Lukas Toppler – Begrünter Schallschutz

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Hochschule Luzern Design & Kunst

BegrĂźnter Schallschutz Schriftliche Bachelorarbeit Lukas Toppler 2019


Lukas Toppler Alte Aescherstrasse 25, 8905 Arni 056 634 40 67 lukas.toppler@stud.hslu.ch Studiengang: Objektdesign, 6. Semester Zeichenanzahl: 30‘375 Zeichen Mentorat: Gabrielle Alioth Abgabedatum: 14.05.2019


Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG 5 2 ALLGEMEINES ZUM THEMA AKUSTIK UND SCHALLSCHUTZ 7 2.1 Akustik im Raum 7 2.2 Schallverhalten im Verkehr 7 2.2.1 Die Punktquelle 9 2.2.2 Die Linienquelle 9 2.2.3 Steigender Verkehrslärm 11 2.3 Schallschutz 11 2.3.1 Lärmschutzwand 11 2.3.2 Lärmschutzwall 11 2.3.3 Poröse Absorber 13 2.3.4 Plattenabsorber 13 2.3.5 Helmholtz-Resonatoren 13 2.3.6 Schallreflexion 15 3 PFLANZEN ALS AKUSTISCHE ABSORBER 17 3.1 Schallschutzeffekt von Pflanzen 17 3.2 Jahreszeitlich bedingte Schallschutzwirkung 21 3.3 Fazit 21 4 MISCHFORMEN VON PFLANZEN UND SCHALLSCHUTZELEMENTEN 23 4.1 Begrünungsvarianten 23 4.1.1 Die bodengebundene Begrünung 23 4.1.2 Die wandgebundene Begrünung 23 4.1.3 Mischformen 23 4.2 Nachträgliche Begrünungen 25 4.3 Mehraufwand durch Begrünung 25 4.3.1 Investition 25 4.3.2 Pflegeaufwand 27 4.4 Beispiele begrünter Bauwerke 27 4.4.1 Green4Roads-Geluidsmuur der Firma LAP Landscape & Urban Design 27 4.4.2 Novartis Campus, Basel 27 4.4.3 Aquaquest Learning Center, Vancouver 29 4.4.4 MFO-Park, Oerlikon 29 4.4.5 L’Oasis d’Aboukir, Paris 31 4.4.6 Begrünte Ergänzung der Schallschutzsysteme 31 5 MEHRWERT BEGRÜNTER SCHALLSCHUTZWÄNDE 33 6 SCHLUSSWORT 35 6.1 Erkenntnisse der schriftlichen Arbeit 35 6.2 Erkenntnisse für die gestalterische Arbeit 37 QUELLENVERZEICHNIS 38 Literatur 38 Internetquellen 39 Interview 39 Abbildungen 40



1 EINLEITUNG Unsere gebaute Umwelt gleicht heutzutage immer mehr einer Industrielandschaft. Die herkömmlichen Schallschutzwände strahlen mit ihrer meist kargen Gestaltung keine Ruhe aus. Im Gegenteil, durch ihre Monotonie fühlt man sich auf der einen Seite in einem lauten Raum eingeschlossen, auf der anderen hört man den Lärm dahinter zwar kaum, aber die Gestaltung der Wand weist bereits darauf hin, welcher Krach auf der Gegenseite stattfindet. Ruhe hat für mich nichts mit industriell hergestellten Wänden, kalten Oberflächen oder durchgängig sich wiederholenden Stahl-Paneelen zu tun. Für mich strahlt die Natur die Ruhe aus, nach welcher sich der Mensch heutzutage sehnt. Der Mehrwert, welcher die Verwendung von Pflanzen an Wänden mit sich bringt, ragt über das rein Akustische hinaus, und mit einem geschickten Einsatz könnte ein Beitrag zur Begrünung von Städten geleistet werden. Gestossen bin ich auf das Thema, als ich mit der Firma Joos Metallbau über ihre enge Zusammenarbeit mit der Firma Sonotec Schallschutz gesprochen habe. Nach der Anfrage, ob ich Interesse habe, irgendwann einen Schallschutz mit ihnen zu entwickeln, war die Motivation vorhanden, bereits für die Abschlussarbeit mit einem Unternehmer zusammenzuarbeiten. Nicht zuletzt, um auch nach dem Studium bereits Kontakt mit einem allfälligen Hersteller zu haben. In meiner schriftlichen Arbeit wird untersucht, inwiefern Pflanzen als akustisch wirksame Absorber eingesetzt werden können, ob Mischformen von Pflanzen und Schallschutzelementen effizienter wirken als reine Bepflanzungen und welchen Mehrwert begrünte Schallschutzwände vor allem in Städten bringen könnten. Mit den Erkenntnissen aus der schriftlichen Arbeit und dem Know-how von Sonotec wird in der gestalterischen Arbeit eine Konstruktion erarbeitet, die eine ästhetische Schallschutzwand ermöglicht. Wichtig ist mir dabei der Bezug zum Umgebungsraum, mit dem die Schallschutzwand harmonisieren soll, in der Hoffnung, den Raum mit einer Wand grüner gestalten zu können. Die Firma Sonotec verspricht in ihrem Firmenbeschrieb innovative Lösungen im Bereich des Schallschutzes. Doch sind solche nur in Einzelfällen möglich, in denen individuell nach Mass gearbeitet wird? Oder könnte auch mit Modulen gearbeitet werden, die auf verschiedene Weisen einsetzbar sind? Sind diese Module begrünbar und leisten somit einen Teil zur Begrünung der Landschaft, anstatt nur Räume akustisch und optisch zu teilen? Und was benötigt es, um die monotone, linear durchgängige Wiederholung der Schallschutzwände zu brechen und zu etwas spannend Gestaltetem zu machen? Diesen Fragen werde ich in meiner gestalterischen Arbeit nachgehen, die auf der schriftlichen Arbeit «begrünter Schallschutz» aufgebaut ist.

