HopeHope #7 "Blowin' in the wind"

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Editorial


Inhaltsverzeichnis blowin‘ in the wind 412 20 27 36 41 47

3 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - EDITORIAL

DRACHENFLIEGEN DANDELION FREIHEIT BLOWIN‘ IN THE WIND REISEBERICHT IN BIJELA FOLK (K)EIN BLICK ZURÜCK



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Dominique „Mein aktuelles Lebensmotto: Think Caribbean!“

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HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - DRACHENFLIEGEN

„Meine Arbeit als Musikerin ist meine Flucht aus dem Alltag und gleichzeitig die Verarbeitung aller kleinen Dinge, denen ich am Tag begegne. Eine gute Session könnte man mit einer Art Meditation vergleichen: Ich schreibe mir alles vom Herzen und habe danach den Text schwarz auf weiß und die Noten im Ohr. Wenn es sich jedoch am Ende nicht so anhört, wie ich es gerne hätte, verkrampfe ich mich, anstatt es hinzunehmen – und das ist alles andere als Meditation! Ich mag Spontaneität. Daraus ergeben sich die schönsten Begegnungen mit anderen Menschen – und das erfüllt mich neben der Musik in diesem Beruf am meisten. Ich habe für mein Leben einen Plan A und ganz scheu im Hintergrund noch einen Plan B. Den will ich aber nicht zu sehr ausbauen, denn dann glaube ich nicht mehr genug an Plan A. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich zu mir selber sage: „Das muss Schicksal sein!“, aber eigentlich meine ich das dann gar nicht so. Ich glaube, dass man grundsätzlich alles, was man gibt, früher oder später zurückbekommt. Wenn mal etwas schief geht, bringt es einen wieder zurück auf den Boden. Meine Karriere als Sängerin würde ich erst beenden, wenn ich keine Stimme mehr habe. Soviel ich jetzt sagen kann, werde ich immer Lieder schreiben, ob für mich oder für andere. Mein Traum wäre es, mit Raphael Saadiq, Q Tip oder Erykah Badu zusammen zu arbeiten. Dafür würde ich fast alles tun, solange es sich mit meiner Moral vereinbaren lässt.“

Lyndsey „Ich habe meinen Freund in Fiji kennen gelernt und bin deshalb ein Jahr später in die Schweiz gezogen – das war die größte Überraschung meines Lebens. Aber ich bin davon überzeugt, dass man seinem Herz folgen und Gelegenheiten ergreifen muss. Ich finde, erst die Liebe macht das Leben lebenswert. Für mich bedeutet Liebe, dass man jemandem sein Herz öffnet und den anderen zu einem Teil von sich selbst macht. Ein bisschen planen muss ich, sonst fühle ich mich, als würde ich ohne Ziel und Zweck dahin treiben. Aber auf längere Frist ist mein Planen eher ein Träumen. Wichtig ist mir, nie meine Träume aus den Augen zu verlieren. Auch wenn ich sie nicht ganz erreiche – danach zu streben ist schon viel wert. Das Schicksal oder der Zufall, oder wie auch immer man es nennen will, öffnen nur Türen. Dann hängt es von dir ab, etwas daraus zu machen. Überraschungen machen das Leben interessant, oder nicht? Wenn alles immer nach Plan laufen würde, wäre das langweilig. Irgendwann möchte auf mein Leben zurückblicken und sagen können, dass ich etwas bewegt habe, andere glücklich gemacht habe und mir selbst treu geblieben bin. Wenn ich dabei noch zusammen mit meiner großen Lieben an einem Strand sitzen sollte, wäre mein Glück perfekt.“


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Manu “Als ich unerwartet schwanger geworden bin, habe ich mich gefragt, ob ich dafür wirklich bereit bin. Ich hab mich dafür entschieden – und es war die beste Entscheidung meines Lebens. Mit der Geburt meines Sohnes hat sich alles verändert, aber nur im Positiven! Vor allem die Prioritäten: Viele Dinge, die einem früher maßgeblich vorkamen, sind plötzlich völlig irrelevant. Man merkt, was wirklich wichtig ist im Leben: Liebe und bedingungslos füreinander da zu sein. Ich denke, Zufall ist manchmal Schicksal. Ich kann und will mir gar nicht mehr vorstellen, wie mein Leben ohne Zian verlaufen wäre. Seit ich Mutter bin, plane ich etwas mehr als vorher. Ich lebe nicht mehr einfach in den Tag hinein, sondern probiere, etwas aus dem Tag zu machen. Natürlich fühle ich mich manchmal erschöpft oder müde. Aber wenn Zian mir einen Liebesbrief schreibt oder quer durchs ganze Tram brüllt „Mami ich hab dich so lieb!“, dann vergesse ich alles andere um mich herum. Wenn ich daran denke, dass das Küken irgendwann zum ersten Mal ausfliegt, um in den Kindergarten zu gehen, dann blutet mir das Herz. Und beim Gedanken an die Schule wird mir noch viel mulmiger. Aber den Weg muss er gehen, um sein Träume zu verwirklichen. Wenn unser Sohn die Pubertät überstanden hat, sind mein Mann und ich 40 und vielleicht treffen wir uns dann ja wieder in der Disco – da wo alles angefangen hat.“ 11 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - DRACHENFLIEGEN

