza. Ein oder zwei Tage später traf ich Fredy erneut. Er verkaufte mir Tickets für das Spiel Italien - Argentinien. Es war das erste und letzte Mal in meinem Leben, dass ich einen Match in einem FussballStadion verfolgte. Ich litt, über 90 Minuten lang. Italien verlor das Spiel. Ich aber gewann mit Fredy einen liebenswerten, verlässlichen und grosszügigen Freund und Kollegen. Grazie!
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Roger Berbig
Fredys ruhigster Flug 1984. Afrika-Rundreise mit der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. Wir trugen Spiele in Algerien, der Elfenbeinküste, Zimbabwe und Kenia aus. Es war ein toller Trip. Begleitet wurden wir von Vertretern der Medien und Fans in einer DC 10 der Swissair. Fredy war als Tagi-Journalist dabei. Auf der Rückreise von Nairobi nach Zürich wollte er unbedingt schlafen. Ich habe ihm eine Schlaftablette gegeben und ermuntert, den Effekt mit einem Glas Rotwein ein bisschen zu verstärken. Nach einer halben Stunde zeigte das Ganze aber noch keine Wirkung, und Fredy doppelte nach. Unglücklicherweise verzögerte sich der Abflug dann um mehr als eine Stunde. Dies merkte er allerdings nicht mehr, denn zwischenzeitlich . . . schlief er. Und wie! Er lag im Koma. Wir mussten ihn vom Gate in den Flieger tragen. Beim Klirren des Geschirrs beim Morgenessen über Europa kam er dann wieder zu sich . . . Das war wohl Alfreds ruhigster Flug.
Claudio Sulser
Wo sind all die Jahre geblieben? Was gibt es Schöneres als zurück zu schauen auf eine lange Zeit, auf die Du stolz sein kannst, weil Du so vieles erlebt und auch erreicht hast ! Doch diese Zeit ist – von heute aus betrachtet – in einem horrenden Tempo vorbeigegangen. Wo sind sie nur geblieben, die vielen Jahre? Ich hatte den Auftrag, hier eine kleine Episode oder ein gemeinsames Erlebnis von uns zwei aufzuschreiben. Das aber habe ich bereits zu einem Deiner runden Geburtstage getan. Eine bessere Episode, als jene, die ich zu Deinem 60-igsten erzählt habe, kenne ich nicht. Es gibt sie schlicht nicht. Und wiederholen will ich mich nicht. Es freut mich aber sehr, Dir sagen zu können, dass Du zu den ganz wenigen Personen zählst, denen ich während meiner aktiven Fussballerzeit, in der viele Menschen auf mich zugekommen sind und etwas von mir wollten, Vertrauen geschenkt habe. Und dieses
Vertrauen – es ist von Dir nie missbraucht worden. Du hast mich nie enttäuscht. Du bist auch die Person, die einst eine Ansprache, die ich an Credit Suisse Sports Awards zu halten hatte, auf Deutschfehler korrigiert hast. Ich musste damals ausführen – es war im Jahr 2008 – was einen guten Trainer ausmacht. Wie er arbeiten muss, wie er mit den Sportlern umgehen muss. Ich habe Dir damals mein Manuskript geschickt, Deinen Kommentar dazu habe ich in meiner Korrespondenz wieder gefunden. Du hast folgende Worte gewählt: «WELTKLASSE! Könnte von mir sein. Du hast viel gelernt. Habe nur ganz Kleines geändert. Freue mich auf heute Abend. Lieber Gruss, Du Denker, der denkt, und deshalb so wirr dribbelte. Als die Knie noch denken konnten . . . Fredy»
Wenn am Abend der Fredy nach Capri reist Rolf Gfeller
Man wird älter, man spürt es täglich, und auch das Langzeitgedächtnis lässt einen immer mehr im Stich. Doch eines ist sicher, es war im Jahr 1987 oder 1988. Damals war ich Sekretär der Sportredaktion und hatte als solcher auch Reisen und Hotels für meine Kollegen zu buchen. Die Schatullen des Ressorts waren noch prall gefüllt und die Wünsche der Redaktoren entsprechend exklusiv. Einer, der mich aber am meisten gefordert hatte, war der Chef. Fredy Wettstein spürte, dass ich gerne organisierte, er wusste, dass ich das Unmögliche meistens möglich machte und an jeder gesteigerten Anforderung wuchs. Eines Tages kam er strahlend ins Büro, in der Hand eine Seite aus der «Welt am Sonntag» mit einem Reisebericht über die Insel Capri. Illustriert mit einem Foto eines Hotels, neben dessen Eingang – und an das erinnere mich noch ganz genau – ein Tisch mit vier blauen Stühlen stand. «An diesem Tisch, auf diesem Stuhl möchte ich am Morgen frühstücken. Reservieren bitte!» Kein Problem, dachte ich, doch dann kam die Steigerung der
Forderung. Er werde am Abend in Neapel erst ein Spiel der SSC Napoli mit ihrem damaligen Star Diego Maradona besuchen, dann schreiben, und gedenke danach in diesem Hotel zu nächtigen. Die Crux mit den Fähren Es gab damals noch kein Internet, aber dennoch kannte ich innert kurzer Zeit alle Fahrpläne der Fähren zwischen Neapel und Capri auswendig. Man konnte diese drehen und wenden, so oft man wollte – noch heute gibt es kein Kursschiff, das den Hafen von Neapel in Richtung der Felseninsel nach 19 Uhr verlässt. Um es kurz zu machen: Fredy hat an jenem Abend dann tatsächlich in diesem Hotel geruht und am Morgen auf und an dem gewünschten Stuhl und Tische das Frühstück eingenommen. Ob ich damals ein Einzeloder Doppelzimmer buchen musste und was die ganze Expedition gekostet hat, daran kann ich mich mit dem besten Willen nicht mehr erinnern. Eben – man wird älter, das Gedächtnis lässt nach.
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Aktenkoffer und Akustikkoppler Dieter Ringhofer
Frühmorgens begann das Faxgerät Seiten auszuspucken. Tag für Tag, zweieinhalb Wochen lang. Viele Seiten, oft sehr viele Seiten. Wenn wir endlich aufbruchsbereit waren, hatte sie Fredy meistens schon gelesen und das erste Hindernis auf dem Weg zum Pressezentrum überwunden: Peter Herzog, der auf dem Fussboden lag, noch von Magic Johnson träumte und den Wohnungseingang versperrte. Im Kinderzimmer war es ihm zu warm, zu lärmig. Ausserdem war das Bett zu kurz. Solche Probleme hatte Fredy nicht. Er nächtigte mit seinem gut gefüllten Aktenkoffer im Elternzimmer. Der TA hatte für die Zeit der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona zwei zentral gelegene Wohnungen in der Nähe der Plaça d’Espanya gemietet und die Fünfzimmerwohnung mit einem Fax-
gerät ausgerüstet. E-Mail, Internet und Handy waren noch Fremdwörter für uns. Wir übermittelten unsere Texte via Olivetti mit Akustikkoppler mit 300 Baud ins TRIAS. Tapas, Bier und Rioja Fredy ist uns morgens oft entwischt. Manchmal, um sich Intuitionen für seine Kolumnen an der Rambla oder im Parc del Mar, dem neuen, dem Meer zugewandten Stadtteil, auf dem sich auch das olympische Dorf und der olympische Segelhafen befanden, zu holen. Wenn wir in unserem Büro in der Fira de Barcelona ankamen, waren die ausländischen Zeitungen, die er unterwegs gekauft hatte, bereits ausgeweidet. Uns verblieben die Papierschlangen von zwei Nachrichtenagenturen.
Die eigentliche Redaktionskonferenz fand jeweils am späten Abend an der Carrer Nicaragua statt, beim «Frankfurter», wie wir das Strassenlokal nannten. Wir, meistens war Peter Staub mit mir, schleppten uns fast immer vom Montjuïc aus an. Tapas, Bier und Rioja richteten uns wieder auf. Viel brauchte es dazu nicht, denn Barcelona 1992 waren schöne Spiele, für viele bis heute die schönsten. Da konnte selbst die relative Erfolglosigkeit der Schweizer nichts ändern. Erst am zweitletzten Tag holte Marc Rosset, die Nummer 44 der damaligen Tennis-Weltrangliste, die einzige (Gold-)Medaille. Ein paar Stunden später konnte Fredy auch noch mit Pep Guardiola und Luis Enrique feiern, die Spanien vor 95 000 Zuschauern zum ersten Olympiasieger in einem U-23-Turnier machten.
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Don Alfredo im Sch . . .wetter Jürg Casanova
Soweit ich mich zurück erinnern kann, habe ich Fredy stets mit Don Alfredo begrüsst. Einfach so, aus dem Bauch heraus, ohne das Warum zu ergründen. Erst als ich mir zu überlegen begann, welche Reminiszenz ich Fredy, pardon Don Alfredo, auf seinen Weg in die Pension mitgeben könnte, begann ich meine Attitüde zu hinterfragen. Also mit Spanien konnte das nichts zu tun haben, denn sein Herz schlägt weder für Barça noch für die Königlichen aus Madrid, sondern, wir wissen es alle, mit höchster Frequenz für den FC Bayern. Wikipedia hat mich dann darüber aufgeklärt, dass es sich bei Don Alfredo um eine höfliche, respektvolle Anrede handelt. So, wie sie perfekt zu einem Menschen passt, der im Umgang als Kollege und als Vorgesetzter, aber auch als Journalist und Redaktor immer Stil und Niveau bewies. Meine Jahre beim Tagi fielen zusammen
mit jener äusserst erfolgreichen Zeit der Schweizer, die heute als EPOche der Radsportgeschichte bezeichnet wird. Von März bis Oktober fuhr ich den geölten Wädli nach. Don Alfredos Interessen waren anders gelagert. Gemeinsam auf Reportage waren wir deshalb äusserst selten. Der 22. Juni 1997 war so eine Ausnahme. Pechvogelpreis Königsetappe der Tour de Suisse, von Spiez über Grimsel und Nufenen nach Bosco Gurin. Ein Schlechtwettereinbruch mit Schnee in höhern Lagen macht Umdispositionen nötig. «Es regnet. Fürchterlich und seit Stunden schon. Mittags um zwölf in der Leventina. Ist es wirklich Tag oder immer noch Nacht? Dunkel auf jeden Fall. Tief hängen die Wolken, die Berge sind gar nicht zu sehen, aber Bäche stürzen über Felsen
hinweg ins Tal. Im Bahnhofbüffet trinken sie Tee oder schlürfen Espresso. Wer jetzt nach draussen geht, der spinnt. Oder fährt Velo, berufsmässig», schildert Don Alfredo im Tagi die Stimmung in Biasca, wohin der Start verlegt wurde. Die Radprofis schwingen sich dennoch auf ihre Räder. Wird Alex Zülle im steilen Schlussaufstieg hinauf zum kleinen Walserdörfchen dem französischen Aussenseiter Agnolutto das Gelbe Trikot ausziehen können? Die Spekulationen erübrigen sich bald. In einem Kreisel in der Magadinoebene stürzt Zülle und muss aufgeben. Während dieser in einem Privatjet zur Operation nach Barcelona geflogen wird, blättert Don Alfredo im Pressezelt von Bosco Gurin im Bulletin der Rennleitung und findet den perfekten Schluss für seine Geschichte: «Pechvogel-Preis, 300 Franken für Alex Zülle, gestiftet von der Firma Hakle-Feucht.»
