psychologie heute august 2016

Page 1

AUGUST 2016 HEFT 8

€ 6,90

SFR 10

DIE HARMONIELÜGE

43. JAHRGANG

Zu viel Einigkeit lähmt. Konflikte bringen uns weiter

MODE UND STIMMUNG

GELIEBTES VERBRECHEN

TRANSHUMANISMUS

Vorsicht bei der Kleiderwahl!

Warum wir von Krimis nicht genug bekommen

Droht das Ende der Menschheit?


Die ganze Welt der Psychologie

Der Online-Shop für Psychologen, Psychotherapeuten und für alle, die sich für psychologische Themen interessieren.

psychologiebuch.de bietet ࡄ čųƚɟ ߟߜࡏߜߜߜ ȀǞƚǀƚɟųŏɟƚ $ʜżǕƚɟࡈ Cࡷ$ȩȩǺɯࡈ _ŏżǕˌƚǞɾɯżǕɟǞǀɾƚȘࡈ _ŏżǕŏɟɾǞǺƚȀࡈ +4ɯ ʕȘƇ 4ģ4ɯ u. v. m. ࡄ ƚʶɯࡈ ÷ƚɟȒǞȘƚ ʕȘƇ CȒɔǀƚǕȀʕȘǃƚȘ für Ihr Fachgebiet

versandkostenfreie Lieferung

ƚʕǃǞƚɟǞǃ ǃƚʶȩɟƇƚȘࡐ 4ŏȘȘ ɯɾȶųƚɟȘ ëǞƚ ŏʕǀ psychologiebuch.de

ʶʶʶࡏǀŏżƚųȩȩǺࡏżȩȒࡕ psychologiebuch.de


Liebe Leserin, lieber Leser

I

st diese Angelegenheit einen Konflikt wert? Lohnt es sich, dafür einen Streit vom Zaun zu brechen? Wem bringt es was, wenn man den Mund aufmacht und Stellung bezieht? Besser schweigen, um des lieben Friedens willen? Dafür gibt es schließlich gute Gründe: „Weil das alles nicht hilft. Sie tun ja doch, was sie wollen.“ – „Weil ich mir nicht nochmals die Finger verbrennen will.“ – „Und warum immer ich? Keiner wird es mir danken.“ – „Weil man nie weiß, wie einem das schaden kann.“ – „Weil sich die Mühe nicht lohnt.“ Diese Zitate stammen aus dem Gedicht Gründe von Erich Fried. Der Lyriker hat unangenehm genau beobachtet, was Menschen durch den Kopf geht, wenn sie Stellung beziehen müssten. Die Aussicht, das gute Verhältnis zu anderen Menschen aufs Spiel zu setzen, die Harmonie zu stören, sich Kritik und Ablehnung einzuhandeln, verschließt so manchem den Mund oder lässt ihn – gegen die eigene Überzeugung – Zustimmung murmeln. „Der Mut zum Ich, der Mut, der Allgemeinheit seine eigene Position entgegenzusetzen, ist ungemütlich“, schreibt der Philosoph Mathias Jung. „Selbst in der eigenen Partnerschaft hält man oft das ‚Maul‘, weil man sich vor der Zugluft einer streithaften Auseinandersetzung fürchtet.“ Die meisten Menschen mögen keine Dissonanzen. Sie tun viel, damit es freundlich zugeht zwischen ihnen und den anderen. Frühe Erfahrungen spielen dabei sicher eine Rolle. Wer als Kind mit Liebesentzug oder Schlimmerem rechnen musste, wenn er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllte, geht als Erwachsener eher auf leisen Sohlen. Doch es gibt noch ein weiteres Motiv, das der Sozialpsychologe Roy Baumeister als „das wohl stärkste Motiv des Menschen“ bezeichnet: das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Jeder Mensch möchte Teil einer Gruppe, mit anderen in Verbindung sein. Das aber ist in der heutigen Zeit nicht so leicht zu befriedigen – die familiären Bindungen sind oft schwach, und Ausbildung oder Beruf zwingen zur beruflichen Mobilität. Stabile dauerhafte soziale Beziehungen sind zu einem raren Gut geworden. Da ist es verständlich, dass man schützen will, was man hat. Und sich darum bemüht, eine Person zu sein, mit der andere gerne zusammen sein wollen.

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Aber der verständliche Wunsch nach Harmonie hat seinen Preis: Er erzeugt Dissonanzen in einem selbst. Denn wenn man sich konträr zu seinen Überzeugungen verhält, entsteht ein unangenehmer Spannungszustand, den der Sozialpsychologe Leon Festinger als „kognitive Dissonanz“ bezeichnete. In der Regel versucht man, diese Dissonanz schnellstmöglich zu reduzieren – zum Beispiel indem man seine Wünsche und Vorstellungen aufgibt oder die eigenen Überzeugungen korrigiert und sie denen anderer anpasst. Mit anderen in Eintracht zu leben ist ein hehres Ziel; doch wer dafür auf die innere Harmonie verzichtet, hat nicht viel von derart geschützten Beziehungen. Zu viel Angst vor Dissonanzen hat auf Dauer nicht nur negative Auswirkungen auf die eigene Entwicklung und Gesundheit. Auch die Sehnsucht nach Zugehörigkeit bleibt ungestillt. Beziehungen ohne Auseinandersetzungen entwickeln sich nicht weiter, sie bleiben unverbindlich. Nur wenn eine offene und ehrliche Kommunikation möglich ist, in der auch Konflikte ihren Platz haben, lernt man einander wirklich kennen.

u.nuber@beltz.de

3


IN DIESEM HEFT

TITEL 18 Die Harmonie-Lüge Warum es manchmal besser ist, auf Friede, Freude, Eierkuchen zu verzichten

Von Martin Hecht

24 „Der Umgang mit Konflikten

lässt sich lernen“ Der Psychologe Louis Schützenhöfer plädiert dafür, Streit nicht aus dem Weg zu gehen

12 Im Fokus: Zu schade

für die Hausarbeit? Geschlechterforscherin Sarah Speck über Paare, bei denen sie mehr verdient als er

28 Mit Musik wachsen Wenn Kinder ein Musikinstrument erlernen, erhalten sie nebenbei eine erstaunliche soziale Mitgift

Von Barbara Knab

32 Vorsicht bei der Kleiderwahl! Was wir anziehen, prägt unser Erscheinungsbild auf andere – und uns selbst

Von Annette Schäfer

40 Geliebtes Verbrechen Warum bekommen so viele von uns nicht genug von Krimis und Thrillern?

Von Christian Schärf

46 Das Trauma heilen Eine erfolgreiche Traumatherapie repariert nicht nur die Psyche, sondern auch

TITELTHEMA

das geschädigte Erbgut in den Zellen

Von Edith Heitkämper

58 „In E-Mails sind wir

ziemlich ehrlich“ Kommunikationsforscher Jeff Hancock erläutert, warum wir in elektronischen Medien weniger flunkern als im direkten Gespräch

4

18

Ein bisschen harmoniesüchtig sind wir alle. Wer setzt sich schon gerne dem Unmut anderer aus und riskiert zermürbende Konflikte? Doch wer jeden Widerspruch herunterschluckt, erntet bestenfalls einen Scheinfrieden. Und der ist auf lange Sicht schädlicher für das psychische Wohlergehen als ein offener Streit

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


64 Das Ende der Menschheit,

so wie wir sie kennen Die Anhänger des Transhumanismus propagieren die Überwindung des Menschen durch die Technik

Von Klaus Wilhelm

70 „Es gibt keine Probleme,

es gibt nur Tatsachen“ Über Paare, Heizkörper und den eigenen Lebensweg – ein Gespräch mit dem Psychotherapeuten Arnold Retzer

32

Was soll ich heute anziehen? Wer viel Zeit vor dem Kleiderschrank verbringt, gilt schnell als oberflächlich. Von wegen! Kleidung will sorgfältig ausgewählt werden, denn sie beeinflusst, was andere von uns halten. Vor allem aber prägt sie unser Selbstbild – und damit das gesamte Auftreten

RUBRIKEN 16 Therapiestunde Wenn, dann muss es der Richtige sein

Von Wolfgang Schmidbauer

38 Psychologie nach Zahlen Ganz Ohr: 5 Regeln in der Kunst des Zuhörens

Von Doris Simhofer

76 Der Psychotest Was sagt Freud zu meinen Träumen?

Von Jochen Metzger

78 Pehnts Alltag Über den Schmerz

Von Annette Pehnt

3 Editorial 6 Themen & Trends 52 Körper & Seele

40

Warum ist gerade ein Genre, in dem es von Mord und Niedertracht wimmelt, bei den Lesern beliebter denn je? Warum zieht uns der dramatische Strom aus Angst und Spannung in seinen Bann? Ist das Wirklichkeitsflucht? Na klar – mehr davon!

57 Schilling & Blum: Irgendwas mit Menschen 80 Buch & Kritik 91 Medien 92 Leserbriefe 93 Impressum 94 Im nächsten Heft 95 Markt 106 Noch mehr Psychologie Heute

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

5


THEMEN&TRENDS

Freunde bei der Arbeit Privates und Berufliches sollen wir trennen, sagt der Volksmund. Keine Affären im Büro, keine engen Verbindungen zu Kollegen. Sonst verschwimmen die Grenzen: Freunde lenken sich während der Arbeit mit persönlichen Gesprächen ab und in der Freizeit bringen sie sich um ihre Erholung und diskutieren über den Job. So weit die Theorie. In der Wirklichkeit sieht es offenbar anders aus. Denn Freundschaften am Arbeitsplatz haben handfeste Vorteile. Und diese Vorteile wiegen insgesamt stärker als die Nachteile, sagen Psychologen um Jessica Methot von der Rutgers University in Piscataway. In einer aktuellen Studie untersuchten die Forscher den Einfluss von Bürobeziehungen auf die Leistung. Das Ergebnis liest sich wie eine Empfehlung, öfter mal mit den Kollegen ein Bier trinken zu gehen. Methot und ihre Kollegen befragten 301 Mitarbeiter einer amerikanischen Versicherung. Jeder Teilnehmer erstellte zwei Listen. Auf der einen Liste notierten die Versicherungsleute die Namen von zehn Kollegen, mit denen der berufliche Austausch besonders eng war; auf die zweite Liste kamen zehn Angestellte, die sie auch nach Feierabend trafen. Je 6

höher die Überschneidung, desto komplexer war das Beziehungsgeflecht eines Teilnehmers. Wie die Auswertung zeigte, überzeugten eng vernetzte Angestellte ihre Vorgesetzten durch gute Leistungen. Der freundschaftliche Kontakt zu Kollegen ermöglichte diesen Versicherungsleuten einen besseren Zugriff auf Informationen und Unterstützung. Zudem hatten sie mehr Spaß bei der Arbeit als die anderen. Zwar ist es mit einigem Aufwand verbunden, den Anforderungen als Arbeitnehmer und Freund gleichzeitig zu entsprechen. So klagten eng vernetzte Versicherungsleute besonders häufig über Erschöpfung. Doch insgesamt überwogen die Vorteile die Nachteile. Eine Botschaft, die zumindest in den USA dem Zeitgeist entgegengesetzt ist: Hatte dort in den 1980er Jahren noch jeder Zweite einen engen Freund unter seinen Kollegen, ist es heute nur noch jeder Dritte.

REDAKTION: JOHANNES KÜNZEL

Nach Feierabend noch etwas mit den Kollegen unternehmen – und die Arbeit macht gleich mehr Spaß

Jessica R. Methot u. a.: Are workplace friendships a mixed blessing? Exploring tradeoffs of multiplex relationships and their associations with job performance. Personnel Psychology, 69, 2016, 311–355. DOI: 10.1111/ peps.12109 Adam Grant: Friends at work? Not so much. New York Times, 4. September 2015, SR1

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Olympische Spiele sind toll, denn sie bringen unserer Stadt Geld. So versuchen Befürworter, die skeptische Öffentlichkeit zu überzeugen. In Deutschland hat das zuletzt in Hamburg und München nicht funktioniert. Besser ziehen einer Umfrage zufolge Argumente, die eine Stärkung des Gemeinschaftsgefühls und eine Verbesserung des Ansehens des Austragungsortes betonen.

1

Mitfahrer

sollte es sein, mindestens: Dann steuern wir unser Auto sicher durch den Verkehr. Sind wir dagegen allein im Wagen, verletzen wir häufiger die Regeln. Wir schnallen uns nicht an und pfeifen aufs Tempolimit. Nehmen wir dagegen Freunde oder Bekannte mit, wollen wir uns nicht von unserer rowdyhaften Seite zeigen. DOI: 10.1016/j.trf.2016.02.008

DOI: 10.1080/13504851.2016.1173175

Handy aus, mein Kind Für zahlreiche Eltern ist das Smartphone der Kinder der erklärte Feind. Trotzdem wollen sie die Technik nicht gänzlich aus dem Familienleben verbannen, sondern ein gesundes Gleichgewicht finden. Welche Regeln stellen Mütter und Väter auf, um das zu schaffen? Das erforschte ein Team um Alexis Hiniker von der Universität von Washington in Seattle. Die Wissenschaftler befragten 250 Mütter und Väter und jeweils ein Kind im Alter von zehn bis 17 Jahren. Hiniker und ihre Kolleginnen entdeckten eine Reihe von Mustern. Erstens: Kinder halten sich deutlich besser an Regeln, über die sie zuvor selbst mitbestimmen durften. Zweitens: Jungen und Mädchen haben wenig Probleme mit generellen Verboten („kein eigenes Handy“, „kein Facebook“), tun sich aber schwer mit kontextabhängigen Regeln („kein Handy beim Abendbrot“, „kein Facebook an Sonntagen“). Dies scheint jedoch keine spezifische Schwierigkeit von Kindern zu sein. Auch Eltern halten sich häufig nicht an solche Kontextregeln. Drittens: Viele Kinder beschwerten sich über das Verhalten ihrer Eltern. Vor allem darüber, dass diese ungefragt Informationen über ihre Kinder in den sozialen Netzwerken verbreiteten. Kinder sehen ihren guten Ruf in Gefahr und bewerten derlei Indiskretionen als „peinlich“ und „frustrierend“. Wie die Studie zeigt, ahnen die meisten Eltern nicht das Geringste von dieser Problematik. JOCHEN METZGER

Alexis Hiniker, Sarita Y. Schoenebeck, Julie A. Kientz: Not at the dinner table: Parents’ and children’s perspectives on family technology rules. Proceedings of the 19th ACM Conference on ComputerSupported Cooperative Work & Social Computing, 2016, 1376–1389. DOI: 10.1145/2818048.2819940

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

7


Zeichnen hilft beim Erinnern! Wie Psychologen um Jeffrey Wammes gezeigt haben, konnten sich Probanden Wörter besser merken, die sie zuvor gezeichnet hatten – verglichen mit dem bloßen Aufschreiben der Begriffe. Das Malen vereint mehrere für das Gedächtnis förderliche Eigenschaften, etwa intensive gedankliche Auseinandersetzung und die visuelle Vorstellung eines Begriffs. DOI: 10.1080/17470218.2015.1094494

Gewissenhafte lieben milde Töne Was möchten unsere Nutzer nur hören? Darüber zerbrechen sich die Entwickler von Musikstreamingdiensten wie Pandora, Spotify und Apple Music den Kopf. Komplexe Algorithmen sorgen theoretisch zwar dafür, dass jedem einzelnen Hörer Songs ans Herz gelegt werden, die ihm wirklich gefallen. Vielleicht sollten die Entwickler mal bei dem Psychologen David Greenberg von der Universität von Cambridge nachfragen. Greenberg meint nämlich, dass unsere Persönlichkeit schon ziemlich viel darüber verrät, welche Musik wir mögen. Streamingdienste könnten demnach ihre Tipps verbessern, wenn sie die Charaktereigenschaften ihrer Nutzer mit wenigen Fragen ermitteln. Schon frühere Untersuchungen hatten einen Zusammenhang zwischen Musikgeschmack und Persönlichkeit gezeigt. Diese Studien orientierten sich jedoch an Genres und waren deshalb anfällig für Fehler: Nicht alle Menschen verstehen unter Jazz dasselbe; und auch die soziale Erwünschtheit könnte ein Problem sein. Mancher sagt möglicherweise, er höre gerne Klassik – dabei ist es ihm nur peinlich, zu Helene Fischer zu stehen. Greenberg, der selbst ausgebildeter Jazzsaxofonist ist, versuchte in einer großangelegten Untersuchung, diese Probleme zu umgehen. In einer ersten Teilstudie fragte er 76 Probanden, welche Qualitäten sie jeweils 25 Stücken zuschrieben. Anschließend dampfte er diese Einschätzungen statistisch auf drei Dimensionen ein. Diese treffen unabhängig von Genres zu. Demnach unterscheiden sich Musikstücke erstens darin, wie sehr sie uns körperlich anregen (Dimension arousal); zweitens wie tiefgründig sie sind (depth); und drittens wie sie Emotionen und Stimmung beeinflussen(valence).

8

In einem weiteren Schritt spielte Greenberg mehr als 9000 Internetnutzern kurze Klangschnipsel vor. Außerdem füllten die Teilnehmer Persönlichkeitsfragebögen aus. Diese Daten setzte der Wissenschaftler miteinander in Verbindung. Seine Schlussfolgerung: Verträgliche und gewissenhafte Personen mögen es ruhig. Sie lehnten intensive, anregende Musik eher ab. Labile Neurotiker lauschten lieber Klängen, die die Stimmung verdüstern. Menschen, die besonders offen für neue Erfahrungen sind, neigen Greenberg zufolge zu tiefgründiger, aber auch zu positiver, stimmungsaufhellender Musik. Dabei erklärte die Persönlichkeit die Vorlieben besser als etwa Alter, Bildung und Einkommen.

Was möchte sie als Nächstes hören? Ihre Persönlichkeit verrät es

David M. Greenberg u. a.: The song is you: Preferences for musical attrib ute dimensions reflect personality. Social Psychological and Personality Science, 2016, online vor Print. DOI: 10.1177/1948550616641473

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Persönlichkeitspsychologie kurz und knapp

Was sich liebt, das ahmt sich nach Wenn unser Liebster beim Joggen stolpert und sich verletzt, leidet nicht nur er. Ohne darüber nachzudenken, machen auch wir ein schmerzverzerrtes Gesicht. Dabei haben nicht wir uns wehgetan, sondern unser Partner. Vor allem in engen Beziehungen verschwimmen oft die Grenzen zwischen uns selbst und dem anderen. Schon länger ist Forschern bekannt, dass Paare sich im Denken und Fühlen beeinflussen. Doch auch Gestik und Mimik gleichen sich in Partnerschaften an. Die Psychologen Lara Maister und Manos Tsakiris von der Universität von London haben herausgefunden: Menschen imitieren die Gesten von Liebespartnern intensiver als die von anderen Freunden. In einem Experiment zeigten die Forscher 21 Studenten Bilder, auf denen ihr Partner oder ein anderer Freund den Mund öffnete. Zeitgleich sollten die Versuchspersonen ihren Mund entweder auch aufmachen oder schließen. Gemessen wurde, wie schnell die Studenten auf die Anweisung reagierten. Die Probanden imitierten ihren eigenen Partner schneller und hatten Probleme damit, sich gegensätzlich zu verhalten. Außerdem machten Studenten, die angaben, ängstlich in der Beziehung zu sein, ihren Lebensgefährten entschlossener nach als die, die sich sicher fühlten. Die Autoren erkennen darin eine Strategie der Partner, die fürchten, verlassen zu werden. Denn indem sie Gestik oder Mimik ihres Liebsten imitieren, fühlen sie sich ihm näher. Das könnte sogar funktionieren: Wie frühere Studien gezeigt haben, mögen wir Menschen, die uns KATINKA REINER nachahmen, mehr.

Unbewusste Anpassung: Wer Gestik und Mimik des Partners imitiert, fühlt sich sicher

Astrid Schütz / Martin Rüdiger / Katrin Rentzsch

Lehrbuch Persönlichkeitspsychologie 2016. 232 Seiten, 34 Abbildungen., gebunden € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-456-85592-9 Auch als eBook erhältlich

Das Lehrbuch liefert einen anschaulichen und leicht verständlichen Einstieg in wichtige Themen der Persönlichkeitspsychologie. Ausgehend von einem breiten Verständnis von Persönlichkeit, thematisieren die Autoren auch Einfluss und Auswirkung sozialer Faktoren, insofern sie einem tieferen Verständnis des Phänomens Persönlichkeit dienen. Das kurzgefasste Lehrbuch richtet sich in erster Linie an Studierende, die das Werk begleitend zu Lehrveranstaltungen und zur Prüfungsvorbereitung verwenden möchten, aber auch an alle anderen Interessierten.

www.hogrefe.com

Lara Maister, Manos Tsakiris: Intimate imitation: Automatic motor imitation in romantic relationships. Cognition, 152, 2016, 108–113. DOI: 10.1016/j.cognition. 2016.03.018

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

9


Die Sterne lügen

Gefährliche Wissbegier Menschen sind neugierig. Nur, warum? Zieht es uns zum Unbekannten, weil wir dort etwas Besseres vermuten als das, was wir kennen? Das fragten sich die Verhaltenswissenschaftler Christopher Hsee von der Universität von Chicago und Bowen Ruan von der Universität Wisconsin-Madison. Für ein Experiment baten die Wissenschaftler 32 Studenten ins Labor. Dort lagen 30 Kugelschreiber herum, die angeblich von einer vorherigen Studie übriggeblieben waren. Tatsächlich stammten sie aus einem Scherzartikelsortiment: Einige lösten auf Knopfdruck einen schmerzhaften 60-Volt-Schock aus. Zehn Stifte warnten mittels eines roten Aufklebers, dass jede Benutzung unangenehm werden würde. An grünen Stickern erkannten die Probanden harmlose Kulis. Die restlichen, gelb markierten Schreibgeräte lösten manchmal Schocks aus – und manchmal nicht. Während die Studenten auf den Beginn des vermeintlich echten Versuchs warteten, blieben sie mit den Stiften allein. Die Forscher hatten sie weder gebeten, etwas mit den Kugelschreibern zu tun, noch eine Belohnung versprochen. Die Annahme der Forscher: Sollte der Sinn von Neugier darin bestehen, uns zu nutzen, dürften die Studenten nicht allzu viele Kugelschreiber drücken. Schließlich bestand das bestmögliche Ergebnis darin, keinen Elektroschock zu bekommen. Doch gerade die unsicheren gelben Stifte weckten großes Interesse. Sie wurden durchschnittlich 4,16-mal geklickt. Auf die ungefährlichen grünen Stifte entfielen 1,69 Klicks und auf die gefährlichen roten Stifte 1,03 Klicks. Neugier scheint mitunter also ein Selbstzweck zu sein: Wir wollen selbst dann Bescheid PATRICK SPÄT wissen, wenn die Informationen sinnfrei sind.

Eddy hat sich eine Hülle gekauft, die sein Smartphone vor Schäden schützen soll. Er ist nicht zufrieden. Das teilt er auf der Seite eines Onlinekaufhauses auch anderen Interessierten mit: „Leider verfärbt sich die transparente Hülle sehr schnell ins Gelbliche.“ Wie hilfreich ist Eddys Meinung für andere Menschen? Wohl nicht sehr, meinen die Marketingexperten Bart de Langhe, Philip Fernbach und Donald Lichtenstein von der Universität von Colorado in Boulder. Denn der Zusammenhang zwischen Nutzerbewertungen und tatsächlicher Qualität sei nur schwach ausgeprägt. Zu diesem Schluss kamen de Langhe und seine Kollegen, indem sie die Bewertungen für 1200 Produkte eines Versandhändlers mit den Einschätzungen der Zeitschrift Consumer Reports – einer Art amerikanischer Stiftung Warentest – verglichen. Dabei griffen die Forscher jeweils zwei Artikel zufällig heraus. Anschließend prüften sie, ob die Ware mit der höheren Durchschnittsbewertung auch bei systematischen Tests besser abgeschnitten hatte. Ziemlich oft war das nicht der Fall. Insgesamt waren Nutzer und Consumer Reports nur in 57 Prozent der Fälle einer Meinung. Man hätte also eine Münze werfen können und wäre häufig zum gleichen Ergebnis gekommen. Eine Ursache für die ungenauen Nutzereinschätzungen lag offenbar darin, dass die Käufer sich vom Preis blenden ließen. Denn sofern alle objektiv feststellbaren Eigenschaften zweier Produkte gleich waren, schnitt das teurere besser ab – zu Unrecht. Bart de Langhe, Philip M. Fernbach, Donald R. Lichtenstein: Navigating by the stars: Investigating the actual and perceived validity of online user ratings. Journal of Consumer Research, 42, 2016, 817–833. DOI: 10.1093/jcr/ucv047

Christopher K. Hsee und Bowen Ruan: The pandora effect: The power and peril of curiosity. Psychological Science, 27/5, 2016, 659–666. DOI: 10.1177/0956797616631733

10

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


URLAUBSZIELE Wie verreisen wir richtig? Sechs Hinweise aus der psychologischen Forschung – für schöne Ferien und eine bessere Erholung Einfach losfahren Auf eine große Anschaffung zu sparen, statt zu verreisen, kann sinnvoll sein. Aber: Wir zehren von Erlebnissen länger. An materielle Dinge gewöhnen wir uns schnell, Erfahrungen aber beleben wir in Gesprächen immer wieder neu – und das macht anhaltend glücklicher.

Geduldig starten In den ersten Ferientagen fühlen wir uns häufig nicht so gut wie erhofft. Wir schlafen zum Beispiel schlechter oder haben erhöhten Blutdruck. Mögliche Gründe sind stressende Reisevorbereitungen, ein Ortswechsel oder zu hohe Erwartungen.

Selbst entscheiden Zeit für sich, Wärme und körperliche Aktivität steigern das Urlaubsgefühl im Allgemeinen. Entscheidend für den Erholungseffekt sind aber nicht per se Art und Dauer der Auszeit, sondern dass man tut, was man möchte, und ein Gefühl der Kontrolle über seinen Tag hat.

Die Ankunft im Alltag fällt leichter, wenn wir nicht montags, sondern erst mittwochs wieder anfangen zu arbeiten – und die E-MailAbwesenheitsnotiz noch bis Donnerstag reichen lassen. Nicht gleich mit Überstunden anfangen. Und die Abende zur Entspannung nutzen!

Regelmäßig erholen Nur eine lange Auszeit im Jahr? Besser ist, mehrere Kurztrips oder lange Wochenenden zu planen und so regelmäßig für Erholung zu sorgen. Egal wie lange man weg ist: Ein bis zwei Wochen nach der Rückkehr hat das Wohlbefinden oft wieder Vorurlaubsniveau erreicht.

Illustration: Anton Hallmann/SEPIA, Text: Eva-Maria Träger

Die Quellen zu dieser Infografik finden Sie auf unserer Website: www.psychologie-heute.de/literatur.

Sanft heimkehren

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Erinnerungen pflegen Vorfreude ist bei Urlaub ein wichtiger glücksbringender Faktor – genau wie das, was nach der Rückkehr bleibt. Tatsächlich ist unsere Erinnerung an das Erlebte entscheidender dafür, ob wir eine Reise wiederholen wollen, als die Gefühle während des Aufenthalts selbst.

11


IM FOKUS

Zu schade für die Hausarbeit? Immer mehr Frauen verdienen mehr als ihre Männer. Was bedeutet das für die Paarbeziehung? Können Frauen endlich die Hauptlast der Hausarbeit abgeben, werden die Arbeiten gerechter verteilt? Nicht in allen Haushalten, sagt die Geschlechterforscherin Sarah Speck. Manchmal verzichtet eine Frau, die Haupternährerin ist, auf ihre Macht

12


gleichen. Es gibt fundamentale Unterschiede, welche Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen jeweils herrschen. Aber auch andere Werte unterscheiden sich stark. Diese Leitbilder haben einen Einfluss darauf, wie Paare damit umgehen, wenn der Mann nicht mehr das meiste Geld verdient. Wir haben deshalb aus einer Gesamterhebung mit Paaren aus unterschiedlichen Berufsgruppen und Einkommenshöhen drei Milieus gebildet: das individualisierte Milieu, das familistische und das traditionale Milieu. Diese drei Milieus stehen idealtypisch für gesellschaftliche Schichten mit unterschiedlichen Wertvorstellungen. Sie bergen auch unterschiedliche Konfliktkonstellationen, und sie zeigen verschiedene Umgangsweisen mit der Erwerbskrise des Mannes.

Sie haben zusammen mit Ihrer Kollegin Cornelia Koppetsch eine Studie zu Frauen als Familienernährerinnen gemacht. Wie kamen Sie darauf?

Uns hat das Thema interessiert, weil die Zahl der Frauen in heterosexuellen Partnerschaften, die mehr Geld verdienen als ihre Männer, stark zunimmt. In den USA haben bereits in rund 40 Prozent der Familien die Frauen die Ernährerinnenrolle inne. In Deutschland gilt das mittlerweile für etwa jede zehnte Partnerschaft, in anderen europäischen Ländern wie England und Spanien liegt die Zahl weit höher als hierzulande. Wie erklären Sie sich diesen Anstieg?

In den meisten Fällen werden Frauen unfreiwillig zur Familienernährerin. Männer geraten vielfach in Erwerbskrisen, da die traditionellen männlichen Arbeitswelten tendenziell wegbrechen oder im Zuge der Finanzkrise unsicher wurden. Es betrifft besonders die Industriearbeit und das Fachhandwerk. Für die Arbeitswelten der Frauen gilt dagegen das Umgekehrte: Die traditionell weiblichen Berufe, Tätigkeiten der Pflege und Fürsorge sind verstärkt gefragt, und der Dienstleistungssektor wächst. Bei einem Arbeitsplatzverlust hängt es auch von der Flexibilität des einzelnen Menschen ab, ob dieser sich ein neues Arbeitsfeld erschließen kann: Ist jemand bereit, sich umzuorientieren? Ist er dazu in der Lage? Es spricht einiges dafür, dass Frauen sich schneller umorientieren. Es gibt also verschiedene Gründe für diese häufigere Konstellation der Ernährerinnen. Uns hat interessiert: Was verändert sich damit?

Wie gehen die Menschen aus den drei Milieus nun damit um, wenn die Frau erzwungenermaßen Hauptverdienerin ist?

Schauen wir zuerst auf das traditionale Milieu. Hier sind die Frauen meist in einfachen Dienstleistungsberufen beschäftigt. Sie arbeiten als Frisörin, als Krankenschwester oder in einem Hotel. In diesem Milieu wird es tatsächlich als Krise erlebt, wenn der Mann erwerbslos wird. Denn das stört die normale Ordnung, die darin besteht, dass der Mann das meiste Geld verdient. Hier wird das Ernährermodell angestrebt. Die Frau soll lediglich etwas zuverdienen. Das Paar bemüht sich daher, die „richtige“ Ordnung möglichst schnell wieder herzustellen. Das heißt: Die Frau erlebt zwar einen Machtzugewinn durch ihre Ernährerinnenposition, sie übt aber vor allem Druck auf ihren Mann aus, die alte Ordnung wieder herzustellen. Er soll sich einen neuen Job suchen. Diese Frauen werden darin meist auch von ihren Herkunftsfamilien unterstützt.

FOTO: K ALLEJIPP/PHOTOCASE.DE

Was haben Sie genau geforscht?

Wir haben als Ausgangslage definiert: Wenn die Frau 60 Prozent des Einkommens oder mehr beisteuert, gilt sie als Familienernährerin. Für unsere Forschung suchten wir zuerst einmal zusammenwohnende Paare, auf die dies zutraf. Manche der Paare hatten Kinder, aber nicht alle. Dann führten wir jeweils drei ausführliche Interviews durch: Wir befragten die Frau und den Mann getrennt voneinander und führten außerdem ein Gespräch mit beiden gemeinsam. Diese Gespräche orientierten sich an unseren Forschungsfragen: Ändert sich die Arbeitsteilung, übernehmen die Männer mehr Hausarbeit, wenn die Frau das Geld verdient? Was passiert, wenn die Erwerbsrolle für den Mann wegbricht, die schließlich eine zentrale Säule der traditionellen Männlichkeit darstellt? Finden die Paare neue Männlichkeitsbilder? Sie unterscheiden in der Studie drei Milieus. Wie kamen Sie dazu?

Ausgangslage dazu war die Erkenntnis, dass Geschlechtervorstellungen sich nicht in allen Milieus PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Heißt das, an der Rolle des Mannes als Ernährer ändert sich nichts?

Sarah Speck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialforschung in Frankfurt und an der Universität Osnabrück.

Da die Frau durch das Geld, das sie verdient, in eine Machtposition gerät, ist es in diesem Milieu auch legitim, dass sie etwas fordert: beispielsweise dass der Mann die Spülmaschine ausräumt. Diese Arbeiten, die er manchmal verweigert, manchmal erledigt, werden aber nicht als ein Rollentausch gesehen. Sie führen auch nicht zu einem Überdenken von Männlichkeit und Weiblichkeit. Sie gelten als Ausnahme in einer befristeten Situation. Faktisch verändert sich also eine Menge bei diesen Paaren, aber die Leitbilder ändern sich in diesem Milieu nicht: Dass der Mann der Ernährer sein soll und die Frau nur Zuverdienerin – daran halten diese Paare fest. Was verändert sich im familistischen Milieu, wenn die Frau das Geld verdient?

13


IM FOKUS

Die Menschen in diesem Milieu arbeiten meist in Berufen mit einer sozialen Orientierung. Neben Sozialarbeiterinnen sind darunter etwa auch Lehrer oder Beamte. Oft finden wir hier auch eine christliche Werteorientierung. Vom Einkommen her ordnen wir die Menschen einer mittleren sozialen Lage zu. Im familistischen Milieu zeigt sich der innovativste Umgang mit der Erwerbskrise des Mannes. Hier findet tatsächlich ein Rollentausch statt, wenn die Frau Familienernährerin ist. Wir haben hier Männer, die Hausmänner sind und sich auch als solche bezeichnen. Die Frauen verdienen das Geld, und die Männer machen die Haus- und Familienarbeit. Das geschieht allerdings nicht ganz konfliktfrei. Man merkt, dass Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen angekratzt sind. Das wird versucht aufzufangen, indem man etwa die Hausarbeit ein bisschen vermännlicht: Der Mann wird eher als eine Art Familienmanager gesehen. Es kommt auch öfter vor, dass dann im Haus viel renoviert und umgebaut wird. Gleichzeitig entdeckten wir, dass die Frauen hier trotz Vollzeitarbeit oft einen Teil der Hausfrauenarbeit behalten wie bügeln, Bad putzen, Betten machen, Wäsche waschen. Aber wir sehen bei diesen Paaren dennoch eine Veränderung der Geschlechterrollen. Wie schaffen diese Paare den Rollentausch? Liegt es an ihren Leitbildern?

Einen Grund sehen wir darin, dass dieses Milieu sehr stark dem Leitbild von Familie und Gemeinschaft folgt. Die Familie zählt hier mehr als die Verwirklichung des Einzelnen in einem Beruf, und die Hausund Familienarbeit genießt ein sehr hohes Ansehen. Sie gilt als gleichwertig oder sogar höherwertig als die Erwerbsarbeit. Daher bedeutet es keinen Verlust von Männlichkeit, wenn der Mann sich der Familie widmet. Diese Hausarbeit und Kindererziehung repräsentiert die gemeinsame Idee. Hier verstehen sich die Partner als Fürsorgegemeinschaft. Solidarität und Zusammenhalt sind hier ein Leitbild. Kommen wir zum dritten, dem individualisierten Milieu. Man sollte meinen, dass diese Menschen wegen ihrer hohen Reflektionsfähigkeit auch am meisten die Egalität umsetzen.

Wir haben aber ein anderes Ergebnis. Bei diesen Paaren aus dem individualisierten Milieu schleicht sich hinterrücks eine traditionelle Arbeitsteilung ein. In manchen dieser Beziehungen findet sogar ein regelrechter Machtverlust der Frau statt, obwohl sie das Geld verdient.

Wenn er nur noch mit Hausarbeit beschäftigt ist, widerspricht das dem Leitbild: Wir beide sind gleichberechtigt

rechtigten Partnerschaft. Hier herrscht ein Fifty-fifty-Idealbild, sowohl was das Geld angeht, als auch was die Arbeit im Haushalt und mit den Kindern betrifft. Gleichzeitig gibt es bei diesen Paaren eine starke Norm der Selbstverwirklichung: Beide sehen es als sehr wichtig an, dass der Mensch sich in seinem Beruf entfaltet. Diese Partner begegnen sich vor allem als vermeintlich unabhängige Individuen. Sie verstehen sich nicht in erster Linie als solidarische Gemeinschaft, wie die Paare der anderen Milieus. Diese Normen führen dazu, dass die Paare in eine Krise geraten, wenn die Frau die Haupternährerin ist. Der Grund: Es widerspricht dem Leitbild, dass beide sich alles gerecht teilen, das angestrebte Fifty-fifty-Gefüge gerät in eine Dysbalance, die nicht sein darf. Und wie gehen diese Paare damit um?

Sie kaschieren dies zunächst. Sie geben an, damit kein Problem zu haben. Es sei egal, wer mehr verdient. Fragt man aber genauer nach, stellt man fest: Es herrschen latente und unterschwellige Konflikte. Und es gibt eine Reihe von umständlichen Umverteilungsmaßnahmen beim Geld. Da lädt die Frau beispielsweise den Mann auswärts zum Essen ein oder bezahlt den gemeinsamen Urlaub. Oft handelt es sich offiziell um Leihgaben, das Geld wird aber oft nie zurückgezahlt. Diese Maßnahmen dienen der Verschleierung: Sie sollen darüber hinwegtäuschen, dass die Frau die Familienernährerin ist. Ähnliche Mechanismen zeigen sich in der Arbeitsteilung. Die Frauen übernehmen nämlich auch noch den deutlich größeren Teil der Haus- und Sorgearbeit. Sie verdient das Geld und macht auch noch mehr Hausarbeit? Warum tut eine Frau das?

Da gibt es verschiedene Gründe. Schauen wir zunächst auf die berufliche Situation: Während die Frauen in diesem Milieu gut bezahlte Berufe ausüben, sind die Männer hier typischerweise Kreative oder Künstler mit prekärem Einkommen oder Geisteswissenschaftler ohne feste Anstellung, manche schreiben seit Jahren an ihrer Dissertation. Weil bei diesen Paaren die Selbstverwirklichung im Beruf eine so große Rolle spielt, sind hier nun beide bestrebt, den Mann eben nicht in die Hausmannrolle kommen zu lassen. Denn wäre er vor allem mit Hausarbeit beschäftigt, würde er sich nicht mehr beruflich verwirklichen und auch noch gegen dieses Leitbild verstoßen. Er wäre dann „nur noch“ ein Hausmann – diesen Statusverlust möchten beide abwehren. Der Mann soll lieber der chronisch prekäre Aka-

Wie ist das zu erklären?

demiker oder kaum verdienende Künstler sein,

Dazu müssen wir die Werte in diesem Milieu betrachten. Das zentrale Leitbild ist das einer gleichbe-

als „nur“ der Mann, der die Kinder betreut und

14

die Wohnung putzt? PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Genau. Im individualisierten Milieu finden wir den „Künstler“ als alternatives Männlichkeitsbild zum „Familienernährer“. Das bedeutet auch: Der Mann hat einen Lebensschwerpunkt außerhalb der Familie oder Paarbeziehung. Man kann nach unseren Studienergebnissen fast sagen: Je prekärer diese Männer beschäftigt sind, desto mehr müssen sie diesen Status abwehren, desto mehr suchen sie sich eine Bestätigung außerhalb der Familie. Und die Frauen unterstützen sie tatsächlich dabei, indem sie ihnen den Großteil der Haus- und Sorgearbeit abnehmen. Damit ziehen sie an einem Strang mit den Männern, weil sie ihre Beziehung als gleichberechtigt erscheinen lassen wollen, und das heißt für sie: Beide sind beruflich engagiert.

Putzfrau anstellen, als sich über Hausarbeit zu streiten. Die Frauen aus diesem Milieu wollen einen Mann, der beruflich sein Ding macht, weil sie das als attraktiv erleben. Sie würden daher nicht zu ihrem Künstlermann sagen: „Lass mal die Kunst bleiben, und kümmere dich um die Kinder!“ Denn dann hätte sie nicht mehr so einen attraktiven, unabhängigen Mann, der sich selbst verwirklicht. Genau dies scheinen die Männer als Gegengewicht zur Finanzmacht der Frau in die Waagschale zu werfen: Sie zeigen sich als cooler Künstler oder Kreativer, der emotional wenig auf die Beziehung angewiesen ist. Gerade bei drohenden Konflikten geben sich diese Männer unabhängig, ziehen sich in ihr Atelier oder ihr Büro zurück. Nur in einigen Fällen, in denen diese Inszenierung scheitert, gerät die Frau durch ihre Verdienerrolle in eine sehr starke Position.

Eine böse Falle! Aber die Frau erlebt doch auch einen Machtgewinn, wenn sie mehr Geld verdient. Wie gehen beide Partner damit um?

Kann man also aus Ihrer Studie schlussfolgern: Zusammen mit Cornelia Koppetsch, Professorin an der TU Darmstadt, führte Sarah Speck die hier vorgestellte Studie durch. Die Ergebnisse sind veröffentlicht in: Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist. Edition Suhrkamp, Berlin 2015.

Das individualisierte Milieu ist der Verlierer, wenn Frauen Karriere machen?

Für dieses Milieu gilt: Hier hatte die Frauenbewegung mit der Abwertung der Haus- und Sorgearbeit eher negative Folgen. Mit der Hausfrauenrolle wurden auch alle damit einhergehenden Tätigkeiten abgewertet. Sie erscheinen in diesem Milieu so unattraktiv, dass man übers Putzen und Aufräumen am liebsten gar nicht spricht. PH

Es gibt ein gutes Leben nach dem Burnout Nach einem Burnout gibt es viele Fragen: Wie komme ich ins Leben zurück? Was muss ich wirklich ändern? Carola Kleinschmidt hat Betroffene ene über Jahre begleitet und beschreibt, wie der Alltag nach der Krise aussehen ehen kann. So wird deutlich, was dabei hilft, nicht wieder auszubrennen und d wie sich ein positives Lebensgefühl auch auf Dauer erhalten lässt.

