HKB-Zeitung 2/2018

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HKB-Zeitung

Thema: Kunst & Gesellschaft

N°2/2018 Hochschule der Künste Bern HKB

Juni — August 4 × jährlich

HKB aktuell | Agenda

4 «Es geht darum, Kunst politisch zu machen. Es ging mir nie darum, politische Kunst zu machen.» Interview mit Thomas Hirschhorn   6 Arne Scheuermann Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt

8 Priska Gisler Erwachen und sterben

16 Gila Kolb Bedeutungen verschieben

21 Das HKB-Highlight im Sommer: Finale 18

27 Ein HKB-Schwerpunkt stellt sich vor: Synapse HKB

13 Daniel Weissberg Eintauchen in Wasser

17 Andreas Stahl Spitzensport, Kunst, Emotionen

22 Ausgezeichnet! Interview mit Baptiste Gaillard

28 Schaufenster –  Arbeiten aus der HKB

14 Barbara Balba Weber Merzbäuerin im Amstutz-Land

7 Anselm Stalder Fünfhundert Bilder

15 Lilian Beidler Polysemie der Salatschüssel 15 Andrea Gohl Banalität des Alltags

18 C hristoph Brunner Ungleich verschieden – zur sozialen Verantwortung einer Kunsthochschule

23 Neu an der HKB HKB-Absolvent im Fokus: Dominik Sieber Zu Gast: Kristian Nekrasov

8 Anne Krauter Plastiktüten an Haken

19 Jan Zychlinski Kooperationen zwischen sozialer Arbeit und Kunst

24 HKB-Agenda: Juni – August 2018


JUNI –  AUG UST 2018 HKB -ZEITUNG 2

Spectrum of Evaluation Thomas Hirschhorn 2008 – 2010, Privatkollektion


HKB -ZEITUNG

Es ist nicht zu übersehen und -hören: Die zeitgenössische Kunst will gesellschaftlich, politisch, sozial oder zumindest partizipativ sein. Im Zeitalter der sich zerstreuenden Autoritäten sucht die Kunst ihre Bedeutung in der Gesellschaft. Kunst und Gesellschaft – das ist ein Verhältnis, das auch Kunsthochschulen zunehmend umtreibt. So macht zum Beispiel die HKB auf ihrer neuen Plattform synapse-hkb.ch Projekte von Studierenden und Dozierenden zugänglich, die explizit Brücken zur Gesellschaft schlagen (siehe dazu Seite 27). In dieser HKB-Zeitung fragen wir nach individuellen Erlebnissen und Erfahrungen von Künstlerinnen und Künstlern an der HKB: Wann und wie passierte es? Welche Lektüre, Position, Autorin oder Theorie, welcher Moment oder welche Situation,welches Erlebnis hat ihnen die gesellschaftliche Relevanz von Kunst vorgeführt?Die Antworten hat Severin Hürzeler, HKB-Alumnus in Visueller Kommunikation,illustriert. In einem grossen Interview erläutert der Künstler Thomas Hirschhorn seine Gedanken zum Thema Kunst und Gesellschaft. Und schliesslich beleuchten wir ein HKB-Projekt, das in unbekannte gesellschaftliche Gebiete vorgedrungen ist.

JUNI –  AUG UST 2018

Editorial

CHRISTIAN PAULI Leiter Redaktion HKB-Zeitung 3


HKB -ZEITUNG

JUNI –  AUG UST 2018

INTERVIEW MIT THOMAS HIRSCHHORN

«Es geht darum, Kunst politisch zu machen. Es ging mir nie darum, politische Kunst zu machen.» Kaum ein zeitgenössischer Künstler stellt die Behauptung, wonach Kunst politisch sei, derart ins Zentrum wie der in Bern geborene Thomas Hirschhorn. Zurzeit arbeitet Hirschhorn in Biel an der Robert Walser-Skulptur. Das Projekt im Rahmen der Schweizer Plastikausstellung hat, bevor es überhaupt aufgestellt ist, medial bereits grosses Aufsehen verursacht. Wie sieht der berühmte Künstler Hirschhorn das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft? Die HKB-Zeitung hat Thomas Hirschhorn zum Gespräch gebeten.

lungen von Andy Warhol und Joseph Beuys in den späten 70er-Jahren. Für mich ist die Arbeit von Joseph Beuys vorbildlich, wegen ihrer Materialität und wegen ihrer gleichzeitigen Einfachheit und Komplexität. Ich liebe Joseph Beuys, weil er an die kreative Kraft des Menschen appelliert hat. «Jeder Mensch ist ein Künstler.» So verstehe ich Beuys: Jeder Mensch ist ein Subjekt. Jede/r kann sich als Subjekt behaupten. Jede/r kann Verantwortung für ihre/seine Taten und Entscheidungen als Autor/in übernehmen. Kunst gibt es nur als Behauptung. Der Mensch, der sich als Künstler/in behauptet, behauptet sich gleichzeitig als ein Mensch, der die Autorenschaft für sein/ihr Leben übernimmt. Deshalb auch arbeitet die Kunst immer an einem neuen Begriff des Menschseins. Die Kunst bestimmt, wer ein Mensch ist und wie Menschsein sein sollte. Joseph Beuys hat diese Verantwortung der Kunst gegenüber dem neuen, kommenden Menschsein verstanden.

Interview: Christian Pauli Thomas Hirschhorn, gibt es in Ihrem Leben, in Ihrer künstlerischen Biografie einen Erweckungsmoment? HIRSCHHORN

Ich wachte auf, als ich mich entschied, meine Arbeit in die Kunstgeschichte einzureihen. Ich erwachte mit offenen Augen, als ich begann meine eigene Arbeit ernst zu nehmen und als ich verstand, dass ich mich dadurch mit Kunst implizieren kann. Es war wunderbar, als ich verstand, dass ich mit Kunst in einen Dialog oder eine Konfrontation treten kann. Ich war glücklich, als ich begriff, dass für mich Kunst zu machen die emanzipatorische Geste an sich ist. Es war ein Glücksmoment, mich für die Kunst über alles entschieden zu haben. Von diesem Moment an war alles geklärt, es war nicht einfach und wurde nicht einfacher, aber alles war klar.

Ist politische Relevanz eher Anspruch oder Voraussetzung für Ihre Arbeit? HIRSCHHORN

Wann und wie wurde Ihnen die gesellschaftliche Relevanz von Kunst bewusst? HIRSCHHORN

Ganz allgemein mit dem Besuch von Kunstausstellungen und durch direkten Kontakt mit Kunstwerken während meiner Studienzeit und später in Paris. Ich erinnere mich sehr gut an den Besuch der Ausstellung von Hans Haacke im Centre Georges Pompidou im Frühling 1989. Wichtig waren auch Bücher. Zum Beispiel: Nominalisme pictural: Marcel Duchamp, la peinture et la modernité, 1984, von Thierry de Duve.

Sie haben wiederholt auf die soziale Dimension der Kunst von Joseph Beuys hingewiesen, die Ihnen als Kunststudent in Zürich die Augen geöffnet hat. Was ist da passiert? HIRSCHHORN

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Dank gebührt meinen Freundinnen und Freunden, die ich während des Vorkurses der Kunstgewerbeschule Zürich kennengelernt habe. Sie nahmen mich zu Ausstellungen und zu Vernissagen mit, unter anderem ins Kunsthaus Zürich. Besonders in Erinnerung habe ich die Ausstel-

so verstehe. Form geben – im Gegensatz zu eine Form machen – heisst mit ihr eins sein. Ich will mich der künstlerischen Herausforderung des «Eins mit der Form» stellen und ich frage mich: Wie kann ich eine Form geben, die eine Position bezieht? Und wie kann ich eine Form geben, die den Tatsachen widersteht? Ich will die Formfrage als die wichtigste aller Fragen des Künstlers, der Künstlerin verstehen. Kunst politisch machen heisst andererseits auch: etwas erschaffen. Etwas erschaffen oder etwas schöpfen kann ich aber nur, wenn ich mich positiv zur Wirklichkeit verhalte, auch zum harten Kern der Wirklichkeit. Es geht darum, die Lust, die Freude, den Spass an der Arbeit, das Positive am Schaffen, das Schöne am Arbeiten nie durch Kritik ersticken zu lassen. Kunst ist immer Aktion, nie ist Kunst Reaktion. Etwas erschaffen heisst, sich riskieren, das kann ich nur, wenn ich eine Arbeit mache, ohne – im gleichen Moment – zu analysieren, was ich mache. Nur indem ich positiv bin, kann ich etwas von mir aus erschaffen. Und weil ich positiv sein will, muss ich den Mut aufbringen, auch das Negative zu berühren – darin sehe ich das Politische, da ist der Kern von «Kunst politisch machen».

Begriffe wie «politische Relevanz», «politische Kunst», «engagierte Kunst», «politischer Künstler» oder «engagierte Künstlerin» sind billige Klassifizierungen. Ich benutze sie nie. Keine Sekunde denke ich, ich sei mehr engagiert als ein/e andere/r Künstler/in, denn als Künstler/in muss man total engagiert sein. Es gibt keine andere Möglichkeit, wenn man mit seiner Kunst etwas erreichen will, ausser: totales Engagement. Das zählt für jede Kunst. Es besteht heute eine grosse Konfusion um die Frage, was «Politisch» oder «politisch» sei. Mich aber interessiert nur das wirklich Politische, das «Politische» mit einem grossen P. Das heisst für mich: Wo stehe ich? Was will ich? Das «politische» mit einem kleinen p – die Meinungen, Kommentare und Mehrheitsfindungen – interessiert mich nicht. Es geht darum, Kunst politisch zu machen. Es ging mir nie darum, politische Kunst zu machen. Wie Jean-Luc Godard sagte: «Es geht darum, Filme politisch zu machen, es geht nicht darum, politische Filme zu machen.»

Aber was heisst Kunst politisch machen? HIRSCHHORN

«Kunst politisch zu machen» ist Behauptung und Herausforderung zugleich. Es heisst einerseits: Form geben. Eine Form, die von mir kommt, die nur von mir kommt, die nur von mir kommen kann, weil ich die Form so sehe, weil ich die Form

Wie halten Sie es mit unpolitischer Kunst? Darf Kunst sich selbst genügen? Unterhaltung? Dekoration? Amusement? HIRSCHHORN

Kunst genügt sich nie selbst. Kunst ist immer ambitioniert, Kunst ist eine absolute Forderung und eine totale Überforderung. «Dekoration» oder «Unterhaltung» sind keine Begriffe der Kunst – für Kunst stehen Begriffe wie: Grosszügigkeit, Präzision, Kopflosigkeit, Intelligenz, Mut, Liebe, Humor. Deshalb gibt es keine «unpolitische Kunst».

Sie sagen: «Kunst, weil sie Kunst ist, ist Widerstand.» Wer und wo ist der Gegner? Gegen wen richtet sich Ihr Widerstand? HIRSCHHORN

Kunst ist Widerstand – Widerstand an sich. Das zu verstehen, ist das Wichtigste. Ein Kunstwerk ist nicht widerständig, wenn damit keine Problematik aufbricht, wenn es keine Probleme schafft, wenn es keine Fragen stellt. Kunst ist aber nie gegen etwas, Kunst ist immer für etwas. Deshalb auch muss ich als Künstler ein Krieger sein, denn ich kämpfe nicht gegen etwas oder gegen jemanden, sondern ich kämpfe für etwas: für meine Arbeit, für meine Kunst, für meine Form, für mein Verständnis von Kunst, für die Kunst.


Ich bin stolz, dass ich diesen Boykott vier Jahre lang durchgezogen habe. Ich machte das ganz alleine. Ich rief niemanden anderen zum Boykott auf, aber ich hielt meinen Boykott ein und bezahlte dafür. Ich bezahlte dafür, weil ein/e Künstler/in sowieso immer als Erste/r für seine/ihre Arbeit bezahlen muss, aber auch weil ein Boykott, der einen selbst nicht etwas kostet, nichts bewirkt.

Sie bekennen sich als Fan. Zum Beispiel von Antonio Gramsci, dem Sie 2013 in der Bronx ein Monument gewidmet haben. Nun ist Robert Walser ihr Thema. Warum? HIRSCHHORN

Ich bin ein Fan von Robert Walser, seit ich Les enfants Tanner von ihm gelesen habe. Mir war sofort klar, dass ich ein Teil der Familie Tanner bin. Robert Walser ist jemand, der es schafft, ausschliesslich, egoistisch, völlig vereinnahmt, absolut exklusiv geliebt zu werden. Viele denken – auch ich bin keine Ausnahme –, dass nur sie Robert Walser richtig verstehen, richtig kennen, richtig ehren, richtig lieben würden. Eine solche Ausschliesslichkeit zu schaffen, gelingt nur den ganz Grossen. In diese Ausschliesslichkeit will ich Löcher reinhauen und Öffnungen reinschneiden, um einen Durchbruch, um unzählige Durchbrüche zu schaffen. Robert Walser hat sich selbst verloren, er hat sich für mich verloren, er ist der Schriftsteller des existenziellen Verlusts und der existenziellen Unsicherheit. Er hat sich auf seinem Weg verloren. Walser hat dem Prekären, dem Unsicheren, dem Ungewissen, dem Nicht-Garantierten, dem Fragilen, dem Labilen einen Weg geebnet, einen Pfad getreten. Die Sprache von Robert Walser ist es, die diesen Weg weist, verschlungen, porös, ziellos, ein Holzweg. Seine Sprache zerfliesst, hebt sich auf, löst sich auf – wie nasse Fussabdrücke auf einem heissen Steinboden. Es ist eine Sprache der Selbstauflösung, die mir ermöglicht, mich in sie hineinzuleben, ohne mich selbst dabei aufzulösen. Walser hat den Preis dafür bezahlt.

Was ist das gesellschaftliche, politische und soziale Potenzial einer Installation wie der Robert Walser-Skulptur in Biel? HIRSCHHORN

Können Sie das noch genauer erläutern? HIRSCHHORN

Robert Walser hat gesagt: «Ich stehe auf der Welt, das ist mein Standpunkt.» Damit gibt er mir den Schlüssel, um in dieser komplexen, ja hyperkomplexen Welt eine Position – meine ganz eigene Position – zu finden, einzunehmen und zu behaupten. Ich stehe auf der Welt, links und rechts, hinten und vorne biegt sie sich zum Abgrund, aber ist stehe darauf, ich stehe! Robert Walser beleuchtet das Kleine, das Unbeachtete, das Unernste, das Unscheinbare, er beleuchtet, was im Schatten ist, er hält die Taschenlampe im Dunkeln. Ich habe von ihm gelernt, dass alles als wichtig erachtet werden muss, denn alles ist wichtig. Robert Walser stellt für mich, für uns die Frage: Was bedeutet Erfolg? Was bedeutet Misserfolg? Bin ich bereit, eine Arbeit jenseits von Erfolg und Misserfolg zu machen? Wir müssen erkennen, dass Misserfolg zu haben nicht heisst, Opfer zu sein. Misserfolg zu haben, kann ein Heldenakt sein. Kann ich für all das eine Form geben?

Robert Walser war ein Künstler, der sich sukzessive zurückgenommen hat, bis hin zum schliesslich beinahe spurlosen Verschwinden im Schnee des Appenzeller Lands. So gesehen, wirkt Walser wie eine Antithese zu Hirschhorn. HIRSCHHORN

Ich vergleiche mich oder meine Arbeit nicht mit Robert Walser oder seiner Arbeit, das wäre nicht richtig. Ich mache keine Parallele zwischen ihm und mir, das wäre vermessen.

Das Potenzial ist riesig, weil Robert Walser ein Riese ist. Alles, was er geschrieben hat, ist explosiv, es ist so hochexplosiv, dass man in die Versuchung kommt, nicht zu viel darüber nachzudenken. Ich liebe die Texte und die Bücher von Robert Walser nicht wegen ihres Inhalts. Ich liebe sie als Widerstände, als absolute Forderungen, weil sie Forderungen und Überforderungen sind. Im kurzen Text Walser über Walser wird ersichtlich: Robert Walser widersteht der wohlwollenden Bezeichnung «Schrift-Steller». Er wehrt sich, wenn jemand sich an ihn, den Schrift­steller, wendet. Er wehrt sich – präzise und grausam, grausam gegen sich selbst –, auf seine Romane Der Gehülfe und Geschwister Tanner verweisend, weil er genau weiss, was es heisst, den Preis für Schriftstellerei zu bezahlen. Robert Walser hat den Preis als Erster bezahlt. So habe ich das Nicht-mehr-Schreiben oder das Schweigen Robert Walsers während seiner Herisauer Jahre immer als eine absolute künstlerische Geste, eine souveräne, radikale künstlerische Haltung verstanden. Im Text Briefe eines Dichters an einen Herrn schreibt Robert Walser, dass er jemand sei, den es sich nicht lohnt kennenzulernen. Was als Bescheidenheit, Unterwürfigkeit, mangelndes Selbstvertrauen oder falsche Bescheidenheit oder gespielte Unterwürfigkeit oder vorgespieltes mangelndes Selbstvertrauen verstanden werden kann, zeigt die radikale Haltung des Künstlers, des Autors auf – da liegt die Dimensionslosigkeit, das alles Sprengende von Robert Walsers Schreiben.

Sie sprechen vom «nicht exklusiven Publikum», das sie mit ihrer Kunst ansprechen wollen. Warum wollen Sie dieses Publikum erreichen? HIRSCHHORN

Ich habe den Begriff «nicht exklusives Publikum» geschaffen. Ich habe ihn geprägt, um zu klären, für wen ich arbeiten will und in welche Richtung ich meine Kunst setzen will. Ich will – mit und durch meine Arbeit – für den/die andere/n arbeiten. Für den/die andere/n zu arbeiten, heisst, zuerst für den/die andere/n in mir selbst zu arbeiten, und es heisst auch, für ein nicht exklusives Publikum zu arbeiten. «Kunst politisch machen» heisst deshalb, für ein nicht exklusives Publikum zu arbeiten. Das nicht exklusive Publikum ist nie ein Zielpublikum, es ist eine Dynamik, es ist ein Versprechen, es ist eine Bewegung, es ist ein Schwung, denn der/die andere bin ich, er/sie kann mein/e Nachbar/in sein, es kann ein/e Fremde/r sein, jemand, der mir Angst macht, den ich nicht kenne und auch nicht verstehe. Der/die andere ist jemand, an den ich nicht gedacht habe und den ich nicht erwartet habe. Das nicht exklusive Publikum sind nicht einfach «alle» oder die Masse oder die Mehrheit. Für den/die andere/n oder das nicht exklusive Publikum zu arbeiten, ist auch der Grund, weshalb ich keinen Unterschied zwischen Arbeiten im öffentlichen Raum, in der kommerziellen Galerie, auf der Kunstmesse, im Museum, in der Kunsthalle, im alternativen Kunstraum mache. Für den/die andere/n zu arbeiten, gibt mir die Möglichkeit, mich als Künstler ausserhalb des «Spektrums der Abwägenden» zu bewegen – dies ist der Befreiungsschlag vom Exklusiven.

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HIRSCHHORN

Biel, für ein Kunstwerk, für Robert Walser. Ich habe dabei – man kann das als Fehler sehen oder als ein Nichtbeachten der Realität vor Ort – vernachlässigt, mit denen zu reden, die «dagegen» sind. Ich habe, zu leichtherzig, ignoriert, dass man gegen mein Projekt, gegen mich, gegen Kunst, gegen etwas sein kann. Diesen Grund, diese Gründe muss ich nun kennenlernen und ich will in diesem zusätzlichen Jahr herausfinden, wo und weshalb es Gegner/ innen der Robert Walser-Skulptur gibt und wer diese sind. So sehe ich die Fortsetzung meiner Fieldwork in Biel.

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Ich bin ein Fan von Robert Walser, ich bin ein Fan von seinem Werk und seinem Leben. Als Fan habe ich das Glück, das Recht und den Auftrag, meinem Fan-Sein, meinem ganz eigenen Fan-Sein eine Form zu geben. Dieser Form – und nur ihr – bin ich verpflichtet. Die RobertWalser-Skulptur ist eine Skulptur, wie ihre Bezeichnung verrät. Es ist eine Skulptur, die die Gedanken zum Monument, zum Denkmal oder zur Skulptur im öffentlichen Raum in sich trägt. Aus den Erfahrungen von bis jetzt 67 Kunstwerken im öffentlichen Raum schöpfe ich meine Kompetenz für die Robert Walser-Skulptur. Ich will daraus lernen und ich will etwas Neues schaffen. Ich will ein Ereignis erzeugen, ich will Begegnungen ermöglichen, ich will Robert Walser neu denken. Ich will mit der Robert Walser-Skulptur für und mit einem «nicht exklusiven Publikum» arbeiten und ich will, dass die Skulptur einen «kritischen Korpus» bildet. Meine Arbeit wird eine Hommage an Robert Walser und sein Werk werden.