Sophia

„Als der Laden, in dem ich gearbeitet habe, letztes Jahr geschlossen wurde, bin ich aus allen Wolken gefallen! Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und habe mein Job, den Laden und alles drum herum geliebt und gelebt. Meine Pläne gehen nie so auf, wie ich vorhatte. Also habe ich aufgehört, mein Leben zu planen – ich lasse mich lieber treiben. Arbeit bedeutet für mich, ständig in Bewegung zu sein, Neues zu erleben und meine Grenzen auszutesten. Ich will mit anderen zusammen etwas erschaffen und dann die Erfolgserlebnisse feiern! Ich mag Neues und Unerwartetes – egal ob positiv oder negativ. Es zeigt mir immer wieder, wie offen ich dem Leben gegenüber stehe. Mein Traum wäre es, um die Welt zu reisen und jeden Tag neue Menschen kennen zulernen. Dafür würde ich sogar mein Leben hier in der Schweiz aufgeben. Gute Freundschaften halten nämlich auch, wenn man bis ans Ende der Welt reist. Ich glaube an das Schicksal und an den Zufall. Beides widerfährt mir in meinem Leben immer wieder. Trotzdem hält jeder sein eigenes Glück in der Hand! Ich glaube vor allem an Wünsche: Man muss sich nur überlegen, was man will und wie es sich anfühlen soll. Dann braucht man Geduld und irgendwann wird es wahr – und das ist das Größte!“



Dandelion

13 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - DANDELION Unterhemd von Zimmerli bei Globus, Gilet von Phillip Lim bei Fidelio, Jeans von Levi’s alle Levi’s Artikel bei Levi’s Store Bern Westside Tel. 031 991 82 20 erhältlich, Schuhe von Ash bei Bufalini


Die Mode als Pusteblume

Brille von Cutler & Gross bei Burri Optik, Spitzen Top von Isabel Marant bei Fidelio, Jeans von Lee Cooper Linie Lou Doillon bei http://www.leecooper-online.com, www.leecooper-online.com

Die

14 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - DANDELION

Mode und die Pusteblume haben einiges gemeinsam. Beide blühen trotz erschwerten Bedingungen, die Blume zwischen Trottoirsteinen und die Mode sogar in Krisenzeiten wie wir sie gerade haben. Beide verändern ihre Gestalt im Laufe der Zeit und beide haben die Eigenschaft der Versamung als lebenswichtige Funktion. Sie sind sich nicht nur sehr ähnlich, sondern sie funktioniert auch nach dem gleichen Prinzip, dem Prinzip der Versamung. Wir alle erinnern uns, wie wir als Kind die Pflanze im Frühsommer von den Wiesen rissen, um die weissen flauschigen Samen, die aussahen wie kleine Fallschirme, mit voller Puste davon zu blasen. Die Hände waren danach klebrig vom Milchsaft. Die kleinen Schirmchen verteilten sich rasch, der Wind trug die einen weit fort und andere schafften es nur bis vor die eigenen Füsse und glitten dann langsam zu Boden. Die Pusteblume versamt mühelos, ein Windstoss reicht. Und was hat das nun mit der Mode zu tun? Sie funktioniert genau so. Auch ihr Ziel ist die Verbreitung und deshalb steht die Pusteblume sinnbildlich für die Mode. Die Saisons sind die Blüten, sie bringen jeweils verschiedene Trends mit sich, welche die einzelnen Samen der Blume darstellen. Dieses Jahr sind es unter anderem die Spitze und der Denim, die in den verschiedensten Varianten zu kaufen sind. Die einen Trends trägt die Modemaschinerie ganz weit fort, sie werden gar globalisiert. So sieht man vor allem die klassisch amerikanische Mode mit Poloshirt und Jeans von Rio bis Tokio und gar in Marrakesch. Trends, die sich nicht besonders lange halten, extravagant sind oder gar ein differenziertes Verständnis von Mode voraussetzen, schaffen es nur in der westlichen Welt als modisch zu gelten. Denken wir an den Stil der 80er Jahre, der gerade ein Revival erlebt, der Trend wird von Kopenhagen bis Paris getragen, viel weiter reicht er nicht.


15 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - DANDELION Brille von Cutler & Gross bei Burri Optik, BH von Chantal Thomass bei Globus, Spitzen Jacke von Isabel Marant bei Fidelio, Jeans von Levi’s, Schuhe Gardenia bei Monsieur Dubois.

Spitzen Overall von Fogal, Jeansjacke Levi’s, BH von Calida


16 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - DANDELION Kleid von Hoss bei Globus, Jeansjacke von Levi’s, Ledergilet von Giorgio Brato bei Fidelio, Schuhe von Dico Copenhagen bei Monsieur Dubois.


Weisses Shirt und Gilet von Cat Power von Levi’s, Jupe von H&M, Schuhe Gardenia bei Monsieur Dubois. 17 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - DANDELION

Die

Versamung der Mode beeinflusst uns alle. Auch wenn gerade in Modemetropolen noch immer an den Trugschluss der Individualisierung durch die Mode geglaubt wird. Mode macht nicht individuell denn die Eigenheit, die sie bietet, ist immer nur das, was durch die Blüte und schliesslich den Samen der Pusteblume verbreitet wird. Also ist immer nur das zu kaufen, was von der Modewelt produziert wird und somit den Markt bestimmt. Ob Mode-Victim oder Otto Normalverbraucher, sie alle kaufen, was eben auf dem Markt zu kaufen ist. Schon Georg Simmel, ein Soziologe, stellte bereits vor hundert Jahren fest: „Sie (die Mode) ist Nachahmung eines gegebenen Musters und genügt damit dem Bedürfnis nach sozialer Anlehnung, sie führt den Einzelnen auf die Bahn, die Alle gehen, sie gibt ein Allgemeines, das das Verhalten jedes Einzelnen zu einem blossen Beispiel macht.“ Und so sind wir eben alle nur Abbilder, Produkte der vesamten Trends. Doch Simmel deutet auch an, dass „die Bahn, die Alle gehen“, ein nicht wegzudenkendes Element der Mode ist. So liegt die Vermutung nahe, dass Leser von „Hope Hope“ in ihrem Kleiderschrank eine Lederjacke, ein kariertes Hemd und etwas Genietetes haben. Sie mögen Blogs mit Street Style glauben trotz allem an die Individualität und finden die Luxusmarke D&G doof. Und auch diese Modestrecke ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als das Resultat der versamten Modetrends und will hinausgeweht werden.