INTERVIEW: SUSIE REINHARDT

2400 Seiten | € 17,99 [D] | ISBN 978-3-466-34636-3 Au u h als E-Book erhältlich uc Auch

Dass die Frau mehr verdient, wird vordergründig von beiden geleugnet. Es wird die Illusion genährt, er könne für sich selbst sorgen. Oder es wird betont, Geld sei nicht so wichtig. Vor allem Männer postulieren, man brauche gar nicht so viel Geld. Es ist in gewisser Weise „unsexy“, Geldfragen in den Mittelpunkt zu stellen. Ähnliches gilt für die Hausarbeit. Vor allem ist das Saubermachen kein legitimes Streitthema. Aufräumen und Putzen macht man halt so nebenher. Ein lässiger Lebensstil gehört fast schon zum guten Ton. Die beiden würden eher eine

www.koesel.de www.ko k esell.d de


THERAPIESTUNDE

WENN, DANN MUSS ES DER RICHTIGE SEIN

I

ch konnte mir nicht vorstellen, ein Kind allein aufzuziehen. Meine Mutter wäre vor Sorgen gestorben, wenn ich schwanger bin und allein. Anfangs war ich erleichtert. Alles war wieder wie vorher. Aber jetzt denke ich jeden Tag daran, wie es war, als ich auf diesem Stuhl lag. Ich möchte das Bild aus meinem Kopf bekommen und verstehen, was da passiert ist!“ Die 39-jährige Frida (Name geändert) kommt nach einer Schwangerschaftsunterbrechung mit einer Depression und Zwangserinnerungen an den Eingriff in Behandlung. Sie ist eine elegante, eloquente und durchaus energisch wirkende Person mit einer modischen Frisur und Schatten unter den Augen, die durch das Makeup schimmern. Frida hat – halbernst – ihr Leben auf die Formel gebracht: Erfolg im Beruf, Pech in der Liebe. Sie wünscht sich ein Kind und eine Familie, verliebte sich bisher aber nur in verheiratete Männer. Dann lernt sie Karl kennen, einen Mann, der es ernst meint und mit ihr eine gemeinsame Zukunft plant. Es gibt zwar kleine Irritationen, die Frida aber nicht ernst nimmt. Sie fährt einen Dienstwagen, Mittelklasse, aller Komfort, Karl einen klapprigen Gebrauchten. Sie arbeitet in der Industrie, 16

Die junge Frau gerät immer an die falschen Männer. Als sie endlich „Mr. Right“ findet, bekommt der kalte Füße. Was hat das mit ihrer Mutter zu tun? Viel, meint der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer

Wolfgang Schmidbauer arbeitet als Psychoanalytiker, Familientherapeut und Autor in München. Sein aktuelles Buch Unbewusste Rituale in der Liebe. Einführung in die Paaranalyse ist im Klett-Verlag erschienen (Stuttgart 2014).

er im sozialen Bereich. Karl ist sehr eifersüchtig. Immer wieder muss Frida ihn beruhigen: Sie sei froh um diese Beziehung, sie fühle sich wohl und entspannt mit ihm wie schon lange nicht mehr. Frida verhütet nicht mehr, beide rechnen aber nicht damit, dass es so schnell klappt. Sie wird schwanger und ist überglücklich. Karl freut sich auch, vielleicht nicht so deutlich wie sie. Sie merkt das und ist besorgt. Er beruhigt sie: Aber natürlich wolle auch er ein Kind, er stehe dazu, ganz klar! Frida trifft Vorbereitungen. Sie überlegt, wie das Kinderzimmer eingerichtet wird, ob Karl bei ihr einziehen soll oder sie gleich zusammen eine größere Bleibe suchen. Karl hat wenig Zeit, kann sie nicht unterstützen. Denn er arbeitet an einem Projekt, das bisher nicht so wichtig war. Er will alte Freunde treffen. Frida ignoriert das eine Weile. Sie will mit ihm darüber reden, es ist schließlich auch für sie keine Kleinigkeit, die Karriere zurückzustellen, weniger zu arbeiten, ihr Leben neu zu organisieren. Endlich stellt sich Karl ihren Fragen. Das Gespräch gibt Frida in der Therapiestunde fast wortwörtlich, in Rede und Gegenrede wieder: PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


„Ich fühle nichts mehr für dieses Kind“, sagt Karl. „Bisher war es unser Kind!“, antwortet Frida empört. Er meint darauf: „Es ist mein Problem. Vielleicht ist es zu früh. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, ein Kind zu haben. Ich habe nicht an die Konsequenzen gedacht. Wir sind so verschieden. Was kann ich dir schon bieten? Was wird sein, wenn du einen Mann triffst, der besser zu dir passt? Dann wirst du ganz schnell mit mir Schluss machen!“ Ihre Beteuerungen, dass er der Mann sei, der zu ihr passe und mit dem sie dieses Kind haben möchte, erreichen ihn nicht. Immer wieder betont er: „Ich empfinde für das Kind nichts. Ich will es nicht mehr. Es tut mir sehr leid, aber es wäre mir lieber, wenn du nicht schwanger wärst. Ich überlege, dass ich schon viel zu lange hier bin. Ich wollte schon immer ins Ausland gehen. Ich weiß, es ist deine Sache, ob du das Kind behalten willst. Es ist deine Entscheidung. Aber ich kann nicht jetzt schon Vater werden.“ Von wegen „jetzt schon“, meint Frida und erwähnt mir gegenüber, dass Karl immerhin nächstes Jahr 40 wird.

ILLUSTR ATION: MICHEL STREICH

Sich kein zweites Mal einschüchtern lassen

Ich verspüre Ärger auf diesen Karl, aber dieser Ärger nützt Frida nichts. Im Gegenteil: Sie hat diesen Mann geliebt, hat Hoffnungen in ihn gesetzt und hat sicher selbst genug daran zu tragen, dass er sie so enttäuscht hat. Ich muss mich auch hüten, sie fühlen zu lassen, dass ich sie gerne ermutigt hätte, an ihrem Wunsch festzuhalten und daran zu glauben, dass Karl schon in die Vaterrolle finden wird, wenn er erkennen muss, dass sich Frida durch seinen Wankelmut nicht erschüttern lässt. Was hat Frida gefehlt? Sie konnte sich selbst nicht vertrauen, dass es auf jeden Fall eine gute Sache sei, ihr Wunschkind auszutragen, auch wenn ein Mann nicht mehr dazu steht und in seiner Angst vor dem Ungewissen in den radikalen Egoismus seines Vermeidungsverhaltens regrediert. Vielleicht kann ich mit ihr zusammen herausfinden, wo dieser Selbstzweifel wurzelt, der zu dem Bild einer sonst sehr lebenstüchtigen und energischen PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Frau nicht passt. Möglicherweise lässt sich dann aus einer bisher nur schmerzlichen, kränkenden und deprimierenden Erfahrung die Chance erarbeiten, dass Frida, falls sie noch einmal in eine solche Situation gerät, anders mit ihr umgehen kann. Mir ist der Satz von der Mutter in Erinnerung geblieben, die vor Sorgen sterben würde, wenn ihre Tochter ein Kind bekommt, ohne den passenden Ehemann mitzuliefern. „Wie kamen Sie auf den Gedanken, dass Ihre Mutter vor Angst sterben würde, wenn Sie ein Kind bekommen und nicht verheiratet sind?“ „Verheiratet wäre vielleicht nicht so wichtig. Aber dass ich keinen Mann habe, der zu dem Kind steht!“ „Was für ein Mensch ist Ihre Mutter?“ „Sie hatte immer sehr viel Angst. Wenn wir als Kinder losgerannt sind, schrie sie, wir sollen aufpassen, dass wir nicht fallen. Sie hatte Angst, dass wir krank werden, dass wir uns erkälten, dass wir die falschen Freunde haben.“ „Und der Vater?“ Der habe viel weniger Angst, er sei beruflich erfolgreich, sei aber, als sie Kind war, nie da gewesen. „Und er hat meine Mutter betrogen. Sie hat sich immer darüber beklagt. Heute denke ich, dass er es mit ihrem Jammern und ihrer Angst nicht ausgehalten hat. Als Kind habe ich ihm die Schuld gegeben, dass die Mama unglücklich war!“ „Und Sie haben beschlossen, wenn Sie einmal heiraten, dann muss es der Richtige sein, und es muss alles stimmen, damit es auf keinen Fall so ausgeht wie bei ihrer Mutter?“ Frida stutzt. „Da ist etwas dran. Ich bin an Männer geraten, von denen ich genau wusste, dass sie nicht infrage kommen. Mit denen ging es irgendwie leichter.“ In den nächsten Stunden gelingt es Frida herauszufinden, dass ihre Abhängigkeit von Karls Unterstützung in den Ängsten ihrer Mutter wurzelt. Sie kann sich von ihrem Perfektionismus distanzieren, die Depression verwandelt sich allmählich in Trauer um den Verlust und in die Entscheidung, sich kein zweites Mal einschüchtern zu lassen.

Dr. phil. Mathias Jung arbeitet als Gestalttherapeut und Philosoph am Gesundheitszentrum Dr.-Max-Otto-Bruker-Haus in Lahnstein. Er ist Autor zahlreicher Bücher.

Mathias Jung im Emu-Verlag

Das sprachlose Paar „Liebe ist eine Produktion“ (Brecht). Arbeiten wir daran. Gb., 287 S., € 17,80, ISBN-Nr. 3-89189-066-4

AußenBeziehung Ende oder Chance? Gb., 209 S., € 12,80, ISBN-Nr. 3-89189-095-8

Sokrates „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Das Abenteuer des Denkens. Gb., 287 S., € 17,80, ISBN-Nr. 3-89189-080-X

Bestellen Sie den kostenlosen Katalog!

Mehr Bücher von M. Jung

www.emu-verlag.de

emu-Verlags- und Vertriebs-GmbH Dr.-Max-Otto-Bruker-Straße 3 56112 Lahnstein Telefon: 0 26 21 / 91 70 - 10/-12 /-25


TITEL

Die HarmonieLüge Ein konfliktfreies Leben – wer möchte das nicht? Kein Streit, kein Misston zwischen uns und den anderen, keine Auseinandersetzungen in der Familie oder am Arbeitsplatz. Doch fürs eigene Seelenheil ist es manchmal besser, auf Friede, Freude, Eierkuchen zu verzichten VON MARTIN HECHT

18

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


ILLUSTR ATIONEN: DAVE HÄNGGI

Eintracht ist der Imperativ unserer Zeit. Was versprechen wir uns vom Leben in perfekter Harmonie?

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

19


TITEL

Hinter dem Wunsch nach Harmonie stecken oft tiefliegende Ängste: Angst vor dem Konflikt, Angst, in Ungnade zu fallen, Angst vor Ablehnung

S

o viel Harmoniestreben wie heute war selten. Es scheint, je unsicherer das Leben in einer krisengeschüttelten Welt wird, desto größer wird die Sehnsucht nach Konfliktfreiheit. Davon zeugen Zeitschriften wie Flow, Happinez, Emotion oder My Harmony, die rundum für ungetrübtes Wohlbefinden sorgen wollen. Hinzu kommen Teemischungen, Badeessenzen, dazu regalweise Ratgeber, die uns zeigen, wie Harmonie gelingt. Yin und Yang – der harmonische Einklang gegensätzlicher Prinzipien: Kein Symbol der fernöstlichen Lebensphilosophie hat heute eine derartige Konjunktur, ob als Clublogo oder als Tattoo. In Seminaren, Workshops, selbst beim Sonntagsspaziergang: Wir werden zu Gleichklang und Balance angehalten, überall und zu jeder Zeit. Das Ziel ist, „zu schwingen“: mit dem Partner, den Freunden, den Mitmenschen, mit der Natur. Eintracht ist der Imperativ unserer Zeit. Was versprechen sich Menschen vom living in perfect harmony? Ist Harmonie bloß ein angenehmer und erprobter Weg, sich inmitten der anderen frei bewegen zu können, aber dabei gleichzeitig vor den Verletzungen geschützt zu sein, die diese einem jederzeit zufügen könnten? Nichts weiter als ein wechselseitiger Nichtangriffspakt also? Oder geht es uns um große Emotionen, um das Hochgefühl, das ein einhelliges Miteinander in tiefer Übereinstimmung auslösen kann? Wie beim Hüttenzauber nach dem Skifahren in den Bergen, wenn man dicht gedrängt um den großen Holztisch beim Kamin sitzt. Um des lieben Friedens willen

Ja, sich dazugehörig fühlen kann wohlig und schön sein. Doch interessanterweise streben wir auch dann nach Harmonie, wenn sich dieser wohltuende Effekt gar nicht einstellt. Wir wollen in ganz vielen Lebenssituationen mit anderen harmonisch sein, ohne dass 20

es wirklich unseren Gefühlen entspräche oder ersichtlich wäre, dass es uns irgendwie erfreuen würde. Wir finden uns zum 75. Geburtstag von Oma zur Familienfeier ein und verbreiten halbwegs gute Laune, obwohl wir eigentlich nur gute Miene zum bösen Spiel machen. Wir sind freundlich zu den Geschwistern, den Tanten und den Onkeln, obwohl wir sie für hintertriebene Erbschleicher halten. Ja, wir geben uns selbst dann noch bei der Essenseinladung bei Freunden harmonisch, wenn am Tisch dummes Zeug geredet wird oder gar rechte Parolen zur Flüchtlingskrise verlautbart werden. Um Harmonie zu halten, sind Menschen bereit, selbst die eindeutigsten Anzeichen gebotener Disharmonie zu ignorieren. Man laviert sich durch, schweigt noch die heftigste Irritation tot und applaudiert angesichts von Scherzen, die auf Kosten Dritter gehen. Lautstarkes Gelächter in geselligen Runden ist selten Ausdruck wirklich empfundenen Frohsinns. Auch lacht man in solch einer Konstellation nicht nur über das Schöne in der Welt. Sozialgelächter ist ein Ventil, um negative Stressenergien gruppenschonend abzuleiten. Dieselbe Funktion erfüllt die üble Nachrede gegenüber Nichtanwesenden: Es wird deswegen in Gruppen so viel gelästert, weil dies in Ermangelung wirklicher Gemeinsamkeiten oft die beste und bisweilen einzige Möglichkeit ist, wenigstens ein Minimum an Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln – indem wir uns von anderen abgrenzen und sie ausgrenzen. Das krampfhafte Suchen nach Gemeinplätzen in der Diskussion, das Heucheln bis zur Schmerzgrenze, nur damit alle zufrieden sind: Das kostet Kraft – und stresst uns. Warum tun wir all das trotzdem? Hinter dem Wunsch nach Harmonie – manche sagen: der Sucht nach Harmonie – stecken oft tiefliegende Ängste: Angst vor dem offenen Konflikt mit der Gruppe, zu der oder in der man sich unharmonisch verhält, etwa indem man als Einziger unter den ewigen Abnickern in der Runde dem Familienoberhaupt oder Rudelführer am Tischende mal kräftig die Meinung geigt. Ängste vor Aggressionsentladungen dessen, der da vielleicht zu wenig Zuspruch oder Aufmerksamkeit von uns erhielte. Angst davor, in Ungnade zu fallen oder gar aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden. Es ist die ganz alte Angst, die bis in Kindertage zurückreicht: die Angst vor Ablehnung, dem Zurückgewiesenwerden, dem Liebesentzug, wenn wir uns nicht so verhalten, wie es die Eltern eingefordert haben. Fühlen wir uns auch noch als Erwachsene verpflichtet, bei unechten Harmonieszenarien mitzuPSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


spielen, dann ist dies oft ein Überbleibsel eines von außen eingepflanzten schlechten Gewissens, ein Introjekt aus frühen Tagen: Wir sollen uns schuldig fühlen, wenn wir die Harmonie nicht erfüllen – oder sie stören. Unser Harmonie-Zwangscharakter

Jeder kennt die Szene: „Du, die Müllers haben uns morgen zum Essen eingeladen!“ „Da hab ich jetzt aber gar keine Lust drauf.“ „Aber wir sollten hin, die haben uns nun schon zum dritten Mal eingeladen!“ „Warum?“ „Das können wir nicht bringen!“ „Warum nicht?“ „Weil alles andere ein Affront wäre.“ Der Konflikt ist genau besehen gar nicht der, ob man die ungeliebten Müllers besuchen will oder nicht. Der eigentliche Konflikt ist der, keine rechte Lust zu haben, aber zu meinen, die Einladung nicht ausschla-

gen zu dürfen. Ganz häufig lassen wir uns vereinnahmen, weil wir denken, wir seien dies anderen schuldig. Das Wohlgefühl, das Harmonie beschert, rückt dabei völlig in den Hintergrund. Am Ende ist man nur erleichtert, weil man fremden Erwartungen gerecht geworden ist – und nun kein schlechtes Gewissen mehr zu haben braucht. Mit anderen harmonisch sein zu wollen ist tief eingelassen in unsere Persönlichkeitsstruktur. In uns allen gibt es eine mächtige Stimme, die sich sofort meldet, wenn die Harmonie gefährdet ist. Zu ihrer Rettung fordert sie uns reflexhaft auf, doch einmal „über den eigenen Schatten“ zu springen. Man kennt diese innere Stimme noch allzu gut auch als eine äußere – etwa in der Erinnerung an die Kindergartenzeit, als uns die Tante dazu gezwungen hat, einem Spielkameraden die Hand zu geben, dem wir sie nicht geben wollten. „So, du entschuldigst dich jetzt dafür, dass du ihm das Förmchen weggenommen hast!“ Viele erinnern sich aber auch an jene Szenen, in denen man sich keiner Schuld bewusst war – und dafür dennoch eine halbe Stunde in der Ecke stehen musste: Den Geruch der von Kindertränen und Dreck ergrauten Raufasertapete aus der Strafecke der Kindergartensäle dürften noch einige in der Nase haben. Später im Leben hat sich der Druck auf das Gewissen, den allerlei Pädagogen und auch Eltern ausgeübt haben, nach innen verzogen. Und bei vielen ist diese innere Stimme bis heute nicht verstummt. Dazu kommt eine zweite Prägeinstanz, unsere christliche Ethik, die uns noch immer im Griff hat. Sie hat uns schon früh einen moralischen Imperativ eingetrichtert. „Verzeih dem anderen – und wenn es dein größter Feind ist!“ Auch noch im Erwachsenenalter gibt es die innere Stimme, die immer wieder das Einlenken fordert: „Jetzt gib dir einen Ruck und gib nach!“ Es ist aber nicht nur das rigide altchristliche Moralpostulat, das in uns nachwirkt und immerzu zu Ausgleich und Konsens gemahnt. Auch der Zeitgeist der Wellnessepoche, in der wir leben, hält uns unaufhörlich „Harmonieorientierung“ als Persönlichkeitsideal vor. Dissonanzen stehen unter einem ethischen Generalverdacht. Vergeben heißt nicht ja und amen

Trotzdem. Hat der Versuch, in Harmonie zu leben, nicht auch etwas für den Einzelnen ganz und gar Erstrebenswertes? Vielleicht weil uns eine solche Lebensweise negative Gefühle nimmt, die in uns sonst überdauern und uns immer wieder zusetzen würden? PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

21


TITEL

Harmonie sollte nicht das Ziel sein. Die Aufgabe lautet vielmehr: Lernen, Gefühle abzulegen, die nicht unsere eigenen sind Diese Frage wird virulent, sobald die Beziehung zu einem Menschen, der uns im Leben nahesteht, nachhaltig gestört ist, wenn wir mit dieser einst oder noch geliebten Person in Unfrieden leben oder den Kontakt ganz abgebrochen haben: zur Mutter, zum Vater, zu den Geschwistern oder den engen Freunden. Wir tun uns unendlich schwer, mit solchen biografischen Erschütterungen und Rupturen fertigzuwerden. Manchmal überdauert dann ein Leben lang die offene, unbeantwortete Frage: Soll man den Bruch integrieren oder ihn kitten? Ist es richtig, dass einer für uns den „sozialen Tod“ gestorben ist – oder drängt es uns nicht eigentlich zu Vergebung, Versöhnung und neuer Harmonie? Die Journalistin Tina Soliman hat ein Buch über den Schmerz geschrieben, der in der Funkstille (Verlag Klett-Cotta) überdauert, die zwei miteinander teilen. In vielen Fallbeispielen erzählt die Autorin von unserer Sehnsucht nach einem Neuanfang, aber auch von der immer wieder erlebten Unmöglichkeit, sich diesen Wunsch zu erfüllen, wenn die Fronten 22

zu verhärtet sind. In solchen Geschichten, bei denen es um Wiederannäherung und Versöhnung geht, ist eine Grundannahme enthalten, die offenbar so selbstverständlich ist, dass sie nie infrage gestellt wird: Harmonie mit anderen ist ein scheinbar unumstößlicher Wert. Sie zu erzielen, egal wie, ist immer gut und richtig, zumindest immer besser, als im Bruch oder in einem unvollendeten Beziehungsstatus zu verharren. Harmonie – also doch das gelobte Land? „Ohne Vergebung blieben wir auf ewig Gefangene der Konsequenzen unserer Handlungen“, lautet ein berühmtes Zitat von Hannah Arendt. Verzeihen sei, mit dem Forscher Michael McCullough gesprochen, eine „intraindividuelle, prosoziale Veränderung in der Haltung gegenüber einem wahrgenommenen Verletzer“. Wer vergibt, so die Erkenntnis, tue damit vor allem sich selbst etwas Gutes, weil wir tiefe negative Gefühle wie Groll und Hass loswerden, Gefühle, die uns sonst lange Zeit, manchmal ein Leben lang gefangen nehmen. Vergeben zu können – das ist tatsächlich das seltene Talent, nicht nur dem anderen, sondern auch sich selbst etwas Gutes zu tun. Vergebung bringt tatsächlich mehr Seelenfrieden. Und Harmonie? Mündet sie nicht auch in der ersehnten Seelenruhe? Nicht unbedingt. Das friedvolle Leben, nach dem uns alle dürstet, finden wir nicht dadurch, dass wir uns jedem Harmoniegebot beugen. Hannah Arendt hat von der „Falle der Unumkehrbarkeit“ gesprochen, in die wir geraten, wenn wir es versäumen zu vergeben. Aber diese Falle droht genauso jenen, die sich zu lange in falschen Harmonien bewegen. Denn je länger und je bereitwilliger wir uns unterwerfen, desto schwieriger wird es auszusteigen. Der Harmoniefalle entkommen wir erst, wenn wir Zugang zu unseren wahren Gefühlen gewinnen, wenn wir wissen, wann die Harmonie, um die es da geht, wirklich einem eigenen Wunsch entspricht. Viel öfter, als wir denken, sind wir fremdgesteuert, manipuliert, emotional erpresst, ohne es zu merken. Die Aufgabe ist also nicht, möglichst oft Harmonie zu erzielen. Die Aufgabe muss sein, zu lernen, Gefühle abzulegen, die nicht unsere eigenen sind, sondern fremde, uns belastende, die in uns überdauert haben: Je bewusster wir uns solcher Gefühlen werden, die von außen in uns eingepflanzt sind, desto deutlicher können wir sie von unseren wirklichen Bedürfnissen unterscheiden. Wenn Eigensinn und das Gefühl für das eigene Wohl die Fremderwartung der Harmonie ersetzen, dann fangen wir an, mit uns selbst harmonisch zu werden. PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


RAUS AUS DER HARMONIEFALLE Wie Sie richtig Kritik üben und Ihre Interessen durchsetzen VON LAURA SEEBAUER UND GITTA JACOB

Viele Menschen haben häufig große Schwierigkeiten damit, andere zu kritisieren. Dahinter können sich die verschiedensten Gründe verbergen. Vielleicht hat man das Gefühl, nicht berechtigt zu sein, andere Menschen zu kritisieren. Oder man fürchtet, im Gegenzug selbst kritisiert zu werden, oder hat Angst vor der Reaktion des Gegenübers. Möglicherweise möchte man einer Diskussion oder einem Konflikt aus dem Weg gehen, weil man fürchtet, dem nicht gewachsen zu sein. Vielleicht steckt auch die Angst dahinter, die Kritik nicht angemessen formulieren zu können. Für den Umgang mit anderen Menschen ist es aber wichtig, dass man über Dinge sprechen kann, die man nicht gut findet oder gerne anders hätte. Dies gilt sowohl für private als auch für berufliche Situationen. Wie aber kritisiert man richtig? • Mit dem Positiven beginnen: Beginnen Sie das Gespräch immer erst einmal, indem Sie etwas Positives sagen, was Ihnen an der Person oder ihrem Verhalten gut gefällt. Das macht es der anderen Person viel leichter, eine Kritik oder einen Verbesserungsvorschlag anzunehmen. Dieser positive Beginn wird auch als „Türöffner“ bezeichnet. • Die eigene Wahrnehmung vermitteln: Am besten beginnen Sie Kritik immer mit dem Wort „Ich“ und nicht mit dem Wort „Du“. Beschreiben Sie der Person, was Sie wahrgenommen haben. Es ist viel leichter, eine persönlich formulierte Kritik anzunehmen. Zum Beispiel können Sie sagen: „Ich kann den Verlauf schlecht nachvollziehen, wenn keine Dokumentation gemacht ist“, statt: „Du machst nie die Dokumentation.“ PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

• Wirkung des Verhaltens auf Sie: Beschreiben Sie, wie es Ihnen mit dem Verhalten geht, das Sie kritisieren möchten, zum Beispiel: „Wenn du laut wirst, fühle ich mich bedroht.“ • Konkret werden: Sagen Sie ganz konkret, was Sie von der Person möchten, zum Beispiel: „Ich möchte, dass du deinen Mantel und deine Schuhe ins Regal räumst, wenn du nach Hause kommst“, statt: „Du lässt mich immer den ganzen Dreck wegräumen.“ • Lassen Sie Ihr Gegenüber antworten: Geben Sie Ihrem Gegenüber Zeit zum Antworten und „schießen“ Sie nicht gleich nach. Eine einzelne Kritik oder einen Vorschlag zu akzeptieren fällt viel leichter, als einer „Wand“ an Vorwürfen zu begegnen. Wichtig ist auch: Hören Sie Ihrem Gegenüber zu, wenn es etwas sagt! • Finden Sie einen positiven Abschluss: Versuchen Sie das Gespräch positiv zu beenden, zum Beispiel mit einer konkreten Absprache, einem Lob oder einer Ermutigung („Ich bin froh, dass wir das mal besprechen konnten!“). Das macht es Ihrem Gegenüber leichter, die Kritik zu akzeptieren und auch in Zukunft mit Ihnen positiv im Kontakt zu sein. Auch bei der Durchsetzung eigener Rechte und Interessen ist es wichtig, auf die langfristigen positiven Konsequenzen zu fokussieren und kurzfristig unangenehme Gefühle in Kauf zu nehmen. Denn natürlich macht es nicht immer nur Spaß, sich durchzusetzen, sondern ist vor allem erst einmal anstrengend und ruft möglicherweise auch Widerstand und Konflikte hervor. Allerdings gibt es beim Durchsetzen auch „nette“ Wege, eigene Rechte und Interessen geltend zu machen.

Möglicherweise kennen Sie Menschen, die sich zwar einerseits gut durchsetzen können, andererseits aber dabei auch so aggressiv wirken, dass man sich regelrecht von ihnen abgestoßen fühlt. Deshalb kann es sinnvoll sein, den Unterschied zwischen aggressiver und selbstsicherer Durchsetzungskraft zu kennen: Sich aggressiv durchsetzen bedeutet, … … sich immer im Recht zu fühlen und die Meinung anderer abzuwerten oder zu ignorieren … die Interessen und Grenzen anderer Menschen zu verletzen … sich beleidigend, unhöflich und abwertend auszudrücken … keine Bereitschaft für Kompromisse zu zeigen … Vorwürfe zu machen, zu drohen und den eigenen Willen nicht zu erklären. Sich selbstsicher durchsetzen bedeutet, … … eine eigene Meinung zu haben, aber auch die Meinung anderer berücksichtigen zu können … die Rechte und Grenzen anderer Menschen zu respektieren … sich klar und deutlich auszudrücken … eine ausgewogene Entscheidung anzustreben, in der die eigenen Vorstellungen berücksichtigt werden … die eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Vorstellungen zu begründen.

Dieser Text ist ein Auszug aus: Laura Seebauer, Gitta Jacob: Schluss mit meiner Wenigkeit! Selbstvertrauen erlangen und selbstsicher handeln. Beltz, Weinheim 2015.

23


TITEL

24

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


„Der Umgang mit Konflikten lässt sich lernen“ Konflikte austragen, Streit nicht aus dem Weg gehen, selbstbestimmt entscheiden. Nur wer es wagt, aus der Reihe zu tanzen, anderer Meinung zu sein, eigene Überzeugungen und Bedürfnisse zu verteidigen, entwickelt sich weiter. Ein Gespräch mit dem Psychologen Louis Schützenhöfer

Kind oder einen Erwachsenen treffen kann. Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, politische oder religiöse Autoritäten sorgen dann im Laufe des Lebens immer wieder für eine entsprechende Anpassung. Wer zuverlässig ist, nicht auffällt und nicht aneckt, kann sich der Obhut und des Wohlwollens der Mehrheit überwiegend sicher sein. Was zunächst auch wichtig ist, denn jede soziale Gemeinschaft braucht für ihr Funktionieren und ihren Zusammenhalt verlässliche, berechenbare Individuen, die sich integrieren. Kritisch wird es, wenn die eigene Haltung sich überdurchschnittlich stark an Normen und Meinungen der Mehrheit der Gesellschaft beziehungsweise einer bestimmten Bezugsgruppe orientiert und die Entwicklung der Selbstbestimmtheit und der Individualität zu kurz kommt.

Herr Schützenhöfer, was verstehen Sie unter Harmonie?

Es ist dieser angenehme Zustand von Ruhe, Ausgeglichenheit und Balance, dieses gefühlte Einssein mit sich und der Welt. Dabei unterscheide ich zwischen innerer und äußerer Harmonie. Bei der inneren Harmonie stellt sich ein Gefühl von Entspannung, Leichtigkeit und Unbeschwertheit ein. Wir sind mit uns im Reinen und zufrieden mit dem, was jetzt gerade ist und auch wie wir denken und fühlen. Kein Grübeln, kein Hadern, kein Sich-selbst-Infragestellen. Und die äußere Harmonie?

Die spüren wir, wenn wir im Einklang mit der Umgebung, insbesondere dem sozialen Umfeld sind und uns mit unseren Einstellungen und Werten angenommen und bestätigt fühlen. Das tut der Seele gut und ist effizient und energiesparend. Auf diese Weise müssen wir nicht permanent selbst Situationen beurteilen, sondern können uns an den Ansichten und Handlungen der anderen orientieren. Die meisten dieser Prozesse spielen sich ohne unser willentliches Zutun im Unbewussten ab. Sie bewirken nicht nur eine Ausgeglichenheit und Balance, sondern helfen, uns in einer chaotischen Welt zurechtzufinden. Wir wachsen also mit einer angeborenen Tendenz zur Harmonie auf?

Das Streben nach Konsistenz und Konformität gehört zu unserer genetischen Grundausstattung und hat sich im Laufe der Evolution bewährt. Doch auch unsere Sozialisation ist dadurch geprägt, dass wir von klein auf lernen, uns einzuordnen. Denn ausgestoßen zu werden ist wohl die schlimmste Strafe, die ein PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Übertriebene Harmoniebestrebungen bremsen die eigene Entwicklung?

Louis Schützenhöfer, Jahrgang 1940, ist promovierter Psychologe. Sein aktuelles Buch Die Harmoniefalle. Nur Dissonanz bringt uns weiter ist 2016 im Verlag Orac, Wien erschienen.

Die Tendenz, mit sich und dem sozialen Umfeld im Reinen zu sein und Dissonanzen in sich beziehungsweise in der Bezugsgruppe um jeden Preis zu vermeiden, hat zur Folge, dass wir auf der Stelle treten und uns nicht verändern, in dem Sinne, dass wir in einmal gefassten Meinungen und Überzeugungen steckenbleiben. Um neue Erfahrungen zu machen, andere Perspektiven einzunehmen und unseren Handlungsspielraum zu erweitern, muss die Harmonieschwelle überwunden werden. Im Zustand anhaltender Harmoniebestrebungen gibt es keine Änderungsimpulse. Diese entstehen erst, wenn man dissonante Überzeugungen, Werte, Handlungen zulässt, die wie ein Veränderungsmotor wirken. Brem25


TITEL

se der eigenen Entwicklung ist die Tendenz zur Konformität. Der Psychologe Solomon Asch hat sich damit in den 1950er Jahren beschäftigt und gezeigt, dass die meisten Menschen ein Leben lang bestrebt sind, ihre Überzeugungen der Mehrheit anzupassen. Wie kann man das nachweisen?

Mit seinen Experimenten zeigte Asch auf, wie Gruppenzwang wirkt. Eine Testperson wurde in einen Raum geführt, in dem bereits einige Personen warteten. Ihr wurde gesagt, dass es sich um andere freiwillige Teilnehmer an diesem Experiment handele, in Wirklichkeit waren es jedoch Darsteller. Der gesamten Gruppe wurden auf einer Grafik drei verschieden lange Linien und eine Vergleichslinie gezeigt. Die Aufgabe, die kinderleicht zu lösen war, bestand darin, einzuschätzen, welche der Linien gleich lang war, so wie die Vergleichslinie. Die Darsteller gaben bei zwei Drittel der Aufgaben – wie zuvor vereinbart – einstimmig ein falsches Urteil ab. Das beunruhigende Ergebnis: 37 Prozent der Antworten der echten Probanden waren ebenfalls falsch. Das bedeutet?

Wenn sich jemand konform verhält, vertraut er dem Urteil anderer mehr als dem eigenen und gibt deshalb nach. Wenn das eigene Urteil mit dem der anderen übereinstimmt oder, wie in diesem Fall, übereinstimmend gemacht wird, dann gibt es keine sichtbaren Differenzen, die zu diskutieren wären. Demzufolge herrscht Einigkeit, die Situation ist stabil und überschaubar. Gründe dafür, das Gefühlte oder Erkannte zu leugnen beziehungsweise hintanzustellen, sind der stark ausgeprägte Wunsch nach Anerkennung und Bestätigung sowie die Angst vor Isolation. Brauchen wir solch einen Selbstschutzmechanismus?

Ich behaupte: ja. Wer am Arbeitsplatz, im Freundeskreis oder in der Familie sich immer wieder mit gegensätzlichen Meinungen auseinandersetzen muss und das Gefühl hat, ständig gegen eine Wand zu rennen, fühlt sich ausgegrenzt und kann sogar psychische Schäden davontragen. Da scheint es zunächst problemloser, Dissonanz zu vermeiden und die eigene Überzeugung zugunsten der Harmonie zurückzustellen. Doch der Preis, den man dafür zahlt, ist hoch: Langfristig gesehen übt man Verrat an sich selbst, richtet ständig die Aufmerksamkeit von sich weg auf andere und wird abhängig von der Meinung anderer. Wann genau sollten Meinungsverschiedenheiten auf den Tisch kommen und Auseinandersetzungen ausgetragen werden?

26

Wir kommen um das sorgsame Abwägen zwischen Toleranz und Durchsetzen nicht herum

Es ist immer besser, Differenzen frühzeitig zur Sprache zu bringen. Das Problem liegt jedoch darin, dass diese Prozesse, die uns die trügerische Harmonie bescheren, meist unbewusst ablaufen. Daher wissen wir auch nicht, welcher Aufwand im Unbewussten bereits geleistet wird, um uns Harmonie vorzugaukeln. Aus meiner Sicht besteht daher eher die Gefahr, dass man Dissonanzen, sei es in der Partnerschaft, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis oder in der Familie, zu spät anspricht. Harmonie aus Angst vor den Konsequenzen, die sich aus dem Ansprechen der Dissonanz ergeben können, scheint mir eine bedenkliche Strategie zu sein. Allerdings ist es auch nicht empfehlenswert, einen zu engen Harmonieanspruch zu haben und bei jeder kleinen Abweichung gleich aufzuschreien. Wir kommen eben im Leben um das sorgsame Abwägen zwischen Nachgeben und Widerstand, Toleranz und Durchsetzen nicht herum. Kann es aber nicht auch gut sein, Bedürfnisse anderer über die eigenen zu stellen?

Selbstverständlich ist es immer wieder notwendig, eigene Bedürfnisse hintanzustellen, sei es in der Partnerschaft, am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis. Problematisch wird es, wenn dies ständig oder bei wichtigen Entscheidungen passiert. Das erzeugt eine Dissonanz zwischen dem eigenen Wunsch und dem tatsächlichen Verhalten und beeinträchtigt die innere Harmonie. Das Streben nach Harmonie ist meiner Meinung nach eine egoistische Eigenschaft, die letztendlich dem eigenen Wohlergehen dienen soll und mit uneigennützigem, selbstlosem, also altruistischem Verhalten nichts zu tun hat. Entscheidet man sich dafür, Bedürfnisse anderer über die eigenen zu stellen, können Harmonisierungsprozesse helfen, die innere Spannung erträglicher zu machen, indem man zum Beispiel sein Verhalten als moralisch hochwertig interpretiert. Auf diese Weise macht manch einer nachträglich aus seiner Entscheidungsnot eine Tugend. Können Harmonisierungstendenzen uns hindern, notwendige Entscheidungen zu treffen?

Das passiert recht häufig. Man kann das bei Rauchern beobachten. Viele sagen, dass sie gern rauchen und ihnen die Zigarette nach dem Essen schmeckt. Gleichzeitig wissen sie jedoch, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, denn wissenschaftliche Untersuchungen belegen einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs. Die Theorie der kognitiven Dissonanz gibt für dieses Herunterspielen der Folgen des Rauchens eine Erklärung: Wer raucht, möchte die Differenz zwischen dem eigenen Verhalten und dem eigentlichen Anspruch, gesund zu leben, verPSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


den Mut zu verlieren. Ihnen fällt es schwerer, eigene Ansichten zu vertreten, Unstimmigkeiten auszuhalten und die entstandene Spannung zwischen sich und den anderen auszubalancieren. Sind Frauen harmoniebedürftiger als Männer?

mindern und entwickelt Strategien, um diesen Widerspruch zu entkräften. Das kann dadurch geschehen, dass der Fokus darauf gelegt wird, dass man Leute kennt, die trotz Zigarettenkonsum lange gelebt haben. Oder es wird hervorgehoben, dass Zigarettenpausen entspannen oder man mit dem Rauchen sein Gewicht kontrollieren kann und beispielsweise nicht zunimmt. Die Bereitschaft, Dissonanzen auszuhalten, ist eine notwendige Voraussetzung dafür, eine schwierige Entscheidung treffen zu können und sie nicht gleich abzuwerten. Gibt es eigentlich einen Zusammenhang zwischen Selbstwert und Harmoniebestreben?

Das Selbstwertgefühl funktioniert wie ein innerer Schutzschild und ist untrennbar verbunden mit dem Glauben an die eigenen Möglichkeiten. Von daher steht beides in einem engen Zusammenhang. Das Streben nach Konformität und Konsistenz ist meistens umso stärker, je weniger selbstbewusst jemand ist. Während Menschen mit einem positiven Selbstwert ihre Fähigkeiten hoch einschätzen, sich durch Rückschläge nicht entmutigen lassen und Niederlagen auf ungünstige äußere Umstände statt auf eigenes Verschulden zurückführen, sind jene, die mit einem geringeren Selbstwert ausgestattet sind, stärker auf Lob und Anerkennung durch andere angewiesen. Sie neigen dazu, stärker an sich zu zweifeln, Kritik sich sehr zu Herzen zu nehmen und schnell PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Das Streben nach Harmonie ist meist umso stärker, je weniger selbstbewusst ein Mensch ist

Dieser Eindruck kann entstehen, weil Frauen manchmal nachgiebiger sind, eher vermitteln, seltener als rechthaberisch und polarisierend erlebt werden. Da ein Zusammenhang zwischen Selbstwert und Harmoniebestreben besteht, ist der Aspekt, dass Frauen und Männer ihr Selbstbewusstsein zum Teil aus unterschiedlichen Quellen nähren, auch zu berücksichtigen. Männer tun es durch soziale Vergleiche, wollen besser sein als andere und stellen sich gerne dem Wettbewerb. Frauen gründen ihr Selbstbewusstsein stärker auf soziale Anerkennung und das Eingebundensein in die Gemeinschaft. Auf soziale Zurückweisung reagieren sie oft empfindlich, Männer dagegen nehmen es meistens gelassener hin. Das ist als Tendenz zu sehen, es heißt nicht, dass Männer die Helden der Selbstbehauptung sind und Frauen stets schlichten. Die Tatsache, dass Frauen sich eher harmonisierend verhalten, bedeutet nicht, dass sie harmoniebedürftiger sind als Männer. Was brauchen wir, um konfliktfähiger zu werden?

Kritikfähigkeit ist bei uns allen unterschiedlich ausgeprägt und hängt von der Persönlichkeit ab. Der Umgang mit Konflikten lässt sich lernen. Es empfiehlt sich, für die ersten Übungen ein Ambiente zu suchen, in dem bei einem möglichen Misserfolg nicht gleich der eigene Ruf auf dem Spiel steht oder der Selbstwert einen Knacks bekommt. Dafür bieten sich Zufallsgruppierungen an, die sich schnell wieder auflösen, zum Beispiel an Bushaltestellen, in Wartezimmern oder in der Schlange an der Kasse. Auf diesen Trainingsplätzen kann man mit einem geringen Risiko beginnen, eigene Ansprüche oder Meinungen gegen den Widerspruch anderer anzusprechen und gegebenenfalls durchzusetzen. Wenn es da gelingt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man sich das auch anPH dernorts traut. INTERVIEW: BIRGIT WEIDT

27


Mit Musik wachsen In einem Forschungsprojekt wurde der Werdegang von Kindern verfolgt, die gezielt ein Instrument erlernten – mit erstaunlichen Ergebnissen VON BARBARA KNAB

28

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Gemeinsam singen und musizieren: Mehr als 3500 Grundschulkinder haben an dem Forschungsprojekt „Jedem Kind ein Instrument“ teilgenommen

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

FOTO: JEKITS-STIFTUNG (VORMALS STIFTUNG JEDEM KIND EIN INSTRUMENT)

D

ie junge Frau singt nicht laut, aber konzentriert. Neben ihr, auf dem Boden des sparsam beleuchteten Zimmerchens, sitzen einige Gleichaltrige. Einer trommelt leise, zwei zupfen die Saiten ihrer Instrumente. Alle summen mit, lächeln und bewegen sich sacht im Rhythmus des Liedes. Ein Bild des Friedens – doch ein äußerst gefährdetes. Es sind junge Malier, die in diesem Film musizieren, der Timbuktu heißt, mehrere Filmpreise erhielt und für den Oscar nominiert war. Er spielt im Jahr 2012, als die Stadt, die zum Weltkulturerbe zählt, gerade an Dschihadisten gefallen war. Die verkünden sofort per Megafon ihre freudlosen Gebote für ein vermeintlich gottgefälliges Leben. Eines davon: ein striktes Musikverbot. Als der Chefkrieger nachts das Lied erlauscht, schickt er sofort ein Bestrafungskommando. Die jungen Leute entkommen durch den Hinterausgang, nur die Sängerin schafft es nicht mehr. Anderntags wird sie von den Besatzern öffentlich ausgepeitscht. Es scheint mehr als Widerstandsgeist, was die jungen Leute dazu bringt, dieses Risiko einzugehen. Mit ihrer Musik setzen sie ein Gegengewicht zur trostlosen Gewalt der Besatzer: Lebensfreude. Und sie gehen freundlich miteinander um. Ist das Zufall? Was wäre, wenn sie das Verbot befolgen und auf die Musik verzichten würden? Würde mit ihrer Freude auch ihre Freundlichkeit schwinden? Mit der Sprache kam das Singen

Die Fundamentalisten sind auf dem Holzweg, wenn sie ernsthaft glauben, sie könnten den Menschen die Musik austreiben. Musik gehört zum Menschen wie der aufrechte Gang. Es gibt keinen Hinweis, dass es je auch nur eine einzige wirklich menschliche Kultur gab, die keine Musik gehabt hätte. Das älteste Instrument, das man gefunden hat, ist eine Flöte. Die wurde vor mindestens 35 000 Jahren aus einem Geierknochen geschnitzt und von Tübinger Archäologen 2009 in einer Höhle bei Ulm ausgegraben.