Nach der Wahl von Christoph Blocher in den Bundesrat im Dezember 2012 kündigten Sie an, in der Schweiz nicht mehr auszustellen. Nach Blochers Abwahl annullierten Sie diesen Entscheid. Was sagen Sie zur heutigen politischen Lage in Ihrem Heimatland?

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Die Installation der Robert Walser-Skulptur in Biel musste auf nächstes Jahr verschoben werden, weil sich das lokale Taxigewerbe gegen das Projekt gewehrt hat. Sie sagten im Nachhinein, es sei ein Fehler gewesen, dass Sie nicht mit allen Leuten vor Ort gleichermassen gesprochen hätten. Wer sind die Menschen, die über ein Kunstprojekt an einem Ort wie dem Bahnhofplatz Biel zu befinden haben? HIRSCHHORN

Ich habe in den letzten zwei Jahren in Biel sieben Fieldworks – jeweils von einer Dauer von ein bis zwei Wochen – gemacht. Ich wollte Bielerinnen und Bieler kennenlernen und mit ihnen über mögliche Kooperationen reden. Diese Feldarbeit war erfolgreich und ich konnte 36 Einzelpersonen oder Gruppen von Bielerinnen und Bielern in das geplante Projekt implizieren. Ich konzentrierte mich auf diese Diskussionen, manchmal waren es pro Tag mehr als zehn solcher Treffen. Ich nahm das ernst und machte es gerne, denn alle diese Gespräche waren immer für etwas. Für etwas Gemeinsames, für das Projekt, für eine Vision, für

Thomas Hirschhorn an der Flamme éternelle Palais de Tokyo, Paris, 2014 Foto: Alexander Bikbov

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ARNE SCHEUERMANN

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leitet den Forschungsschwerpunkt Kommunikationsdesign an der HKB.

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Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt Aufgefordert, darüber zu berichten, «welche Lektüre, Position, Autorin oder Theorie, welcher Moment oder Autor, welches Erlebnis […] mir die gesellschaftliche Relevanz von Kunst vorgeführt/klargemacht» hat, fällt mir ein, wie ich als Zweieinhalb-, fast Dreijähriger im Fernsehen einen Blick auf die Puppenspielserie Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt nach dem Roman von Boy Lornsen erhaschen durfte. Das Fliewatüüt flog, an unsichtbaren Fäden gehalten und mit einem trägen Propeller motorisiert, über den blauen Himmel. Ich blickte auf mein Lieblings-T-Shirt – kleine weisse Helikopter auf blauem Grund - und mir wurde bewusst, dass das Fluggerät auf dem Bildschirm und die kleinen Helikopter auf meinem T-Shirt denselben formalen Ursprung hatten: Beide bezogen sich auf Hubschrauber, also auf jene lärmenden Wundermaschinen, die damals – wohl als Zeichen des technischen Fortschritts – nicht nur für Kleinkinder eine allgemeine gesellschaftliche Relevanz beanspruchen durften. Zu meiner Freude wiederholte sich etwas in zwei Medien gleichzeitig (T-Shirt und Fernsehen), das ich bisher erst einmal in echt und von Weitem nur gesehen hatte. Hubschrauber wurden auf diese Weise Teil einer starken Realität der mich umgebenden Gesellschaft überhaupt. Es ist dies die erste Erinnerung, die ich an eine bewusste Wahrnehmung der Wirkweise von Massenmedien habe. Und sie liegt vor jeder Vorstellung des Politischen und ist im eigentlichen Sinne eine ungerichtete, allgemeine Wahrnehmung dessen, was Massenmedien sind und was sie leisten. Auch wenn offensichtlich ist, dass meine Begriffe zur Beschreibung dieses Gedankens von heute stammen, scheint er mir in seiner Naivität doch besonders geeignet, über die politische Dimension der oben gestellten Frage nachzudenken und den Begriff der gesellschaftlichen Relevanz auszuweiten. Denn es bereitet mir Unbehagen, von gesellschaftlich relevanter Kunst zuvorderst in einer Form auszugehen, die wir allgemeinhin als gesellschaftlich engagiert oder politisch bezeichnen. Die Vorstellung, Kunst verfüge insbesondere durch ihre politischen Absichten über eine besondere gesellschaftliche Strahlkraft, hat in der Geschichte zuweilen zu verheerenden normativen Ästhetiken geführt – sei es der Versuch, durch bestimmte Themen in der Dichtung den Gedanken der Deutschen Nation oder durch bestimmte Themen in der Malerei jenen des Sozialismus zu befördern, sei es der Versuch der negativen Ästhetik der Frankfurter Schule, durch die freudlosen Exerzitien der Neuen Musik den kritischen Menschen zu erziehen, oder der Versuch von Neonazis durch fantasielosen Rock den «Übermenschen». Ich glaube vielmehr: Eigentlich jedes Erzeugnis jeder Kunst trägt Spuren gesellschaftlicher Relevanz in sich, da sich jedes menschliche Erzeugnis aus der Gesellschaft heraus zeigt und aus der Gesellschaft heraus interpretieren lässt … und Relevanz ja immer eine Frage der gesellschaftlichen Aushandlung,

der Interpretation und des Zuspruchs ist. Dem Lied We Shall Overcome – einem Zusammenzug verschiedener Lieder mit zum Teil religiösem Inhalt – kam beispielsweise durch das gemeinsame Singen auf Protestveranstaltungen der 1950er- und 1960er-Jahre eine starke gesellschaftspolitische Relevanz zu. Ob eine solche Relevanz jedoch auch unmittelbar von der Gesellschaft erkannt und benannt wird, ist meines Erachtens fast unerheblich. Der wahrscheinlich eher unbewusst geschriebene (und bereits zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung als sexistisch kritisierte) Songtext von Hal David zu Burt Bacharachs EasyListening-Song Wives and Lovers von 1963 ist auf seine reaktionäre, den Status quo zementierende Art ebenfalls gesellschaftlich relevant und wirksam. Beide Lieder äussern sich aus der Gesellschaft heraus und deuten sie. Auch wenn mir wie einigen damaligen Hörerinnen und Hörern die Denkrahmen des einen Songs Zuversicht geben und des anderen Unbehagen bereiten mögen: Unabhängig von jeder Wertung sind beide gesellschaftlich auf ihre Art relevant und wirksam – und damit politisch. Allgemein lässt sich sagen: Alle von Menschen gezielt gestalteten Erzeugnisse – vom frühzeitlichen Handwerk über Artefakte der Kunst bis zum Design von digitalen Services – verhalten sich irgendwie zur Gesellschaft, der sie entstammen. Bandkeramiken, Tragödientexte, Klaviersonaten, Gedichte, Aquarelle von Laien, Detektivfilme, Science-Fiction-Games: Sie alle lassen sich auf die Spuren ihrer gesellschaftlichen Umstände hin befragen, und in ihnen allen lassen sich die Spuren ihrer Beiträge zur Gesellschaft aufzeigen. Relevanz in diesem Sinne könnte man dann insbesondere jenen Beiträgen zusprechen, die in besonderer und gewichteter Beziehung zu anderen Elementen der Gesellschaft stehen. Für diese Analyse stehen uns in der Kunst- und Designforschung Methoden zur Verfügung. Ob in der Ikonologie Panofskys oder in der Rhetorischen Designanalyse nach dem Berner Modell, ob in der Erforschung musiksoziologischer Kontexte oder in der offenen poetischen Hermeneutik von künstlerischen Prozessen: Die Spuren der Gesellschaft in Kunstwerken und die Spuren der Beiträge von Kunstwerken zur Gesellschaft lassen sich beobachten und beschreiben, diskutieren und in Frage stellen. Gesellschaftliche Relevanz lässt sich auf diese Weise als Ergebnis einer diskursiven Aushandlung verstehen, die sich über die (ursprüngliche) Gesellschaft hinaus erstrecken kann und sich vom ursprünglichen, magischen Zuspruch der Relevanz löst. Vielleicht finden wir in einer archäologischen Sammlung ein Artefakt, das uns plötzlich die Augen öffnet über den Umgang einer vergangenen Kultur mit Naturkatastrophen: Noch nach vielen tausend Jahren kann ein archäologischer Fund zu uns sprechen und heutige gesellschaftliche Relevanz beanspruchen. Eventuell kann ein Teil der Filmzuschauerinnen und -zuschauer die Ermächtigungsfantasien des AfroFuturismus nicht an eigene Erfahrungen von Diskriminierung knüpfen: Doch auch in kulturfremder Appropriation entwickelt Black Panther seine gesellschaftliche Relevanz. Auch wenn wir die Bedeutung alter Kunstwerke

nicht mehr in allen Teilen nachvollziehen können: Die Merseburger Zaubersprüche aus dem 9./10. Jahrhundert dürfen auf ihre Relevanz für poetische Verfahren immer wieder neu befragt werden. Mein kindliches Erstaunen darüber, dass ich in einer Welt lebe, in der es so etwas wie Helikopter gibt, und dass sich diese Helikopter in unterschiedlichen Medien manifestieren und wir – die Maschinen und ich – damit zu einer geteilten Wirklichkeit gehören, lässt sich in diesem Sinne als Antwort auf die gestellte Frage lesen, wann mir zum ersten Mal die gesellschaftliche Relevanz von Kunst bewusst wurde: Als mir vor Augen geführt wurde, dass und wie Kunst die Spuren der Gesellschaft in sich trägt, die sie umgibt.


ist Co-Studiengangsleiter im Bachelor Fine Arts an der HKB.

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ANSELM STALDER

Im Januar 1955 wurde im Museum of Modern Art (MoMA) in New York eine Ausstellung eröffnet, die gut 500 Bilder von 270 Fotografinnen und Fotografen versammelte. Zehn Jahre nach dem Ende einer verheerenden Epoche ungeahnter Grausamkeit versuchte diese Ausstellung, mit einem erzieherischen Impetus eine humanistische Vorstellung menschlicher Existenz wieder zu etablieren. Eine Klammer sei erlaubt: Ebenfalls 1955 fand in Kassel die erste documenta statt, die mit ähnlichen pädagogischen Absichten versuchte, umfassend über die Kunst zu informieren, die während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland nicht sichtbar werden durfte. Informelle Kunst, auch unter dem Begriff Informel bekannt, entstand als direkte Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Kunst nach den unfassbaren Ereignissen, war aber erst fünf Jahre später auf der zweiten documenta zu sehen. Fotografie oder Kunst mit fotografischen Mitteln waren auf dieser documenta nicht vertreten. Edward Steichen wählte zusammen mit Wayne Miller aus zwei Millionen fotografischen Bildern vorerst 10 000 aus, um dann dieses Kondensat von 500 Bildern zur Verantwortung für Egalität und Unantastbarkeit menschlichen Daseins zu verpflichten. Die Ausstellung reiste um die ganze Welt, wurde von sehr vielen Interessierten gesehen und ist heute dauerhaft im Schloss Clervaux in Luxemburg zugänglich. Nicht nur alle Bilder der ursprünglichen Ausstellung, sondern auch die Art und Weise, wie sie damals gezeigt wurden, sind Vorgabe für die heutige Präsentation. Fotografie – vor jedem Zugriff aus künstlerischer Perspektive – im MoMA zu zeigen, war ein grosser Schritt, schob damit gleichzeitig, wohl kaum intendiert, die Bewegungen und Debatten zur Auflösung kanonischen Denkens in den späten 50er-Jahren an. Zur Ausstellung erschien eine Publikation, die sich materiell und gestalterisch an Modemagazinen jener Zeit orientierte, allerdings auf jede Art von Werbung und Nennung von Sponsoren verzichtete, also einerseits eine populäre Erwartung wachrief und andererseits den subversiven Umgang mit etablierten Medienformaten einschleuste. Diese schmale Zeitschrift stand im Büchergestell meiner Eltern, bei einigen Bildbänden auf dem untersten Regalbrett, also auch für kleine Kinder greifbar. Ich habe dieses Heft Tausende Male durchgeblättert, die Texte und auch den Titel konnte ich nicht lesen. Meine Eltern haben mich nie daran gehindert, mich in diesen Bilderwelten immer wieder zu verlieren. Die permanente Betrachtung formte mit der Zeit eine Vertrautheit mit den Menschen auf den Bildern, die sie jeder Symbolisierung entzog. Es waren Verwandte auf diesen Bildern, sie waren mir ganz nahe, obschon ich gleichzeitig wusste, dass ich sie ausserhalb des Hefts niemals würde treffen können. Die Möglichkeit medial vermittelter Begegnung, die realer nicht hätte sein können, weil meine Verwandten verlässlich im

Büchergestell lebten, schaffte eine unerschütterliche Vertrautheit in die Notwendigkeit der Rede der Bilder, deren Tragweite ich in jenem Moment in keiner Weise einschätzen konnte. Das Reisen in diesen Bildern, ein Schauen, das in der Faktur des Gedruckten ebenso versank wie in den kindlichen Imaginationen der Lebensgeschichte, weitete auf unvoreingenommene Weise die osmotischen Bewegungen zwischen dem kleinen Radius der eigenen physischen Welt und den Räumen, die sich durch die Bilder ins schier Grenzenlose öffneten. Die erschaudernde Ahnung, dass die Summe der Bilder die Möglichkeiten des Verstehens bei Weitem überstieg, zwang zu einer nicht abschliessbaren, immer wieder neu zu machenden Erfahrung des schon Gesehenen. Das Begehren, in diesen Bildern zu sein, liess sich nicht erlösen. In den Editions du Seuil erschien 1957 unter dem Titel Mythologies eine Sammlung von Texten von Roland Barthes, die erst 1964 als Mythen des Alltags deutsch erschienen, allerdings ohne die abschliessenden Essays. Erst 2010 war eine deutsche Version der Originalausgabe greifbar. Die Texte entstanden zwischen 1954 und 1956, wurden also kurz nach ihrem Entstehen veröffentlicht. Sie fanden auch unter Künstlerinnen und Künstlern höchstes Interesse, erschlossen sie doch theoretischem Reflektieren Gegenstände, die in der Betrachtung der Kultur bis anhin nicht emphatisch beachtet worden waren. Alltäglichkeit als Referenzraum für künstlerische Produktion erhielt damit eine Legitimation, die ihr vorher versagt gewesen war. Die Synchronizität von Produktion und Reflexion, die Produktion aus der Perspektive der Reflexion erst möglich machte, war ein neues Terrain, das zwar euphorisch begrüsst wurde, dessen implosivem Charakter aber mit höchster Skepsis begegnet werden musste. Gelesen habe ich die Mythen des Alltags in den frühen 80er-Jahren und ich war begeistert von der Offenheit des Denkens, der Möglichkeiten des Schreibens, die sich damit auftaten. Ein Text allerdings konfrontierte mich mit einer Kritik, die mir einerseits schlüssig schien, andererseits meine Vertrautheit mit der Notwendigkeit von Bildern in einem Mass in Frage stellte, dass sich eine reflexartige Ablehnung einstellte. Die grosse Familie der Menschen dachte über die 500 Fotos nach, die Edward Steichen unter dem Titel The Family of Man 1955 im MoMA der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatte und die auch in Paris gezeigt wurden. Den Spannungsbogen von Geburt bis Tod in den unterschiedlichsten Kulturen, der von den Fotos aufgespannt wurde, kritisierte Barthes als rein symbolisch. Am immer Individuellen des Dramas menschlicher Existenz schien ihm in dieser Ausstellung die Fotografie zu scheitern. Wohl wissend, dass ich meine kindliche Erfahrung verklärend zu verteidigen suchte, leuchteten mir die Argumente Roland Barthes’ durchaus ein. Mein Vertrauen in die Notwendigkeit der Rede der Bilder wurde nicht

entkräftet, aber um eine skeptische Perspektive ergänzt. Dass weder die Publikation noch die doch aussergewöhnliche Form der Ausstellung, die ich allerdings auch nur von Fotos kannte, im Essay Erwähnung fanden, war Teil dieser Skepsis. Die Essays verschwanden im Büchergestell, wurden ausgeliehen und kamen nicht zurück. Jahre später wurde mir eine Neuauflage der Publikation zu The Family of Man geschenkt, eine nun etwas dickere Broschüre, die sich im Übrigen aber nicht von dem Exemplar unterschied, das ich schon längere Zeit aufbewahrte, aber nicht mehr angeschaut hatte. Beim Durchblättern stellte sich einerseits die kindliche Vertrautheit wieder ein, die sich auf die jeweils singulären Fotografien bezog, und die Erinnerungen, die in den Oberflächen der Bilder aufschienen, andererseits konnte ich nun Titel und eingestreute Texte lesen. In Roland Barthes’ Essay gibt es einen Subtext der Kritik, den ich bei der Relektüre sofort entdeckte und mitlas, obwohl er nicht explizit formuliert wird und sich nur im Begriff Adamismus am Ende des Textes kondensiert findet. Zur entschärfenden Energie der Symbolisierung, die Barthes den Fotografien vorwirft, kommt ein radikaler Zweifel am Weltbild, das sich an der klassischen Familie orientiert, ein Blick, dem es nicht zu gelingen scheint, die damit verbundenen Moralvorstellungen zu überwinden. Zwischen der Erfahrung der publizierten Bilder und der wiederholten Relektüre des Texts bleibt eine Lücke, eine fehlende Kongruenz. Fotografien von Menschen, Tieren und Pflanzen können zwar als symbolisierte Zeichensysteme gesehen werden, bleiben aber gleichzeitig immer Referenz an eine unhintergehbar individuelle Existenz. Dass sich mir die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz von Kunst nicht stellt, weil sie durch ein in der Kindheit geformtes Grundvertrauen suspendiert bleibt, ist ein unschätzbares Privileg, das vor allem die Tätigkeit im Atelier schützt. Die Verschiebungen, die sich durch die Inkongruenz zwischen Produktion und Reflexion ergeben, geniessen diesen Schutz nicht in gleichem Masse.

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Fünfhundert Bilder

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ANNE KRAUTER

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JUNI –  AUG UST 2018

ist Professorin für Kunst- und Kulturgeschichte an der HKB.

Plastiktüten an Haken Wenn nach der Rolle der Kunst für eine Gesellschaft gefragt wird, dann geht es auch um die Frage, was eine Gesellschaft konstituiert. Wird das besser erfahrbar, wenn man sich in ein anderes Land begibt oder einer anderen Kultur begegnet? Eine Reise nach Russland vor dem Ende des sowjetischen Systems, vor Glasnost also, war für mich ein Schlüsselerlebnis, das mich nicht nur auf das Eigene im Anderen aufmerksam machte, sondern auch auf ein elementares Bedürfnis nach Kunst in einer totalitär strukturierten Gesellschaft. Tagsüber sah man in den Strassen die Menschen eher in schlichten dunklen Arbeitskleidern. Auch die Frauen waren mit Bauarbeiten und Strassenreinigen beschäftigt. Das Essen war für uns Touristinnen und Touristen eintönig, obwohl wir sicher bevorzugt behandelt wurden: Gulasch aus etwas zähem Fleisch, dessen Ursprung meistens nicht zweifelsfrei zu definieren war, dazu Kartoffeln, vielleicht auch mal Reis. Vorneweg gab es immer einen kleinen Teller mit geschnittenem Kohl oder Zwiebelstangen, darüber Sauerrahm. Jeden Tag. Es war Juni. Kein frischer Salat, keine Früchte, kein Radieschen, keine Tomate. Im Gum, dem berühmten Kaufhaus in Moskau mit seiner wunderbaren Architektur, gab es Kaffee und Zitronen zu kaufen. Letztere hätten umgerechnet 12 Franken pro Stück gekostet, die Packung Kaffee deutlich mehr. Es gab auch Fleisch,

das so fett war, dass jeder Bauchspeck mager dagegen erscheint. Die Auslage beim Metzger bestand aus weissen Massen, durchzogen von feinen roten Streifen. Aber diese Delikatessen konnte sich kaum jemand leisten. Wenn es in diesem Land etwas anderes gab, als diese Auslagen zeigten, dann wohl nur auf dem Schwarzmarkt. Vermutlich wurden dort auch die Konzert- und Theaterkarten gekauft, denn an den offiziellen Kassen waren sie sehr schwer zu ergattern. Wenn ich es richtig verstand, dann wurden in diesem Land die körperliche wie die geistige Nahrung unter der Hand und nicht über offizielle Kanäle gehandelt. In den Foyers der Konzertgebäude gab es wiederum Garderoben, die im Juni kaum für Mäntel gebraucht wurden. Stattdessen hingen zahllose Plastiktüten an den Haken. Offenbar kamen viele Leute direkt von der Arbeit, deponierten ihre Utensilien und gingen ins Konzert oder ins Ballett. Die in der Garderobe hängenden Plastiktüten beeindruckten mich sehr. Es ging hier um die Kunst und nicht darum, zu repräsentieren oder sehen und gesehen zu werden. Die Leute gingen nicht erst von der Arbeit nach Hause, um sich für den Abend umzuziehen, sondern sie kamen direkt aus dem Alltag in das Konzert. In dieser Zeit gab Horowitz seine berühmten Abschiedskonzerte, von denen überliefert ist, dass seine Landsleute sehr gerührt und bewegt waren, vor allem als er die russischen Stücke spielte. Offenbar brauchten diese Menschen die Kunst als Kontrastprogramm zum Mangel und zur Bedürftigkeit im Alltag. Es schien, als lösten bevorzugt die klassische Musik sowie die performativen Künste solche Bedürfnisse einer Gegenwelt und eines Aufgehobenseins besser ein als die Bildende Kunst, vor allem die zeitgenössische. Welches massgebende Erlebnis jenseits einer offiziellen Repräsentation verband sich demnach mit diesen Kunstformen? In seinem Schlüsseltext über die ästhetische Erziehung beschrieb Schiller die gesellschaftliche Funktion der Kunst als ein Mittel zur Bildung und Humanisierung des Menschen.

