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Gedanken zum Entwurf

Mir ist aufgefallen, dass das Papier bzw. die bei den Experimenten entstandenen Ergebnisse wie weisses Leder aussehen. Es machte also keinen Sinn, dass die Taschen 1:1 wie Originale aussehen. Es musste eine Abstraktion stattfinden, damit das Papier und somit das Vergängliche erkennbar wird. An dieser Stelle sehe ich meinen Eingriff als Designer. Wie kann ich das Vergängliche sichtbar machen?

Mit dem Satz von Klemens im Hinterkopf fokussierte ich mich auf die reine formale Auseinandersetzung und das gestalterische Potential, welches mir das Papier bot und stellte Überlegungen an, wie ich dem Ephemeren ein Aussehen verleihen kann.

Welche Zeichen deuten darauf, dass das, was ich entwerfe, vergänglich sein könnte?

Ich fertigte zu diesem Zeitpunkt schon Modelle an, die mir dabei helfen sollten, den Umfang meiner Taschenserie zu definieren (eine grosse, eine kleine, eine mittlere; eine zum Umhängen und ein Portemonnaie?) Das Material, aus denen die Modelle bestehen, ist Papier, Karton und Wellkarton. Die typische Wellenform des Karton scheint mir ein passendes Detail zu sein, denn obwohl der Wellkarton mit etwas Billigem konnotiert wird, scheint mir genau dieser Bruch in Kombination mit dem Papier eine perfekte Irritation herbeizuführen.

Im Verlauf recherchierte ich über weitere Merkmale, wie Faltverhalten oder Kantenausbildung, die auf den ersten Blick darauf hindeuten könnten, dass es sich um ein vergängliches Material handeln könnte.

Die Haut ist eben; Der Teint, das Haar perfekt; Die Haltung, so leicht, so schwerelos; Es weckt Begierden; Es lässt einen träumen; Man vergisst.

Gedanken zur Inszenierung

Mit der Auseinandersetzung über die Ästhetik der Taschen, formte sich gleichzeitig der Gedanke der Inszenierung, welcher bis dato nur als schwammige Vorstellung Platz in meiner Arbeit fand. Die Irritation sollte nicht nur im Entwurf, sprich in der Auswahl der Materialität und der typischen Formensprache, die das Papier als solches erkennbar macht, gelesen werden, sondern auch in der Inszenierung weitergeführt werden.

Bereits in einem früheren Projekt (Stadtbühnen, kleinsinn ZÜRICH) haben meine beste Kollegin und ich die Litfasssäule als Sprachrohr unserer Gedanken und Werte benutzt. Es ist für mich naheliegend, Marketingstrategien, die von der Modeindustrie auf den Werbeflächen angewendet werden für mein Projekt noch einmal anzuwenden bzw. die gängigen Methoden/Taktiken dahinter zu übernehmen. Die Werbung hat insbesondere in der Mode eine unheimliche Anziehungskraft. Ich muss es schaffen, die von mir entworfenen Taschen so zu präsentieren, dass sie Sehnsüchte erzeugen und den Wunsch wecken diese erwerben zu wollen.

Dazu benötige ich einen Namen – ein Brand. Ich frage mich, wie viele sich dem Gewicht des Wortes Ephemer im Klaren sind. Für mich ist es der perfekte Name für meine fiktive Marke.

Wenn man Werbeplakate betrachtet, wird die Funktion, die das Umworbene im alltäglichen Leben erfüllen muss, meist als sekundär erachtet. Gerade in der Modefotografie ist das Wichtigste das Offen- sichtliche – die Ästhetik. Diese wird meist von einem menschlichen Requisit unterstützt. Irgendwie ironisch, sollte das Objekt – erfunden um zu dienen – nicht die Funktion des Requisits darstellen? In diesem Falle ist der Mensch jedoch das Requisit, über das der Betrachter in der Lage ist sich mit der Szene zu identifizieren.

Die Taschen, die ich angedacht habe, sollten genauso plakativ daherkommen wie die Bewegungen, die Zurschaustellung des Menschen.

Inspiriert von der Durchschnittsform einer Tasche – von der Seite betrachtet, einem stinknormalen Rechteck – beschloss ich mich dieser Formensprache zu bedienen, reduziert und doch prägnant.

„Ich stehe jeden Tag um acht Uhr auf, nehme ein Bad und komme dann hier herunter, in das Studio Sert, wo ich bis zum Frühstück arbeite. Nachher arbeite ich wieder bis um zwei. Dann Mittagessen, zwanzig Minuten ausruhen und dann komme ich gleich wieder her, zurück an die Arbeit. Am Nachmittag überprüfe ich, was ich am Vormittag gemacht habe, und bereite die Arbeit für den nächsten Tag vor. Am bestens arbeite ich in den frühen Morgenstunden, so um vier Uhr morgens. Dann arbeite ich, ohne dass es Arbeit ist. Im Bett. Zwischen vier und sieben widme ich mich vollkommen meiner Arbeit. Danach schlafe ich wieder ein, so zwischen sieben und acht Uhr. Es ist fast immer so. [...] Es ist eine grosse geistige Anspannung.“ Joan

Miró

Formenbau

Küssnacht am Rigi, Räber Leder AG, 08.05.2023

Papierherstellung

Um das Halbzeug, also das Papier anfertigen zu können, organisierte ich in Küssnacht a.R. die benötigten Lederstücke. Ich fand ein Krokodillederimitat, welches exakt meiner Vorstellung von einer plakativen Ästhetik entspricht und sie unterstreicht. Diese Textur sowie eine fein strukturierte Oberfläche sollen meine Papierleder repräsentieren.