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Abbildung 1: Einfallwinkel gleich Ausfallwinkel


2 ALLGEMEINES ZUM THEMA AKUSTIK UND SCHALLSCHUTZ Bei der Verbesserung unserer Umwelt spielt der Schallschutz eine enorm wichtige Rolle, denn ob man sich in einem Raum wohlfühlt, hängt auch zu einem grossen Teil mit der Akustik zusammen.1

2.1

Akustik im Raum

Um die Akustik im Raum zu verstehen, ist es wichtig, sich mit der Schallausbreitung auseinanderzusetzen. Zur Vereinfachung können Reflexionsvorgänge im Raum als Strahlen dargestellt werden. Bei dieser vereinfachten Betrachtungsweise breiten sich Schallwellen geradlinig aus und für die Reflexion gilt das Gesetz «Einfallwinkel gleich Ausfallwinkel».2

2.2

Schallverhalten im Verkehr

Gemäss Bundesamt für Statistik macht der Verkehr den grössten Teil unserer Schallbelastung aus.3 Wobei aus der Tabelle unten ersichtlich ist, dass Flug- und Bahnlärm deutlich weniger Menschen beeinträchtigen, als der Strassenverkehr. Gerade im Strassenverkehr spielen Schallschutzlösungen deshalb eine besonders grosse Rolle.

Abbildung 2: BFS. Anzahl belästigter Personen durch den Verkehr in der Schweiz

1 Ettlin, Akustik, S. 7. 2 Ettlin, Akustik, S. 105. 3 BFS, https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/querschnittsthemen/wohlfahrtsmessung/ alle-indikatoren/umwelt/laermbelastung.html#d_finitions_609178565__content_bfs_de_home_statistiken_querschnittsthemen_wohlfahrtsmessung_alle-indikatoren_umwelt_laermbelastung_jcr_content_par_tabs, abgerufen am 06.03.2019. 7


Quelle Schallausbreitung Fläche der Schallstreuung

Abbildung 3: Die Punktquelle


Um im Verkehr die Schallausbreitung genauer als in der theoretisch, linearen Ausbreitung vorherzusagen, wird der Schall rund um die Lärmquelle betrachtet. Auch hier gibt es Methoden, um dies vereinfacht darzustellen:

2.2.1 Die Punktquelle

Bei der Punktquelle wird die Schallausbreitung kugelförmig betrachtet. Bei der Vergrösserung des Abstands vom Schall zur Schallquelle nimmt der Radius der Kugel zu, wobei sich die Fläche, auf die sich der Schall verteilt, ebenfalls zunimmt. Durch diese vergrösserte Streuung des Schalls nimmt die Schallintensität ab. Die meisten, im Verkehr relevanten Lärmquellen befinden sich nahe der Erdoberfläche, weshalb bei der Schallverbreitung nicht von einer Kugel, sondern einer Halbkugel ausgegangen wird (eine Ausnahme ist der Fluglärm). Die Intensität des Schalls nimmt damit um das Doppelte zu, wenn man von einem Untergrund ausgeht, der Schallwellen komplett reflektiert. Davon wird bei Berechnungen meistens ausgegangen. Als Punktquelle gilt z.B. ein Auto auf einer schwach befahrenen Strasse.

2.2.2 Die Linienquelle

Wenn Schallquellen nebeneinander aufgereiht werden, oder sich mehrere Punktquellen in einer Linie bewegen, ist von einer Linienquelle die Rede. Der Schall verbreitet sich in diesem Fall zylinderförmig, wobei sich die Schallverbreitung bei Lärmquellen nahe der Erdoberfläche, wie bei den Punktquellen, halbiert und sich die Schallquelle wiederum auf eine Halbkugel reduziert. Die Schallintensität nimmt auch hier um das Doppelte zu, wenn von einem voll reflektierenden Untergrund ausgegangen wird. Als Linienquelle gilt z.B. eine stark befahrene Strasse, eine Eisenbahnlinie, oder eine Anflugschneise.4

Abbildung 4: Die Linienquelle

4 Ettlin, Akustik, S. 27 f. 9


Abbildung 5: Mehrfachreflektion zwischen Schallschutzwand und Auto

Abbildung 6: Lärmschutzwall


2.2.3 Steigender Verkehrslärm

Der Strassenverkehrslärm nimmt heute, trotz leiseren Fahrzeugmotoren, weiter zu. Dies wegen der Zunahme des Gewichts der Fahrzeuge und den breiteren Reifen, die zu lauteren Abrollgeräuschen führen. Vor allem hängt der steigende Lärm, der vom Verkehr produziert wird, jedoch mit der Zunahme des Verkehrsaufkommens zusammen. 2014 waren 1,2 Millionen Menschen in der Schweiz am Tag übermässigem Strassenverkehrslärm ausgesetzt und in der Nacht 700'000. Beim Schienenverkehr waren es im Jahr 2014 tagsüber 70'000 Menschen und in der Nacht sogar doppelt so viele, die in ihrem Wohlbefinden gestört wurden.5 Das steigende Verkehrsaufkommen verlangt nach mehr schallschutztechnischen Lösungen.

2.3 Schallschutz Beim Schallschutz gibt es verschiedenste Varianten der Umsetzung. Dazu gehören Lärmschutzwände und -wälle, Strassenabsenkungen oder Überdeckungen. Genauer betrachten möchte ich hier die Lärmschutzwände und Lärmschutzwälle, da sie ausschlaggebend für die Zusammenarbeit mit der Firma Sonotec Schallschutz sind.

2.3.1 Lärmschutzwand

Eine Wand gehört zu den kostengünstigsten Varianten, um vor Schall zu schützen. Jedoch muss gerade bei Strassen auf Mehrfachreflektionen zwischen Wand und Fahrzeug geachtet werden, da dies den Schall intensivieren kann. Die Mehrfachreflexion ist vor allem bei parallel zur Strasse verlaufenden Wänden ein Problem, da der Schall hin und her geworfen wird. Mit einer fahrbahnseitigen Absorbierung des Schalls durch die Wand kann diese Reflexion gebrochen werden.