Ein «Staat der Not» sollte dadurch in einen Staat der «Freiheit» verwandelt werden. Löste sich sein Diktum hier im Spannungsfeld aus Schwarzmarkt und staatlicher Kontrolle ein? Vielleicht ereignete sich wenigstens momenthaft im Konzertsaal die Empfindung von Freiheit und entsprechend versinnbildlichten die Plastiktüten die Zwänge des Alltags, die man für einige Stunden sprichwörtlich an der Garderobe abgeben konnte. Nach Glasnost war es wiederum ausgerechnet eine hintergründige, kritisch-ironische und zeitgenössische Bildende Kunst, die jahrelang im Untergrund agiert hatte, die im Westen mit grosser Aufmerksamkeit rezipiert wurde. Sie thematisierte das sowjetische System als ästhetischen Schein; der westliche Kunstmarkt verleibte sie sich begierig für einige Jahre ein.

PRISKA GISLER leitet den Forschungsschwerpunkt Intermedialität an der HKB.

Erwachen und sterben

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Es war Mitte der 1980er-Jahre in Zürich, ich war zu Hause ausgezogen und hatte mein Studium begonnen. Einmal mehr hatten meine Freundin und ich trotz späten Erscheinens auf unser Flehen hin noch zwei letzte Plätze im Theater erhalten. Die Studierenden der damaligen Schauspielschule zeigten ihre Abschlussarbeit. Der Proben- und Aufführungsort befand sich in einer ehemaligen Kammgarnfabrik auf dem Schöller-Areal, die später einer grossen Wohn- und Dienstleistungsüberbauung zu weichen hatte. Das Areal befindet sich nicht weit von da entfernt, wo ich heute wohne, direkt am Fluss.

Es war die Zeit, während der sich die wachsende Drogenszene in Zürich ihre öffentlichen Plätze noch suchte, an denen sie sich später festbeissen würde und von denen sie ewig nicht mehr wegzudenken war. Wedekind wurde gespielt – und wie könnte es anders sein: Frühlings Erwachen. Das Stück begann, aber erst nach einer Weile wurde mir klar, dass die junge Frau, die ein paar Stühle neben mir sass, ein Drogenproblem hatte. Unruhig begann sie auf ihrem Stuhl umherzurutschen und irgendwann fing sie an, vor sich hin zu seufzen, ja, leise zu schimpfen sogar. Besorgt schaute ich sie an – sie schien

sich wieder zu beruhigen, zusammenzureissen, um dann aber doch, und diesmal lauter, irgendwelche Klagen und Tiraden von sich zu geben. Meine Freundin und ich schauten uns an. Cool, wie wir damals waren, und bereits abgebrüht, hofften wir das Beste. Irgendwann begann sie, aufzustehen, uns wunderte nichts. Murmelnd ging sie im engen Gang zwischen Bühnenrand und der ersten Stuhlreihe umher. Das Publikum war eher ratlos, die Schauspielerinnen und Schauspieler schienen – zum Glück – nichts zu merken. Jemand nahm sie am Arm, flüsterte leiste auf sie ein und schickte sie an ihren Platz zurück. Das Stück nahm seinen Lauf.



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Ich komme nicht umhin, zu gestehen, dass ich aus allen Wolken fiel, als sich das Stück dem Ende zuneigte und sich die drogensüchtige Frau ebenfalls verbeugte und sich nun – endlich – als Ensemblemitglied zu erkennen gab. Wie sehr damit nicht nur Realitäten herausgehoben, sondern auch berührt wurden und als Fakt und Fiktion bis heute aufeinander verweisen, geht mir nun durch den Kopf. Meine Freundin, die neben mir sass und mindestens so bezaubert war wie ich, studierte in dieser Zeit Modedesign. Sie, mit der zusammen ich damals die Kunst ebenso wie die Welt entdeckte, hielt nach vielen, wiederholten und verzweifelten Aufenthalten in der Psychiatrie ebendiesen Realitäten nicht stand. Vielleicht war ihr Tod – ähnlich wie im Stück – auch eine Form von Selbstmord, allerdings einer auf Raten, den sie beging, als sie immer dünner, ausgemergelter wurde. Sie streifte irgendwann nur noch durch die Stadt und versuchte, diese Welt, der wir ausgesetzt sind, zu begreifen, um dann mit 32 Jahren an einem Infekt zu sterben, dem sie aufgrund ihrer körperlichen und psychischen Schwächung nicht mehr standhalten konnte.

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ten Unverständnis in Bezug auf deren Regeln und Moral. Sie müssen sich über Freundschaft, Liebe, Abhängigkeiten und auch Tod unterhalten haben. Ich erinnere mich aber genau daran, dass sie mir aus dem Herzen sprachen und ich gebannt den Worten folgte, die von den Studierenden und der drogensüchtigen Frau wechselweise geäussert wurden. Immer noch schockiert, dass sich die junge Frau einfach auf die Bühne begeben hatte und sich in das Geschehen einmischte, war ich doch auch erstaunt, wie sich das Gesagte in den Lauf des Stücks und meine eigene Gedankenwelt einfügte. Ich war froh, dass die Schule zu Ende war, ich die Matur geschafft hatte, mir das Studium Freiheiten gebracht hatte, obwohl mit diesen nicht immer so einfach umzugehen war. Was es für ein Gefühl war, nun in dieser Erwachsenenwelt anzukommen, mich einfinden, einrichten zu müssen, wie aufregend es war, neue Beziehungen einzugehen, Neues, neue Orte – wie dieses Theater auf dem Areal, dieses Stück – entdecken zu können, fällt mir nicht schwer zu beschreiben. Während ich an diesem Text sitze und die Protagonistinnen und Protagonisten auf der Bühne, das Grab, den Raum vor mir sehe, kehrt das alles zurück.

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Vermutlich geschah es während Moritz’ Beerdigung – und nicht nachdem Wendla an der gescheiterten Abtreibung starb –, als eine Gruppe seiner Freunde auf der Bühne um ein Grab herumstand. Ich erinnere mich nicht mehr genau, worüber sie sich unterhielten. Die junge Frau, offensichtlich unter Drogen oder an deren Entzug leidend, hielt das Stillsitzen nicht mehr aus. Sie stand wieder auf, wankte umher, wurde immer lauter. Und ja, sie näherte sich dem Bühnenrand, um schliesslich – ich glaubte es nicht – die Bühne zu betreten. Ich hielt den Atem an. Sollte man eingreifen, etwas tun? Die Schauspielstudierenden, es war gross­ artig, wie sie damit umgingen. Sie hörten der Frau geduldig zu, die nämlich, tatsächlich, ebenfalls zu reden begann. Sie waren sogar so souverän, dass sie ihre Texte weiterzusprechen wussten. Und was sie sagten oder wie sie sich in der Folge mit der Frau unter Drogen ergänzten, passte hervorragend zusammen. Ich würde eine Million dafür geben, mir in Erinnerung rufen zu können, welche exakten Worte nun auf der Bühne gesprochen wurden. Sie handelten von jugendlichen Gefühlen, so viel ist klar, vom Staunen über die Welt, dem Auflehnen gegenüber den Erwachsenen, sie äusser-

DANIEL WEISSBERG ist Co-Studiengangsleiter im Bachelor Sound Arts an der HKB.

Eintauchen in Wasser Bands wie die Beatles und die Stones lieferten die Begleitmusik für meinen Übergang von der Kindheit zur Jugend. Stars wie Jimi Hendrix und Janis Joplin wurden zu Vorbildern in der Zeit meines pubertären Widerstands gegen die damals vorherrschende autoritäre Spiessigkeit. 1968 begann im Theater meiner Heimatstadt Basel der fulminante Aufbruch in die Ära Düggelin, just in der Zeit, in der ich die Welt des Theaters zu entdecken begann. Ein Jahr zuvor hatte ich erlebt, wie die Stadt mit einem riesigen Volksfest zur Finanzierung von zwei Picasso-Gemälden beitrug, die als Leihgabe im Kunstmuseum hingen und vom Verkauf bedroht waren (sie hängen heute noch da). Die Aufzählung liesse sich, etwa mit den damals wichtigen Exponenten der Literatur, beliebig fortsetzen. Gesellschaftliche Relevanz erlebte ich bei meinem jugendlichen Eintauchen in die Auseinandersetzung mit Kunst als ebenso selbstverständlich wie Flüssigkeit beim Eintauchen in Wasser.

Wasserdampf — In den Jahren nach 1968 keimte auch in mir die Hoffnung, Kunst könne zur Entwicklung einer besseren, gerechteren Zukunft beitragen und helfen, die gesellschaftlichen und politischen Strukturen der Unterdrückung und Ausbeutung zu überwinden. «Massaker um eine Handvoll Reis» dichtete Enzensberger, mein Kompositionslehrer Jacques Wildberger fand die dazu passende musikalische Sprache, und das Abonnementspublikum ignorierte das Resultat geflissentlich. Es bevorzugte Beethoven; da war es einfacher, den revolutionären Gestus der Musik zu überhören. Eis — Wenn die Musik des radikalen Neuerers Beethoven zur Affirmation der Unveränderlichkeit bestehender Verhältnisse taugt, zeugt das durchaus von gesellschaftlicher Relevanz, wenn auch nicht so, wie sich die 68er (und ich) das erträumt hatten. Derweil lernte die Unterhaltungsindustrie die neuen medialen Möglichkeiten zu nutzen. In immer

neuen Varianten von Schlagern und Schnulzen wurde der von den Linken geliebten Arbeiterklasse eingetrichtert, dass es im Leben nur um das eine gehe: dass sich zu jedem Topf ein passender Deckel findet, wobei mit dem Topf der Arbeiter – heute die oder der Arbeitende – und mit dem Deckel der gegengeschlechtliche Part einer ehelichen Verbindung gemeint war. Mit solcherart ruhig gestellten Massen konnte der militärisch-industrielle Komplex ungehindert seinen zerstörerischen, ausbeuterischen, aber einträglichen Geschäften nachgehen (ja, so klang Kritik damals – und heute?). Leise rieselt der Schnee — Worin, so drängte auch in mir die Frage, besteht vor dem Hintergrund dieser ernüchternden Erfahrungen die gesellschaftliche Verantwortung der Kunstschaffenden und was ist die Relevanz meiner Tätigkeit als Komponist? Dass mich das beschäftigte, erzählte ich 1977 Mauricio Kagel, nachdem wir uns über mein bevorstehendes Studium bei ihm unterhalten hatten. «Wenn

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sie nicht komponieren wollen, dann lassen sie es bleiben. Niemand wird etwas vermissen», war Kagels lakonische Reaktion darauf. Sie widerspricht vermutlich allem, was einem heute in hochschuldidaktischen Weiterbildungskursen zur Gesprächsführung vermittelt wird. Für mich erwies sich Kagels Reaktion jedoch als enorm hilfreich. Sie hat mir klargemacht, dass die Motivation für künstlerisches Schaffen ausschliesslich aus der Kunst selbst kommen kann. Es gibt und braucht keine Rechtfertigung dafür. Dass Joan Baez, Bob Dylan, Janis Joplin, Jimi

Hendrix und viele andere seinerzeit den erfolgreichen Protest gegen den Vietnamkrieg entscheidend mitgetragen haben, ist verdienstvoll. Dass es keine vergleichbare, von Künstlerinnen und Künstlern mitgetragene Bewegung gegen die zahlreichen Kriege und Katastrophen der Gegenwart gibt, ist bedrückend. Dass in den reichen Ländern die Kunst einen positiven Einfluss auf das Bruttosozialprodukt hat, ist erfreulich, aber irrelevant. Wir bewundern an Orten wie Venedig die Meisterwerke der Vergangenheit und nicht das Bruttosozialprodukt der venezianischen Wirtschaft zu deren Entstehungszeit. Wasser — Ob Kunst nicht ein letztlich verzichtbarer Luxus sei, wird zuweilen gefragt. Das ist eine Luxusfrage und sie ist verzichtbar. In den Todeslagern der Nationalsozialisten wurden Gedichte auf die letzten verfügbaren Papierschnipsel geschrieben. Man geht heute davon aus, dass Musik die Voraussetzung für die Entwicklung der menschlichen Sprache war und dieser vorausging. Kunst war und ist eine Voraussetzung für die Entstehung und den

Erhalt menschlicher Gesellschaften. Wer in der Weite des Alls nach Spuren von Leben auf fernen Planeten sucht, hält Ausschau nach Wasser. Wer nach (Menschlichkeit in) menschlichen Gesellschaften sucht, sollte Ausschau nach Kunst halten.

BARBARA BALBA WEBER leitet den Cluster Künstlerische Musikvermittlung / Music in Context an der HKB.

Merzbäuerin im Amstutz-Land Schon als Kind machte ich immer so Dinge. Beispielsweise im eigenen Zimmer undefinierte Konstruktionen angelegt, deren Bau sich über Monate hinzog. Es war eine Art Drang, eine starke Bewegung, die ich nicht unterdrücken konnte. In der Nacht blieb ich darüber wach, stand auf und baute heimlich weiter. Mein Umfeld scherte sich nicht darum. Das war einerseits vielleicht ein Glück. Aber es war auch eine himmelschreiende Dürftigkeit: Niemand bot mir für diese Tätigkeiten einen Namen an. Es gab keine Vorbilder, keine Orientierung – ich war damit mutterseelenallein ungeborgen. Bis ich dann anfing, meine Tage in den Bibliotheken zu verbringen, bis ich selbst suchen, bis ich allmählich alle diese Konstruktionen und deren Schöpfer wie eine Privatdetektivin aufspüren und ihre Philosophien ausspähen konnte. Es war ein zunächst unerklärbares, aber fürstliches Gefühl von Geborgenheit, zu erfahren, dass solche Dinge schon von anderen gemacht worden waren. Und dass sie einen Namen hatten. Merzbau beispielsweise. Dass man sich mit solchen Dingen eine Heimat schafft mitten in Sparta. Dass man damit sogar Barbaren trotzt: Ich las, wie Kurt Schwitters Nazigrössen gegenüber als MerzArier auftrat und Anna-Blume-rezitierend die Nazi-Tischtücher runterriss. Oder wie er sich später auf der Flucht vor ihnen im Internierungslager unter ein Bett gelegt und solange gebellt hatte, bis ihm ein eigenes Zimmer zugewiesen wurde. Seine Ursonate hatte einmal einem Mann das Leben gerettet, las ich, als er sie einer ihn umzingelnden Prügelbande gegenüber lautstark zu zitieren begann. Und da Kurt Schwitters der Schöpfer von Merzbau war und auch ich offenbar Merzbau betrieb, ahnte ich, dass es da Zusammenhänge geben müsse: Kunst schien etwas mit Leben, mit Mut, mit Übermut, mit Überleben zu tun zu haben. Kunst, schwante mir, ist eine Überlebensstrategie. Solche Menschen, die Schwitters oder Roth oder Cage 14

hiessen, waren von da an für mich Anker, an denen ich meine unzähligen unbehausten Ideen anbinden konnte. Natürlich wuchs ich nicht unter Nazis auf – aber man hat ja dennoch so seine Sorgen, auch im Berner Oberland. Später kam ich dann von dort weg in barbarischere Gegenden, in denen es Tag und Nacht stank, die Bitterfeld und Wolfen hiessen und wo die Kinder in der Schule von den Erwachsenen angebellt wurden. Diesen Kindern erzählte ich von Schwitters, erfand mit ihnen Merz-Sprachen, zeigte ihnen, wie man sich eigene Merz-Welten baut, wie man seine Würde als empfindsamer Mensch auch mitten im Gebell bewahren kann. Ich kam von dort als erfahrene Musikvermittlerin wieder zurück in Gegenden, die Lützelflüh oder Sigriswil hiessen, in denen Kunst und Intellektuelle teilweise gefährlich beknurrt wurden. Ich zeigte diesen Kindern und ihren Erwachsenen, wie man mit Techniken von John Cage seine Umwelt umdeutet, wie man aus Traktorgeräuschen Musik macht oder wie man sich mit bestimmten Hörtechniken ausstattet, um sich oder andere mittels György Ligeti direkt ins Universum zu versetzen. «Mit Ihnen habe ich John Cage gemacht», rief mir kürzlich eine Migros-Verkäuferin strahlend über die schlecht gelaunte Warteschlange hinweg zu. Ich strahlte über die Schlange hinweg zurück. Solche Menschen geben mir die ursprüngliche Bedeutung von Cage, Roth oder Schwitters wieder zurück, die ich in der Kunstwelt verloren habe. In der Kunstwelt nämlich, zu der ich heute ein bisschen gehören darf, bewegt Kunst nichts. Die Kunstwelt kann einzig durch Migros-Verkäuferinnen und einsam merzbauende Kinder bewegt werden. Die Kunstwelt braucht stinkende

Herausforderungen namens Bitterfeld und Wolfen. Der Sinn von Schwitters, Roth, Ligeti und Cage offenbart sich erst im AfD- oder Amstutz-Land. Kunst ohne Oberland, Kunst unter Kunstschaffenden, Kunst in einer Kunstwelt ist tot. Kunst existiert nur in der Reibung mit dem total Anderen. Deshalb gehen wir mit unserer Kunst immer wieder von der Bühne hinunter in den öffentlichen Raum und verlassen den sicheren Hort unserer Kernkompetenz. Deshalb lösen wir unsere Kunst immer wieder aus ihrem gewohnten Kontext heraus. Deshalb nehmen wir sie als kreative Vorlagen in die Hände, um sie zusammen mit unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen wieder lebendig zu machen. Dafür werfen wir gelegentlich auch Hierarchien und Autorschaften über den Haufen. Wir heutigen Merzbauern und Merzbäuerinnen.