18 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - DANDELION Body von Fogal, Jeanshemd von Sandro, Lederhose von On y va, Schuhe von Dico Copenhagen bei Monsieur Dubois.


19 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - ILLUSTRATION - ROMINA TSCHUOR



Alter: 23 / Beruf: Studium Psychologie / Hobby: Musik / Beziehung: Ja / Bedeutung von Freiheit, auf Stufe 1-10: 10 21 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - FREIHEIT

„Geld allein macht dich nicht glücklich, aber es beruhigt.“ Luca will sich eines Tages eine eigene Wohnung leisten können, genug Geld verdienen, um sich ohne zu Überlegen eine neue Gitarre kaufen können. Aber Luca will dafür nichts aufgeben, will keine Kompromisse eingehen, will frei sein von Zwängen und gesellschaftlichem Druck. Er hat einen Traum: das zu machen, was ihm Spass macht, eines Tages auch mal eigene Kinder haben, sich nicht über einen „nine-to-five“-Job definieren. Luca sagt Dinge wie „Man muss sich gut kennen, um Freiheit geniessen zu können“, er glaubt, dass er Angst hat, etwas zu verpassen im Leben, mit 40 aufzuwachen und zu merken: shit, das und das hätte ich durchziehen sollen. Darum gibt es für ihn nicht nur einen Weg, sondern viele Wege, mit vielen Abzweigungen. Er studiert Psychologie, unterrichtet nebenbei an der Berufsschule Informatik, macht viel Musik- und „weiss eigentlich noch nicht ganz genau, wohin ihn sein Lebensweg führen wird“. Die Eltern wünschen sich, dass der Junge endlich mal richtig Geld verdient, nach seiner Berufslehre als Informatiker, sie wollen einen erfolgreichen Sohn mit Vollzeitjob und Karriereplanung. Seiner Freiheit beraubt fühlt er sich, wenn ihm jemand vorschreibt, was er machen soll. Autoritätsprobleme habe er keine, das Militär absolvierte er ohne zu Murren. Der Sohn einer Sozialarbeiterin und eines Abteilungsleiters wählt zwar nicht SVP wie seine Eltern, aber ein Linker ist er trotzdem nicht. „Ich wähle einen Lösungsansatz und keine Partei.“Sein Ehrgeiz ist gross, seine Empathie auch, vielleicht ist das eine gute Mischung für die Zukunft. Luca sagt: „Ich scheitere ungern, vor allem bei Sachen, die ich gerne mache.“

Luca.


„Freiheit?“, die Mutter einer sechsjährigen Tochter überlegt einen Moment, „Freiheit bedeutet für mich unter anderem, bald 100 Prozent arbeiten zu können.“ „Ich suche neben der Familie ganz sicher auch dieErfüllung in meiner Arbeit“, sagt sie. Soeben hat sie an der Universität Bern erfolgreich ihr Volkswirtschaftsstudium mit dem Master abgeschlossen. Nun will sie ihre neu gewonnene Freiheit als Chance packen. Eine Vollzeitstelle kann sie auch deshalb annehmen, da ihr Partner sich aktiv an der Kinderbetreuung beteiligt und die Hauptverantwortung dafür übernimmt. Vor nicht allzu langer Zeit wäre ein solches Familien- und Erwerbsmodell undenkbar gewesen. Anlis wurde mit 22 Jahren Mutter einer Tochter. „Mein Freund und ich haben uns gemeinsam für das Projekt Familie entschieden“, so Anlis. Das hiess aber auch, dass sie in gewissen Bereichen zurückstecken mussten, wie zum Beispiel spontan ins Kino zu gehen. Manchmal hätte sie auch gerne während den Sommerferien weitere Arbeits- und Auslandserfahrung gesammeln. „Das war zum Teil hart, und es kommt vor, dass ich das Gefühl habe gewisse Chancen verpasst zu haben“, sagt sie. Mit der Geburt von Raissa änderte sich ihr Verantwortungsgefühl und das sei wunderschön gewesen. Sie habe zwar ein Teil ihrer eigenen Freiheit für die Familie aufgegeben, aber dafür sehr viel gewonnen.Sie nutzt ihre Chancen im Leben und nimmt sich heraus, ihre beruflichen Ziele mit der Familie zu verbinden. Beispielsweise sind alle drei für ein Jahr nach Wien gezogen. Ihr Mann hat dort gearbeitet, ihre Tochter den Kindergarten besucht und sie die Universität. Seit eineinhalb Jahren lebt die Familie nun in Zürich. Ihr Traum: Die beruflichen Ziele, wie eine anspruchsvolle 100% Stelle, weiter mit der Familie verbinden zu können und sich nicht für das eine oder andere entscheiden zu müssen. Anlis sagt: „Wenn man die eigenen Freiheiten nicht nutzt, bringen sie einem auch nichts.“

22 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - FREIHEIT

Alter: 28 / Beruf: Ökonomin / Beziehung: ja / Bedeutung von Freiheit, auf Stufe 1-10: 8

Anlis.


Priska.