2.3.2 Lärmschutzwall

Bei den Lärmschutzwällen besteht die Gefahr der Mehrfachreflexion nicht, weil der Schall durch ihre Neigung nach oben reflektiert wird. Ein weiterer Vorteil von Lärmschutzwällen ist, dass sie optisch einfach in die Umgebung integriert werden können. Sie brauchen jedoch mehr Platz und Material und bringen somit auch mehr Kosten mit sich.6

5 Ettlin, Akustik, S. 57. 6 Ettlin, Akustik, S. 62. 11


Abbildung 7: Schaumstoffdämmung (möglicher poröser Absorber)

Abbildung 8:Technischer Schnitt durch Helmholtz-Resonator


Wie bereits erwähnt, stellt die Schallreflexion in der Akustik ein Problem dar. Von Schallreflexion spricht man, wenn eine Schallenergie auf eine Fläche auftritt und nicht absorbiert wird, sondern reflektiert und somit im Raum bleibt. Diese Schallreflexion vermeidet man, in dem man den Schall absorbiert. Die Haupttypen von Absorbern, die in der Raumakustik angewandt werden, sind folgende:

2.3.3 Poröse Absorber

Poröse Absorber sind offenporige Elemente. Die Schallwellen dringen in den Stoff ein und durch die Kompression und Reibung an den Porenwänden erfolgt eine Energieumwandlung, die die Schallenergie in Wärme umwandelt und den Schall verstummen lässt.

2.3.4 Plattenabsorber

Unter Plattenabsorbern werden Platten verstanden, die schwingfähig in einem bestimmten Abstand vor eine Wand gehängt werden. Durch das Mitschwingen der Platten mit dem Schall und dem dahinter eingeschlossenen Luftpolster wird die Resonanz, vorwiegend im Tiefton-Bereich, absorbiert.

2.3.5 Helmholtz-Resonatoren

Ein eingeschlossenes Luftvolumen wird mit einer kleinen Öffnung mit dem Aussenraum verbunden. Die Schallwelle kann eindringen. Die Kompression und Reibung im eingeschlossenen Luftvolumen bewirken eine Dämpfung. Die Wirkung kann durch offenporiges Dämmmaterial im eingeschlossenen Luftraum noch verstärkt werden. Die Einsatzgebiete für Helmholtz-Resonatoren sind hauptsächlich in tiefen bis sehr tiefen Frequenzbereichen.7

Abbildung 9: Plattenabsorber mit farbig eingezeichneten Eigenschwingungen

7 Ettlin, Akustik, S. 98 f. 13



2.3.6 Schallreflexion

Um den Schall von einem Raum fernzuhalten, kann nicht nur mit der Schallabsorption, sondern auch mit der Schallreflexion gearbeitet werden. Bei der Schallreflexion wird der Schall gezielt fokussiert und mit Reflektor-Elementen in die gewünschte Richtung und vom Raum weg projiziert. Eine andere Variante ist es, den Schall zu streuen, was den Schall auf eine grössere Fläche verteilt und die Schallbelastung somit verringert. Bei der Schallfokussierung und -streuung werden mit gekrümmten Flächen gearbeitet. Das Fokussieren des Schalls geschieht durch eine konkave Fläche und die Schallstreuung durch eine konvexe Fläche.8

Abbildung 10: Schallreflexion

8 Ettlin, Akustik, S. 104. 15


Abbildung 11: Verwendete Frequenzbereiche in der Akustik


3

PFLANZEN ALS AKUSTISCHE ABSORBER

Zur Lärmbekämpfung wurden viele Systeme entwickelt, die weniger Platz beanspruchen als Bepflanzungen und schallschutztechnisch wirksamer sind.9 Auch schrieb Elmar Sälzer bereits 1982: „Bepflanzungen zählen zweifelsohne zu den am meisten überschätzten Massnahmen des städtebaulichen Schallschutzes.“ Jedoch schrieb er weiter, dass den Pflanzen ein wichtiger psychologischer Effekt gutgeschrieben werden kann. Bei messtechnisch minimaler Verbesserung der Lärmschutzwirkung durch Bepflanzungen wurde die subjektive Beurteilung des Lärms tiefer eingeschätzt. Dies weil nicht zu sehende Lärmquellen leiser empfunden werden und wegen der Geräusche, die die Pflanzen mit sich bringen, wie z.B. Vogelgezwitscher oder Windrauschen, die Verkehrsgeräusche angenehmer eingeschätzt werden.10

3.1

Schallschutzeffekt von Pflanzen

Der Schallschutzeffekt von Pflanzen hängt hauptsächlich von ihrer Struktur (Anordnung der Blätter und Blattgrösse) ab und oftmals nicht von der Pflanztiefe oder Ausbreitungsstrecke. Eine Ausnahme davon sind vollständig homogene Nadelstrukturen.11 Es kann davon ausgegangen werden, dass bei der Zunahme von artbedingten Blattgrössen, auch der Schallschutzwert steigt. Weitere Faktoren, die sich positiv auf den Lärmschutz auswirken, sind nahezu rechtwinklig zum Schalleinfall stehende Blattstellungen, ein zur Schallquelle geschlossener Laubschirm oder eine starke Belaubung, sowie abgestorbene Nadel- und Zweigpolster im Wuchsraum der Pflanze.12 Der allgemeine Wirkungsbereich von Pflanzen beginnt bei einer Schallfrequenz von 1000 Hz. Um dies einordnen zu können: Der menschliche Hörbereich deckt ein Spektrum von 16 – 20k Hz ab. Mit Steigerung der Schallfrequenz nimmt auch der Schallminderungseffekt der Pflanzen zu. Zu beachten ist, dass sich mit Zunahme der artenspezifischen Blattgrösse, der frequenzbezogene Schallminderungseffekt immer mehr den tieferen Frequenzen annähert. Dies geschieht bis ca. zum Frequenzbereich von 500Hz.13 In der Abbildung 11 sind die Frequenzbereiche ersichtlich, die in der Akustik verwendet werden.

