Drei 2016
Drei
2016
— MOTORRAD & LEIDENSCHAFT
ADHS • NOZEM • KODLIN • Vogel • Japan • XT 500 • Porno • Harro
MOTORRAD & LEIDENSCHAFT
WWW.FUEL-ONLINE.DE Deutschland 6,50 €
Österreich 7,40 € Schweiz 11,50 sfr BeNeLux 7,60 € Italien 8,70 € Spanien 8,70 €
the land of joy scrambler ducati
scramblerducati.com/de
Foto: Natascha Biermann, Yamaha
EDITORIAL WWW.FUEL-ONLINE.DE
Liebe FUEL-Freunde! Erinnern wir uns: Herbert Grönemeyer fragte in seinem Song „Männer“ ab, wann ein Mann ein Mann ist. FUEL-Leser Carsten Bischof dagegen forderte von uns in seinem Leserbrief (siehe Seite 8) eine Antwort auf die Frage, ab wann man ein echter Motorradfahrer ist. Diesen Ball möchte ich an euch zurückspielen: Bitte teilt uns eure Meinung mit. Schreibt mir eure Gedanken über den „echten“ oder „unechten“ Motorradfahrer, denn die Diskussion darüber ist fast so alt wie das Motorrad selbst. Allerdings fällt mir zum Thema „echt“ auch ein Spruch aus den 1980ern ein: Um ein echter Mann zu sein, musst du ein Kind gezeugt, ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt und eine XT 500 angetreten haben. Sprüche, ich weiß. Dennoch ist da etwas Wahres dran. Zumindest, was die XT 500 betrifft. 40 Jahre ist es jetzt her, als Yamaha die Motorradwelt mit dem puristischen Dampfhammer revolutionierte. Die 500er war ein treuer Packesel, der seine Fahrer zuverlässig um die Welt trug, ein sportlicher Untersatz, ohne den es die Rallye Paris-Dakar vielleicht nie gegeben hätte und ein Befreiungsschlag für alle Biker, die anders sein wollten als der Rest. Noch heute gilt sie als ideales Spielzeug für Männer, die nie aus der Pubertät gekommen sind. Auf einen Fahrbericht haben wir bewusst verzichtet, widmen der Legende aber trotzdem drei Storys. Möge sie für immer in unseren Herzen weiterbeben.
Rolf Henniges
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FAHRTWIND 18 KODLIN-BAGGER F32 Die F32 ist der Hingucker auf allen Messen, wurde selbst in Daytona mit Preisen überhäuft. Aber fährt das Ding auch?
38 DR 800-FLAT TRACKER Eine wirklich coole Karre soll bei Ebay versteigert werden. FUEL hat sich das Ding vor Ort angesehen
54 HARLEY-DAVIDSON 2016 „Bukowski“ sitzt wieder im Sattel – und ist in Südfrankreich Harley-Davidsons neue Modelle gefahren
110 CB 750-KOMPRESSOR Warum nennt ein Mann seine Motorräder „Porno-Bikes“? FUEL hakte nach
124 BMW SCRAMBLER Retro rules: Nach der megaerfolgreichen R nineT bringen die Bayern nun ein Scrambler-Modell. Erster Fahrbericht
AUFGEKLÄRT WASSER LASSEN 108 FUEL-Doc Reimar über Konfirmandenblasen, ungewollte Zwischenstopps und was tun, wenn der Hahn nachtropft...
STIL BARBIER JACK THE RIPPER 34 Der Name seines Ladens ist Programm: Jack the Ripper schneidet. Zwar keine Kehlen durch, dafür aber Haare
NACHGEHAKT HARRO 50 Ein enthusiastisches Pärchen hat nicht nur die Restbestände der Traditionsmarke aufgekauft – sie wollen sogar neu produzieren
ON THE ROAD FUEL-GIRLS 88 Drei herrenlose Bikes, drei aufgedrehte Girls und eine ganze Nacht Zeit. Auf geht‘s zum ultimativen Kolben-Vergleich
MENSCHEN NATALIE DIEDRICHS 44
Foto: Jörg Künstle, Titelfoto: we-shoot-it.com
Die Entschuldigung „Beine zu kurz“ zählt nicht. FUEL schickte eine junge Reporterin zum Motorrad-Schnupperkurs
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60 JÜRGEN VOGEL Der beliebte Schauspieler fährt privat viel Motorrad. Was denkt er über die Szene und wie viel Benzin hat er im Blut?