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Unters Dach mit dieser Form Jan Hirschi Es gibt diese Wettsteinsche Spezialform. Oben rechts, grauer Titel, am liebsten geflattert. Und dann gibt es diesen Mann am Sportdienstpult, der partout nicht einsehen will, dass die Lex Tagi hier nicht greifen kann. Dass es eben keine Analyse ist. Und nein, es ist auch keine Einschätzung und schon gar kein Essay. Sondern einfach ein Text mit Meinung drin. Die Fronten sind bezogen, der weitere Ablauf klar, weil die Situation beiden so vertraut ist. Hier der Chef, der von seinem Mitarbeiter ja nur etwas Kreativität und Flexibilität erwartet. Da der Mit-
arbeiter, der nicht in den Verdacht geraten möchte, beim Chef nachgiebiger zu sein und sich deshalb besonders stur gibt. Dann, eines Tages, bietet der Sportdienstpultler seinem Chef schon fast feierlich an: «Wir schreiben einfach deinen Namen hin und verzichten auf die Textetikette.» Der Chef, verblüfft: «Du wirst aufs Alter ja noch richtig vernünftig.» Schrecklich alt Meine erste Reaktion: Ich fühlte mich schrecklich alt. Die zweite, vernünftige: welch schönes Verständnis von Vernunft,
lieber Fredy! Nicht immer das tun, was die Chef-Chefs sagen. Nicht in erster Linie danach handeln, was korrekt ist, sondern danach, was richtig ist. Meine dritte Reaktion, wieder ganz im Dienstpultler-Modus: Diese vermaledeiten Meinungsformen, mit ihnen kann man als Produzent nur verlieren. Ich schlage deshalb vor: Machen wirs mit der Wettsteinschen Spezialform wie mit legendären Rückennummern. Ziehen wir sie unters Hallendach und vergeben sie nicht mehr. Ausser natürlich, der Besitzer braucht sie für seine Comebacks.
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Rapportieren in Japan Ueli Kägi Es ist ja so, wir Mitstreiter aus Deinem Arbeitsleben kennen das: Wenn Dich, lieber Fredy, etwas beschäftigt, wenn Du über etwas reden willst oder über etwas berichten, wenn Du ein Problem lösen oder eine Sorge teilen willst, dann hast Du ein beliebtes Mittel: Du greifst zum Hörer. So war das auch damals, 2002, in Japan, an der WM. Erinnerst Du Dich? Es gab ja immer wieder Hürden in diesem Land. Vor allem sprachliche. Oft war es schwierig, jemanden zu finden, der helfen konnte bei einem Problem. Die Japaner helfen zwar sehr gerne und eifrig. Sie sagen: «Yesyes.»
Verstehen tun sie aber meist: Nichts. So sind sie doch!? Erinnerst Du Dich? Du warst gerade angekommen und musstest zum ersten Mal innerjapanisch reisen. Ich glaube, es war nach Oita. Da bist Du mit dem Zug hin und hast vor Ort ein Taxi genommen. Der Fahrer verstand kein Wort, was Du sagtest. Und Du verstandest kein Wort von dem, was er sagte. Man muss es so sagen: Ihr wart keine besonders erfolgreiche Gemeinschaft. Was genau passiert ist, weiss ich nicht mehr. Doch es muss ungefähr so gewesen sein: Ihr habt Dein Hotel nicht
gefunden. Und dann wohl auch das Stadion nicht. Oder kein Restaurant. Und vermutlich auch noch ein Trainingsquartier verpasst. Und Du hast rapportiert. An mich. Manchmal fast im Minutentakt. Du warst entnervt. Und belustigt. Oder beides zusammen. Am Ende hatte ich von Dir rund ein Dutzend Anrufe erhalten innert ungefähr drei Stunden. Schade, habe ich den Zettel nicht mehr. Ich habe mir damals nämlich jeden Anruf und den Zeitpunkt notiert und dann meinerseits ths. nach Südkorea rapportiert. Wie es Dir geht. Und mir.
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Freundschaft per Sie pflegen Gilbert Gress Wie lange kennen wir uns jetzt? Oh, oh, oh . . . 30 Jahre? Oder 25 Jahre? Was ich sicher weiss: In dieser Zeit hat sich zwischen uns fast eine Freundschaft entwickelt, eine menschlich gesunde Beziehung. Und was mir an Ihnen immer gefallen hat, ist ihr Charisma. Mein Gott, wenn ich das vergleiche mit anderen Journalisten, auch in Frankreich. Journalisten haben es mit mir nicht immer so einfach gehabt, gell. Mit Ihnen ist das immer anders gewesen – von Anfang an. Das sind Sympathien, die spontan entstehen. Sie waren bei Xamax dabei, im
Europacup, bei der Nationalmannschaft, als ich da Trainer war. Ich habe immer gelesen, was Sie über mich geschrieben haben, klar, wenn der Meister schreibt, muss ich das doch lesen. Ich kann Ihnen heute sagen: Ich bin mit Ihnen immer zufrieden gewesen. Überrascht Sie das? Wir sind noch immer per Sie. In der Schweiz ist man schnell per Du. Gilbert Facchinetti hat auch allen Du gesagt, nur mir nicht. Ich habe immer alle Spieler gesiezt, auch die jüngsten. Aber ich sage, man kann auch per Sie eine Freundschaft haben und pflegen.
Wenn man ganz oben, und wenn es am Schönsten ist, soll man aufhören. Hat Leutert gesagt, um mir zu erklären, warum es für mich beim Schweizer Fernsehen nicht mehr weitergeht. Darum hören Sie jetzt auch auf – weil es am Schönsten ist . . . Ich bin der Beste in drei Sachen: im Fussball, im Kartenspielen und in noch etwas, in allem anderen bin ich eine Null, Null, Null. Was das dritte ist? Das kann ich nicht sagen, meine Frau sitzt gerade neben mir. Aber wer das wissen will, soll Sie fragen, Fredy, Sie wissen es.
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Das letzte Protokoll Daniel Wehrle Herrliberg Kerenzerberg Zurzach Aegeri Meggen Vitznau Brunnen Lugano Weggis
Sarnersee Gersau Lilienberg Stein am Rhein Walchwil Küsnacht Üetliberg Kilchberg Glashaus
Strukturen und Kulturen. Konzepten und Rezepten. Und einer Aargauer Redaktorentochter. Diskussionen, befruchtend, belastend, beflügelnd, befangen, bedeutend, bemühend, befreiend.
Aufbau. Ausbau. Umbau. Abbau. Raubbau.
Selbstsport, mit Karten und Schlägern. Ruderbooten und Fitnessgeräten. Badehosen und Nach(t)durst.
Geburten, schwere und leichte. Von Seiten und Spalten. Serien und Theorien.
Geselligkeit, auf Bergen und (Stadion-) Bauten, Schiffen und Höhen, mit Grilla-
den und Eskapaden. An Theken und Tresen, überbordende Spesen. Herbsttradition. Am Wasser, auf Hügeln. Im Nebel, unter (5) Sternen. In Denkforen und Heilbädern. Dann noch im Glashaus. Und Protokolle. Jährlich (erstellt). Ehrlich (gemeint). Spärlich (befolgt). Gelegentlich (wiederentdeckt). Aber leider endlich. Und am Ende nur noch legendlich. Die Retraite.
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typischer Ist Fredy ein
Journalist?
Köbi Kuhn Ich hatte unzählige Begegnungen mit Dir, Fredy, viele schöne, unvergessliche Momente erlebten wir zusammen, mit der Nationalmannschaft. In Istanbul sassen wir nach der WM-Barrage 2005 die ganze Nacht bis morgens um 5 Uhr zusammen im Hotel, und ich glaubte, jemand hätte die Uhr vorgestellt. Die Zeit verflog. Oder wir verbrachten einen schönen Abend mit Vertretern des FC Bayern, Deinen Lieblingsprotagonisten. Ich frage mich: Bist Du ein typischer Journalist? Ich glaube nicht. Du hast eine
Gabe, die vermutlich eine Seltenheit ist in diesem Geschäft. Du schreibst für die Zeitung, musst kritisch sein und Distanz wahren, und trotzdem schaffst Du es, freundschaftliche Banden zu knüpfen. Wir Fussballer sind schon in der Lage zu differenzieren, wie die Journalisten funktionieren. Du hast dich auch nie in den Mittelpunkt gestellt, sondern hast mir mit Deiner zurückhaltenden Art imponiert. Du warst nie ein Selbstdarsteller, nie ein Lautsprecher. Einmal, 1970, haben wir sogar im Schweizer Cup gegeneinander
gespielt, Du im Tor des FC Küsnacht, ich beim FCZ. Es ist schwierig zu beurteilen, wie gut Du als Goalie warst, das muss an Deinen starken Vorderleuten gelegen haben. Ich habe es leider nicht fertig gebracht, Dich zu bezwingen. Aber das lag daran, dass ich, warum auch immer, als Libero nominiert worden war und nicht in den Abschluss kam . . . Ich freue mich, mit Dir alte Zeiten auffrischen zu können, ich freue mich auf lustige Treffen mit Dir und Gespräche – von Pensionär zu Pensionär.
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Auf der Marienhöhe im Kurpark Thomas Schifferle Du kommst aus München, woher sonst? Ich glaube, von einem Interview mit Uli Hoeness. Wir treffen uns in Köln, mieten uns ein Auto, einen Audi, und haben keine Ahnung, wie man es startet. Wir sind uns daran gewohnt, dass man einen Schlüssel im Zündschloss dreht. Aber hier ist die Technik neu, wir brauchen Hilfe. Ein Angestellter zeigt uns, dass man den Wagen mit dem Gaspedal starten muss. Wir wollen nach Bad Bertrich, versteckt in der Eifel. Zum Glück gibt es GPS. Köbi hat diesen Ort als Quartier für die WM in Deutschland ausgegraben, darum sind wir
da, es ist früh im April 2006. Wir schauen uns das Hotel an, das wir vorreserviert haben. Wir sitzen nachher auf der Terrasse des «Fürstenhofs», angeblich fünf Sterne wert. Wir bestellen eine kalte Platte, schauen in den Kurpark, bekommen gummigem Käse serviert, rümpfen die Nase, sehen Leute, die an Krücken gehen, und realisieren, wo wir gelandet sind. In einem Dorf, das von den Alten und Kranken lebt, von Kur- und Krampfaderkliniken. Die erste Bilanz: Hotel schlecht, Essen lausig, Umgebung trostlos, Handyempfang gestört, weil das Dorf in einer Senke
liegt. Du kommst in Fahrt. An diese WM gehe ich nicht!, sagst du, die Akkreditierung, die gebe ich zurück! Gute Laune sieht anders aus. Zwei Monate später wohnen wir auf der «Marienhöhe», wunderbar, die Schweiz scheidet aus, reist ab, Du bleibst noch da, für einen Tag, und gehst runter in den Kurpark. Du rufst mich an und fragst: Hörst Du das? Das Kurorchester Hungarica spielt. Du bist begeistert, als wäre Bruce da, und Du weisst in diesem Moment: Besser als hier haben wir es während einer WM nie treffen können.
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Der erklärte Liebling Ulla Rebentisch Der Herr Wettstein . . . Ich erinnere mich, wie er im Januar 2006 eine Mail schickte und fragte, ob wir für ihn und seinen Kollegen ein Zimmer frei hätten, sie würden im Juni zur WM nach Bad Bertrich kommen. Natürlich konnten wir den Wunsch erfüllen, und dem Herrn Wettstein haben wir eines unserer schönsten Zimmer gegeben. Er war unser erklärter Liebling. Überhaupt waren die Sympathien für unsere Gäste aus der Schweiz gross. Der Herr Wettstein hat bei uns gern auch Gebrauch vom Wellnessangebot gemacht, sich mal eine Massage gegönnt oder ein
Glas Rotwein genossen, vorzugsweise den «Maximilian» vom Weingut Kallfelz. Wir haben für die Delegation des «TagesAnzeigers» gemacht, was wir tun konnten. Wenn es in aller Frühe losging, stand unsere Frühstücksdame, die Frau Klingels, mitten in der Nacht auf, um ihnen Essen mitzugeben, sie sagte: «Meine Jungs dürfen unterwegs nicht Hunger haben.» Über uns hat der Herr Wettstein im «Tages-Anzeiger» sogar geschrieben, etwas ganz Schönes, Rührendes, ich habe den Artikel immer noch: «Es ist die WM von Franz Beckenbauer, aber es ist auch
die WM von vielen Ulla Rebentischs, von lieben Menschen, die dafür sorgen, dass sich die Welt in diesem schwülen Sommer so wohl fühlt in Deutschland.» Wir haben heute noch Kontakt, vor allem zur Weihnachtszeit, wenn wir einander gute Wünsche fürs neue Jahr schicken, und wir reden heute noch über die Zeit 2006. Jetzt gehen Sie in Pension und irgendwie scheint es eine Fügung zu sein: Ich tue dasselbe. Das Waldhotel «Marienhöhe» habe ich verkauft, irgendwie leider, irgendwie aber ist es gut. Ich hoffe auf ein Wiedersehen – in Hannover.