9 Beck, Pflanzen als Mittel zur Lärmbekämpfung, S. 9. 10 Sälzer, Städtebaulicher Schallschutz, S. 84. 11 Beck, Pflanzen als Mittel zur Lärmbekämpfung, S. 11. 12 Beck, Pflanzen als Mittel zur Lärmbekämpfung, S. 56. 13 Beck, Pflanzen als Mittel zur Lärmbekämpfung, S. 57. 17


Abbildung 12: Viburnum rhytidophyllum (runzelblättriger Schneeball)

Abbildung 13: Rhododendron catawbiense „Grandiflorum“


Abbildung 14: Ilex aquifolium (Stechpalme)

Abbildung 15: Pyracantha coccinea (Feuerdorn)


Abbildung 16: Lärmminderung von Pflanzen in Abhängigkeit der Jahreszeiten


3.2

Jahreszeitlich bedingte Schallschutzwirkung

Die Schallschutzwirkung der Pflanzen ist meist abhängig von der Jahreszeit, da viele Pflanzen im Verlauf des Jahres ihre Blätter verlieren. Der effektivste Zeitraum liegt bei den meisten Arten zwischen Mai bis Mitte Oktober. Immergrüne Laubhölzer für die übrige Jahreszeit sind z.B. Viburnum rhytidophyllum (runzelblättriger Schneeball), Rhododendron catawbiense „Grandiflorum“, Ilex aquifolium (Stechpalme), Pyracantha coccinea (Feuerdorn). Nadelhölzer, die das ganze Jahr ihre Nadeln tragen, werden in ihrem schallmindernden Wirkungsgrad gering eingeschätzt.14 In der Abbildung 16 sind einige Baum- und Straucharten nach ihrer jahreszeitlich abhängigen Schallschutzwirkung erfasst. Wobei bei der Auswahl auf einen ähnlich grossen Wuchsraum geachtet wurde, damit die gemessenen Werte vergleichbar sind. Zusätzlich wurde bei der Auswahl der gemessenen Arten darauf geachtet, dass sich die Strukturen besonders bei den Blättern voneinander unterscheiden. Damit können nicht gemessene Arten anhand der Ähnlichkeiten der Blätter den gemessenen Arten zugeordnet werden.15 Um bei Schallschutzlösungen mit Pflanzen einen durchgängigen Schallschutz zu ermöglichen, ist eine ganzjährliche Begrünung unumgänglich. Von Schwankungen im Verlauf des Jahres muss jedoch immer ausgegangen werden, da Pflanzen ständig der Witterung ausgesetzt sind und sich je nach Wetterlage, sei es durch Dürreperioden oder Schneefall, verändern.

3.3 Fazit Der festgestellte Schallschutzeffekt, der durch reine Bepflanzung erreicht werden kann, liegt maximal bei ca. 10 dB. Man geht hierbei grob von einer Lärmminderung auf die Hälfte aus, wobei der Lärmminderungseffekt bei Zunahme der Blattgrösse steigt. Professionell ausgeführte Schallschutzwände weisen im Vergleich zu Pflanzen einen wesentlich höheren Schallschutzwert auf, jedoch ist ihr Einsatz gerade in Wohn- oder Erholungsgebieten, wegen ihrer Ästhetik, nur begrenzt erwünscht.16 Eine mögliche Variante ist es, die Bepflanzungen mit Schallschutzwänden zu kombinieren.

14 Beck, Pflanzen als Mittel zur Lärmbekämpfung, S. 59. 15 Beck, Pflanzen als Mittel zur Lärmbekämpfung, S. 19. 16 Beck, Pflanzen als Mittel zur Lärmbekämpfung, S. 106. 21



4 MISCHFORMEN VON PFLANZEN UND SCHALL- SCHUTZELEMENTEN Das Begrünen von Bauwerken hat als ökologische, funktionale und auch gestalterische Verbesserung in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen.17 So macht es durchaus Sinn, sich auch beim Erstellen einer Schallschutzwand die Vorteile einer Begrünung, sei es zu gestalterischen oder technischen Zwecken, anzuschauen.

4.1 Begrünungsvarianten Um eine Schallschutzwand zu begrünen, kann systematisch in die Begrünungstypen bodengebunden und wandgebunden unterschieden werden.18

4.1.1 Die bodengebundene Begrünung

Bei der bodengebundenen Begrünung wird die Pflanze ins Erdreich gesetzt und durch den Boden mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Die Schallschutzwand wird in dieser Variante durch Selbstklimmer oder Gerüstkletterpflanzen begrünt. Die Wand trägt hier keine Last vom Wurzelbereich. Dadurch dass die Zufuhr des Wassers und der Nährstoffe über den Boden geschieht, werden keine zusätzlichen Bewässerungsanlagen benötigt. Ein Nachteil dieses Systems ist, dass sich die Pflanze zuerst an der Wand ausbreiten muss, und es deshalb lange dauert, bis die Fläche vollständig begrünt ist.

4.1.2 Die wandgebundene Begrünung

Der durchwurzelte Raum ist bei diesem System an der Wand befestigt. Eine Verbindung zum Erdreich besteht nicht, damit können keine Nährstoffe oder Wasser aus dem Boden bezogen werden. Es besteht die Möglichkeit, durchwurzelte Pflanzgefässe an die Wand zu hängen, in denen sich Erde, die die Nährstoffe für die Pflanzen enthalten, befindet. Die zusätzliche Last dieser Behälter muss von einer tragenden Konstruktion aufgenommen werden, was je nach Volumen enorm sein kann. Eine andere Variante ist es, die Nährstoffe nicht über die Erde zu transportieren, sondern über ein Bewässerungssystem, das die Pflanzen mit Wasser und durch Zusätze mit Nährstoffen beliefert. Mit so einem System kann enorm an Gewicht und somit an Konstruktionsstärke der Wand gespart werden.

4.1.3 Mischformen

Natürlich können diese Begrünungssysteme auch kombiniert werden. Denn je nach Pflanzenart, kann die Standortbedingung und die Auswirkung auf die Tragkonstruktion variieren.19 17 FLL, Fassadenbegrünungsrichtlinien, S. 8. 18 Züger, WBW Vertikalgrün, S 9. 19 FLL, Fassadenbegrünungsrichtlinien, S. 17. 23



4.2

Nachträgliche Begrünungen

Die Möglichkeit einer nachträglichen Begrünung von Schallschutzwänden ist material- und konstruktionsabhängig. Eine Kletterpflanze zum Beispiel ist gut geeignet, um eine Betonwand zu begrünen. Ist die Wand jedoch aus Metall gefertigt, hat die Pflanze wegen der glatten Oberfläche keine Möglichkeit sich fest zu halten und kann sich kaum an der Wand ausbreiten. In diesem Fall wäre eine Kletterhilfe von Nöten. Ein weiteres Problem besteht bei den porösen Absorbern, wo die Wurzeln der Pflanzen ins Material eindringen und den absorbierenden Effekt zerstören.20 Eine nachträgliche Begrünung von bestehenden Systemen muss von Fall zu Fall betrachtet werden, um den Aufwand und den Nutzen zu klären und zu bestimmen, ob eine Ergänzung überhaupt möglich ist.