Doch die Liebesgeschichte von Mensch und Musik reicht mit Sicherheit viel weiter zurück. Am Anfang ging es wohl noch ohne Instrumente: Das Singen entwickelte sich vermutlich parallel zum Sprechen. Singen, sagt der Grazer Professor Richard Parncutt, sei genauso typisch menschlich wie sprechen, es sei uns buchstäblich in die Wiege gelegt. Wenden sich Erwachsene einem Baby direkt zu, dann fallen sie automatisch in das, was Parncutt „Babysprache“ nennt. Und die sei „komplex, rhythmisch, melodisch und ausdrucksvoll“, trage also alle Merkmale von Musik. Babysprache übertreibt den Klang der Wörter, die Melodik der Sätze und überhaupt den Rhythmus der gesprochenen Sprache. Das ist die Prosodie, und erst sie macht gesprochene Sprache gut verständlich. Intensiviert man die akustischen Merkmale der Babysprache noch etwas, dann singt man bereits, zum Beispiel ein Wiegenlied; davon fühlt sich das Kind direkt angesprochen, es erlebt das Lied als Zuwendung, und das festigt die Bindung. Erwachsene singen Wiegenlieder, wenn sie ein Kind beruhigen wollen, etwa wenn es Angst hat, traurig oder wütend ist. Musik hilft uns von klein auf, unsere Gefühle zu regulieren, vor allem einen Überschuss an unangenehmen Gefühlen wie Wut oder Niedergeschlagenheit. Wer seine Gefühle regulieren kann, „verdrängt“ sie nicht etwa, er ist ihnen nur nicht ausgeliefert. Er ist gelassener, selbstsicherer und fühlt sich wohler. In sozialen Situationen kommt er besser zurecht, gerade dann, wenn es Konflikte gibt. Musizieren prägt die Psyche nachhaltig, wie die Frankfurter Psychologin Emily Frankenberg erfahren hat. Sie war an der Begleitforschung zu dem Projekt Jedem Kind ein Instrument (JeKi) beteiligt. Mehr als 3500 Kinder lernten bei JeKi ein Instrument ihrer Wahl oder sangen im Chor. Dafür bekamen sie ein Leihinstrument und erweiterten Musikunterricht ab der ersten oder der zweiten Klasse der Grundschule. Die JeKi-Kinder übten zwar mehr oder weniger fleißig auf ihrem Instrument, 29


doch das war nicht alles. Über anderthalb Jahre spielten sie regelmäßig auch gezielt, um negative Gefühle in den Griff zu bekommen. Positive Emotionen wie Freude seien ein „Kernelement des musikalischen Erlebens“, so die Forscher. Musik macht froh, sie hebt das Wohlbefinden. Ist es das Musikstück selbst, das fröhlich, lustig oder traurig ist? Erzeugt es in der Folge genau dieses Gefühl bei Menschen? Oder entsteht die Gefühlsqualität erst im Kopf des Hörers? Musikpsychologen haben gut belegt, dass es, wie oft, teils so, teils so ist. Der emotionale Gehalt eines Stückes ist zwar relativ eindeutig, doch nur für Personen, denen der Musikstil nicht völlig fremd ist.

Jungen, die ein Instrument lernen, können andere besser um Hilfe bitten

Die Melodien der Pygmäen

Das prüfte kürzlich eine deutsch-kanadische Arbeitsgruppe um Hauke Egermann aus Berlin und Montreal. Zwei Gruppen, die einen Kanadier, die anderen Afrikaner vom Volk der Pygmäen, beurteilten die Emotionen in europäischen und pygmäischen Musikstücken. Die Forscher unterschieden zwei Aspekte jeder Emotion. Der eine ist die Aktivierung: Wo liegt das Stück auf einer Linie zwischen völliger Ruhe und absoluter Aufregung? Der andere beschreibt die Bewertung: Ist das Gefühl angenehm („positiv“) oder unangenehm („negativ“)? Pygmäen und Kanadier beurteilten ziemlich gleich, wie aktivierend ein Stück war, und das spiegelte sich sogar in physiologischen Werten wie dem Herzschlag. Erheblich mehr unterschieden sich die beiden Gruppen beim zweiten Aspekt, vor allem wenn sie Musik der Pygmäen einschätzten. Ob diese positive oder negative Gefühle ausdrückte, beurteilten die Befragten umso ähnlicher, je vertrauter sie mit der Musik waren. Musik ist also eine Sprache der Gefühle, aber sie ist nicht einfach universell. Es spielt eine wesentliche Rolle, in welcher (Musik-)Kultur wir aufwachsen und leben, welche Musik wir bereits kennengelernt haben. Das wurde eine Weile unterschätzt, als man nach „der“ Musik suchte, die Leute unterschiedslos dazu bringen 30

könnte, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten: etwa im Kaufhaus mehr einkaufen als geplant, im Restaurant entspannt konsumieren oder am Telefon besonders freundlich sein. Inzwischen weiß man, dass das nicht so einfach klappt. Entspannen, Wohlbefinden hervorrufen und Stimmungen verändern kann nämlich nur eine Musik, die den eigenen Musikvorlieben entspricht. Wie Menschen das im Alltag handhaben, haben Alexandra Linnemann und ihr Team an der Uni Marburg geprüft. Zwei Wochen lang vermerkten 55 Studierende mehrmals am Tag im Mobiltelefon, wann sie welche Musik hörten und wie gestresst sie sich in diesem Moment fühlten. Die Studenten begründeten, warum sie wann welche Musik ausgewählt hatten. Oft hörten sie Musik, um sich die Zeit zu vertreiben, sich abzulenken oder zu aktivieren. Bereits dabei fühlten sie sich dann weniger gestresst. Noch viel stärker ging ihr Stressgefühl jedoch zurück, wenn sie ein Stück ausdrücklich gewählt hatten, um sich zu entspannen. Sogar ein körperlicher Indikator für Stress sank parallel dazu, der Kortisolspiegel. Diese Kompetenz hält auch gesund, schließlich kann anhaltender Stress körperlich wie seelisch richtig krank machen.

Deshalb sollten schon Kinder wirksame Anti-Stress-Strategien kennenlernen. Da können Musikhören oder Musizieren natürlich nicht die einzigen sein. Strategien gegen den Stress

Zu den zentralen Anti-Stress-Strategien gehört, sich bei der richtigen Person Unterstützung zu holen, ohne aus falschem Stolz allzu lange zu zögern. Auch diese Strategie scheint gefördert zu werden, wenn Grundschulkinder ein Musikinstrument spielen lernen. Das zeigten die JeKi-Teilprojekte zum Stress, die Stephan Bongard von der Frankfurter Goethe-Universität leitete. Vor allem die Jungen baten nämlich nach anderthalb Jahren Instrumentalunterricht selbstverständlich um Hilfe, wenn sie anderswo im Alltag nicht weiterkamen; die Jungen der Vergleichsgruppen taten dies nicht. Bongard interpretiert dies so: Ein Instrument lernen ist eine echte Herausforderung, und „die kann man nur mit sozialer Unterstützung bewältigen“. Ein Kind, das in einem solchen Fall um Hilfe bittet und dabei positive Erfahrungen macht, traut sich dann auch in anderen Fällen, das zu tun. Eine weitere Frage zum frühen Musizieren untersuchte Emily Frankenberg in ihrer eigenen Doktorarbeit. Beeinflusst PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


deutschen Umgebungskultur als zu Beginn. Brachte das JeKi-Programm sie also dazu, sich vollständig zu assimilieren? Genau das nicht, betont Frankenberg: „Die Daten sprechen nicht dafür, dass die Orientierung an der Herkunftskultur beeinflusst wird.“ Das Musizieren machte die JeKi-Kinder zwar vertrauter mit der europäischen Kultur. Doch das erweiterte ihre kulturelle Orientierung einfach, es verschob sie nicht.

FOTO: JEKITS-STIFTUNG (VORMALS STIFTUNG JEDEM KIND EIN INSTRUMENT)

Musik gegen Vorurteile

der intensive JeKi-Musikunterricht, in welchem Maße sich Kinder aus Migrantenfamilien als Teil ihrer Umgebung erleben und wie gut sie in die hiesige Kultur integriert sind? Fast alle JeKi-Kinder hatten ein Instrument aus dem europäischen Kulturkreis gewählt. Darauf lernten sie die üblichen Stücke, ab dem dritten Jahr auch im Ensemble. Diese Musikstücke stehen in Dur oder Moll, die Klänge sind harmonisch, die Rhythmen eher einfach, es gibt eine Melodie und eine Begleitung. Kurz: Der Stil ist klassisch europäisch, Schwerpunkt Mitteleuropa. Zweimal befragte Frankenberg 159 Kinder, im Abstand von anderthalb Jahren. Alle stammten aus Familien mit nichtmitteleuropäischen Wurzeln, waren aber meist in Deutschland geboren. 62 nahmen am JeKi-Programm teil, 97 nicht. Der eigens entwickelte Fragebogen ermittelte, wie heimisch sich bikulturelle Kinder in ihren beiden Kulturen fühlten, der hiesigen und der ihrer Vorfahren. Die Nicht-JeKi-Kinder berichteten zu Beginn und am Ende dasselbe. Vor allem die männlichen JeKi-Kinder dagegen, die im Ensemble musiziert oder im Chor gesungen und dabei intensive Gemeinsamkeit erlebt hatten, orientierten sich nach anderthalb Jahren deutlich stärker an der PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Belege für die Vermutung, dass das intensive Kennenlernen einer zunächst fremden Musik kulturellen Vorurteilen entgegenwirkt, kommen aus Portugal. Eine Arbeitsgruppe um Félix Neto aus Porto entwickelte eine spezielle interkulturelle Unterrichtseinheit für Musik. Fünf sechste Klassen an zwei Lissabonner Schulen, insgesamt 229 Schüler, bekamen 20 zusätzliche Doppelstunden Musik, ein halbes Jahr lang einmal pro Woche. Sie befassten sich intensiv mit Liedern im portugiesischen Nationalgesang Fado und im Morna-Stil der Kapverdischen Inseln. Auf diesen Inseln vor Afrika wird noch immer Portugiesisch gesprochen, ein Erbe der Kolonialzeit. Die Kinder erfuhren Hintergründe der Musikstile, Biografien von Sängern und Sängerinnen, hörten Lieder beider Kulturen in verschiedenen Interpretationen, sangen sie selbst und choreografierten Tanzinszenierungen dazu. Sie setzten sich also mit beiden Musikkulturen intensiv auseinander, emotional wie kognitiv. Vor und nach dem halben Jahr interkulturellen Unterrichts bearbeiteten alle Kinder zwei Tests, in denen es um explizite sowie unterschwellige Vorurteile gegenüber Dunkelhäutigen ging. Außerdem gab es Nachtests drei Monate sowie drei Jahre nach dem Ende des Unterrichtsprojekts. Die Kinder in den fünf Parallelklassen machten jeweils dieselben Tests, hatten aber Unterricht wie immer. Das Ergebnis ist verblüffend. Anfangs dachten die Kinder alle gleich über Dunkelhäutige, Vorurteile waren nicht extrem, aber deutlich. Bei den Kindern aus den fünf Vergleichsklassen blieb das konstant.

Die musikalisch interkulturell trainierten Kinder hatten dagegen ihre Einstellung geändert. Explizit äußerten sie weniger Vorurteile, und ihre impliziten, unterschwelligen Vorbehalte waren sogar noch deutlicher geschrumpft. Beides blieb auch in den folgenden Monaten erhalten, die impliziten Vorurteile nahmen sogar noch weiter ab. Diese Kinder hatten die kapverdische als eine Art verwandter Musik kennen- und schätzen gelernt. Sie schienen diese Wertschätzung auf kapverdische Menschen und in der Folge auf Dunkelhäutige an sich ausgedehnt zu haben. Jede Kultur, ja jede Subkultur hat ihre Musik, und jede ist ein wenig anders. Man kann eine zunächst fremde Kultur über ihre Musik sinnlich erkunden, und das scheint den Zugang zu ihren Menschen erheblich zu erleichtern. So könnten Musik und interkulturelle musikalische Bildung dazu beitragen, kulturelle Vorurteile zu begrenzen und Integration zu fördern. Gegenseitig, in beide Richtungen und sicher nicht nur für Kinder. Überdies erweitert Musik anderer Kulturen auch das Repertoire, das wir als das „eigene“ erleben. Vor allem aber macht eigene Musik Freude, und Freude ist das zentrale positive Gefühl überhaupt. Positive Gefühle machen freundlich und fördern damit das soziale Miteinander. Möglicherweise ist Freude der Grund, warum sich Musik und Musizieren so gut dafür eignen, allgemein Gefühle zu regulieren und speziell Stress in den Griff zu bekommen. Das zu können ist allgemein ein Merkmal des Erwachsenseins und damit eines der persönlichen Reife. Eine Gesellschaft, die gewaltarm und nichtautoritär sein möchte, damit ihre Mitglieder kreativ und leistungsfähig sind, ist darauf angewiesen, dass ihre Erwachsenen über diese Kompetenzen verfügen. Ein Leben ohne Musik? Es wäre sicher mürrischer, freudloser, stressiger, unfreundlicher und in der Folge im Zusammenleben schwieriger. Nietzsche nannte es sogar einen Irrtum. PH

Literatur zu diesem Beitrag finden Sie im Internet: www.psychologie-heute.de/literatur

31


Vorsicht bei der Kleiderwahl! Es gibt gute Gründe, am Morgen länger vor dem Kleiderschrank zu verweilen. Denn was wir anziehen, prägt das Bild, das andere von uns haben. Aber was noch wichtiger ist: In welche Jacke, Hose oder Bluse wir schlüpfen, beeinflusst auch uns selbst

VON ANNETTE SCHÄFER

32

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


S

eitdem wir als Kind das erste Mal allein entscheiden durften, ob wir lieber im roten oder grünen Pullover in die Welt hinausgehen, begleitet uns eine Frage durchs Leben: Was ziehe ich heute an? Jeden Morgen stehen wir vor dem geöffneten Kleiderschrank und wählen aus unserem Fundus die Kollektion für den Tag. Mancher greift, ohne lange nachzudenken, zu irgendwelchen Stücken, andere stellen ihr Outfit sorgfältig zusammen. Wer viel Zeit auf das Ankleiden verwendet, gilt schnell als oberflächlich, hat aber möglicherweise ein besseres psychologisches Gespür als andere. Die Forschung der vergangenen Jahre zeigt, dass unsere Kleidung ein äußerst machtvolles Beeinflussungsinstrument ist. Nicht nur lenkt sie den Eindruck, den andere von uns haben, in eine bestimmte Richtung – sie hat auch eine durchgreifende Wirkung auf uns selbst. Stimmung, Selbstbild, sogar Konzentration und Denkvermögen lassen sich durch eine gekonnte Auswahl des Outfits steuern. William James, einer der Gründungsväter der modernen Psychologie, betrachtete die Kleidung als wichtigen Teil des Selbst, wichtiger als Familie, Heim und Besitz. Die meisten Menschen wären lieber eine physisch unattraktive, aber jederzeit makellos gekleidete Person als eine Schönheit, die ständig Lumpen trägt, schrieb der Wissenschaftler, der selbst ein Faible für gepunktete Halsbinden hatte und den ein Freund einmal als „äußerst geschniegelten Kerl“ beschrieb. Mehr als 100 Jahre ist das her. Seitdem haben die meisten Psychologen das Thema allerdings vernachlässigt. „Mode“, beklagen Christoph-Simon Masuch und Kate Hefferon von der Universität East London, „ist in der heutigen Psychologie klar unterrepräsentiert.“ Die Wissenschaftler allerdings, die sich dafür erwärmen konnten, haben erstaunliche Erkenntnisse gewonnen.

Galinsky und Hajo Adam ihre Probanden, einen weißen Laborkittel zu tragen. Dann testeten die Wissenschaftler, wie gut die Teilnehmer Inkongruenzen zwischen der Bedeutung eines Wortes (zum Beispiel „rot“) und der Farbe, in der es gedruckt war (grün), erkennen konnten. Der Kittel, so zeigte sich, verlieh ihrer Aufmerksamkeit einen kräftigen Schub. Im Vergleich mit Teilnehmern, die ihre eigene Kleidung trugen, machten die Kittelträger nur halb so viele Fehler. Beim konzentrationsfördernden Effekt kommt es allerdings sehr darauf an, was genau man mit einem Kleidungsstück verbindet. In einem zweiten Experiment legten alle Testpersonen die gleichen weißen Gewänder an. Doch einer Gruppe sagte man, es handele sich um Arztkittel, die anderen glaubten, Malerkleidung anzuhaben. Dann mussten alle in einer Serie von jeweils zwei fast identischen Bildern kleine Unterschiede finden. Das Resultat: Die „Ärzte“ spürten im Schnitt signifikant mehr Fehler auf als die „Maler“. Es reicht auch nicht aus, den Arztkittel nur vor Augen zu haben oder über seine Bedeutung nachzudenken, wie ein drittes Experiment offenbarte. Die Aufmerksamkeit stieg nur bei denjenigen an, die tatsächlich in einen Arztkittel schlüpften. Die physische Erfahrung, ein bestimmtes Kleidungsstück zu tragen, sich selbst darin zu sehen und es auf der Haut zu spüren, scheint etwas ganz Besonderes zu sein, so die Wissenschaftler. So löse die symbolische Bedeutung, die ein Kleidungsstück hat, beim Träger entsprechende abstrakte Konzepte aus und verändere so seine psychischen Prozesse.

ILLUSTR ATIONEN: FR ANZISK A WALTHER

Besser denken durch die richtige Kleidung

Für die meisten Kinder gibt es nichts Schöneres, als sich zu verkleiden. Das Superman-Kostüm scheint ihnen übernatürliche Kräfte zu verleihen. Und wenn man das Kleid der Mutter überstreift, fühlt man sich so klug und souverän wie sie. Dies sind nicht nur Kinderfantasien, wie die neueste Forschung zeigt. In einem Experiment baten Adam PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

33


Wer Probleme lösen muss, sollte dies nicht in T-Shirt und Schlabberhose tun. Formelle Kleidung fördert das abstrakte Denken

Galinsky und Adam nennen den Effekt enclothed cognition. Sie lehnen sich damit an das Konzept der embodied cognition an, der Idee, dass physische Erfahrungen entsprechende kognitive Assoziationen auslösen können. So empfindet man die Persönlichkeit anderer Menschen als „wärmer“, wenn man eine warme Kaffeetasse in den Händen hält; und sich die Hände zu waschen löst Gedanken an moralische Reinheit aus. Wie funktioniert die Dynamik zwischen Kleidung und Denken genau? Wenn man eine bestimmte Art von Kleidung trägt, erklärt Karen Pine, Psychologieprofessorin an der Universität Hertfordshire, schlüpft man unbewusst in die damit verbundene Identität. Im Experiment von Galinsky und Adam sei der Arztkittel von den Teilnehmern offenbar mit einer gewissenhaften Person, die umsichtige Entscheidungen trifft, assoziiert worden, schreibt sie in ihrem Buch Mind What Your Wear. Verleiht ein Superman-Kostüm einem also tatsächlich übernatürliche Kräfte? Das nicht gerade, aber es kann offenbar dazu beitragen, dass man sich übernatürlich fühlt. In einem Experiment von Pine stuften sich Probanden, die ein Superman-T-Shirt trugen, in einer Reihe von Aspekten als überlegen ein. So fühlten sie sich im Vergleich mit anderen attraktiver, selbstbewusster, intelligenter und physisch stärker. Doch Vorsicht: Die Wirkung von Kleidung kann in beide Richtungen gehen. Ein Arztkittel mag zu mehr Genauigkeit und Aufmerksamkeit anregen, doch falsche oder unangemessene Kleidungsstücke sind in der Lage, das Denken nachteilig zu beeinflussen. 34

Wer übergreifende Probleme zu lösen hat, sollte nicht in T-Shirt und Schlabberhose darangehen. In einer 2015 veröffentlichten Studie hielten sich Probanden, die lässig gekleidet waren, an konkrete Überlegungen und Konzepte. Testpersonen dagegen, die formelle Kleidung trugen, dachten abstrakter und in größeren Zusammenhängen. Die Erklärung: Ein Anzug oder ein Kostüm vermittelt dem Träger: „Ich habe Macht.“ Und wer Macht hat, kann sich eher ums große Ganze kümmern. Wenn man sich in seinen Klamotten unwohl fühlt, verändert sich die Wahrnehmung. Studenten, die in einem von der amerikanischen Forscherin Emily Balcetis geleiteten Experiment in einem auffälligen Kostüm aus Baströckchen, Kokosnuss-BH und hochaufgetürmtem Früchtehut über den Campus spazieren mussten, schätzten die zurückgelegte Distanz deutlich höher ein als Kommilitonen, die den Weg in ihrer eigenen Kleidung gehen durften. In einer Studie der Psychologin Barbara Fredrickson und Kolleginnen schnitten Frauen, die Rechenaufgaben in einem Badeanzug lösen mussten, deutlich schlechter ab als Geschlechtsgenossinnen, die einen Rollkragenpullover trugen. Frauen, so die Erklärung der Wissenschaftlerinnen, lernen während der Sozialisation, sich als Sexualobjekte zu sehen, wie es häufig auch die Umwelt tut. Und diese sogenannte Selbstobjektifizierung zehrt an ihren mentalen Ressourcen. Wer Haut zeigen muss und sich sorgt, wie wohl andere den eigenen Körper beurteilen, kann sich nicht gut auf intellektuelle Aufgaben konzentrieren. Männer plagen solche Gedanken übrigens weniger. So rechneten männliche Probanden in Badehosen genauso gut wie solche, die Pullover trugen. Die Kleidung beeinflusst unser Selbstbild

„Kleider machen Leute“, bei dieser Redensart denkt man oft nur an die Außenwirkung, die das eigene Outfit hat. Und in der Tat haben zahlreiche Studien gezeigt, dass die Kleidung den Eindruck, den andere von einer Person haben, beeinflusst. Doch wie ein raffiniertes Experiment von Bettina Hannover und Ulrich Kühnen belegt, wirken Kleider auch auf das Bild, das man von sich selbst hat. Die Forscher suggerierten den Testpersonen, sie nähmen an einem Experiment zu polizeilichen Gegenüberstellungen teil. Manche wurden gebeten, in formeller, andere in salopper Kleidung ins Labor zu PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


kommen. In Wirklichkeit ging es darum, den Zusammenhang zwischen Outfit und Selbstbeschreibung zu erkunden. Der Effekt war in der Tat profund. Teilnehmer, die Jeans, Sweatshirt und Turnschuhe trugen, wählten zur Selbstbeschreibung tendenziell Vokabeln wie tolerant, unbekümmert, tollpatschig, emotional, spielerisch und progressiv, während Probanden in Kostüm beziehungsweise Anzug Adjektive wie akkurat, strategisch, gepflegt, pünktlich, kosmopolitisch und beherrscht vorzogen. Die Ergebnisse ihrer Studie, betonen die beiden Forscher, haben durchaus Bedeutung für Alltagssituationen. So könne man vermuten, dass Menschen nicht nur ihre Selbstbeschreibungen an ihre momentane Kleidung anpassen, sondern sich dann auch entsprechend verhalten. Beispielsweise könne es sein, dass sich formell gekleidete Personen in einem Test mehr anstrengen als salopp gekleidete. Und von Letzteren könne man erwarten, dass sie sich anderen gegenüber kontaktfreudiger und geselliger verhalten. Diese Spekulationen laden zu – spielerischen – Selbstversuchen ein: Habe ich bei der nächsten Uniklausur mehr Biss, wenn ich Jackett oder Blazer überPSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

werfe? Gelingt es mir bei der Hochzeitsfeier, bei der ich niemanden kenne, ungezwungen zu sein, wenn ich mich zwangloser kleide? Kleidung macht Stimmung

Experimente können sich auch lohnen, wenn es darum geht, die Befindlichkeit durch den richtigen Aufzug zu verbessern. Männliche Leser dürfen sich hier besonders angesprochen fühlen. Es mag klischeehaft klingen, doch beim Stimmungsmanagement per Kleiderwahl kann das männliche Geschlecht vom weiblichen lernen. Frauen, so fand Yoon-Hee Kwon von der Northern Illinois University heraus, machen ihr Outfit eher als Männer davon abhängig, wie sie sich an diesem Tag gerade fühlen. Dabei bevorzugen sie an guten Tagen Klamotten, die aufregend, vorteilhaft oder ihre Lieblingsstücke sind, während sie bei Stimmungstieflage zu bequemer Kleidung greifen. Strategien wie diese scheinen in der Tat hilfreich zu sein, um mit sich selbst besser zurechtzukommen, wenn man einer kleinen quantitativen Studie von 2014 glaubt. Zehn Männer und Frauen englischer, irischer, deutscher und polnischer Nationalität stan35


WARUM WIR UNS IN SCHALE WERFEN Was sind für Sie die wichtigsten Gründe, sich gut anzuziehen? Bei einer Befragung von 400 Personen erhielt die Psychologin Karen Pine folgende Antworten: 73

sich selbstbewusst fühlen

52

sich wohlfühlen

40

als Selbstausdruck

28

modisch aussehen

27

professionell aussehen

18

wahrgenommen werden

14

sexy aussehen

13

den eigenen Körper zeigen

11

den eigenen Körper verstecken in den Hintergrund treten

7

(Angaben in Prozent)

Die Top-3-Gründe, unterstreicht Pine, sind innerlich motiviert. „Externe Gründe, wie modisch, sexy oder professionell auszusehen, tauchen auf der Liste erst weiter unten auf. Sie spielen eine gewisse Rolle für manche Leute, aber sie sind nicht die primären Motive.“ Das heißt allerdings nicht, dass die Reaktion von anderen unbedeutend wäre. „Wenn wir anderen signalisieren, dass wir uns um uns selbst kümmern“, schreibt die Psychologin, „sehen sie uns eher als jemanden, der es wert ist, dass man sich um ihn kümmert. Attraktive Kleidung anzuziehen, die einem steht, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass uns andere positiv behandeln, was wiederum uns, dem Träger der Kleidung, ein gutes Gefühl gibt.“

An schlechten Tagen eine „Tarnkleidung“ zu tragen reduziert die negative Stimmung. Und spendet Trost

den den Psychologen Christoph-Simon Masuch und Kate Hefferon Rede und Antwort und beschrieben, inwieweit sie Kleidung nutzten, um ihr alltägliches Wohlbefinden zu steuern. Eine wirkungsvolle Technik: an schlechten Tagen eine dunkle, unauffällige Kluft zu tragen, die wie „Tarnkleidung“ wirkt und dem Träger erlaubt, im Hintergrund zu bleiben. Dies reduziere die negative Stimmung und lasse angenehme Gefühle von Trost und Bequemlichkeit aufkommen, berichteten die Teilnehmer. An guten Tagen dagegen würden sie gerne zu farbenfrohen, aufregenden, gewagten, gar „skandalösen“ Teilen greifen, die nicht nur gute Laune signalisierten, sondern wie ein zusätzlicher Katalysator wirkten. „Wenn man sich gut fühlt und dann ein gutes Outfit zusammenstellt“, beschrieb eine Teilnehmerin, „lässt einen das noch höher steigen.“ In genauem Gegensatz zu den schlechten „Camouflagetagen“ nutzten die Befragten Kleidung nun, um sich abzuheben, in Kontakt mit anderen zu kommen oder Aufsehen zu erregen – und versetzten ihrer guten Stimmung damit zusätzlichen Schwung. Zugegeben: Die Mehrzahl der Teilnehmer dieser Studie war modeinteressiert und die Stichprobe klein. Die Ergebnisse dürften also nicht repräsentativ sein. Aber auch wer nicht in Modezeitschriften blättert oder Fashion-Blogs liest, kann womöglich innerlich von mehr Kleidungsbewusstsein profitieren. Einen Versuch ist es allemal wert. Und noch ein Tipp für ehrgeizige Sportler: Tragen Sie mal etwas Rotes. Die Forschung zeigt, dass Olympiateilnehmer in Sportarten wie Boxen, Taekwondo und Ringen mehr Kämpfe gewannen, wenn sie rote Hemden trugen (und nicht blaue). Eine mögliche Erklärung: Rot signalisiert dem Gegner Energie und Kraft. Doch in einer 2013 veröffentlichten Studie von Dennis Dreiskämper von der Universität Münster und Kollegen aus Kassel, Leipzig und Berlin zeigten Kämpfer, die rote Kleidung trugen, deutlich bessere physische Werte als ihre Konkurrenten in Blau. So konnten die „Roten“ vor dem Kampf schwerere Gewichte stemmen als die „Blauen“. Auch war ihre Herzfrequenz während des Kampfes höher. Der Farbeffekt, schließen die Wissenschaftler, lässt sich also nicht nur durch eine Signalwirkung nach außen erklären. Rot scheint auch eine Wirkung auf den Träger selbst zu haben. PH

Eine ausführliche Literaturliste zu diesem Artikel finden Sie auf unserer Website: www.psychologie-heute.de/literatur

36

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Jetzt Kurz-Abo bestellen! 3 Ausgabe Servus-Ein n + kochset

€ 11,90

Servus-Einkochset In diesem kleinen, 62-seitigen Einkochbuch wurden traditionelle Rezepte zusammengetragen, um köstliche Marmelade einzukochen oder intensiven Sirup zu verarbeiten. Für die perfekte Aufbewahrung der eingemachten Köstlichkeiten schenken wir Ihnen noch 6 Stück Einmachgläser (191 ml) inklusive Schraubdeckel dazu.

servusmagazin.de/abo


PSYCHOLOGIE NACH ZAHLEN

GANZ OHR 5 Regeln in der Kunst des Zuhörens VON DORIS SIMHOFER

1

AUF EMPFANG SCHALTEN

Niemand kann immer und in jeder Situation gleich gut zuhören, auch der beste Zuhörer nicht. Wenn Sie zum Beispiel mit Ihrem Partner gerade besprechen, welche Vorzüge ein Urlaub in der Sonne

38

des Südens, im hohen Norden oder vielleicht doch lieber im abenteuerlichen Afrika hat, und ein lieber Verwandter ruft an, ist das keine ideale Gelegenheit für gutes Zuhören. Ihr „inneres Empfangskomitee“ steht noch nicht bereit – so bezeichnet der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun die innere Haltung, die Aufnahmebereitschaft, die man zum Zuhören braucht. „Zuhören setzt voraus, dass der Zuhörer überhaupt etwas erfahren will“, meint die pädagogische Psychologin Margarete Imhof von der Universität Mainz. „Wenn ein Mensch nichts wissen will, wird er sich nicht anstrengen (können), einer Sache konzentriert zuzuhören.“ Wenn Sie also wie im Beispiel in Gedanken weit weg auf Urlaubsreise und einfach nicht empfänglich sind für einen Plausch mit dem Anrufer, dann ist es im Sinne des guten Zuhörens fair, das Gespräch auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben, wenn der Kopf wieder frei ist: „Ich ruf dich zurück!“

2

EINSTIMMEN AUF DAS THEMA UND DEN SPRECHER

Ein „Sicheinlassen“ auf den Sprecher ist eine wesentliche Voraussetzung für gutes Zuhören. Margarete Imhof beschreibt diese Prozesse als „Informationen suchen – aufnehmen – verstehen und abspeichern“. Um neue Informationen besser aufnehmen und speichern zu können, bereiten Sie sich am besten auf das Thema vor, lassen sich also schon vorher darauf ein. Je mehr Sie dazu vorab zusammentragen und aus dem Gedächtnis rekapitulieren, desto neugieriger werden Sie sein, das Bild beim Zuhören zu vervollständigen. Noch leichter wird Ihnen das fallen, wenn der Vortragende dieses bei Ihnen als Zuhörer entstehende Bild mit Mimik, Gestik und Tonfall akzentuiert. All diese Gesten ergeben eine Art Kopfkino. Was so erlebnishaft aufgenommen wird, steht später nachhaltig im Erfahrungsschatz des Langzeitgedächtnisses zur Verfügung. PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

ILLUSTR ATION: STEFAN BACHMANN

E

s gibt Menschen, die sich selbst am liebsten sprechen hören und nie wirklich zuhören. Dem Gegenüber geben sie kaum eine Chance, sich einzubringen. Vielredner, Nichtzuhörer, Unterbrecher reißen mit Leidenschaft das Wort an sich. Andererseits gibt es Menschen, mit denen man sich gerne umgibt, weil sie auch Zwischennuancen des Gesagten hören und aufmerksam sind. Zuhören ist eine Schlüsselkompetenz und trägt dazu bei, Frust, Stress und Missverständnisse im privaten und beruflichen Alltag zu vermeiden. Diese Gabe fliegt einem nicht zu. Doch man kann sich in ihr üben, wenn man sich konzentriert auf das Zuhören einlässt und bestimmte Dinge beherzigt:


3

RESPEKT UND AUFMERKSAMKEIT

Aktives Zuhören heißt, dem Gesprächspartner respektvoll zu begegnen. Dazu zählt, sich selbst vorübergehend in den Hintergrund zu stellen, so der Psychologe und Betriebswirt Andreas Patrzek. Wertschätzung gegenüber den anderen verbietet, dessen Botschaften sofort zu werten und ihn zu kritisieren oder gar „herunterzumachen“. Um Verständnis und Aufmerksamkeit zu signalisieren, können Kopfnicken, das Hochziehen der Augenbrauen oder Handbewegungen als nonverbale Botschaften dienen. Am Telefon helfen kurze Einwürfe wie „ja“ oder „aha“, die jedoch natürlich und authentisch bleiben müssen. Zwischenfragen wie „Habe ich dich da richtig verstanden?“ oder „Wie meinst du das?“ zeigen, dass der Zuhörer ganz bei der Sache ist. Im Streit, wenn die Vorwürfe im Stakkato hin- und herfliegen, empfiehlt es sich, das Tempo aus der Diskussion zu nehmen: „Also gut, ich werde dir jetzt zuhören und nichts dazu sagen, dich ausreden lassen, das Gleiche erwarte ich dann aber auch von dir.“

4

MIT VIER OHREN HÖREN

Alles Gesagte enthält einen Sachinhalt, ist eine Selbstkundgabe, transportiert eine Beziehungsbotschaft und einen Appell, mit dem der Sender den Empfänger der Botschaft erreichen will. Friedemann Schulz von Thun bezeichnet aktives Zuhören deshalb als ein Erfassen mit „vier Ohren“. Ein Beispiel: Ihre beste Freundin sagt: „Ich habe das Gefühl, mein Mann betrügt mich, er macht jeden Abend Überstunden – wir verbringen kaum Zeit miteinander.“ Aktives Zuhören können Sie zum Beispiel unterstreichen, indem Sie das Gehörte knapp und ohne Wertung zusammenfassen und das Problem aus der Perspektive der Freundin sehen. Damit fühlt sie sich verstanden. Ihre Antwort könnte lauten: „Du hast also das Gefühl, weil dein Mann Überstunden macht, betrügt er dich – habe ich das richtig verstanden?“ Der Angesprochene sollte je-

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

doch keinesfalls in eine Therapeutenrolle schlüpfen, das wirkt gekünstelt und könnte auf der Beziehungsebene eher Schaden anrichten.

5

KEIN OHR ABKAUEN LASSEN

Denken wir uns in eine Partyszene. Sie genießen es, mit alten Bekannten zu plaudern, wechseln dort und da ein paar Sätze, bleiben bei interessanten Menschen länger stehen und kommunizieren. Da betritt eine gute Freundin die Szene, begrüßt Sie und beginnt nahtlos mit einem ihrer gefürchteten Monologe: „Bei mir gibt’s viel Neues, ich habe eine Gelenkentzündung und war gestern beim Arzt, du kennst ihn ja, und da sagt er doch …“ Zehn Minuten später haben Sie zwar eine beachtliche Portion Seelenmüll von der Freundin aufgeladen, aber kein einziges Wort mit ihr gesprochen. Glauben Sie bitte nicht, dass Ihr ergebenes Gewährenlassen Sie als guten Zuhörer auszeichnet! Dauerredner muss man als guter Zuhörer nicht ausreden lassen, meint Schulz von Thun. Manche Menschen sind nämlich unfähig, die Zuhörbereitschaft ihres Gegenübers richtig einzuordnen, und überspannen den Bogen, weil es ihnen an Sensibilität mangelt oder sie ein übersprudelndes Mitteilungsbedürfnis haben. In diesem Fall darf man unterbrechen. Einerseits aus Selbstschutz, andererseits um nicht falsches Interesse zu heucheln. Schließlich möchte auch der Vielredner wissen, woran er ist und ob seine Botschaft angekommen ist. Um nicht zum Zuhöropfer zu werden, greift der gestaltende Empfänger also aktiv lenkend und strukturierend in den Monolog ein. „Er stellt Fragen, bittet um Vertiefung dieses oder jenes Aspekts, bestimmt das Tempo und die Dynamik des Gesprächs mit“, sagt Friedemann Schulz von Thun. Der Zuhörer hat zwar „auf Empfang“ geschaltet und nimmt das Gesagte auf – er trägt jedoch selbst die Verantwortung dafür, dass er das zu hören bekommt, was ihn interessiert. Nur so kann ein „guter Zuhörer“ mit entsprechender Aufmerksamkeit auftreten.