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Erzähl mir eine Geschichte! Dominique Eigenmann
Wie alle habe ich viel von fw. gelernt. (Für die, die es nicht wissen: Das Kürzel ist sein Kosename.) Als jungen Journalisten holte er mich vor ziemlich genau zwanzig Jahren auf die Redaktion. Ich war neunmalklug, glaubte auch, schreiben zu können, aber in Redaktionsdingen war ich ohne jede Erfahrung. Das änderte sich bald. An grenzenlosen Wochenenden lernte ich Handwerk und Kunst, Kunst und Handwerk. In beidem war fw. ein Leuchtturm. Ich lernte bei ihm, wie man ein Ereignis sozusagen in die Hand nimmt und daraus eine oder zwei oder vier oder fünf Seiten formt. Er holte eine alte Zeitung aus dem Regal und malte mit grossem Schwung und dickem Filzstift die neue Zeitung, wie sie in seinem Kopf gerade entstand, darüber. Es waren kreative Akte voller Freude und Freiheit. Ich lernte, wie wichtig Emotionen für unsere Arbeit
sind. Wenn fw., vor Begeisterung leuchtend, vom Fernseher kam, weil er gerade etwas Aussergewöhnliches gesehen hatte, oder wenn er bestürzt dreinblickte, weil gerade etwas Schreckliches passiert war, dann wusste ich, dass es Zeit war, die geplante Zeitung wegzuwerfen und eine neue anzufangen. Und ich lernte von ihm, den Zweifel zu lieben. Wenn er kam, die Lippen schürzte, die Stirn runzelte, den Kopf zu schütteln anfing und als erster das Unbehagen aussprach, das uns alle, ohne dass wir so richtig gewusst hätten warum, längst erfasst hatte: dass nämlich irgendetwas in unseren Plänen nicht stimmte. Das Wichtigste was ich von fw. lernte, war aber dies: Dass das Edelste unseres Berufes nicht das Informieren ist, sondern das Erzählen. fw. erzählte überwältigend gerne Geschichten, und wenn es auch manchmal solche waren, die er
gerade erst selber gelesen hatte. Darum wollte er schreiben, und genau das, und nicht weniger, verlangte er von seinen Leuten: «Schreibt Geschichten. Mehr braucht es nicht.» Wie liebevoll-streng er in diesem Anspruch war, zeigte sich für mich in einem Detail, das ich nur von ihm kenne und seither auch nicht mehr angetroffen habe. Legte er im Redaktionssystem für einen von uns eine Leerform an, in die man dann im Laufe des Tages oder Abends das Gewünschte hineinschrieben würde, dann stand da nicht: «Hier kommt Text, 84 Zeilen, bis 22.30 Uhr». Sondern da stand: «Lieber de., hier ist ein wunderschöner Platz, um zu beschreiben, wie Dein Lieblingssprinter die Tartanbahn hinunterfliegt und die Welt verblüfft. Und vergiss nicht, was dann noch geschah.» Wer würde es nicht schreiben wollen? Wer nicht lesen?
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Thomi Niggl
Virtuose
zwischen Wissen und Verschweigen Schubiger
Schon in den 70er-Jahren war Fredy irgendwie mein Chef. Ich war Fussballprofi bei den Grasshoppers, Fredy mit seiner spitzen Feder der Journalist beim Tagi, der meine Leistungen schon damals streng benotete, wie er das auch als mein Vorgesetzter beim Tagi in unserem letzten Jahresgespräch handhabte. Mit Valium im Gepäck Was heute undenkbar ist, war damals absolut noch möglich. Der Journalist Wettstein fuhr 1979 nur eine Stunde nach dem letzten Saisonspiel der Grasshoppers mit dem Verteidiger Niggl in die Sommerferien. Mit von der Partie waren auch die beiden GC-Brüder Heinz und Herbert Hermann. Die zwei weissen Fiats, mit denen wir nach Saint-Tropez düsten, waren Leasing-Autos des Klubs, die deshalb auch mit den Namen der Spieler beschriftet waren, was Beifahrer und Journalist Wettstein allerdings nicht daran hinderte, trotzdem mitzufahren. Die Ferien verliefen, gelinde gesagt, ziemlich turbulent. Doch wir hatten vorgesorgt und glücklicherweise genug Valium in unserer Reiseapotheke, damit wir nach diversen Abstürzen nach dem Aufwachen mit Brummschädel um die Mittagszeit kein Zitter-, sondern ein relativ ruhiges Händchen hatten. Was er nicht wissen wollte, wusste er nicht Beliefert mit Valium hat uns übrigens der damalige GC-Physiotherapeut Hans Brunner, der ehemalige Betreuer von Eddy Merckx, der uns Spieler vor wichtigen Partien auch mit stimulierenden Substanzen versorgt hatte. Der Journalist Wettstein wusste nichts und wollte nichts davon wissen, obwohl er es natürlich genau wusste. Er wollte die Freundschaft zu Niggl und den beiden Hermanns nicht wegen einer unbedeutenden Doping-Story im Tagi aufs Spiel setzen. Fredy ist als Journalist nicht nur ein Virtuose auf der Schreibmaschine, er war schon damals auch ein Virtuose zwischen Wissen und Verschweigen.
Ein Neuer im Rücken Frau Schubigers Aufatmen nach dem WM-Schlusspfiff hatte wohl die Windstärke, um noch am Zuckerhut die HJ-Frisuren der frischgebackenen Weltmeister durcheinanderzuwirbeln. Obwohl sie auch wusste, dass Schubigers Heimkehr aus dem inneren Maracanã zugleich seine Rückkehr in den real existierenden Letzigrund bedeutete. Dort erkannte Schubiger bald, dass nun nichts mehr Fifa und alles wieder super war. Und dass es eine Änderung auf der wichtigen Position im Rücken seiner Mannschaft gegeben hatte: Im FCZ-Tor stand zwar immer noch Da Costa, aber hinter Schubiger sass ein Neuer. «Gestatten, Weinstett», stellte sich der mit ausgestreckter Hand vor. Weil man einander doch kennen lernen müsse, wenn man als Saisonkartenbesitzer und Sitznachbarn eine Schicksalsgemeinschaft bildete. Goalie sei er, aber neuerdings im Ruhestand, sagte Weinstett. Und dass er sich darauf freue, nun endlich die Musse zu haben, seine Fussballerfahrung auf der Tribüne einzubringen. Das konnte ja heiter werden. schubiger@tages-anzeiger.ch
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Oliver Meiler Viel Zuckerbrot, wenig Peitsche Es gibt einen Cheftrick, der nicht jedem Chef gleich gut gelingen mag. Und als Zudiener, an dem der Trick appliziert wird, ist man in diesen Belangen ja ganz illusionslos, wenngleich unerhört empfänglich. Das Lob für die Arbeit, so weiss der gute Chef, spornt den Gelobten so sehr an, dass man von Letzterem auch in unmöglichen Momenten schier alles verlangen kann. Das Lob ist Motor, ist Weckruf. Fredy lobte immer so gekonnt, dass man gar nicht Nein sagen konnte. Nicht etwa dass man sich in der Meinung gewogen hätte, alleiniger Empfänger solchen Lobs zu sein – eher ganz im Gegenteil: Man hatte immer das gute Gefühl, dass
das Lob generös und allenthalben floss. Viel Zuckerbrot, wenig Peitsche, wenn man einen verflossenen Fussballlehrmeister paraphrasieren wollte. Und so kam es doch recht oft vor, dass neben viel politischer Schreibarbeit immer doch auch noch etwas Zeit war für Calcio, für Foot, für Fútbol. Ein Abpfiff, ein Porträt, ein Seitenblick. Ein Nein hätte nicht aufs Lob gereimt, hätte irgendwie schnöde gewirkt. Calcio aus Singapur Besonders kühn aber war die Anfrage vor einigen Jahren, es war 2008, nachdem einem Schweizer Fussballverein (war es der FCZ?) in einem europäischen Wett-
bewerb die AC Milan zugelost wurde und diese im Blatt vorgestellt gehörte. Der Anruf erreichte den Zudiener in Singapur, einer Stadt, in der Badminton Nationalsport ist und sich die Ansässigen allerhöchstens für die Premier League interessieren. «Du verfolgst doch den Calcio», sagte Fredy, «Du bist doch nahe dran?» Nun ja, einen halben Erdumfang entfernt, tropisch benebelt. «Achtzig Zeilen?» Gehen natürlich immer, zumal dann, wenn man das Gefühl vermittelt bekommt, der einzige Autor auf Erden zu sein, den man dazu lesen möchte. Ein Trick, aus dem Ärmel gezaubert, ein klassisches Win-win. Grazie, Fredinho.
Urs Ritschard Und Captain warst Du Manchmal lag er waagrecht in der Luft. Gut einen Meter über dem Boden. Zugegeben, vielleicht sah ich nicht mehr ganz klar. Es war schon heiss, am Morgen in der Küsnachter Badi, und der Schweiss rann mir in Strömen über das Gesicht. Immer wieder schoss ich, und Fredy hechtete und hechtete. Fast mehr als seine Paraden beeindruckte mich, wie schnell Fredy jeweils wieder auf den Beinen war und wie professionell er mir jedes Mal den Ball zurückwarf. Mit der ganzen Klasse eines Mannes, der schon Dutzende von Weltklasse-Goalies live in Aktion gesehen hatte. Eine wunderbare Mischung von Karl Grob bis Dino Zoff.
Irgendwann hatten wir genug. Vielleicht spürte Fredy seine Knie, oder ich meine wunden Füsse. Dann stürzten wir uns in den kühlenden Zürichsee und schwammen weit hinaus. Das Leben war herrlich. Unsere Badetücher zum Abtrocknen waren einfach zu finden. Wir mussten nur nach einem Stapel Zeitungen Ausschau halten. Fredy ging nie in die Badi ohne die «Gazzetta dello Sport», die l’«Équipe», den «Sport», den es damals noch gab, die «Süddeutsche», die «Frankfurter Allgemeine» und natürlich die wichtigsten Schweizer Tageszeitungen. Ich erinnere mich an einen sonnigen Morgen, an dem die ganze Sportredak-
tion des «Tages-Anzeigers» in der Küsnachter Badi im Einsatz war: Peter Bühler, Martin Born, Werner Schweizer, Guido Tognoni, Fredy und ich. Auf den Badetüchern liegend, planten wir schwitzend die Zeitung der Zukunft, diskutierten über neue journalistische Gefässe. Fredy sprühte trotz der Hitze wie gewohnt vor Ideen. Viele konnten wir tatsächlich auch verwirklichen, denn damals bekamen wir jedes Jahr mehr Seiten, mehr Platz, mehr Geld für Reisen und Reportagen. Die Welt der Blattmacher stand uns offen. Und Captain unserer Mannschaft warst Du: Fredy, der Goalie.