122 SOPHIE WILLBORN Eine junge Frau hat mit „Headwave“ ein neues Musiksystem für Helme entwickelt. Wir werfen einen Blick hinter die Technik
130 FELIX SCHWARTZE Der Neunjährige hat ADHS. Als eine Art Therapie fährt er Motocross. Und ist bereits amtierender Deutscher Meister
SPEZIAL: 40 JAHRE XT 500 72 MOTORITZ Zuerst aus der Not, dann als Hobby, letztlich als Beruf: Moritz Kullmann handelt seit 25 Jahren mit Yamaha XT-Teilen
78 KEDO HAMBURG Zu Besuch beim weltweit größten Teileversender für Yamahas klassische Einzylinder-Bikes
84 XT 500 – EINE JUGENDSÜNDE? FUEL-Head Rolf Henniges zieht ein Resümee. Sechsmal verliebt, sechsmal wieder getrennt. Die Verflossenen mag er dennoch
SZENE 10 NEWS Neue Vintage-Taschen von Louis; BMW-Hommage an die R5; coole, neue Klamotten von Ride & Sons; individuelles Helmdesign von helmade.com; szenige Coffeetable-Bücher; Lendenwirbel-Protektor von Rukka; Vintage-Seesack von beunique22.2; SR 400-Umbaukit von Benders; Bikerstiefel von runnerbull; Triumph Street Twin-Zubehör von Rizoma; FUEL auf der INTERMOT 2016; Rückblick Build not Bought-Festival; Gepäcksystem für Victory Octane; Jubiläums-Helme von Bandit; China-125er „Sterling Countryman Deluxe“
MOTORRAD-TEILEHÄNDLER 64 Frank Haasper lebt seit Jahren vom Motorradschlachten. Was hat sich für ihn seit dem Customboom verändert?
CUSTOMSZENE JAPAN 26 Japan liegt nur 9000 Kilometer Luftlinie von uns entfernt. Und doch ist die dortige Customszene wie vom anderen Planeten
NOZEM CUSTOMS 100 Ganz ohne Dope: Unter dem Label „Nozem“ bauen drei Jungs in Amsterdam coole Bikes. FUEL hat die Burschen besucht
BLACK BEAN MOTORCYCLES 116 Axel Krembs ist waschechter Münchner. Der junge Kfz-Meister will sich ganz dem Bau von Motorrädern widmen...
WHEELS AND WAVES 136 Die Zweifel waren berechtigt: Verkommt das Event zur mainstreamigen Kommerz-Veranstaltung? Eine Bestandsaufnahme
LESEZEIT DIE ERSTE REISE ... 142 ... und warum sie nie stattfand. Autor Norbert Neder führt uns ins Urfränkische und in seine Vergangenheit. Eine Jugend-Story
RUBRIKEN EDITORIAL 3 DANKE, GEFLÜSTER UND IMPRESSUM 6 POST 8 LESER UND IHRE BIKES: BMW-V-SCRAMBLER 98 WARUM ICH FAHRE: NATALIE DIEDRICHS 146
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PRODUKTIONSGEFLÜSTER
IMPRESSUM Ausgabe berichtet sie über den neunjährigen Felix Schwartze, einem Bub mit ADHS-Störung, der im Motocross seine Berufung findet. Zu tief ins Glas geschaut? Grippe? Während der Harley-Davidson-Präsentation in Südfrankreich hing Fotograf Markus Jahn völlig in den Seilen (3). Auch mehrere starke Espressi halfen dem Mann nur seeeeehr verhalten auf die Sprünge.
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... Moritz für den leckeren toten Fisch, Rudi fürs überraschende Angebot, Jürgen für die Offenheit, Fred fürs Möglichmachen, Alex fürs Angasen, der südfranzösischen Polizei fürs Zuordnen der Bußgeldbescheide, Nicki, Schenni & Jazzman für den Cheese-Ring und die Polaroids, den Jungs von der blau-weißen Rennleitung für das nächtliche Passfoto, dem Fahrer des niederländischen Lkw für den einen, so wichtigen Euro, den Urvätern der Yamaha XT 500, Axel für die vielen Rückrufe, Norbert für die gute Unterhaltung, Dani für seine Verlässlichkeit, Tanja für die Option, dem netten Kassierer an der westfälischen Tankstelle für den Tipp mit dem Porno-Kino, dem Koch im türkischen Restaurant „Lehmofen“ in Ahlen für sein Können und last but not least bei Kay, Holger, Tim, Rudi, Dirk, Christoph und Claudia für all die netten Einladungen. Sorry, wir konnten nicht vorbeischauen. Too much to do. Bestechungsgelder, Briefbomben, Heiratsanträge, Sex, Drugs and E-Mails bitte an: feedback@fuel-online.de
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Redaktion: Leuschnerstraße 1, 70174 Stuttgart, Telefon 07 11/1 82-11 46, Telefax 07 11/1 82-17 81, E-Mail: feedback@fuel-online.de Redaktionelle Gesamtleitung der Motorradgruppe und Chefredakteur: Dipl.-Ing. (FH) Michael Pfeiffer Geschäftsführender Redakteur: Harald Humke Verantwortlicher Redakteur: Rolf Henniges Sekretariat: Gaby Dussler, Iris Schaber Grafik-Pool: Jörg Rettenmayr (Ltg.), Stefan Weber (i.V.) Grafik: Claudia Werel, Beatrice Mebarek
Hinweis in eigener Sache: FUEL VIER/2016 erscheint, wenn‘s fertig ist!