Christine Beck-Huhndorf Heilpraktikerin für Psychotherapie, Diplom-Kauffrau Heilpraktikerpraxis für Psychotherapie und Coaching Kastanienweg 22, 72589 Westerheim info@beck-huhndorf.de

Ich bin Mitglied im VFP weil ... es mir wichtig ist, aktuelle Informationen und Weiterbildungsangebote von hoher Qualität zu nutzen

... eine starke Interessenvertretung und Öffentlichkeitsarbeit neue Potentiale erschließen

... Symposien, Foren, Arbeitskreise und das große Netzwerk meine Arbeit bereichern Informationen über den VFP erhalten Sie hier Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e.V. Lister Straße 7, 30163 Hannover Telefon 05 11 / 3 88 64 24 www.vfp.de | info@vfp.de

9)3 39


40

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Geliebtes Verbrechen Warum bekommen so viele von uns nicht genug von Krimis und Psychothrillern? VON CHRISTIAN SCHÄRF

ILLUSTR ATIONEN: NIKLAS HUGHES

D

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

eutschland ist im Krimifieber. Ob Köln, Hamburg, Frankfurt oder Heidelberg – jede große und auch mittelgroße Stadt hat inzwischen ihren eigenen Ermittler samt dazugehöriger Krimireihe und kann auf eine ganze Palette von Fällen verweisen, deren schrittweise Lösung das Kolorit des Ortes effektvoll hervorhebt. Krimifestivals schießen wie Pilze aus dem Boden, bekannte und lange etablierte überregional angelegte Veranstaltungen wie in der Eifel oder regional eingegrenzte wie etwa das Mörderische Rheinhessen oder die Mordstage im Bayerischen Wald. Von Edgar Allan Poe, der den ersten Psychothriller schrieb, über Arthur Conan Doyle, den Schöpfer von Sherlock Holmes, Agatha Christie, Raymond Chandler und Patricia Highsmith bis zu den Thrillerautoren der Gegenwart hat sich die Nachfrage nach spannenden Stoffen immer wei-

41


Innere Nähe zum Täter bei gleichzeitiger Abscheu vor seinen Taten: Hier bedarf es eines Ermittlers, auf den sich Leser moralisch stützen können ter gesteigert. Und immer mehr Leser glauben sich nach erlangter Vertrautheit mit dem Genre bald schon des Verfassens eines eigenen Krimis mächtig. Rechnet man zu den zahllosen gedruckten Thrillern und Detektivgeschichten die in die Tausende gehende Anzahl der Fernsehkrimis hinzu, die jedes Jahr ausgestrahlt werden, drängt sich die Frage auf: Woher kommt das unstillbare Bedürfnis des Publikums nach Verbrechen und ihrer Aufklärung? Was sagt es über die mentale Verfassung einer Gesellschaft aus, dass der weitaus größte Teil der Bevölkerung von Kriminalrätseln und Psychothrillern nicht genug bekommen kann? Nur auf den ersten Blick scheinen die Grundzüge der Geschichten simpel. Mord sollte es schon sein. Ein kapitales Verbrechen, ein Täter, von dem es noch keine Spur gibt, sowie das Rätsel um Tatmotiv und Tathergang sind die wesentlichen Zutaten eines guten Krimis. Aber nur auf den Schock, das Rätsel oder die Täterjagd zu setzen reicht gerade heute nicht mehr aus. Die Rätselspannung, bei der die Frage „Wer hat es getan und wie wurde es getan?“ schließlich bloß noch eine Art Denksportaufgabe darstellte, ist im Geschmack der zeitgenössischen Thrillergemeinde eindeutig durch die Angstspannung ersetzt worden. Die aufkommende Spannung beruht dabei auf einem Gefühl der Unlust. Ein Hindernis ist noch nicht überwunden, ein mysteriöser Zusammenhang noch nicht geklärt, eine entsetzliche Bedrohung noch immer virulent. Die Ungewissheit reizt die Nerven oft bis ins Extrem, Angst kommt auf, deren Quelle im Dunkeln liegt und die zu dem wird, was man namenlose Angst nennt. Krimispannung ist das Ergebnis einer Manipulation, der man sich freiwillig aussetzt. Von allen literarischen Formen, die mit Spannungsbögen operieren, repräsentiert der Kriminalroman das Format, das am stärksten und direktesten auf die emotionale Beeinflussung der Leser ausgerichtet ist. Im güns42

tigsten Fall vollzieht sich in ihrem dramatischen Verlauf eine regelrechte Überwältigung der Aufmerksamkeit. Hierzu dient eine genau kalkulierte Ökonomie der Information, die den Auf bau einer Geschichte bis in die Einzelheiten bestimmt. Der Autor muss ständig abwägen, wie viel von seinem Wissen er dem Leser mitteilt und was er ihm bis zu welchem Zeitpunkt vorenthält. Suspense gilt als Inbegriff einer Erzählstrategie, die den psychologischen Hintergrund des Genres ausmacht. Übersetzt bedeutet dieser im Krimifach allgegenwärtige Ausdruck Aufschub. Er umfasst den gesamten Handlungsrahmen und darin die Frage, wie und wodurch Leser gefesselt werden können. Der Leser – so scharfsinnig und intelligent wie der Detektiv

Der Psychothriller, dessen Wurzeln bis zurück zu den Vorstufen des Kriminalromans in den Schauererzählungen des frühen 19. Jahrhunderts bei E. T. A. Hoffmann, Mary Shelley und Edgar Allan Poe reichen, lässt uns ins Denken des Täters eindringen, der nicht selten ein psychopathischer Serientäter ist. Indem der Leser die Perspektive des Täters einnimmt, entsteht eine fragwürdige, aber unabweisbare Form von Identifikation mit ihm und seinen Taten. Das PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


kann so weit gehen, dass sich der Schauder vor der nächsten Tat in eine Angst davor verwandelt, der Täter könne ergriffen werden. Beim Psychothriller treten gleichermaßen Lust und Scham, mit dem Täter zu sympathisieren, in den Vordergrund und lassen eine ambivalente Lage entstehen, in der man zwischen der inneren Nähe zum Täter und dem Abscheu vor seinen Taten hin- und hergerissen wird. Gerade hier bedarf es des Ermittlers, um eine zweite Identifikationsfigur ins Spiel zu bringen, auf die man sich moralisch stützen kann. Mit dem Verfahren der Informationsdosierung wird der Leser zum Komplizen des Detektivs und zu einer Instanz, die neben und mit ihm damit beschäftigt ist, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Ein wesentliches Wirkungsmoment bei der Verführung zum Kriminalroman liegt in dieser Komplizenschaft. Beide, Detektiv und Leser, haben dann dieselbe Aufgabe. Das schweißt sie zusammen und führt dazu, dass der Leser über die Figur des Detektivs – fast ohne es zu bemerken – in die fiktive Welt des Falles und seiner Figuren hinübergleitet und das Geschehen nicht nur aus einer Zuschauerposition betrachtet, sondern sich imaginativ darin bewegt. Man könnte die zwischen Detektiv und Leser in Gang gesetzte Operation eine narzisstische Übertragung nennen: Der Leser erreicht es im Idealfall, die Intelligenz und den Scharfsinn des Ermittlers als eigenen narzisstischen Lustgewinn zu erleben. Nicht zuletzt um diese Übertragung zu gewährleisten, muss auf den Detektiv Verlass sein. Erfolgreich sind Krimiautoren meist dann, wenn es ihnen gelingt, einen Ermittler (oder ein Ermittlerteam) zu installieren, der eine ganze Reihe von Fällen hindurch präsent bleibt und dabei auch seine persönliche Geschichte entfaltet. Der Erfolg liegt in der Serie und in der sich daraus ergebenden Vertrautheit der Leser mit den Ermittlern. Als Arthur Conan Doyle nach einer Reihe von Sherlock-Holmes-Romanen auf die Idee verfiel, seinen Helden sterben zu lassen, löste er aufseiten seiner Leser einen Sturm der Entrüstung aus, der so lange anhielt, bis er sich entschloss, den bewunderten Superstar wieder aus dem Totenreich zurückzuholen. Die frühen Detektive waren regelrechte Superhirne, die verschiedene Varianten kombinierender Rationalität in höchst individueller Weise zum Einsatz brachten. Schon Poe ließ 1841 mit Auguste Dupin einen exzentrischen Ermittlertypus in seiner das Genre begründenden Erzählung Die Morde in der Rue Morgue auftreten. Seine Nachfolge trat der legendäre Sherlock Holmes an, der die Gabe des überPSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

raschenden Kombinierens auf zuweilen schrullige Art kultivierte. Wissen interessierte ihn nur, insofern es mit der Aufklärung eines Mordes in Verbindung gebracht werden konnte. Entsprechend war sein Kenntnisniveau nicht das eines Bildungsbürgers oder eines Forschers, sondern ganz auf das Spurenlesen im Kontext eines Verbrechens abgestellt. Die Typologien und die Erscheinungsbilder der Detektive ändern sich mit der psychosozialen Lagerung der kulturellen Umwelt. In den 1940er Jahren hatten die hard-boiled detectives vom Format eines Philip Marlowe ihre Zeit, einsame Wölfe, die Whiskey tranken, unentwegt rauchten und sich unverdrossen durch einen wahren Dschungel an Verbrechen und Verschwörung schlugen. Sie waren Ausgeburten der existenzialistischen Stimmung jener Jahre; in ihrer Mischung aus Coolness und innerer Gebrochenheit lieferten sie die typologischen Grundlagen für die heutigen Ermittlerfiguren. Die heutigen Ermittler sind an der Grenze der Erschöpfung

Inzwischen haben wir es vorwiegend mit Ermittlern zu tun, die teils immer noch allein, teils als geschlechtlich gemischtes Team auftreten und einen hohen Grad von individualpsychologischer und gruppendynamischer Störanfälligkeit aufweisen. Das Wichtigste ist nach wie vor, dass dem Leser die Identifikation mit dem Detektiv gelingt. Dazu muss er einen die Zeitstimmung verkörpernden Charakter in ihm vorfinden. Man will jetzt nicht mehr nur den scharfsinnigen Zeichendeuter und Rätsellöser vor sich haben. Heutige Krimileser erwarten den gebrochenen, vielleicht sogar schon den an den Verhältnissen zerbrochenen Typus, der dennoch weitermacht und der, auch wenn er einen Fall löst, doch keineswegs eine nur kurzzeitig gestörte Ordnung wiederherstellt, sondern mit sich und der Welt dauerhaft über Kreuz liegt. Der sogenannte Schwedenkrimi – der auch von Norwegern oder Dänen verfasst sein kann – setzt in dieser Hinsicht Maßstäbe. Das zeitgemäße Credo der Ermittler von Henning Mankell über Arne Dahl, Jussi Adler-Olsen bis hin zu Hjorth & Rosenfeldt lautet: Kapitale Verbrechen ereignen sich in einer von Grund auf heillosen Welt. Die Frage, weshalb die oft verzweifelten Ermittler trotz der nicht abreißenden Kette grausamer Taten immer weitermachen, bleibt offen und hält die Spannung von einem Roman zum nächsten aufrecht. Ermittler, wie sie heute auftreten, sind mehr psychische Widerstandskämpfer als rationale Superhirne. Die Rätsel, die sie lösen, sind einer Welt entnom43


Heutige Detektive können nicht wie Pater Brown zufrieden dem Herrgott für seine Mithilfe danken

aber jedenfalls kausalen Logik folgen. Romane, in denen etwa ein Mord ganz ohne Motiv geschieht, sind streng genommen keine Kriminalromane. Dass Menschen aus Hass, Eifersucht oder Gier töten, dass sie es in allen Generationen immer wieder tun und dass diese Motivlage sich durch alle Epochen und gesellschaftlichen Schichten zieht, steht für den Krimileser nicht nur fest, er will es auch immer wieder bestätigt finden. Jeder Mensch ist zu einem Mord fähig

men, in der ein Rätsel in ein anderes, nächstes verschachtelt ist und die Lösung immer nur ein kleiner Schritt auf einem womöglich endlosen Weg sein kann. Dadurch wandeln sie immer an der Grenze zu mentalen Erschöpfungszuständen, ein Terrain, das auch den Lesern vertraut sein dürfte. Gerade der mühsam aufrechterhaltene innere Antrieb der Ermittler bei der Verbrechensbekämpfung mag dem Leser besonders realistisch erscheinen. Schließlich leben wir in einer globalisierten Welt, deren allgegenwärtige Heillosigkeit uns die Nachrichten in jeder Minute vor Augen führen. Da wäre es seltsam, würde ein Ermittler wie einst Pater Brown zufrieden die Hände in den Schoß legen und mit einem seligen Blick nach schräg oben dem Herrgott für die Mithilfe beim gerade abgeschlossenen Fall danken. Der Krimileser glaubt an die Gültigkeit des Motivs, aus dem heraus Verbrechen begangen werden. Zugleich wehrt er die Vorstellung ab, die Welt um ihn herum könne womöglich gar keine mysteriösen Hintergründe haben und das Handeln der Mitmenschen müsse nicht zwingend einer zwar verdeckten,

In diesem Bedürfnis findet ein bestimmtes Menschenbild seinen Niederschlag. Es beruht auf der Annahme, dass jeder Mann und jede Frau zu einem Mord fähig sein kann und dass man im Grunde nie genau weiß, wen man gerade vor sich hat. Die Bestätigung dieser argwöhnischen Haltung verspricht einen erkenntnistheoretischen Lustgewinn, zumal ihm die unverbrüchliche Beständigkeit des Kommissars oder des Detektivs als konstantes Korrektiv zugewiesen ist. Dadurch wird der Kampf zwischen Gut und Böse institutionalisiert und in der Schwebe gehalten. In diesem urtümlichen Kampf findet der Leser den einfachsten Modus einer nachvollziehbaren Ordnung der Dinge. Seine mit jedem Krimi gewährleistete Wiederholung verleiht nicht zuletzt eine latente Gewissheit über die Beständigkeit und die Begreifbarkeit der Lebenswelt. Die Aufklärung von Verbrechen beinhaltet den Gedanken an eine Ordnung, deren Geltung über das rein juristische Gebiet hinausgeht. Die Frage danach, wer schuld ist, wer es getan hat und warum, ist immer auch eine metaphysische Frage, die sich auf den

WIE MAN SPANNUNG ERZEUGT Lässt sich spannend schreiben lernen? Christian Schärf sagt: ja. Angehenden Krimiautoren stellt er in seinem Buch Spannend schreiben. Krimi, Mord- und Schauergeschichten (Bibliographisches Institut, Mannheim 2012) unter anderem folgende Aufgaben, hier zum Stichwort „Die detektivische Konstellation“: Versuchen Sie, eine Detektivgestalt zu konzipieren, und zwar aus der Perspektive eines Erzählers oder einer Erzählerin.

44

Sie können den Detektiv in die Großstadt versetzen oder ihn aufs Land schicken; Sie können ihn als analytischen Denker auftreten lassen oder als Sportsmann, der sich vor allem durch körperliche Ertüchtigung fit hält. In jedem Fall sollten Sie ihm markante Konturen geben, bis hin zu psychischen Details und Lebensverhältnissen. Gewisse Eigenwilligkeiten sind unverzichtbar; diese müssen mit der Art und Weise zusammenhängen, wie er einen Fall löst.

Zunächst sollte der Detektiv als Individuum auftreten, ohne weiteres soziales Umfeld wie Familie oder Lebensgefährten. Die Profilierung des Detektivs geschieht durch den Blick eines Erzählers, der sich in der Nähe des Detektivs bewegt. Daher sollte Ihre Charakterisierung in einem zweiten Schritt die eigene Stimme eines Erzählers herausarbeiten und die spezifische Nähe (bei Edgar Allan Poe und Arthur Conan Doyle sind es Wohngemeinschaften) herausstellen.

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Ursprung und den Sinn des Ganzen richtet. Der Detektiv ist in dieser Hinsicht ein Spezialist, der dieses im Grunde philosophische Problem in einer von seinen Lesern geteilten Alltagswelt verankert und sozialpsychologisch bearbeitet. Dadurch wird es gleichbedeutend mit der Frage nach der Realität selbst. Der Realitätseffekt des Krimis liegt in der Identifizierbarkeit eines markanten sozialen Typus aus dem alltäglichen Leben mit durchaus eigenwilligen Verhaltensweisen und neurotischen Symptomen. Trotz aller Defekte, Defizite und Widrigkeiten, die diese Detektive auszeichnen, halten sie doch den Kopf über Wasser und schaffen es, auch als Traumatisierte weiterzumachen. Spannung als Zivilisationsdroge

Wenn der Fall gelöst, die Bedrohung besiegt, der Täter gefasst ist, wandelt sich die zuvor bis zur Unerträglichkeit empfundene Unlust in eine Lust, deren Genuss ohne das vorherige Gefühl der Unlust nicht erfahrbar wäre. In diesem von Roman zu Roman sich wiederholenden Prozess kann die Aufgabe erkannt werden, die kriminalistische Spannung im Kulturhaushalt der Gegenwart tagtäglich erfüllt. Es handelt sich um ein Expansionsunternehmen in den nervösen Untergrund des modernen Menschen. Die im Krimi erzeugte Spannung wird als eine Art Zivilisationsdroge erkennbar, nach der wir verlangen, um unseren Nerven Nahrung für die Aufrechterhaltung eines bestimmten Stimulationsniveaus zu geben. Eine Stimulation, die als eine besonders intensive Form von Unterhaltung genossen wird, da sie nicht bloß den Intellekt und die Sinne erreicht, sondern das gesamte Nervensystem erfasst. Die Nervennahrung aus Angst und Spannung ist ein Hauptgrund, aus dem heraus sich in den Buchhandlungen die Kriminalromane stapeln, Mord und Totschlag die Fernsehprogramme beherrschen und sich das fiktive Verbrechen noch die letzten regionalen Winkel der Republik erobert. Die Angstspannungsgemeinde hat sich inzwischen über die ganze Republik verbreitet. Immer wieder werden bestimmte Ermittler oder Reihen zu ihren Kultobjekten. Es ist nicht übertrieben, von Tendenzen zur Bildung sektenartiger Kollektive zu sprechen, wenn man an PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

die unterschiedlichen Szenen der Krimi-Fangemeinde denkt. Das Abtauchen in die Spannung wird dort als geistige Lebensform gefeiert, die man mit vielen anderen teilt. So betrachtet, trägt die seit Jahren anhaltende Begeisterung für den Krimi Züge einer kollektiven Flucht aus der Wirklichkeit. Eine Flucht, die umso besser gelingt, als sie sich als ein Durchdringen der Rätsel eben jener Wirklichkeit und damit als deren vermeintliche Konfrontation begreift. Wenn sie uns packt, vergessen wir, wer und wo wir sind. Das Bewusstsein zu lesen verschwindet beim Verschlingen eines guten Krimis wie von selbst. Krimis sollten dazu in der Lage sein, über einen längeren Zeitraum einen Flow zu erzeugen, der sich nach Möglichkeit verstärkt und zu dem man nach unterbrochener Lektüre sofort wieder zurückkehren möchte. Die Erfahrung der Spannung steht so deutlich für das Glück der Selbstvergessenheit, dass spannend zur Signalvokabel unseres gesamten Konsumverhaltens geworden ist. Schafft es ein Krimi nicht, uns vollkommen in seine Welt hineinzuziehen, lesen wir also immerzu mit einem kritischen, distanzierten Auge, dann hat er den Sinn des Genres verfehlt. Denn dieser liegt ja im Versprechen der vollkommenen Absorption der Aufmerksamkeit. Ziel und Zweck des Detektivromans und noch mehr des Thrillers sind mithin im Prozess des Lesens selbst zu sehen. Kein Erzählungstyp erscheint darin so selbstbezüglich wie der Kriminalroman. Der dramatische Strom aus Angst und Spannung ist alles, was man von ihm erwartet. Ein reflektierendes Innehalten oder ein Nachdenken über die reine Zeit der Lektüre hinaus erscheint als sekundärer Effekt. Denn was aus der Lektüre eines Krimis vor allem folgen soll, ist der Wunsch, möglichst sofort mit der PH Lektüre des nächsten zu beginnen. Prof. Dr. Christian Schärf leitet seit 2013 das Institut für Literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft der Universität Hildesheim. Neben verschiedenen Sachbüchern hat er unter anderem den Roman Ein Winter in Nizza verfasst. Sein Lieblingskrimi: Der Geschichtenerzähler von Patricia Highsmith.

45


Das Trauma heilen Psychische Verletzungen schädigen die Seele und das Immunsystem. Deutsche Wissenschaftler konnten nun zeigen: Psychotherapie lindert nicht nur die seelischen Schmerzen, sie repariert auch geschädigte Zellen VON EDITH HEITKÄMPER

46

kungen eines Traumas bis in die kleinsten Zellen zu verfolgen. Sie wagten eine außergewöhnliche Zusammenarbeit. Psychologen, Molekularbiologen und Mediziner (unter ihnen der renommierte DNA-Experte Alexander Bürkle) forschten gemeinsam. Und erhielten spektakuläre Ergebnisse: Ihnen gelang der Nachweis, dass traumatische Erlebnisse in den Zellen Schäden an der DNA, also am Erbgut auslösen. Zugleich konnten sie zeigen, dass sich durch eine Psychotherapie nicht nur die seelischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung lindern lassen. Auch die Zahl der DNA-Schäden in den Zellen wurde deutlich kleiner. Den positiven Effekt der Psychotherapie auf den Körper konnten die Wissenschaftler damit konkret belegen. Zwar bisher nur an einer kleinen Anzahl von Studienteilnehmern, aber dennoch in einer methodisch einwandfreien randomisierten Doppelblindstudie. Die Ergebnisse dieser Forschungskooperation wurden in der Fachzeitschrift Psychotherapy and Psychosomatics (83, 2014, 289–297) veröffentlicht. Die Idee zum Projekt hatte Iris-Tatjana Kolassa vor ein paar Jahren. Die Psychologin forschte damals zum Thema Stress an der Universität Konstanz. Ihre Hypothese: Psychische Verletzungen schädigen das Immunsystem. Denn Stress wirkt bis tief in die Immunzellen hinein, bis in die Erbinformation der Zelle. Wenn Stress an der DNA, dem Bauplan des Körpers nagt, dann entstehen Brüche. Der Informationsfluss ist gestört. Die Zelle kann nicht mehr richtig arbeiten. Mit Tausenden DNA-Schäden wird der Körper täglich konfrontiert, wie Alexander Bürkle erklärt: „Es gibt Reparaturvorgänge, die jeden Tag vollautomatisch ablaufen. Wenn sich aber die Schäden anhäufen, kann das für die Zellen und auch für PSYCHOLOGIE HEUTE

ILLUSTR ATIONEN: PATRIC SANDRI

S

eine Erinnerungen kommen zögerlich, wie von weit her. Aber er kann sie inzwischen aussprechen. Das ging viele Jahre lang nicht. „Sie haben mich begraben, bis zum Hals. Die ganze Nacht war ich so eingegraben. Ich dachte, ich muss sterben.“ SanaBairo Sabally aus Gambia hat unvorstellbare Grausamkeiten erlebt. Jetzt sitzt er in einem schlichten Raum der Traumaambulanz an der Universität Konstanz. Er hat sich für das Gespräch fein gemacht, trägt sein festliches gold-braun gemustertes afrikanisches Gewand. Aus Gambia konnte er irgendwann fliehen. Doch noch lange Zeit nach der Flucht kamen immer wieder die Bilder hoch. Ließen ihn innerlich erstarren, brachten ihn um den Schlaf. Neun Jahre hatte er in Afrika im Gefängnis verbracht. Komplett isoliert. Seine Peiniger haben ihn in dieser Zeit immer wieder gefoltert. „Ich war mit den Füßen am Dach aufgehängt. Wie Vieh. Dann haben sie unter mir Feuer gemacht.“ Solche Erlebnisse verwunden die Seele. Und sie können auch körperlich krank machen. Fachleute schätzen: Mehr als jeder dritte Flüchtling, der nach Deutschland kommt, leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). „Wir wissen, dass Menschen, die in diesem Zustand lange leben und nicht therapiert werden, ein höheres Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems haben“, sagt die Psychologieprofessorin Iris-Tatjana Kolassa von der Universität Ulm, „und auch für Diabetes, für Autoimmunerkrankungen und für Krebs.“ Wie genau die furchtbaren Erlebnisse den Körper schädigen, konnte am Menschen bisher nicht nachgewiesen werden. Nun gelang es Wissenschaftlern der Universitäten Ulm und Konstanz, die Auswir-

08/2016


PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

47


die entsprechenden Organe sehr negative Konsequenzen haben.“ Um Menschen zu finden, die schwere Traumata erlebt hatten, fragten die Wissenschaftler in der Konstanzer Ambulanz nach Flüchtlingen, die bereit waren, an der Studie teilzunehmen. Sana-Bairo Sabally aus Gambia war einer von ihnen. Sein Blut wurde wie das der anderen Teilnehmer zweimal untersucht. Einmal vor der Therapie. Und Monate später dann, nach den Gesprächen mit der Psychologin. Die Forscher suchten nach DNA-Schäden in ganz speziellen Zellen. Nämlich solchen, die für das Immunsystem wichtig sind. Das sind die sogenannten mononuklearen Zellen des peripheren Blutes. Diese Zellen gehören zu den Leukozyten, den weißen Blutkörperchen des Immunsystems. An ihnen lässt sich besonders gut die Reaktion des Körpers auf Stress beobachten. Für die Studie verglichen die Forscher das Blut von mehreren Dutzend Menschen, die sie in drei Gruppen teilten. Eine Gruppe bestand aus 34 Flüchtlingen mit schwerer posttraumatischer Belastungsstörung. Die zweite Gruppe umfasste elf Flüchtlinge, die zwar ebenfalls traumatische Erfahrungen gemacht hatten, aber äußerlich keine PTBS-Symptome zeigten. Die dritte Gruppe, die Kontrollgruppe, hat-

te keine schweren Traumata erlebt. Es waren 20 Menschen aus Afrika, Afghanistan, dem Balkan oder dem Mittleren Osten. Damit hatte diese Gruppe eine vergleichbare ethnische Zusammensetzung wie die beiden anderen. Die Studie zeigte, dass die traumatisierten Teilnehmer – ob mit PTBS-Symptomen oder ohne – in ihren Körperzellen mehr und stärkere DNA-Schäden hatten als die Personen aus der Kontrollgruppe. Zum ersten Mal wurde der Zusammenhang von Stress und DNA-Zerstörung damit direkt am Menschen nachgewiesen. Soweit war die Hypothese der Wissenschaftler bestätigt worden. Daraufhin untersuchten sie, wie es denn nach der Therapie aussieht. An diese Frage hatte sich noch niemand herangewagt. Schlägt sich die Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung auch auf molekularer Ebene nieder? Wirkt sich Psychotherapie bis in die Körperzellen aus? Dann müssten sich die DNA-Schäden in den Immunzellen ja deutlich verringern lassen. Dafür untersuchten sie die Zellen von 38 schwer traumatisierten Menschen, die alle eine stark geschädigte DNA zeigten. Die Hälfte von ihnen bekam eine Psychotherapie, die andere Hälfte musste warten. Nach zwölf Stunden Therapie, vier Monate später, wurden die Zellen verglichen.

DAS TRAUMA ERZÄHLEN Die Narrative Expositionstherapie hilft schwer Traumatisierten, das Erlebte in ihre Biografie zu integrieren Die Narrative Expositionstherapie (NET) soll traumatisierten Menschen helfen, das Erlebte autobiografisch einzuordnen. Mithilfe des Therapeuten entwirft der Patient seine Lebensgeschichte als chronologische Erzählung und konzentriert sich dabei auf die traumatische Erfahrung. So sollen vereinzelte, mit starken negativen Gefühlen behaftete Erinnerungssplitter als kohärente „Geschichte“ mit der eigenen Biografie verknüpft werden. „Wir gehen wirklich chronologisch vor“, erzählt Maggie Schauer, Leiterin der Traumaambulanz Konstanz, „durch die ganze traumatische Sequenz. Und immer wenn diese heißen Gedächtnisinhalte

48

hochkommen, dann binden wir sie an den Ort, an den Kontext an. Damit sie in der Vergangenheit zurückbleiben und nicht immer wieder in der Gegenwart so eine Rolle spielen.“ Dabei hat die sogenannte Lifeline, also die Lebenslinie eine ganz wichtige Bedeutung. Denn das biografische Gedächtnis von Menschen mit Traumafolgestörungen ist häufig zerrüttet. Die Überlebenden können nicht willentlich auf Erinnerungen zugreifen. Oftmals gehen ganze Lebensabschnitte unter. Die Traumatisierten vermeiden alles, was damit zu tun hat. Ihre Biografie wird lückenhaft, sie wirkt fremd, als gehöre sie nicht zu ih-

nen. Mithilfe der Lifeline kann in der Narrativen Expositionstherapie ein emotionales „Bedeutungsrelief“ des Lebens geformt und dargestellt werden. So können die Patienten erstmalig und unterstützt vom Psychologen Kontakt zu den fragmentierten Erinnerungen aufnehmen. Später entsteht daraus eine chronologische Erzählung des EDITH HEITKÄMPER Lebens.

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Können Stress und Traumaerfahrungen in der Kindheit langfristig zu Autoimmunerkrankungen oder Krebs führen?

Die Blutproben gingen wieder ins Labor – zu Professor Alexander Bürkle und seinem Team. Dort haben die Mikrobiologen ein Modell weiterentwickelt, um DNA-Strangbrüche in den Zellen sichtbar zu machen und das Verfahren zu automatisieren. Er habe zunächst keine allzu großen Erwartungen an die Ergebnisse gehabt, sagt Professor Bürkle, da die untersuchte Gruppe nicht besonders groß war. „Aber eines Morgens rief mich der Statistiker an und teilte mir mit, dass auffällige, sehr starke Effekte zu sehen seien. Und er wollte sich erst einmal versichern, dass bei uns alles mit rechten Dingen zugegangen ist und keine Verwechslungen passiert sind.“ Nichts war verwechselt worden. Die Daten stimmten. Offenbar wurden durch die therapeutischen Gespräche die Reparaturmechanismen in den Zellen gestärkt. Die Schäden an der DNA gingen durch die Psychotherapie deutlich zurück. Die richtige Funktion der Immunzellen konnte wiederhergestellt werden. Ein klares Ergebnis. Bereits nach vier Monaten Therapie waren die DNA-Schäden gering

„Wir waren überrascht von dem starken Effekt, der sichtbar wurde“, erzählt der Mediziner Bürkle, „dass nämlich nach einer erfolgreichen Psychotherapie auch die DNA-Schäden verschwunden waren.“ Und obwohl nur mehrere Dutzend Patienten untersucht wurden und nicht Hunderte, wie sonst etwa bei großen klinischen Medikamentenstudien, war der Effekt so eindeutig, dass er die Biologen und Mediziner überzeugte. Solche deutlichen Ergebnisse hatten selbst die Psychologen nicht erwartet. Schon nach vier Monaten Therapie waren die DNA-Schäden in den Zellen gering, lagen fast auf dem niedrigen Niveau der gesunden Vergleichsgruppe. Auch nach einem Jahr, als noch einmal getestet wurde, blieben die Schäden auf diesem Level, hatten sich sogar noch mehr reduziert. Einzige Schwäche der Studie: Nach einem Jahr konnte man die Ergebnisse nicht mehr mit den Menschen der Wartegruppe vergleichen. Den Autoren erschien es unethisch, ihnen die Therapie so lange vorzuenthalten, also wurden nun auch sie behandelt. Dennoch: Ein solcher molekularer Nachweis für die Wirksamkeit einer Psychotherapie ist bisher einmalig, meinen die Forscher. PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Die Therapie, die zu diesen Ergebnissen geführt hat, wird in der Konstanzer Traumaambulanz weiterhin praktiziert. Die traumatisierten Kriegsflüchtlinge werden mit der Narrativen Expositionstherapie (NET) behandelt, einer gezielten Kurzzeittherapie. Sana-Bairo Sabally konnte mit ihrer Hilfe lernen, seine furchtbaren Erlebnisse dort zu verankern, wo sie sich abgespielt haben: als Teil seines Lebens in seiner Vergangenheit. Die ihn prägt, aber nicht mit ihrem Schrecken jeden neuen Tag dominiert. Die zwölf Therapiestunden, in denen er während der Studie seine traumatischen Erlebnisse bearbeitete, haben ihm sehr geholfen, sagt er. „Früher, als ich nach Deutschland gekommen bin, konnte ich niemandem vertrauen. Ich habe immer hinter mich geguckt und nach rechts und links, ob ich verfolgt werde. Aber heute ist das nicht mehr so. Ich habe jetzt keine Angst mehr vor den Menschen.“ Nach Beendigung der Studie hat Kolassa eine Arbeitsgruppe zur molekularen Psychotraumatologie gegründet. Mit ihr plant sie weitere Forschungen. Beispielsweise mit Müttern und Kindern, die Gewalt in der Schwangerschaft erlebt haben. Wie man weiß, zeigen Kinder, die schon im Bauch der Mutter Gewalt – und damit Stress und Trauma – erfahren haben, mehr DNA-Schäden als nichttraumatisierte Kinder. Wenn man diese Kinder 15 Jahre später untersucht, sind immer noch erhöhte DNA-Schäden sichtbar. Wie ist dieser Effekt erklärbar, fragt Kolassa, und will untersuchen, ob Stress und Trauma in der Kindheit langfristig auch zu einer Häufung von Autoimmunerkrankungen oder zu Krebs führen. Und die Molekularbiologen? Sie inspirierte die Erkenntnis, dass DNA-Schäden durch traumatischen Stress hervorgerufen werden können, zu neuen Hypothesen und Forschungen: Zum Beispiel stellten sie in einer neuen Studie fest, dass eine chronische Stimulierung von Zellen durch Adrenalin zu einer Verminderung von p53 führt. P53 ist ein wichtiges Enzym, das die Reparatur der DNA und den Zellzyklus reguliert. Der Mangel an p53 schwächt das Verteidigungssystem der Zelle, und es kommt zu einer erhöhten Anzahl an DNA-Strangbrüchen. „Adrenalin ist aber höchstwahrscheinlich nicht der einzige Faktor“, vermutet die Mikrobiologin Maria MorenoVillanueva. Um einen genaueren Einblick in die zugrundeliegenden Mechanismen zu erhalten, untersucht sie die Signalwege in Immunzellen. Sicher ist: Stress beeinflusst das Innere der Zellen. Aber wie genau Stress auf die DNA wirkt, ist noch längst nicht PH geklärt.

49


ALLE DIGITA LEN ABOS MIT RABAT T!

DAS BEWEGT MICH!

PSYCHOLOGIE HEUTE

WWW.PSYCHOLOGIE-HEUTE.DE


JAHRESABO

% 1Ü0 ER NSTIG

12 Ausgaben

G

nur € 64,99 (statt € 71,88)

HALBJAHRESABO 6 Ausgaben

5%

GÜNS TIGER

nur € 33,99 (statt € 35,94)

PROBEABO 3 Ausgaben

5NS% TIGER

nur € 16,99 (statt € 17,97)


KÖRPER&SEELE

REDAKTION: THOMAS SAUM-ALDEHOFF

Einen Standarddrink, bitte! Beim Thema Alkohol scheiden sich die Geister. Das Dilemma fängt damit an, dass die Vorstellungen darüber, was unter „moderatem Alkoholgenuss“ zu verstehen ist, nicht nur von Trinker zu Abstinenzler, sondern auch von Land zu Land auseinanderklaffen. Agnieszka Kalinowski und Keith Humphreys von der Stanford University in Kalifornien haben sich jetzt die Arbeit gemacht, in 75 Ländern die nationalen Empfehlungen zum risikoarmen Alkoholkonsum zu recherchieren. Doch nur in 37 Fällen wurden sie fündig – mehr als die Hälfte der Staaten haben keinerlei Richtwerte und überlassen es ihren Bürgern, die Grenzen nach Gusto zu ziehen. Und bei den 37 Ländern, die Empfehlungen aussprechen, gehen diese beträchtlich auseinander. Schon bei der Definition eines „Standarddrinks“ als Maßeinheit des Alkoholkonsums ist man sich nicht einig: In Island sind acht Gramm (ein kleines Bier) Standard, in Österreich hingegen gelten 20 Gramm, also ein gut eingeschenktes Halbliterglas, als Maß aller Dinge. Bei den Trinkempfehlungen selbst gibt es für jeden etwas: Die konservativsten Länder befürworten nur 10 Gramm Alkohol (etwa ein halbes Glas Wein) 52

pro Tag für Frauen und 20 Gramm für Männer. Dazu zählen Schweden, Kroatien, Bosnien, Slowenien, Indien und Singapur, gefolgt von Deutschland mit 12 Gramm für Frauen und 24 für Männer. In Polen, Estland und Japan hingegen gelten stolze 20 Gramm Alkohol bei Frauen und 40 bei Männern als harmlos. In China werden Männern sogar 50 Gramm pro Tag zugestanden, während die Frauen keinerlei Erwähnung finden. Wem das immer noch zu wenig ist: In den USA und Chile fängt riskanter Alkoholkonsum erst oberhalb von 56 Gramm (drei Flaschen Bier) bei Männern und 42 Gramm bei Frauen an. Entgegenkommend agiert Großbritannien, das seinen Konsumenten keinen festen Grenzwert vorgibt, sondern eine Art Trinkkorridor offeriert: Frauen 16 bis 24, Männer 24 bis 30 Gramm. Auch darf dort – ebenso wie in Australien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Polen, Mexiko, Neuseeland und Fidschi – bei „besonderen Feierlichkeiten“ ausnahmsweise mehr getrunken werden. Wohlsein!

Sind Ihnen die Empfehlungen zum Alkoholkonsum zu streng? Dann schauen Sie doch jenseits der Landesgrenzen nach einem Richtwert Ihrer Wahl!

DOI: 10.1111/add.13341

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Tägliche Fernpendler leben ungesünder als Geschäftsreisende: Wer mehr als eine Stunde für die Fahrt zur Arbeit benötigt, berichtet über eine schlechtere Gesundheit und mehr Stress als jemand, der an mindestens 60 Tagen im Jahr auswärts übernachten muss. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung geht das Pendeln vor allem Eltern an die Substanz. Frauen leiden mehr als Männer.

ALSO SPRACH ÄSKULAP

„Hier (in Uganda) ist Freizeit ein hohes Gut, und wenn man müde ist, ruht man sich aus. Und so ist die Frage, die einem oft zuerst gestellt wird, sehr typisch dafür, warum ich mich in Uganda so wohlfühle: ‚Hast du gut geschlafen?‘“ Psychologin Monika Zaba, die in einem Flüchtlingslager Ugandas posttraumatische Belastungsstörungen erforscht, im Magazin MaxPlanckForschung (4/2015)

DOI: 10.1007/s11553-015-0521-2

Erwachsene Philippe zappeln anders Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ADHS gilt als psychische Störung, die in der Kindheit beginnt und sich oft im Erwachsenenalter fortsetzt. Doch eine neuseeländische Langzeitstudie stellt diese Lehrmeinung nun gleich mit zwei überraschenden Ergebnissen infrage. Zum einen zeigte kaum eines der anfänglichen ADHS-Kinder später im Alter von 38 Jahren noch die typischen Symptome. Zwar standen die ehemaligen Zappelphilippe als Erwachsene keineswegs glänzend da. Sie hatten selten einen Universitätsabschluss, dafür oft finanzielle Probleme und waren unzufrieden. Unter ADHS aber litten die meisten nicht mehr. Umgekehrt hatten jene Erwachsenen, bei denen ADHS festgestellt wurde, die Diagnose als Kind meist noch nicht erhalten. Sie zeigten in ihrer Jugend auch keine Einschränkungen bei Denkleistungen, wie sie für ADHS-Kinder typisch sind. Erstaunlicherweise sind unter diesen ADHS-Erwachsenen genauso viele Frauen wie Männer, während in der Kindheit vor allem Jungen betroffen sind. Das Forscherteam um Terrie Moffitt PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

von der Duke University in North Carolina folgert daher, dass ADHS bei Erwachsenen „möglicherweise nicht die gleiche Krankheit ist wie ADHS bei Kindern“. JOCHEN PAULUS DOI: 10.1176/appi.ajp.2015.14101266

53


Man riecht eine Speise selbst dann noch, wenn sie bereits im Mund ist: Aromamoleküle wandern durch den Rachen zur Nasenhöhle. Leider versiegt diese zusätzliche Genussquelle mit dem Alter zunehmend, wie Forscher der Oregon State University in einem Experiment feststellten. Die Fähigkeit, Speisen zu riechen, war bei den älteren Probanden stärker zurückgegangen als der Geschmackssinn. DOI: 10.1007/s12078-016-9206-2

216

Geben ist senkender denn Nehmen Wer Geld für einen guten Zweck ausgibt, tut seinem Blutdruck einen Gefallen. Klingt abstrus. Doch genau das zeigen zwei aktuelle Studien mit Bluthochdruckpatienten. In der ersten Erhebung wurden 186 Teilnehmer ab 55 Jahren mit Bluthochdruck medizinisch untersucht sowie befragt, ob sie regelmäßig spenden. Dabei stellte sich heraus: Teilnehmer, die generös für wohltätige Zwecke oder Familienmitglieder Geld austeilten, hatten niedrigere Blutdruckwerte, unabhängig von ihren eigenen Lebensumständen und ob sie Blutdruckmedikamente einnahmen. In einer zweiten, diesmal experimentellen Studie bestätigten Ashley Whillans von der University of British Columbia und ihre Mitforscherinnen, dass dies kein Zufallsbefund war. Sie gaben 73 Senioren 40 Dollar und forderten die Hälfte der Probanden auf, sich von dem Geld etwas zu kaufen – nur für sie persönlich, für niemanden sonst. Die anderen Teilnehmer hingegen sollten die Summe ausschließlich für andere ausgeben. Tatsächlich hatte die spendable Gruppe bei der Nachuntersuchung drei Wochen später deutlich niedrigere Blutdruckwerte als die Zwangsegoisten. Die Wirkung des Gebens sei sogar vergleichbar mit den Effekten von Sport oder Bluthochdruckmedikamenten, so die Autorinnen. Ein möglicher Grund: Anderen zu helfen gilt als Stresspuffer. Das entlastet die Blutgefäße und beugt somit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. JANA HAUSCHILD

DOI: 10.1037/hea0000332

Lust auf Sauna oder Therme? Dass es sie gibt, haben wir den Römern zu verdanken. Vor 1800 Jahren, Anno Domini 216, eröffnete Kaiser Caracalla die größte Thermalbadeanlage Roms. Erst nahm man ein Luftbad (Tepidarium), dann ging es in den Heißluftraum (Caldarium), schließlich in die Sauna (Laconicum), gefolgt vom Kaltbad (Frigidarium). Im Schwimmbecken der Therme fanden 1500 Badegäste Platz. Badekuren galten schon damals als gesundheitsfördernd.

54

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


CHRISTOPHE PAPKE/PHOTOCASE.COM

Ideal verfehlt: Nach einer MagenbypassOperation sehen manche Patienten ihre Erwartungen an ein Leben mit schlanker Taille nicht erfüllt

Erst Schwergewicht, dann Schwermut Bei sehr starkem Übergewicht sind Diäten und psychologische Programme zur Gewichtsreduktion oft wenig erfolgreich. Das letzte Mittel ist dann eine Operation, zum Beispiel ein Magenbypass. Dabei wird die aufgenommene Nahrung am größten Teil des Magens und einem Teil des Dünndarms vorbeigeleitet. Die Folge: Der Körper kann ihr weniger Nährstoffe entziehen, der Patient nimmt meist massiv ab. Der Großteil der Betroffenen fühlt sich nach dem Eingriff körperlich und auch psychisch besser. Überraschenderweise entwickeln jedoch einige Patienten mentale Probleme. Studien haben gezeigt, dass nach der OP das Risiko für Alkoholmissbrauch, Depressionen und Suizid zunimmt. Eine aktuelle kanadische Untersuchung mit 7176 Frauen und 1639 Männern belegt nun, dass auch die Zahl der massiven Selbstverletzungen, die in einer Notaufnahme enden, steigt. Junaid Bhatti vom Sunnybrook Research Institute analysierte das Gesundheitsregister des Bundesstaates Ontario. Dabei zählPSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

te er die Fälle von Selbstverletzungen, die an einen Suizidversuch grenzten, drei Jahre vor sowie drei Jahre nach dem Eingriff. Ergebnis: Die Vorfälle nahmen nach der Sektion um rund 50 Prozent zu, im ersten Jahr kaum, dafür umso mehr im zweiten und dritten Jahr. Das Risiko war vor allem bei Städterinnen aus prekären Milieus erhöht. Offenbar sehen manche Patienten ihre Erwartungen an ein Leben mit schlanker Taille nach anfänglicher Euphorie nicht erfüllt. Aber auch die Biochemie könnte eine Rolle spielen: Ein Magenbypass verändert neurohormonelle Systeme, was möglicherweise Suchtverhalten und Depressionen fördert. Allerdings waren 93 Prozent der Patienten bereits innerhalb von fünf Jahren vor dem chirurgischen Eingriff psychisch auffällig geworden. Experten wie Bhatti fordern darum ein Screening, um gefährdete Personen frühzeitig begleiten zu können. KATHRIN BURGER

DOI: 10.1001/jamasurg.2015.3414

55


Wer regelmäßig Joghurt oder Buttermilch, Kaffee und Wein zu sich nimmt, hat eine artenreiche und damit gesunde Bakterienmischung in seinem Darm. Vollmilch und sehr kalorienhaltige Mahlzeiten hingegen schränken die Vielfalt des Mikrobioms ein. Das ermittelten europäische Genetiker, die gut 1100 Stuhlproben auf Bakterien-DNA untersuchten.

Ist es menschenmöglich, den vielbesungenen „Fluss aus Tränen“ zu weinen? Eine Studentin und ein Student der University of Leicester wollten es genau wissen. Sie errechneten, dass es 709 190 040 Tränen bedürfte, um selbst den kleinsten Fluss der Welt, den 61 Meter kurzen Roe River in Montana einen Tag lang strömen zu lassen. Das schafft nicht mal die Weltbevölkerung. Wenn aber jeder 55 Tränen spendet, reicht das immerhin für ein olympiataugliches Schwimmbecken. Das müsste doch zu machen sein!

DOI: 10.1126/science.aad3503

https://physics.le.ac.uk/jist/index.php/JIST/article/ view/186

Hier der Lagebericht des Körpers In jedem Augenblick haben wir eine ziemlich genaue Vorstellung von unserem Körper und in welcher Position sich Arme, Beine, Kopf und Rumpf gerade befinden. Doch nach einer vollständigen oder teilweisen Querschnittslähmung erhält das Gehirn keine oder kaum noch Sinnesdaten aus den abgeschnitte-

nen Regionen und tut sich entsprechend schwer bei dieser mentalen Repräsentation des Körpers – und zwar nicht nur des eigenen Körpers, wie Forscher der ETH Zürich jetzt in einem ausgeklügelten Experiment demonstrierten. Sie zeigten querschnittsgelähmten und gesunden Probanden Fotos von menschlichen Armen, Beinen und anderen Körperausschnitten. Die sollten sie der korrekten Körperseite zuordnen – was aber gar nicht so einfach war, weil die Körperteile in ganz unterschiedlichen Winkeln und Lagen präsentiert wurden. Die gute Nachricht: Auch die querschnittsgelähmten Probanden bewältigten diese Aufgaben korrekt. Aber: Sie brauchten dazu – außer bei den Armen – deutlich länger: je stärker die Rückenmarksschädigung, desto länger die Reaktionszeit. Die Züricher Forscher erklären das damit, dass das Gehirn bei solchen Aufgaben auch die momentane Repräsentation des eigenen Körpers zurate zieht – und diese Hilfestellung müssen Querschnittsgelähmte zeitraubend kompensieren. Das bestätigte sich indirekt bei einer Zusatzschikane: Hielten die Probanden beim Lageerkennen von Fußfotos die eigenen Füße über Kreuz, so kamen diesmal die nicht gelähmten Teilnehmer durcheinander und brauchten für die Antwort länger als sonst. DOI: 10.1038/srep20144

56

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

57


SERIE: LEBEN IM DIGITALEN ZEITALTER (6)

„In E-Mails sind wir ziemlich ehrlich“

58

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Die sozialen Medien haben die Art und Weise verändert, wie Menschen miteinander kommunizieren. Zum Beispiel beeinflussen sie den Umgang mit der Wahrheit. Aber anders, als wir gemeinhin vermuten, behauptet der aus Kanada stammende Psychologe Jeff Hancock

mit Wahrheit, Lüge und Täuschung umgehen.

glauben, sie könnten eine Lüge erkennen. Und: Nein, sie können es nicht.

Wieso gerade dieses Thema?

Sie erforschen seit vielen Jahren, wie wir lügen,

Das begann in meiner Zeit als Student. Damals haben die kanadischen Behörden Leute gesucht, die beim Zoll aushelfen. Zusammen mit meinem besten Freund habe ich mich beworben – und plötzlich waren wir für zwei Jahre beim Zoll. Manchmal sage ich heute im Scherz: „Ich habe Kanada mit einem Stempel verteidigt.“ Das war jedenfalls das erste Mal, dass

wenn wir E-Mails oder SMS schreiben, wenn wir

Herr Professor Hancock, Sie erforschen, wie wir

WhatsApp oder Facebook nutzen. Was haben Sie herausgefunden? Lügen wir häufiger, wenn wir über solche Medien kommunizieren?

Genau das glauben die meisten Menschen, und dieser Glaube speist sich aus drei Grundannahmen. Erste Annahme: Am Computer fehlen die – vermeintlich verräterischen – Signale von Mimik und Gestik. Also kommt man über diese Medien leichter mit einer Lüge davon. Folglich wird man im Internet häufiger lügen. Klingt einleuchtend.