4.3

Mehraufwand durch Begrünung

Eine begrünte Schallschutzwand bringt natürlich auch, pflanzenbedingt, einen Mehraufwand an Pflege und Investition mit sich.

4.3.1 Investition

Der finanzielle Investitionsaufwand lässt sich wie folgt beschreiben: Gering bei der bodengebundenen Begrünung mit Selbstklimmer. Die Investition beschränkt sich auf Pflanzenmaterialien und die Bepflanzung. Gering bis mittel bei der bodengebundenen Begrünung mit Gerüstkletterpflanzen. Neben den Pflanzenmaterialien und der Bepflanzung fallen zusätzlich Kosten für Kletterhilfen und ihre Montage an. Mittel bis hoch bei der wandgebundenen Begrünung, wo zusätzliche Kosten für Pflanzgefässe, Tragkonstruktionen, Dünger bzw. Nährstoffe und gegebenenfalls für eine automatische Bewässerung anfallen. Hoch für eine wandgebundene Begrünung ohne Pflanzgefässe. Wobei sich bei dieser Variante der durchwurzelte Raum in der Wand befindet und damit die Bepflanzung verkompliziert. Zusätzlich ist ein Wurzelschutz von Nöten, da sonst die Wurzeln in die tragende Wand eindringen und sie beschädigen können. Dazu kommt, dass ein integriertes Bewässerungssystem eingebaut werden muss, das die Pflanzen mit Wasser und zusätzlich mit Nährstoffen versorgt.

20 Interview vom 15.03.2019 mit Adolf Bruggmann, Landschaftsarchitekt. 25


Abbildung 17: LAP. Green4Roads-Geluidsmuur

Abbildung 18: Novartis Campus, Basel


4.3.2 Pflegeaufwand

Der allgemeine Mehraufwand für die Pflege lässt sich folgendermassen beschreiben: Gering bei der bodengebundenen Begrünung. In der Regel reicht ein Pflegegang pro Jahr. Dies kann sich nach Pflanzenwahl jedoch erhöhen. Mittel bis hoch bei der wandgebundenen Begrünung. Hier geht man bei der FFL-Richtlinie von mindestens zwei bis drei Pflegegängen pro Jahr aus.21 Zum allgemeinen Mehraufwand gehören Arbeiten wie das Aufbinden bzw. Fixieren der Pflanzen und der Schnitt. Zusätzlich zu diesem Mehraufwand kommt das Beseitigen von Herbstlaub, Blüten- oder Fruchtresten, was bei der Einschätzung oben nicht berücksichtigt wurde.

4.4

Beispiele begrünter Bauwerke

4.4.1 Green4Roads-Geluidsmuur der Firma LAP Landscape & Urban Design

Die von der Firma LAP Landscape & Urban Design entwickelte Green4Roads-Geluidsmuur fokussiert, zusätzlich zum Lärmschutz, auf die Reduktion von Feinstaub und CO2-Verschmutzung, die durch den Verkehr entsteht. Gemäss des Unternehmens soll die Wand bis zu 40% der Verschmutzung reduzieren.22 Die Wand besteht aus einem Betonkern, der den Schall dämmt, und einem Trägergerüst, das durch eine Gerüstkletterpflanze begrünt ist. Die Begrünung ist in diesem Fall bodengebunden, absorbiert den Schall und verhindert somit die Reflexion. Der Absorptionswert hängt von der Tiefe der Begrünung und ihrer Struktur ab.

4.4.2 Novartis Campus, Basel

Die von Vogt Landschaftsarchitekten begrünte Fassade besteht aus einer Kombination von verschiedenen Kletter- und Hängepflanzen, wobei auf ein grosses Farb- und Formenspektrum geachtet wurde.23 Die Begrünung ist wandgebunden, da wegen der Höhe der Begrünung die Bodengebundenheit nicht gewährleistet werden konnte. Um die Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen, wurden Pflanzgefässe in die Fassade integriert, aus welchen die Hängepflanzen runter hängen und die Kletterpflanzen an Stahlseilen empor klettern. Bei der vertikalen Begrünung des Novartis Campus sind die Pflanzen als gestalterisches Element eingesetzt worden, das sich im Verlauf des Jahres ändert. Positive Effekte der Fassadenbegrünung sind der zusätzlich gewonnene Sonnenschutz, eine leichte schallschutztechnische Abschirmung und die Verringerung der Schallreflexion. 21 FLL, Fassadenbegrünungsrichtlinien, S. 49 f. 22 LAP, http://www.laplab.eu/portfolio/green4roads-wall4life-screen2clean, abgerufen am 16.02.2019. 23 Vogt Landschaftsarchitekten, https://www.vogt-la.com/de/projekt/virchow-16-novartis-campus-basel, abgerufen am 06.03.2019. 27


Abbildung 19: Aquaquest Learning Center, Vancouver

Abbildung 20: MFO-Park, Oerlikon


4.4.3 Aquaquest Learning Center, Vancouver

Beim Aquaquest Learning Center in Vancouver hat die Firma Sharp and Diamond Landscape Architecture eine Wand mit vertikalen Bepflanzungselementen behängt. Die Problematik bei dieser wandgebundenen Begrünung ist die fehlende Tiefe des durchwurzelten Raums, welcher zu wenig Nährstoffe für die Pflanzen zur Verfügung stellen kann. Dieses Problem kann durch eine integrierte Bewässerungsanlage gelöst werden, welche mit den an die Pflanzen angepassten, nötigen Nährstoffen versetzt ist. Die begrünte Wand absorbiert in diesem Fall den Schall und verhindert das Reflektieren an der Fassade.