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Alter: 22 / Beruf: Praktikantin Kindertagesstätte / Bedeutung von Freiheit, auf Stufe 1-10: 7

Priska ist gegen eine Ausgangssperre für Jugendliche. Priska ist für die persönliche Freiheit und für die politische Freiheit eines jeden Einzelnen, bekämpft aber Extremismus. Dafür setzt sie sich ein: sitzt im Präsidium der JUSO Oberargau. Eine zarte Frau aus Roggwil BE. Absolviert gerade ein Praktikum in einer Kindertagesstätte, will später an der Fachhochschule Sozialpädagogik studieren. Ihr Geschichtsstudium hat sie abgebrochen. Ihre persönliche Freiheit, sich für was zu entscheiden. Aber, in einem ist sich Priska Grütter ganz sicher: Nicht die Partei sei wichtig, sondern, ob sich jemand engagiere. Da gibt‘s noch die andere Seite: Luftwaffe, Lehrverband Führungsunterstützung, Abteilung elektronische Kriegsführung - „Oberleutnant Grütter“ ist mit Leib und Seele im Militär. Und: sie ist heute zufälligerweise die Vorgesetzte ihres Freundes, dem Parteipräsidenten der SP Langenthal, Beruf Lehrer - und gewöhnlicher Soldat. Sie bezeichnet sich als eine «kritische Angehörige der Armee». Keine, die das Hirn ausschaltet und nur mitmarschiert. Ursprünglich wolle sie zeigen, „dass sie das was Männer tun, auch machen kann.“ Es war ihr Freiheitsdrang, der sie dorthin führte, wo andere sich in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlen. Freiheit heisst für Priska, dass sie sich ihr „Frau sein“ selber, und nicht durch vorgegebene Gesellschaftsmuster, definiert. Sie führt einen Zug von ca. 30 Personen, gibt ihnen als Vorgesetzte viel Freiheit mit auf den Weg. Aus Überzeugung, weil sie glaubt: Freiheit zu haben, heisst Verantwortung übernehmen. Im Privaten wie auch im Job. Nicht jeder könne damit umgehen, oft müsse man Grenzen setzen. In ihrer Beziehung braucht Priska ebenso viel Freiheit wie ihr Freund, da sind sie gleich. Eifersucht ertrage sie nicht, vielleicht haben sie und ihr Freund auch deswegen anfänglich vereinbart, eine offene Beziehung zu führen. Bislang hat das keiner der beiden ausgenützt. „Freiheit beginnt im Denken.“


Alter: 35 / Beruf: Layouter / Beziehung: nein / Bedeutung von Freiheit, auf Stufe 1-10: 7 24 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - FREIHEIT

Frei sein bedeutet manchmal auch allein sein. Nach einer gescheiterten Beziehung muss sich «Wälti» wieder neu orientieren. Dazu gehört auch, plötzlich viel Zeit zu haben, keine Verpflichtungen mehr zu haben, tun und lassen können, was man will. Allein sein, das könne er jedenfalls gut, er widmet sich die Zeit gerne den so genannten unwichtig-wichtigen Dingen im Leben, wie seinem Hobby - Wälti ist passionierter Promijäger. Kaum ein V.I.P, den der Winterthurer nicht schon mal vor der Linse gehabt hat. Die Autogramme und Fotografien füllen Ordner. Hemmungen kennt er keine. Natürlich, sagt Wälti, beraube er die Schönen und Reichen in gewisser Weise ihrer Freiheit, weil er ihnen nachstellt, weil er sie x Mal anspricht, auch wenn sie abweisend reagieren. Doch er ist überzeugt, hartnäckig müsse man sein, aber auch freundlich. Als halber Engländer weiss er, was zum guten Ton gehört. Bei Frauen gibt er den Gentleman. Er hält nichts von „alle Türen offen lassen“. Verschenkt er sein Herz, dann ganz. Manchmal merkt er, dass er seine Partnerinnen unbeabsichtigt einengt oder sogar etwas zu vernachlässigt. die wichtigste Sache ist die Kommunikation in einer Beziehung, aber auch die Freiheit spielt eine sehr grosse Rolle. Klare Verhältnisse müssen geschaffen sein, somit vermeidet man Missverständnisse und Missvertrauen, sonst funktioniert eine Partnerschaft längerfristig überhaupt nicht, meint Wälti: „Frei sein“ könne man in einer guten Beziehung!

Stefan.


Vijay.

25 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - FREIHEIT

Alter: 32 / Beruf: absolviert Anwaltsprüfung / Bedeutung von Freiheit, auf Stufe 1-10: 10

Freiheit besteht für den Sohn einer Schweizerin und eines Inders darin, dass er einen Entscheid fällen kann, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Wie mit seinem geplanten Cricket Turnier auf dem St. Moritzer See. Dort will er Indien und Pakistan für ein gemeinsames Spiel gewinnen. Im Moment ist er im Gespräch mit möglichen Sponsoren. In Anbetracht der Sicherheitslage im Ausland, eine echte Herausforderung. Vijay sagt, wenn man sich vorher überlegen würde, welche Risiken man eingeht, zieht man eine solche Idee niemals durch. Er nimmt sich aus, seinen eigenen Weg zu nehmen, aus alten Pfaden auszubrechen. Auch, wenn sein Gang nicht allen gefällt: da ist seine Familie, die endlich auf das Ende seiner Ausildung plangen, für ihren Sohn lieber ein gutes Einkommen sehen würden. In erster Linie versucht er seine eigenen Erwartungen zu erfüllen, nicht diejenigen des Umfelds. Vijay verfolgt beharrlich sein Projekt, es ist seine ganz persönliche Vision, ein Stück Freiheit, ist er überzeugt. „Freiheit kommt immer auch mit Unfreiheit“, sagt er. Denn wenn man alles gibt, verzichtet man auch auf vieles. Verzetteln? Gibt’s bei ihm nicht. Er verfolgt seine Träume. Seiner Meinung nach müsste jeder im Lande alle fünf Jahre drei Monate eine Auszeit nehmen können, um über seine Wünsche und neue unternehmerische Ideen nachdenken zu können – und Zeit zu haben, um die Frage zu beantworten: was will ich eigentlich? Sinnierend über die Freiheit zitiert er Kant, er sagt: die eigene Freiheit hört erst dort auf, wo sie die Freiheit des anderen beschränkt. Vijay ist überzeugt, dass es neben der individuellen Freiheit eine gesellschaftliche Freiheit gibt: sie schränke uns zwar einerseits ein, gleichzeitig vermittele sie Halt, Geborgenheit, Sicherheit. „Wir kommen nicht ohne uns aus.“