LILIAN BEIDLER

«Durchsichtige Schüsseln? – Die haben wir in der Abteilung dort drüben, ich zeige sie Ihnen.» Mit flinken Schritten schlängelt sich die Verkäuferin im Loeb Bern durch die Gestelle der Haushaltabteilung im 4. Stock und findet eine grosse, mit Blumenornamenten verzierte Salatschüssel. Mit einem Lächeln hält sie mir das Gefäss hin. «Hm, ohne Muster wäre besser – und nicht allzu schwer», entgegne ich zögerlich und erkläre, dass ich ein möglichst neutrales, durchsichtiges Modell suche. «Brauchen Sie sie denn für etwas Spezielles?», fragt mich die Verkäuferin. «Ja, ich werde Holzgestelle bauen, die mit drei verschiedenfarbigen Leuchtbirnen ausgestattet sind. Die Schüssel kommt auf das Gestell und wird mit Wasser gefüllt. Eine Sängerin steht davor und taucht ihren Kopf ins Wasser. Je nach Farbkombination der Lampen singt sie anders.» Mit professioneller Selbstverständlichkeit geht die Verkäuferin auf meine Erklärung ein: «Wie viel Wasser sollte denn ungefähr Platz haben?» Mein Stück für Unterwassergesang wurde im Juni 2006 an der HKB uraufgeführt. Die Verkäuferin aus der Haushaltabteilung war nicht im Publikum. Hätte man mich damals nach der gesellschaftlichen Relevanz von Smoke Under Water gefragt, wäre ich wahrscheinlich nicht als Erstes auf diese Begegnung eingegangen. Bis heute hat sich mein Bewusstsein geändert. Heute würde ich sagen, dass die Verkäuferin zu meinem Publikum gehörte, dass sie sogar Teil des Produktionsprozesses war. In einer Situation wie der oben beschriebenen treffen zwei Lebenswelten aufeinander, die sich im Rahmen eines gesellschaftlichen Systems zu arrangieren versuchen. In ihre Nachfolge reihen sich Begegnungen mit aus ländlichen Gegenden immigrierten chinesi-

schen Arbeitssuchenden in einem Armenviertel von Peking, denen wir auf einer Menükarte aufgelistete Kunstaktionen nach Hause lieferten. Die Diskussion über die Besonderheit von Kunst in Abgrenzung zu anderen Berufen mit einem türkischen Wasserbauingenieur im türkisch besetzten Norden von Zypern. Oder die Gespräche mit vier Familien in Ha Mosuoa, einem kleinen Dorf im Norden Lesothos, sowie einem Ehepaar in Freienbach am Zürichsee über eine Schweizer Missionsärztin. Solche Begegnungen prägen mein Kunstschaffen, und umgekehrt. Bei all diesen Arbeiten passiert das Werk im Prozess. Als Komponistin weiss ich um meinen Zustand, den der Kurator Nicolas Bourriaud den des homo viator nennt, des reisenden Menschen. Mein Schaffen passiert nicht nur unter Einfluss von ausserkünstlerischen Umgebungen, sondern im Austausch mit ihnen. Für einen kurzen Moment schlägt es Wurzeln in fremdem Boden, nimmt auf und gibt ab. Knotenpunkt meiner Kunstpraxis ist das Bewusstsein, dass in der Berührung und im Austausch zwischen verschiedenen Lebenswelten ein Potenzial liegt. Das Potenzial, durch die Anerkennung von Andersartigkeit ein Set von semiotischen Codes zum Weltverständnis zu erweitern. Dies geschieht gerade nicht durch Übersetzung, sondern im Prozess einer Neudefinition des Bekannten, nicht durch Annäherung verschiedener Lebenswelten, sondern durch eine Umnutzung der für deren Beschreibung verwendeten Begriffe. Das Bewusstsein für die Polysemie der Salatschüssel 1 resultiert aus einer Denkweise, die künstlerische Produktion als Open-SourceProzess versteht. «The artistic practice resides in the invention of relations between consciousness»,

schreibt Bourriaud. Intersubjektivität als Quintessenz künstlerischen Schaffens fragt nach der Bereitschaft der Künstlerin, in Austausch zu treten und den Kompositionsprozess permeabel zu gestalten. So tue ich meine Arbeit als Komponistin+: Ich komponiere und ich kommuniziere. Wenn die Verkäuferin am Abend ihrer Freundin erzählt, dass sie zwei Salatschüsseln verkauft habe, die mit Wasser gefüllt besungen würden, zeugt dies von einem Bewusstsein für die Präsenz einer anderen Weltanschauung. Sie wird wohl auch in Zukunft kaum in den Konzertsaal kommen. Aber dank unserer Begegnung weiss sie, dass es Menschen gibt, die es in Betracht ziehen, in mit Wasser gefüllten Salatschüsseln zu singen.

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Polysemie der Salatschüssel

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ist Assistentin im Studiengang Sound Arts an der HKB.

Die Salatschüssel als Zeichen (griech. semeion) kann für mehrere (poly) Bedeutungsinhalte stehen. Ursprünglich aus der Sprachwissenschaft kommend, wird der Begriff Polysemie von Jenny Schrödl und Hans-Thies Lehmann zur Beschreibung der Erfahrung von Stimme im postdramatischen Theater herangezogen. 1

ANDREA GOHL ist Studiengangsleiterin im Master Contemporary Arts Practice an der HKB.

Banalität des Alltags Langsame Kamerafahrten durch Manhattan, Verweilen an Strassenecken, in der U-Bahn, an der Strassenkreuzung, vor dem Ladenlokal – nichts passiert, just hanging out, Zeit haben, sich verlieren in der Grossstadt. Chelseas Fassaden sind heruntergekommen. Es war noch vor der Gentrifizierung, es war die Zeit der Krise der amerikanischen Innenstädte. Es war auch die Zeit von vielen Künstlerinnen und Künstlern, welche die Stadt als Freiraum und als Inspiration nutzten, wie beispielsweise Chantal Akermann und ihre Kamerafrau Babette Mangolte in ihrem Film News from Home (1977). Wie sich ein Werk immer wieder neu eröffnet, aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet neue Bedeutungen erlangt, das konnte ich zum Zeitpunkt, als ich nach New York zog und Anfang der 90er-Jahre News from Home zum ersten Mal sah, nur vermuten. Obschon klar war: Zeit spielte eine wesentliche Rolle in diesem Film, im Verharren der Kamera, im genauen Hinschauen. Im Weiteren spielte

Zeit eine Rolle, indem sie Veränderungen aufzeigte, aber genau dadurch Neues eröffnete. So diente mir der Film jeweils als Reflexion über das Wesen der Stadt, über Möglichkeiten einer biografischen Momentaufnahme ebenso wie – und ganz massgeblich – über das Wesen von Bildern und deren mediale Vermittlung durch die Zeit. Ich war seinerzeit Fotografiestudentin in New York. Inspiriert haben mich die experimentellen und strukturellen Filme aus der New Yorker Avantgarde. Amy Taubin, unsere damalige Dozentin für Experimentalfilm, schickte uns ins Kino. Lange Stunden in unbequemen Sesseln im Anthology Film Archive – gemeinsam mit den film buffs, die zwischen MoMA und Anthology hin und her gingen. Gebannt von den neuen Fragen und Erkenntnissen über das Wesen von Film und Material, dem Brechen vom konventionellen Blick und von Erzählstrukturen, veränderte sich meine Sicht auf die Stadt, die Welt.

Ein Briefaustausch zwischen Mutter und Tochter. Vorgelesen als Voiceover von der Film­ autorin in der Fremde. Monoton und kühl eröffnen sich Details einer Beziehung. Sie, die Tochter, sei überstürzt abgereist, schreibt die Mutter. Zunehmende Entfremdung offenbart sich in Worten. Worte weichen Bildern und den Geräuschen der Stadt. In einer Zeit vor E-Mail und Social Media, als die Distanz noch gross war. Eine andere Dramaturgie baut sich auf in der Montage der bildlichen und der literarischen Ebene, über die Beobachtung von alltäglichen Gesten, die Choreografie auf der Strasse. Ebenen reiner Bildwerdung eröffnen sich. Welche Geschichte wird denn hier erzählt? News from Home ist ein vermeintlich einfacher Film, der als Zeitdokument bereits seine Gültigkeit haben könnte. Doch im Zusammenspiel der verwendeten Materialien, in der Reibung persönlicher Geschichte in und mit der Gegenwart der Stadt und im daraus vermittelten Bild, dem Blick und der Zeit sind

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weiterführende Fragen nach Repräsentationen angelegt. Diese Fragen beschäftigen mich als Künstlerin wie auch als Vermittlerin weiterhin und verstärken sich nochmals in unserer Gegenwart. Die Banalität des Alltags war noch nie so interessant wie heute. Alle filmen und fotografieren, vertonen und verarbeiten sie. Beobachtung und Inszenierung stehen in engem Verbund und schaffen eine neue Idee von Wirklichkeit. Fiktion oder Hyperrealität? Durch die fast uneingeschränkten Möglichkeiten des Teilens und Kommentierens entsteht ein anhaltender Wort- und Bilderstrom, der die biografische Momentaufnahme zelebriert und

bewusst für die Kamera inszeniert. Doch mit welchen Materialien haben wir es hier zu tun? Auch das Bild der Stadt verändert sich im Zusammenspiel von neuen Technologien, Medien(bildern) und wirtschaftspolitischen Entwicklungen und vermittelt sich heute anders. Die heruntergekommenen Strassen und Fassaden des 70er-Jahre-New-Yorks sind längst zum Klischee geworden, zu einer Grossstadtromantik vergangener Zeit. Unsere gegenwärtigen Medien führen es in noch viel rasanterem Tempo vor, wie schnell Bilder datiert sind und altern. Auf Augenhöhe. Die kleinste Bewegung der Kamera verändert die Aussage des Bilds. Babette Mangolte schaffte als Kamerafrau Bilder, die den unspektakulären Moment festhielten. Das einfache Hinschauen enthüllt jedoch den Moment des Filmens wie auch den Moment selbst und den Moment des Bildwerdens. Entschlackt von dramaturgischen Mitteln, entsteht ein neuer Raum der Erzählung oder Bedeutung. Hier vereint sich die Gezieltheit des Blicks mit der Offenheit des Bilds. Eine Künstlerin, die Zeit ihres Lebens befangen war von ihrer familiären Geschichte und dem Wunsch, dieser zu entkommen, setzt sich immer wieder mit Fragen von Nähe und Distanz, Präsenz und Verortung persönlicher Geschichte auseinander. Im Verweilen, Behausen, Präsent-Sein in den Beobachtungen durch die Kamera öffnet sich eine neue Möglichkeit des Ankommens und Sich-Verlierens in Akermans Fremde. Was ist «Home» und was sind die «News»? Als Reisebericht reisst der Film im Kontrast zu unserer Hypermobilität im Easyjet-Zeitalter die Frage nach Nähe und Distanz nochmals neu auf.

Die Offenheit der Bilder in News from Home lassen mich immer wieder neu einsteigen. Und vielleicht lässt diese Langsamkeit und Offenheit den Film aus heutiger Perspektive immer noch so radikal erscheinen – in diesem Bewusstsein über die Materialien, deren sich der Film bedient, und dem Vertrauen, dass diese über die Zeit wieder etwas Neues herstellen werden. So wie sich die Mittel und medialen Kontexte verändert haben, verknüpft mit den sozialen und politischen Bedingungen (beispielsweise der Stadt), so verändert sich auch die Erkenntnis über unsere eigene Position und Situation darin.

GILA KOLB ist Dozentin im Master Art Education an der HKB und der PH Bern.

Bedeutungen verschieben Im letzten Sommer fand die documenta 14, eine der wichtigsten Grossausstellungen zeitgenössischer Kunst, in Kassel statt. Mit drei Beispielen aus deren Kontext möchte ich auf die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz von Kunst antworten: 1) An einem der Hauptausstellungsorte der documenta 14 befand sich ein Raum, der von der Gruppe The Society of Friends of Halit1 gestaltet wurde. Auf den ersten Blick war jedoch nicht zu erkennen, dass der Raum nicht von den Kuratorinnen und Kuratoren der documenta 14 konzipiert war, sondern zum Begleitprogramm, dem Parlament der Körper, gehörte. Thema des Beitrags war der bis heute nicht aufgeklärte Mord an Halit Yozgat am 6. April 2006 in einem Internetcafé in Kassel, der der rechten Terrorgruppe NSU zugeordnet wird. Zu sehen waren: eine Fotografie, ein Video von der Demonstration Kein 10. Opfer (2006), mehrere Videos von Personen, die aus verschiedenen Perspektiven über strukturellen Rassismus in Deutschland und Folgen rechten Terrors sprachen, sowie eine Videorekonstruktion des Tathergangs (77sqm_9:26min) der Gruppe Forensic Architecture.2 Die gesamte Arbeit löste erhebliche inhaltliche und formale Debatten auf verschiedenen Ebenen aus. Einige der zentralen Fragen der Kunstkritikerinnen und -kritiker waren, ob diese Arbeit Kunst oder vielmehr politischer Aktivismus sei und wie man darüber sprechen könne, wenn sie doch eindeutig nicht zur Ausstellung gehört, da sie weder im Katalog noch in der Künstlerliste aufgeführt wurde. Es gab zudem realpolitische Auswirkungen: Im NSU-Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags und im Gerichtsprozess gegen eine Verdächtige wurde darüber verhandelt, ob das

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«künstlerische» Video 77sqm_9:26min als Beweismittel verwendet werden kann. In beiden Fällen wurde dies nicht zugelassen, entfachte aber dennoch–oder gerade deshalb–eine gesellschaftliche Diskussion in ungewohnter medialer Breite. Die Frage, ob eine Gruppierung politischer Aktivistinnen und Aktivisten eine Kunstausstellung für ihre Inhalte nutzte oder umgekehrt, ob die Kunstausstellung vom politischen Aktivismus profitiert, bleibt hierbei offen. 2) Ein anderes Beispiel der documenta 14 ist Das Fremdlinge und Flüchtlinge Monument von Olu Oguibe, das in Form eines Obelisken auf einem zentralen Platz in der Kasseler Fussgängerzone aufgestellt wurde. Eine goldene Inschrift in vier Sprachen verkündet: «I was a stranger and you took me in.» Auch nach Ende der documenta 14 steht es noch dort und entfacht bis heute heftige Diskussionen, zum Beispiel darüber, ob es die Stadt Kassel zusätzlich zu den von der Ankaufskommission bereits bewilligten Arbeiten ankaufen soll. Ein Stadtabgeordneter der rechtsnationalen Partei AfD hat den Obelisken als «ideologisch-polarisierende entstellende Kunst» bezeichnet und damit erstaunlicherweise keine grössere lokale Diskussion ausgelöst, obgleich die Nähe zu dem zwischen 1933 und 1945 verwendeten Begriff der «entarteten Kunst» unschwer zu überlesen ist. Auf einer Podiumsdiskussion am 13. April 2018 zum Thema kommentiert die Kasseler Pädagogin und Aktivistin Ayşe Güleç: «Solange Politiker/innen ‹entstellte Kunst› sagen, brauchen wir den Obelisken.» 3) Doch nicht nur die Ausstellung, auch die Kunstvermittlung auf der documenta 14 hat ihre gesellschaftspolitische Relevanz vorgeführt, und das obwohl sie auch in der Öffentlichkeit durchaus umstritten war. Seit Sommer 2017 beschäftige ich mich im Rahmen des Forschungsprojekts The Art Educator’s Walk – Handeln und Haltung von

Kunstvermittler/innen zeitgenössischer Kunst am Beispiel der Grossausstellung documenta 14 in Kassel gemeinsam mit Carina Herring, Mara Ryser und Maren Polte damit, wie Kunstvermittlung auf der documenta 14 stattgefunden hat und umgesetzt wurde. Wir haben uns gefragt, welche kunstvermittlerische Haltung zwischen Dienstleistung und kritischer Praxis die sogenannten «Chorist*innen» entwickeln und begründen würden. In den mit den Kunstvermittlerinnen und -vermittlern geführten Interviews stellten wir differenzierte Wahrnehmungen der eigenen Rolle und des Handelns fest. Unsere teilnehmenden Beobachtungen zeigten zudem unterschiedliche Handlungsweisen und Haltungen im Umgang mit den Erwartungen der Besucherinnen und Besucher auf. Deren Erwartungen bestanden häufig darin, während eines sogenannten «Spaziergangs» an die Ausstellung herangeführt zu werden, um die Kunstwerke besser zu verstehen. Diesem Wunsch konnte schon aufgrund der Konzeption der Ausstellung kaum entsprochen werden, da sie sich weniger als ein abgeschlossenes Referenzsystem denn als ein komplexes Gefüge unterschiedlicher Experimente verstand (vgl. Latimer/ Szymczyk 2017, S. 22).3 Eine kunstvermittlerische Praxis musste sich also positionieren zwischen einerseits der Erwartung der Besucherinnen und Besucher, eine Ausstellung erklärt zu bekommen, und der vom künstlerischen Leiter festgelegten Absicht andererseits, ein komplexes Gefüge des VoneinanderLernens, der gemeinsamen Wissensproduktion und einen damit verbundenen Rollenwechsel des Publikums als «wahre BesitzerInnen» (ebd., S. 37) zu zeigen. Mir ist an der documenta 14 klar geworden: Die beiden künstlerischen Beispiele führen eindrücklich vor Augen, welchen Möglichkeitsraum Kunst eröffnen kann und wie deren Grenzen erneut vermessen und erweitert wurden – und wie politisch aktuelle Kunst sein kann. Hinsichtlich der Kunstvermittlung wurde mir


klar, dass ihr Potenzial weitaus grösser ist, als mit Informationen, Erwartungen und institutionellen Gegebenheiten zu jonglieren. Sie kann, wie die Kunst selbst, in die Realität eingreifen, Bedeutungen verschieben und gegebenenfalls dabei auch für herbe Enttäuschungen sorgen. Dies halte ich allerdings für eine Qualität, da es ihr die Möglichkeit bietet, sich immer wieder neu zu definieren. Wenn sich dann, wie auf der documenta 14, der Fokus von «wir, die Vermittlerinnen, die Institution, die Ausstellungsmacherinnen zeigen den Besuche-

rinnen und Besuchern etwas» dahin verschiebt, dass alle etwas (ver-)lernen, dann eröffnet sich ein transformatives Potenzial, das aus meiner Sicht deutlich mehr transformierte, als es womöglich institutionell intendiert war. Mit diesem Ansatz verstehe ich die documenta 14 und ihre Kunstvermittlung im Sinne politischer Bildungsprozesse – zumindest innerhalb der genannten Beispiele – dann nicht nur als repräsentativ, sondern als transformatorisch relevant.

1 The Society of Friends of Halit, coordinated by Ayşe Güleç: documenta14.de/en/public-programs/22411/the-society-offriends-of-halit 2

forensic-architecture.org/case/77sqm_926min/

Quinn Latimer und Adam Szymczyk (Hg.): Der documenta 14 Reader. Prestel Verlag, München 2017. 3

Spitzensport, Kunst, Emotionen Im April ging ein bemerkenswertes Ereignis durch die Medien: Ronaldos perfekter Fallrückzieher in der Champions League gegen Roma, mit dem er sich einmal mehr als weltbester Fussballer bestätigte. Sein Wert als Sportler, Werbeträger, Idol steigt damit nochmals um ein paar Millionen. Spitzensport für viele. Und was ist mit der perfekt ausgeführten Chopin-Etüde? Dem brillanten Terzenlauf auf dem Klavier? Auch das ist eine Höchstleistung mit einer jahrelangen, kostspieligen Vorbereitung und Ausbildung, auch das ist von Glück und Tagesform abhängig und gelingt nur selten. Spitzensport für wenige. Musik heute ist relevant vor allem als Wirtschaftsfaktor; würde man zählen, wie viele Menschen direkt und indirekt davon leben, man würde sich die Augen reiben. Programmierer bauen Streaming-Apps, Journalistinnen schreiben, was Drucker drucken, Kommissionsmitglieder jurieren, Garderobenfrauen stressen,Intendanten,Dramaturginnen,Klavierstimmer, Notenverkäuferinnen und vieles mehr. Die Musiker selber, ihre Ausbilderinnen und Verwalter kriegen auch ein bisschen was ab.

Inhalt? Kunst findet in einem geschützten Raum statt, sagt Helmut Lachenmann richtig. Sie dient der gesellschaftlichen Homöostase, der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts. Sie bestätigt, dass alles bestens funktioniert. Zu denken, sie hätte einen Einfluss auf irgendwas, nennt er Donquichotterie, auch das zu Recht (zudem gilt dieser Gedanke an Relevanz oder an einen «aufklärerischen Impetus» gegenwärtig ja als veraltet – so «Siebziger»). Kunst (im Unterschied zu Kultur, die das Bestehende pflegt und in der Pflege seiner Substanz beraubt – wie z.B. klassische Musik) kann höchstens ein individueller Reflex der Produzierenden auf ihre Gegenwart sein, in der sie leben. Aber ist dieser Reflex bewusst und beabsichtigt? Oder geschieht er – zwischen den Zeilen? Finden wir etwas vom Leben in unserer allgegenwärtigen Warenwelt, der umfassenden Atomisierung zu selbstoptimierenden Konsumentinnen und Konsumenten, in der aktuellen Kunstproduktion? Wusste Mozart, dass seine Arbeit etwas mit der Französischen Revolution zu tun hatte, wie wir das heute im Rückblick analysieren können? Und plante Beethoven

das perfekte Matchen seiner Kompositionen mit Hegels Dialektik, Schopenhauers Idee des Willens und Schillers Idealismus? Aus dieser Sicht ist Kunst das Produkt von Einzelnen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – entschieden haben, Künstlerinnen und Künstler zu sein, und das zweifellos gut machen wollen; vermittelt von einem Heer von Vermittlerinnen und Vermittlern; als reizvolle (auch wertvolle) Dekoration für ein gebildetes, sachverständiges Publikum, das so bekommt, was es auch in den Shoppinghallen oder im Spitzensport sucht: Emotion.