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Fredy Bickel Grosser Bruder im Hintergrund Ich kenne Dich mittlerweile seit 35 Jahren. Als wir uns das erste Mal begegneten, war ich noch ein Sekundarschüler in Mettmenstetten. Du kamst mit Livio Zanetti, von dem ich in meiner Klasse immer schwärmte, weil er bei GC stets das Optimum aus seinen eigentlich begrenzten Fähigkeiten herausholte – und der eines Tages tatsächlich in unser Dorf kam, um mit uns zu tschuutten. Du hast ihn begleitet, und von diesem Tag an entstand eine Freundschaft, auf die ich nicht mehr verzichten möchte. Zanetti war mein Idol als Fussballer, und Du warst der Journalist, der mich inspirierte, dessen Texte ich verschlang. Einmal hast du getitelt: «Livio Zanetti oder das Glück, auch einmal Glück zu haben». Wunderbar! Solche Zeilen vergesse ich nie. Tief bewegt hat mich auch, wie Du in naher Vergangenheit mit der Geschichte um Deinen Freund Uli Hoeness umgegangen bist. Kritik per SMS Ich wollte auch Journalist werden, und als zu jener Zeit die Lokalradios aufkamen, absolvierte ich beim «Sunshine» ein Praktikum. Du warst damals wie ein grosser Bruder im Hintergrund, ein Freund, der immer da war und mir wertvolle Tipps gab. Und Du hast das beibehalten, was ich ungemein schätze. Du bist nicht einer, der mir nur auf die Schultern klopft, wenn ich vielleicht einmal etwas gut gemacht habe, sondern Du tadelst auch. Als ich unlängst einmal
in einem Spiel mit YB gegen GC etwas die Nerven verlor und man das am TV sah, hast Du mir sofort ein SMS geschrieben und mitgeteilt, dass ich mich nun aber augenblicklich zurücknehmen solle, ich mich unmöglich benehmen würde. Herz am richtigen Fleck So warst du früher, so bist Du heute. Ein Wegbegleiter, der irgendwie immer eine schützende Hand über mich hält und es ehrlich meint mit mir. Wir telefonieren nicht jeden Tag, wir ziehen nicht um die Häuser zusammen, aber wenn wir uns zum Essen treffen, wenn wir ein Glas Wein zusammen trinken und gut und lange reden, sind das besondere Momente. Und nie hast Du versucht, Informationen von mir zu bekommen, um daraus in der Zeitung eine grosse Geschichte zu machen. Seit der Saison 1991/92 bin ich im Fussball tätig, und ich glaube, Du hast kaum zehn Artikel über mich geschrieben, weil Du nie den Eindruck erwecken wolltest, dass wir verbandelt sind. Auch das zeigt mir eines: Du hast den Überblick, einen beneidenswerten Verstand, bewegst soviel. Trotzdem stellst Du Dich immer und immer wieder in den Hintergrund. Das macht Dich zu einer Persönlichkeit, die das Herz am richtigen Fleck trägt, zu einem grossen Menschenversteher, der sich nicht wichtiger nimmt, als das Leben überhaupt ist. Wer sich Dein Freund nennen darf, muss ein glücklicher Mensch sein.
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Arno Del Curto
Ein
toller
Mensch
Meine erste Begegnung mit Fredy hatte ich vor 30 Jahren, als ich in Küsnacht wohnte. Beim abendlichen Spaziergang mit dem Hund kam ich immer am Fallacher in Itschnach vorbei, wo die Senioren des FC trainierten. Ich ass meine Wurst und kam immer öfter durch den Zaun mit dem Goalie ins Gespräch, der mit riesigem Engagement, manchmal pflotschnass und frierend nach jedem Ball sprang oder hechtete. Das war Fredy. Heute kenne ich ihn besser. Wir sind Freunde geworden. Immer wieder treffen wir uns – in Davos, in Zürich. Oft fuhren wir am spielfreien Abend des Spengler-Cups für einen lustigen Abend ins Walserhaus hinten im Sertigtal. In den letzten Jahren war er manchmal für eine kurze Auszeit auf der Schatzalp. Wir sprechen da über Hoeness, den FCZ, den HCD, die Beziehungen – über Gott und die Welt. Ich bin extrem gerne mit ihm zusammen. Er hat eine Art, die mir gut tut. Er strahlt eine Wärme und Ruhe aus, die man selten spürt. Er ist ganz einfach ein toller Mensch
Mehr ein Liebhaber Philipp Muschg Wann war es, dass fw. mir erstmals begegnete? Es muss am Frühstückstisch gewesen sein in den 1980er-Jahren: als ich morgens um sechs aufstand, um genug Zeit für den Tagi zu haben. Um 6.55 Uhr fuhr der Bus von Kilchberg in die Stadt, wo kurz darauf die Schule begann, und bis dann mussten abgehakt sein: Frühstück, Sportteil, Dusche. Nichts zeigt den Stellenwert dieses einsamen Morgenrituals besser als mein heutiger Tagesablauf, der so gar nicht der eines Frühaufstehers ist. Auch sonst war die Welt eine andere: Es gab Kalten Krieg, jedoch kein Internet, die Kloten Flyers waren der EHC. Der Blick aufs Vergängliche Fredy aber war schon da. Im Licht meiner eigenen Biografie heisst das: immer schon. Dabei hat fw. kaum über meinen Lieblingssport und seinen Lieblingsclub geschrieben. Nur drei Artikel über Kloten finden sich von ihm im SMD-Bestand – und alle mit demselben Thema: Abschied. 1996 erinnerte Fredy bei einem Besuch im frisch renovierten Schluefweg an all
das, was er nun vermisste: «Stimmung, Leben, Ambiance, Emotionen.» Der Blick von fw. war stets einer aufs Vergängliche. 2002 beschrieb er, wie der lädierte Felix Hollenstein in einem Playoffspiel nach zwei Dritteln in Zivil auf der Tribüne ein letztes Mal aufs Eis zurückkehrt. 2011 schrieb er über Kimmo Rintanen in dessen finaler Kloten-Saison aus der Sicht eines «Fans, der nicht fanatisch, sondern mehr ein Liebhaber ist». Genau dieses Rollenverständnis war es, mit dem Fredy und mit ihm der TA sich in meiner Jugend abhob vom Gros der Sportjournalisten, das sich in Oberlehrer, Fanatiker und Populisten teilte. Dagegen war fw. der melancholische Liebhaber, der um die Unwiderbringlichkeit jedes Augenblicks, jedes Spielzugs, jeder Gefühlsregung weiss – und sie umso entschiedener festzuhalten sucht. Ein persönlicher Protest gegen den Abschied an sich. Nun tun wir alle es ihm gleich. In einem Buch, in dem Fredy nicht Beobachter ist, sondern Beobachteter. Und der Schüler von einst keine Spur fanatisch.
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Silvan Schweizer Der Nostradamus unter den Tippern Ich musste fast drei Jahre lang warten. Aber im Frühling 2004, kurz vor den Lehrabschlussprüfungen, kam ich endlich zum Tagi-Sport. Die KV-Stifti hatte ich damals bei der Tamedia vor allem auch in der Hoffnung gemacht, irgendwann einmal in dieser einen Abteilung schnuppern zu können. Ein Bein in die Bürotüre zu halten bei jenen, die ich täglich las und beneidete. Wegen ihrer Arbeitsorte in den Stadien dieser Welt. Wegen ihren Schreibkünsten und Gedankenblitzen. Ich weiss es noch genau. Am ersten Tag, ich nahm neben Thomi Schifferle und Christian Andiel Platz, fiel mir ein Ausriss auf, der an einer Pin-Wand hing. Er stammte aus einem Vorschaumagazin
zur WM 1998. Die Experten orakelten über den Weltmeister. Günter Netzer stand im Aufgebot und wählte Brasilien. Thomi trug noch seinen Polizistenschnauz und tippte auf Italien. Oeschgi hatte die Mähne zu einem üblen Vokuhila frisiert und ebenso abenteuerlich war seine Wahl: Nigeria. Und unten rechts war auch der Sportchef abgebildet, damals noch mit etwas üppigerer Haarpacht, der schrieb: «Italien? Ich drücke (vergeblich) die Daumen. Brasilien? Im Final, doch Ronaldo wird am 12. Juli müde sein. Frankreich? Frankreich! Damit die WM ein unvergessliches Fest wird. Und Zinedine Zidane mehr als nur ein poetischer Name.»
Ich liess meine Gedanken in die Vergangenheit schweifen und dachte: «Wie kann so etwas sein?» Es war alles exakt so herausgekommen, wie Fredy es prophezeit hatte. Nicht nur die Finalpaarung und der Weltmeister stimmten. Auch die Sache mit Ronaldo, der im Final angeschlagen war. Und Zidane, der zur grossen Figur des Turniers wurde. Ich war tief beeindruckt. Von diesem Menschen, diesem Nostradamus unter den Fussballtippern, wollte ich lernen. Glücklicherweise bemerkte er auch etwas in mir, dass ich ein Sportvernarrter bin und bot mir nach der Lehre eine Stelle als Dienstredaktor an. Dafür werde ich Dir, lieber Fredy, ewig dankbar sein.
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«Zweifle nicht an dem, der dir sagt, er hat Angst aber hab Angst vor dem, der dir sagt, er kennt keinen Zweifel.» Erich Fried, 197
«Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können – das macht den Journalisten.» Karl Kraus
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«Erfolg ist nicht für die Ewigkeit, und Misserfolg ist nicht tödlich.» Don Shula, Coachinglegende im American Football
«Der Mensch hat drei Wege, klug zu handeln. Erstens durch Nachdenken: Das ist der edelste. Zweitens durch Nachahmen: Das ist der leichteste. Drittens durch Erfahrung: Das ist der bitterste.» Konfuzius
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Vom Peter Herzog
Bernabéu
bis ins Brügglifeld
Am 7. Juli 1974 sass Fredy aufgeregt hoch oben im Münchner Olympiastadion. Er war damals 22 Jahre alt, schrieb für die Zürichsee-Zeitung und erlebte seinen ersten WM-Final im Fussball. Seither hat er nur ein WM-Endspiel verpasst. Das war vor vier Jahren, in Südafrika. Er erlebte 1978 das Campeonato Mundial de FÚtbol unter der Militärdiktatur in Argentinien. Er sah, wie Italien am 11. Juli 1982 die Deutschen im Bernabéu beim Final 3:1 auskonterte, er war Zeuge, wie Argentinien 1986 unter der Regie von Maradona in Mexiko im Aztekenstadion wieder Weltmeister wurde. 1990 schleppte Fredy zwei 50 kg schwere Koffer voller Archivmaterial an die WM nach Italien, schrieb lange Geschichten über Klinsmann als Spieler und Weltmeister. Vier Jahre später musste er entsetzt mit ansehen, wie
Roberto Baggio im Rose Bowl Stadion in Pasadena den Ball beim Penaltyschiessen an die Latte drosch und Brasilien Weltmeister wurde. Am 11. Juli 1998 im Stade de France zu Paris schwelgte er von Zinédine Zidane und seinen beiden Kopfball-Toren, die den Bleus den Weg zum Titel gegen Brasilien ebneten. Vier Jahre danach in Japan erlebte er das 2:0 der Brasilianer gegen Deutschland und den 5. WM-Titel der Seleção. Im Berliner Olympiastadion schrieb er 2006 ratlos über Zidane, der nach seinem Kopfstoss gegen Provokateur Materazzi die Rote Karte sah, worauf Italien Weltmeister wurde. «Brasilien wird mein 10. WM-Final», sagte mir Fredy vor ein paar Wochen. «Das sind gleich viele wie Sepp Blatter hat.» Aber ich bin sicher, er weiss nicht, in welchem Stadion er am 5. Juni 1993 sass;
nicht auf der Pressetribüne, sondern unmittelbar neben der Trainerbank auf einem Fotografen-Stühlchen. Ich hatte das mit den Verantwortlichen des FC Aarau arrangiert. Fredy schrieb über den jungen, aufregenden Trainer Rolf Fringer und den Stumpen paffenden Ernst Lämmli, den Präsidenten. Der FC Aarau wurde an diesem historischen 5. Juni 1993 Schweizer Meister. Hinterher bekam Nichtraucher Fredy von der Firma Dannemann eine Schachtel teurer Zigarren zugesandt, mit einem höflichen Brief, in dem seine literarische Begabung gelobt wurde, aber auch mit dem unmissverständlichen Hinweis, dass Lämmli keine Stumpen rauche, sondern Zigarren. Ich weiss nicht, was Fredy mit den Zigarren gemacht hat, aber im Brügglifeld und so nahe am Spielfeldrand ist er seither nie mehr gewesen.