Trotzdem hast Du’s getan, warum? Weil man ebenso viel Freiheit gewinnt. Plötzlich kriegt man eine viel grössere Eigenverantwortung, man steckt seine Grenzen weit, fordert sich täglich heraus, muss sich selber Mut zusprechen. Der Preis für die Freiheit: niemand hält einem Händchen, dafür ist man auf sich alleine gestellt und wächst über sich hinaus. Man entdeckt sich selber sehr stark.

Simone.

Wie hast Du Dich kennen gelernt? Ich habe gemerkt, dass Freiheit auch einschränken kann. Wenn ich mal Flaute habe im Laden, sitze ich wie auf Nadeln. Auf der anderen Seite gönn ich mir mehr Freizeit, wenns gut läuft. umgekehrt: wenn nix läuft, dann hab ich Zeit um mir mehr Freizeit zu gönnen und wenn viel läuft, dann arbeite ich viel. könntest sonst schreiben: früher sass ich wie auf Nadeln wenn mal Flaute im Laden war, mittlerweile gönne ich mir mehr Freizeit wenn wenig läuft und arbeite dafür umso mehr wenn im Laden viel los ist. Da bin ich ziemlich pragmatisch, ich lebe immer noch von Tag zu Tag, nur habe ich inzwischen einen kleinen Reserveposten geschaffen, damit ich nicht mehr wie am Anfang von der Hand in Mund leben muss. Das stresst, kein gutes Gefühl. Was bedeutet für Dich Freiheit im Bezug auf Dein Schaffen? Meine Kundinnen haben bei mir sehr viele Freiheiten. Das ist mir sehr wichtig, denn ich arbeite sehr individuell. Möchte eine Kundin andere Farben, eine andere Länge, ist das bei mir kein Problem. Sie sind frei in ihrem Denken, welches Kleidungsstück sie begehren, das finde ich einen Luxus. Wann fühlst Du Dich frei? Wenn ich in der Natur bin, mit guten Freunden zusammen sitze, Oder indem ich im Internet die Welt bereise. Das gibt mir Einblick in die Freiheit anderer, das finde ich spannend.

26 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - FREIHEIT

Alter: 31 / Beruf: Modedesignerin (www.sne.ch) / Hobby: Natur / Beziehung: ja / Bedeutung von Freiheit, auf Stufe 1-10: 10

Wann hast du viel für Freiheit aufgegeben? Als ich mein eigenes Geschäft eröffnet habe, das war vor sechseinhalb Jahren. Da gibt man schon viel her, Zeit, Freiheit, Sicherheit.



Batwing top with embellishments - Douglas Reker

28 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - BLOWIN‘ IN THE WIND


29 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - BLOWIN‘ IN THE WIND Wool Top - Iris Loeffler, Sequined shorts - Douglas Reker, Peep toe boots - 80%20

Ruffle top - Your Slip is showing , Fringe pants - Haleh


Batwing dress - Haleh 30 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - BLOWIN‘ IN THE WIND


31 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - BLOWIN‘ IN THE WIND Jumpsuit - Iris Loeffler, belt - Stylists own

Tank Top - Jen Kao, Skirt - Darryl K, Leather mesh top - Haleh, Ankle boots - 80%20


Dress with graphic print - Zero/Maria Cornejo 32 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - BLOWIN‘ IN THE WIND


Gold Sequined dress - Iris Loeffler 33 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - BLOWIN‘ IN THE WIND


34 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - BLOWIN‘ IN THE WIND Wool Top - Iris Loeffler, Sequined shorts - Douglas Reker, Peep toe boots - 80%20


35 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - ILLUSTRATION - FELIX ROBERT



Hochzeit zu Schwarzbergen Prolog

9. April

Es war im Jahre 2005 als ich mich mit meinem Bruder Manuel und zwei Freunden zu einer Reise ins Mekka der Balkanmusik, einem kleinen Ort in Serbien Namens Guča, aufmachte. Dort findet jedes Jahr der Wettbewerb um die Zlatna Truba (dt. Goldene Trompete) statt, ein einwöchiges Trompetenmusikfestival, das als Knabenschiessen mit Zigeunermusik beschrieben werden kann. Doch nach drei Tagen Bier, Fettdampf, Schnaps und Kopfschmerzen mussten wir unsere Zelte dort abbrechen, um diesem Wahnsinn zu entkommen. Wir beschlossen, an die Küste Montenegros zu reisen um uns vor unserer Heimkehr noch etwas zu erholen. In einer lauen Sommernacht in Herceg Novi, lernte Manuel seine Liebste kennen, nachdem einer unserer Freunde Jovanas Schwester in einer Disco aufgegabelt hatte. Jovana meinte nur: „I like the skinny one“, und eins führte zum anderen. Nach zwei Jahren Pendlerei zwischen der Schweiz und Montenegro beschlossen die Beiden zu heiraten. Was folgte war ein über Monate andauernder Papierkrieg mit den Behörden beider Länder. Im Dezember 2007 konnte ich endlich als Trauzeuge der standesamtlichen Hochzeit der beiden beiwohnen. Doch damit war es nicht getan, denn auch Jovanas Familie, Freunde und Bekannte sollten am Glück des jungen Paares teilhaben und es wurde ein Hochzeitsfest in Jovis Heimatort Bijela auf den 12. April 2009 angesetzt.