Luzern, HSLU 3D-Werkstatt, 08.05.2023

„Dass ausgerechnet ich Silikon verwende und dann noch in meiner Bachelorarbeit!“

Der Nachhaltigkeitsanspruch ist schön und gut, aber manchmal ist der Impact, welcher in der Gesellschaft stattfinden soll wichtiger. Zum Glück gab mir René Odermatt aus der 3D-Werkstatt einen riesigen abgelaufenen Eimer Silikon!

Dieses habe ich auf die flachen, mit Trennmittel versehenen und mit Plastilin umrandeten Lederstücke gegossen.

Es wird Papier gemacht!

Luzern, HSLU 3D-Werkstatt

12.05.2023;

Luzern, HSLU 3D-Werkstatt

14.05.2023;

Luzern, HSLU 3D-Werkstatt

14.05.2023;

Die erste Papiermasse ist angemischt.

Tylose®300; Arbocel® und Glycerin im Mischverhältnis 100:5:4

„Scheisse, es ist total wellig!!!“

Es ist doch logisch. Feuchtes Papier wellt sich. Zudem ist durch die Einbuchtungen, die das Krokodilleder mit sich bringt, plus das etwas unregelmässige Auffüllen der Negativform eine unregelmässige Trocknung begünstigt.

Durch Anpassung der Rezeptur, die mit weniger Wasser auskommt, erhoffe ich mir weniger Wellen. Zusätzlich erweiterte ich die Negativform mit einem passgenauen Rahmen, der gleichzeitig ein gleichmässiges Einfüllen durch Abziehen der Masse ermöglicht. Die eingegossene Masse habe ich anschliessend noch auf der Rüttelplatte versucht von Luftblasen zu befreien und mit einem hauchdünnen Washi-Papier als eine Art Armierung versehen.

16.05.2023;

Der Trocknungsprozess dauert in der eigens errichteten Trockenkammer ca. 3-4 Tage. Damit das Papier trotz aller Vorkehrmassnahmen nicht reisst, setze ich nach der Hälfte der Zeit am Rand einen Schnitt um das Material zu entlasten und bedecke das trocknende Papier mit einem Gitter um das Wellen in Grenzen zu halten.

Luzern, Sieb-/Hoch/Tief-/Flachdruckwerkstatt, 19.05.2023;

„Das bekommen wir schon wieder platt!“

Reto Leuthold, Leiter der Siebdruckwerkstatt zeigte mir ein paar Tricks, wie ich das Papier wieder glatt bekomme. Erneutes, sorgfältiges Aufweichen über mehrere Stunden macht das Papier wieder geschmeidig und flexibel und kann so zwischen Holzkartonplatten und Seidenpapier gepresst.

Zürich, Atelier, 28.05.2023; 17.00Uhr

Foto-Shootings

Die entstanden Bilder, hatten nicht die von mir erhoffte Aussagekraft, die ich mir in meinem Kopf ausgemalt habe. Die Entscheidung für ein weiteres Shooting ist gefallen.

Ein richtiges Fotoshooting zu organisieren und durchzuführen war Neuland für mich. Gewöhnt daran mich unauffällig mit meinen Analogkameras im öffentlichen Raum zu bewegen und flüchtige Momente einzufangen, wusste ich anfangs nicht, was es alles braucht um ein passendes Set aufzubauen um mein Konzept des Ephemeren zu inszenieren. Leinwand, Beleuchtung, Scheinwerfer, Blitz, reflektierende Flächen, absorbierende Flächen? Aber auch die Rolle des Regisseurs, eine Gruppe anleiten zu müssen und mit ihr meine Vorstellungen zu realisieren, waren neue Herausforderungen für mich. Die Bedeutung des richtigen Ausdrucks, den ich zu diesem Zeitpunkt aus der Überforderung alle Komponenten zu berücksichtigen, wenig beachtet habe, wurde mir erst im Anschluss bei der Sichtung der Fotografien bewusst.

Bei einem zweiten Fotoshooting nahm ich die Fotokamera selber in die Hand und konnte mit den Erfahrungen des ersten Durchgangs meine Vorstellungen umsetzten.

Luzern, HSLU, 05.06.2023

Jean-Pierre:

Ich:

Jean-Pierre:

Das ist aber ein schlechtes Objektiv!

Wirklich?

Ja wirklich, besorge dir ein 35er, 50er und 80er!

Vor dem Fotoshooting habe ich mich mit JeanPierre Grüter getroffen. Er gab mir nützliche Tipps zur Lichttechnik, wie man dieses anwendet und man es manipulieren kann.

Zürich, Atelier, 07.06.2023;

Nach der ersten Runde ist es klar, die anfängliche Vorstellung von einem Schwarz/Weiss Foto muss Orange weichen. Die Bilder erhalten so mehr Prägnanz.

Es fühlt sich falsch an, solche Modefotos zu entwickeln und darum ist es für meine Arbeit richtig!

©Pearlie Frisch

Es ist ein schmaler Grat; Nuancen machen den Unterschied; Kleinste Bewegungen, die dem Bild Ausdruck verleihen.

Dank an alle beteiligten Personen.

Insbesondere an

Mònica Gaspar

Florian Hauswirth

3D-Werkstatt HSLU – D&K

Für die Unterstützung während meiner Arbeit

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