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Fredy, gerührt und geschüttelt Thomas Wyss Als ich vor bald zwei Dekaden meine Stelle als Teilzeitsekretär des Sportressorts antrat (im Jobsharing mit dem aus diversen Gründen unvergesslichen Hari Gögl), pflegte ich in den ersten paar Wochen die von Ehrfurcht geprägte Anrede «Morge Herr Wettstei» anzuwenden – schliesslich hatte mein Freundeskreis oft genug erwähnt, der Mann sei «eine lebende Legende». Doch dann zogen die Jahre ins Land, aus dem Grünschnabel wurde eine Art Journalist, aus der Legende mein väterlicher Copain, der motivierende oder tröstende Worte fand, wenn immer das nötig war – obwohl ich längst (und ja, auch leider) nicht mehr in seinem sportiven Ressort tätig war. Ja, und diese gemeinsame berufliche Reise führte schliesslich dazu, dass wir uns am Feierabend des 2. Juni 2014 auf einen Drink in der Rio Bar verabredeten. Ich war schon da, als sich Fredy an den Tisch setzte. Er schien durcheinander,
mehr noch, er wirkte wie ein misslungener James-Bond-Drink, sprich total gerührt UND geschüttelt: Immerzu nestelte er in einem Sichtmäppli herum, zog Papiere heraus und stopfte sie wieder hinein, dazu brabbelte er Sachen wie «Putzfrau» und «Rio» und «Endspiel». Ich holte ihm zur Entspannung ein gut gefülltes Glas Rioja, eine lauwarme Spinatwähe, und wahrhaftig: Eine Viertelstunde später hatte ich verstanden, was er mir die ganze Zeit hatte erzählen wollen – nämlich dass ihm sein Sport-Ressort vor rund einer Stunde als Geschenk zur Frühpensionierung einen Flug nach Rio
de Janeiro und ein Ticket für den WMFinal im Estádio do Maracanã geschenkt habe, und dass er in diesen ZuckerhutTagen im Haus seiner brasilianischen Putzfrau wohnen würde. «In den letzten Wochen wurde ich von allen Seiten wieder und wieder gefragt, ob ich zum Abschluss noch nach Brasilien gehe, und ich habe stets verneint, ich wollte doch in der Redaktion die Stellung halten. Und jetzt das.» Er war den Freudentränen näher als Nati-Stürmer Drmic in der 67. Minute gegen Jamaika dem Torerfolg. Ein unvergesslicher Moment, für uns beide.
PS: Unter uns: Dass ich als Treffpunkt die Rio Bar vorschlug, war kein Zufall – wie ein Grossteil der Redaktion und von Fredys privatem Umfeld war auch meine Wenigkeit in die generalstabsmässig organisierte Überraschungs-Übung eingeweiht.
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Peter M. Birrer Der perfekte Ausflug Was Du nicht alles weisst von und über die Bayern, mehr als viele andere, Du bist ein Experte der Roten. Dass Dante einmal 48 Stunden im Bus sass, um in Brasilien ein Probetraining zu absolvieren, und Philipp Lahm als Bub den Traum hatte, Bäcker zu werden, später Banker. Dass Bastian Schweinsteiger ein hochtalentierter Skifahrer war, mit Felix Neureuther unterwegs und am liebsten Knödel und Kaiserschmarrn ass. Und jetzt, da der 25. Mai 2013 naht, steigt das Fieber. Final der Champions League in London, die Bayern sind dabei, und Du schlägst vor, dass wir am Donnerstag aufbrechen, am besten schon am frühen Morgen. Du bist ausgerüstet und
vorbereitet, hast kiloweise Material im Gepäck, Mäppli mit Zeitungsartikeln und Statistiken, Lebensläufen und Bildern, das Archiv ist von beeindruckendem Umfang. Du titelst am Tag des Spiels: «Rote Logik – gelbe Chance.» Und hoffst, dass eintritt, was Du in Deinem ersten Satz des Brennpunkts schreibst: «Es gibt nur Gründe, warum der FC Bayern heute Samstagnacht im Wembley die Champions League gewinnt.» Wir fahren in den Norden Londons, natürlich rechtzeitig, und installieren uns auf den Plätzen. Du hast Dein eigenes Notebook dabei, aber etwas hast Du vergessen: einen Zwischenstecker, mit dem Du Dein Gerät aufladen könntest. «Im
Hotel gelassen», sagst Du, sitzt da, als würde nächstens die Welt einstürzen, aber Du fluchst nicht ein einziges Mal. Ist halt so. Du bleibst sitzen, es geht auf den Anpfiff zu, immer noch kein Strom, was jetzt? Du zuckst mit den Schultern, schaust hinunter auf den Platz, vielleicht überlegst Du: Liefert die Si. wohl genug? Bis plötzlich ein Kollege auftaucht, der auch so ein Gerät hat wie Du und vor allem einen Zwischenstecker, den er Dir ausleiht. Du strahlst. Leidest mit Bayern. Schreibst über Robben. Verabschiedest Dich in die Nacht, Du fährst ans Bankett des Siegers. Und bist glücklich. Es ist ein perfekter Ausflug geworden.
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Alex Trunz «Im Tor?» – Ein Telefongespräch an einem Sommertag im Jahr 2018 atr: (wählt Fredys Nummer) Ein kurzes Knacken in der Leitung. atr: (wählt erneut Fredys Nummer) fw: «Hallo Alex, jetzt geht es. Der Fingerprint-Sensor bei meinem neuen iPhone7fw kann ja gar nicht funktionieren, wenn ich Handschuhe trage.» atr: «Du im Sommer mit Handschuhen? Hast du jetzt auch einen Garten?» fw: «Nein, nein, ich stehe im Tor.» atr: «Im Tor?» fw: «Ja, die Altherren des FCZ und GC spielen im neuen Zürcher AllianzStadion gegen die Bayern-Legenden. Die Zürcher hatten keinen Goalie...» atr: «Und du stehst jetzt mit dem iPhone im Sechzehner...»
fw: (lacht laut) «Muss auch noch den Tagi-Liveticker betreuen!» atr: «Wie läufts? Schon mal getaucht?» fw: «Nein, musste ich noch nicht. Spüre aber auch so jeden Knochen. Die Bayern-Oldies haben zum Glück Müller-Wohlfahrt dabei. Sein Ponstan-Cocktail wirkt Wunder.» atr: «Wie früher beim JournalistenNationalteam. (kurze Pause) Nur noch kurz: Habe heute ein Gerücht gehört: Ottmar soll Sportdirektor bei YB werden, weil Bickel Delegierter des Nationalteams wird.» fw: «Ist mehr als ein Gerücht. Aber jetzt bitte noch nichts...» (plötzlich ein Pfiff im Hintergrund)
atr: «Fredy?» fw: «Mist, Penalty für die Bayern! Bleib dran...» (einige Momente vergehen, danach Gejohle, dann Fredys Stimme: «Danke, Uli») fw: «So, da bin ich wieder.» atr: «Gehalten?» fw: «Nein, Uli hat zu hoch gezielt. Wie 1976 im EM-Final.» atr: «Wohl absichtlich, ich wittere einen Wettskandal.» fw: «Nicht so laut! (lacht) Spass beiseite. Bitte noch nichts schreiben über Ottmar und Bickel.» atr: «Kein Problem, danke für die Info.» fw: «So, muss Schluss machen, sie finden den Ball nicht mehr... Bis bald!»
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André Behr Chef Fixstern
Trainer werden reihenweise entlassen, falls sich nicht entgegen jeglicher Lebenserfahrung Sieg an Sieg reiht, Manager wechselt man aus, wenn der Dagobert-Duck-Geldhaufen nicht stetig wächst, und auch Politiker kennen das abrupte Gehen-müssen bestens. Je gnadenloser diese Dynamik des materiellen Maximierens unseren Alltag dominiert, umso heller leuchten die Ausnahmen. Fredy Wettstein war schon da und Chef, als ich Ende der 80er-Jahre als Wochenend-Hilfsassistent debütierte und betulich Resultate für die frisch lancierte SonntagsZeitung eingeben durfte. Und er sitzt noch heute meist in seinem neuen Kabäuschen, wenn ich Freitagabends in das überdimensionierte Blockhüttenambiente des Sportressorts eintauche, in der Regel sitzend hinter Tastatur und Bildschirm, entweder schreibend oder telefonierend, aber immer bereit, auf ein Anliegen einzugehen. Woran liegt’s, wenn da einer über Jahrzehnte so beharrlich sein Dorf verteidigen und jeglichen Imperatoren trotzen
kann? Einer, der sich nicht mal nach gewonnener Schlacht auf einen Schild heben lassen mag? Vielleicht, weil er Trainer, Manager und Politiker der alten Schule in einem ist? Ein Trainer, der gegen Aussen vor sein Team steht und gegen Innen bilaterale Probleme bilateral löst? Ein Manager, der nicht vergessen hat, dass er von unten kommt und ein Biotop verkümmert, wenn man die Artenvielfalt platt macht? Ein Politiker, der schlau chargieren kann und als Torhüter weiss, dass trotzdem nie alle Schüsse abgewehrt werden können? In meinem Fall hat er bisher alle Schüsse Richtung Schachspalte erfolgreich pariert. Dafür würde ihm zumindest eine Ehrenmedaille des Schachverbands gebühren. Ein Jahresgespräch allerdings hatte ich nie. «Nobody is perfect», wissen wir spätestens seit dem wunderbaren Film von Billy Wilder. Auch ein Fixstern nicht. Aber das wiederum gehört ebenfalls zur Artenvielfalt
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Das erste
E-Mail von Fredy, dem Grossen
René Hauri
Kai Müller
Ich versichere: Ich lösche meine E-Mails regelmässig. Dieses eine aber hält sich hartnäckig in meinem Posteingang. Geschrieben wurde es am 26. März 2008, nur wenige Monate, nachdem für mich ein E-Mail-Konto beim «Tages-Anzeiger» eingerichtet worden war. Es erreichte mich in einem dunklen Bunker in Stäfa, von wo aus eine kleine Gruppe von Journalisten die Leser vom rechten Zürichseeufer über das Treiben in ihren schönen Gemeinden und auf deren Sportplätzen informierte. Unter ihnen muss auch ein gewisser Fredy Wettstein gewesen sein. Denn der war der Absender der Nachricht. Fredy Wettstein also schrieb: «Lieber Kai und René, habe gehört, unter welch zeitlichem Stress die Geschichte mit Borkovic zustande kam: Chapeau! Ist sehr gut. Nicht nur aktuell, sondern interessant. Gruss aus Zürich, Fredy.» Es schoss mir durch den Kopf: Das ist doch Fredy Wettstein, der Grosse! Der Sportchef des «TagesAnzeigers», der wohl bald sein 100-JahrJubiläum feiern dürfte. Rührung in den Niederungen Mit einem Mal waren ich und mein Kollege Kai Müller gerührt und geschüttelt. Diese Journalisten-Ikone würdigte unser bescheidenes Schaffen, das sich mehr-
heitlich mit den Niederungen des Regionalfussballs befasste. ER hatte uns gele-
Wir brauchten die Telefonnummer unseres neuen Helden. Müller telefonierte
sen. Und erst noch: IHM gefiel, was er gelesen hatte! Der Aufwand, er hatte sich nur schon deswegen gelohnt
sich durch, während ich in die Tasten hämmerte, schon einmal vorschrieb, was ich zu dem Zeitpunkt wusste. Er versuchte es beim FCZ, Borkovics Verein – erfolglos. Beim Fussballverband – erfolglos. Bei unseren Sportkoordinatoren – erfolglos. Sie aber gaben den Tipp: Versuchts bei Peter Bühler, dem FCZ-Guru des «Tages-Anzeigers». Letztlich kamen wir so zur Nummer von Yves Débonnaire, dem U-17-Trainer. Als Müller diesen erreichte, feierte das Team noch immer auf dem Rasen. Borkovic nahm sich Zeit für uns, wir strahlten über beide Ohren. Müller stellte auf Lautsprecher, ich schrieb mit, was der Matchwinner zu sagen hatte. Und pünktlich um 18.30 Uhr verliess die Seite Stäfa Richtung Druckerei.