Meine fünfköpfige Familie, meine Schwägerin, Stuppček und Dimi treffen sich um 10:30 am Flughafen Kloten. Um ein Haar hätte Dimi wegen Überbuchung nicht mit fliegen dürfen. Schlussendlich sitzen wir jedoch alle im Flugzeug nach Belgrad. Dort schlagen wir uns den Tag um die Ohren und besteigen den Nachtzug nach Kotor. Der Zug ist eine Rumpelkutsche, doch wenigstens erlaubt uns der Schaffner das Rauchen. Allfällige Bussen, wenn ein „Offizieller“ vorbei komme, müssen wir jedoch selber berappen. Der Schaffner verkauft uns später Bier und Wein, ein sympathischer Mann.

37 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - REISEBERICHT


10. April Um 2:00 wird mein leichter Schlaf durch die aggresivfreundlichen serbischen Zöllner gestört. Um 4:00 erfahre ich, dass auch an der montenegrinischen Grenze aggressivfreundliche Zöllner arbeiten. Schliesslich kommen wir in Kotor an. Unsere Reisegruppe wird von Jovis Vater Nikola empfangen und in Autos verfrachtet. Auf der Fahrt stelle ich fest, dass Stau während der Osterzeit nicht nur auf Schweizer Autobahnen zu finden ist. Endlich in Bijela angekommen, lernen wir einen Haufen Verwandte und Bekannte, sowie Nikolas selbst gebrannten Schnaps kennen. Wir staunen über Jovis Bruder Dušan, der elfjährige Junge hat durch jahrelanges Schauen von SuperRTL-Cartoons akzentfreies Deutsch gelernt. Den ganzen Tag hindurch kommen wir in den Genuss der berühmten serbischen Gastfreundschaft, sprich Schnaps, Essen, noch mehr Essen und immer wieder Schnaps. Nach und nach treffen die Freunde meines Bruders in Bijela ein. Nikola lädt uns für den nächsten Tag ans Meer ein, um Muscheln zu suchen.

38 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - REISEBERICHT


11. April Am Morgen erwartet uns eine äusserst reichhaltge und nahrhafte Mahlzeit. Fleischtorte, Würste, frisches Maisbrot, türkischer Kaffee und frittierte Fettstückchen, ein gelungener Start in den Tag. Danach führt uns Nikola zum Strand. Wir fragen uns, wofür er einen selbstgebastelten Fünfzack mit Schnur mit sich führt. Die Frage wird jedoch schon bald beantwortet: Nikola will den Schweizern die monenegrinische Meerfauna zeigen! Geschickt spiesst er Meeresbewohner wie Krabben und Seesterne mit seinem Fünfzack auf und zeigt uns stolz die malträtierten Tiere, bevor er sie wieder ins Meer zurück schleudert. Einer Krabbe reisst er die Scheren ab und verteilt sie als Souvenirs mit dem Tipp, sie in einen Ameisenhaufen zu legen. Die Ameisen essen das Krabbenfleisch aus den Scheren und das Souvenir beginne dann auch nicht zu stinken. Nach diesem lehrreichen Einblick in die Meeresbiologie, schickt er Oli mit einem Kessel und Bierversprechen ins 17 Grad warme Meer, um Muscheln zu ernten. Während Oli im Meer nach Muscheln taucht, rauscht Nikola auf seinem Scooter davon. Nach einer halben Stunde kommt er zurück, mit einem 5 Kg-Sack Muscheln, den er auf einem Markt in der Nähe gekauft hat. Kurz darauf ist auch Olis Muschelkessel voll und wir kehren zu Nikolas Haus zurück,

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wo wir unsere Meeresbeute putzen müssen. Eine mühselige Arbeit, die durch einige Schnäpse noch verzögert wird. Wir werden jedoch am Abend mit einer herrlichen Muschelmahlzeit belohnt. Vor dem Schlafen gehen instruiert uns Manu noch für die morgige Hochzeit; dem Zigeunerorchester kein Geld geben, dieses werde separat bezahlt; eine Handvoll Münzen mitnehmen, um denjenigen zu bezahlen der einem das Hochzeitszweiglein ansteckt und leider sei es nicht möglich, wie von uns gewünscht, mit einer Kalashnikov in die Luft zu schiessen, dies sei seit kurzem illegal.


12. April Schon während ich mich meinem kleinen Stuppček für die Hochzeit zurechtmache trompetet von Nikolas Haus Ziegeunermusik zu uns herüber. Zur Begrüssung fächert sich das Orchester um uns und beschallt uns minutenlang mit ihren Blasinstrumenten. Glücklicherweise treffen neue Gäste ein und die Musiker lassen von uns ab. Mit aufdringlichem Pfeiffton in Ohren wird mir das Hochzeitszweiglein angesteckt, werfe meine Münzen auf das Tablett und habe auch schon meinen ersten Schaps in der Hand. Während mich Jovis Verwandte und Bekannte mit jeweils neuen Schnäpsen begrüssen, komplettiert sich nach und nach die Hochzeitsgesellschaft. Jovi und Nikola tanzen derwischartig zum rassigen Takt des Orchesters, während sich bei mir langsam die unheilvolle Kombination von Mittagssonne und Schnaps bemerkbar macht. Schliesslich machen wir uns im Auto auf dem Weg nach Herzeg Novi, wo in einem Strandrestaurant das Bankett stattfinden wird. Auf der Fahrt sollen wir möglichst viel hupen und falls wir von der Polizei angehalten werden einfach sagen, dass wir zur Hochzeitsgesellschaft gehören. Als pflichtbewusster Beifahrer hupe ich auf der gesamten Strecke, während ich dem