FUEL BEDANKT SICH BEI . . .
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Herausgeber: Paul Pietsch †, Ernst Troeltsch †
Schlussredaktion: Lothar Kutschera
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www.fuel-online.de
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Natalie Diedrichs, Carolin Fitus, Rolf Henniges, Harald Humke, Roman Kirschbauer, Norbert Neder, Michael Orth, Silke Röber, Thomas Salomon, Iris Schaber, Onno Seyler, Fred Siemer, Maria Timtschenko, Reimar Vogt, Sven Wedemeyer, Bianca Wistuba Bildredaktion: Yvonne Hertler Repro: Medien-Produktion MOTORRAD Fotos: Natascha Biermann, Rossen Gargolov, Rolf Henniges, Andreas Holzer, Markus Hoffmann, Markus Jahn, Jörg Künstle, mps-Fotostudio, Michael Orth, Arturo Rivas, Thomas Salomon, Onno Seyler, Fred Siemer, Southsiders MC, Gijs Spierings, Sven Wedemeyer, Walter Wille Fotos: Rivas, Wille, Timtschenko
Doppeltes Pech: Für die Reportage „Kurze Beine“ wurde unserer nur 1,53 Meter großen Autorin Natalie Diedrichs ein vergleichsweise riesiger Trainer zugeteilt: Gernot Kempkes ist 1,86 Meter groß und wiegt nach eigenen Angaben „gute 100 Kilo“. Das betreute Fahren auf der tiefergelegten ER-6n wirkte auf Zuschauer recht amüsant (1). Nach den ersten gemeinsamen Runden fuhr Natalie jedoch allein. Neuzugang: Maria Timtschenko (2) ist 25 Jahre jung und schreibt normalerweise für die ZEIT und SPIEGEL online. In dieser FUEL-
Illustration: Harald Hornig FUEL online: Manuel Fuchs (Ltg.), Dina Dervisevic, Slawomir Niewrzol, Sven Wedemeyer Redaktionstechnik: Valentino Bisanzio, Martin Eisenmann, Kai Fischer, Wolfgang Krauter, Marcus Segler Weitere Objekte der Motorrad-Zeitschriftengruppe der Motor Presse Stuttgart: MOTORRAD – Europas größte Motorrad-Zeitschrift; PS – sportlich schnell motorradfahren; MOTORRAD Classic – Youngtimer, Oldtimer, Szene, Markt; MOTORRAD KATALOG u.v.m. Fotoservice/Syndication/Lizenzen: Motor Presse International, Telefon 07 11/1 82-18 74 Verlag: Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG, Leuschnerstraße 1, 70174 Stuttgart, Postfach: 70162 Stuttgart, Telefon 07 11/1 82-01, Telefax 07 11/1 82-13 49 Leitung Geschäftsbereich Motorrad: Peter-Paul Pietsch Stellvertretende Verlagsleitung und Leitung digitale Medien: Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Eva-Maria Gerst Brandmanager Online: Marcel Leichsenring Anzeigenleiter: Marcus Schardt; verantwortlich für den Anzeigenteil: Carmen Brix, Iris Eifrig Anzeigen: Telefon 07 11/1 82-1 88, Telefax 07 11/1 82-13 49 Vertrieb Einzelverkauf, Vertriebsleiter: Dirk Geschke, DPV – Deutscher Pressevertrieb, 22773 Hamburg Herstellung: Rainer Jüttner Druck: Firmengruppe APPL, appl druck, 86650 Wemding, Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten © by Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Gewähr übernommen Einzelpreis: 6,50 Euro (inkl. MwSt.)