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ist Professor für Musiktheorie an der HKB.

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ANDREAS STAHL

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CHRISTOPH BRUNNER ist an der HKB Beauftragter für Chancengleichheit und Inklusion, Studienleiter im Weiterbildungsschwerpunkt Musikpädagogik sowie Mitglied des BFH-Projektteams Diversity.

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Ungleich verschieden – zur sozialen Verantwortung einer Kunsthochschule Mit dem Praxisprojekt Kunst, Konflikt & Kooperation, einem Angebot der Weiterbildung, begab sich die HKB in diesem Frühjahr auf Neuland. 17 Kulturschaffende aus der ganzen Schweiz nahmen an diesem Kurs teil. Die Reaktionen und Kommentare waren kontrovers. Die HKB-Zeitung lässt einen Projektleiter zu Wort kommen. Der Schellenursli als Weltverbesserer? Was hat denn die Bündner Geschichte eines Knaben, der sich nicht mit der ihm zugeteilten Rolle zufriedengibt, mit dem Alltag syrischer Flüchtlingskinder zu tun? Und was mit den Zielsetzungen und Lehrinhalten einer Kunsthochschule? Fragen, auf die ich sowohl als Beauftragter für Chancengleichheit, als Kulturvermittler und als Leiter von Weiterbildungsstudiengängen eine Antwort suche. Im vergangenen Februar sind die drei Arbeitsfelder im Rahmen eines Vermittlungsprojekts in Jordanien zusammengekommen. Third Mission: Vielfalt nachhaltig gestalten «An der BFH studieren und arbeiten Menschen unterschiedlicher Herkunft. Auf diese Diversität gilt es angemessen zu reagieren.» So heisst es lapidar im aktuell gültigen Papier zu Diversity an der Berner Fachhochschule. Wieso eigentlich? Was heisst angemessen? Und wie könnte ein Diversity Management aussehen, das nicht nur reagiert, sondern proaktiv handelt? Wieso eigentlich: Vielleicht, weil rund 40 Prozent der in der Schweiz lebenden Menschen einen Migrationshintergrund haben? Oder weil diejenigen, die keine «Hiesigen» sind, nach wie vor strukturell höhere Hürden überwinden müssen als der Rest von uns?1 «Das ist nicht nur für jene von uns ein Problem, die nicht vorkommen, sondern auch für jene von uns, die darin die Hauptrolle spielen.»2 Genügt es, Fairness zu proklamieren und mögliche Diskriminierungen zu analysieren, um zu einer tatsächlich chancengleichen Hochschule zu gelangen? Falls wir die politische Forderung nach gesellschaftlicher Teilhabe aller teilen und von der Notwendigkeit überzeugt sind, sämtliche vorhandenen Potenziale zu nutzen, dann werden wir uns mit der zentralen Frage beschäftigen müssen, wie wir als Hochschule mit Menschen umgehen wollen, die nicht ins normative Schema passen. Diversity Management beschäftigt sich inmitten gravierender sozialer und politischer Veränderungen unter anderem mit der Gestaltung von inklusiven Strukturen. Nachhaltige Entwicklung und soziale Verantwortung können sich in einer lernenden Organisation etwa in einer grösseren Durchlässigkeit durch die Rekrutierung von bisher unterrepräsentierten Gruppen manifestieren oder in der Erweiterung des Lernortes Hochschule durch Konzepte wie community outreach oder service learning. Dieses Selbstverständnis hat sich vor allem in angelsächsischen Ländern als third mission (neben Lehre und Forschung) seit einigen Jahren etabliert. An der HKB beschäftigt sich momentan eine strategische Arbeitsgruppe zu sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit mit diesem Thema.3

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Art in Conflict / Art for Social Change Weltweit gelten laut DEZA über 40 Staaten als fragil oder gewalt- und konfliktbetroffen. In diesen Ländern leben rund 1,5 Milliarden Menschen. Künstlerische Ausdrucksformen werden zunehmend als Formate zur Konflikttransformation in der humanitären Hilfe und in der Entwicklungszusammenarbeit wahrgenommen. Gut durchdachte und strukturierte kulturelle Bildung leistet in Konfliktgebieten wertvolle Arbeit. Für Menschen in fragilen Kontexten kann die Begegnung mit Kunst eine Ahnung von Normalität symbolisieren; sie erfahren sich nicht nur als Individuum, sondern als integralen Bestandteil eines grösseren

kulturellen Kontexts – ein überlebenswichtiger Faktor für Menschen, die ihren Bezugsrahmen verloren haben. In Flüchtlingslagern wird die Bedeutung künstlerischer Aktivitäten oft übersehen. Die wenigen existierenden Studien zeigen jedoch, dass sie eine wichtige Rolle spielen können bei der Lösung psychosozialer Probleme sowie als Sensibilisierungs- und Erziehungstool. Dies spiegelt auch den allgemeinen Trend zu einer ganzheitlicheren Herangehensweise in der Flüchtlingskrise: Der UNHCR und andere Organisationen verstärken zunehmend die psychosoziale Dimension ihrer Programme und suchen vermehrt nach partizipativen Lösungen in der humanitären Hilfe. Flüch­ tende werden so nicht mehr länger nur als Empfänger verstanden, sondern gestalten Programme zu ihrem Nutzen aktiv mit. In diesem Kontext können künstlerische Aktivitäten dazu beitragen, auf der Flucht verlorene oder beeinträchtigte Fähigkeiten wieder zu erlangen. In der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit ist dies jedoch noch kaum spürbar: Kulturelle Projekte der DEZA etwa beschränken sich weitgehend auf die Unterstützung von Kulturschaffenden aus dem Süden beim Zugang zur Kulturszene in der Schweiz.4 Natürlich ist die Wirksamkeit von künstlerischer Arbeit nicht auf die Herkunftsländer beschränkt: Als Mittel sozialer Integration und zur Stärkung kultureller Identitäten wird sie auch bei uns eingesetzt.5 Auch hier haben uns allerdings angelsächsische Länder einiges voraus: Davon zeugen verschiedene Initiativen im Bereich Art in Conflict / Art for Social Change 6. Praxisprojekt der HKB Das Praxisprojekt Kunst, Konflikt & Kooperation der HKB ermöglichte Kulturschaffenden einen Einblick in die künstlerische Arbeit mit Menschen in fragilen Kontexten. Die insgesamt 17 Teilnehmenden konnten praktische Arbeitserfahrungen im konfliktbelasteten Kontext Jordaniens sammeln (siehe nebenstehenden Text) und erhielten Inputs und Empfehlungen für deren Umsetzung in der Schweiz. Nach vorbereitenden Inputtagen an der HKB hat die Gruppe während zehn Tagen in drei verschiedenen Kontexten mit Flüchtlingen vor Ort gearbeitet. Begleitet wurde sie von einem mehrspartigen Leitungsteam sowie Vertreterinnen und Vertretern der Schweizer Stiftung NOIVA, die seit längerer Zeit im Land tätig ist. Neben der Erfahrung der Vermittlungsarbeit in einem fremden Umfeld und mit Künstlerinnen und Künstlern unterschiedlicher Sparten ermöglichte das Praxisprojekt auch die Vernetzung mit internationalen Organisationen und Begegnungen mit künstlerischen Projekten vor Ort. Die erfahrenen Mitarbeitenden in Amman boten Schutz, Begleitung und wichtiges lokales Know-how und ermöglichten so Zugänge und Begegnungen mit Flüchtlingen, die ohne diese Zusammenarbeit nicht möglich gewesen wären. Vielfältig waren die Erfahrungen im Praxisprojekt Kunst, Konflikt & Kooperation vor Ort: Syrische Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Schützlinge erstmals in einem Bühnenprojekt begleiten und ihre Rolle dadurch völlig neu erfahren; Kinder, die selbstvergessen im Spiel mit Kartonmasken oder Kuhglocken aufgehen; gemeinsame Tanzerfahrungen mit allerlei kreativen Lösungen zur Überbrückung interkultureller Schwierigkeiten – sowie zahllose individuelle Begegnungen mit kleinen und grossen Menschen, die Begegnung, Austausch und Sinn suchen. Ausblick Was lernen wir daraus? Natürlich wird sich die HKB Gedanken sowohl über eine Weiterführung des Jordanienprojekts machen wollen als auch darüber, wie die gewonnenen Erkenntnisse in neue Vermittlungskontexte zu übertragen sind.7 Bereits jetzt besteht für die Teilnehmenden des Pilots die Möglichkeit, ein

auf dem Praxisprojekt aufbauendes Weiterbildungszertifikat (CAS) zu erwerben. Die zentrale Frage wird jedoch sein, ob wir als Hochschule bereit sind, soziale Verantwortung breiter wahrzunehmen und als lernende Organisation zu einer grösseren Durchlässigkeit zu gelangen. Im Rahmen der BFH-Strategie ist eine Arbeitsgruppe daran, bis Anfang 2019 ein umfassendes Diversity-Konzept zu erarbeiten. Die Gestaltung der Vielfalt von Studierenden und Mitarbeitenden wird darin als Kernaufgabe der Hochschulentwicklung betrachtet.8 «Diversity Management ist kein Projekt und keine Reihe von Einzelmassnahmen. Es ist eine Reise und sollte bei jeder Entscheidung mitgedacht werden.»9

Zum Thema struktureller Diskriminierung vgl. z.B. Tangram Nr. 24 (Eidg. Kommission gegen Rassismus, 2009) oder humanrights.ch 1

Vgl. dazu den Artikel von Bernhard C. Schär in der Republik vom 23.4.2018.

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Vgl. dazu auch die ISO-Norm 26000 zu sozialer Verantwortung: iso.org/iso-26000-social-responsibility.html 3

Etwa im SüdKulturFonds des von der DEZA getragenen Kompetenzzentrums Artlink: artlink.ch

4

So etwa im Zürcher Flüchtlingstheater Malaika: fluechtlingstheater-malaika.ch 5

6

Wie zum Beispiel die Londoner Stiftung PAN: pan-arts.net

Vorreiterin eines diesbezüglichen Kompetenzaufbaus in der Schweiz ist die Stiftung Art as Foundation: artasfoundation.ch/de/ziele 7

Von 2010 bis 2012 wurde vom deutschen Stifterverband ein Audit zur umfassenden Planung und Evaluation entwickelt und an mehreren Hochschulen implementiert: stifterverband.org/medien/vielfalt-gestalten 8

9 Aletta Gräfin von Hardenberg, Geschäftsführerin der Charta der Vielfalt: charta-der-vielfalt.de

Literaturtipp: Irene Kriesi et al. (Hg.): Gender und Migration an Universitäten, Fachhochschulen und in der höheren Berufsbildung. Dampfboot Verlag Münster, 2016.

CHALANDAMARZ IN DER JORDANISCHEN WÜSTE Mitte Februar reisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, Bildende Kunst sowie Kulturvermittlung in die jordanische Hauptstadt Amman. Begleitet wurden sie von einem dreiköpfigen Leitungsteam (Sinje Homann, Theater; Bettina Holzhausen, Tanz, und Christoph Brunner, Musik) sowie während einigen Tagen von einem Journalisten des Berner Bund. Gearbeitet wurde in drei verschiedenen Kontexten: Mafraq Eine Kleinstadt im Norden des Landes, dessen Bevölkerung sich seit dem Ausbruch der Syrienkrise nahezu verdoppelt hat. Rund 120 Flüchtlingskinder zwischen 4 und 14 Jahren aus einem Homeschooling-Projekt der Stiftung NOIVA haben mit uns zusammen Elemente aus der Schellenursli-Geschichte entdeckt. Aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen – kaum Zeit zur interdisziplinären Teambildung, grosse Altersspanne, eingeschränkte Verfügbarkeit der Kinder, wenig Platz auf der Bühne – hatte sich das Leitungsteam für den roten Faden dieser Geschichte entschieden. Die Kinder kamen sich dabei wohl manchmal so vor wie im Gleichnis der drei Blinden, die an unterschiedliche Körperteile eines Elefanten herangeführt werden und daraufhin das Tier völlig unterschiedlich beschreiben. Dies ermöglichte jedoch ein Arbeiten am jeweiligen Kern einer Szene (etwa Gemeinschaft, Enttäuschung, Abenteuer, Fest) und weniger am narrativen Strang der ganzen Geschichte. Trotz kritischer Stimmen, die die Kinder dadurch überfordert sahen und eine zu direktive Arbeitsweise monierten: Die Aufführungen waren von leuchtenden Kinderaugen, ausgelassenen Tänzen sowie handgeschriebenen Gedichten und Zeichnungen geprägt. Die Empfänglichkeit für die ungewohnten Impulse erlebten die Projektteilnehmenden aus der Schweiz auch auf eindrückliche Weise im persönlichen Austausch mit den syrischen Lehrkräften bei individuellen Hausbesuchen. Baqa’a Camp Ein seit 1968 bestehendes «Camp» (heute mehr ein Stadtteil) nördlich von Amman, das von rund 100 000 palästinensischen Flüchtlingen bewohnt wird. Aufgrund einer geänderten Betreuungssituation mussten wir kurzfristig umdisponieren: Möglich wurde die Begegnung mit einer Theatergruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die regelmässig an verschiedenen Orten Jordaniens auftritt. Zwei sehr unterschiedliche

Welten trafen da aufeinander: Die weitgehend undialektische Darstellung der palästinensischen Leidensgeschichte – untermalt mit hochdramatischer Musik aus einem scheppernden Ghettoblaster – war für uns Westler ebenso gewöhnungsbedürftig wie die prozesshafte Arbeitsweise unserer Theaterpädagoginnen für sie. Die weitgehend ad hoc geplante Aufführung führte dann jedoch zu kreativen Miniszenen und ausgelassenen Tänzen samt Unterstützung der hauseigenen Band. Azraq Camp Ein gigantisches, 2014 errichtetes Lager in der jordanischen Wüste für bis zu 100 000 syrische Flüchtlinge unter der Leitung des UNHCR. Die Kinder gehen halbtags zur Schule und es existiert in jedem Sektor ein child friendly space (Spielplatz sowie Container mit Spiel- und Therapieangeboten). An strukturiertes Arbeiten oder an eine öffentliche Aufführung war hier kaum zu denken: Anstelle der erwarteten 40 bis 60 tauchten an jedem Halbtag jeweils 150 bis 200 Kinder auf! Fast sämtliche Pläne mussten wir so über den Haufen werfen, die individuellen Ressourcen schnellstens nach brauchbaren Handlungsmöglichkeiten durchsuchen sowie eine neue Rolle im heterogenen Team suchen. Das war eine Herausforderung und gelang nicht immer ... aber dank der beeindruckenden Offenheit und Unterstützung der Freiwilligen vor Ort entstand spontan eine vielfältige Palette von Aktivitäten. Hier stand eindeutig nicht die künstlerische Arbeit im Zentrum, sondern die intensive Begegnung im gemeinsamen Tun bei stundenlangen Klatschspielen, gemeisterten Hechtrollen und wie Schätze gehüteten Windrädern aus PET-Flaschen. Das fragende «bukra?» (morgen) zum Abschied wird uns allen lange in den Ohren nachklingen!


JAN ZYCHLINSKI ist Dozent im Departement Soziale Arbeit der Berner Fachhochschule.

Durch vielfältige Besuche in den Konfliktgebieten der ehemaligen Sowjetunion, vor allem im Süd-Kaukasus (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) und in der Ukraine, habe ich viele Erfahrungen im Umgang mit Konflikten und deren Folgen sammeln und diese in mein Verständnis von Sozialer Arbeit einfliessen lassen können. Ebenso beschäftige ich mich seit fast 20 Jahren mit Sozialer Stadtentwicklung, zunächst in der Praxis, seit 2007 als Dozent an der Berner Fachhochschule. In verschiedenen Fotodokumentationen, die ich gleichzeitig mit Workshops, Trainings und Projektberatungen in den genannten Konfliktgebieten durchführte, sowie durch meine Erfahrungen bei der Organisation von Kunstprojekten in der Sozialen Stadtentwicklung wurde mir je länger, je klarer, an wie vielen Stellen es Berührungspunkte zwischen Sozialer Arbeit und Kunst gäbe und gibt, aber auch, an wie vielen Stellen diese Möglichkeiten noch nicht genutzt werden. Die nachfolgenden Gedanken drehen sich um die Frage gesellschaftlicher Einmischung in Situationen, die sich konflikthaft gestalten, sei es im internationalen Kontext oder aber auch bei uns vor der Haustür. Was hat Kunst mit Gesellschaft zu tun? Um diese Frage dreht sich ja die aktuelle Ausgabe der HKB-Zeitung und die Antworten fallen sicher sehr unterschiedlich aus. Zunächst wird hier die These vertreten, dass Kunst an sich, sowohl als Prozess wie auch im Ergebnis, ein gesellschaftliches Phänomen ist. Ohne irgendeine Art von Sozialisation, also Einbindung in welche Form von Gesellschaft auch immer, ist eine individuelle Menschwerdung als Voraussetzung jedes Künstlers, jeder Künstlerin nicht möglich. Andererseits braucht es auch die Anerkennung der Kunst als Kunst durch ein soziales Umfeld. Damit wird die Frage nach dem Zusammenhang von beidem auf der Basisebene erst einmal beantwortet. Was aber nun mit der Sozialen Arbeit? Sie trägt das Wort sozial im Namen und bezeichnet damit zunächst nichts anderes als Arbeit im und am Sozialen, also in und an der Gesellschaft – interessanterweise finden sich diese grundsätzlichen Ausführungen so nicht in den anerkannten Definitionen Sozialer Arbeit als eigene Profession. In und an der Gesellschaft. Diese Überlegungen führen natürlich nicht automatisch dazu, dass zwischen Kunst und Sozialer Arbeit ein direkter Zusammenhang hergestellt werden muss. Er kann es aber vor allem dann, wenn die gesellschaftlichen Prozesse und Erscheinungen, die von beiden mit je unterschiedlichen Perspektiven, theoretischen und praktischen Hintergründen «bearbeitet» werden, die gleichen sind.