Fahrer immer wieder sein Bier reiche. Das riesige Buffet im Restaurant hilft mir dabei, unerwünschte Schnapswirkungen vorerst zu beseitigen. Nach dem ausgiebigen Essen und der Hochzeitszeremonie kommen die Zigeunermusiker wieder und die Neuvermählten tanzen traditionsgemäss den ersten Tanz. Die ganze Gesellschaft schliesst sich dem Tanzvergnügen an. Tanzfreudigkeit und Schnaps gehen dabei Hand in Hand. Sascha, der bosnische Freund meiner Schwester sorgt versehentlich für ein vorzeitiges Ende der Zigeunermusik, indem er dem Tubabläser eine 50-Euro-Note auf die Stirn klebt. Mehr Geld will das Orchester offensichtlich gar nicht verdienen. Ein sichtlich schapsgezeichneter Dimi genehmigt sich anschliessend ein Erfrischungsbad im Meer, währenddessen meine Mutter Jovis Kollegen verspricht, ihnen Haschkuchen zu backen, wenn sie uns in der Schweiz besuchen kommen. Die berauschte Zeit vergeht wie im Flug und gegen Mitternacht fahren wird zurück nach Bijela, wo sich die trinkfesten am Strand einfinden, um sich ein Paar letzte Schnäpse zu genehmigen. 13. April Mit einem Kater, wie ihn nur eine Balkanhochzeit auszuprägen vermag, treffen wir uns für ein letztes Mittagsmahl in Nikolas Haus. Schweren Herzens und froher Leber verabschieden wir uns von unseren neuen Freunden, Verwandten und Bekannten, mit dem Vorsatz bald wiederzukehren. Dann kommt auch schon der Bus der uns nach Kotor bringt wo der Nachtzug nach Belgrad auf uns wartet.

40 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - REISEBERICHT



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46 HOPEHOPE-MAGAZINE ISSUE #07 - ILLUSTRATION - GIGI BURN - WWW.GIGIBURN.CH



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ange hatte er gehofft. Hoffnung, lernte er in dieser Zeit, konnte ausdauernd und beständig sein. Er verstand all die Einwände seiner Freunde und der Vernunft. Davon hatte er ursprünglich eine gesunde Portion besessen. Doch irgendwann in dieser Angelegenheit hatte sie sich ausgeklinkt. „Wozu braucht es schon Vernunft?“ rief er euphorisch und trotzig. „Befreit von ihr, lässt sich die Welt erobern!“ Doch er wusste selber gut, dass daran bisher noch jeder gescheitert war. Aber seine Vernunft konnte er nicht mehr anrufen, sie hatte ihn entsetzt verlassen, als er der Hoffnung Asyl gewährte. Nur vorübergehend, doch geblieben ist sie viel zu lange. Bis er eines Tages aufwachte und sich fest entschlossen zeigte, die Hoffnung über Bord zu werfen. Denn sie verhinderte sein Vorwärtskommen, er trat aller Anstrengung zum Trotz stets an Ort und Stelle. Wie im Traum, in dem es kein Vorankommen gibt. „Es ist ein Albtraum!“ schrie er auf und stiess sie von Bord. Er fühlte sich erleichtert und zum Aufbruch bereit. Am Abend strampelte er wieder an Ort. Die Hoffnung war ihm den ganzen Tag hindurch gefolgt und stürzte sich auf ihn, gerade als der Abend dämmerte. Er war ein leichtes Opfer und gab sich nach kurzem, nicht sehr intensiven Kampf geschlagen. Er lernte, dass sich die Hoffnung nicht so einfach abstreifen liess. Er war keine Schlange, der jede Häutung spielend gelang. Wochenlang lebte er weiter mit seiner Hoffnung. Sie hatten ein inniges Verhältnis und teilten sich den Alltag. Es war freilich das einzige innige Verhältnis, welches er in jener Zeit unterhielt.