Stimmt aber nicht! All unsere Studien zeigen, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Die meisten Leute sagen fast immer die Wahrheit. Nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung lügt häufig – nämlich die Psychopathen und die pathologischen Lügner. Aber diese Leute lügen ja auch, wenn sie nicht per Computer oder Handy kommunizieren.

ich beruflich mit dem Thema Lüge und Täuschung in Berührung gekommen bin.

Nur damit ich Sie richtig verstehe: Wir lügen in

Wie war das damals beim Zoll? Haben die Leute

E-Mails seltener als von Angesicht zu Angesicht?

viel gelogen?

Korrekt. In E-Mails sind wir im Allgemeinen ziemlich ehrlich. Und wissen Sie, über welches Medium wir die meisten Lügen erzählen? Über das Telefon. E-Mail, Instant Messaging, direktes Gespräch, Telefon – mit jedem Wechsel des Mediums steigt die Anzahl der Lügen. Und die Unterschiede sind enorm: Am Telefon lügen wir zweieinhalbmal häufiger als per E-Mail.

ILLUSTR ATIONEN: MARCUS LANGER

Das merkt man ja nur, wenn man jemanden erwischt. Vermutlich haben viele mir was vorgeschwindelt und sind damit durchgekommen. Die meisten Laien glauben, dass sie einen Lügner ganz gut erkennen können. Dass man es an den Augen sieht oder an einer zappeligen Körpersprache. Man denkt, es läuft wie bei Pinocchio, dessen Nase länger wird, wenn er schwindelt.

Dazu gibt es sehr viele Untersuchungen. Tatsächlich erkennen wir eine Lüge nur in 54 Prozent aller Fälle. Genauso gut könnte man eine Münze werfen – Kopf oder Zahl? Deshalb meine Antwort: Ja, die Leute PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Jeff Hancock ist Psychologe und war über viele Jahre Professor für Kommunikationswissenschaften an der Cornell University. Inzwischen hat er einen Lehrstuhl an der Stanford University im Silicon Valley.

Wie erklären Sie sich das?

Dazu muss ich ein wenig ausholen. Die Frage lautet doch: Welche Features, welche Eigenschaften eines Mediums haben Einfluss auf unsere Ehrlichkeit? Und ich glaube, dass da vor allem drei Faktoren eine Rol59


le spielen: Findet die Kommunikation gleichzeitig statt wie beim normalen Gespräch, am Telefon und beim Onlinechat – oder zeitversetzt wie bei Brief und E-Mail? Zweitens: Sind unsere Worte flüchtig wie im mündlichen Gespräch – oder kann man sie speichern, kopieren und weiterleiten? Und drittens: Wie groß ist die räumliche Distanz zwischen den Gesprächspartnern? Meine Vorhersage lautet: Die Faktoren Gleichzeitigkeit, Flüchtigkeit und große Distanz führen kombiniert zu den meisten Lügen. Und genau das haben unsere Untersuchungen immer wieder bestätigt.

Was ist mit der Annahme: „Wir lügen mehr, wenn

Was ich nicht verstehe: Warum spielt die Gleich-

wir wissen, dass wir damit durchkommen“?

zeitigkeit dabei eine Rolle?

Das ist eine Milchmädchenrechnung. Mein Kollege Dan Ariely hat dazu eine Menge geforscht. Und er konnte zeigen, dass die meisten Menschen manchmal ein bisschen mogeln. Aber das bleibt alles in einem sehr kleinen Rahmen – selbst wenn man weiß, dass man dabei niemals erwischt werden kann. Die Erklärung dafür lautet: Wir wollen, wenn wir in den Spiegel schauen, einen ehrlichen Menschen sehen, einen guten Kerl, dem man vertrauen kann. Ich sage meinen Studenten immer: Niemand lügt, solange er keinen sehr guten Grund dafür hat.

Da geht es eher um die kleinen, harmlosen Alltagslügen. Man sagt: „Hey, tolles Kleid“ – auch wenn man das Teil hässlich findet. Ich nenne diese Art der Flunkerei eine „Butler-Lüge“. Man will einfach nett sein und die Form wahren. Butler-Lügen haben wir immer dort, wo man schnell reagieren, schnell antworten muss – und außerdem keinem auf den Schlips treten will. In E-Mails flunkern wir viel weniger. Man hat ja Zeit, sich eine elegante Antwort zu überlegen, die einerseits wahr ist und trotzdem niemanden beleidigt.

hat meine Hausaufgaben gefressen.“ Das ist eine typische E-Mail-Lüge. Text-Messages dagegen, etwa über WhatsApp, sind eine gleichzeitige Form der Kommunikation. Es überrascht nicht, dass wir hier viele Butler-Lügen gefunden haben. Ich meine, jetzt mal ehrlich: Jeder von uns hat schon einmal den Satz „Bin unterwegs“ in sein Handy getippt. Und keiner von uns saß zu diesem Zeitpunkt schon im Taxi. Wir wollten nur nett sein und unserer Verabredung signalisieren, dass wir an sie denken, dass sie uns wichtig ist – wir uns aber trotzdem verspäten werden.

Reden wir über die Geschichte von Cyrano de Ber-

Jedes Medium produziert also seine eigene Art

gerac. Er verfasste Liebesbriefe im Namen eines

von Lügen?

anderen, war aber wirklich in die Frau verliebt, an

Absolut. Wir haben in E-Mails vor allem Erklärungslügen entdeckt. Man erklärt sich gegenüber einem Vorgesetzten für ein Fehlverhalten. Ein Student schreibt seinem Professor zum Beispiel: „Der Hund

die er schrieb. War Cyrano ein Lügner?

Cyrano ist ein interessanter Fall. Sie wissen vielleicht, dass es heute Firmen gibt, die etwas ganz Ähnliches anbieten: Sie fungieren als Ghostwriter fürs Online-

Verlaufen Paarkonflikte besser, wenn man sie per Internet austrägt? Alle Paare streiten dann und wann. Doch auch auf diesem Feld haben die modernen Kommunikationsmedien das Spiel verändert. So haben Studien gezeigt, dass Menschen mit geringem Selbstwertgefühl dazu neigen, Paarkonflikte nicht von Angesicht zu Angesicht auszutragen. Sie verlagern den Streit lieber auf die elektronischen Medien. Ist das eine gute Idee? Diese Frage stellten sich die gelernten Psychologen Lauren Scissors und Darren Gergle von der Northwestern University. In ihrer Studie baten sie 88 Paare ins Labor, maßen bei jedem Teilnehmer die Höhe

60

des Selbstwertgefühls per Fragebogen und gaben den Paaren anschließend die Aufgabe, sich acht Minuten lang über ein strittiges Thema zu unterhalten. Die Hälfte der Paare saß sich dabei gegenüber, die andere Hälfte kommunizierte am Computer über einen Instant Messenger. Es zeigte sich, dass Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl besonders unzufrieden mit der Diskussion waren, wenn diese via Computer stattgefunden hatte. Sie hatten hinterher auch das Gefühl, der Streit habe einen schlechten Einfluss auf die Beziehung gehabt. Anders gesagt: Wenig selbst-

bewusste Menschen fürchten zwar eine Auseinandersetzung von Angesicht zu Angesicht, würden aber genau davon am meisten profitieren. Ironischerweise läuft die Sache für selbstbewusste Partner umgekehrt. Sie lösen Konflikte am liebsten Aug in Aug. Tatsächlich empfinden sie einen Streit aber als weniger belastend, wenn sie ihn am Rechner austragen. JOCHEN METZGER

Lauren Scissors, Darren Gergle: On the bias: Self-esteem biases across communication channels during romantic couple conflict. Proc. of CSCW ’16, 2016, 383–393

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Geschönte Lebensläufe? Ein Netzwerk wie LinkedIn erzieht die Leute zu mehr Ehrlichkeit

dating und sorgen dafür, dass man ein attraktives Profil bekommt und damit seine Chancen auf dem Heiratsmarkt erhöht. Man nennt diese Leute Cyrano professionals. Aber sind diese Profile deshalb gleich eine Lüge? Sie haben in einer Studie untersucht, wie ehrlich Hotelbewertungen sind. Was haben Sie dabei herausgefunden?

Diese gefälschten Kritiken sind ja tatsächlich ein Problem. Man kann sich solche Bewertungen heute buchstäblich kaufen. Man mietet sich ein paar sogenannte Klickarbeiter (mechanical turks) und lässt sich für wenige Dollars eine große Menge von Jubelbewertungen schreiben. Nicht nur bei Hotels, auch bei Büchern oder Schallplatten. Amazon geht inzwischen ziemlich hart dagegen vor. Jedenfalls habe ich mich mit ein paar Informatikern von der Cornell-Universität zusammengesetzt und Folgendes gemacht: Wir haben nach genau demselben Verfahren 400 gefälschte Hotelbewertungen schreiben lassen. Diese Texte haben wir dann mit echten Bewertungen aus dem Netz verglichen und ein paar deutliche sprachliche Unterschiede festgestellt.

sehen haben, wie groß sie waren, wo das Bett stand. Es gab viel mehr Details. Die Fälscher dagegen haben davon erzählt, was sie dort alles gemacht haben, wer noch alles mit dabei war. Und sie haben viel mehr Adjektive benutzt wie „wundervoll“, „toll“ oder „großartig“. Sie haben auch erforscht, wie ehrlich wir mit unserem Lebenslauf sind – zum Beispiel auf der Jobplattform LinkedIn. Mit welchem Ergebnis?

Wir haben uns die Struktur der Sprache angesehen. Man zerlegt den Text dafür in viele kleine Elemente. Wie viele Verben stehen in dem Text? Wie viele Pronomen? Und so weiter. So bekommt man eine numerische Beschreibung für jeden einzelnen Text. Diese Muster haben wir dann per Computer ausgewertet.

Es stellte sich heraus, dass wir im Netz viel ehrlicher sind als bei einem traditionellen Lebenslauf, den wir ausdrucken und mit unserer Bewerbung an irgendeine Personalabteilung schicken. Ein Netzwerk wie LinkedIn erzieht die Leute zu mehr Ehrlichkeit. Eigentlich ist das nicht verwunderlich. Schließlich weiß jeder: Hier in diesem Netzwerk gibt es viele, die genau wissen, wie lange ich wo und in welcher Position gearbeitet habe. Vor denen will ich nicht als Lügner dastehen.

Es ging also um Grammatik?

Wie ehrlich sind wir in unseren Selbstdarstellun-

Zum Teil schon. Zum Beispiel gebrauchten die Fälscher viel häufiger das Wort „ich“. Sie reden dauernd über sich selbst. Aber etwas anderes war noch wichtiger: Gefälschte Bewertungen lesen sich wie eine fiktive Erzählung, während die echten Reviews eher die Form von Sachtexten hatten. Leute, die wirklich im Hotel waren, erzählen davon, wie die Räume ausge-

gen auf Datingportalen?

Worauf haben Sie dabei besonders geachtet? Was genau hat die Fälscher verraten?

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Die meisten flunkern in ihren Profilen. Männer machen sich ein bisschen größer und erfolgreicher, Frauen machen sich ein bisschen leichter und jünger. Fast alle mogeln. Aber nur ein bisschen. Das liegt zum Teil an dem, was ich vorhin gesagt habe: Keiner will vor sich selbst als Betrüger dastehen. Außerdem wür61


Die meisten Menschen sind verantwortungsvoll und vertrauenswürdig. Darauf fußt die neue Welt der Share Economy

plex um „Vertrauen im Internet“ ist ehrlich gesagt noch nicht besonders gut erforscht. Ich halte das für ein riesiges Feld, in dem auf uns Forscher noch eine Menge Arbeit wartet. Warum könnte das relevant sein?

Kürzlich hatte ich einen Gast bei mir an der Uni, einen der Gründer von Airbnb … … einer Plattform, auf der man seine Privatwohnung an Fremde vermieten kann.

de eine krasse Lüge immer auffliegen. Wenn ein 1,70-Mann behauptet, 1,90 groß zu sein, hat er spätestens beim ersten Date ein Problem. Ich möchte noch über das Thema Vertrauen sprechen – sozusagen über die Empfängerseite unserer Geschichte. Wie sehr vertrauen wir anderen, wenn wir uns im Internet bewegen?

Es scheint da ein bestimmtes Muster zu geben. Im Allgemeinen glauben die Leute: Ich selbst sage praktisch immer die Wahrheit – aber meine Mitmenschen lügen oft. Wir überschätzen also die eigene Ehrlichkeit und unterschätzen die Ehrlichkeit der anderen. Eine unserer aktuellsten Studien zeigt, dass dieser Effekt sich noch einmal verstärkt, sobald wir uns im Internet bewegen. Das heißt: Unser Vertrauen in andere schwindet, wenn wir E-Mails oder Instant Messages bekommen. Wir misstrauen allem, was aus dem Netz kommt. Aber wenn man sich dann das konkrete Verhalten der Menschen ansieht, merkt man, dass sie in Wahrheit ziemlich viel von dem glauben, was sie zu lesen kriegen. Sie meinen: Wir verhalten uns naiv?

Nicht unbedingt. Es zeigt sich nämlich, dass dieses eher vertrauensvolle Verhalten fast immer eine gute Entscheidung ist. Schließlich wird, wie wir schon gesagt haben, im Netz deutlich weniger gelogen, als die Leute im Allgemeinen glauben. Aber der ganze Kom62

Er hat eine kleine Übung mit meinen Studenten gemacht und gesagt: „Holt euer Handy aus der Tasche und gebt es der Person, die rechts neben euch sitzt.“ Das machen die nie!

Die jungen Leute rasten da schon ein bisschen aus, aber am Ende spielen dann doch alle mit. Dann sagt er: „Okay, als ihr euer iPhone weitergegeben habt, da habt ihr’s mit der Angst zu tun bekommen. Aber wie ist es, das Handy eines anderen in den Händen zu halten? Man fühlt sich verantwortlich! Man will gut darauf aufpassen! Und genau das passiert, wenn du – wie bei Airbnb – in der Wohnung eines anderen Menschen lebst.“ Dasselbe erzählen die Leute von Rent the Runway, wo man sich von Privatleuten sehr teure Klamotten für einen Abend leihen kann: Die Kleider kommen in makellosem Zustand zurück. Ich glaube, wenn wir über Vertrauen reden, dann neigen wir dazu, uns nur die eine Seite anzusehen, die verwundbare Seite der Gleichung. Aber es gibt auch die andere Seite, die Seite derer, denen man Vertrauen schenkt. Und da sehen wir: Die meisten Leute sind sehr verantwortungsvoll und sehr vertrauenswürdig. Und darauf fußt diese ganze neue Welt der Share Economy. Manche glauben: Airbnb oder Uber funktionieren, weil wir diesen Unternehmen vertrauen. Aber im Mittelpunkt steht etwas anderes, nämlich die Tatsache, dass wir unseren Mitmenschen verPH trauen. INTERVIEW: JOCHEN METZGER

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


DAS LEBEN IST SCHWER an manchen Tagen. Doch mit der richtigen Einstellung kommt es

IN ORDNUNG.

ALS H C U A APP

DAS BEWEGT MICH!

PSYCHOLOGIE HEUTE

WWW.PSYCHOLOGIE-HEUTE.DE


Das Ende der Menschheit, so wie wir sie kennen Ein Gespenst schleicht sich in die Welt: der Transhumanismus. Seine Anhänger propagieren die Überwindung des Menschen durch die Technik. Die gefährlichste Idee überhaupt? Oder der Beginn eines neuen, glanzvollen Zeitalters?

E

in Mann reist in einem Sarg durch die USA. Der Mann heißt Zoltan Istvan und lebt. Und wie er lebt. Genauer gesagt reist er in einem Bus im Design eines Sargs. Der „Unsterblichkeitsbus“, wie er heißt. Kein Witz: Istvan tritt bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 als Kandidat der Transhumanistischen Partei an. Er verspricht nichts weniger als das Ende des Todes – falls, ja falls ab sofort 1000 Milliarden Dollar in Forschungsvorhaben gepumpt würden, die Alternsprozesse entschlüsseln. Sollte das gelingen, dann sei der Tod „in zehn bis 20 Jahren abgeschafft“. Und wenn nicht dann, dann eben später. Es ist die neueste Entwicklung rund um die Ideologie des Transhumanismus, der die individuelle und kollektive Seele des Menschen – seine Gesellschaft – umzukrempeln versucht: Er wird politisch, mit Parteigründungen nicht nur in den USA, sondern, seit September 2015, auch in Deutschland. Die Botschaft der Transhumanisten, so der Politologe und Soziologe Roland Benedikter: „Der Mensch 64

wird ein anderer; radikale Wissenschaft und Technik jenseits aller bisherigen Parteien und Ideologien lösen alle Probleme.“ Die lateinische Silbe trans bedeutet so viel wie „über, hinüber, jenseits, auf die andere Seite“. In diesem Sinne geht es beim Transhumanismus darum, „die körperlichen und geistigen Grenzen des Menschseins zu sprengen“, erklärt Stefan Lorenz Sorgner von der privaten John Cabot University in Rom. Der Philosoph beschäftigt sich mit den Ideen und Auswirkungen dieser „konsequent durchdachten Weltanschauung, die gegenwärtig plausibelste Deutung menschlicher Welt“, wie er es nennt (siehe Seite 66: Der Grundgedanke des Transhumanismus). Die Bewegung will also den natürlichen, nur relativ kurz und unbewusst lebenden Menschen überwinden – und damit zwangsläufig auch „den klassischen Begriff der Menschenrechte“, erklärt Benedikter. In dieser Logik hat der Mensch das zentrale Recht, seinen Körper und Geist technologisch aufzumöbeln. Schneller, höher, weiter, schöner, stärker, gesünder, schlauer, individueller – so lautet das Credo des

Transhumanismus. Seine Verheißung: das Glück. Und alles, was der einzelne Mensch für sich mit einem guten und freien Leben verbindet. Für den US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama ist der Transhumanismus trotzdem „die gefährlichste Idee der Welt“. Ihre fanatischsten Anhänger hat die neue, in Europa so gut wie unbekannte Philosophie unter den Digitalnerds aus dem kalifornischen Silicon Valley. Sie arbeiten für Hightechriesen wie Google, Facebook oder Apple, die mit ihrem Hypermilliarden Dollar schweren Kapital und ihrem weitreichenden Einfluss die Welt erobern. In technologiebesessenen Gegenden der USA schätzt Benedikter das politische Potenzial der Transhumanisten „auf 15 bis 20 Prozent“. Mit jedem neuen wissenschaftlichen Durchbruch werde die Ideologie attraktiver für die Menschen – und ihr Credo, die Technik, zur „immer bestimmenderen gesellschaftlichen Kraft“. Das dürften nur noch Leute bestreiten, die die Augen verschließen (wollen) vor dem, was passiert. Zwar haben viele Menschen bahnbrechenPSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

ILLUSTR ATIONEN: NIKL AS HUGHES

VON KLAUS WILHELM


PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

65


de technische Neuerungen zunächst skeptisch beäugt. Dann aber sind ihnen die meisten mehr oder weniger freiwillig erlegen. Wer kritisiert heute noch die künstliche Befruchtung? Oder das Smartphone, das schon jetzt mit uns verwachsen scheint? Wer will nicht krankheitsfrei 150 Jahre oder älter werden? Im kleinen Club der Digitalmilliardäre, sagte der Softwareentwickler und Autor Jaron Lanier im Jahr 2014 bei einer Rede in Deutschland, „herrscht der laute zuversichtliche Glaube, dass die Technologie sie eines Tages unsterblich machen wird“. Womöglich in nicht einmal 30 Jahren, denn laut Berechnungen des GoogleChefingenieurs Raymond Kurzweil verschmelzen menschlicher Geist und Festplatte spätestens dann. 2045! Viele Technikfreaks tragen die Zahl wie ein Mantra vor sich her; Kurzweil ist für sie so etwas wie ein Guru und Prophet. Um seine Weissagung noch zu erleben, so stand es in der Financial Times, schluckt der 67-Jährige nach eigenen Angaben 100 Pillen täglich, zum Preis von 1000 Dollar. Macht 365 000 Dollar jährlich. Das ist eine ziemlich teure neue Welt – aber für einen bestens bezahlten Mann wie einen Chefingenieur von Google kein Problem. Nun könnte man das kommende transhumanistische Zeitalter für ein abstruses Hirngespinst halten, „aber diese Leute

Die Jahreszahl ist ein Mantra für Technikfreaks: Spätestens 2045 verschmelzen menschlicher Geist und Festplatte meinen das wirklich ernst“, fürchtet der Berliner Soziologe und Autor Thomas Wagner, „und sie haben Macht“. Längst sind sie bereit, ihr in Massen vorhandenes Geld in transhumanistische, utopisch erscheinende Projekte zu stecken – befeuert durch die galoppierende Entwicklung in Computertechnik, künstlicher Intelligenz, Neurowissenschaften, Genetik und Reproduktionsmedizin. In deren Lichte erscheinen selbst die absurdesten Vorstellungen nicht als bloße Science-Fiction, sondern als Ansporn für eine vermeintlich glorreiche Zukunft. Jüngstes Beispiel: Google hat im Herbst 2014 eine Firma namens Calico – California Life Company – gegründet, in der Topforscher, ausgestattet mit Hunderten Millionen Dollar, die Vorgänge rund um das Altern und die damit verbundenen Krankheiten erforschen. Sie nutzen die Hightechmethoden der Medizin, Molekularbiologie

und Genetik. Und noch viel mehr: Google versucht, seine riesigen, immer größer werdenden Datenmengen „intelligent“ zu machen, „indem sie sich vernetzen, kombinieren und selbständig neue Informationen erzeugen sollen“, sagt Benedikter. Die Daten sollen immer neues biomedizinisches Wissen und künstliche Intelligenz verbinden. Das Projekt heißt, natürlich: Beendet das Altern und den Tod. In einem ersten, einigermaßen realitätsnahen Ziel geht es darum, das Leben zu verlängern – und den alternden Menschen möglichst lange gesund zu halten, mit der gesamten Datenmacht des Konzerns. Im Kalkül dieses Projekts steckt die Überzeugung, dass der erste künftig 150-jährige Mensch bereits geboren ist. Vielleicht sogar der erste 1000-jährige. Denn sollte sich die Rechenleistung und Komplexität von Computerchips wie

DER GRUNDGEDANKE DES TRANSHUMANISMUS Hinter der transhumanistischen Ideologie steckt ein zentrales Leitbild: das des rein biologistischen Denkens. Fast alle Transhumanisten gehen davon aus, dass das menschliche Gehirn samt Intelligenz und Bewusstsein durch die Prozesse der Evolution entstanden ist. Auch das Heiligste im humanistischen Weltbild – die Seele, die den Menschen und nur den Menschen ausmacht – „lässt sich durch die natürlich entstandene Aktivität von Zellen erklären“, meint der Philosoph Stefan

66

Lorenz Sorgner. Selbst das Bewusstsein. In dieser Sicht ist das Gehirn nichts weiter als ein zwar sehr spezieller, aber eben doch ein Rechner, dessen Leistung man messen kann. Sie beläuft sich auf 10 000 sogenannte TeraFLOPS (floating point operations per second – Gleitkommaoperationen pro Sekunde). Der erste Computer mit gleicher Leistung dürfte Experten zufolge in sieben bis 14 Jahren auf dem Markt sein. In den Augen der Transhumanisten besitzt der

Mensch mithin keine Sonderstellung. Somit sehen sie auch den Begriff der Menschenwürde anders als klassische Humanisten. Schon Tiere müssten demnach Personenstatus bekommen. Und erst recht künstliche Intelligenzen, die eines Tages ein Bewusstsein entwickeln und mindestens so schlau wie der Mensch sein könnten. Das alles würde die jahrhundertealten humanistischen Grundwerte westlicher Gesellschaften auf den Kopf stellen.

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Kurz mal Wienerwald

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Bislang hat der Google-Mann mit seinen Voraussagen interessanterweise meist richtig gelegen – was nicht heißt, dass dies auch so bleibt. Er arbeitet zumindest teilweise mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. „Trotzdem treten futuristische Vorhersagen meist anders ein, als zunächst gedacht“, sagt Enno Park vom Verein Cyborgs e. V. Und schiebt trocken nach: „Es müsste ein Wunder geschehen, damit sich Kurzweils Prognose bewahrheitet.“ Gefühle ohne Körper?

Denn der Mensch sei eine untrennbare Einheit aus Geist und Körper: Ohne Körper könne man beispielsweise keine Gefühle wahrnehmen. „Wenn ich Angst und Stress habe, kriege ich Bauchschmerzen“, sagt Park, „und wenn ich krank bin, kann ich nicht mehr klar denken.“ Der Upload wäre mithin nur eine emotionskalte Kopie des Originals. „Aber bestimmt eine intelligente Kopie“, sagt der Berliner. Außerdem kann man die künstliche Superintelligenz nicht einfach mit dem menschlichen Bewusstsein gleichsetzen. Auch Stefan Lorenz Sorgner hält die Abbildung des menschlichen Geistes als

Foto: Wienerwald Tourismus, P. Landl

bisher alle anderthalb bis zwei Jahre verdoppeln, dann hätten sich 2045 nach der kurzweilschen Prognose superschlaue künstliche Intelligenzen entwickelt. Das Zeitalter der Singularität würde beginnen. Das heißt: Eine künstliche Intelligenz entwirft von sich aus, ohne Zutun des Menschen, eine neue künstliche Intelligenz und so weiter. Damit könne der menschliche Geist dann verbunden werden. Der gesamte Hirninhalt eines Menschen, sein Geist, lasse sich hochladen auf eine Festplatte oder in die Cloud – und bekomme so eine Art ewiges Leben in einer nichtbiologischen Existenz. Eine neue Spezies, der vollendete Cyborg, wenn man so will. Dann wird es endgültig spirituell. Denn dann, weissagt Kurzweil, könnten die winzig kleinen Computerchips mit allen übertragenen menschlichen Geisteswelten ins All ausschwärmen. „Wenn wir die gesamte Materie und Energie des Kosmos mit unserer Intelligenz gesättigt haben, wird das Universum erwachen, bewusst werden“, sagt der Mann allen Ernstes, „und über eine fantastische Intelligenz verfügen“. Das käme „Gott schon ziemlich nahe“. Die Fortexistenz des Menschen als Gott im Himmel.

Sie haben ein verlängertes Wochenende frei? Wie wäre es mit einer Kurzreise nach Österreich? Wir empfehlen 72 Stunden voller Genuss in der Thermenregion Wienerwald. Am 3. und 4. sowie am 10. und 11. September 2016 werden die Weingärten entlang des Wasserleitungswanderweges zur „längsten Schank der Welt“.

Bei der Genussmeile stellen mehr als 80 regionale Winzer und Betriebe ihre Produkte vor: Most, Sturm und Wein bekommen Sie – quasi im Gehen – kredenzt. Dazu ein Steckerlfisch vom Grill oder zarter Leberkäs vom Mangalitzaschwein – köstlich! Der Weg führt von Mödling bis nach Bad Vöslau – begleitet von musikalischen Genussstationen. Gesäumt vom Höhenzug des Wienerwaldes führt der kulinarische Spaziergang durch die herbstlich gefärbte Landschaft. Sie dürfen sich auf kurzweilige und genussvolle Stunden freuen. Zum Wohl! GENUSSMEILE WOCHENENDE 2 ÜN im 3-Sterne-Hotel inkl. Frühstück, Late-Check-out, Weinverkostung mit Heurigenjause & Genussmeile-Gutschein im Wert von € 10,–. Ab € 138,– p. P. im DZ; buchbar: 3.– 4. und 10.–11.9.2016. Tel. +43 2231 62176 www.wienerwald.info

Mehr Angebote unter to.austria.info/kurzreisen


Schreckensvision für die einen, verlockende Zukunftsperspektive für die anderen: den Menschen durch ein künstliches Wesen zu ersetzen

Computerprogramm für hanebüchen. Ewiges Leben schon in 30 Jahren? Das sei unwissenschaftlich. „Da wird viel getrommelt“, sagt er, „aber das weckt Emotionen und lenkt den Blick auf technologische Veränderungen, die unsere Gesellschaft fundamental beeinflussen werden.“ Anders als die Herren Kurzweil, Istvan und weitere Hardcore-Transhumanisten aus den USA propagiert der Philosoph einen „schwachen Transhumanismus“, eine Realovariante für die fantasieloseren, technikskeptischeren Europäer. Und das bedeutet, dass er eine schrittweise Verlängerung menschlichen Lebens mit guter Gesundheit im Alter für möglich hält – und einen optimierten Menschen für nötig. Für ihn bedeutet das Recht auf die Veränderung des Körpers sogar „ein zentrales Menschenrecht“. Optimierung könne „ein glücklicheres Leben“ bedeuten, wobei jeder frei entscheiden soll, ob er Verbesserungstechnologien in Anspruch nehmen will oder nicht. Tatsächlich arbeiten Forscher weltweit daran, die gezielte Veränderung von Genen ohne Nebenwirkungen auch beim Menschen zu ermöglichen. Zunächst um Patienten mit Erbkrankheiten zu heilen, möglichst schon im Mutterleib. Und später dann vielleicht, um auch gesunde Men68

schen gezielt aufzumöbeln. Relativ rasch, vielleicht schon in der nächsten oder übernächsten Generation, „könnten werdende Eltern erstmals Gene ihrer ungeborenen und eigentlich gesunden Kinder optimieren lassen“, schätzt Sorgner. Was dann noch komme, lasse sich nicht vorhersagen. Unvorstellbare Dinge vielleicht, fantasiert plötzlich auch der Realo Sorgner. Bestimmte Fische zum Beispiel wurden schon genetisch so verändert, dass sie ihren Energiebedarf teilweise durch Fotosynthese sichern können – wie Pflanzen. Das sei „theoretisch irgendwann auch beim Menschen denkbar“. Hirn-Computer-Schnittstelle

Parallel treiben die Wissenschaftler die Verknüpfung von Gehirn und Maschinen voran. Zum Beispiel über Gehirn-Computer-Schnittstellen, die auf den Schädel gesetzt oder ins Gehirn eingesetzt werden. „Was da heute in einem einzigen Jahr passiert, ist bis vor kurzem nicht in einem Jahrzehnt geschehen“, stellt Benedikter fest. Die Schnittstellen sollen etwa die geistigen Fähigkeiten steigern oder Widerstandsfähigkeit und Lebensdauer. Mit bestimmten Hirnimplantaten könnten sich beispielsweise Fremdsprachen viel besser erlernen lassen – oder das

Gitarrenspiel. Die Verschaltung des Organismus mit Maschinen verbessert womöglich die Sinnesfähigkeiten, sodass man etwa Musik viel filigraner wahrnehmen könnte. „Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten 15 Jahren viel mehr davon sehen werden“, meint Roland Benedikter, „den traditionellen Körper, so wie wir ihn kennen, wird es dann nicht mehr ausschließlich geben.“ Eigentlich gilt das schon jetzt, allerdings nur für Menschen mit bestimmten Krankheiten, denen Technik zu therapeutischen Zwecken verpflanzt wurde. So wie bei Enno Park, der als Teenager ertaubte und danach ein sogenanntes CochleaImplantat ins Innenohr gepflanzt bekam. Die Technik lässt ihn wieder hören, zuweilen sogar besser als „normale“ Menschen. 30 000 Gehörlose allein in Deutschland haben ein solches Implantat. Außerdem „kann ich das Ding abstellen, dann ist Ruhe“, sagt der Berliner, „und das ist ziemlich geil“. Trotzdem würde er sein Implantat gerne hacken, um seinem Gehör eine Dimension zu geben, die Gesunde niemals haben könnten, nämlich Ultraschall wahrzunehmen. Sinneserweiterung: Sowas gefällt Transhumanisten! Roland Benedikter sieht in der neuen Ideologie einen „Frontalangriff auf den Humanismus“, das jahrhundertealte Leitbild westlicher Gesellschaften. Denn die Transhumanisten begreifen die technische Entwicklung und ihren Einfluss auf die Gesellschaft als automatisch und zwingend. „Denen“, sagt der gebürtige Südtiroler, „ist nur wichtig, dass das Leben in einer guten Weise so lange wie möglich dauert.“ Der Humanismus hingegen lässt PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Kernfesten des Humanismus über Bord geworfen“. Mit einer fruchtbaren Diskussion „müssen wir die Spaltung der Bevölkerungen in neue Weltanschauungskämpfe um den Menschen und das Menschsein vermeiden“. Vormarsch der Robokraten

Dennoch sieht er keine pauschale Gefahr in der neuen Ideologie – anders als Thomas Wagner. Der Soziologe fürchtet eine „drastische Verflechtung von Konzerninteressen, Politik und Transhumanismus“ und einen „Vormarsch der Robokraten“. Firmen wie Google und Facebook nutzen seiner Ansicht nach den Transhumanismus, um eine Form des Wirtschaftens zu unterstützen, die mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun habe – in der nur Monopole Bestand hätten, die allein das Überleben der Menschen sichern. Auch in Russland und China sei man dafür aufgeschlossen. Einige Transhumanisten sagen sogar offen, dass sie die Demokratie abschaffen wollen, da sie das Streben der Konzerne nur behindere und letztlich auch nichts weiter als eine veraltete Technologie sei. Der Berliner findet drastische Worte: „Forschung darauf auszurichten, den Menschen aus Fleisch und Blut so schnell wie möglich durch ein künstliches Wesen zu ersetzen, ist eine Schreckensvision.“ Man müsse sich genau vor Augen führen, was das bedeutet: „die Vernichtung der Menschheit, so wie wir sie kennen“. PH

LITERATUR Markus Jansen: Digitale Herrschaft. Über das Zeitalter der globalen Kontrolle und wie Transhumanismus und Synthetische Biologie das Leben neu definieren. Schmetterling, Stuttgart 2015 Thomas Wagner: Robokratie. Google, das Silicon Valley und der Mensch als Auslaufmodell. PapyRossa, Köln 2015 Ray Kurzweil: Menschheit 2.0. Die Singularität naht. Lola Books, Berlin 2014 David Gelernter: Gezeiten des Geistes. Die Vermessung unseres Bewusstseins. Ullstein, Berlin 2016 Jaron Lanier: Wenn Träume erwachsen werden. Ein Blick auf das digitale Zeitalter. Hoffmann und Campe, Hamburg 2015

Kurz mal Bregenzerwald Sie haben ein verlängertes Wochenende frei? Wie wäre es mit einer Kurzreise nach Österreich? Wir empfehlen 72 Stunden Bregenzerwald, Zeit genug für Entdeckungen in der Natur. Auf den 12 „Umgang Bregenzerwald“-Wegen erfahren Sie, wie die Menschen hier ihr Leben gestaltet haben – und heute noch gestalten. Foto: Bregenzerwald Tourismus/A. Bereuter

derlei Entwicklungen nur im Konsens zwischen allen gesellschaftlichen Kräften zu und pocht auf die Würde des Menschen im klassischen Sinne. Und auf Moral und Menschenrechte. Dies wissend, nutzen die Transhumanisten nach Ansicht des Soziologen Thomas Wagner die Macht des Geldes, die in Form der führenden Firmen der Computer- und Internetwirtschaft hinter ihnen steht, um ihren Einfluss zu mehren. Inzwischen beraten führende Transhumanisten in den USA und auch in Großbritannien die Regierungen. Sie haben im Silicon Valley die Singularity University gegründet, die, so Wagner, „Eliten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik mit tatsächlichen und vermeintlichen Zukunftsentwicklungen vertraut macht“. Sie haben die weltumspannende transhumanistische Organisation Humanity+ gegründet und die Transhumanist Party Global, die zu einem Netzwerk nationaler transhumanistischer Parteien werden soll. Nach Ansicht Benedikters geht es dem politischen Transhumanismus darum, „in der Bevölkerung eine Mentalität zu schaffen, die radikale Technik als einzige Lösung für die Probleme des 21. Jahrhunderts begreift“. Der Humanismus habe auf diese Herausforderung noch keine Antwort gefunden. So plant Benedikter eine Plattform zum Gedankenaustausch zwischen Humanisten und Transhumanisten. „Wir brauchen dringend auch in Europa eine Diskussion über die Herausforderung des Transhumanismus“, sagt er. Zwar erkennt auch Benedikter, dass die Transhumanisten „den bisherigen Menschen in eine Neomenschheit überführen wollen“. Und das, „wo wir nicht einmal begriffen haben, was der Mensch ist“. Der Humanismus müsse sich also quasi neu erfinden und sich selbst vollenden, indem er sich mit den neuen Technologien auseinandersetzt und Menschlichkeit neu definiert: Künstliche Intelligenz sei per se „etwas Antihumanistisches“, gleichermaßen drohe der Mensch mit der Verschmelzung von Gehirn und Maschine seine „Ich-Bezogenheit“ zu verlieren. Damit, urteilt Benedikter, „würden weitere

Die zwölf Dorfrundgänge lenken den Blick auf Gebäude, handwerkliche Details, Besonderheiten der Kulturlandschaft und Facetten künstlerischen oder kulinarischen Schaffens. Am Weg sollten Sie unbedingt genussvolle Käsemomente einplanen, denn dafür ist die Region bekannt. Berühmtberüchtigt sind die Käsknöpfle im Jagdgasthaus Egender. Und wer den guten Geschmack mit nach Hause nehmen will, macht einen Abstecher zu den 33.000 Käselaiben im Bregenzerwälder Käsekeller in Lingenau. KENNENLERNTAGE 3/4 ÜN (Do – So/So – Do) inkl. HP, Gutschein für eine kulinarische Ganztageswanderung & Bregenzerwald Gäste-Card. Ab € 216,– p. P. im DZ; buchbar bis 30.10.2016. Tel. +43 5512 2365 www.bregenzerwald.at

Mehr Angebote unter to.austria.info/kurzreisen


„Es gibt keine Probleme, es gibt nur Tatsachen“ Der Heidelberger Psychotherapeut Arnold Retzer gilt vielen als Provokateur. Er selbst bezeichnet sich allerdings lieber als Realist. Ein Gespräch über Paartherapie, Heizkörper und seinen eigenen Lebensweg

Arnold Retzer ist Arzt, Psychologe und Psychotherapeut. Er ist Privatdozent für Psychotherapie an der Universität Heidelberg und Gründer und Leiter des Systemischen Instituts Heidelberg (www.si-hd.de). Er hat unter anderem die Bücher Systemische Paartherapie (Klett-Cotta, 5. Auflage 2015), Lob der Vernunftehe. Eine Streitschrift für mehr Realismus in der Liebe (Fischer-TB 2011) und Miese Stimmung. Eine Streitschrift gegen positives Denken (Fischer-TB 2013) veröffentlicht

70

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Herr Retzer, hatten Sie als Jugendlicher eine klare Vorstellung, was Sie beruflich machen wollten?

Wir erzählen uns und anderen unsere Biografie rückblickend ja immer so, wie sie uns in den Kram passt. Meist sind das beschönigte Lebensgeschichten, weil wir aus meiner Sicht den Zufall und Dinge, die uns widerfahren, unterschätzen und uns selbst als Autoren unserer Biografie überschätzen. Meine Antwort ist also auch wieder eine Erzählung, die keinen Anspruch auf Objektivität erhebt. Ich hatte keinen Plan. Wenn ich mir rückblickend eine Motivation oder eine Quelle von Energie für meine Entwicklung zuschreiben soll, dann hat mich eher die Bewegung „weg von“ geprägt. Ich komme aus einer Familie, die man heute als bildungsfern bezeichnen würde. In meinem Elternhaus gab es kein einziges Buch. Deshalb wollte ich so schnell wie möglich dort weg. Das war wahrscheinlich nicht vorgesehen.

Absolut nicht. Ich bin der Erste aus meiner Familie, der eine höhere Schulbildung genossen hat. Dass es mir überhaupt gelungen ist, Abitur zu machen, verdanke ich auch einem Lehrer, der mich sehr gefördert hat. Bei der Wahl meiner Studienfächer hat die ausklingende Studentenbewegung eine entscheidende Rolle gespielt. Es war völlig klar, dass ich etwas studieren wollte, was gesellschaftlich relevant war. Das Studium sollte dem Volke und dem Fortschritt dienen. Ich dachte, wenn schon, denn schon, und habe gleich drei Studiengänge absolviert: Medizin, Soziologie und Psychologie. Ein ganz schön ehrgeiziges Programm. Viele sind mit einem Medizinstudium allein vollauf bedient.

FOTOS: GUDRUN-HOLDE ORTNER

Warum haben Sie sich so viel vorgenommen?

Vielleicht hat mich auch die Energie „weg von“ angetrieben, eine Leistung zu erbringen, die mich wirklich verlässlich aus der Enge herausführt in etwas Neues. Im Nachhinein betrachtet, haben diese drei Studiengänge schon sehr viel zu tun mit Konzepten, die ich Jahrzehnte später entwickelt habe oder die für mich relevant waren. Die Medizin, die den Körper in den Vordergrund stellt, die Psychologie, die sich auf das innere Erleben konzentriert, und die Soziologie, die sich für die gesellschaftlichen Ideenumwelten interessiert. Für mich ist es wichtig, diese drei Bereiche in einer Balance zu halten. Häufig wird nur eine Ebene in den Vordergrund gestellt, zum Beispiel der Körper. Im Moment ist es modern, alles im Gehirn zu verorten. Der Körper wird mystifiziert, aber auch die Psyche. Ihr werden unendlich viele Möglichkeiten zugestanden. Man muss nur das innere Erleben optimieren, dann kann man alles schaffen. Angeblich kann man sogar Krebs bezwingen, wenn PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Ich bewundere Menschen, die ein Handwerk beherrschen. Weil sie ein Produkt herstellen, das man anschauen und anfassen kann

man die richtige Psychostrategie hat. Und dann ist da noch die Kulturmystifizierung. Es gibt allerlei Vorschriften, wie wir heute zu sein haben, damit wir nicht auffällig werden. Wir sollen widerstandsfähig sein, möglichst wenig verletzlich und immer schön positiv in die Zukunft schauen. Hatten Sie diesen kritischen Blick auf die Psychologie von Anfang an?

Ich habe zunächst sehr viel mehr für möglich gehalten und bin durch Erfahrungen bescheidener und realistischer geworden. Bereits während des Medizinstudiums bekam ich die Gelegenheit, als Psychologe in der Praxis eines Kinderarztes mitzuarbeiten, die einen neuropädiatrischen Schwerpunkt hatte. Kinder mit Anfallsleiden wurden dort behandelt. Ich habe Erziehungsberatung mit den Eltern gemacht und kam schnell an meine Grenzen. Im Nachhinein muss ich mich dafür bei vielen Eltern entschuldigen. Mit Puppen haben wir die Familiensituation aufgebaut, alles Mögliche hineininterpretiert und dann die Eltern von oben herab belehrt. Damit war ich nicht zufrieden. Ich war fasziniert von der Kommunikationspsychologie und den neuen familientherapeutischen Ansätzen aus den USA, die Körper, Psyche und Kultur integriert haben. Dagegen erschienen mir die spieltherapeutischen Methoden langweilig. Sie mögen es nicht, wenn es zu kleinteilig wird?