Das Goal des Torhüters Am Abend zuvor waren Müller und ich mächtig ins Schwitzen geraten, auch wenn der Keller, in den kaum Tageslicht strömte, selbst im Sommer angenehm kühl war. Die Regionalausgabe musste um 18.30 Uhr in die Druckerei. Wir warteten an diesem Dienstag nur noch auf die Meldung aus Kroatien. Dort nämlich spielte die Schweizer U-17 um die EM-Qualifikation – und mit dem Uetiker René Borkovic war auch einer unserer Torhüter dabei. Dann, um 17.45 Uhr, meldet die Si: Die Schweiz hat 1:0 gewonnen und darf an die EM in der Türkei. Das entscheidende Tor fiel in der dritten Minute der Nachspielzeit. Noch unglaublicher aber: Der Torschütze war Borkovic, unser Goalie! Mein Herz pochte heftig, als ich das las, ich stupste das Bein meines Nachbarn an, der gerade mit irgendeinem Kunstradakrobaten, Rollkunstläufer oder Drachenbootfahrer am Telefon war. Er fragte nach, was los sei, und legte schnell auf: Unser Arbeitstag konnte von vorne beginnen.
Hier noch ein Zwischentitel Von dort aus erreichte sie am nächsten Morgen die Einwohner der Seegemeinden. Eben auch diesen einen: Fredy Wettstein, den Grossen. Dass der sich tags darauf auf diese Weise bei uns melden würde, wagten wir damals noch nicht einmal zu träumen. Ebenso wenig, dass wir schon bald direkt unter ihm, im grossen Zürich, würden arbeiten dürfen.
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Claudia Baldauf Das Karriere-Highlight Rot-blau. Ja, das sind meine Farben. Und das war gar nicht so schlecht, denn Blauweiss war schon zur Genüge vertreten auf dieser Redaktion. Es soll ja für Vielfalt gesorgt sein, der Tagi nennt sich schliesslich eine unabhängige Zeitung. Es war am 11. April 2013, als ich mit Fredy und Ueli ans Spiel FCB – Tottenham gehen durfte. Mein Platz war weder im Rot-blauen noch im Blau-weissen
Sektor, sondern neben den beiden Herren auf der Medientribüne. Es sollte ein denkwürdiger Fussballabend werden. Der FCB schlug Tottenham und zog somit in den Europa-LeagueHalbfinal ein. Für mich ein absolutes Highlight in meiner Karriere als BaselAnhängerin. Schwierig war einzig, dass ich von Fredy darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ich mich fantech-
nisch zurückhalten müsse. Es ist mir – mehrheitlich – gelungen. Auch wenn ich mir mehrmals auf die Zunge gebissen und diverse Ausbrüche unterdrückt habe, war es ein unvergessliches Erlebnis. Die Zusammenarbeit mit Dir, Fredy, war immer sehr angenehm. Ob ich für Dich nun eine Reise buchte oder nur Deine Druckerpatrone ersetzen musste. Danke.
Sarah Renfer Ein Tag mit Alain Sutter Schon immer war ich ein grosser Sportfan. Am Anfang gehörte mein Herz vor allem dem Fussball. Mit zwölf war ich ein sehr grosser Alain-Sutter-Fan. Ich sammelte alles, was ich im Tagi fand. Auch die Geschichte über «Alain Sutter – von Bümpliz zum Hardturm». Ein wenig war ich schon neidisch auf diesen Fredy Wettstein, der einen Tag mit Alain Sutter verbringen durfte. Dass Fredy einmal mein Chef würde, wusste natürlich zu diesem Zeitpunkt
noch niemand. Ich wusste nicht einmal, was für einen Beruf ich erlernen sollte. 15 Jahre später war ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung und las per Zufall dieses Inserat im Tagi: «Was wo läuft im Sport, wissen Sie immer! Als Sekretärin der Sportredaktion des Tages-Anzeigers und der SonntagsZeitung sind Sie ein Fan der Sportszene». Da wusste ich, das ist meine Zukunft. Fredy war mir auf Anhieb sehr sympathisch. Nun bin ich schon 14 Jahre beim
Tagi, und wir haben zusammen schon viele Stürme überstanden. Bereut habe ich noch keinen Tag! Du warst immer ein fairer Chef, gabst mir viele Freiheiten, wir haben viel zusammen gelacht, und Du hast mich selbständig arbeiten lassen. Danke Fredy für das mir entgegengebrachte Vertrauen und für diese gute gemeinsame Zeit. Du weisst ja, für Deine Zukunft wünsche ich Dir nur das Beste.
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Nach aussen, nach innen – immer da Monica Schneider Mittlerweile kennen alle dieses Gschichtli. Weil es so bezeichnend ist. Natürlich warst Du schon da, als wir am 24. Februar, dem Montagmorgen nach den Olympischen Winterspielen in Sotschi, zu viert in der Helvti zum ersten Mal über das Abschiedsgeschenk für Dich, dieses Buch, diskutieren wollten. Unter grösster Geheimhaltung. Du hattest Ferien. Das hätte uns nicht gelegener kommen können. Aber natürlich, Du warst schon da in der Helvti, als wir einer nach dem andern eintrafen. pmb. erwartete ws. und mich mit dem Kopf auf der Tischplatte und verdrehten Augen. Was war nur los mit ihm? Bis wir das Unheil realisierten. Du warst auch schon da! Drüben an der
Wand. ths. musste noch schnell sein Velo abstellen – und dann sein ungläubiger Blick. Welch Fehlstart zu diesem Buch! Was jetzt? Geheim war also nichts mehr. Du wirst Dich gefragt haben, wieso wir alle diesen Morgen in der Helvti verbringen. Wir haben dann, als Du mit ukä. wohl Arbeitsübergabe machtest, trotzdem diskutiert. Flüsternd. Und gehofft, Dein Tinnitus sei nur einmal für etwas gut. Der Anwalt Das Gschichtli ist so bezeichnend, weil Du immer da warst. Achtunddreissigeinhalb Jahre lang. Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Immer da, für alle. Immer da, auch wenn
sonst noch niemand da war, auch wenn alle schon gegangen waren. Nach aussen warst Du der Tagi-Sportchef, der Journalist mit den vielen Ideen. Nach innen aber warst Du, und das zuallererst, der Anwalt. Der Anwalt der Zuvielarbeiter, der Zuwenigschlafer, der Starken, der weniger Starken, der Leisen, der Ruhigen. Du warst der Menschenfreund, der Harmoniestifter, der Förderer der Jungen, der Frauen, der Bewahrer einer gewissen Kultur und des in diesem Haus zuletzt so rar gewordenen Tagi-Geistes. Die Vergangenheitsform kündet Neues an, für Dich, für uns. Der Chef geht, der Freund bleibt. Und was mit einem Fehlstart begann, haben wir hoffentlich zu einem guten Ende gebracht.
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Christian Brüngger Bundfaltenhose und lange Leine
An den Tag erinnere ich mich nicht mehr, an dein Büro hingegen schon. Es wies die gefühlten Dimensionen einer Kleinturnhalle auf, als ich im Sommer 2001 in dieses Epizentrum des Tagi-Sports vorgelassen wurde. Des Tagi-Sports! Bereits damals herrschte ein geordnetes Chaos auf Deinem Pult. Du hast es bis zuletzt gepflegt. Ich hatte mir damals extra eine Bundfaltenhose angezogen. Es dürfte Dir kaum aufgefallen sein. Wichtiger war: Der gemeinsame Coiffeur – Toni sei ewig Dank! – hatte mir das Bewerbungsgespräch bei Dir organisiert. Was Dich (sogleich?) überzeugte, war meine flammende Rede für den Tagi. Damals galt er schliesslich noch als Familienanhang. Ich
erzählte Dir also, wie ich jeden Morgen an den Briefkasten eilen würde, um den Sportteil aus meinem Leibblatt zu klauben, der besten Zeitung der Schweiz! Damit hatte ich Deinen Triggerpunkt intuitiv getroffen – und die Volontariatsstelle. 4300 Franken betrug mein Lohn, zwar nicht mein erster, aber mit Sicherheit mein stolzester. In den knapp 13 Jahren, welche danach für uns als Chef und Angestellter folgten, habe ich das wettsteinsche Prinzip der langen Leinen erfahren. Es hat mich geprägt und verwöhnt, denn Du hast uns immer vertraut und ganz viel Spielraum gelassen (was, wir wollen es nicht verschweigen, auch seine Schattenseiten
aufwies). Manchmal denke ich gar, Du hast mich mit Deiner Führungsform verdorben. Nie mehr möchte ich zu anderen Bedingungen arbeiten. Dafür liebe ich diese Freiheiten zu sehr. Auch normale Arbeitstage existieren bei uns kaum. Du trägst den Hauptanteil daran. Dein Stil ist für mich darum ein wesentlicher Grund, warum Dir über all die Jahre eine treue, fast schon ergebene Mitarbeiterequipe zur Seite stand. Lieber Fredy, ich bin Dir von Herzen dankbar für Deine Grosszügigkeit, für Dein Vertrauen und Dein Prinzip der langen Leine. Es hat mein Leben fundamental geprägt. Dir wünsche ich nur das Beste!
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Die kalte
Nacht
Emil Bischofberger Der jüngere Sportjournalist kennt fw. als den Tagi-Sportchef, der in seinem Reich sitzt, umgeben von seinem Archiv und unzähligen Memorabilien. Er kennt ihn als sehr gewissenhaften Schreiber, der auch abends um zehn noch Anpassungen an seiner Stunden zuvor abgeschlossenen Kolumne vornimmt. Aber den Sportreporter, den Feldarbeiter fw.? Den kann sich der jüngere Sportjournalist höchstens von den Schwarz-WeissAufnahmen an fw.s Bürowänden vorstellen. Ausserhalb der Redaktion begegnete er ihm höchstens einmal im Letzigrund. Oder im Schluefweg. Oder im Stade de Suisse – fw. als Zuschauer. Aber einst muss auch er Sportreporter gewesen sein.
Muss Matchberichte geschrieben, nach dem Spiel mit den Akteuren Interviews geführt haben. Ganz selten gab fw. dem jüngeren Sportjournalisten Einblick in diese «Aktivzeit». Erzählte von seinen Teilnahmen an der Tour de Suisse («Was, der schrieb nicht immer nur über Fussball?»). Einmal, und die Episode ist in bester Erinnerung geblieben, wünschte er dem jüngeren Sportjournalisten, der kurz vor der Abreise zu seinem ersten LauberhornWochenende war, mit einem breiten Lächeln schöne Tage in Wengen. Den fragenden Gesichtsausdruck des Beglückwünschten antizipierend folgte die Erklärung von fw. sogleich: Offenbar
wurde in Wengen des Nachts schon gefeiert, als ein Ski-Weltcup noch kein Event, sondern nur ein Skirennen war. Mit dabei der jüngere fw., der ganz pflichtschuldig das komplette WengenErlebnis mitmachte. Inklusive der kalten Nacht auf der Fussmatte seines Hotels. Der Schlüssel war ihm abhanden gekommen, und die Reception nicht mehr besetzt. Pflichtschuldig fuhr der jüngere Sportjournalist nach Wengen und tat es fw. gleich. Schlug sich die Nächte um die Ohren, in der rechten Hand das Bier haltend, während die linke stets in der Hosentasche blieb, den Hotelschlüssel fest umschlungen.