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r war in ihre Stadt gekommen. Er wusste, wo sie wohnte, doch er ging nicht hin. Stattdessen setzte er sich ans Ufer des grossen, verwinkelten Sees. Er hatte die Stadt früher nie gemocht. Da waren die Berge, sie engten ihn ein. Und meistens waren da dicke Wolken. Zumindest in seiner Erinnerung waren immer dicke, nasse Wolken. Und doch war die Stadt ein Magnet. Die ganze Welt schien sonderbar von ihr angezogen. Heute hatte es keine Wolken und die Berge trugen Frühling. Langsam begriff er, worin der Reiz der Stadt bestand. Doch auch heute war sein Verhältnis zu ihr getrübt. Er konnte hier nicht sein, ohne sich verfolgt zu fühlen. Bei einem Dreieck gab es immer eine Ecke zuviel. Und seine Vernunft wusste, dass er die überzählige Ecke war. Doch sie hatten sich nicht mehr viel zu sagen, seine Vernunft und er. Wie damals die Berge, engten ihn heute die andern Ecken ein. Sie schienen überall zu lauern, er war in ihrer Stadt. Er wusste nicht, weshalb er hierher gekommen war. Vielleicht gerade deswegen. Weil er sich fehl am Platz fühlen wollte. So wie hier, so auch im Ganzen. Seine Vernunft und seine Freunde wussten das schon lange. Doch sie hätten sich auch täuschen können. Er wollte und musste dies für sich selber herausfinden. Er ging zum Bootssteg. Sie redeten viel davon, zusammen eine Bootsfahrt zu unternehmen. Zu Beginn des Frühlings brachte sie die Idee ein. Sie gefiel ihm und er freute sich einen Sommer lang. Dann wurde es Herbst und auf dem See zusehends rau und ungemütlich. Die gemeinsame Schiffsfahrt fiel ins Wasser und er wusste nicht genau, was noch alles damit verbunden im dunklen Nass auf Grund lief. Unterdessen war es wieder Frühling geworden. Der Winter war ungewöhnlich lang und kalt gewesen. Er ging zum Steg und wartete, bis die Matrosen die Kette zur Seite rasseln und das Schiff freigeben würden. Die Schlange am Steg wurde länger. Es war ein Feiertag und bis auf ihn und einen Japaner ging niemand alleine aufs Schiff. Der Japaner setzte sich in unmittelbarer Nähe zu ihm ebenfalls auf die hinterste Bankreihe im Freien am Heck des Schiffs. Doch ihm war nicht nach Gesellschaft zu Mute. Er ignorierte die gelegentlichen Bemühungen des Touristen, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Stoisch starrte er auf den See hinaus. Es war kalt auf dem Schiff, obwohl die Sonne schien. Und von irgendwo her verirrten sich Regentropfen aufs Deck, obwohl die grauen Gewitterwolken noch weit entfernt schienen.

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r stellte sich vor, wie es gewesen wäre mit ihr auf dem Schiff. Entspannt, gemütlich, erholsam, angeregt, erregt, ausgelassen, still, ruhig, unbequem, unbehaglich, langweilig, eng. Er erinnerte sich an eine Rundfahrt auf der Seine. Sie lag Jahre zurück. Er sass neben seiner Schulkollegin. Sie waren zufällig beide zur gleichen Zeit in Paris und glitten nun unter den zahlreichen Brücken rund um die Notre Dame übers Wasser. Der Motor trieb das Boot vorwärts und der alte Lautsprecher schepperte den Touristen Informationen entgegen. Er war über beide Ohren verliebt und schaute an besonders romantischen Stellen der Flussfahrt zu ihr hinüber. Sie fixierte ihren Blick stets aufs nahe Ufer. Als die Rundfahrt vorüber war, hatte er Hunger. Sie nicht, also trennte man sich wieder. Er versuchte, an etwas anderes zu denken. Eine Frau mit dunkler Sonnenbrille blickte unentwegt in seine Richtung. Mit ihren grauen, kurzen Haaren erinnerte sie ihn an einen bekannten Fernsehmoderator. Er überlegte eine Zeit lang, wem ihre Begleiterin gleichen könnte. Doch er fand keine Parallelen zu einem ihm bekannten Gesicht, also schaute er wieder aufs Wasser hinaus. Es hatte nun gekräuselte Krönchen, die ein baldiges Gewitter ankündigten. Doch eigentlich hatte er keine Ahnung vom Wetter. Er lauschte ein bisschen dem Gespräch der zwei Studentinnen in der Reihe vor ihm und überlegte, ob er sich in eine der zwei verlieben sollte. Er gab den Gedanken bald wieder auf und rückte seine Sonnenbrille zurecht, deren Bügel auf seinen Ohren allmählich zu schmerzen begannen.

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r hatte ihr zahlreiche Briefe geschrieben. Sie hatte sich mal die Mühe gemacht und die Seiten gezählt. Sie kam auf über hundert. Er schrieb so produktiv wie eine Legehenne Eier legte. Denn er wusste, seine Worte hatten Kraft. Er benutzte sie als Prellbock und stürmte gegen das massive Tor. Er wusste nicht, wie das Land dahinter aussehen würde, aber er stellte es sich schön vor. Erstrebenswert. Also rannte er gegen das Tor an. Es gab nach, er spürte es deutlich. Es würde aus den Angeln springen, wenn er nur stark und ausdauernd genug dagegen anschreiben würde. Doch das Tor hielt. Er umlullte sie mit seinen Worten. Er betäubte sie mit seinen Gedanken. Doch das Tor hielt. „Jeder Blick in die Welt ist ein Suchen nach dir!“ schrieb er. Doch das Tor hielt. Meistens schrieb er nachts. Er hätte schlafen müssen, doch er schrieb. Er mischte seine Tränke und spitzte seine Pfeile im Schutz der Dunkelheit. Meist verfolgte ihn sein stürmisches Gedankenkarussell selbst im Schlaf. Allzu einfach liess er sich davon ereilen. Dann zerrte er den Schlaf zur Seite und stürzte sich in neue Briefe. Doch das Tor hielt. Der Gegendruck von der anderen Seite her war einfach zu stark. Unmöglich, dagegen anzurennen. Niemals würde er das Tor zum Brechen bringen. Es dauerte jedoch mehr als hundert Seiten, bis auch er bereit war, dies zu akzeptieren. Die Schiffsfahrt ging zu Ende, ohne dass er wusste, ob sie ihm lang oder kurz hätte vorkommen müssen. Er hatte wieder ihre Stadt unter seinen Füssen. Er ging zum Bahnhof und fuhr in die seinige. Auch hier hockte die Erinnerung überall. Zügig ging er den kurzen Weg nach Hause. In der Küche goss er Wasser in eine Pfanne und machte die grosse Herdplatte an. Er blickte durch das Fenster nach draussen. Und gab sich Mühe, sie nicht zu suchen.

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