Komplexität reizt mich. Ich kenne aber auch den entgegengesetzten Wunsch. Ich bewundere Menschen, die ein Handwerk beherrschen. Weil sie ein Produkt herstellen, das man anschauen und anfassen kann. Mein Job als Psychotherapeut ist einer der unproduktivsten, die es gibt. Die Professionalität meiner Dienstleistung besteht darin, dass ich kein Produkt herstelle, keine Lösung, kein „So lebt man“, sondern mich nur zur Verfügung stelle, damit meine Klienten dieses Produkt herstellen. Da gibt es bis heute eine gewisse Sehnsucht nach etwas Handwerklichem. Allerdings wäre ich vermutlich ein miserabler Handwerker. Mir nahestehende Menschen behaupten, ich habe zwei linke Hände. Zwischendurch dachte ich mal, ich sollte etwas Vernünftiges machen – Chirurg werden oder Kinderarzt oder Internist. Stattdessen sind Sie in der Psychiatrie gelandet.

Und zwar auf der „richtigen“ Seite, der ärztlichen. Das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung. Wie organisiert sich Verrücktheit in einer Familie? Wie organisiert sich Verrücktheit in einer Paarbeziehung? Wie organisiert sie sich in einer psychiatrischen Klinik? Was sind eigentlich verrückte Organisationen? Wie schaffen es Menschen, sich so miteinander zu vernetzen, dass Verrücktheit oder Leid herauskommt? 71


Und die Psychosen selbst und die Phänomene, die damit verbunden sind, haben mich sehr fasziniert. Ich stelle mir die Arbeit auch belastend vor.

Es ist eine heftige Konfrontation, aber wenn man das mal mitgemacht und durchgestanden hat, hat man eine gute Basis für Beratung, Psychotherapie und Coaching. Die Arbeit mit den eingeschränkten Möglichkeiten in der Psychiatrie eröffnet mehr Raum für die Arbeit mit anderen Klienten, man ist weniger erschreckt und weniger erpressbar und hat einen größeren Freiheitsspielraum. Sie sind aber nicht in der Psychiatrie geblieben.

Mir war schnell klar, dass ich das nicht auf Dauer machen wollte. Ich wäre wahrscheinlich irgendwann Oberarzt, vielleicht auch Chefarzt einer Klinik geworden. Als Helm Stierlin, der damalige ärztliche Direktor der Abteilung für psychoanalytische Grundlagenforschung und Familientherapie an der Universität Heidelberg, mich einlud, dort Assistenzarzt zu werden und auch in Forschung eingebunden zu sein, war das verlockend. In diesem Team hatte ich das Gefühl, hier kann ich mehr denken, erleben, erfahren und entwickeln, als es mir allein jemals möglich wäre. Die Heidelberger Gruppe war ein extrem produktives Team. Ich habe in dieser Abteilung meine Habilitation geschrieben über systemische Familientherapie bei Psychosen. Und dann bin ich Oberarzt geworden, und als Helm Stierlin emeritiert wurde, habe ich die Abteilung kommissarisch zwei Jahre geleitet.

Man wird nicht automatisch aus Erfahrungen klug. Wenn man sie nicht zweifelnd reflektiert, nutzen sie einem gar nichts

Etwas verkürzt ausgedrückt: Die Frau sagt, mein Problem sitzt hier neben mir. Wäre der anders, hätte ich kein Problem. Und der Mann sagt dasselbe. Wäre die Frau anders, hätte er kein Problem. Meine These ist: Es gibt keine Probleme, es gibt nur Tatsachen. Diese Tatsachen haben in sich keine Bedeutung, wir sind es, die ihnen eine Bedeutung geben. Und insofern sind wir als Bedeutungsgeber immer mitbeteiligt bei der Konstruktion von Problemen oder Lösungen. Der nächste Schritt war, dass ich ein Problem definiert habe als eine negativ bewertete Soll-Ist-Differenz. Es gibt einen Istzustand, darüber kann man nicht diskutieren, da sitzt er, der Mann. Und er schaut schon wieder so griesgrämig.

Aber griesgrämig schauen ist nur dann ein Problem, wenn ich die Vorstellung habe, er sollte anders schauen. Das heißt, bei jeder Soll-Ist-Differenz bin ich mit von der Partie als derjenige, der das Problem mit konstruiert. Was ist jetzt meine Aufgabe als Therapeut, Coach, als Problemlöser? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die übliche ist, man versucht den Istwert an den Sollwert anzugleichen. Der Mann wird so lange bearbeitet, bis er fröhlich guckt. Die Ergebnisse sind meist nicht so bekömmlich. Der zweite Weg, an den häufig nicht gedacht wird, ist die Veränderung des Sollwertes. Ich könnte mich auch von der Vorstellung verabschieden, wie er in meinen Augen sein soll. Inwieweit verschärfen die Versuche, Lösungen zu erzeugen durch Veränderung des Istzustandes, am Ende das Problem? Das ist die spannende Frage.

Sie haben sich immer wieder um- und neu orien-

Aber es kann doch nicht darum gehen, keine Er-

tiert und sind auch nicht an der Universität geblie-

wartungen und Wünsche mehr an die Partner-

ben. Wie sind Sie zur Paartherapie gekommen?

schaft zu haben. Eine Partnerschaft ist doch kein

Paare haben mich immer beschäftigt. Bereits während der Arbeit in der kinderärztlichen Praxis ist mir deutlich geworden, welche Rolle Machtkämpfe zwischen Paaren spielen zum Beispiel in Erziehungsfragen. Wer setzt sich durch? Wer gibt klein bei? Bei allem Gerede über die Ehe als Auslaufmodell sind die Erfahrungen in einer Paarbeziehung für die meisten Menschen weiterhin sehr existenziell und bedeutsam. Die Paarbeziehung ist häufig das Scharnier, aus dem Familiendynamiken verständlich werden. Der Blick der Kinder auf die Eltern, der Blick der Eltern auf die Kinder, der Blick eines Paares auf das umgebende Familienfeld – das erschien mir methodisch eine interessante Herausforderung.

Heizkörper, den ich runterregeln kann.

Lassen Sie uns über Ihr Lieblingsthema sprechen: Probleme, genauer gesagt Paarprobleme.

Mich hat in den letzten Jahren die grundsätzliche Frage beschäftigt: Was ist eigentlich ein Problem? Paare kommen und sagen, sie haben ein Problem. 72

Natürlich haben wir Erwartungen, aber die Frage ist, wie gehen wir mit den Ergebnissen der Erwartungen um? Die Erwartungen sind ja nicht nur einfach Erwartungen, sondern sie sind Anleitungen zum Handeln, zur Veränderung. Aber welche Erfahrungen habe ich gemacht mit meinen Erwartungen? Die Empirie zeigt mir dann, dass es der falsche Weg ist, den Istwert an den Sollwert hochzufahren. Viele sagen sich schon am Hochzeitstag, die drei Macken kriegen wir auch noch hin. Gemeint ist: Dich kriege ich auch noch hin. Und dann wird daran gearbeitet. Er soll nicht mehr rauchen und soll mehr Sport treiben, sie soll mehr Interesse an Sex haben, mehr Geld verdienen und so weiter. Bei allen Versuchen, diese Veränderung herbeizuführen, kann man möglicherweise Erfolg haben, in meiner Erfahrung als alter Mann habe ich eher den Eindruck, der Erfolg bleibt überwiegend aus. PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Weil der Partner sich angegriffen fühlt und erst recht keine Lust mehr hat?

Wenn die Autonomie angegriffen wird, ist Verteidigung angesagt. Je mehr man versucht, den anderen zu verändern, desto verlässlicher bleibt er derselbe. Häufig kommen Klienten in Therapie mit der Erwartung, der Therapeut helfe einem dabei, effektiver den Partner zu ändern. Doch die therapeutische Aufgabe kann darin bestehen, etwas zu ermöglichen, das ich resignative Reife nenne. Das bedeutet, sich die Frage zu stellen, ist es vielleicht mit weniger Leid für mich selbst, den Partner, die Beziehung verbunden, eine bestimmte Erwartung zu reduzieren oder aufzugeben? Aber wenn beispielsweise der Partner kaum noch zur Verfügung steht: Ist es dann wirklich gut, sich von der Erwartung zu verabschieden, dass sich noch mal was verändert? Wäre es nicht besser zu sagen, das geht so nicht mehr weiter?

Das ist ein schönes Beispiel für resignative Reife. Der Satz „So geht das nicht mehr“ bedeutet, ein Ende zu markieren. Meine Versuche, dich auf Vordermann zu bringen, sind zu Ende. Der Anspruch, für das Glück des Partners verantwortlich zu sein, wird aufgegeben. Das ist für mich ein wunderbares Beispiel für die Veränderung der Erwartung, und zwar nicht das Aufgeben der Erwartung, dass etwas anders werden muss, aber für das Loslassen einer überzogenen Erwartung an sich selbst. PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Je mehr man versucht, den anderen zu ändern, desto verlässlicher bleibt er derselbe

Es geht also nicht darum, zu allem ja und amen zu sagen oder sich gar nichts mehr zu wünschen?

Resignative Reife hat Voraussetzungen. Die Voraussetzung ist, dass man Erfahrungen gemacht hat mit seinen Sollvorstellungen. Von vornherein zu sagen, hab keine Erwartungen, dann wirst du nicht enttäuscht, heißt, jemandem Erfahrungen zu verbieten. Und das funktioniert nicht. Man muss die Vergeblichkeit bestimmter Erwartungen erlebt haben, damit es Sinn hat, diese Vorstellungen zu verändern. Als mein Buch Lob der Vernunftehe erschienen war, schrieb mir ein Standesbeamter aus dem Schwarzwald, er sei davon begeistert und werde es jetzt allen Paaren, die er traut, schenken. Ich fand das natürlich sehr schön, glaube aber, es nützt nichts. Es ist ja ein Buch, das voraussetzt, dass Erfahrungen gemacht werden. Deshalb bin ich skeptisch, prophylaktisch Erwartungen herunterzuschrauben. Man kann sich nicht auf Vorrat rasieren. Man muss den Bart zuerst wachsen lassen, damit man was zum Rasieren hat. Selbst wenn man eine Erwartung reduziert, erwartet einen um die nächste Ecke die nächste Erwartungsenttäuschung. Ist das nicht für viele harter Tobak? Es ist nun nicht gerade das, was man hören möchte, wenn man vom Partner enttäuscht ist. Was für Reaktionen bekommen Sie?

Ich bin selbst manchmal erstaunt, dass es für viele kein harter Tobak ist. Bei manchen Paaren spüre ich 73


den Druck, wie ein Zweikomponentenkleber auftreten zu müssen. Für mich ist das ein Hinweis, dass die Beziehung schon sehr weit auseinandergedriftet ist. Dann spüre ich den Druck, etwas, was nicht mehr zusammengehört, zusammenzuhalten. Viele Paartherapien werden nicht mit dem Ziel begonnen, die Beziehung zu sanieren, sondern häufig als moralische Unkostenreduktionsveranstaltung. Besonders derjenige, der die Trennung betreibt und voller Schuldgefühle ist, will sich entlasten, um danach sagen zu können, an mir hat es ja nicht gelegen, ich war sogar bereit, Paargespräche zu führen. In solchen Situationen sage ich manchmal Paaren: „Sie haben keine Paarbeziehung mehr, deshalb kann ich Ihnen keine Paartherapie anbieten. Was ich Ihnen anbieten kann, wären Verhandlungen darüber, ob Sie eine neue Paarbeziehung haben wollen.“ Sind die Paare womöglich entlastet, dass endlich mal jemand ausspricht, was Sache ist?

Oft entspannen sich die Gesichtszüge. Erwartungen aufrechtzuerhalten, Sollwerte verwirklichen zu wollen ist kein Honigschlecken. Anzuerkennen, dass die Paarbeziehung vorbei ist, ist schwer, und es kann nur angenommen werden, wenn es tatsächlich eine Erleichterung ist. Dann kann man entweder auseinandergehen, oder es kommt tatsächlich zu Verhandlungen, aber dann ist auch meine Position eine andere. Ich muss nicht mehr etwas zusammenhalten, was nicht mehr zusammengehört, sondern ich bin der Moderator für Verhandlungen. Das ist mir immer ein wichtiges Ziel, dass es mir auch gutgeht in Therapien und ich nicht unter einem unmöglichen Erwartungsdruck stehe. In der Zeit nach 68 ging es um die Erweiterung individueller Lebensmöglichkeiten. Mittlerweile sind wir von Werbeslogans umzingelt, die einen zudringlichen Aufforderungscharakter haben: Sei du selbst! Mach dein Ding! Es ist inzwischen eine wichtige Herausforderung, dass wir uns als Therapeuten nicht an der Aufrechterhaltung von Mühe und Leid beteiligen, indem wir lösungs- und ressourcenorientiert Illusionen anbieten. Zur ärztlichen Vernunft gehört, dass ich um die Grenzen meiner Kompetenzen weiß. Bei jungen Ausbildungskandidaten stelle ich oft fest, dass die Idee der Begrenzung nicht sehr populär ist, besonders dann, wenn auch die handwerklichen Fähigkeiten eher übersichtlich sind. Es ist mir ein Anliegen, diese Selbstüberschätzung einzudämmen. Erzeugt die Vorstellung, man wisse, wie es geht,

Wie kann mit Veränderungen umgegangen werden? Dazu gehört die Erkenntnis, dass es nie wieder so sein wird, wie es einmal war

Ja, natürlich. Denn wenn es einem nicht gelingt, hat man etwas falsch gemacht. Lebenskrisen und Unglück wurden schon immer damit erklärt, dass man ein falsches Leben geführt und Schuld auf sich geladen habe: Früher hat man den Fehler gemacht, von Gott abzufallen oder sich widernatürlich, das heißt gegen die Natur verhalten zu haben. Heute hat man dagegen zu wenig positiv gedacht, gefühlt und gehandelt oder ein psychisches Defizit, zu wenig Resilienz oder zu viel Vulnerabilität. Lebenskrisen werden dann oft als Lebens- und Erlebnisveränderungen betrachtet, die so schnell wie möglich wieder richtigzustellen sind und, etwa durch Therapie, rückgängig gemacht werden sollen, damit der ursprüngliche krisenfreie Zustand wiederhergestellt wird. Ein unmögliches Unterfangen. Therapie hat dagegen die Aufgabe, zu erkunden, wie mit irreversiblen Veränderungen umgegangen werden kann. Dazu gehören auch der realistische Blick und die Erkenntnis, dass es nicht mehr so sein wird, wie es einmal war, so traurig diese Erkenntnis auch sein mag. Lebende Systeme – wie das Leben selbst – verändern sich nämlich unumkehrbar. Man braucht ja nur selbst in den Spiegel zu schauen. Sie schreiben Streitschriften, Sie gehen kritisch mit Ihrer eigenen Zunft ins Gericht, Sie vertreten markige Thesen wider den Zeitgeist. Es klingt so, als hätten Sie Spaß an der Provokation. Sehen Sie sich als Provokateur?

Die Frage, ob etwas oder jemand provokativ ist, entscheidet der Beobachter. Ich habe von mir das Bild, dass ich kein Provokateur bin. Ich sehe aber, dass manche mich oder meine Handlungen als Provokation erleben. Wenn ich mir selbst eine Rolle zuschreiben sollte, würde ich mich eher als Realisten bezeichnen. Aber ich kann einräumen, dass für viele Realismus provokativ ist. Ob ich Spaß daran habe, von vielen als provokativ gesehen zu werden? Manchmal ja, manchmal nein. Ich glaube, es ist wichtig, einen Unterschied zu machen, um überhaupt gesehen und gehört zu werden. Auch in Therapien ist es nötig, dass wir einen Unterschied machen. Wenn wir genauso erleben, fühlen, denken und handeln wie unsere Klienten, können wir nicht hilfreich sein. Aber wahrscheinlich ist da schon noch was aus der antiautoritären Phase bei mir übriggeblieben. Und vieles macht mich auch immer noch wütend, grassierende Dummheiten zum Beispiel, da will ich daPH gegenhalten. INTERVIEW: BIRGIT SCHÖNBERGER

wie Leben gelingen soll, vielleicht mehr Probleme und Leid, als man gemeinhin annimmt?

74

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


DIE WELT Edition. Digitale Zeitung.

Zeitung, die JETZT 30 TAGE KOSTENL OS TESTEN: WE LT.DE/TES T

Erleben Sie die digitale Zeitung: mit multimedialen Inhalten, mit der Netzschau für das Beste aus dem Netz, mit Meinungskompass und mit unserem preisgekrönten Qualitätsjournalismus. Mit der Zeitung von morgen immer schon ab 19 Uhr und sonntags mit der WELT AM SONNTAG. Auf all Ihren Devices. DAS IST ZEITUNG, DIE BEGEISTERT.

Laden Sie jetzt in Ihrem App Store DIE WELT Edition und testen Sie selbst.

EN


DER PSYCHO TEST

Was sagt Freud zu meinen Träumen?

Folge 6 VON JOCHEN METZGER

Die Aufgabe Im Folgenden finden Sie acht Träume – und acht Erklärungen, was diese Träume „bedeuten“ könnten. Was meinen Sie: Wie hätte Freud diese Träume gedeutet? Verbinden Sie einfach Traum und die dazu passende Deutung mit einem Stift. Die richtige Lösung finden Sie auf der gegenüberliegenden Seite.

Die Träume

Die Deutungen

1) Sie (weiblich) möchten ein Essen geben, haben aber nur Räucherlachs im Haus. Alle Geschäfte haben bereits geschlossen.

a) Sie wären gerne erfolgreich und wohlhabend.

2) Sie (weiblich) sehen Ihr Kind tot in einer Schachtel liegen. 3) Sie (männlich) werden verhaftet, weil Sie ein Neugeborenes getötet haben. 4) Der Steuerbeamte verlangt eine Strafzahlung von Ihnen, weil Sie nicht alle Einkünfte angegeben haben. 5) Sie (männlich) sehen zwei Paläste und dazwischen ein kleines Haus. Ihre Frau führt Sie auf einem schmalen Weg zu dem Haus und öffnet die Tür.

b) Sie möchten Sex mit Ihrer Mutter haben. c) Als Sie ein Kind waren, haben Ihr Vater und Ihre Mutter Sie oft aufgeweckt und zur Toilette gebracht, damit Sie nicht ins Bett nässen. d) Sie sind eifersüchtig auf eine Freundin, in die Ihr Partner ein wenig verliebt zu sein scheint. Sie ist für seinen Geschmack jedoch zu dünn. e) Sie sind ungewollt schwanger. f) Sie wünschen sich Analsex. g) Sie möchten ein Kind haben.

6) Sie (männlich) gehen durch eine Landschaft und haben das Gefühl: „Hier war ich schon einmal.“ 7) Sie (weiblich) stehen im Dunkeln an einem See; der blasse Mond spiegelt sich im Wasser. Sie stürzen sich in den See.

h) Sie haben ein Liebesverhältnis und befürchten, Ihre Geliebte könnte schwanger werden, weil Sie nicht sorgfältig verhütet haben.

8) Sie werden von Einbrechern oder Geistern verfolgt.

76

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Im Jahr 1899 erschien Sigmund Freuds psychoanalytisches Monumentalwerk Die Traumdeutung. Das Buch veränderte das Denken des 20. Jahrhunderts, es beeinflusste die bildende Kunst, die Literatur, den Film – und nicht zuletzt die Techniken von Werbung und Reklame. Freuds Thesen haben sich deshalb längst in unseren Köpfen verankert. Oder vielleicht doch nicht?

Welche Deutung passt zu welchem Traum? Zu Traum 1 passt Deutung d: Ihr Traumsouper scheitert, weil Sie keine Lust haben, die dünne Rivalin aufzupäppeln und dadurch noch attraktiver zu machen. Zu Traum 2 passt Deutung e: Die „Schachtel“ (Englisch box) erinnert dabei an das Vulgärwort „Büchse“ für Vagina. Zu Traum 3 passt Deutung h: Die Kindstötung steht für den Wunsch, das Kind notfalls abzutreiben.

Zu Traum 4 passt Deutung a: Steuerhinterziehung lohnt sich schließlich erst, wenn man tüchtig verdient hat. Zu Traum 5 passt Deutung f: Wer je Alice im Wunderland gelesen hat, kommt bei dieser Deutung ins Grübeln.

Zu Traum 7 passt Deutung g: „Ins Wasser gehen“ steht für den Akt des Gebärens. Zu Traum 8 passt Deutung c: Der Einbrecher symbolisiert dabei den Vater, der Geist (weißes Nachthemd!) die Mutter.

Zu Traum 6 passt Deutung b: Der Ödipuskomplex! Der „bekannte“ Ort ist für Freud natürlich die Vagina der Mutter.

Haben Sie alle Träume korrekt gedeutet? Herzlichen Glückwunsch! Der alte Freud scheint auch bei Ihnen seine Spuren hinterlassen zu haben. Sehen wir uns die Deutungen einmal an. Sie haben etwas gemeinsam: Freud ging davon aus, dass alle Träume einen geheimen Wunsch erfüllen – allerdings in verkleideter Form. Außerdem handelt es sich bei einigen dieser Wünsche nicht um aktuelle Sehnsüchte, sondern um solche aus der frühen Kindheit. Das Kind möchte gerne mit seiner Mutter schlafen – der Wunsch wird jedoch verdrängt und für immer ins Unbewusste verschoben. Nun hätte Freud natürlich nicht behauptet, dass jeder Traum, bei dem jemand ins Wasser geht, einen Schwangerschaftswunsch symbolisiert. Er fragte seine Patienten gezielt PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

nach den spontanen Assoziationen, die die einzelnen Traummotive bei ihnen auslösten. Ähnlich wie C. G. Jung stellte auch er die Träume in einen konkreten individuellen Kontext. Aber waren die Traumdeutungen Freuds denn richtig? Genau da liegt der Hase im Pfeffer: Alle Interpretationen Freuds entziehen sich der Überprüfbarkeit. Fachleute argumentieren, seine Deutungen seien weder verifizierbar noch falsifizierbar. Letzteres, die Falsifizierbarkeit, gilt vielen jedoch als ein Kennzeichen wissenschaftlicher Thesen. Nehmen wir die Behauptung „Rauchen verursacht Krebs“. Man kann diese These empirisch überprüfen. Für Freuds Traumdeutungen gilt das nicht. Wenn der Patient sagt: „Aber Herr Doktor, dar-

an habe ich gar nicht gedacht!“, würde Freud antworten, das liege an den unbewussten Abwehrmechanismen. Die alte Behauptung (man hört sie häufig von Psychologiestudierenden im ersten Semester), Freud sei „überholt“, bedeutet also nicht, dass Freud nur dummes Zeug geschrieben hätte. Sondern dass es sich bei vielen seiner Behauptungen einfach nicht um wissenschaftliche Thesen im engeren Sinne handelt.

ZUM WEITERLESEN 89 Tests und ihre Auflösungen – ein unterhaltsamer Reiseführer durch das Reich der modernen Psychologie. Ben Ambridge: Das PsychoTest-Buch. Knaur, € 19,99

77


PEHNTS ALLTAG

ÜBER DEN SCHMERZ Hunde jaulen erst dann, wenn es sehr, sehr weh tut. Wenn sie es wirklich gar nicht mehr aushalten. Vorher leiden sie leise vor sich hin, lecken sich vielleicht still und heimlich die schmerzende Stelle oder hören auf zu fressen. Manche legen sich auch nah zu ihren Menschen, man könnte also schon merken, dass es ihnen nicht gutgeht. Aber nur, wenn man besonders darauf achtet. Kein Hund würde jemals Laut geben, nur weil seine Pfote brennt oder sein Magen krampft. Ich kenne Menschen, die ähnlich dichthalten. Entweder weil sie Schmerz nicht zeigen wollen oder nicht können. Meine Mutter, geplagt von bohrenden chronischen Schmerzen, hielt sich aufrecht und bot dem Leid die Stirn, indem sie so tat, als wenn nichts wäre. Man könnte es Tapferkeit nennen oder auch Maskerade; jedenfalls sollte ihr niemand vom Gesicht ablesen können, wie es um sie stand. Wir wussten es ja, aber wir vergaßen es tatsächlich oft genug, weil sie scheinbar unverdrossen durch den Tag ging. Nur ihre Finger waren immer verkrampft, weiß vor Anspannung, als habe sie den Schmerz in der Hand und dürfe keinen Moment los78

Die Schriftstellerin Annette Pehnt (u. a. Briefe an Charly, Piper 2015) schreibt jeden Monat in PSYCHOLOGIE HEUTE über ihre Alltagsbeobachtungen www.annette-pehnt.de

lassen, sonst könnte er sie beherrschen. Und es gab Momente, in denen sie erschöpft am Küchentisch saß und mit leerem Gesicht vor sich hinschaute. In solchen Augenblicken entglitt ihr die Kontrolle, die Gesichtszüge zeigten, wie es um sie stand, und das konnten wir nicht ertragen. Wir störten sie, nervten oder fragten sie irgendetwas, mit möglichst lauten Stimmen, um den Schmerz zu verjagen. Es half immer, sie richtete sich auf, schaute uns an, alles war wieder in Ordnung, sie war der Dompteur, und der Schmerz zog den Kopf ein. Es war klar: So stark wie meine Mutter war niemand. Gleichsam in die Knie gezwungen von ihrer eisernen Willensstärke, habe ich dem Schmerz seit jeher Tür und Tor geöffnet. Schon der kleinste Stich, ein feiner Schnitt, Ratscher oder Splitter versetzte mich als Kind in helle Panik. Wenn ich jaulend zum nächsten Erwachsenen rannte, um getröstet zu werden, gab es natürlich ein Pflaster, eine Limo und Zuspruch, aber zugleich lag eine leise Verachtung in der Luft. Wenn ich schon bei solchen Nichtigkeiten derart ausrastete, wie würde ich den größeren Peinigungen des Lebens standhalten? Wie stellte ich PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


mir das denn vor, wenn ich ernsthaft krank würde? Wenn ich ein Kind auf die Welt bringen oder mir den Kopf einschlagen würde? Ganz zu schweigen von bedrohlicheren Schmerzen, die sich am dunklen Horizont des Erwachsenenlebens abzeichneten. Niemand sprach davon. Aber ich ahnte: Da kam noch einiges auf mich zu, und ich sollte mir lieber etwas von der Haltung meiner Mutter abschauen, als allen die Ohren vollzujammern. So ist es auch gekommen. Wenn es wirklich wehtut, halte ich den Mund und rolle mich still in einer Ecke zusammen. Wenn es nicht ganz so wehtut, dann allerdings wird gejault. Als ich mir letzten Sommer einen Wespenstachel in den Fuß getreten hatte und die Ärztin ihn mit einer Pinzette entfernen wollte, krümmte ich mich dermaßen panisch unter ihrer Hand weg, dass sie irgendwann aufgab. In ihrem Blick lag die leise Verachtung, die ich ja schon kannte. Lieber Himmel, konnte ich mich nicht ein bisschen zusammenreißen? Es gab nun wirklich Schlimmeres unter der Sonne. Bis heute bin ich im Umgang mit Schmerz keine Expertin geworden. Es ist ja sowieso beinahe unmöglich, sich anderen frei und ehrlich zu zeigen. Mit einer Wunde wird alles noch komplizierter. Wer Schmerz zeigt, erwartet Trost – aber nicht jeder ist ein begnadeter Tröster, und nicht immer kann Trost gelingen. Manchmal sind die Trostreserven erschöpft und wir zu sehr damit beschäftigt, die eigenen Schrammen zu lecken. Oder wir sind einfach ausgetrocknet, und Mitgefühl verwelkt schon, bevor wir überhaupt Worte dafür finden können. Nicht in jedem Moment kann ich Ehrlichkeit und Wärme in meine Worte legen. Es gibt Tage, an denen finde ich alles, woran die anderen so leiden, halb so wild, gemessen an den wirklich schlimmen Katastrophen. Gezerrter Nacken, gebrochener Knöchel, gekränkte Seele, Gürtelrose – gut, aber wir leben noch. Zähne zusammenbeißen, das Leben geht weiter, du wirst daran wachsen. Das sage ich natürlich nicht. So tun, als ob – aber nichts brennt schärfer als falscher Trost. PSYCHOLOGIE HEUTE 08/2016

Ach, die Sprache. Tröstende Worte – ein Kapitel für sich. Entweder sie sind zu groß oder zu klein. Was um Himmels willen sage ich der Freundin, deren Kind schwer erkrankt ist? Muss ich nicht vielmehr verstummen im Angesicht großen Leids? Und bei kleinem Leid – ein flotter Spruch, ein warmherziger, aber leicht ungeduldiger Kommentar? Es gibt aber auch Tage, an denen dringt der Schmerz der anderen in mich ein, als sei ich aus porösem Material. Tage, an denen ich in fremden Gesichtern Leid finde, in der Straßenbahn, beim Einkaufen – was sind das für Geschichten, überlege ich dann, was schreibt sich in die Gesichter ein? Fast ist es dann so, als verliere meine Haut ihre elefantenhafte Abwehrschicht. Ich spüre den brennenden Körper der alten Frau, das wattige Pochen im Hirn des müden Mannes, der seinen Kopf an die Scheibe lehnt. Das wunde Ziehen, wenn ein Kind am Rand der Gruppe steht und nicht mitmachen darf. So viele Arten von Schmerz, und das allein im engen Radius meines Blicks. Es ist wie ein Chor, den ich an manchen Tagen hören kann und dann ertrage. Ich könnte hingehen. Beistand ist ein Wort, das aus der Mode gekommen ist. Einfach in den Arm nehmen, raten mir meine Freunde. Trost ausstrahlen. Hand auf die Schulter legen. Zeigen, dass du da bist. Sprechen ist eben auch nicht alles. Dann muss ich mich mit meinen körperbetonten Freunden streiten. Ich glaube ihnen nämlich kein Wort. Sprechen ist vielleicht nicht alles, aber ohne Worte lässt sich Schmerz nicht umzingeln. Und wegstreicheln schon gar nicht. Wir sind keine Hunde, sage ich ihnen. Wir können nicht allein in der Ecke liegen und hecheln. Wir brauchen Sätze, versteht ihr? Und wenn es dann dunkel ist in uns, müssen wir diese Sätze herausholen und uns damit den Fluchtweg ausleuchten. Was hilft mir eine Umarmung, sage ich ihnen, wenn ich noch nicht einmal weiß, wie sie gemeint ist? Dann hören sie auf zu streiten und umarmen mich. Keine schlechte Strategie, wenn keiner recht hat.

NEU

Liedl | Böttche | Abdallah-Steinkopff | Knaevelsrud (Hrsg.)

Psychotherapie mit Flüchtlingen – neue Herausforderungen, spezifische Bedürfnisse Das Praxisbuch für Psychotherapeuten und Ärzte Hochaktuell: Kompetenter Wegweiser in einer der dringlichsten neuen Aufgaben in der psychosozialen Versorgung Umfassend: Ausführliche Darstellung aller Besonderheiten bei der Behandlung von Flüchtlingen Fundiert: Wertvolle Praxishilfe von Experten aus dem Bereich der Therapie von Flüchtlingen und Folteropfern Neben der Diagnostik und psychotherapeutischen Behandlung befassen sich die Autoren unter anderem mit sozialen, juristischen und formalen Aspekten. Irrtum und Preisänderungen vorbehalten. Abb.: www.derkratzer.com

ILLUSTR ATION: MAGDA WEL

Die Hoffnung im Gepäck

Einzigartig in seiner praktischen Ausrichtung beantwortet dieser Leitfaden alle wichtigen Fragen, wie sich Psychotherapie mit geflüchteten Menschen erfolgreich umsetzen lässt. 2016. Ca. 120 Seiten, 16 Abb., kart. Ca. € 19,99 (D) / € 20,60 (A) ISBN 978-3-7945-3195-0

www.schattauer.de


BUCH& KRITIK

REDAKTION: KATRIN BRENNER-BECKER

S. 81

S. 82

S. 82

S. 84

S. 84

S. 84

S. 84

S. 85

S. 86

S. 87

S. 88

80

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Lehrer? Wer braucht die noch? Die „schöne neue Lernwelt“ führt in die Irre, behauptet der Philosoph Christoph Türcke

Das Szenario: Der Schüler soll heute eigenständig, selbständig, beweglich, kreativ sein. Und Lehrer? Deren Zeit läuft ab. Lehrer seien nicht mehr erforderlich, denn Lernbegleiter genügten vollauf und seien überall zur Stelle, wo Lernende gerade nicht weiterkommen. Jeder Schüler erhalte einen auf seine individuellen Kompetenzen zugeschnittenen Lernstoff und winke sich Erwachsene nur noch herbei, wenn er das Gefühl habe, ohne sie nicht voranzukommen. Lehrer würden zu Gehilfen der Kompetenzbeschaffung reduziert. Dieses Lied der neuen Lernkultur singe ein vielstimmig gemischter Chor von Bildungsexperten mit wachsender Lautstärke, meint Christoph Türcke und rügt den vermeintlichen Expertenchor mit dramatischem Crescendo. Der Autor kritisiert in deftiger Tonlage eine Bildung, die lediglich die Ansammlung von Kompetenzen im Blick hat: Deswegen erzeuge Bildung „als KompetenzGenerierungsbetrieb massenweise Kompetenzkrüppel“, die erschreckend wenig wissen, weil sie zwar alles googeln könnten, aber unfähig seien, sich in Sachverhalte so zu vertiefen, dass sie ihnen zu eigen, vertraut, lieb und wert werden. Das nämlich könne man nur von Lehrern im gemeinsamen Unterrichtsgespräch lernen. Aus Sicht der Schulpraxis ist dieses Szenario deutlich überzeichnet. Selbstverständlich können Lehrer in vielen Unterrichtsphasen auch Lernberater ihrer Schüler sein. Die Vielfalt methodischer Möglichkeiten charakterisiert den Schulalltag, beflügelt die Motivation der Schüler und die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Lernstoff. Beim Thema Inklusion wird der Autor sarkastisch: „Kein Wunder, dass von denen, die das Lehrerdasein nicht als Job, PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

sondern als Herzensangelegenheit erachten, viele auf Inklusion fliegen. Da werden auch ältere Herzen wieder jung. Dabei mitwirken, dass die Schule zum diskriminierungsfreien Raum wird und damit zur Keimzelle einer neuen Gesellschaft: Das gibt dem Leben Sinn.“ Solche markigen Kernsätze sorgen für eine recht einseitige Überzeichnung des Problems. Die Rahmenbedingungen für Inklusion sind oft denkbar schlecht, da hat der Autor zweifellos recht. Eine Klasse „darf nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sein. Weniger als fünf und mehr als 15 Lernende“ täten dem Lernprozess selten gut, betont der Autor. Recht hat er, schön wär’s. Der Klassenraum, der jeden aufnimmt und jeden anders sein lässt, sei ein Raum, in dem gerade Behinderte und Lernschwache ihr Anderssein ständig knallhart demonstriert bekämen, behauptet Türcke. Auch dieses Statement kann aus Sicht der Schulpraxis relativiert werden. Das soziale Lernen gewinnt durch die Inklusion für alle Beteiligten an Bedeutung. Die Rahmenbedingungen müssen allerdings stimmen. Das anregende Buch reizt zu kontroversen Diskussionen und damit zur Präzisierung des eigenen pädagogischpsychologischen Standpunkts. Die kernigen Statements des Autors werden in lebhaften Schuldebatten nicht unwiderDIETER SMOLKA sprochen bleiben.

„Wenn Lehrer ihre Selbstdegradierung nicht mitmachen, hat die neue Lernkultur keine Chance“ CHRISTOPH TÜRCKE

Christoph Türcke: Lehrerdämmerung. Was die neue Lernkultur in den Schulen anrichtet. C. H. Beck, München 2016, 159 S., € 14,95

Leseprobe in der App

81


Beistand zum Leben im Sterben Atul Gawande und Georg Diez beleuchten aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln den Umgang mit Sterben und Tod

Altern und Sterben sind Menschheitsthemen, die ihre Aktualität nie verlieren. Zwei Autoren haben sich aus sehr unterschiedlichen Perspektiven mit den Phänomenen des Lebensendes beschäftigt: Während der Journalist Georg Diez mit philosophischen Einsprengseln eine Fundierung vor allem des Themas Suizid versucht, geht der Mediziner Atul Gawande von seiner ganz konkreten Erfahrung als Arzt und Familienmitglied mit alten und sterbenden Menschen aus und entwirft eine Alternative zum bisher gängigen Umgang mit dem Thema. Beide Autoren verfolgen ein konkretes Anliegen. Der Journalist plädiert entschieden dafür, dass jeder Mensch ganz für sich entscheiden dürfe, ob er assistierten Suizid oder gar Tötung auf Verlangen in Anspruch nimmt. Dem Arzt Atul Gawande geht es darum, die Wünsche des Sterbenden genauso ernst zu nehmen, aber nicht dabei stehenzubleiben, sondern schon im Vorfeld des Sterbens eine Beschäftigung mit der Endlichkeit zu ermöglichen, um dann umso vorbereiteter und am besten in Begleitung anderer sein eigenes Sterben 82

zu ermöglichen. Während Diez die Selbsttötung als Akt der Befreiung aus der Angst ansieht, geht es Gawande darum, nicht primär dem Tod, sondern dem Sterben zu dienen. Er plädiert für eine Assistenz zum Leben im Sterben, anstatt ein lautstarkes Plädoyer für den assistierten Suizid zu formulieren. Trotz dieser Unterschiede gibt es viele Parallelen: Beide Bücher sind durchsetzt mit Zitaten, Erzählungen, Geschichten. Diez spickt das Buch mit aussagekräftigen Statements von Philosophen und Schriftstellern, die für ihre Plädoyers für den Suizid mehr als bekannt sind: Albert Camus, Cesare Pavese, Montesquieu, David Hume. Interessant wäre gewesen, ihre Argumente genauer zu beleuchten, aber dem Autor ging es nicht primär um eine wissenschaftliche Abhandlung als vielmehr um eine Veranschaulichung seiner eindeutigen Position. Wichtiger noch als die Zitate sind Diez jedoch seine Geschichten, die er vom Tod erzählt, etwa die von Wolfgang Herrndorf, der sich 2013 selbst tötete, die von Fritz J. Raddatz, der in der Schweiz assistierten Suizid in Anspruch

nahm, und ganz im Mittelpunkt die Geschichte seines Freundes Max, der sich selbst töten will und es zunächst nicht tut, aber zwei Jahre später dann doch vollzieht. Gerade letzteres Ereignis nimmt der Autor als Beleg dafür, wie unmenschlich es sei, wenn der Staat die Tötung auf Verlangen nicht legalisiere: „Was passiert, wenn diese existenzielle Frage [nach der Selbsttötung], die nur den Einzelnen betrifft, überfrachtet wird mit einer gesellschaftlichen Angst …?“ Der Abbau der staatlichen Bevormundung durch Verbote des Tötens auf Verlangen erscheint dem Autor als die zentrale Lösung; sein ganzes Buch will er als ein „leidenschaftliches Plädoyer gegen staatliche Bevormundung“ verstehen. Man kann eine solche Position durchaus vertreten, aber wenn Diez versucht, diese gerade in Bezug auf Max als die Lösung der Probleme zu etikettieren, wirkt das ab dem Moment etwas unbeholfen, da wir erfahren, dass sein Freund an Depressionen litt. Dazu schreibt der Autor: „Es gibt die Depression, und es gibt Menschen, die nicht mehr können und sich das Leben PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


nehmen, nicht weil sie frei sind, sondern weil sie unfrei sind. Es geht nicht anders, oft haben sie lange gekämpft, aber die Krankheit war stärker.“ Vielleicht wollte Diez kein trĂśstendes Buch schreiben, und es braucht ja auch nicht sein, dass man mit Literatur trĂśstet, aber ausgerechnet die Depression als Paradebeispiel dafĂźr zu nehmen, dass die TĂśtung auf Verlangen unbedingt legalisiert werden mĂźsse, erscheint doch etwas unglĂźcklich. Gerade bei der Depression muss man sich die Frage stellen, wie man vielleicht durch professionelle Hilfe verhindern kann, dass die grundsätzlich behandelbare Krankheit stärker ist. Diez hat ein sehr kämpferisches Buch geschrieben, aber bei allem Kämpferischen ist ihm zuweilen die Sorgfalt abhandengekommen, die Sorgfalt der Argumentation wie die Sorgfalt der Begriffsverwendung. Wenn er, bezogen auf die Debatten im deutschen Parlament, von „GesetzesentwĂźrfen zur Zulassung der aktiven Sterbehilfe“ spricht, obwohl es dabei gar nicht um aktive Sterbehilfe, sondern um assistierten Suizid ging, so befremdet das. Das Buch hat seine Stärke nicht in der Argumentation und nicht in der philosophischen Durchdringung, aber doch in seiner gekonnten VerknĂźpfung von Philosophie, Literatur und Narration. Das Besondere ist, dass es dem Autor meisterhaft gelingt, Lebensgeschichten mit philosophischen Zitaten so zu verzahnen, dass ein Ganzes herauskommt, das zum Weiterlesen animiert. Gawande arbeitet genauso mit der Einflechtung von Geschichten und Zitaten; er zitiert aber nicht Philosophen, sondern seine Patienten, Freunde und Familien-

Georg Diez: Die letzte Freiheit. Vom Recht, sein Ende selbst zu bestimmen. Berlin, Berlin 2015, 125 S., ₏ 10,–

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

mitglieder, wie sie ßber ihre Krankheit oder ihr Gebrechen im Alter sprechen. In einer sehr authentischen und persÜnlichen Weise macht er in vielen anekdotischen Erzählungen deutlich, wie viel er durch die Konfrontation mit diesen Patientengeschichten aus Klinik und Familie als Arzt neu hinzugelernt hat: dass die Medizin begreifen mßsse, mehr mit dem Patienten ßber die Endlichkeit zu sprechen, als in die Technik zu flßchten. Die Geschichten sind wunderschÜn erzählt, und das macht das Buch so lesenswert, auch wenn die Schlussfolgerungen, die er daraus zieht, nicht wirklich originell sind. Doch in Anbetracht dessen, dass die moderne Medizin genau diesen Irrläufern aufsitzt, die Gawande beschreibt, kann es nicht schaden, nochmals daran zu erinnern, dass Medizin vor allen Dingen eine Lebenshilfe sein muss und keine Disziplin, die ßber die technische Zelebrierung von Allmachtfantasien den Menschen täglich darin unterstßtzt, seine Endlichkeit weiter zu verdrängen. Am Ende kommt der Autor zu dem Schluss, dass die Assistenz zum Leben schwieriger sei als die Assistenz zum Suizid, dass es aber doch Sinn ergebe, an dieser Assistenz zu arbeiten, weil diese genau das einfordere, was auch Diez unterstreichen wßrde: die Perspektive des Kranken zum eigentlichen Ziel der Medizin zu machen. GIOVANNI MAIO

Leitsätze hinterfragen und verändern

Sätze wie ÂťSchweigen ist GoldÂŤ oder ÂťSchuld sind immer die anderenÂŤ leiten uns – oftmals unbewusst und nicht immer zu unserem Vorteil. Die Bildkarten zeigen Wegweiser, Warn-, Hinweis-, Gebots - und Verbotsschilder, die so bearbeitet wurden, dass sie zum Nachdenken und Umdeuten einladen. Das Booklet erläutert die Grundlagen und gibt Ihnen Methoden zum Einsatz der Bildkarten an die Hand.

Giovanni Maio ist Professor fßr Medizinethik und Direktor des Interdisziplinären Ethik-Zentrums der Universität Freiburg. 2015 erschien von ihm unter anderem: Den kranken Menschen verstehen. Fßr eine Medizin der Zuwendung (Herder). Als Mitherausgeber verÜffentlichte er Wie wollen wir sterben? (SchÜningh).