Impressum HKB-Zeitung Aktuelles aus der Hochschule der Künste Bern HKB, N°2/2018

Herausgeberin: Berner Fachhochschule BFH Hochschule der Künste Bern HKB

Darüber hinaus sind sowohl die Kunst wie auch die Soziale Arbeit transdisziplinär ausgerichtet und ermöglichen dadurch den Anschluss an eine Vielzahl gesellschaftlicher Bereiche. Vor allem haben beide oft eines gemeinsam: die Einmischung in gesellschaftliche Prozesse und die Auseinandersetzung mit konflikthaften und aus der jeweiligen Perspektive zu verändernden Erscheinungen. Wie die Kunst hat auch die Soziale Arbeit beim Umgang mit und der Bewältigung von gesellschaftlichen Konflikten ganz eigene Kompetenzen. Diese Konflikte können lokal oder regional verortet sein (Beispiel «Recht auf Stadt») oder aber auch auf internationaler Ebene. Aktuell ist es vor allem die Debatte um flüch­ tende und geflüchtete Menschen, die durch die Selbstbetroffenheit unserer Wohlstandsnationen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Die Debatte wird sehr stark medial geführt, aber immer wieder kommt es zu direkten Interventionen und Projekten. Die zunehmenden bewaffneten Konflikte zeigen ihre Wirkungen immer mehr auch bei uns und das Nachdenken über die Ursachen betrifft auch immer mehr unsere Gesellschaften. Aber es gibt auch eine Vielzahl von Konflikten, die hierzulande kaum bekannt sind und deren Dimensionen aus unserer Perspektive kaum vorstellbar sind. Neuer Trend «Art and Conflict» Innerhalb der Kunst gibt es seit geraumer Zeit den Ansatz der Art and Conflict, wo mit künstlerischen Mitteln versucht wird, sich in konkrete Konflikte überall auf der Welt einzuschalten und entweder direkt zur Lösung oder zumindest zur Linderung ihrer Auswirkungen beizutragen. In der Sozialen Arbeit sind Konflikte seit jeher ein wichtiges Thema und werden daher nicht so explizit benannt. Oft wird dabei auf die Konflikte der Individuen geschaut und auf deren Probleme bei ihrer individuellen Lebensbewältigung. Wenn es um grössere gesellschaftliche Auseinandersetzungen, wie z.B. um den bereits angesprochenen öffentlichen bzw. Stadt-Raum oder politische und kriegerische Konflikte geht, die ganze Gesellschaften oder zumindest wesentliche Teile davon betreffen, sind die Akteurinnen und Akteure der Sozialen Arbeit eher zurückhaltend. Gerade hier aber haben sie einen klaren Auftrag, in diesem Fall tatsächlich aus der eigenen internationalen Definition heraus: Neben der Lösung sozialer Probleme – die sowohl innerhalb der Sozialen Arbeit als auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung meist im Mittelpunkt steht – lautet dieser, den sozialen Wandel zu fördern, sich also in die gesellschaftliche Entwicklung einzumischen. Mit ihrer Tradition wie auch aktuell im Kontext des Social bzw. Community Development stehen eine Vielzahl von Erfahrungen und Kompetenzen zur Verfügung, die sich auf gesellschaftliche Veränderungen richten. Dies bedeutet auch – wie bei Art and Conflict –, dass die Soziale Arbeit neben dem helfenden Ansatz die Orientierung wieder stärker an ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung ausrichtet. Schaut man auf die Geschichte, findet

Redaktion: Christian Pauli (Leitung) Peter Kraut Marco Matti Nathalie Pernet Gaia Renggli Andi Schoon Raffael von Niederhäusern

sich diese Perspektive bereits in der englischen, vor allem aber der US-amerikanischen Settlementbewegung, die eine wichtige Zäsur in der Entwicklung der modernen Sozialen Arbeit darstellt. Diese Bewegungen zielten explizit auf die Veränderung der Lebensverhältnisse in den im Kontext der Industrialisierung entstehenden Arbeitersiedlungen ab. Dass zu dieser Zeit – wie auch heute in der Gemeinwesenarbeit – auch stark auf kulturelle Aktivitäten gesetzt wurde, sei hier nur nebenbei erwähnt. Für Soziale Arbeit in grösseren Konfliktsituationen ist daraus abzuleiten, dass sie sich neben der Hinwendung zu den einzelnen jeweils betroffenen Menschen auch dem Gesellschaftlichen zuwendet und hier aktiv wird. Es ist wichtig und zählt zu den Kernkompetenzen Sozialer Arbeit, in Konfliktsituationen unmittelbare Hilfe zu leisten und z.B. bei der Traumaverarbeitung oder der psychosozialen Versorgung mitzuwirken. Bei solchen Projekten der Sozialen Arbeit besteht jedoch die Gefahr, dass sie als additiv zu den Aktivitäten wie materielle Nothilfe, infrastruktureller Wiederaufbau, Politikberatung etc. angesehen werden, die von den Hauptakteurinnen der Konfliktbearbeitung wie den staatlichen Entwicklungsorganisationen oder grossen internationalen NGOs durchgeführt werden. Analog dazu ist bis heute nicht selbstverständlich, dass Soziale Arbeit z.B. in Stadtplanungsprozesse oder Planungen im ländlichen Raum eingebunden wird, die ja alle Teile der Gesellschaft betreffen und aufgrund der komplexen Akteurkonstellationen per se konflikthaft sind. Hier kann die Soziale Arbeit ebenfalls einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass diese Handlungsfelder, analog zu den Eingangsthesen, als soziale Prozesse verstanden und gestaltet werden. Die beiden genannten Bereiche der Planung und der gesellschaftlichen Konfliktbearbeitung stehen exemplarisch dafür, dass die Soziale Arbeit als Akteurin in gesellschaftlich komplexen und von Konflikten geprägten Feldern Position beziehen kann und sollte. Hier wiederum trifft sie sich mit einer Kunst, die ebenfalls den Anspruch hat, sich gesellschaftlich einzubringen.

Gestaltungskonzept und Layout: Atelier HKB, Marco Matti (Leitung) Moana Bischof Lara Kothe Renate Salzmann Illustrationen 1. Bund: Severin Hürzeler, buero-oh.ch Druck: DZB Druckzentrum Bern Auflage: 8000 Exemplare

Erscheinungsweise: 4 x jährlich © Hochschule der Künste Bern HKB. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitung darf ohne schriftliche Genehmigung der HKB reproduziert werden. Berner Fachhochschule BFH Hochschule der Künste Bern HKB Fellerstrasse 11, CH-3027 Bern hkb.bfh.ch | facebook.com/hkb.bern

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Als Akteurin in gesellschaftlich komplexen und von Konflikten geprägten Feldern kann und soll die Soziale Arbeit Position beziehen. Hier trifft sie sich mit der Kunst, die ebenfalls den Anspruch hat, sich gesellschaftlich einzubringen. Ein Plädoyer für eine gesellschaftlich engagierte Kunst eines Dozenten in Sozialer Arbeit.

JUNI –  AUG UST 2018

Kooperationen zwischen Sozialer Arbeit und Kunst

Die Einnahmen aus den Inseraten kommen vollumfänglich dem Stipendienfonds zugute, der HKBStudierende in prekären finanziellen Verhältnissen gezielt unterstützt. hkb.bfh.ch/stipfonds

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JUNI –  AUG UST 2018

Etel Adnan, Ohne Titel, 2010, Öl auf Leinwand, 24 x 30 cm (Ausschnitt), Courtesy the artist and Sfeir-Semler Gallery, Hamburg/Beirut

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Etel Adnan 15.06. – 07.10.18

www.zpk.org

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HKB aktuell | Agenda

N°2/2018

Finale 18

Ausstellung Sa, 23. Juni, bis Sa, 7. Juli 2018 Vernissage Fr, 22. Juni 2018, 18 Uhr Hochschule der Künste Bern HKB Fellerstrasse 11 3027 Bern Details siehe HKB-Agenda auf S. 25

Das Finale 18 in der PostFinance-Arena? Ausgeblieben, da der SCB völlig überraschend die Segel gestrichen hat. Das Meisterschaftsfinale 18 im Stade de Suisse? Tempi passati, YB hat das titelmässig längst in trockene Tücher gebracht. Das Finale 18 an der HKB? Eines der Highlights im Reigen der Diplomveranstaltungen dieses Sommers. Mit Ausnahme der Abschlussarbeiten des Bachelors Fine Arts, die traditionell Anfang Juli in einer separaten Ausstellung im Kunsthaus Langenthal gezeigt werden, treten unter dem Titel Finale 18 am HKB-Standort Fellerstrasse alle der unter dem Dach des Fachbereichs Gestaltung und Kunst zusammen-

gefassten Studiengänge zur entscheidenden letzten Runde an: auf Bachelorstufe die Diplomandinnen und Diplomanden in Vermittlung in Kunst und Design sowie in Visueller Kommunikation, auf Masterstufe in Art Education und in Design. Die Abschlussausstellung gibt in dichter Form unmittelbaren Einblick in die individuellen Projekte des diesjährigen Abschlussjahrgangs und summiert deren Vielfalt zu einem aktuellen Spektrum an Haltungen in den präsentierten Feldern. Vermittlungsarbeiten treffen auf freie künstlerische Werke, unternehmerische oder forschende Vorhaben mit social impact aus dem Design auf eine

enorme Bandbreite an Projekten aus der Visuellen Kommunikation und schaffen dabei überraschende und immer wieder neue Bezugspunkte und Zugehörigkeiten. Sowohl medial als auch inhaltlich zeigt sich im Finale 18, wie jene Generation orientiert ist, die sehr bald und zunehmend unsere Zukunft bei Weitem nicht nur visuell gestalten wird. Und wenngleich alle hier versammelten Arbeiten zuvorderst auf eine erfolgreiche Abschlussqualifikation des Studiums abzielen, so mutig, erfrischend und unkonventionell wie hier wird sonst kaum einmal ein Finale bestritten. 21


Ausgezeichnet!

Donner du temps à mon travail d’écriture

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JUNI –  AUG UST 2018

Baptiste Gaillard Avant tes études à la HKB (MA CAP en écriture littéraire), tu es passé par la HEAD (Haute école d’art et de design de Genève). S’agit-il d’une reconversion ou ton travail artistique a-t-il toujours lorgné du côté de la littérature ? En venant étudier à Berne, il ne s’agissait pas vraiment d’une reconversion. Dès le début de mes études à Genève, une partie de mon travail était concerné par la question de l’écriture. Le Chemin de Lennie a d’ailleurs été écrit directement après mes études à la HEAD. Le passage par la réforme de Bologne a dévalué beaucoup de diplômes. Quand j’ai terminé mon contrat d’assistant à Genève, il m’a semblé nécessaire de me remettre à niveau avec un master. Mais il fallait que ça ait un sens. J’ai donc effectivement voulu faire de cette situation de compensation une occasion qui me permette de donner du temps à mon travail d’écriture et d’infléchir l’ensemble de ma pratique de ce côté-là. Il ne s’agissait pas de se lancer dans l’écriture, il s’agissait plutôt de m’éloigner de ce que j’avais été pour mieux me redéfinir. « Un domaine des corpuscules », ouvrage pour lequel tu as reçu un Prix suisse de littérature, met en place – installe – un monde où l’humain semble absent et où ce sont les matières et leurs réactions entre elles qui occupent la place centrale. Comment définirais-tu ce livre ? Poésie de la matière, poésie postapocalyptique, installation poétique ? Malgré les apparences, la subjectivité est omniprésente dans ce texte, au moins en tant qu’instance observatrice. J’ai cependant cherché à faire en sorte que le texte contourne le plus possible le je, si bien qu’il est partout en creux. De même, des traces d’homme, ambiguës par définition, sont régulièrement évoquées. Mais le fait que l’homme n’apparaisse que dans ses traces ne signifie pas nécessairement qu’il ait totalement disparu. Je crois que le texte cherche à se situer dans un entre-deux, en suspension, sans s’attacher aux êtres et à leurs moyens d’action. En réalité, il s’agissait plutôt pour moi d’utiliser la langue pour chercher à contourner, pour le dire en négatif. Et de jouer sur le défaut de présence du texte, tout en traitant de motifs très concrets. Comment s’est passée l’écriture de ce livre : y avait-il une installation qui préexistait et dont tu t’es inspiré pour l’écriture ? Ou s’agit-il d’un travail d’observation, en milieu naturel, en usine ou ailleurs ? Ou, au contraire, est-il entièrement issu de ton imagination ? Le texte est le résultat de couches de travail successives. À l’origine, il y a souvent des notes qui font impulsion. Ces notes sont rarement prises sur le vif. Elles viennent par remémoration, en travaillant. Des passages de

Foto: OFC / Ladina Bischof

texte peuvent grandir par association d’idées, et en même temps, chaque fragment peut se dissocier en plusieurs autres. Il m’arrive parfois d’avoir simplement des phrases qui me viennent à l’esprit en marchant, au théâtre, pendant un film ou quand je me réveille. La matière textuelle grandit d’abord un peu dans tous les sens, sans qu’il y ait une source d’inspiration exclusive. À partir de cette matière, il y a ensuite un travail de montage, d’organisation, puis tout le travail des phrases lui-même, qui est très lent, où le texte formule ses enjeux. Il faut du temps et de la concentration pour lire « Un domaine des corpuscules »; le lecteur doit fournir un certain effort. À quel point prends-tu en compte le lecteur – ou le spectateur – lorsque tu travailles ? J’ai toujours l’impression que la moitié au moins du travail de création relève d’un travail de lecture ou de réception. Je suis à la fois écrivain et lecteur, pas tout à fait simultanément, mais presque. Mais en fait, la proportion me semble erronée. Lorsqu’on écrit, on prend en compte l’expérience de lecture sans limites. Il n’y a pas d’autres enjeux que celui de la lecture. Que la lecture suppose un certain effort ou non me semble être une

autre question. Le Domaine est aussi simple que possible. C’est-à-dire que l’écriture ne vise jamais qu’à une formulation au plus près de ses enjeux. Mais je conçois qu’effectivement, il s’agit d’un texte qui nécessite un certain effort et une certaine attention. Le texte n’a pas été écrit pour être nécessairement lu de bout en bout. Il est possible de s’attacher à certaines phrases, de se concentrer sur certaines pages. On pourrait dire que l’aventure est ici syntaxique. Mais je dois tout de même avouer que je pense que le texte résonnerait d’une manière particulièrement intéressante s’il pouvait être lu en version intégrale lors d’une performance lente dans un contexte propice à la somnolence attentive. Ce prix est une belle reconnaissance pour ton travail en même temps qu’un encouragement à continuer. Qu’est-ce qu’il signifie pour toi ? C’est effectivement une belle reconnaissance pour mon travail, et c’est une bonne chose pour la visibilité du texte et de l’ensemble du catalogue des éditions Hippocampe. Le système habituel de promotion des objets culturels ne laisse que peu de chance à la discrétion, qui n’est pourtant pas un défaut, pas plus qu’un refus de partager. C’est

donc à la fois une reconnaissance et une certaine aide. Comment s’annonce la suite ? Quels sont tes projets en cours ? Nous préparons mon prochain livre avec Hippocampe, qui devrait sortir cet automne. Comme tu l’as relevé, la lecture du Domaine demande un certain effort. Le prochain livre en demandera encore, d’une autre nature. La manière dont nous parlons maintenant de mon travail d’écriture, grâce à la mise en lumière liée à ce prix, servira sans doute à la réception de ce prochain texte. Entretien mené par écrit par Romain Buffat Baptiste Gaillard wurde 1982 in Genf geboren, wo er auch lebt. 2009 schloss er die Haute école d’art et de design de Genève mit einem Diplom ab. 2017 folgte der Masterabschluss Contemporary Arts Practice an der HKB. Seine Installationen und Objekte stellte Gaillard in Galerien und an Festivals in Berlin und Lausanne aus. Zusehends rückte die Sprache ins Zentrum seiner Arbeit. In den Zeitschriften Revue de Belles-Lettres, Archipel und Watts erschienen Texte von Gaillard. Sein erstes Buch «Le Chemin de Lennie» wurde vom Verlag Héros-Limite 2013 veröffentlicht. Für das aktuelle Buch «Un domaine des corpuscules», das bei Editions Hippocampe in Lyon erschienen ist, erhielt Gaillard den Schweizer Literaturpreis. baptistegaillard.com

In Kürze Die Schriftstellerin und HKB-Alumna Julia Weber wurde für ihr bisheriges literarisches Werk und insbesondere für ihren Roman Immer ist alles schön mit der Alfred-DöblinMedaille 2018 ausgezeichnet. Der Preis in der Höhe von 3000 Euro wird von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz verliehen. Kurz darauf erhielt sie für den Roman den Literaturförderpreis der Stadt Meersburg (D) in der Höhe von 4000 Euro. Die Violinistin und HKB-Studentin Amelia Maszonska hat am Rahn Musikpreis 2018 für Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass in Zürich den dritten Preis gewonnen. Am Klavier hat sie Mischa Kozlowski, ebenfalls Masterstudent an der HKB, exzellent begleitet.

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Die HKB-Fine-Arts-Absolventin Olivia Abächerli hat von den Kantonen Schwyz, Luzern und Obwalden ein Atelierstipendium erhalten und wird im Oktober 2018 für drei Monate nach Berlin ziehen. Abächerli arbeitet in den Sparten Zeichnung, Konzept, Installation, Video und Performance. In Berlin will sich die die 25-jährige Kunstschaffende v.a. mit der Gentrifizierung beschäftigen.

Zwei HKB-Mitarbeiterinnen haben erfolgreich promoviert: Karolina Soppa an der staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart mit einer Untersuchung des Eindringverhaltens von Konsolidierungsmitteln in der Gemälderestaurierung sowie Michelle Ziegler an der Graduate School of the Arts über die Funktion grafischer Notationen im Klavierwerk Hermann Meiers. Die CD Wiener Klassik wurde in Paris mit dem Diapason d’Or 2017 in der Kategorie Kammermusik ausgezeichnet. Auf der CD spielt Edoardo Torbianelli, an der HKB Dozent für Fortepiano und historische Aufführungspraxis, am Hammerflügel mit dem Ensemble Freitagsakademie Bern die Klavier-/ Bläserquintette von Mozart und Beethoven. Das Ensemble trat am Galaabend live bei Radio France auf. HKB-Mitarbeiter Igor Andreev, letztjähriger Absolvent der Klavierklasse von Tomasz Herbut und Tschumi-Preisträger 2017, wurde beim internationalen Wettbewerb 11. Prix de Piano Bern im Februar im Kursaal Bern mit dem 2. Preis ausgezeichnet.

Dorothee Elmiger, Absolventin des Schweizerischen Literaturinstituts, hat für ihr bisheriges literarisches Werk den erstmals vergebenen Max-Frisch-Förderpreis der Stadt Zürich in der Höhe von 10 000 Franken erhalten. 2014 wurde sie für ihren zweiten Roman Schlafgänger bereits mit dem Schweizer Literaturpreis ausgezeichnet.

Der SNF hat der HKB-Forschung drei neue Drittmittelprojekte bewilligt: «In hommage from the multitude» – Positionen nicht äquidistanter Mikrotonmusik des 20. und 21. Jahrhunderts von Roman Brotbeck, Traduction – Relation von Arno Renken sowie Fresh Winds – Communicating research on musical instruments von Martin Skamletz und Adrian von Steiger.

Die Violinistin und ehemalige HKB-Studentin Patricia Kopatchinskaja (vgl. Interview in der HKB-Zeitung 4 / 2017, S. 18) hat zusammen mit dem Saint Paul Chamber Orchestra einen Grammy erhalten. Es ist erst der vierte Grammy für die Schweiz. Geehrt wurden die Weltklassegeigerin und das US-Orchester für ihr Schubert-Album Death & The Maiden als beste Kammermusikperformance.

Die Gesellschaft zu Ober-Gerwern hat zum dritten Mal den Ober-Gerwern-Masterpreis für herausragende Masterarbeiten an der HKB in der Höhe von 20 000 Franken vergeben. Gewonnen hat ihn Manuel Herren (Master Music Pedagogy) für sein musikalisches Integrationsprojekt Musik ohne Grenzen. In drei Workshops für Musik, Rhythmik und Tanz wurden interessierten Asylsuchenden aus Asylzentren im Raum Bern musikalische Inhalte vermittelt, die schliesslich gemeinsam mit dem Jugendblasorchester KMB im vollbesetzten Kulturcasino Bern zur Aufführung kamen. musikohnegrenzen.ch

Leo Dick wurde am Berlin Centre for Advanced Studies in Arts and Sciences an der Universität der Künste als Postdoktorand zum assoziierten Mitglied gewählt. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsschwerpunkts Interpretation leitet er an der HKB das Forschungsfeld Schnittstellen der zeitgenössischen Musik.


HKB-Absolvent im Fokus

Neu an der HKB

Am kommenden Sommerfestival präsentiert der Studienbereich Musik und Bewegung (Rhythmik) zwei neue Formate. Unter dem Titel Rhythmik trifft Klassik werden zwei Projekte gezeigt, die in Zusammenarbeit mit den Studierenden des Masters Oper bzw. Bachelors Klassik entstanden sind. Masterstudierende der Rhythmik tanzen hier zu den Werken der kroatischen Komponistin Dora Pejačević (Hin und her) und einem Akkordeonstück von Arno Nordheim (Flashing). Zum Mitmachen und Rhythmik-Entdecken laden die Open-HouseWorkshops ein – mit Tanz und Bewegung, Klavierimprovisation und Perkussion. Ab Herbstsemester 2018 bietet die HKB eine neue Weiterbildung an. Im CAS Video Art realisieren die Teilnehmenden ihr eigenes Videokunstprojekt und werden dabei von ausgewiesenen Videokunstschaffenden und renommierten Expertinnen und Experten unterstützt. Der Kurs greift neueste Technologien und Positionen des zeitgenössischen Schaffens auf, gibt aber auch Einblick in die Geschichte und Entwicklung der Videokunst. Angesprochen sind Künstlerinnen und Künstler verschiedener Sparten, die sich mit dem Medium Video vertieft auseinandersetzen möchten. Weitere Infos und Anmeldung (bis 28. Juni 2018) unter hkb.bfh.ch/cas-videoart. Ab August 2018 übernimmt Teresa Carrasco die Co-Leitung des Studienbereichs Sound Arts an der Seite von Micha Harenberg. Sie ersetzt in dieser Funktion Daniel Weissberg, der noch bis zu seiner Pensionierung als Dozent tätig bleiben wird. In ihren Arbeiten interessiert sich Teresa Carrasco vor allem für den Bezug zwischen Kunst, Wissenschaft, Musik und Technologie. Ihre Forschungsschwerpunkte sind im Bereich der elektroakustischen Musik und Klangkunst. Teresa Carrasco wurde 1980 in Oviedo, Spanien, geboren, studierte Piano, Musiktheorie, Musikpädagogik und schloss mit einem Master in Digitaler Kunst an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona ab. 2015 erhielt sie ihr Doktorat in Komposition bei Jonty Harrison an der University of Birmingham, England. Von 2015 bis 2018 arbeitete sie als künstlerische Mitarbeiterin für elektroakustische Musik an der Bauhaus Universität Weimar. Teresa Carrascos Werke wurden an verschiedenen Festivals gespielt, besonders hervorzuheben sind Konzerte in der Cité de la Musique, Paris, der Queen Elisabeth Hall, London, dem International Darmstadt Summercourse 2012, der Northwestern University Chicago, der Universidad Autonoma und der Fonoteca Nacional de Mexico, der University of Birmingham, dem Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe, und dem Institute for Computer Music and Sound Technology, Zürich.