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Anna Baumgartner Mit Springsteen im Hosensack unter den Tisch Am Anfang sind der Stift und das Papier. Fredy notiert die Ideen in grossen, schwungvollen Buchstaben. Doch wie es weitergeht, wie daraus eine Zeitung wird, das hat sich in seinem Alltag einige Male geändert. Da gab es die Schreibmaschine. Je schneller der Artikel geschrieben sein musste, desto forscher war ihr Staccato. Fehler verzieh sie nur wenige, der Computer war da schon grosszügiger. Diese riesige Kiste mit röhrendem Bildschirm, auf der man seinen Text auch mal mit dem Ende beginnen konnte. Die Kiste wurde kleiner und auch das Telefon machte dabei mit. Irgendwann wurde beides mobil. Der Computer ist nun auch Kommunikationsmittel, das
Telefon auch Fotoapparat. Je kleiner die Geräte, desto mehr können sie: Gespräche, Notizen, Mails, ja sogar Bruce Springsteen sitzt nun immer bei Fredy in der Hosentasche. Fredy ist einer der ersten, der mit den kleinen Wundergeräten ins Büro kommt, der sich mit ihnen herumschlägt. Die ersten Mails können die Empfänger nur mit Mühe entziffern – Autokorrektur und Touchscreen machen das Schreiben nicht immer einfach, die Techniken haben auch ihre Tücken. Dann ruft es aus dem Büro: «Anna, kannst Du mir bitte mal helfen.» Die Mails sind plötzlich nicht mehr geordnet, der Artikel lässt sich nicht auschecken. Und manchmal
ist auch einfach der Computer noch gar nicht eingeschaltet. Aber Fredy steht den neuen Techniken offen gegenüber, nimmt sich ihrer an. Auch, wenn er für einen Lehrgang in der Wissenschaft des Bildschirm-Umsteckens unter den Tisch kriechen muss, um von mir zu lernen, wie Tagi auf SonntagsZeitung und wieder zurück funktioniert. Doch da zeigt sich, dass Papier und Stift immer noch am unverzichtbarsten sind. Denn es ist ein Kugelschreiber, mit dem Fredy zwischen Kabeln und blinkenden Kästchen unter dem Dienstpult in schwungvollen Buchstaben auf den Block schreibt: «Stecker mit Gemüse drin lassen.»
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Simon Graf Fredy – ja, das passt ! Ich kann mich noch verschwommmen erinnern an meine ersten Besuche in der Tagi-Redaktion. Ich war Mittelschüler und schrieb über Regionalfussball. Es sagten alle nur «Fredy», wenn sie vom Chef sprachen, und ich wusste nicht so recht, wie ich Dich anreden sollte. «Herr Wettstein» schien mir angesichts des lockeren Umgangs untereinander etwas gar förmlich. Aber da Du mir das Du noch nicht angeboten hattest, konnte ich nicht auch «Fredy» sagen. Ich druckte mich eine Weile um eine Entscheidung, wich auf unpersönliche Begrüssungen aus. «Hallo» oder «Guten Tag» sagte ich zu Dir, oder: «Einen schönen Abend noch!»
Längere Gespräche gab es für mich mit Dir damals noch nicht zu führen, mein Beitrag zur Zeitung war ja noch bescheiden. Und so kam ich eine Weile damit durch, ohne mich festlegen zu müssen. Aber irgendwann wagte ich es, Dich mit dem Vornamen anzusprechen. Es schien Dich nicht zu stören. Und so blieb ich dabei. Fredy, ja das passt zu Dir. Viel mehr als Alfred, wie André Behr zu sagen pflegte, wenn er Dich ärgern wollte. Fredy, das klingt vertraut, kollegial, irgendwie optimistisch, sympathisch. So warst Du als Chef. Du hast in Zeiten, in denen die HRAbteilungen Einzug hielten, immer gewusst, dass hinter dieser Ressource ein
Mensch steht. Ich kann nicht sagen, dass ich mit Dir viele allzu persönliche Unterhaltungen geführt habe, und trotzdem hast Du mich sehr gut verstanden. Du gabst mir Zwangsferien, wenn ich es nötig hatte, aber nicht wahrhaben wollte. Stets spürte ich Dein Vertrauen und Deine Wertschätzung. Selten hast Du einen Geburtstag von mir vergessen. Und Du sagtest, wenn ich einen Schicksalsschlag zu verdauen hatte: «Nimm Dir Zeit und melde Dich, wenn es wieder geht.» Natürlich, Du warst als Journalist ein Pionier im Schweizer Sportjournalismus. Aber was mich vor allem beeindruckt hat, waren Deine menschlichen Qualitäten. Alles Gute, Fredy!
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René Stauffer
fw, RF und die lange Liste
21 Jahre habe ich mit Dir gearbeitet, Seite an Seite, aber doch selten im Wortsinn gemeinsam. Wir begegneten uns zwar auch mal im Hallenstadion oder in der Saalsporthalle, aber grundsätzlich kreuzten sich unsere Wege – die dich vor allem an die Fussballplätze, mich in die Tennisund Golfwelt führten – vornehmlich in der Redaktion. Umso stärker eingeprägt hat sich mir das einzige grosse Interview, das wir gemeinsam führten. Du hattest schon länger den Wunsch gehabt, einmal Roger Federer befragen zu können, und im Herbst 2009, vor den Swiss Indoors, klappte es. Der uns zugesagte Termin war kurz – wir sollten von 10 Minuten ausgehen –, dafür Deine Vorarbeit umso länger. Etwas baff nahm ich zur Kenntnis, mit welcher Intensität Du Dich vorbereitet hattest, die Liste der Fragen wurde immer länger, und trotzdem hörtest Du Dich weiter um auf der Redaktion, was denn noch interessant sein könnte. Insgeheim gelobte ich mir, mein nächstes Interview auch wieder etwas intensiver vorzubereiten.
Zu dritt sassen wir dann in einem improvisierten kleinen Büro ohne Tageslicht in den Katakomben der St. Jakobs-Halle. Aus den 10 wurden letztlich 27 Minuten, in der Tagi-Version umfasste das Interview 10 838 Zeichen, in einer verlängerten Version für das Newsnetz 14 297. Es beinhaltete 26 Fragen, wobei Deine Liste rasch zweitrangig wurde, als das Gespräch in Fluss kam. Die Federers hatten wenige Monate zuvor ihre ersten Zwillinge erhalten, was ein zentrales Thema war. Die Print-Schlagzeile lautete schliesslich: «Manchmal bin ich immer noch ein Kind», jene der Online-Version: «Ich bin für einigen Blödsinn zu haben». Schöne, luftige, unbeschwerte Aussagen, die irgendwie auch zu Dir passen: Du warst ein Chef ohne Dünkel, mehr Kumpel als Vorgesetzter, konntest dem Journalismus und dem Sport immer auch eine vergnügliche, unterhaltsame, leichte Seite abgewinnen. Umso schwerer vorstellbar ist es für mich, Dich künftig nicht mehr an der Werdstrasse anzutreffen.
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David Wiederkehr
Mit einem Doppelklick Ob früher alles besser war, kann ich nicht beurteilen. Mit Computern aufgewachsen und ein Internetkind der ersten Stunde, erstaunen und faszinieren mich aber die Geschichten vom Journalismus von früher stets aufs Neue. Und ich meine noch nicht einmal die Recherche zu Zeiten ohne Computer und Handys. Ich rede von der Technik. Mit Akustiksignalen sollen einst Artikel übermittelt worden sein und dem Faxgerät (gut: bei gewissen Kolumnisten kommt Letzteres ja auch heutzutage noch vor). Ich weiss nicht, ob man das erlebt haben muss. Fredy hat es jedenfalls. Was ich mir aber vorstellen kann: Die Technik von heute hat mehr Potenzial für Tücken als einst. Damals klemmte vielleicht mal das «C» an der Hermes Baby. Aber heute: Word, InCopy oder iTunes, iPhone, WLAN und Outlook –
irgendwo klemmt es doch immer. Und wenn es bei Fredy klemmte, war die Chance gross, dass kurz darauf bei der Nummer 84718 (früher, in der guten alten Zeit: 4718) das Telefon klingelte. 22 Schritte sind es zu seinem Büro. Man soll sich ja bewegen, mahnen Gesundheitspolitiker. Fredys Karma Ich habe immer gern geholfen, in diesem Büro, in dem der weintrinkende Jacques Prévert an seinem Pariser Tischchen bei jedem Besuch und jeder Sitzung meinen Blick auf sich zog. In dem Fredy auch jeden Internetlink mit einem Doppelklick bearbeitete. Und dann und wann hat meine Hilfe sogar etwas genützt. Wahrscheinlich war es aber eher Fredys Karma. Früher war es ja vermutlich auch immer irgendwie gegangen.
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Gabi
Mächtig stolz
Du bist mein Bruder. Mein grosser Bruder. Mein liebster Bruder. Mein einziger Bruder. Du hast mir die Welt gezeigt. Nicht die Finanzwelt, die haben Du und ich bis jetzt nicht im Griff, nein, es war zuerst die Fussballwelt, und dann die Medienwelt. Als Du das Schreiben erlernt hast, war ich nicht einmal geboren, schon gar nicht für diese Welt geplant. Als Du Deinen ersten Artikel in der «Zürichsee-Zeitung» geschrieben hast, begann ich erst zu lesen. Du hast über alles geschrieben, sogar über die neusten Autos. Und ich war sehr stolz auf Dich. Nicht weil ich 1974 Deinen Artikel über das neuste VW-Modell, den Scirocco, lesen konnte, sondern weil wir zusammen in diesem Sportwagen zu einer Vorstellung des Zirkus Knie fuhren. Obwohl ich die Clowns im Zirkus liebe, war die Fahrt von Küsnacht nach Zürich das grössere Ereignis für mich. Der Autotester Wieso Du in der Stäfner Redaktion als Autotester und -Berichterstatter ausgewählt wurdest, ist mir immer noch ein Rätsel. Motoren und Antriebe begeistern Dich bist heute nicht. Aber schon bald merkten auch die Redaktionsleiter, dass Deine Texte über Sport, allem voran über Fussball, mit mehr Leidenschaft und Begeisterung geschrieben waren. Ich interessierte mich für jeden Artikel und kannte alle FCZ- und GC-Spieler, wenigstens die Namen. Dass einige Spieler nicht nur Protagonisten in Deinen Texten waren, sondern auch Deine
Freunde, machte mich mächtig stolz. Auch gabst Du mir immer wieder Fotoabzüge, die nicht publiziert wurden, und ich konnte damit auf Autogrammjagd gehen. Mit einem Rückantwortcouvert versehen, schickte ich jeweils die Fotos den Skistars rund um den Globus zu. Noch heute liegen irgendwo im Keller unterschriebene Fotos von Ken Read, Steve Podborski und Roland Collombin, sogar im Helikopter nach seinem Sturz 1974 in Val d’Isère. Über 22 Jahre Die Sportwelt faszinierte mich, Deinen Beruf fand ich unglaublich spannend und oft blieb die Druckerschwärze an meinen Finger haften. So gab im September 1991 auch ich das Debüt in der Sportredaktion des «Tages-Anzeigers». Am Samstagabend, zum Eintippen der Fussballresultate, Schreiben der Mannschaftsaufstellungen ab Tonband und Führen der Tabellen. Und dabei ging es auch meiner Finanzwelt ein klein wenig besser, wenigstens für den Moment bis zum Ausgang nach Redaktionsschluss. Vier Monate später zog ich dann auch für die restlichen Tage der Woche beim «TagesAnzeiger» ein, und wir sind seit über 22 Jahren nicht nur Schwester und Bruder, sondern auch Arbeitskollegen. Bei manchen im Tagi war ich jedoch die kleine Schwester vom grossen Bruder, oft auch die Tochter vom Vater (dies wurde jedoch nicht laut gesagt, schon gar nicht gegenüber Dir) und einige wissen heute noch nicht, dass wir verwandt sind. Die
Medienwelt, vor allem der «Tages-Anzeiger», hat uns noch mehr zusammengeschweisst. Er ist immer wieder ein Thema in unseren Gesprächen, wir haben einige Projekte zusammen realisiert und unzählige Stunden ein paar Stockwerke voneinander entfernt an der Werdstrasse verbracht. Aber wie am ersten Tag bewundere ich den Beruf Journalist, vor allem den Sportjournalisten. Nach einem Fussballspiel, unter grossem Zeitdruck, die passenden Worte zu finden, die die Spannung nochmals aufleben lassen und gleichzeitig einen Kommentar zu schreiben. Immer gegen die Zeit bis zum Andruck zu kämpfen. Es ist ein Beruf ohne Ruhe, der keinen Feierabend kennt und oft auch keine Wochenenden. Es ist aber auch ein Beruf mit vielen Emotionen, Leidenschaft und Respekt gegenüber dem Sport und seinen Akteuren. Es ist kein Beruf, es ist das Leben. Viel Musse und Genuss Du hast Deinen Beruf gelebt und geliebt. Bald wird Dein Leben nicht mehr diktiert durch die manchmal unnötige Hektik des Alltags, und Du kannst nur noch machen, was Du liebst. Und dazu gehört vor allem das Schreiben. Aber auch die Welt ausserhalb der Redaktion zu entdecken und zu geniessen. Die kleine Schwester wünscht dem grossen Bruder dabei viel Musse und Genuss und wird die Momente geniessen, wenn ihr Sohn stolz im Tor des FC Küsnacht steht und der Onkel bei jedem Match dahinter.