4.4.4 MFO-Park, Oerlikon

Die grosse begrünte Halle in Oerlikon überspannt den MFO-Park. Die verzinkte Stahlkonstruktion wird von verschiedensten Kletterpflanzen umhüllt, die an Rankhilfen aus Stahlseilen emporwachsen.24 Die Planungsgruppe Burckhardt + Partner und Raderschallpartner Landschaftsarchitekten nutzen hier Kletterpflanzen, um ein offenes Stahlgerüst zu einem nahezu geschlossen wirkenden Raum zu gestalten. Die schallschutztechnische Wirkung der Pflanzen ist minim. Trotzdem ist der optische Effekt, vor allem im Inneren der Konstruktion, enorm und obwohl das Volumen der Wände und des Daches hauptsächlich durch Pflanzen kreiert wurde, fühlt man sich wie in einem Innenraum.

24 Stadt Zürich, MFO-Park, https://www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/gsz/planung_u_bau/bauprojekte/mfo-park.html abgerufen am 30.03.2019. 29


Abbildung 21: L‘Oasis d‘Aboukir, Paris


4.4.5 L’Oasis d’Aboukir, Paris

Patrick Blanc, ein französischer Botaniker, hat beobachtet, dass Pflanzen für ihr Wachstum zwar Wasser, jedoch keine Erde benötigen, vorausgesetzt, dass das Wasser mit genügend Nährstoffen angereichert ist. Ausschlaggebend für diese Entdeckung waren Beobachtungen an Pflanzen, die in Höhlen, an Klippen oder an Wasserfällen wachsen. Gestaltete Fassadensysteme von Patrick Blanc, wie die der l’Oasis d’Aboukir, sind nicht wie andere Systeme auf einem Anbau mit Erde basiert. Sie sind auf einem flächigen Substrat aufgebaut, wie zum Beispiel Filz oder Schaumstoff, das den Wurzeln den nötigen Halt bietet, die Feuchtigkeit auf die Wandfläche verteilt und diese speichert. Erde ist ein Substrat, das den Pflanzen zusätzlich zum Halt die erforderten Nährstoffe liefert. Fällt sie weg, wie bei dem Wandsystem der l’Oasis d’Aboukir, wird ein Wassersystem, das die Pflanzen zusätzlich zum Wasser auch mit Nährstoffen versorgt, unumgänglich.25

4.4.6 Begrünte Ergänzung der Schallschutzsysteme

Die oben genannten Beispiele zeigen, dass es verschiedenste Herangehensweisen für begrünte Bauwerke gibt. All diese Systeme könnten ein bestehendes Schallschutzsystem ergänzen, ihre Optik aufwerten und zusätzliche Nutzen bieten. Jedoch müssten einige Anpassungen vorgenommen werden, um das Wachstum der Pflanzen zu gewährleisten, wie zum Beispiel das Bieten eines Wurzelraum mit Töpfen, Rankhilfen oder ein Wassersystem, was einen Mehraufwand bedeutet. Der Mehrwert, der solch eine Wand jedoch mit sich bringt, ist enorm. Möglich wäre es auch, ein neues Schallschutzsystem zu entwickeln, das auf den Methoden der Beispiele oben aufgebaut ist. So könnten bei den Bepflanzungselementen vom Aqua Learning Center oder der l’Oasis d’Aboukir, im Hintergrund Konstruktionen aufgebaut werden, die schallschützend wirken und gleichzeitig ein integriertes Bewässerungssystem für die Pflanzen beinhaltet. Das Produkt der Firma LAP, die Green4Roads-Geluidsmuur, zeigt, dass solche Kombinationen durchaus Sinn ergeben und sich die Begrünung und der Schallschutz gut ergänzen.

25 Kaltenbach, Detail Magazin (Serie 2008), S. 1456. 31



5 MEHRWERT BEGRÜNTER SCHALLSCHUTZ- WÄNDE Der Mehrwert von begrünten Schallschutzwänden ist mit dem von begrünten Fassaden, bei denen man schon mehr Erfahrung sammeln konnte, gleichzustellen. Grüne Fassaden können, wie das Detail Magazin schreibt, unter anderem folgende positive Effekte aufweisen: - Rückhaltevermögen von Regenwasser - Verbesserung des Mikroklimas, Reduzieren des Hitzeinsel-Effekts - Energieeinsparung durch Wärmedämmung und Windschutz bzw. Verdunstungs- kälte - Schallabsorption - Verbesserung der Luftqualität (manche Pflanzenarten können Feinstaub binden) - Optische Aufwertung, Stressminderung - Keine Angriffsfläche für Graffiti - Lebensraum für Vögel, Insekten etc.26 Das Rückhaltvermögen von Regenwasser und die damit verbundene Verdunstungskälte können durchaus ein schlagkräftiges Argument für eine begrünte Schallschutzwand sein. Besonders in Städten, in denen es wenig Versickerungsmöglichkeit für Regenwasser gibt und die Hitze an Sommertagen immer weiter steigt. Dazu kommen das Binden von Feinstaub durch die Pflanzen und nicht zuletzt die optische Aufwertung, die sich gerade mit Pflanzen stressmindernd auf die Gesellschaft auswirkt. Mehr als 50% der Weltbevölkerung lebt in städtischer Umgebung und die Tendenz steigt.27 Dieser grosse Teil der Bevölkerung soll nicht den akustischen Impulsen, die uns in den Städten überfluten, schutzlos ausgesetzt sein. Das Zusammenspiel von Gebäuden, Objekten, Boden- und Wandoberflächen, wie auch Geräusche aus der Natur, sind für die Klangraumqualität verantwortlich und können durch gezielte Planung einen lebenswerten Raum in Städten schaffen. Dazu kommt, dass Klänge aus der Natur wichtige Gegenstimmen zum Lärm der Verkehrsinfrastruktur bieten.28 Die natürlichen Klänge können durch begrünte Wände zurück in die Stadt geholt werden, denn eine begrünte Wand bietet Lebensräume für Vögel und Insekten. Was bei Schallschutzwänden ebenfalls durch die Begrünung gelöst werden kann, ist die Problematik der Graffiti, die viele Schallschutzwände bedecken. Die Begrünung verdeckt die Angriffsfläche, gibt keine Möglichkeit, die Wände zu besprühen und ist immer noch einer der besten Wege, Graffitis zu vermeiden.29