Unterdessen läuft es richtig gut, doch die ersten beiden Jahre nach der Gründung seines Grafikbüros 2013 bescherten Dominik Sieber durchaus die eine oder andere schlafarme Nacht. Mal gab es zu wenig Arbeit, mal zu viel, an ein regelmässiges Einkommen war nicht zu denken. Seit zwei Jahren betreibt er das Büro nicht mehr mit dem ursprünglichen Mitgründer, sondern unter dem Namen Studios Zürich, Basel mit Meret Wagner, ehemals Siebers Studienkollegin im Bachelor Visuelle Kommunikation an der HKB. Der Name ist Programm: Sie lebt und arbeitet in Basel, er in Zürich. Treffen tun sie sich ein-, zwei-, dreimal pro Woche, je nach Bedarf. Ansonsten sind ihnen gerade Ortsunabhängigkeit und Flexibilität in ihrer Arbeit besonders wichtig. So arbeitet Sieber im Moment von Hongkong aus, wo er mehrere Wochen mit seiner Lebenspartnerin verbringt. Im Prinzip könnten, so ursprünglich die Idee, «Zürich» oder «Basel» im Firmennamen durch andere Städte ersetzt werden. Dass diese Art der Zusammenarbeit nicht nur Vorteile hat, gibt Sieber gerne zu: «Insbesondere komplexere Projekte erfordern viele Diskussionen, die Wege werden länger.» Um das in letzter Zeit gestiegene Auftragsvolumen überhaupt bewältigen zu können, greifen Sieber und Wagner immer wieder auf ein loses Netzwerk aus Grafikern, Fotografinnen, Programmierern und Texterinnen zurück – ein zweiter Grundgedanke ihrer fluiden Arbeitsweise. Neben der Arbeit für Studios Zürich, Basel, das sich auf Corporate Design und Webdesign spezialisiert hat, gestaltet Sieber Plakate, meist für das Konzertlokal Palace in seiner Heimatstadt St. Gallen. Mit diesen «Liebhaberprojekten» frönt er einer Leidenschaft für das Gedruckte, die er mit vielen Grafikerinnen und Grafikern seiner Generation teile. Zugleich hat er sich nach anfänglichen Widerständen damit angefreundet, dass die Zukunft auch des Grafikdesigns digital ist.

JUNI –  AUG UST 2018

von Raffael von Niederhäusern

Auszug aus den Arbeiten von Studios Zürich, Basel

Denn die heutige digitale Technik schränke ihn gestalterisch nicht mehr ein, sondern biete ihm im Gegenteil ganz neue Möglichkeiten, die er auf einem Plakat oder in einem Buch nicht habe. Bei der Entwicklung des Corporate Design für eine Firma müssten Print und Web, so Sieber, ohnehin immer miteinander gedacht werden. Sein mit der Zeit erarbeitetes technisches Know-how erleichtert Sieber nicht nur die Zusammenarbeit mit Programmierern, er braucht es insbesondere auch für seine zweite Tätigkeit als Dozent für Typografie und Interaction Design an der Schule für Gestaltung St. Gallen. Auffällig sei dabei, dass seine Studierenden dort gestalterisch viel weniger vom Buch ausgingen als an der Hochschule. In seinem Unterricht legt Sieber indes Wert darauf, die angehenden Interactive-Media-Designe-

rinnen dafür zu sensibilisieren, dass die Ursprünge digitalen Designs in der Gestaltung für den Druck liegen. Zugleich sollen sie sich aber auch der Fülle an Möglichkeiten interaktiver Gestaltung bewusst werden, zumal diese bei vielen heutigen Websites noch kaum genutzt werden. In seiner Freizeit organisiert Dominik Sieber seit zehn Jahren gemeinsam mit Freunden das Musikfestival Sur le Lac in Eggersriet SG, für dessen gesamte Kommunikationsarbeit er verantwortlich ist. Die bevorstehende Ausgabe 2018 am 10./11. August dürfte ihm also momentan in Hongkong Gelegenheit bieten, die Idee ortsunabhängigen Arbeitens weiter zu kultivieren.

HKB -ZEITUNG

Der Fachbereich Musik der HKB freut sich über eine längerfristige Zusammenarbeit mit dem renommierten dänischen Komponisten Simon Steen-Andersen. Ab Herbst 2018 wird es für die Masterstudierenden in Komposition möglich sein, bei ihm regelmässig Unterricht zu erhalten. Steen-Andersen studierte Komposition bei Karl Aage Rasmussen in Aalborg, Mathias Spahlinger in Freiburg, Gabriel Valverde in Buenos Aires und bei Bent Sørensen und Hans Abrahamsen in Kopenhagen. Er arbeitete u.a. mit den Ensembles Modern Frankfurt, Recherche und Ascolta und wird international an bedeutenden Festivals gespielt. 2017 erhielt er den Komponistenpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung sowie den Mauricio Kagel Musikpreis der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen. Steen-Andersens Musik ist geprägt von der Auseinandersetzung mit dem Konzertritual, dem Einbezug von szenischen Elementen und choreografischen Konzepten, Live-Visuals und komplexen Feedback-Systemen.

Dominik Sieber

studioszh.ch surlelacfest.ch

Zu Gast

Kristian Nekrasov

Foto: Oliver Betke

Der Studienbereich Theater startet in diesem Jahr den ersten Workshop in der Reihe HKB Theater Master-Sommer. In diesem Format werden Kurse mit Dozierenden und Gästen der HKB für Theaterschaffende, die schon im Beruf stehen, geöffnet. Die Reihe eröffnet im Juli Kristian Nekrasov, selbst Schauspieler und seit 30 Jahren international auch als Coach und Schauspiellehrer unterwegs, mit einem Kurs zur Meisner-Technik. Nekrasov ist Fakultätsmitglied im Susan Batson Studio New York und dem John DeSotelle MeisnerStudio NYC. kristian-nekrasov.com Kristian Nekrasov, Meisner-Technik, was ist das? Sanford Meisner kommt aus dem legendären Group Theatre der 30er-Jahre in den USA, zu dessen Mitgliedern etwa auch Stella Adler und Lee Strasberg gehörten. Diese Gruppe wurde gegründet, um, inspiriert von Stanislawskis Schauspiellehren, Realistisches Schauspiel in den Vereinigten Staaten zu etablieren und weiter zu erforschen. Der besondere Ansatz von Sanford Meisner liegt in der Verlagerung

der Aufmerksamkeit des Schauspielers, der Schauspielerin auf den Partner oder die Partnerin. Er hat Übungen entwickelt, mit denen instinktives, intuitives und spontanes Agieren und Reagieren trainiert werden können. Der Text und das Spiel werden aus der Beziehung zu den anderen Spielerinnen und Spielern und zur Umwelt entwickelt. Sie arbeiten in New York und in Europa (Berlin, Graz, Zürich, Bern). Können Sie bei den Menschen / Studierenden unterschiedliche Haltungen im Bezug auf ihren Beruf als Darstellerin, Performer, Schauspielerin ausmachen? Es gibt bemerkenswerte Unterschiede v.a. in den Grundhaltungen der US-amerikanischen und der europäischen Schauspielkultur und Methodik. Gerade im deutschsprachigen Raum orientiert sich die Ausbildung vorrangig an vorgegebenem Text und dem Stil bzw. dem Konzept, das man dem jeweiligen Text zugrunde legt. In den USA steht die individuelle Persönlichkeit des einzelnen Schauspielers im Vordergrund. Das Berührt-Werden durch die Schauspielerin und die «Performance» sind dort wichtiger als die Form. Seit Brecht sind – mindestens im deutschsprachigen Raum – Spielweisen der psychologischen Distanz gefragt. Meisners Methode setzt dagegen auf das Erleben einer Situation. Was ist daran heute für Theaterschaffende noch interessant? Ich bin der Überzeugung, dass das eine ohne das andere keinen Sinn macht. Aus der Idee der psychologischen Distanz wurden ohne Zweifel viele interessante Stile und Formen entwickelt, vorzugsweise durch die Regie, die mit und nach Brecht einen ganz anderen Stellenwert erhielt als vorher. Gleichzeitig ist aber trotz Könnerschaft Form meistens langweilig oder nicht nachhaltig, wenn sie nicht mit wahrhaftigem psychologischem Inhalt gepaart ist. Das heutige Theater im deutschsprachigen Raum entwickelt sich bemerkenswerterweise sogar noch weiter weg

von den initialen Zündungen des Theaters wie zum Beispiel dem Streben nach Katharsis. Man sieht grösstenteils performativen Akten zu, die Schauspielerinnen und Schauspieler bewegen sich in einer Grauzone von Performance, Moderation und situativem Erleben. Gleichzeitig ist die Sehnsucht nach Berührung und Eingesogen-Werden in die imaginären Umstände einer Geschichte aber unverkennbar stärker und drängender geworden als jemals zuvor, nicht nur bei den Zuschauern, sondern bei den darstellenden Künstlerinnen selbst. Gibt es Schauspielerinnen und Schauspieler, die explizit mit Meisners Methode arbeiten? In den USA gehört «die Meisner» zur Grundausbildung und zum Grundverständnis der Schauspielkunst – entgegen dem immer noch verbreiteten Glauben, die sogenannte «Method» sei die hauptsächliche US-amerikanische Methode. Im europäischen Raum ist Meisner sehr stark in Grossbritannien und in Dänemark vertreten. Hierzulande realisiert man langsam die herausragende Methodik von Meisner. Es gibt viele bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler, die aus der Meisner-Schule kommen, wie z.B. Robert Duvall. Was ist das Wichtigste, was Sie als Schauspieler und Dozent weitergeben möchten? Da bleibe ich bei einem schönen Zitat von Sanford Meisner: «Become what you are.» Wenn ich mithelfen kann, das volle Potenzial eines Künstlers, einer Künstlerin zum Blühen zu bringen, bin ich glücklich. Ich glaube an Heilung durch Kunst, das ist Teil meiner Passion als Coach und als Schauspieler geworden. Das Interview führte Wolfram Heberle, Studiengangsleiter BA und MA Theater an der HKB.

23


Juni – August 2018

HKB-Agenda J U N So

Oper

Fr

Musik & Bewegung (Rhythmik)

3

Opernwerkstatt

8

Sommerfestival

und Do

JUNI –  AUG UST 2018

14

Mo Musik Klassik

7

Diplomkonzerte 26 Klassik Mai bis Di

Jun

HKB -ZEITUNG

Mi

Provenienzforschung

5

Christian Fuhrmeister: Handel – Akteure – Werke

Über 100 Bachelor- und Masterkonzerte in knapp zwei Monaten. Es kann gar nicht sein, dass es hier nichts gibt, was Sie interessiert! Programm: hkb-musik.ch/thesiskonzerte Jazz & Contemporary Music

Festival

Das kleine, aber feine Festival bietet einen Einblick in das vielseitige Jun Schaffen des Studienbereichs Jazz der HKB. Eine Werkschau des aktuellen Jazz und seiner vielen Formen, präsentiert im gemütlichen Ambiente des Gewölbekellers im Progr. Mi, 30.5.2018 – Advanced Band Concept plays Elmo Hope Quintet – The Music of Benny Golson – Belovèd Bird Ensemble plays music of Charlie Parker Do, 31.5.2018 – European Composers Ensemble – Instant Composing Ensemble – The Music of Zero 7 Fr, 1.6.2018 – Instant Composing Ensemble – Gäste aus dem Studienbereich Klassik – The Music of John Coltrane Sa, 2.6.2018 – Future Sounds of Jazz – Gäste aus dem Studienbereich Sound Arts – Urban Contemporary Gospel Ensemble So, 3.6.2018 – Free Improvisation Ensemble – Singer’s Interpretation Class – The Art of Duo – Balkan Music Ensemble Jeweils 20 Uhr PROGR, Sonarraum U64

Mi

6

Podium mit Heinz Nigg, Silvan Lerch, Roli Fischbacher, Moderation: Robert Lzicar Mit einer für die Schweiz radikal neuen visuellen Sprache sorgten sie für Aufsehen: die Flugblätter der Zürcher Jugendunruhen Anfang der 1980er-Jahre. Sie entwickelten sich zum zentralen Medium der Bewegung, transportierten die autoritätsund konsumkritische Haltung der Protestierenden mit einer provokanten, aber auch poetischen und tiefsinnigen Bildsprache. So brachten sie das Lebensgefühl einer ganzen Generation zum Ausdruck – und schockierten etablierte Kräfte in Gesellschaft und Politik. Der Band vereint über 200 Flugblätter zu einer qualitativ wie quantitativ einmaligen Sammlung und wirft einen facettenreichen Blick auf eine Zeit an der Bruchstelle zum heutigen Zürich. GK-Talks ist eine Vortragsreihe des Fachbereichs Gestaltung und Kunst. 17.30 Uhr HKB Fellerstrasse, Auditorium Y Institut

31

Das Schloss Dürande

7

2

Konzertante Uraufführung der neuen Fassung von Othmar Schoecks Oper mit dem Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Mario Venzago. Die neue Fassung entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts der HKB und der Universität Bern. Jeweils 19.30 Uhr Stadttheater Bern

Abschlusspräsentation Y-Projekte

Jun

Fr

Musik Sound Arts

1

à suivre #33

und Sa An den Semesterpräsentationen Sound Arts gibt es: Klanginstallationen, Videovertonungen, Performances, Live Electronics und mehr. Diese Vielfalt geht auf das zentrale Anliegen des Studiengangs zurück, dass die Arbeiten auf der Basis eigener Ideen der Studierenden entwickelt werden. Fr, 17 Uhr Installationen, 20 Uhr Konzert Sa, 15 Uhr Installationen, 17 Uhr Konzert HKB Papiermühlestrasse 13d

2

Studierende der HKB bespielen die Fellerstrasse 11 – mit Bildern, Klängen und Gesten. Zu erleben sind die Ergebnisse der Y-Projekte aus dem Studienjahr 2017/18, die sich (mehrheitlich) mit dem Jahresthema Mehrheit befassen. 10 – 13 Uhr HKB Fellerstrasse Do

Musik Klassik

7

Halt auf Verlangen! Letzte Ausgabe in der laufenden Saison der HKB-Konzertserie im Berner GenerationenHaus. Studierende der Klassen von Teodoro Anzellotti (Akkordeon) und Ernesto Molinari (Klarinette) spielen Werke von G. Ligeti, B. Martinu und I. Mundry. 18 – 19 Uhr Spittelkapelle im Burgerspital

Opern10 produktion Eros in the City So

und Sa

16

So

Giuseppe Gazzaniga: Don Giovanni Benjamin Britten: Les illuminations Ensemble: Germain Bardot, Yi-An Chen, Elise Duclos, Shiki Inoue, Andrea Jiménez, Buga Marija Šimić, Orsolya Nyakas, Salvador Pérez, Aurelia Würsch Sinfonie Orchester Biel Solothurn Jeweils 19 Uhr

My Own Private Swiss 30 Graphic Design History bis Sa

Im Rahmen eines Seminars über Geschichte der visuellen Kommunikation entwickelten die Bachelorstudierenden ein Ausstellungskonzept, das alternative Zugänge zur Schweizer Grafikdesigngeschichte ins Zentrum rückt. Alle Exponate, zu denen die Studierenden einen starken persönlichen Bezug haben, stammen aus privaten «Archiven». Sie fügen sich im Ausstellungsraum zu einer spannenden Schau mit oftmals überraschenden Beispielen von Schweizer Alltagsgrafik zusammen. Im Juli wird die Ausstellung ausserdem in London zu sehen sein. Fr, 8.6.2018 18 Uhr Vernissage Öffnungszeiten: Do / Fr, 13 – 18 Uhr Sa, 11 – 17 Uhr PROGR, erlesen – Raum für gedruckte Feinkost Foto: Y. Salzmann, P. Zibulski , L. Rast

Mo, 11.6.2018 Annina Mossoni (voc), Nancy Meier (fl), Janosch Marti (tb), Jan Dintheer (g), Max Nyafli (b), Miles Zuberbühler (dr) Di, 12.6.2018 Selina Brenner (voc), Xavier Sprunger (ts), Cyrill Ferrari (g), Debora Reich (b), Florian Hufschmid (dr) Mi, 13.6.2018 Rosetta Bachofner (voc), Marco Karrer (ts), Melvin Siegrist (g), Matthieu Trovato (p), Thomas Dürst (b), Lucien Zutter (dr) Jeweils 20 Uhr HKB Ostermundigenstrasse, Auditorium

Oper

Die ver-rückte Woche der 14 Oper Fast wie ein Festival. Schön. Aber: Warum ist diese Woche ver-rückt? Weil sie alles für 5 Tage auf den Kopf stellt; Studierende, Lehrende und Gäste herausfordert, um sie anschliessend mit neuen Ideen zurückzulassen. Weil sie alles komprimiert: Aufführungen «en masse» mit 6 Studierenden- und Kooperationsprojekten, einer Opernproduktion, einer Opernwerkstatt, Workshops mit musik-theatralen und opernpraktischen Themen, Partizipationsfenster im Kontext der «offenen Türen» und jederzeit Gespräche über das wunderbar verrückte Thema Musiktheater. Impuls, Aufbruch, Neujustierung … So, 10.6.2018 Opernproduktion (Details siehe oben) Mo – Mi, 11.–13.6.2018 Studierendenprojekte (La Storia senza Orfeo, hin und her, La Grand’Tante), Interdisziplinäres Projekt Winterreise, Tatort Oper, Kooperationsprojekte, Roundtable, Workshops Jeweils ab 10 Uhr HKB Burg Biel Do, 14.6.2018 Opernwerkstatt (Details siehe links)

Di

Musik Klassik

Mi

Théâtre musical & Composition

12

Offenes Haus La Prairie

13

Open Lab Théâtre musical

Studierende aller Instrumental- und Gesangsklassen präsentieren solistische und kammermusikalische Werke im Gemeindehaus der Dreifaltigkeitspfarrei. 20 Uhr La Prairie

9

Abschlussprüfungen 2. Jahr 13 Bachelor bis Mi

bis Do

Sa, 23.6.2018 Rhythmik trifft Klassik Zwei Stücke in Zusammenarbeit mit Studierenden des Schweizer Opernstudios und des Bachelors Klassik: Flashing von Arne Nordheim und hin und her (mit Werken von Dora Pejačević) 17 Uhr HKB Burg Biel

Ausstellung

11

10

Fr – So, 22.– 24.6.2018 Der kleine Prinz In Zusammenarbeit mit dem Jungen Theater Biel Solothurn entwickelt die Masterstudentin Jutta Schönhofer eine Kinderoper Fr/Sa, 19 Uhr / So, 11 Uhr Stadttheater Biel

Sa

Mo Jazz

Sa / So, 9. / 10.6.2018 Stadttheater Biel Sa, 16.6.2018 Stadttheater Solothurn

Fr / Sa, 22. / 23.6.2018 Choreos+ Tanz/Perkussion/Chor von und mit Bachelor- und Masterstudierenden des Studiengangs Musik und Bewegung (Rhythmik) Jeweils 19 Uhr Volkshaus Biel

Sa, 23.6.2018 Open House in der Burg Drei Workshops, um Rhythmik kennenzulernen: Tanz & Bewegung, Klavierimprovisation und Perkussion 15 – 17 Uhr HKB Burg Biel

Oper

9

Fr, 8.6.2018 The Song is You Die Abschlussklasse der Bachelorstudierenden gestaltet einen lebendigen und intimen Abend mit ihrem Repertoire aus Jazz- und Popsongs. 20 Uhr HKB Burg Biel Sa / Fr, 16. / 22.6.2018 stück für stück Eine musikalisch-tänzerische Performance (ab 14 Jahren), die den menschlichen Körper auf physische Art neu zusammensetzt Sa, 19 Uhr / Fr, 17 Uhr HKB Burg Biel