Atul Gawande: Sterblich sein. Was am Ende wirklich zählt. Ăœber WĂźrde, Autonomie und eine angemessene medizinische Versorgung. Aus dem Englischen von Susanne RĂśckel. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2015, 336 S., â‚Ź 19,99

Holger Lindemann 75 Bildkarten fßr die Arbeit mit Leit- und Glaubenssätzen Kartenset mit 32-seitigem Methoden-Booklet. Ü % r

www.beltz.de


AUFGEBLÄTTERT

„Jeder Therapeut hat nicht nur eine Me-

ihren kunsttherapeutischen Stil und ihre didaktischen Kon-

thode: Er selber ist sie“, zitiert Doris Titze

zepte mitbegründet hat. Schmeer berichtet darin auch von

C. G. Jung in ihrem Vorwort zu dem Band

dem Misstrauen und der Ablehnung der „offiziellen“ Psy-

Ein Leben, eine Lehre (Erato, € 44,–). Das

chotherapieszene gegenüber der Kunsttherapie, etwa als

trifft im Besonderen auf die Kunsttherapeu-

sie Ende der 1970er Jahre begann, Bildmaterial in die psy-

tin Gisela Schmeer zu, die in diesem Jahr

chotherapeutische Behandlung einzubeziehen. Dem Buch

ihren 90. Geburtstag feiert. Am Ende einer

liegt ein dreistündiges Video von Lucia Stäubli bei, eine

langen Lehrtätigkeit als Professorin für Kunsttherapie do-

Dokumentation aus einem kunsttherapeutischen Lehrsemi-

kumentiert ihre Werkbiografie, wie ihr persönliches Leben

nar, das einen Einblick in die Arbeit von Gisela Schmeer gibt.

BÜCHER UNSERER AUTOREN: Boris Hänßler, der als freier Journalist ins-

zug waren und die Truppen der US-Armee erwartet wurden.

besondere über die Auswirkungen der Infor-

Zur gleichen Zeit wird ein marokkanisches Regiment unter

mationstechnik auf unsere Gesellschaft

französischer Flagge über den Rhein geschickt – „und dann

schreibt, legt nun folgerichtig ein Buch vor,

naht der einzige Tag, an dem der Krieg wirklich zu Gast ist

mit dem er den Leser zu einer melancho-

in Sandheim“. „Als ich mit den Menschen über die Ereignisse

lischen Reise in die Zeit vor dem Internet

im April 1945 sprach, spürte ich, dass sich das Neue um das

einlädt. Wie war das noch, als wir ohne Navi

Alte gelegt hatte wie Jahresringe um einen Baumkern. Es

in den Urlaub gefahren sind, Hotels ohne Internet gesucht

war da, und zugleich war es verborgen“, so Metzger, der

haben und uns ohne Smartphone verabredet haben? Als

mittlerweile als Journalist und Autor in Hamburg lebt.

wir zum Surfen noch ans Meer gefahren sind (Kiepenheuer

Michael Kraske zog bald nach dem Mau-

& Witsch, € 9,99) zeigt, dass das Internet unser Leben zwar

erfall nach Leipzig, wo er als Journalist und

schneller und vielleicht aufregender gemacht hat, erinnert

Buchautor lebt. Mit Vorhofflimmern (frei-

aber auch an die Freuden der Zeit, als wir uns handgeschrie-

raum, € 13,95) legt er ebenfalls sein litera-

bene Briefe geschickt oder selbst zusammengestellte

risches Debüt vor. „Sie drangen tiefer ein.

Mixtapes geschenkt haben.

In das nachtgraue Gräsermeer und die Vor-

Weiter zurück in die Vergangenheit blickt

stellung eines Neuanfangs, der alles zu-

Jochen Metzger in seinem ersten Roman

rücklässt, was sie in Hamburg gewesen waren.“ So beginnt

Und doch ist es Heimat (Kindler, € 19,95).

sein Roman, in dem die Ärztin Andrea und der Fotograf Leo

Das, was im April 1945 in seinem badischen

mit ihrem Sohn Milan in die sächsische Provinz ziehen, in

Heimatort geschah, schilderten ihm Zeit-

der Hoffnung, sich als Paar wieder näherzukommen. Doch

zeugen. Der Roman handelt von den letzten

in der ostdeutschen Kleinstadt machen sie Bekanntschaft

Kriegswochen in Sandheim, nachdem die

mit „Heimatwächtern“ und enthemmter rechter Gewalt.

deutschen Soldaten bereits auf dem Rück-

84

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


PSYCHOLOGIE HEUTE shop

Bildung als Schicksalsfrage Zwei fĂźhrende Demografen rufen die Revolution aus Bildung als SchlĂźssel fĂźr „das Ăœberleben der Menschen, ja der gesamten Menschheit“? Geht es nicht etwas kleiner? Nein, geht es nicht. Dieses Buch zeigt faktenreich, wie dringlich der Kampf gegen Unbildung geworden ist. Im Fokus stehen Entwicklungsländer, vor allem in Afrika. Bildung entscheidet dort darĂźber, ob es der Menschheit gelingt, ihr Wachstum zu zĂźgeln, den Klimawandel zu bremsen und bislang unvorstellbar groĂ&#x;e FlĂźchtlingsstrĂśme zu verhindern. Mit Reiner Klingholz und Wolfgang Lutz schreiben international ausgewiesene Demografen Ăźber Bildung. In diesem Buch sind nicht etwa Kitaplätze, PISA oder Exzellenzcluster von Hochschulen das Thema, sondern die Welt. Während die Vereinten Nationen dazu ehrgeizige Pläne verfolgen, setzen die Autoren ein bescheidenes Ziel, das zu erreichen sie fĂźr realistischer halten: „Es geht darum, das Lesen und Schreiben zu erlernen und die Grundrechenarten zu beherrschen.“ AusfĂźhrlich schildern die Professoren die „erste Bildungsrevolution“ Martin Luthers. Der Reformator glaubte, der „Christenmensch“ kĂśnne nur durch eigene Bibelstudien sein Heil finden. Also lernten Jungen – und Mädchen! – in vielen protestantischen Ländern Lesen und Schreiben. Die unbeabsichtigte Folge waren ein AufblĂźhen der Wirtschaft und Fortschritt Ăźberhaupt, bis hin zur späteren Demokratisierung. Denn Bildung ermĂśglicht Selbstbestimmung und Teilhabe. Am Beispiel Finnlands machen die Autoren deutlich, wie ein bettelarmes Land mittels Bildung an die Weltspitze rĂźcken kann. Sie zeigen auch, warum die islamische Welt ihren einst so groĂ&#x;en Wissensvorsprung verlor: wegen eines drei Jahrhunderte währenden Verbots der Druckerpresse. Bildung als Fortschrittsmotor sei aber grundsätzlich keine Frage der Religion; vom Christentum kaum geprägte PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Schwellenländer wie China und Singapur hätten das Prinzip erfolgreich fĂźr sich entdeckt. Wenn hingegen Machthaber im „Kampf der Bildungskulturen“ das Lernen, insbesondere das von Frauen, systematisch verhinderten, seien Armut, UnterdrĂźckung und Terror der Preis, den Menschen in islamistisch kontrollierten Regionen, aber auch andernorts zahlen. Die Autoren entwickeln drei mĂśgliche Zukunftsszenarien: Der beste Fall hieĂ&#x;e: Bildung in guter Qualität fĂźr alle Kinder sofort. Innerhalb weniger Jahrzehnte kĂśnnte die Menschheit ihre grĂśĂ&#x;ten Probleme lĂśsen. Unbezahlbar? Nein, lächerliche 20 Milliarden Dollar jährlich fehlen. Das zweite Szenario, „Weiterwursteln wie bisher“, wäre der Garant fĂźr noch mehr Konflikte. Der schlimmste Fall: Die Entwicklung stockt. Viele Länder gerieten in eine „Abwärtsspirale aus Not, Elend und anhaltendem BevĂślkerungswachstum“. Klingholz und Lutz rufen die „zweite Bildungsrevolution“ nach Luther aus. Nach dem Vorbild einiger Regierungen, Stiftungen und Unternehmen, die bereits heute fĂźr mehr Gesundheit mit einigem Erfolg zusammenarbeiten, schlagen sie eine Stiftung fĂźr weltweite Grundbildung vor. Leicht verständlich und mit Leidenschaft geschrieben, dabei aber wissenschaftlich hĂśchst fundiert, ist dieses Buch eine Fundgrube fĂźr BĂźrger und Politiker, die nach LĂśsungen fĂźr die groĂ&#x;en Menschheitsfragen suchen. WOLFGANG STREITBĂ–RGER

Reiner Klingholz, Wolfgang Lutz: Wer Ăźberlebt? Bildung entscheidet Ăźber die Zukunft der Menschheit. Campus, Frankfurt a. M. 2016. 300 S., â‚Ź 24,99

Leseprobe in der App

s 5MFANGREICHE "UCHAUSWAHL ZU DEN 4HEMEN VON 0SYCHOLOGIE (EUTE s ĂƒBER AUSFĂ HRLICHE "UCHEMPFEHLUNGEN s !USGESUCHTE 'ESCHENKTIPPS s !LLE LIEFERBAREN !USGABEN VON 0SYCHOLOGIE (EUTE UND 0SYCHOLOGIE (EUTE #OMPACT s *AHRGANGSPAKETE ZUM 3ONDERPREIS

Unser UnserBuch Geschenktipp des Monats

­NGSTE ENTSTEHEN IM +OPF DARUM KANN DAS 'EHIRN UNS AUCH HELFEN DIE !NGST ZU BESIEGEN !KTIV UND IN %IGENREGIE 3TRESS UND 0ANIK Ă BERWINDEN DABEI UNTERSTĂ TZT 3IE DIESES "UCH DER INTER NATIONAL BEKANNTEN !NGSTTHERAPEUTIN -ARGARET 7EHRENBERG Beltz 2016. 288 Seiten. â‚Ź 18,95 ISBN 978-3-407-86405-5

Alle BĂźcher portof re i

s "ESTELLHOTLINE &AX

s SHOP PSYCHOLOGIE HEUTE DE

www.shop-psychologie-heute.de


Helfen – sofort und gezielt!

Dieser Leitfaden vermittelt Grundkenntnisse zur Situation von Flüchtlingen, zur Entstehung und der Symptomatik von „Traumafolgestörungen“ und zum Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen. Anhand traumapädagogischer Leitlinien wird reflektiert, wie Sie in Ihrem beruflichen oder ehrenamtlichen Alltag mit Flüchtlingen stabilisierend und ressourcenorientiert wirken können. Abschließend geht es um Selbstfürsorge und den Schutz vor Sekundärtraumatisierungen.

Aus dem Inhalt: Trauma – vom Drang der Seele, wieder ganz zu werden Traumatisierte Flüchtlinge – Basiswissen kompakt Arbeiten mit Flüchtlingen – systematisch und konstruktiv helfen: Sechs traumapädagogische Empfehlungen für den Umgang mit Flüchtlingen Schutz vor eigenen Belastungen: Sechs Wege zur Selbstfürsorge Inklusive Checklisten zum Downlaod 2016, 102 Seiten, broschiert, € 12,95 ISBN 978-3-7799-3393-9 Auch als E-Book erhältlich

www.juventa.de www.juventa.de

JJUVENTA UVENTA

Butterbrot mal anders Bas Kast fragt, wie man die individuelle Kreativität fördern kann Jeder will kreativ sein, ein kreatives Leben führen und eine Fülle an Geistesblitzen haben, bei denen die „Ahas“ und „Klicks“ im Kopf unüberhörbar sind. Jeder Mensch sei ein Künstler, also kreativ, verkündete in den 1970er Jahren der deutsche Künstler Joseph Beuys. Er brachte diesen Satz in Umlauf. Viele haben seither daraus ein Geschäftsfeld gemacht. Es gibt Bücher und Seminare, Workshops zu Kreativitätstechniken sowie Innovationsfortbildungen. Kreativität ist zum Phänomen geworden, dem sich auch die Psychologie zugewandt hat. Die Kreativitätswissenschaft hat Fragen verfolgt wie: Wenn Kreativität jedem Menschen eigen ist, weshalb scheinen manche über mehr Ideen zu verfügen und bessere hervorzuzaubern als andere? Existiert ein Zusammenhang zwischen Kreativsein und Fleiß, zwischen Inspiration und Transpiration? Wie lässt sich dem Verlust von auf Neugier basierter Kreativität vom Kindes- zum Erwachsenenalter entgegensteuern? Bas Kast, studierter Psychologe und Biologe, widmet der Kreativität nun ein ganzes Buch. Darin unternimmt er selbst Abenteuer, unterzieht sich in Laboratorien Experimenten und Tests, denkt über Denklockerungen nach, über Physikgenies, Steve Jobs und über Nischen, die die eigene Kreativität beflügeln, festigen und nachhaltig am Leben erhalten. Was anfangs so vielgestaltig anmutet, wird von Kast logisch und gut verständlich dargestellt. Interessant und erhellend sind seine Ausführungen dort, wo er sich selbst etwa mittels einer speziellen Datenbrille dem Versuch unterzieht, konventionelle Denkmuster zu durchbrechen. Dadurch sollen das Spektrum an ungewöhnlichen Einfällen entscheidend vergrößert und eingefahrene Routinen aufgebrochen werden. Mittels dieser sogenannten frames und scripts werden Situationen des Alltags

ohne größeres Nachdenken bewältigt. Ein Weg, diese Routinen zu verändern, ist etwa der Versuch, einfache Prozeduren und automatisierte Handlungen umzukehren. Kas führt dies anhand einer niederländischen Spezialität vor, des boterham met hagelslag, Butterbrot mit Schokostreuseln. Ein Schemaverstoß, wie Kast es nennt, nämlich eine andere Reihenfolge und eine andere Methode, die Schokostückchen aufzubringen – nicht zuerst das Brot bestreichen, dann bestreuen, sondern den Teller bestreuen und dann mit der Butterfläche die Streusel aufnehmen –, erhöht Flexibilität und die Bereitschaft für Kreativität. Eher enttäuschend ist das Schlusskapitel geraten. Kast widmet es dem Thema „Wie Sie Ihre eigene kreative Nische entdecken“. Doch diese Passagen lassen einen ratlos zurück. Kasts Neigung zu leichthändigem Parlando wohnt die Gefahr inne, allzu leichtgewichtig zu werden, über so manche Komplexität mit geschmeidiger Eingängigkeit hinwegzugleiten und Zusammenhänge kreativ auszublenden. Am Ende hat man einiges über die handwerklichen Fundamente der Kreativität erfahren, darüber, welche Maßnahmen dazu führen, bereiter für Kreatives zu sein. Woher aber der eigentliche Palast der Ideen über dieser Basis stammt und wie er ausgestaltet wird, das bleibt im Dunkeln. ALEXANDER KLUY

Bas Kast: Und plötzlich macht es KLICK! Das Handwerk der Kreativität oder wie die guten Ideen in den Kopf kommen. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2015, 265 S., € 19,99

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Sagen Sie mal, Herr Ullrich: Warum ist Kreativität ein Problem?

Viele Menschen sind heute auf die eine oder an-

Wolfgang Ullrich, geboren 1967 in München, war bis 2015 Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Er legte seine Professur nieder, um freiberuflich als Autor, Kulturwissenschaftler und Berater zu arbeiten. Er lebt in Leipzig und München

dere Weise kreativ. Was ist daran schlecht?

Wir Menschen haben ja ohnehin schon viel zu leisten. Allenthalben sollen wir fit sein, uns engagieren, Pflichten erfüllen. Und nun sollen wir also auch noch dauernd Ideen haben, etwas Originelles machen und gewitzter als andere sein. Kein Wunder, wenn da die Sorge entsteht, den Kreativitätsansprüchen nicht genügen zu können. Entsprechend fühlt man sich unter Druck, den Schlüssel zu den verborgenen kreativen Kräften zu finden – oder aber anderswo zu diesen Kräften zu gelangen. Kreativität ist also zu einer sozialen Verpflich-

hen, aus einer bestimmten Situation das Beste zu machen, also mehr zu tun, als bloß vorgegebene Regeln anzuwenden, dann sind kreative Kräfte weit verbreitet. Dass der Begriff „Kreativität“ so unscharf definiert ist, steigert leider nochmals die Sorge vieler, den Ansprüchen vielleicht doch nicht zu genügen.

tung geworden?

Glaubt man in anderen Kulturen auch an den kre-

Ja, und die Folge von „Kreativität als Norm“ sind ganze Branchen mit Konsumprodukten, für die wir viel Geld ausgeben, nur um jene Sorge zu lindern. Denken Sie nur an die Wellnessindustrie, die sicher nicht so boomen würde, hätten die Menschen nicht die Hoffnung, durch allerlei Anwendungen und besondere sinnliche Erlebnisse kreativer zu werden.

ativen Menschen?

Joseph Beuys hat jeden Menschen zum Künstler

mehr Kreativität man ihnen zumutet“, wie der

erklärt. Das von ihm propagierte Menschenbild

Künstler Jonathan Meese es formulierte?

erscheint uns heute selbstverständlich, ist gar

Dann, wenn man ihnen zugleich suggeriert, sie müssten eigentlich noch kreativer sein, halte ich die Gefahr für sehr real.

ILLUSTR ATION: JAN RIECKHOFF

zum Mantra geworden. Hatte er recht?

Der Satz von Beuys wirkte zuerst sicher sehr motivierend für viele. Und er brachte eine wichtige Diskussion in Gang, nämlich ob die Gründung einer Bürgerinitiative oder die Pflege von Angehörigen nicht genauso eine gestaltend-schöpferische Tätigkeit ist wie das Malen eines Bildes. Doch so befreiend Beuys war, so sehr spielte er letztlich all denen in die Hände, die Kreativität nicht volks-, sondern betriebswirtschaftlich nutzbar machen wollen und die so den Druck auf den Einzelnen weiter erhöhen. Ist der Mensch nicht schon von Natur aus kreativ?

Das hängt davon ab, wie streng Ihr Begriff von Kreativität ist. Wenn damit gemeint sein soll, etwas völlig Neues zu schaffen, dann ist das sicher die große Ausnahme. Wenn Sie darunter aber einfach verstePSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Sicher nirgendwo so sehr wie in den Ländern des Westens. In manchen Religionen ist es sogar Blasphemie, das Kreativitätsmonopol des obersten Schöpfers zu relativieren und auch dem Menschen Kreativität zu attestieren.

Wolfgang Ullrichs Buch Der kreative Mensch. Streit um eine Idee ist im März im Residenz-Verlag erschienen (120 S., € 18,90).

Werden die Menschen „umso unglücklicher, je

Was möchten Sie all den Kreativitätsgestressten empfehlen, all jenen, die erschöpft sind von der Anstrengung, kreativ sein zu müssen?

Entweder sollte man durchschauen, wie neu – bezogen auf die gesamte Kulturgeschichte – die Vorstellung vom kreativen Menschen eigentlich ist. Dann sieht man, wie wenig selbstverständlich das ist – und wird gelassener. Oder aber man findet einen Weg, um sich als kreativer zu erfahren. Museen sind etwa zu Orten geworden, die sich mehr und mehr auf die Bedürfnisse von Kreativitätsbedürftigen einstellen und viel anbieten, was für eine Atmosphäre der Kreativität sorgt, in die man einfach eintauchen kann. INTERVIEW: KATRIN BRENNER-BECKER

87


Das individuelle Arbeitsbuch

Die Globalisierung der Psychiatrie Schaffen westliche Diagnosen neue Krankheitsbilder im Rest der Welt?

288 Seiten, broschiert, € 18,95 D ISBN 978-3-407-86405-5 Auch als erhältlich

Aktiv und in Eigenregie Phobien, Panikattacken und Stress überwinden, das ermöglicht dieses Buch. Margaret Wehrenberg, selbst von einer schweren Angststörung geheilt und inzwischen eine der bekanntesten Angsttherapeutinnen, ist überzeugt: Da unsere Ängste im Kopf entstehen, kann das Gehirn uns auch helfen, die Ängste wieder zu überwinden. Schritt für Schritt befreien sich Betroffene, indem sie dem eigenen Verhalten durch Selbsttests auf die Spur kommen oder aus der Fülle der angebotenen Übungen die passende auswählen.

Leseprobe auf www.beltz.de

Die amerikanischen oder europäischen Psychiater und Psychotherapeuten rühmen sich nicht selten des besten Versorgungssystems für psychische Erkrankungen weltweit. Sie erstellen allgemeingültige Diagnosesysteme, entwerfen Leitlinien zur Behandlung und definieren, welche Symptomatik als Krankheit verstanden werden muss und wogegen möglicherweise Medikamente entwickelt werden können. Sie folgen dabei weitestgehend einem medizinischen Modell, das Ungleichgewichte und Defizite in Hirnfunktionen und Stoffwechselprozessen für die psychische Erkrankung verantwortlich macht. Doch waren wir in der Diskussion nicht schon weiter? Hatten wir nicht schon Ansätze, die die soziale Dimension einer Lebensrealität, die biografischen Aspekte von familiären Normen oder die problemlösenden Funktionen von Symptomen mitberücksichtigen wollten? Der US-amerikanische Journalist und Autor Ethan Watters stellt in seinem Buch Crazy like us die These auf, dass die westlich dominierte Auffassung von psychischer Krankheit und Gesundheit in anderen Teilen der Welt dazu führt, dass funktionierende Umgangs- und Bewältigungstraditionen außer Kraft gesetzt werden. Die westliche Medizin lässt Krankheitsbilder erst entstehen – zu deren Heilung sie sich dann berufen fühlt. Er versucht dies in einem narrativen Ansatz über Geschichte und Geschichten aus vier verschiedenen Erdteilen zu beleuchten. Die Mitte der 1990er Jahre plötzlich massenhaft auftretende Erkrankung der Anorexia nervosa in Hongkong beruhte seiner Auffassung nach auf der westlichen Einordnung eines dramatischen Falles ei88

ner 14-jährigen Chinesin, die mit massivem Untergewicht tot auf der Straße zusammengebrochen war. Auch wenn zunächst die Todesursache offensichtlich war, weist Watters auf zentrale Unterschiede in der Bedeutung der Erkrankung hin: Die chinesische Philosophie unterscheidet nicht zwischen Körper und Geist, sondern sieht somatische Symptome traditionell auch als Zeichen seelischer Belastung. In der Nahrungsverweigerung kommen auch „machtvolle kulturelle Symbole, persönliche Bedeutungen und zwischenmenschliche Botschaften“ zum Ausdruck – Umstände, die bei der westlichen Definition von Anorexie keine Rolle spielen. Chinesische Anorexiepatientinnen hatten weder Angst vor Gewichtszunahme noch ein verzerrtes Körperbild, passten aber ihre Krankheitssymptome danach immer stärker an die westliche Krankheitsdefinition an. Gibt es erst einmal eine krankheitswertige Diagnose, wählen Patientinnen bewusst oder unbewusst diese Pathologie, um ihre Konflikte auszudrücken, lautet die These. In einer zweiten kritischen Geschichte beleuchtet Watters die Welle der PTBSTherapeuten (posttraumatische Belastungsstörung), die nach dem Tsunami 2004 über Sri Lanka hereinbrach. Mit deutlichen Beispielen erläutert er die Naivität, die westliche PTBS-Heerscharen bei ihren Therapieansätzen an den Tag legten und dabei völlig unhinterfragt ließen, ob es möglicherweise kulturelle Unterschiede in dem Umgang mit einer solchen Naturkatastrophe geben könnte. Auch wenn es Stimmen von Professoren der Universität von Sri Lanka gab, die darum baten, das Geschehene nicht nur unter dem Blickwinkel einer TraumatisiePSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Antwor t

0 - 209 166 413,

ite pe r Fax an 03 Se nd en Sie die se Se res se. un ten ste he nd e Ad an pe r Po st od er Ma il

„Die westliche Medizin fühlt sich berufen zur Heilung von Krankheitsbildern, die sie erst entstehen lässt“ ETHAN WATTERS

rung und damit die Betroffenen als psychologische Opfer zu betrachten, blieb die angelaufene Hilfsmaschinerie bei ihrem Vorgehen, das darauf basiert, dass alle Menschen nach einer allgemeingültigen Methodik auf Trauma und Verlust reagieren, egal welcher Kultur sie angehören. Dass sich die Bewohner von Sri Lanka in früheren Forschungsarbeiten durch eine besondere Allianz von religiösem Glauben und der Bewältigung des jahrelangen Bürgerkriegs als sehr resilient gegenüber Traumatisierungen erwiesen hatten, durfte nach der Sichtweise westlicher Traumatherapeuten keine Rolle spielen. Diese tendierten eher zu der Meinung, dass die Betroffenen dazu neigten, die Folgen der Traumatisierung zu verleugnen. Watters zitiert in diesem Zusammenhang einen Medizinanthropologen, der beklagt, dass wir den Betroffenen außerhalb des Westens ihre eigenen kulturellen Überlieferungen nähmen und sie durch unsere Sichtweise ersetzten – eine beispiellose Entmündigung von Menschen in einem Teil der Welt, der weit stärker von Naturkatastrophen betroffen ist als der Westen. PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

In zwei weiteren Geschichten nimmt uns Watters mit nach Sansibar (Betrachtung der Schizophrenie) und Japan (pharmakologisch gesteuerter Siegeszug der Antidepressiva). Die Grundaussage bleibt die gleiche: Westliche Standards definieren Krankheiten und Behandlungsnotwendigkeiten, die in den Ländern dadurch erst entstehen und mit denen kulturell zuvor anders und erfolgreich umgegangen wurde. Watters hat ein sympathisches, aber kein wissenschaftliches Buch geschrieben. Es liest sich flüssig, stellt zentral wichtige Fragen zu unserem Verständnis und Verstehen kultureller Unterschiede und verdeutlicht die Interessen der Pharmaindustrie bei der Definition und dem Export neuer Krankheitsbilder. Es ist kein ausgewogenes Buch nach dem Motto „Die westliche Medizin hat aber auch ihre guten Seiten ...“, sondern wirft Fragen nach unserem westlich-individualisierten Menschenbild mit hoher Kontrollüberzeugung auf. Die Fragen lassen sich beliebig auf die Ansätze der personalisierten Medizin, der therapeutischen Programmmodule und der Machbarkeitsüberzeugungen mancher Therapieansätze erweitern. Das Buch ist ein Plädoyer für eine kulturell-psychosoziale Sicht von psychischer Erkrankung, folgerichtig wurde das Vorwort vom Pionier der deutschen Gemeindepsychologie, Heiner Keupp, geschrieben. Und es gewinnt durch die Frage der Versorgung traumatisierter Flüchtlinge eine tagespolitische Brisanz. MICHAEL BRODA

Unsere neue Arbeit 45%

spare

n.

G esch

e

„Die P nk: sy d e s Ch c h e efs“

Im druckfrischen Themenheft „New Work“ der Zeitschrift Wirtschaftspsychologie aktuell erfahren Sie, wie unsere neue digitale Arbeit aussieht. Dieses und das nachfolgende Heft „Gefühle managen“ können Sie jetzt im Paket bestellen. Bis zum 31. August 2016 schenken wir Ihnen dazu eine Ausgabe. Inhalte von „New Work“

Inhalte von „Gefühle managen“

• Psychologie der neuen Arbeit

• Chefs, die Gefühle erkennen

• Swisscom: Was Kunden erleben

• Freundschaft am Arbeitsplatz

• Psychopathen im Büro

• Wie Männer und Frauen fühlen

Ja, ich bestelle mein New-Work-Paket: Senden Sie mir die beiden Ausgaben „New Work“ und „Gefühle managen“ (erscheint am 29. September 2016) zum Vorteilspreis zu je 14,50 € inkl. MwSt. zu. Ich spare gegenüber dem regulären Preis mehr als 45%. Die Versandkosten übernimmt der Verlag für mich. Wenn Sie bis sieben Tage nach Erhalt der letzten Ausgabe nichts von mir hören, möchte ich die Zeitschrift im Jahresabo beziehen (vier Ausgaben zu je 18 €). Als Geschenk erhalte ich zusätzlich die Ausgabe „Die Psyche des Chefs“, wenn ich bis zum 31. August 2016 bestelle.

Organisation/Firma/Name

Ethan Watters: Crazy like us. Wie Amerika den Rest der Welt verrückt macht. Aus dem Amerikanischen von Thorsten Padberg. Dgvt, Tübingen 2016, 237 S., € 19,99

Straße

PLZ, Ort

E-Mail/Telefon

Datum, Unterschrift

89

162901

Deutscher Psychologen Verlag GmbH Am Köllnischen Park 2 · 10179 Berlin Tel. 030 - 209 166 411 · Fax 030 - 209 166 413 wp@psychologenverlag.de · www.wirtschaftspsychologie-aktuell.de


AUSSERDEM RAT UND LEBENSHILFE

PSYCHISCHE GESUNDHEIT

Stefanie Carla Schäfer Selbstliebe macht stark. So schließen Sie Freundschaft mit sich selbst. Scorpio, 96 S., € 12,99

Guy Winch Emotionale Erste Hilfe. Wie wir mit seelischen Verwundungen im Alltag umgehen können. Junfermann, 220 S., € 16,90

Isabelle Pfister Get organized! Deine Tools für cleveres Selbstmanagement. Campus, 177 S., € 17,95 Manuel Geisendorf Geh kacken, wenn du musst, und scheiß auf den Rest! So einfach kann das Leben sein! CreateSpace Independent Publishing Platform, 146 S., € 10,60 Sabine Prohaska Lösungsorientiertes Selbstcoaching. Ihren Zielen näher kommen – Schritt für Schritt. Junfermann, 101 S., € 14,90 Peter Michael Dieckmann Drei Schlüssel zur Vergebung. Mit dem Dalmanuta-Prinzip emotionale Verletzungen heilen. Goldmann, 256 S., € 8,99 Stephanie Grimm Schlaft doch, wie ihr wollt. Die wertvollsten Stunden des Tages und wie wir sie zurückerobern. Pantheon, 233 S., € 14,99 Dieter Riemann Ratgeber Schlafstörungen. Informationen für Betroffene und Angehörige. Hogrefe, 71 S., € 9,95 Linda Papadopoulos Es ist mein Leben! Wie junge Frauen sich von Erwartungsdruck und Perfektionswahn befreien. Goldmann, 299 S., € 8,99 Bastian Aue Die Sprache der Einheit. Sich auf den Weg zu Verbundenheit und Liebe begeben. Wesentliche Antworten auf dem Weg zur Einheit. Books on Demand, 209 S., € 19,90

Amy Morin 13 Dinge, die mental starke Menschen nicht tun. Für alle, die sich heute besser fühlen möchten als gestern. Fischer, 256 S., € 14,99 Peter Vermeulen Autismus als Kontextblindheit. Vandenhoeck & Ruprecht, 333 S., € 35,–

DENKEN, FÜHLEN, HANDELN Christian Montag Persönlichkeit. Auf der Suche nach unserer Individualität. Springer, 174 S., € 19,99 Angelika C. Wagner, Renate Kosuch, Telse Iwers-Stelljes Introvision. Problemen gelassen ins Auge schauen. Kohlhammer, 184 S., € 24,–

Franz Petermann, Silvia Wiedebusch Emotionale Kompetenz bei Kindern. Hogrefe, 297 S., € 29,95 Katharina Tanner, Lihie Aimée Jacob ZiegenHundeKrähenMama. Ein Buch über eine psychisch belastete Mutter, erzählt aus der Perspektive der Kinder. Orell Füssli, 32 S., € 14,95

SCHULE UND BILDUNG

Rainer Bösel Wie das Gehirn „Wirklichkeit“ konstruiert. Zur Neuropsychologie des realistischen, fiktionalen und metaphysischen Denkens. Kohlhammer, 192 S., € 34,–

Norbert Greuel Kommunikation für Lehrkräfte. Beratung – Konflikte – Teamarbeit – Moderation. Kohlhammer, 321 S., € 39,–

ARBEIT UND BERUF FRAUEN UND MÄNNER Jutta Westphalen Die Urkraft der Weiblichkeit oder weshalb Frauen die besseren Lebenskünstler sind. Via Nova, 288 S., € 19,95

Jane McGonigal Gamify your life. Durch Gamification glücklicher, gesünder und resilienter leben. Herder, 560 S., € 24,99

Michael Mary Liebe will riskiert werden. Warum Paare heute anders lieben und wie sie damit glücklich werden. Ariston, 223 S., € 14,99

Heinz Peter Wallner Take Five. Die fünf Schlüssel zu mehr Lebendigkeit und innerer Stärke. Edition Summerhill, 259 S., € 28,90

Jo Eckardt Reden ist Gold – wie Gespräche die Liebe stärken. Patmos, 115 S., € 12,99

90

Albrecht Mahr Von den Illusionen einer unbeschwerten Kindheit und dem Glück, erwachsen zu sein. Scorpio, 301 S., € 19,99

Beat Döbeli Honegger Mehr als 0 und 1. Schule in einer digitalisierten Welt. Hep, 186 S., € 24,–

Marion Schneider, Linda Troeller Orgasmus. Interviews und Fotografien. Verlag Claudia Gehrke, 240 S., € 12,90

Martin Schindler Sprung ins Glück! Kleine Fibel für privates & berufliches Glück. Books on Demand, 124 S., € 8,99

Alexandra Gaida-Steingaß Anders als erwartet. Von besonderen Herausforderungen in der frühen Familienphase. Zwölf Interviews. Accepta Kommunikation, 245 S., € 24,–

Ronald Engert Der absolute Ort. Philosophie des Subjekts. Band 2. Tattva Viveka Edition, 334 S., € 24,80

Ulrike Bleyl Probleme fasten. Kamphausen, 143 S., € 14,95

Eliane Reichardt Hochsensibel. Wie Sie Ihre Stärken erkennen und Ihr wirkliches Potenzial entfalten. Irisiana, 255 S., € 19,99

Melanie Mühl 15 sein. Was Jugendliche heute wirklich denken. Hanser, 219 S., € 18,90

KINDER UND FAMILIE Alexandra Widmer Stark und alleinerziehend. Wie du der Erschöpfung entkommst und mutig neue Wege gehst. Kösel, 256 S., € 19,99

Sandra Wesenberg, Antje Beckmann, Vjera Holthoff-Detto, Frank Nestmann (Hg.) Tierische Tandems. Theorie und Praxis tiergestützter Arbeit mit älteren und demenzkranken Menschen. Band 1: Grundlagen. Band 2: Manual. Dgvt, 296 S., € 29,90 Claudia Clos Gesund im Job. So stärken Sie Ihre körperliche und psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Hogrefe, 208 S., € 19,95 Johannes Siegrist Arbeitswelt und stressbedingte Erkrankungen. Forschungsevidenz und präventive Maßnahmen. Urban & Fischer, 182 S., € 49,99 Karin de Galan Gruppen souverän leiten. Wie Trainer Stolpersteine erkennen und mit schwierigen Situationen umgehen können. Hogrefe, 217 S., € 26,95 Dagmar Kumbier Aufstellungsarbeit mit dem Inneren Team. Methoden- und Praxisbuch für Gruppen. Klett-Cotta, 191 S., € 24,95

Melanie Neumann, Kathrin Heck Introvision bei Stress- und Angstbewältigung. Kurz-Manual für Psychotherapeuten, Coaches und Berater. Springer, 42 S., € 9,99 Neele Reiss, Friederike Vogel, Claudia Knörnschild Schematherapie bei Patienten mit aggressivem Verhalten. Hogrefe, 181 S., € 39,95 Norbert Lotz Metaphern in der Akzeptanzund Commitmenttherapie. Beltz, 240 S., € 36,95

KULTUR UND GESELLSCHAFT Tilmann Borghardt, Wolfgang Erhardt Buddhistische Psychologie. Grundlagen und Praxis. Arkana, 500 S., € 34,– Almuth Bruder-Bezzel, KlausJürgen Bruder, Karsten Münche (Hg.) Neoliberale Identitäten. Der Einfluss der Ökonomisierung auf die Psyche. Psychosozial, 159 S., € 19,90 Peter Strasser Achtsamkeit. Braumüller, 93 S., € 14,90 Stefan Albus Jakobsweg – und dann? Was Pilgern mit Menschen macht. Gütersloher Verlagshaus, 255 S., € 17,99 Bernhard Emunds Damit es Oma gutgeht. PflegeAusbeutung in den eigenen vier Wänden. Westend, 224 S., € 17,50 Ingmar Vriesema Geschwister berühmter Menschen. Kein & Aber, 271 S., € 16,– Heinz Bude Das Gefühl der Welt. Über die Macht der Stimmungen. Hanser, 160 S., € 18,90 Harald Welzer Die smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit. S. Fischer, 320 S., € 19,99

Umfangreiche Buchauswahl zu den Themen von Psychologie Heute im

PSYCHOLOGIE HEUTE shop www.shop-psychologie-heute.de Telefon 030 / 447314-50

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


REDAKTION: ANKE BRUDER

KLICKEN

HINGEHEN

Psychologe gesucht?

Mythen erleben

Sie suchen einen Therapeuten, eine Beraterin oder einen Coach? Dann könnte Ihnen die Website Psychologenportal.de weiterhelfen. Hier sind Anbieter psychologischer Dienstleistungen aufgeführt und nach Kategorien wie Gesundheit, Wirtschaft, Schule, Recht oder Verkehr geordnet. Mittels Umkreissuche lassen sich Psychologen in der Nähe finden. Die Website, die vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) betrieben wird, ging im Frühjahr dieses Jahres online und befindet sich noch im Aufbau. www.psychologenportal.de

SEHEN

Müdigkeit als Ziel Im Jahr 2010 landete der Philosoph Byung-Chul Han mit seinem Essay Müdigkeitsgesellschaft einen Bestseller. Er schrieb darin über das Leiden der Seele im 21. Jahrhundert, über ein Übermaß des Positiven, das uns umgibt, und über den grassierenden Hang zu Hektik, Selbstausbeutung und Selbstoptimierung, der zu immer mehr Depressionen, zu Burnout und Aufmerksamkeitsstörungen führt. Han propagiert stattdessen „eine Müdigkeit, die einen Zugang zu einer anderen Aufmerksamkeit jenseits von Verwertung und Effizienz erlaubt“. Die Künstlerin und Filmemacherin Isabella Gresser widmet sich nun im Dokumentarfilm Müdigkeitsgesellschaft – Byung-Chul Han in Seoul/ Berlin dem Philosophen und seinem Werk. Han führte sie an persönliche Orte in seiner Heimatstadt Seoul und an seinem neuen Wohnort Berlin, wo er als Professor an der Universität der Künste lehrt. Zwei Jahre lang beschäftigte sich Gresser mit Hans Leben und seiner Gedankenwelt. Herausgekommen ist ein überraschend kurzweiliges und interessantes Porträt des neuen Stars am Philosophenfirmament.

Seit sehr langer Zeit versuchen Menschen sich einen Reim zu machen auf die Rätsel des Daseins. Wie ist die Welt entstanden? Woher kommt der Mensch? Mit diesen Fragen beschäftigen sich nicht nur die Weltreligionen, sondern auch zahlreiche Mythen verschiedenster Kulturen. Die Ausstellung Mythen im Freiburger Museum Natur und Mensch widmet sich diesen Gedankenwelten. Gezeigt werden Exponate aus über 20 Kulturen aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien; darunter Masken, Skulpturen, Malereien und Federschmuck. Sie erzählen Geschichten von listigen Raben, tanzenden Fischen, Treppen, die bis in den Himmel reichen und von Krokodilsaugen, aus denen Mond und Sterne werden. Die Ausstellung ist noch bis zum 5. Februar 2017 zu sehen. www.freiburg.de/museen

HÖREN/SEHEN

Fundgrube für Fromm-Fans Fans von Erich Fromm finden beim Verlag Auditorium Netzwerk eine Fülle von Hörbüchern und DVDs des berühmten Psychoanalytikers. Darunter sind Aufnahmen von Vorträgen, Dokumentationen über seine Biografie und sein Werk sowie Interviews. Mit dabei ist auch ein Gespräch zwischen Erich Fromm, Michaela Lämmle und Jürgen Lodemann zum Klassiker Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. www.auditorium-netzwerk.de

Müdigkeitsgesellschaft – Byung-Chul Han in Seoul/Berlin. DVD. Absolut Medien, 2016. Laufzeit: 61 Minuten. € 14,90

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Lesen Sie dazu den Artikel Das neue Habenwollen von Rainer Funk, Psychoanalytiker und letzter Assistent Fromms, in unserer Maiausgabe 2016: http://tinyurl.com/z7y54o2

91

MUSEUM NATUR UND MENSCH – STÄDTISCHE MUSEEN FREIBURG

MEDIEN


LESERBRIEFE

k.brenner@beltz.de

„Es erscheint mir sehr plausibel, dass Menschen mit ausgeprägtem Narzissmus irgendwann in Burnout oder in Depressionen geraten …“ Ernst Schlingmann, Aurich

M

eine Mutter war der wundervollste und nervigste Mensch, den ich je gekannt habe. Sie war ein Narzisst.“ So beginnt der Psychotherapeut Craig Malkin, Dozent an der Harvard Medical School, sein Buch über die dunklen, vor allem aber über die hellen Seiten des Narzissmus. Malkin beschreibt seine Mutter als „strahlende Figur meiner Kindheit, unbändig kontaktfreudig, ansteckend komisch. Die Welt schien sich um sie herumzudrehen.“ Diese Frau verstand es, sich in Szene zu setzen. Haushalt, Kinder, Gemeindearbeit: Sie managte alles, sie allein. Sie engagierte sich für jedes soziale Projekt, sei es das Säubern des Spielplatzes oder der Kuchenverkauf für einen guten Zweck. Abends plauderte sie von ihren Heldentaten. Sie sonnte sich in ihrer Güte, ihrem Engagement, ihrer Perfektion. Doch wehe, ein anderer machte ihr die Rolle streitig oder wagte es, allzu ausführlich von seinen eigenen Erfolgen zu reden. Dann reagierte sie schnippisch, abweisend, bisweilen mit Liebesentzug. Eingefleischte Narzissten halten es wie der Highlander: Es darf nur einen geben! Auf dem Sockel stehe ich und nur ich!