26 27 28 29

Kaltenbach, Detail Magazin (Serie 2008), S. 1454. Pérez, Natural Based Strategies for Urban and Building Sustainability, S. xix. Sturm, Stadtklang, S. 29 ff. Kotzen, Environment noise barriers, S. ix. 33



6 SCHLUSSWORT 6.1

Erkenntnisse der schriftlichen Arbeit

Unsere städtische Umgebung gleicht immer mehr einer Industrielandschaft und unsere herkömmlichen Schallschutzwände bilden mit ihrer Gestaltung keinen Gegenpol, im Gegenteil, sie verstärken den optischen Eindruck der Industrielandschaft. Im Schallschutz wurde die Wichtigkeit solcher Wände erkannt. Im Strassenverkehr, welcher gemäss dem Bundesamt für Statistik den grössten Teil der Schallbelastung ausmacht, werden unzählige Stahl-Paneele erfolgreich eingesetzt. Doch kommt die Optik bei solchen Anwendungen meist zu kurz, was oft auf die Kosten zurückzuführen ist. Meines Erachtens könnten solche Wände erfolgreich mit der Begrünung unserer Umgebung verbunden werden. Die freien vertikalen Flächen verlangen danach, gestaltet zu werden. Dass dies Kosten mit sich bringt, ist mir bewusst. Doch denken wir einen Schritt weiter. Anstatt den Schallschutzwänden nur eine neue Farbe zu geben, oder ihre Form leicht zu verändern, geben wir ihnen, zusätzlich zu ihrer jetzt schon wertvoll schallschützenden Funktionen, einen weiteren Nutzen. Durch die Begrünung solcher Systeme kann unsere Luftqualität verbessert werden, die Wärmeabstrahlung von Wänden reduziert und Lebensräume für Insekten und Vögel geschaffen werden, um nur einige Vorteile zu nennen. Zusätzlich zu all dem wäre die optische Aufwertung sich endlos wiederholender Stahl-Paneelen gelöst. Sollten uns diese umweltverbessernden Massnahmen nicht Wert sein, Mehrkosten auf uns zu nehmen? Bei der Recherche wurde mir schnell bewusst, dass Pflanzen als reiner Schallschutz wenig bewirken und es effizientere Systeme gibt, um vor Schall zu schützen. Der schalldämmende Effekt einer Begrünung hängt hauptsächlich von ihrer Struktur ab, wobei bei Zunahme der artbedingten Blattgrösse auch der Schalldämmwert steigt. Im Verlauf des Jahres verlieren viele Pflanzen jedoch ihre Blätter und somit auch den grössten Teil ihrer Schallschutzwirkung. Da der Schallschutz jedoch das ganze Jahr von Nöten ist, sind solche Pflanzen schalltechnisch keine Lösung. Der schallmindernde Wirkungsgrad von Nadelhölzern, die das ganze Jahr ihre Nadeln tragen, wird gering eingeschätzt und bilden somit auch keinen optimalen Schutz vor Schall. Dies gilt auch für immergrüne Pflanzen, denen man einen Schalldämmwert von maximal 10dB zusprechen kann, was circa eine Lärmminderung auf die Hälfte bedeutet. Schalltechnisch sind Pflanzen somit kaum geeignet, bilden aber als Ergänzung zum Schallschutz ausschlaggebende Mehrwerte. Der psychologische Aspekt, den die Pflanzen mit sich bringen, kann zusätzlich zum positiven Einfluss auf die Umwelt, einen Teil dazu beitragen, die heute vorhandenen Systeme um ein Vielfaches zu verbessern. Es ist psychologisch erwiesen, dass man sich in einer grünen Umgebung wohler fühlt. Dies spricht bedeutend für einen begrünten Schallschutz.

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Es ist damit zu rechnen, dass bei einer begrünten Ergänzung einer Schallschutzwand ein Mehraufwand in der Investition und im Unterhalt entsteht. Der Zusatzaufwand ist systemabhängig. Die Kosten müssen nicht zwingend unkontrolliert in die Höhe schiessen. So reicht bei manchen bodengebundenen Begrünungen ein Pflegegang pro Jahr. Wobei ein jährlicher Reinigungsdurchgang auch bei herkömmlichen Schallschutzwänden aus Stahl nötig wäre. Dies um die Verschmutzung durch Autoabgase so gering wie möglich zu halten. Den Mehraufwand halte ich für legitim und wegen all den positiven Effekten, die solch eine Systemergänzung mit sich bringt, ist dieser meiner Meinung nach kein treffendes Argument gegen eine begrünte Schallschutzwand. Über 50% der Weltbevölkerung lebt in städtischer Umgebung und es werden immer mehr. Der Schallschutz wird immer wichtiger und gerade in Städten lebensnotwendig. Geben wir unseren Städten, an Stelle rohe Fassaden und leblosen Stahl-Paneelen die Natur zurück.

6.2

Erkenntnisse für die gestalterische Arbeit

Mit Erkenntnissen aus der schriftlichen Arbeit wurde es mir möglich, die gestalterische Arbeit in einem neuen Licht zu betrachten. Mir wurde klar, dass es schwierig wird, eine vollkommen grüne Wand zu gestalten. Die Bepflanzung ist dazu da, eine Schallschutzwand zu ergänzen, sei es für ein bestehendes oder für ein komplett neues System. Die Schallschutzwände lösen die schalltechnischen Probleme, die in einem Raum anfallen. Die Begrünung der Wand bringt eine optische Aufwertung und zusätzlichen Mehrwert zum Schallschutz mit sich. Es wird schwierig, den Mehraufwand der Investition und des Unterhalts für eine Begrünung als etwas Unvermeidliches aufzuzeigen, da die bestehenden Schallschutzsysteme technisch einwandfrei funktionieren und auf dem Markt einen hohen Absatz finden. Will man jedoch eine optische Verbesserung solcher Systeme herbeiführen, ist eine Modifikation unumgänglich. Eine Begrünung von Schallschutzwänden macht meines Erachtens Sinn. Aus diesem Grund werde ich das Thema auch in der gestalterischen Arbeit weiterverfolgen. Das Ziel ist, ein System zu entwickeln, das möglichst wenig Kosten und Unterhalt erzeugt und der Pflanze trotzdem die erforderliche Umgebung bietet, um wachsen und gedeihen zu können.