Autonomie auf A4

Do

Mai und Sa

23

GK-Talk

Oper

Do

bis Sa

Vortrag zur moralischen Aufwertung der Moderne nach 1945, veranstaltet zusammen mit dem Kunstmuseum Bern und dem Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern. 18 Uhr Kunstmuseum Bern

30 Pop-Up Mai bis So

Wer hat denn das schön schöne Liedlein erdacht? Ensemble: Paola Alcocer, Yi-An Chen, Jeanne Dumat, Viktoria Kadar, Verena Knirck, Louise Martyn, Yuka Masuno, Salvador Pérez, Chloé Suard, Xiang Ting Teng, Lena Tschinderle, Sarah-Anne Worms So, 3.6.2018, 11 Uhr Stadttheater Biel Do, 14.6.2018, 19.30 Uhr Stadttheater Solothurn

Di

3

24

Sa

Die Präsentation zum Semesterabschluss im Bereich Théâtre musical mit Projekten, Uraufführungen und «Répertoire»-Werken der Klassen von Angela Bürger, Pierre Sublet, Pascal Viglino und Stefan Wirth 19.30 Uhr HKB Papiermühlestrasse 13d, Grosser Konzertsaal


Mi

GK-Talk

13

HKB @ I Never Read

13

Renate Höllwart: Was heisst alle?

bis Sa

16

Dieses Jahr repräsentiert der Studiengang Visuelle Kommunikation die HKB an der Art Book Fair I never read in Basel. Mi 18 – 22 Uhr, Do / Fr 15 – 21 Uhr Sa 12 – 19 Uhr Kaserne Basel

Do

Vortrag

14

Viz Lecture #6: Joost Grootens

Alternative Wissensräume gestalten an der Schnittstelle von Bildung und Kunst. GK-Talks ist eine Vortragsreihe des Fachbereichs Gestaltung und Kunst. 17.30 Uhr HKB Fellerstrasse, Auditorium Do

Literatur

21

Bachelorlesung

Öffentlicher Abendvortrag im Rahmen des CAS Data Visualization zum Thema More matter, with less art 18.30 – 20 Uhr HKB Fellerstrasse, Grosse Aula Do

14 bis Do

21

Die Diplomandinnen und Diplomanden 2018 des Schweizerischen Literaturinstituts lesen aus ihren Abschlussarbeiten. Mit: Maude Burkhalter, Anja Delz, Benjamin Furrer, Lorenz Jäger, Elias Kirsche, Lou Meili, Alexis Rime, Marilou Rytz, Tatjana Sievers, Marko Stefanovic, Luisa Tschannen und Sara Wegmann. 19.45 Uhr HKB Schweizerisches Literaturinstitut Biel

Jazz

Bachelorkonzerte Jazz Do, 14.6.2018 20 Uhr, Géraldine Schnyder ELF VOR EINS 21.30 Uhr, Mirjam Hässig WINDING YARN’S WILL Fr, 15.6.2018 20 Uhr, Joel Müller QUARTESSENZ 21.30 Uhr, Manuel Sidler MANUEL SIDLER TRIO Mo, 18.6.2018 20 Uhr, Felix Grandjean BEAUFORT Di, 19.6.2018 20 Uhr, Felix Wolf THREEAMISU EXTENDED 21.30 Uhr, Tobias Sommer MORO GOMORRHA Mi, 20.6.2018 20 Uhr, Julian Eisinger THE ONE SINGERS 21.30 Uhr, Manuel Schwab MANUEL SCHWAB QUARTETT Do, 21.6.2018 20 Uhr, Jaronas Höhener MØRK 21.30 Uhr, Benjamin Hasler JUSTE

Fr

Mi

Bachelor Fine Arts

4

Diplomausstellung: alone we are delicious

Juli bis Sa

7

Di, 3.7.2018 18 Uhr, Vernissage Mit: Julian Burkhard, Simon Fuchser, Lucie Noemi Gmünder, Kim-Alison Greminger, Floyd Grimm, Marie Gyger, Giorgi Kvinikadze, Vera Lou Mauerhofer, Neal Schaap, Joan Anette Seiler, Aisha Spahr Öffnungszeiten: Mi–Do, 14 – 17 Uhr Fr, 14 – 19 Uhr Sa, 10 – 17 Uhr Kunsthaus Langenthal kunsthauslangenthal.ch Foto: Nicole Hametner

Sa

diplomkonzert

Theater

Das Abschlusskonzert des Masters Specialized Music Performance Solist/in, der höchsten Stufe der Schweizer Musikausbildung, ist zugleich das krönende Ende des Studienjahres. Die Stars von morgen stellen sich einem breiten Publikum und einer renommierten Jury. Das Sinfonie Orchester Biel Solothurn wird von seinem Chefdirigenten Kaspar Zehnder geleitet. 19.30 Uhr Kongresshaus Biel

tationen

Studierende des Bachelors Theater präsentieren eigenständig entwickelte Projektarbeiten. HKB Zikadenweg Gestaltung & Kunst

23 DiplomJun bis Sa

7

Jul

HKB Ostermundigenstrasse, Auditorium

ausstellung: Finale 18

J U L

Fr, 22.6.2018 18 Uhr, Vernissage 19 Uhr, Verleihung Maturaarbeitspreis Bachelor Visuelle Kommunikation: Yoshiya Abiko, Thierry Bongard, Lucie Gremaud. Michaela Hurdes, Dorothea Kern, Laura Leuenberger, Jvana Manser, Yannick Neuhaus, Marie Waridel, Anita Gluderer, Basil Linder, Isabelle Lindner, Sarah von Rickenbach, Stefanie Zimmermann, Jule Gensel, Luca Gruber

Fr

Master Contemporary Arts Practice

15

Diplomfestival: Anew

bis Di

19

Mit: Ahmad Al Rayyan, Pascale Birchler, Caroline Bourrit, Christoph Brünggel, Sarah Capesius, Romana Del Negro, Yvonne Füeg, Corinne Futterlieb, Vanessa Gageos, Annina Haab, Tobias Herzog, Géraldine Honauer, Marilyne Kölbl, Angela Neto, Rosemary Niehaus, Elias Raschle, Malee Roth, Jonas Schnyder, Benjamin Sunarjo, Jazmin Taco, Belia Winnewisser Fr – Di, 15. – 19.6.2018 Diplomausstellung Master Contemporary Arts Practice Öffnungszeiten: 11 – 18 Uhr Pasquart Biel Do, 14.6.2018 18 Uhr, Vernissage, Performance Benjamin Sunarjo Pasquart Biel 20.30 Uhr, Lesung Annina Haab Filmpodium Biel Fr, 15.6.2018 15 Uhr, Performance Benjamin Sunarjo Kongresshausplatz Biel Sa, 16.6.2018 11 – 16 Uhr, Performance Jazmin Taco Pasquart Biel 14 Uhr, Performance Benjamin Sunarjo Vorplatz Bahnhof Biel 18 Uhr, Konzert Belia Winnewisser, Supporting Act Samuel Savenberg HKB Burg Biel 21.15 Uhr, Konzert Tobias Herzog Le Singe Biel

Bachelor Vermittlung in Kunst und Design: Maria Altwegg, Lisa De Nigris, Lorenz Fischer, Pascal Graf, Salima Hänni, Stefanie Haudenschild, Selina Hofer, Stefanie Janssen, Barla Pelican, Tim Rod, Gianna Rovere, Laura Schaffroth, Elisa Schiltknecht, Esther Tellenbach

Mo Musik Klassik

2

bis Sa

7

Master Art Education: Eva Allemann, Selin Michèle Bourquin, Mira Buck, Alexandre Cottier, Sarah Glaisen, Laura Grubenmann, Anna Jaun, Katharina Karras, Anna-Lena Marcus, Kristin Muth, Rebecca Noser, Luca Pitsch, Yvonne Siegenthaler, Janick Sommer, Rachel von Dach, Tina Z’Rotz Do, 28.6.2018 18 Uhr, Führung mit Studierenden Do, 5.7.2018 18 Uhr, Führung mit den Studiengangsleitenden

Théâtre musical & Composition

29 Time bis Sa

With People

30 La pièce Time With People de Tim

Parkinson fait se rencontrer la scène et la vie de tous les jours. Une vision surréaliste du quotidien aux frontières entre musique et théâtre de l’absurde. La création de la version française est une collaboration entre le Nouvel Ensemble Contemporain NEC et la filière de Théâtre musical de la HKB, mise en scène par Louis d’Heudières. 20.15 Uhr Temple Allemand La Chaux-de-Fonds

Sommerkurse Violine, Viola und Violoncello Öffentliche Meisterkurse mit dem weltberühmten Violinisten Benjamin Schmid und seinen Partnern Thomas Riebl, Viola, und Peter Bruns, Violoncello. Assistentin ist Malwina Sosnowski, am Klavier begleiten Anna de Capitani, Tamara Chitadze und Igor Andreev. Di, 18 Uhr, Konzert der Kursleitenden Do, 18 Uhr, Konzert der Teilnehmenden Kapelle St. Mauritius Lenk Fr, 19.30 Uhr, Abschlusskonzert Schulhaus Lenk, Aula

Öffnungszeiten: Mo–Sa, 10 – 19 Uhr HKB Fellerstrasse, 1. OG Fr

A U G

Musik Klassik

23 Solisten-

22 Projektpräsen-

Sa

JUNI –  AUG UST 2018

Gestaltung & Kunst

Sa

4

Sommerakademie 24 Paul Klee 2018 bis Fr

Zweite Durchführung der letztes Jahr neu konzipierten Kooperation der HKB mit dem Zentrum Paul Klee unter dem Titel Realty. Infos und Programm: sommerakademie-paul-klee.ch Verschiedene Lokalitäten in der Stadt Bern Di

Oper / Musik

11

Internationale Sommer23 akademie Biel bis Do

Unter Beteiligung Schweizer Opernstudios finden an der Internationalen Sommerakademie Biel Masterclasses für Oper/Regie, Violine, Klavier, Cello und Akkordeon sowie Konzerte statt. somak.ch Musikschule Biel HKB Burg Biel

Musik Klassik

14

Meisterkurs Dirigieren 18 Blasmusik bis Sa

Der Meisterkurs Dirigieren Blasmusik findet dieses Jahr in der Reihe Simmenklänge HKB talauf an der Lenk statt. Interne und externe Studierende werden während fünf Tagen von den HKB-Dozenten Rolf Schumacher und Corsin Tuor sowie von Baldur Brönnimann, Chefdirigent der Basel Sinfonietta, unterrichtet. Sa, 19 Uhr, Schlusskonzert mit dem Sinfonischen Blasorchester Bern und der Brass Band Berner Oberland, Solist: Thomas Rüedi, Euphonium Mehrzweckhalle Lenk Do

Théâtre musical & Composition

23 Master Aug bis Mi

12 Sa

Gestaltung & Kunst

Sep

Weitere Master Projects im September Jeweils 19.30 Uhr HKB Ostermundigenstrasse, Auditorium Verzeichnis Veranstaltungsorte BFH Architektur, Holz und Bau Solothurnstrasse 102, 2504 Biel/Bienne Filmpodium Biel Seevorstadt 73, 2502 Biel/Bienne HKB Burg Biel Jakob-Rosius-Strasse 16, 2502 Biel/Bienne HKB Fellerstrasse Fellerstrasse 11, 3027 Bern

HKB -ZEITUNG

Mi

HKB Ostermundigenstrasse Ostermundigenstrasse 103, 3006 Bern HKB Papiermühlestrasse Papiermühlestrasse 13a/d/h, 3014 Bern HKB Schwabstrasse Schwabstrasse 10, 3018 Bern Kapelle St. Mauritius Lenk Rawilstrasse 54, 3775 Lenk Kaserne Basel Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel Kongresshaus Biel Zentralstrasse 60, 2502 Biel/Bienne Kunsthaus Langenthal Marktgasse 13, 4900 Langenthal Kunstmuseum Bern Hodlerstrasse 8–12, 3011 Bern La Prairie

Sulgeneckstrasse 7, 3007 Bern

Le Singe Biel Untergasse 21, 2502 Biel/Bienne Mehrzweckhalle Lenk Schulhausstrasse 2, 3775 Lenk Musikschule Biel Bahnhofstrasse 11, 2501 Biel/Bienne Pasquart Biel Seevorstadt 71–73, 2502 Biel/Bienne PROGR

Speichergasse 4, 3011 Bern

Projects

Schulhaus Lenk Schulhausstrasse 2, 3775 Lenk

Do, 23.8.2018 2m’1 ? 2m’1 ! La thèse de Master en Théâtre musical de Yesid Fonseca Aranda interroge les liens qu’entretiennent corps et conscience aujourd’hui. Sommes-nous face à une transformation imminente de nos interactions avec les autres ? Mo, 27.8.2018 Pour les oiseaux Création pour chanteuse soliste, la thèse de Master de Chloé Bieri aborde le corps et la recherche vocale au travers de la chanson et de la musique pop dans l’esthétique du Théâtre musical. Fr, 31.8.2018 Entre-deux Entre-deux, ou comment casser les clichés sur la harpe ? Dans la thèse de Master de Mathilde Bernard, la harpe devient le centre d’un Théâtre musical absurde et poétique.

Spittelkapelle im Burgerspital Bahnhofplatz 2, 3011 Bern Stadttheater Bern Kornhausplatz 20, 3011 Bern Stadttheater Biel Burggasse 19, 2502 Biel/Bienne Stadttheater Solothurn Theatergasse 18, 4500 Solothurn Temple Allemand La Chaux-de-Fonds Rue du Progrès 12, 2300 La Chaux-de-Fonds Volkshaus Biel Aarbergstrasse 112, 2502 Biel/Bienne

Weiterführende Infos: hkb.bfh.ch / veranstaltungen 25


JUNI –  AUG UST 2018 HKB -ZEITUNG

VIDEO ART Weiterbildung

Start Oktober 2018

Anmeldeschluss 28. Juni 2018

hkb.bfh.ch/ cas-videoart

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Ein HKB-Schwerpunkt stellt sich vor

Synapse HKB synapse-hkb.ch

Graziella Contratto leitet seit 2010 den Fachbereich Musik an der HKB und beschäftigt sich als Dirigentin und Intendantin seit vielen Jahren mit den Fragen der Vermittlung und Kontextualisierung von Musik. Sie leitet die strategische Arbeitsgruppe Synapse HKB und entwickelt das HKB-weite Gefäss gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen aus allen Fachbereichen, dem Y Institut sowie aus Forschung und Weiterbildung.

Sehende Kinder erwerben bereits vor Schulbeginn die sensorischen und kognitiven Vor­aussetzungen für die Schriftsprache. Blinde Kinder, die die Brailleschrift erlernen sollen, brauchen hierfür eine entsprechend vorbereitete und ausgestaltete Umgebung. Forschende Kommunikationsdesigner und -designerinnen des BFH-Zentrums Arts in Context haben daher zunächst den Prototypen eines inklusiven Lernmittels entwickelt, das blinde Kinder spielerisch an die Brailleschrift heranführt – unter Einbezug ihres sehenden Umfelds. Aktuell befindet sich Punkt, Punkt, Komma, Strich in der dritten Phase, an deren Ende eine neunbändige inklusive Lernmittelreihe stehen soll. Das Forschungsprojekt wurde vom Schweizerischen Nationalfonds und der Gebert Rüf Stiftung gefördert.

Erspielen statt erklären: Studierendenprojekt, Minor Musikvermittlung, 2016 Ziel des Projekts ist es, einer Gruppe Musikstudierender einen neuen, aktiveren Zugang zu bildender Kunst zu vermitteln und einem «normalen» Ausstellungspublikum Interpretationsansätze von Kunstwerken aus Musikerperspektive anzubieten. Dafür begehen die Musikerinnen und Musiker die Ausstellung individuell mit ihrem Instrument oder ihrer Stimme und setzen die Eindrücke, Assoziationen und Gedanken, die die Betrachtung der Ausstellungsobjekte in ihnen auslöst, musikalisch um. So entsteht zugleich eine 40-minütige Raum-KlangCollage. In einem ähnlichen Experiment im Zentrum Paul Klee führten Musikstudierende vor einzelnen Werken in Anwesenheit von Ausstellungsbesucherinnen und -besuchern gezielte musikalische Aktionen aus.

JUNI –  AUG UST 2018

Punkt, Punkt, Komma, Strich: Forschungsprojekt von Andréas Netthoevel, 2011 ff.

HKB -ZEITUNG

Was haben eine App zur Erkundung von Kunst im öffentlichen Raum, ein dörfliches Treibhaus für Ausstellungen, ein interkulturelles Tanzprojekt mit Jugend­ lichen und ein Partiturservice gemein? Abgesehen von der Origi­na­ lität der künstlerischen Idee verbindet sie alle das empathische Anliegen der HKB, zwischen «Kunst» und «Gesellschaft» eine Brücke zu schlagen. Die Vielfalt der vermittlerischen, interkulturellen Konzepte, Projekte und Aktionen an der HKB ist seit diesem Monat auf der eigens entwickelten Website synapse-hkb.ch zu erleben. Ein wichtiges Detail: Viele der Projekte haben Studierende der Hochschule konzipiert und gestaltet. Als künftige Kunstschaffende haben sie damit die an der HKB besonders geförderte Hal­tung verinnerlicht, den disziplinären Lernraum immer wieder zu verlassen, um auf die gesellschaft­lichen Bedingungen unserer Zeit zu reagieren. Die Fragestellungen, die allen Synapse-Projekten gemein sind, umkreisen dabei das Beziehungsfeld zwischen künstlerischen Akteurinnen und Akteuren sowie rezipierenden Zuschauenden, Zuhörenden, Lesenden, Miterlebenden. Oder sie stellen genau dieses Dispositiv in Frage, drehen es um, hinterfragen Traditionen, regen zu unge­wohnter Reflexion an oder erkunden Möglichkeiten des partizipativen Gestaltens von kulturellen Erfahrungen. Einen Eindruck von der Vielfalt der Synapse HKB bieten die vier auf dieser Seite vorgestellten Projekte. Die Website will aber noch mehr: Nebst Informationen in Text, Bild, Film und Ton zu den einzelnen Projekten bietet sie interessierten Personen, Institutionen oder Gremien aus Politik, Kultur und Wirtschaft die Gelegenheit, mit der Hochschule in Kontakt zu treten, um spezifische Projekte wiederaufzunehmen, in einer neuen Umgebung weiterzuentwickeln und damit noch mehr in die «Welt da draussen» einzuführen.

La Serre: Thèse de master de Jodie Zbinden, Master Art Education, 2015 La Serre est une incursion artistique, né de l’envie de créer un espace d’art à Fétigny, village fribourgeois de 900 habitants. Elle se passe dans une serre de 10 m2, au cœur du village. Dans un esprit de proximité, de simplicité et de convivialité, de jeunes artistes de la scène contemporaine suisse exposeront leurs œuvres, frayant à l’art visuel un chemin jusque dans nos campagnes. Chaque artiste élabore une proposition artistique inédite pour La Serre, réalisée sur place, au sens d’un échange : l’artiste profite des ressources humaines et matérielles disponibles sur place. Au niveau théorique, le travail éclaire chacune des étapes de création de ce lieu, conformément au principe de base du projet, et recense les réflexions, décisions et rencontres faites tout au long de sa réalisation.

Kreativität fördern ab der frühen Kindheit: Weiterbildungslehrgang von Karin Kraus, 2018 ff. Kreativität ist eine zentrale Kompetenz für die Gestaltung des eigenen Lebens und das Meistern von Herausforderungen. Um die Chancengleichheit zu erhöhen, muss kreative Kompetenz gefördert werden, von Anfang an. Im berufsbegleitenden Weiterbildungslehrgang CAS Kulturelle Bildung – Kreativität fördern ab der frühen Kindheit können die Teilnehmenden ihre eigene Kreativität entfalten und weiterentwickeln. Durch die Reflexion ihrer eigenen kreativen Prozesse lernen sie, wie sie ästhetische Erfahrungen von Kindern mit und in den Künsten anregen und begleiten können. Sie erarbeiten sich die kulturpäda­ gogische Qualifikation für ihre Arbeit im frühkindlichen Bereich oder die frühpäda­ gogische Qualifikation für ihre Arbeit im kulturellen Bereich. 27


HKB -ZEITUNG

JUNI –  AUG UST 2018

Schaufenster — Arbeiten aus der HKB

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Tisch für alle Entstanden im März 2018 im Betonworkshop von Kueng / Caputo mit Studierenden der Gestaltung und Kunst im Rahmen des Moduls Material – Raum – Form in der HKB-Werkstatt Foto: Sabrina Frijo


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