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Und jetzt ein Rテシckblick auf das Chef d'ナ置vre
102
29. M채rz 1977
2. M채rz 1978
15. Januar 1979
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4. August 1980
15. Juni 1981
10. Juli 1982
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2. M채rz 1983
20. Februar 1984
11. M채rz 1983
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16. November 1985
6. M채rz 1986
6. M채rz 1986
106
5. Juni 1987
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28. September 1988
16. Oktober 1989
9. Juni 1990
28. Oktober 1991
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25. Juli 1992
28. April 1993
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14. Juli 1994
10. Juni 1996
13. Oktober 1995
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23. Juni 1997
11. M채rz 1999
28. Juni 1998
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22. Juni 2000
29. Juni 2002
25. Mai 2001
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21. Juni 2004
4. Mai 2003
17. November 2005
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3. Juli 2006
10. Juli 2006
29. Juni 2008
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4. Februar 2007
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11. April 2009
28. Juni 2010
24. M채rz 2011
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14. M채rz 2012
12. Oktober 2013
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5. Februar 2014
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Juni 1992
Im Kreis der Tagi-Altlasten Eva Uhlmann
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Nun ist es also auch bei Dir so weit – auch mit Dir wird an unserer Zeitung eine Ära zu Ende gehen! Auch wenn Du mich mit Deinen 38 Tagi-Jahren nicht mehr einholen konntest, so bist Du doch mittlerweile das dienstälteste Redaktionsmitglied und schon längst ein «rocher de bronze», ohne den man sich den Sport an der Werdstrasse schlicht nicht vorstellen kann. Als Du, ein Küsnachter Seebueb, 1976 unter Walter Stutzer von der «ZürichseeZeitung» zum Tagi kamst, war ich schon mehr als 20 Jahre dort. An Deinen Start konkret erinnern kann ich mich nicht mehr genau, sehr wohl aber an die unendlich lange Zeit, die es dauerte, bis man Dir endlich die Zeichnungsberechtigung (wer weiss heute noch, was das ist?) erteilen konnte. Diese Ernennung zum «verantwortlich zeichnenden» Redaktor erhielt man laut Reglement bei Eignung und Wohlverhalten jeweils nach etwa zwei Jahren, und es galt ein Mindestalter von 28 Jahren. Du aber warst bei Deinem Eintritt erst zarte 24 Jahre alt, und so wollte und wollte der junge Fredy einfach nicht 28 werden. Ich erinnere mich an sporadisch wiederkehrende Debatten an Chefredaktionssitzungen, an denen «das Problem fw.» diskutiert wurde, bis es sich dann endlich per 1. Oktober 1979 ohne illegalen Murks lösen liess, sodass die Chefs sich wieder weniger gravierenden Problemen zuwenden konnten. Mit und unter uns Was die Zahl der TA-Chefredaktoren betrifft, die mit und unter uns beiden arbeiten durften, so kannst Du nach meiner Rechnung mit mir gleichziehen. Ich hatte am Anfang meiner TA«Karriere» einen mehr, Du am Schluss. Als Chef der gemeinsamen Sportredak-
Ich erinnere mich an sporadisch wiederkehrende Debatten an Chefredaktionssitzungen, an denen «das Problem fw.» diskutiert wurde.
Eigenzitate sind sonst ja eher verpönt, aber da die damalige Charakterisierung Deiner Person für mich auch heute noch Gültigkeit hat, platziere ich sie hier ein weiteres und letztes Mal. Mit Bezug auf Deine an der Werdstrasse nicht nur journalistischen sondern auch realsportlichen Leistungen hiess es da: «Immer einmal wieder sieht man den Kollegen fw. im ‹Chline Tagi› abgebildet – sei es in ausladender Eishockey-Montur, sei es im smarten Fussball-Leibchen, mal mit grimmiger Kampfmiene, mal als schuldbewusst dreinblickender Torhüter, der ein Wurfgeschoss nicht rechtzeitig abzuwehren vermochte.
tion von TA und SonntagsZeitung, deren Chefredaktoren Du ja in gewissem Masse ebenfalls unterstellt warst, schlägst Du mich allerdings mühelos. Ich kann die Zahl der SZ-Chefs nicht überblicken, aber mit Sicherheit bist Du der Journalist in der Schweiz, der die meisten Chefredaktoren erlebt und überlebt hat. Zählt man die Heerscharen von wechselnden stellvertretenden Chefredaktoren hinzu, von denen Du einer der konstantesten warst, so könnte zu Deinem Abschied wohl ein Chor auftreten, der nicht wie bei mir bloss den Schiffbau, sondern das Hallenstadion benötigen würde. Bei der Durchsicht einiger Jubiläumstexte, die ich in meiner «Kleinen Hauspost» jeweils im Abstand von fünf Jahren über Dich verfassen durfte, ist mir eine Passage aufgefallen, die mir offenbar so treffend schien, dass ich sie beim nächsten Jubiläum ein zweites Mal verwendete.
Mit den Pelés Ungleich eleganter führt Fredy Wettstein die journalistische Feder, hauptsächlich als Fussball-Spezialist, und so ist es denn auch höchst erfreulich, dass er neben den wachsenden organisatorischen, administrativen und Führungsaufgaben, die ihm als Sportchef zweier Zeitungen und Mitglied der TA-Chefredaktion obliegen, stets und immer der eigenen journalistischen Tätigkeit Vorrang gegeben und damit Vorbildfunktion wahrgenommen hat. In dieser langen Zeit hat er sich in unzähligen Sportstadien der Welt mit den Pelés und Maradonas von ganzen Generationen herumgeschlagen. Zweifellos hat die langjährige Beschäftigung mit den zartbesaiteten Psychen dieser Primadonnen seine Fähigkeit gesteigert, auch mit den Mimosen im Journalismusgewerbe fertig zu werden.» Lieber Fredy, mir bleibt, Dich im Kreise der Tagi-Altlasten herzlich willkommen zu heissen. Und lass es Dir gesagt sein: Es gibt ein Leben nach dem TA! Dir nach jahrzehntelanger guter Zusammenarbeit noch immer freundschaftlich verbunden.
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Arbeit
Sitzungen II
38 Jahre Tagi
5358 Sitzungsprotokolle 55 cm
Fredy beim Tagi: 38 Jahre oder 1786 Wochen oder 9823 Tage oder 93 319 Stunden oder 5,6. Mio. Minuten 10 kg Papier 1786 (33%) davon lange Montagsversionen
als Vergleich:
Bauzeit des Gotthardtunnels: 8 Jahre
Unterschriften
117 876 Unterschriften
Fredy Bickel in der Nati: 18 Jahre
Sepp Blatter Präsident der Fifa: 16 Jahre
Der Schreiber I
Der Schrei
Fredys Themen 1996
Fredys
Ausgewertet von Wordle anhand von diversen Artikeln mit ca. 35 000 WĂśrtern
Ausgewert
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Sitzleder
Strippenzieher
1 Wettstein =
25 000 Stunden am Telefon In Tausend
1 Fredy Wettstein beim Tagi 8 Chefredaktoren 8 Betriebssysteme
Sitzungen I
8 Büros
19 646 Sitzungen
5 FCZ-Präsidenten
20 000 15 000
13 GC-Präsidenten 17 Nati-Trainer (inkl. Petkovic)
10 000 5 000
24 910 Stunden; 1038 Tage; 2 Jahre und 10 Monate
80 85 90
Sitzungen III
Verpflegung bei Montagssitzungen = 1 Jahr und 4 Monate oder 478 Tage oder 11 460 Stunden oder 687 610 Minuten
Der Schreiber II
Fredys Themen 2014 Ausgewertet von Wordle anhand von diversen Artikeln mit ca. 35 000 Wörtern
235 Salate 2926 Brötchen 960 Spinatund Chäschüechli
4121 Einheiten
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Ottmar Hitzfeld
So sein wie Du Wir kennen uns ja schon lange, seit meinen Zeiten bei GC. Ich habe seither immer wieder hochinteressante Interviews mit Dir gehabt, Du hast sie einfühlsam geführt, weil Du nicht nur den Sport gesehen hast, nicht nur die Resultate, sondern auch immer den Menschen. Was mir an Dir gefallen hat, ist Deine Mentalität, Deine Art und Weise, wie Du geschrieben hast, Dein Interesse an der psychologischen Seite des Sports. Das hat Dich von vielen Journalisten abgehoben. Klar, die Medienlandschaft wird härter oder sie ist schon härter geworden, aber ich bin sicher, dass man zu jeder Zeit so sein kann wie Du, dass es immer Zwischentöne geben kann, dass es nicht nur Helden gibt oder solche, die abgestempelt werden. Es gibt immer den Menschen, und den Menschen muss man verstehen, um seine Entscheide verstehen zu können. Ich wünsche Dir für Deine Zukunft alles Gute.
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Abpfiff
Mon vieux Fredy Daniel Jeandupeux
Der französische Ausdruck «mon vieux» hat mit sehr viel Zuneigung zu tun und besagt, dass man eine Person seit langem kennt. Es gelingt mir nicht ganz, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes «vieux» zu verdängen – mit etwas Ironie (Du kennst mich) und einem Hauch Mitgefühl für Deine Rentner-Arthrose. Ich versuche, mich an unsere erste Begegnung zu erinnern. Und, oh Wunder, vielleicht schaffe ich es. Wie dem auch sei, für mich war es ein sehr starker Moment an diesem strahlenden Tag in Genf, auf der Terrasse eines Hotels, bei einer Tasse Kaffee. Ich habe hunderte von Spielen als Spieler oder Trainer, aber auch dutzende von erzielten Toren vergessen. Aber an dieser Erinnerung liegt mir viel. Mir gegenüber sitzt ein junger (?), langhaariger (?) Deutschschweizer
Journalist. Ich bin Schweizer Nationalcoach und das Interview verläuft gut. Im Gespräch verbinden sich Komplizenschaft und Verständnis. Was bei mir selten vorkommt. Das geht so weit, dass ich in meinen Gedanken bewegt bin, bevor ich das Ergebnis meiner Hirngespinste kennen lerne. Was ich lese, ist viel besser, als das, was ich gesagt habe. Vielen Dank. Und Gratulation für Deinen Stil, Dein Gespür für das Wesentliche und Deine künstlerische Feinfühligkeit. Unser Zusammenspiel fand eine Fortsetzung, als Du mich fragtest, ob ich für den Tagi schreiben möchte. Du hast mir ermöglicht, meine Ideen auszudrücken, meine vorgefassten Meinungen und meine Herzensangelegenheiten. Du hast mich dazu gebracht, mich mit Wörtern herumzuschlagen, sie in der richtigen
Reihenfolge einzusetzen, sie nachzulesen, bis meine Sätze etwas leichter zu entziffern waren. Und wenn das nicht genügte, hat Martin das Ganze an der richtigen Sauce angerichtet. Du hast mir erlaubt, meine Kreativität auszuleben, meine überraschende, störende, verwirrende, originelle Seite zu zeigen. Dafür werde ich Dir mein Leben lang dankbar sein, bis ans Ende meiner Tage in 40 Jahren. Ich heisse Dich willkommen unter den Rentnern. Die Pensionierung ist sensationell, und ich bin sicher, dass Du davon wirst profitieren können. Dabei hoffe ich nur, dass Du mich nicht vergisst und bei mir im Tarn vorbeischaust, um meinen Tomaten im Garten beim Wachsen zu helfen. Auch wenn Du kein Weltmeister der Gärtner bist.