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QUELLENVERZEICHNIS Literatur Beck 1982: Gerhard Beck, Pflanzen als Mittel zur Lärmbekämpfung, Berlin 1982. Ettlin 2014: Markus Ettlin, Akustik. Professur für Bauphysik, Zürich 2014. FLL 2018: Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau, Fassadenbegrünungsrichtlinien. Richtlinien für Planung, Bau und Instandhaltung von Fassadenbegrünungen, Bonn 2018. Kaltenbach 2008: Frank Kaltenbach, in Detail Magazin. Serie 2008, Ausgabe 12. Artikel: Lebende Wände, vertikale Gärten – vom Blumentopf zur grünen Systemfassade, München 2008. Kotzen 2009: Benz Kotzen, Colin English, Environment noise barriers. A guide to their acoustic and visual design, Abingdon 2009. Pérez 2018: Gabriel Pérez, Katia Perini, Nature Based Strategies for Urban and Building Sustainability, Oxford 2018. Sälzer 1982: Elmar Sälzer, Städtebaulicher Schallschutz. Planerische und technische Massnahmen. Wirtschaftlichkeit, Dimensionierung und Gestaltung, Wiesbaden und Berlin 1982. Sturm 2016: Ulrike Sturm, Matthias Bürgin, Stadtklang. Wege zu einer Hörenswerten Stadt. 1 Perspektiven, Zürich 2016. Züger 2019: Roland Züger, Werk, Bauen+Wohnen. Vertikalgrün. Natur am Bau und im Entwurf, Zürich 2019.


Internetquellen BFS 2016: Bundesamt für Statistik, Lärmbelastung, auf: https://www.bfs.admin.ch/ bfs/de/home/statistiken/querschnittsthemen/wohlfahrtsmessung/alle-indikatoren/ umwelt/laermbelastung.html#d_finitions_609178565__content_bfs_de_home_statistiken_querschnittsthemen_wohlfahrtsmessung_alle-indikatoren_umwelt_laermbelastung_jcr_content_par_tabs, abgerufen am 06.03.2019. LAP: LAP Landscape & Urban Design, Green4Roads-Geluidsmuur, auf: http://www. laplab.eu/portfolio/green4roads-wall4life-screen2clean, abgerufen am 16.02.2019. Stadt Zürich: Stadt Zürich, Tiefbau- und Entsorgungsdepartement, MFO-Park, https:// www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/gsz/planung_u_bau/bauprojekte/mfo-park.html abgerufen am 30.03.2019. Vogt Landschaftsarchitekten: Vogt Landschaftsarchitekten, Virchow 16, Novartis Campus, Basel, Schweiz, https://www.vogt-la.com/de/projekt/virchow-16-novartis-campus-basel, abgerufen am 06.03.2019.

Interview Interview mit Adolf Bruggmann, Landschaftsarchitekt, Zürich 15.03.2019.

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Abbildungen Die Abbildungen 1, 3, 4, 5, 6, 8, 9, 10 sind vom Verfasser. Abbildung 2: BFS. Anzahl belästigter Personen durch den Verkehr in der Schweiz, https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/querschnittsthemen/wohlfahrtsmessung/alle-indikatoren/umwelt/laermbelastung.html#d_finitions_609178565__ content_bfs_de_home_statistiken_querschnittsthemen_wohlfahrtsmessung_alle-indikatoren_umwelt_laermbelastung_jcr_content_par_tabs, abgerufen am 28.02.2019. Abbildung 7: Schaumstoffdämmung (möglicher poröser Absorber), https://www.real. de/item/search/?original_search_value=schaumstoffd%C3%A4mmung&search_value=schaumstoff%20d%C3%A4mmung, abgerufen am 28.04.2019. Abbildung 11: Verwendete Frequenzbereiche in der Akustik, Ettlin 2014. Markus Ettlin, Akustik. Professur für Bauphysik, Zürich 2014, S. 10. Abbildung 12: Viburnum rhytidophyllum (runzelblättriger Schneeball), https://www. baumschule-horstmann.de/shop/exec/product/732/2264/Runzelblaettriger-Schneeball-Immergruener-Zungenschneeball.html, abgerufen am 07.05.2019. Abbildung 13: Rhododendron catawbiense „Grandiflorum“, https://www.baumschule-horstmann.de/shop/exec/product/49/2320/Rhododendron-Catawbiense-Grandiflorum.html, abgerufen am 30.04.2019. Abbildung 14: Ilex aquifolium (Stechpalme), https://www.baumschule-horstmann.de/ stechpalme-heckenzwerg-732_52654.html, abgerufen am 30.04.2019. Abbildung 15: Pyracantha coccinea (Feuerdorn), https://selectree.calpoly.edu/ tree-detail/pyracantha-coccinea-lalandei, abgerufen am 30.04.2019. Abbildung 16: Lärmminderung in Abhängigkeit von den Jahreszeiten, Beck 1982. Gerhard Beck, Pflanzen als Mittel zur Lärmbekämpfung, Berlin 1982, S. 66.


Abbildung 17: LAP. Green4Roads-Geluidsmuur, http://www.laplab.eu/portfolio/green4roads-wall4life-screen2clean, abgerufen am 16.02.2019. Abbildung 18: Novartis Campus, Basel, https://www.aepli.ch/metallbau/objekte/novartis-campus-virchow,-basel.html, abgerufen am 06.03.2019. Abbildung 19: Aquaquest Learning Center, Vancouver, https://www.greenroofs.com/ projects/aquaquest-the-marilyn-blusson-learning-centre-vancouver-aquarium/, abgerufen am 06.03.2019. Abbildung 20: MFO-Park, Oerlikon, https://www.stadt-zuerich.ch/ted/de/index/gsz/ planung_u_bau/bauprojekte/mfo-park.html, abgerufen am 30.03.2019. Abbildung 21: L’Oasis d’Aboukir, Paris, https://www.verticalgardenpatrickblanc.com/ realisations/paris/loasis-daboukir-paris, abgerufen am 30.03.2019.

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BA 2019 – Begrünter Schallschutz


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