58

Man kann den Eindruck gewinnen, wir seien heute von Narzissten umzingelt. Bücher zum Thema boomen. Sie tragen Titel wie „Hilfe, mein Partner/ mein Chef ist Narzisst“ und handeln davon, wie man sich vor diesen Leuten schützt. Narzissmus ist ein seit Jahren aufstrebender Suchbegriff bei Google, Artikel zum Thema werden im Internet oft geteilt und verbreiten sich inflationär. „Heutzutage hat es den Anschein, als ob fast jeder ein Narzisst ist“, konstatiert der Psychotherapeut Joseph Burgo, Autor des Buches The Narcissist You Know. Tatsächlich diagnostizierte die Persönlichkeitsforscherin Jean Twenge von der San Diego State University eine „narzisstische Epidemie“: Ähnlich wie die Fettleibigkeit in der Bevölkerung seien auch die Rohwerte im diagnostischen Standardinventar für Narzissmus, dem Narcisstic Personality Inventory, seit 1979 zumindest bei Studierenden stetig gestiegen. Twenge geißelt die angebliche Arroganz und das Anspruchsdenken der heutigen Jugend. Eine „Generation Ich“ sei da herangewachsen. Twenges Thesen ernteten allerdings auch Widerspruch: Dass junge Menschen sich heute in Fragebögen unbescheidener und auftrumpfender darstellen PSYCHOLOGIE HEUTE

ILLUSTR ATIONEN: DANIEL BALZER

VON THOMAS SAUM-ALDEHOFF

05/2016

PSYCHOLOGIE HEUTE

05/2016

59

Narzissmus oder übertriebenes Selbstwertgefühl? (Thomas Saum-Aldehoff zeigt, dass Narzissmus nicht generell schädlich ist. „Ich finde mich prima!“ Heft 5/2016)

Ich sehe in diesem Artikel eine gewisse Verwischung von Begriffen der Psychologie. Das ist nicht förderlich für eine systematische Wissenschaft. Narziss war eine schwer gestörte Gestalt. Nichts anderes war für ihn wichtig als die eigene Schönheit, sie war sein einziges Begehren, sein Lebenssinn. Ein bisschen narzisstisch sein zu können ist wie ein bisschen schizophren sein zu können. Dieses „schizophren“ ist dann aber nicht wissenschaftlich, sondern umgangssprachlich gemeint. Genauso ist dieses „ein bisschen narzisstisch“ aus meiner Sicht eher als umgangssprachlich einzuordnen. Alles, was hier „unterhalb der narzisstischen Störung“ beschrieben wird, sollte eher unter der Kategorie „übertriebenes Selbstwertgefühl“ beschrieben werden. Ein solches ist nicht krankhaft und selbstverständlich auch wie beschrieben durchaus gelegentlich förderlich. Insoweit finde ich den Artikel in Ordnung. Aber so krank wie Narziss ist man nur mit einer massiven Persönlichkeitsstörung. Und nur dann liegt Narzissmus vor, sonst eben nur ein „übertriebenes Selbstwertgefühl“. 92

Jürgen Berkemeyer, per E-Mail

Laut Ihrem Test liege ich mit meinem Narzissmus nicht im optimalen, aber doch in einem akzeptablen Bereich. Als Mensch mit mäßig ausgeprägtem Narzissmus bin ich damit ganz zufrieden. In Ihrem Artikel vergeblich gesucht habe ich einen Hinweis auf die Möglichkeit, das heute häufige Burnout (auch: Depressionen) mit einem recht weit verbreiteten Narzissmus in Verbindung zu bringen. Es erscheint mir jedenfalls sehr plausibel, und ich meine es auch in meinem Umfeld beobachtet zu haben, dass Menschen mit ausgeprägtem Narzissmus irgendwann in Burnout oder in Depressionen geraten, wenn ihre Talente und Fähigkeiten nicht ausreichen, um ihren eigenen Ansprüche zu genügen. Sie kämpfen und kämpfen, bis die seelischen und sonstigen Akkus irgendwann Ernst Schlingmann, Aurich leer sind.

Der Beruf zählt zum Leben! (Unser 9-seitiges Dossier erschien erstmals unter dem Titel „Beruf & Leben“ in Heft 4/2016)

Vielen Dank für das neue Dossier „Beruf & Leben“ mit den praxisorientierten Beiträgen zu Jobsuche und Personalauswahl. Das Einzige, was mir an dem Dossier nicht gefällt, ist der Titel „Beruf & Leben“. Der Titel suggeriert eine Gegensätzlichkeit von Beruf einerseits und Leben andererseits. Täglich verbringt ein Vollzeitbeschäftigter durchschnittlich rund achteinhalb Stunden mit beruflicher Tätigkeit. Legt man eine Wachzeit von rund 17 Stunden zugrunde, so arbeitet dieser Mensch die Hälfte seiner wachen Zeit. Wenn Arbeit nicht zum Leben zählt, was ist sie stattdessen? Mühsal, Broterwerb oder Pflicht? Über 70 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland zählen mittlerweile zum Dienstleistungs- und Wissenssektor. Dort geht es um komplexe Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Qualifikation und Verantwortungsbereitschaft erfordern. Menschen, die in solchen Jobs tätig sind, arbeiten nicht (nur), um zu leben. Die meisten würden weiterarbeiten, wenn sie durch einen Lottogewinn eine auskömmliche lebenslange Rente bekämen. Bereits 1933 konnten Jahoda und Lazarsfeld in der Marienthalstudie die negativen Auswirkungen von langandauernder Arbeitslosigkeit aufzeigen. Arbeitslose leiden signifikant häufiger unter psychischen Erkrankungen als die Durchschnittsbevölkerung. Eine Befragung der Bertelsmann-Stiftung 2015 ergab, dass Arbeit auf dem zweiten Platz des Stellenwertes im Leben der deutschen Erwerbstätigen steht, nur übertroffen durch Familie und PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Die Redaktion behält es sich vor, Leserbriefe zu kürzen

Ich finde mich prima! Sie stellen sich selbst in den Mittelpunkt und haben kein Ohr und kein Herz für die anderen: Extreme Narzissten sind eine Plage. Doch zu einem gewissen Grad sind wir fast alle narzisstisch. Wir sind von uns eingenommen, halten uns für besser, als wir tatsächlich sind. Und das ist gut so!

Wenn man „zwei Herzen in seiner Brust schlagen“ hört, also sich hin und her gerissen fühlt, ist man nicht automatisch von der Schizophrenie betroffen, eben halt nur umgangssprachlich „ein bisschen schizo“. Die Umgangssprache ist aber unpassend für die Wissenschaft. Ich möchte an dieser Stelle auf das Buch Der Verrat am Selbst von Arno Gruen hinweisen. Er legt darin unter anderem sehr überzeugend dar, was Narzissmus ist und woher er kommt. Ein „übertriebenes Selbstwertgefühl“ ist meist gesund, gewachsen aus unterstützender Erziehung und bisweilen extravertierter Persönlichkeitsprägung, und hat nichts gemeinsam mit der Störung, die meines Erachtens allein die Bezeichnung Narzissmus verdient.


Ursula Dangelmayr, UD-Gesundheitsmanagement, Göppingen

Nicht erholt von der Impfung (In der Rubrik „Körper & Seele“ meldeten wir, dass nur 40 Prozent der 17-jährigen Mädchen die komplette Impfung gegen humane Papillomviren erhalten haben. Heft 5/2016)

Aus eigener Erfahrung kann ich allen Mädchen in diesem Alter und auch allen Müttern, die ihre Töchter in diesem Alter nicht geimpft haben, nur gratulieren. Auch mir sagte man im Alter von 15 Jahren, dass ich mich impfen lassen sollte. Die Begründung war sehr einfach: Die Impfung sei kostenlos, da ich noch unter 18 sei, und sie schütze vor Papillomviren. Ich habe ja nichts zu verlieren. Ich bekam alle drei Impfungen in größeren monatlichen Abständen. Bis zu dieser Zeit war ich kerngesund. Ich habe draußen Leistungssport betrieben und war nie eingeschränkt. Dieser Gesundheitszustand

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

änderte sich schlagartig nach der dritten Impfung. Die Kurzfassung meines Krankheitsbildes ist eine sekundäre Immunthrombozytopenie (Verminderung der Blutplättchen, die für die Wundheilung verantwortlich sind). Sekundär deshalb, weil es keine genetische Ursache ist, sondern erst durch Viren im späteren Verlauf des Lebens ausgelöst wurde. Ich habe lange Zeit zuvor keine Impfungen bekommen. Es war recht schnell klar, dass die Gebärmutterhalskrebsimpfung die letzte seit Jahren war. Mein Alltag änderte sich von da an schlagartig: Ich konnte meinen Leistungssport nicht mehr ausüben, weil ich so wenig Thrombozyten hatte und hierdurch gefährdet war, innere Blutungen zu bekommen. Zum Vergleich: Normale Laborwerte für Thrombozyten liegen bei 150 000 bis 400 000. In meinen schlimmsten Zeiten hatte ich nur 3000 Thrombozyten, und ich wäre daran fast gestorben. Ich durfte keinerlei Sport treiben und musste jeden Tag vor der Schule zu regelmäßigen Blutkontrollen, da es keine erforschte Heilungsmethode gibt, die mir hätte helfen

können. Mein Körper konnte sich von diesen Viren nicht erholen. Mittlerweile bin ich 24 Jahre alt – vollständig geheilt bin ich noch immer nicht. Sarah Niklas, per E-Mail

TITEL

Viel zu tun? Wir sind beschäftigt. Sehr beschäftigt. Gibt es Hoffnung auf Veränderung? Durchaus. Wir können dem Zuviel in unserem Leben die Stirn bieten VON ANNA ROMING

ILLUSTRATIONEN: OLIVER WEISS

Partnerschaft. Der Beruf ist ein wichtiger Teil eines gelingenden Lebens und eine Ressource für Zufriedenheit, Selbstwirksamkeit, Lebenssinn und Gesundheit.

18

PSYCHOLOGIE HEUTE

05/2016

H

allo, wie geht’s?“ „Danke, geht so. Viel zu tun.“„Oh, das kenne ich. Ich ersticke auch in Arbeit, habe kaum noch Zeit für die Familie, geschweige denn für mich selbst.“ Ein Dialog, der heutzutage ständig stattfindet. Fast jeder hat zu viel Arbeit, zu viele Termine, zu viel Positionen auf seiner To-do-Liste. Wir sind okkupiert von einer Überfülle an beruflichen und familiären Aufgaben, und die Gedankenschleife „Erst mach ich das, dann dies, und jenes muss ich auch noch erledigen“ hält uns auf Trab. Alles muss schnell gehen, wir halten kaum noch inne, sind ungeduldig mit uns

PSYCHOLOGIE HEUTE

und anderen, fühlen uns hilflos und gestresst – und sehen kein Licht am Ende des Tunnels. Denn selbst wenn wir inzwischen wie selbstverständlich mehrere Dinge gleichzeitig erledigen, müssen wir am Ende eines Tages regelmäßig feststellen: Wieder nicht alles geschafft, wieder sind wir selbst, sind wichtige Menschen oder Dinge zu kurz gekommen. Überarbeitet zu sein und keine Zeit zu haben ist zu einem weitverbreiteten Problem geworden. Der US-amerikanische Psychiater Edward M. Hallowell, dessen Fachgebiet Aufmerksamkeitsstörungen bei Kindern und Erwachsenen ist, spricht bereits von einer „neuen Epidemie“.

05/2016

19

Langeweile statt Zeitmangel (In unserer Titelgeschichte ging es um die Frage, wie wir dem Zuviel in unserem Leben die Stirn bieten können. „Viel zu tun?“ Heft 5/2016)

Viele Menschen reden von zu viel Arbeit und zu wenig Zeit für Hobbys oder Freunde. Wenn Leute mir dies erzählen, wünsche ich mir, ich könnte denen helfen. Vor allem auch deshalb, weil ich mich ständig langweile. Anastasja, 17 Jahre, Dieburg

93


IM NÄCHSTEN HEFT DIE SEPTEMBERAUSGABE ERSCHEINT AM 10. AUGUST 2016

TITELTHEMA

GROSSE FREIHEIT ODER GROSSES LOCH? Der Gedanke an die Rente weckt Schlaraffenlandfantasien und die Hoffnung auf ein freies Leben ohne Leistungsdiktat. Doch wenn es dann so weit ist, kommt für viele ein böses Erwachen: Schlecht vorbereitet, wissen sie oft wenig anzufangen mit ihrem neuen Lebensabschnitt. Was ist so schwer daran, in Rente zu sein?

VOLLER LEIDENSCHAFT Ob Tanzen, Gärtnern oder Gitarrespielen: Was gibt es Schöneres im Leben, als sich begeistert einer Tätigkeit hinzugeben! Wenn wir etwas mit Leidenschaft tun, sind wir voller Energie, vergessen Raum und Zeit um uns herum. Wir verwirklichen dann Ziele, die wir allein mit Fleiß und Ausdauer nicht erreicht hätten. Doch Vorsicht: Die Leidenschaft hat auch eine dunkle Seite.

DAS MÄNNLICHE GESICHT DER DEPRESSION Frauen erkranken doppelt so häufig an Depression wie Männer. Diese Vorstellung hält sich hartnäckig. Unter anderem auch deshalb, weil gängige Diagnoseverfahren die spezifischen Symptome der männlichen Depression nicht erfassen. Werden diese berücksichtigt, dann wird deutlich: Depression ist keine Frauenkrankheit. AUSSERDEM

ICH UND GLÜCKLICH? Warum wir uns oft selbst im Weg stehen Sie sind in vielen Dingen erfolgreich: Im Job meistern Sie schwierige Probleme, Sie managen Ihre Familie und treffen tagtäglich wichtige Entscheidungen. Alles in allem gelingt Ihnen das Leben. Aber würden Sie sich als glücklich und zufrieden bezeichnen? Ein amerikanischer Wissenschaftler hat herausgefunden, dass vor allem die Tüchtigen und Klugen oftmals ganz typische „Glückssünden“ begehen, die ihnen das Leben unnötig schwermachen.

94

Ahnenforschung: Die drängende Frage „Wo komme ich her?“ ● Allein trotz Eltern: Wenn Mutter oder Vater psychisch krank sind ● In der Kritik: Das psychologische Experiment ●

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


MARKT Systemische Ausbildung

So geben Sie Ihre Anzeige schnell und einfach auf:

u

Coach & BeraterIn

per Post Julius Beltz GmbH & Co. KG Psychologie Heute Anzeigenabteilung Werderstraße 10 • 69469 Weinheim

'DV 7HDP GHU Ä&7$6³

$ per E-Mail

anzeigen@beltz.de

3

per Telefon 06201/6007-386 oder -383

5

per Fax 06201/6007-9386 oder -9383 Schweizer Qualität. Wert orientiert. Systemisch. ISO zertifiziert.

Co

rIn

Für TherapeutInnen, PsychologInnen, SozialberaterInnen, HeilpraktikerInnen + Wissenschaftlich zweifach validierte Ausbildung + 2-wöchige Block-Ausbildung oder 6 Wochenenden + ,62 ]HUWL¿ ]LHUW XQG ,&) DQHUNDQQW + Messbare Ergebnisse mit Kurzzeit-Begleitung in 8 bis 10 Sitzungen + An über 20 Standorten in der Schweiz, Deutschland, Österreich und Italien h & Ber at e + $EVFKOXVV PLW =HUWL¿ NDW 'LSORP ac

Termine

reis

statt CHF 3.950,€ 3.250,-

s-P

hr 20 Ja

Bachelor & Master per Fernstudium!

nur CHF 2.690,€ 2.450,-

m

AUS-/WEITERBILDUNG

ALLE BACHELOR AUCH OHNE ABITUR!

e

CT u A S J u b il ä Vollständiges Ausbildungs-Angebot und Details: www.diplom-coaching-ausbildung.com

hre CTAS 20 Ja

20-Jahre-CTAS.com SommerAkademie 2017 Meran

Bachelor Sozialmanagement (B. A.) Ohne NC! Bachelor Angewandte Psychologie (B. Sc.) Master Gesundheitsökonomie (M. A.) Master of Health Management (MaHM) Zertifikatskurse!

Individuelle & fundierte Beratung

U. a. Gesundheitspsychologie, Ernährungsberater, Public Health

0800 3427655

apollon-hochschule.de

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

(gebührenfrei)

Ein Unternehmen der Klett Gruppe

AX280

Kostenlose Infos:

RI¿ FH#FRDFKDNDGHPLH FK Rufen Sie kostenfrei an: DE 0800 180 2003 AT 0800 297 934 CH 0800 800 288

coachakademie.ch 95


Weiterbildung zum/zur DozentIn fßr STEP Elternkurse, STEP Fortbildungen fßr ErzieherInnen bzw. fßr LehrerInnen Die STEP Fortbildung z hilft die Herausforderungen im Alltag mit Kindern und Jugendlichen zu meistern und den Stress zu reduzieren z stärkt die Erziehungskompetenz der Eltern z steigert die Handlungskompetenz von LehrerInnen, ErzieherInnen bzw. SozialpädagogInnen

,/3 ÂŽ

Ausbildung in ILP, Integrierter LĂśsungsorientierter Psychologie, Psychotherapie und Coaching

InSTEP Weiterbildungsinstitut z mail@instep-online.de z Tel. 0211 4228727 www.instep-online.de z www.instep-online.ch z www.instep-online.at

Wir wßnschen uns interessierte, engagierte und anspruchsvolle Ausbildungsteilnehmer. Wir bieten Ihnen bestmÜgliche Methodenund Ausbildungsqualität in Menschenkenntnis, Kompetenz-Coaching und -Psychotherapie.

STEP Evaluation (Professor Klaus Hurrelmann) gefÜrdert durch das Bundesministerium fßr Bildung und Forschung im Rahmen der Präventionsforschung.

Methodenschatz fĂźr den perfekten Einstieg

www.ilp--fachschulen.de ,QIRV www.ilp ZZZ LOS ZZZ LOS ZZZ LOS IDFKVFKXOH FK IDFKVFKXOH FK

Institut fßr Fort- und Weiterbildung in klinischer Verhaltenstherapie e. V. Staatlich anerkanntes Ausbildungsinstitut 3- und 5-jährige Ausbildungsgänge Schwerpunkt Verhaltenstherapie mit Abschluss Approbation

Fortbildungen

- Psychologische/r Psychotherapeut/in Nächster Beginn: Oktober 2016

- Neue Ansätze zur Psychotherapie der Psychosen am 08.10.2016 mit Frau Prof. Dr. Tania Lincoln

- Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in Nächster Beginn: Oktober 2016

- Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen am 08.10.2016 mit Frau Dr. Leokadia BrĂźderl

Bewerbungen/Anmeldungen jederzeit mĂśglich Informationen und weitere Angebote, wie zertifizierte Fortbildungstage:

IFKV, Kurbrunnenstr. 21 a, 67098 Bad DĂźrkheim, E-Mail: info@ifkv.de Tel. 06322 94828-0 - Fax: 06322 94828-29 - Internet: www.ifkv.de

e nd ne che 16 o l-W 20 ah er sw ob Au Okt

ÂťVom Umgang mit der Anfangsstimmung, der Angst und Erwartungen, Ăźber Spiele und Interventionsmechanismen bis zum Anfang des Endes reicht das amĂźsante, unterhaltsame und hilfreiche Buch.ÂŤ Personalwirtschaft Karlheinz A. GeiĂ&#x;ler Anfangssituationen Was man tun und besser lassen sollte 4 HFC ] Ăś % r *4#/

www.beltz.de

Die Stiftung Christlich-Soziale Politik e.V. lädt zu Seminaren der politischen Bildung ein: „Das Bundesteilhabegesetz. Tatsächliche Inklusion?“ Mo. 15.- Mi. 17. Aug. 2016 (Seminar-Nr. 16.6.130.5 SO) Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) soll in drei Reformstufen zwischen 2017 bis 2020 in Kraft treten. Wichtige Bausteine dieser Reform sind ein verbessertes Reha-Recht, optimierte Eingliederungshilfen und ein verbĂźrgtes Recht fĂźr behinderte Menschen auf eine selbstbestimmte LebensfĂźhrung. Das Seminar nimmt den Gesetzesentwurf unter die Lupe und fragt nach dem Stand der Inklusion in unserer Gesellschaft.

„Islam und Demokratie“ – Bejaht der Islam unsere offene Gesellschaft?“ Mo. 05. – Fr. 09. Sept. 2016 (Seminar-Nr. 16.6.503.5 SE) Das Seminar fĂźhrt in das muslimische Leben in Deutschland ein, stellt religiĂśse Gruppen vor und lädt zu einem Besuch in eine KĂślner Moschee ein. Im Vergleich zwischen Koran, Scharia und Grundgesetz werden allgemeine Wertvorstellungen und die Rolle der Familie analysiert.

„Letzter Ausweg Lampedusa – Minderjährige FlĂźchtlinge in Deutschland“ Mo. 26. – Di. 27. Sept. 2016 (Seminar-Nr. 16.6.205.6 JS)

Diese Seminare finden in unserem modernen Bildungs- und Tagungshaus, dem Arbeitnehmer-Zentrum-KĂśnigswinter, direkt am Rhein ca. 10 km sĂźdlich von Bonn, statt.

Ziel dieses Seminares ist es allen haupt- und ehrenamtlich Engagierten, die in der Flßchtlingshilfe tätig sind, Hintergrundinformationen zu vermitteln, die sie befähigen, die Situation der Geflßchteten besser einschätzen und konkret helfen zu kÜnnen. Neben rechtlichen Bestimmungen geht es um deren kulturellen Hintergrund und den Umgang mit traumatisierten Menschen.

Die genauen Programme, Teilnahmebedingungen sowie weitere Informationen erhalten Sie unter www.azk.de, per e-mail unter info@azk.de oder telefonisch unter 02223/ 73-119 (Frau Ochs).

96

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Neue Berufe – Gute Chancen

D.I.P. www.provokativ.com

Psychologische/r Berater/in

Entspannungstrainer/in

Psychotherapie

Mediator/in

Ernährungsberater/in

Fitness- und Wellnessberater/in

Heilpraktiker/in

Trad. Chin. Medizin

HomĂśopathie

viele weitere Ausbildungen siehe Homepage

GegrĂźndet 1988

?

Humor in Therapie und Coaching

?

Wir machen Ausbildung bezahlbar!

Erziehungs- und Entwicklungsberater/in

Staatlich zugelassene Fernlehrgänge mit Wochenendseminaren in vielen Städten

Aus - und Fortbildungen im Deutschen Institut fĂźr Provokative Therapie

Impulse e. V.

derzeit Beginn je ! li g Ăś m ch

Rubensstr. 20a ¡ 42329 Wuppertal ¡ Tel. 0202 /73 95 40 u.a. Provokative SystemArbeit (ProSA)Ž Provokatives Coaching (ProCo)Ž Provokativer Stil (ProSt)Ž Provokative Therapie (PT)

Deutsches Institut fĂźr Provokative Therapie D.I.P. D - 81477 MĂźnchen, Hofbrunnstr. 76 Tel. +49 - (0)89 - 79 82 77

E-Mail: dip@provokativ.com

Seminare und Ausbildung • in Deutschland • auf Teneriffa IIDT - Dipl.-Psych. Petra Klein Tel.: 0034-922 57 91-61 / Fax -62 www.tanztherapie.com

www .Impulse-Schule.de

In der Sorge um sich – Stark fßr die Sorge um Andere(s)

Einladung zur Gestalttherapie

Weiterbildungsangebote (als Bildungsurlaub anerkannt): 1. Systemischer Personalcoach IHK 2. Systemischer Gesundheitscoach IHK 2016 Selbstsorge-Seminare auf La Gomera Regina Bostelmann www.selbstsorge.de ( 0511 1316332

Versandkostenfrei bestellen beim GestaltInstitut KĂśln und Kassel

Erweiterte Ausgabe! Erhard Doubrawa Die Seele berĂźhren Erzählte Gestalttherapie 108 Seiten 5,00 â‚Ź, Kindle eBook 2,99 â‚Ź In diesem Buch versammelt der Autor, der seit vielen Jahren als Gestalttherapeut tätig ist, Geschichten, die er vielfach in seiner Arbeit mit Einzelnen und Gruppen erzählt hat. Sie haben schon oft dazu beigetragen, dass Menschen sich wieder Ăśffnen und sich so von anderen seelisch berĂźhren lassen konnten.

Gestalt-Institut KÜln (GIK) Dialogische Gestalttherapie Beratung, Gruppen, Workshops, Aus- und Weiterbildung, Bildungsurlaub in Gestalttherapie – fßr alle, die sich persÜnlich und/ oder professionell weiterentwickeln wollen. Gerne senden wir Ihnen kostenloses Informationsmaterial. Gestalt-Institut KÜln und Kassel (GIK): Zßlpicher Str. 255, 50937 KÜln, Fon: (02 21) 41 61 63, Fax: 44 76 52, eMail: gik@gestalt.de, Internet: www.gestalt.de Institutsleitung: Erhard Doubrawa

PEP FORTBILDUNG e live auf

Michael Bohn

YouTuBbohene & PEP“

el Ei nf ac h „M ic had an sc ha ue n. .. ei ng eb en un

BOHNE bei Carl Auer & Rowohlt. Ăœber 150.000 verkaufte Exemplare.

PEP IST EINE GUT INTEGRIERBARE ZUSATZTECHNIK fßr Psycho- und Traumatherapie, Coaching, zur Stressreduktion und zur Aktivierung von Selbstwirksamkeit. FORTBILDUNG im schÜnen Hannover, in Weggis / Vierwaldstätter See und auf Lanzarote. Zertifiziert mit 81 Punkten fßr PEP I bis PEP III

www.dr-michael-bohne.de PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

97


240 Seiten, kart. • € (D) 22,90 • ISBN 978-3-95571-416-1

NEU!

Auch als E-Book

98

PSYCHOLOGIE HEUTE

V e r l a g

www.junfermann.de 08/2016

Junfermann


VERSCHIEDENES Wunderschönes Seminarhaus an der mecklenburgischen Ostsee zu verkaufen 560m2 Wfl. / 30 Betten, Seminarraum 52 m2, Atelier/ Werkstatt 45 m2; 33.000 m2 paradiesischer Garten; sehr gute Auslastung; 2,5 km bis zum Meer; Preis: VB 2.500 000; www.holt-hof.com Tel: 0170 4668770 (Rausch)

THERAPIE/BERATUNG

Von der Idee zum eigenen Buch Als renommierte Journalistin und Ghostwriterin im Bereich Psycho/Gesundheit biete ich Seminare und Workshops „Von der Idee zum Buch“ oder übernehme in Abstimmung mit Ihnen das Erstellen eines Exposés bis hin zur Verlagsakquise und zum Schreiben Ihres Buchs bzw. unterstütze Sie als Sparringpartner beim Selber Schreiben. Infos: Christine Koller, Tel. 089-36104860, www.christinekoller.de

Kraftvolle Lösungen

3. + 4. Sept. 2016, Workshop: Die Freude des Lebendigen als Grundlage für Integration und Heilung 17.–20. Nov. 2016

Core Evolution® Training Integrative körperorientierte und achtsamkeitszentrierte Psychotherapie EABP und DGK anerkannt Das Training vereint Wissen und Intuition, Wissenschaft und Weisheit des Herzens 10seitiges Curriculum und Info:

www.therapiehof-hohenrode.de

info@CoreEvolution.com www.CoreEvolution.com

REISEN

Neuerscheinung bei Mabuse

Teneriffas „Schmetterlingsgarten“. Individualurlaub, Meditationsgarten, Tanztherapie: Seminare und Einzelarbeit, Dipl.-Psych. Petra Klein, Tel. 0034/9225791-61, www.Jardin-Mariposa.com.

PSYCHOLOGIE HEUTE

Großes Ferienhaus in den Bergen der italienischen Riviera/Liguren Für Gruppen bis 16 Personen frisch renoviert, gut ausgestattet 20 Min. zum Strand Förderverein der Ev. Kinder- und Jugendhilfe in Bad Homburg e.V. Tel. 06172-9684-0 www.jugendhilfe-badhomburg.de

Liste nach Postleitzahlen und weitere Infos …im Internet:

www.therapeutenadressen.de www.gestalttherapie.de …oder für 1,45 € in Briefmarken: Therapeutenandressen Service Zülpicher Str. 255, 50937 Köln

Robin Youngson

Time to Care

Wie Sie Ihre Patienten und Ihren Job lieben 315 Seiten, 24,95 Euro, ISBN 978-3-86321-318-3

Das Buch des international bekannten, neuseeländischen Arztes Robin Youngson zeigt allen im Gesundheitswesen Tätigen Auswege aus Stress und Burn-out. Es beschreibt, wie man in seinen Berufsalltag wieder Freude, Erfüllung, Wohlbefinden und Widerstandsfähigkeit hineinbringt. Time to Care richtet sich an alle, die das Gesundheitswesen wieder menschlicher und solidarischer gestalten wollen.

08/2016

www.mabuse-verlag.de

400 Fasten-Wanderungen – europaweit. Gesundheitsfördernd, erholsam. Woche ab 300 €. Tel./Fax 0631/47472, www.fastenzentrale.de

Praxisadressen von Gestalttherapeutinnen und -therapeuten

99


Armin Mueller-Stahl Originalgraphiken

A. Mueller-Stahl

Kleine Kopfgeburt, 2015

A. Mueller-Stahl

A. Mueller-Stahl

Kopfgeburt I, 2015

Kopfgeburt II, 2015

Original-Farbradierung auf Bütten. Auflage 200 Exemplare, nummeriert und von Armin Mueller-Stahl handsigniert. Motivformat ca. 40 x 30 cm, Papierformat 59 x 44 cm. Säurefreies Passepartout. Wahlweise gerahmt in Holzleiste mit Silberfolienauflage, ca. 65 x 50 cm.

Original-Farbradierung auf Bütten. Auflage 200 Exemplare, nummeriert und von Armin Mueller-Stahl handsigniert. Motivformat ca. 40 x 30 cm, Papierformat 59 x 44 cm. Säurefreies Passepartout. Wahlweise gerahmt in Holzleiste mit Silberfolienauflage, ca. 65 x 50 cm.

Original-Farbradierung auf Bütten. Auflage 200 Exemplare, nummeriert und von Armin Mueller-Stahl handsigniert. Motivformat 17 x 12,2 cm, Papierformat 29,5 x 22,5 cm. Säurefreies Passepartout, gerahmt in Holzleiste mit Silberfolienauflage, ca. 40 x 30 cm. Mit dem Bildband „Arbeiten auf Papier“ des Künstlers.

ohne Rahmen: 525 Euro mit Rahmen: 695 Euro

ohne Rahmen: 525 Euro mit Rahmen: 695 Euro

ohne Rahmen: 275 Euro mit Rahmen: 425 Euro

Bitte einsenden an: PSYCHOLOGIE HEUTE, Verlagsgruppe Beltz, Claudia Klinger, Werderstr. 10, 69469 Weinheim

Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht ungerahmt 525 Euro

gerahmt 695 Euro

A. Mueller-Stahl, Kopfgeburt II

ungerahmt 525 Euro

gerahmt 695 Euro

A. Mueller-Stahl, Kleine Kopfgeburt

ungerahmt 275 Euro

gerahmt 425 Euro

Angebot freibleibend. Versand/Faktura der Grafik über ARTEVIVA. Jeweils zzgl. 10 Euro Versandkosten innerhalb Deutschlands. Zahlbar innerhalb 14 Tagen nach Rechnungserhalt. Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Bezahlung. Psychologie Heute tritt lediglich als Vermittler auf.

Titel_Vorname_Name Straße_PLZ_Ort Telefon_Email Datum_Unterschrift

Telefon: 06201 / 6007-386 · Telefax: 06201 / 6007-9386 · Internet: www.beltz.de · Email: c.klinger@beltz.de

100

PSYCHOLOGIE HEUTE PSYCHOLOGIE HEUTE

A. Mueller-Stahl, Kopfgeburt I

08/2016


www.helios-kliniken.de

HELIOS ist mehr als die Summe seiner Standorte. Das starke Netzwerk unserer 112 Kliniken, der intensive fachübergreifende Wissensaustausch unserer Mitarbeiter und die schnelle Umsetzung von Innovationen garantieren unseren Patienten die bestmögliche Versorgung. Wir messen die Qualität unserer medizinischen Behandlungen und nutzen dies als Grundlage, uns konsequent zu verbessern. Sorgfalt, Transparenz und Ehrlichkeit sind die bestimmenden Faktoren in unserem medizinischen Alltag.

Die HELIOS Rehakliniken Bad Berleburg sind eine der größten Rehabilitationseinrichtungen in Deutschland. Sie liegen im südlichen Nordrhein-Westfalen im naturnahen Erholungs- und Freizeitgebiet des Rothaargebirges. Mit derzeit mehr als 640 Betten decken die Rehakliniken die Indikationen konservative Orthopädie und Traumatologie, Innere Medizin, Neurologie, Psychosomatik, Psychotherapie und psychiatrische Rehabilitation sowie Hörstörungen, Tinnitus und Schwindel ab. Jährlich werden in den Rehakliniken etwa 7.000 Patienten stationär von rund 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern versorgt. Ein besonderes Merkmal besteht in der Möglichkeit zur Unterbringung und pflegerischen Schulung von begleitenden Angehörigen. In unmittelbarer Nähe der Rehakliniken befindet sich die HELIOS Klinik Bad Berleburg, ein regionales Akutkrankenhaus der Grund- und Regelversorgung mit den Hauptfachabteilungen Allgemein-, Viszeralund Gefäßchirurgie, Anästhesie und Intensivmedizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Innere Medizin, Unfallchirurgie und Orthopädie und Schmerztherapie. Damit vereint Bad Berleburg als Gesundheitsstandort eine beachtliche ambulante, stationäre und rehabilitative medizinische Versorgung und ist ideal für Patienten mit besonders schweren Krankheitsverläufen und mehreren Krankheitsbildern geeignet. In der Odebornklinik, unserer Fachklinik für neurochirurgische/neurologische Rehabilitation mit 250 Betten für Erwachsene, bieten wir die adäquate Weiterbehandlung/Rehabilitation für neurochirurgisch/neurologisch vorbehandelte Patienten. Die Behandlung erfolgt in den Rehabilitationsphasen B/C+ (inkl. Beatmungspatienten), C und D. Verstärken Sie die HELIOS Rehakliniken Bad Berleburg zum nächstmöglichen Zeitpunkt als

Neuropsychologe (m/w) mit der Funktion der Abteilungsleitung in Vollzeit, unbefristet • Stellennummer: 12596

Kontaktmöglichkeit Erste Auskünfte erteilt Ihnen gerne Frau Christine Sabais, Personalleiterin, unter Tel.: (02751) 88-71805 oder per E-Mail unter christine.sabais@ helios-kliniken.de. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann bewerben Sie sich über unser Karriereportal unter Angabe der Stellennummer. HELIOS Rehakliniken Bad Berleburg – Odebornklinik Am Schloßpark 11 57319 Bad Berleburg

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Ihre Aufgaben Zu Ihren Aufgaben gehört die neuropsychologische Diagnostik und Therapie, Durchführung von Entspannungsverfahren, psychologische Beratung/Therapie von Patienten und Angehörigen, Gesundheitsbildung und Dokumentation. Es erwartet Sie eine vielseitige, interessante und selbstständige Tätigkeit in einem erfahrenen und innovativen Team, das Freude an der Arbeit mit neurologischem und neurochirurgischem Klientel hat. Unterschiedliche Behandlungskonzepte werden auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst und kommen in Einzel- und Gruppentherapien zur Anwendung. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit erfolgt mit den ärztlichen, therapeutischen und pflegerischen Fachbereichen sowie der Sozial- und Rehaberatung. Sie übernehmen zusätzlich die fachliche, organisatorische und personelle Leitung der Abteilung für insgesamt 5 Mitarbeiter. Dies beinhaltet die Weiterentwicklung und Optimierung von diagnostischen und therapeutischen Standards, einschließlich der Erarbeitung von Qualitätszielen, Supervision im neuropsychologischen Team sowie zudem u. a. Urlaubs-, Fortbildungs- und Investitionsplanung innerhalb der Abteilung. Außerdem sind Sie Ansprechpartner für den Klinikgeschäftsführer und den Chefarzt. Ihr Profil Sie sind begeisterungsfähig, flexibel und belastbar. Organisiertes und strukturiertes Arbeiten ist für Sie selbstverständlich. Verantwortungsbewusstsein, Teamfähigkeit, eine ausgeprägte Sozialkompetenz sowie ein einfühlsamer Umgang mit den Patienten und Angehörigen runden Ihr Profil ab. Sie haben Interesse und Erfahrung an der Klinischen Neuropsychologie. Eine Zertifizierung zum Klinischen Neuropsychologen (GNP) sowie die Approbation zum Psychologischen Psychotherapeuten wären wünschenswert. Kenntnisse in der Gesprächsführung und Verhaltenstherapie setzen wir voraus. Unser Angebot Wir bieten Ihnen ein angenehmes Betriebsklima und eine leistungsgerechte Vergütung. Umfassende Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, eine Krankenzusatzversicherung in Form einer „Plus-Card“ von HELIOS, mit welcher Ihnen ein großes Service-Paket zur Verfügung steht, gehört ebenfalls zu unserem Angebot.

101


26. Stuttgarter Therapietage 2016

VERANSTALTUNGEN

21./22. Oktober 2016

riff!?!

Gefühle im G Institut für Integrative Gestalttherapie

Fachtagung zur Jubiläumsfeier MELDUNG INFOPsSyche& AN

vom 12. bis 14. August 2016

Machen Sie das Leben bunter

Hier und Jetzt

Was tun Sie an grauen Tagen? Michaela S. malt. Im Betheler Künstlerhaus blüht die geistig behinderte Frau auf. Sie gestaltet farbenfrohe Bilder und setzt ihre Motive den grauen Momenten des Alltags entgegen. Verschenken auch Sie einen Lichtblick für Menschen mit Behinderungen. Bitte helfen Sie und unterstützen Sie Bethels vielfältige Angebote.

Online spenden unter www.spenden-bethel.de

414

St. Arbogast bei Bregenz nähere Informationen: www.igw-gestalttherapie.de

Stiftung tt -psyche.de/s www.stiftung e .d he ung-psyc tagung@stift / 664 875-80 11 07 Telefon

Schenken Sie sich Unendlichkeit. Mit einer Testamentsspende an EuroNatur helfen Sie, das europäische Naturerbe für kommende Generationen zu bewahren. Interessiert? Wir informieren Sie gerne. Bitte wenden Sie sich an:

102

Sabine Günther Telefon +49 (0)7732/9272-0 testamentsspende@euronatur.org

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Bis z Frühb um 31.7. uche r siche rabatt rn!

Von Frauen für Frauen. ag Vortrie Heute

olog Ev Ustorf Psych ne-

in An Autor

Wenn bekannte Expertinnen zu Kernthemen wie Ernährung und Psyche referieren, wenn erfahrene Trainerinnen Impulse für mehr Wohlbefinden geben – dann dürfen Sie nicht fehlen! Am 27. August von 09.00 Uhr bis 18.00 Uhr im Lindner City Plaza Hotel, Köln Anmelden unter: www.womenshealthday.de

Unsere Kooperationspartner:

KadeFungin®

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

103


Nutzen Sie jetzt die attrakt iven Gruppenpre ise!

Der groÃ&#x;e LehrerBildungskongress 2016 XQG 1RYHPEHU â 6WDGWKDOOH :HLQKHLP Unterrichten in schwieriger Zeit – Herausforderungen und Strategien

.RQJUHVVOHLWXQJ Wolfgang Endres

Prof. Dr. Klaus Hurrelmann

Katja Irle

Information und Anmeldung

www.beltzforum.de

104

© Fotos v. o. Hertie School of Governance / Cristoph Boeckheler / Beltz

žEHU 9RUWU¦JH :RUNVKRSV XQG 'LVNXVVLRQVUXQGHQ ]X GHQ 7KHPHQ ,QNOXVLRQ 'LYHUVLW¦W Heterogenität )O¾FKWOLQJVNLQGHU /HKUHUJHVXQGKHLW (OWHUQJHVSU¦FKH Motivation

Dr. Heinz Klippert

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


WEBSITE-ABC AUS- UND WEITERBILDUNG

Anmeldung & Info: Agentur „Von Mensch zu Mensch“ aneider@gmx.de Tel. 0711.248 50 97 Frühbucherrabatt bis zum 9.6.2016 www.sommerakademie2016.de Bund der Freien Waldorfschulen

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016

Ihre Anzeige erscheint dann am 14. September 2016 in Heft 10/16.

D6940E

für die nächste Ausgabe ist der 15. August 2016.

AUGUST 2016

ANZEIGENSCHLUSS

DIE HARMONIELÜGE

SFR 10,90

Für alle WaldorflehrerInnen, pädagogisch Tätigen, wie ErzieherInnen, ElternberaterInnen, TherapeutInnen, StudentInnen, Eltern und Interessierte

Ǥ ƥ Ǥ Ȁ Ǧ

€ 6,90

9. Pädagogische Sommerakademie und Klassenlehrerfortbildung Do 28. Juli bis Mo 1. August 2016 in Stuttgart

Ihr Unternehmen braucht einen professionellen Facebook-Auftritt?

HEFT 8

Vertrauen in die eigene Entwicklung im pädagogischen Handeln

Körpertherapeutische Interventionen in der Psychotherapie Beginn ca. Ende Sept. in Wien. www.psychotherapie-kicher.at

Zu viel Einigkeit lähmt. Konflikte bringen uns weiter

43. JAHRGANG

INNERE RUHE

Systemisch – einfach – wirksam Lehrgänge systemische Strukturaufstellungen® und systemisches Coaching. Zertifikat / Diplom. Dr. Elisabeth Vogel Tel.: +41 79 620 3030 www.WissensWert.ch

GESTALT-WEITERBILDUNGEN Noch freie Plätze: Beratung- und Coaching, Therapie und Beratung Neu: Musiktherapie ab Nov. 16 Jetzt bewerben: www.iggberlin.de

MODE UND STIMMUNG

GELIEBTES VERBRECHEN

TRANSHUMANISMUS

Vorsicht bei der Kleiderwahl!

Warum wir von Krimis nicht genug bekommen

Droht das Ende der Menschheit?

Weitere Informationen zu Anzeigengrößen und -preisen erfahren Sie in den Mediadaten unter www.psychologie-heute.de/ service/mediadaten

Ihre ersc Anzeig e hein t au in u nser ch App er !

WWW.PSYCHOLOGIE-HEUTE.DE 105


NOCH MEHR Schreiben Sie uns! Teilen Sie uns Ihre Meinung mit, Ihre Gedanken zum Heft und zu unseren Artikeln. Wir sind gespannt! k.brenner@beltz.de

Besuchen Sie uns im Internet Auf unserer Website versammeln wir alles über Psychologie Heute. Hier finden Sie unsere aktuellen Ausgaben inklusive Blick ins Heft, ein umfangreiches Archiv unserer Artikel, wöchentliche Onlinenews aus der psychologischen Forschung und ausgewählte kostenlose Artikel. Außerdem geht es hier zum Terminkalender mit Kongressen, Workshops, Vorträgen und Co sowie zu unserem Buchshop. www.psychologie-heute.de

Über 190 000 Fans! Besuchen Sie uns auf Facebook! Hier teilen wir mit Ihnen die neuesten Nachrichten aus der Redaktion, wertvolle Buch- und Filmtipps, kostenlose Leseproben, Gewinnspiele und vieles mehr. Über 190 000 Fans freuen sich darüber – und wir freuen uns, wenn Sie auch bald dazugehören.

Immer informiert Wenn Sie kein wichtiges Thema verpassen wollen, dann brauchen Sie den Psychologie HeuteNewsletter. Er informiert Sie zuverlässig jeden Monat über unsere Themen, berichtet über Neues auf der Website und vieles mehr. Hier können Sie unseren Newsletter bestellen: www.psychologie-heute.de/service/newsletter

Gönnen Sie sich den Klassiker … unser beliebtes Jahresabo! Wir senden Ihnen Psychologie Heute jeden Monat per Post ins Haus. Sie sparen dabei zehn Prozent gegenüber dem Einzelkauf und dürfen sich über eine Prämie als Willkommensgeschenk freuen. Abonnentinnen und Abonnenten genießen außerdem kostenlosen und unbeschränkten Zugriff auf unser Onlinearchiv und erhalten Bücher und CDs aus der Psychologie Heute-Produktfamilie zu Sonderpreisen. https://psychologie-heute-abo.kohlibri.de 106

PSYCHOLOGIE HEUTE

08/2016


Jetzt im Handel

www.spiegel-wissen.de

Weitere Themen: Streitgespräch Was bringt Zeitpolitik? Mr. Müßiggang Ein Brite predigt das Nichtstun Arbeitswelt Acht-Stunden-Tag in 100 Varianten



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.