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MEHR ALS EINE KURZE LIEBELEI Klitschnass vom eben durchpflügten Gewitterguss stieß ich, eher durch Zufall, an der Tanke auf FUEL 2/2016. Kurz drin geblättert – und gekauft! In den letzten Jahren hab ich mir das Abonnieren von Motorradzeitschriften echt abgewöhnt, zu viel Statistik, zu viele Zahlen und immer die Gewissheit, mein Fahrstil, meine Mopeds und mein Popometer werden diesem Leistungs- und Modernisierungshype nie gerecht. Aber siehe da, es gibt „sie“ noch, die Mopedverrückten mit dem sprichwörtlichen Benzin im Blut, die Motorradfahrer aus Leidenschaft, die Träumer und Enthusiasten. Die Customizing-Welle spült seit einiger Zeit Gott sei Dank auch endlich wieder Jungs und Mädels an die Oberfläche der Mopednarren, für die das „Gefühl Motorrad“ mehr ist als nur eine kurze Liebelei oder ein Schaulaufen vor dem Eiscafé, und auch weniger Moped-affine Zeitgeister werden mit dem Virus Motorrad infiziert – die Szene in ihrer ganzen Breite und Vielfalt lebt! Was Ihr in Eurem Heft absolut treffend beschreibt! Also rauf auf den Bock, das Heft sicher unter der Jacke verstaut, und unter dem Regen Richtung Heimat. Daheim noch in der Garage den ersten Artikel ausgewählt und gelesen, innerlich zufrieden gegrinst, den nächsten Artikel gelesen und fast den alten Bikerspruch vergessen, der stets zur Pflege des Mopeds mahnt: „Erst das Ross – und dann der Reiter!“ – Das passiert nicht oft! Bitte mehr davon! Sobald das nächste Heft fertig ist, bin ich wieder an der Tanke ... Ich freu‘ mich jetzt schon drauf! Peter Langer, Weiden, per E-Mail
VOLL DAS LEBEN Servus FUEL-Team, servus Rolf. Ich bin ja eher nicht so der Kommentarschreiber, aber der Triumph Thruxton R-Bericht im Bukowski-Style war echt der Hammer. Hab das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Genau solche Storys müsste es einfach mehr geben. Voll das Leben!
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Macht mit der FUEL weiter so. Ich finde, Ihr werdet von Heft zu Heft immer besser. Gerhard Ruth, Kirchseeon, per E-Mail
DER UNECHTE MOTORRADFAHRER !? Hallo Rolf, liebes FUEL-Team, zuerst möchte ich Dir und dem Team mal gratulieren zu einem wirklich tollen Magazin. Ihr steckt unglaublich viel Herzblut und Hirnschmalz in Themenauswahl, Schreibe, Fotos und Layout. Super! ABER: Bei der Lektüre des Gesprächs mit Sven Eden vom Riders Room Hamburg (Heft 4/2015) kam ich ins Grübeln. Ist dieser Blick auf die Dinge wirklich der richtige? Das Reiten einer 1937er-Indian ist ECHTER und EHRLICHER als das Fahren einer – beispielsweise – Mash? Oder einer Hyosung? Bin ich weniger echt und ehrlich, wenn ich von meiner 1977er-CB 750 Four auf meine CB 1300 steige? Merkst Du, was für eine Arroganz und Ignoranz und materielle Oberflächlichkeit in dieser Argumentation steckt??? Das ist genau der Weg, mit der Harley seit Jahrzehnten die Menschen verblödet: Man verkauft denen Kult und Pseudo-Emotion, damit sie die minderwertige Technik nicht kritisieren ... Sind ECHT und EHRLICH nicht viel mehr die BIKER, die ich im Winter (uuiii ... kalt ...) grüße? Die auf ihren BMW, KTM und Honda in die Winterluft fahren, weil sie vom Motorradvirus infiziert sind? Denen scheißegal ist, was irgendjemand über ihre Klamotten oder Bikes sagt? Die WIRKLICH eins sind mit ihrer Maschine? DAS, mein lieber Rolf, ist für mich EHRLICH und ECHT. EHRLICH und ECHT sind auch diejenigen, die sich seit 30 Jahren (!) ehrenamtlich für die Interessen der Motorradfahrer stark machen. Leise, still und im Hintergrund. Die Zeit und Nerven und Geld investieren, damit wir alle auch künftig noch einigermaßen genussvoll Motorrad fahren können: die Jungs von der Biker Union! Die wären ein Porträt wert, gerade im Jahre des 30-jährigen Bestehens. In diesem Sinne – die Linke zum Gruß! Carsten Bischof, Oebisfelde, per E-Mail
Lieber Carsten, Du wirfst in Deinem Leserbrief eine Menge Fragen auf. Zur wichtigsten, nämlich der, ob echt oder unecht, möchte ich gleich kurz Stellung nehmen: Für mich ist jeder Mensch, der Motorrad fährt, ein Motorradfahrer. Egal, welches Bike er nutzt und egal, wohin oder wie weit er damit fährt. Demzufolge gibt es also keine „unechten“ Motorradfahrer, sondern nur echte oder keine. Wie intensiv man diese Leidenschaft auslebt, bleibt jedem selbst überlassen. Mir persönlich ist es egal, wenn ich auf einer Hyosung nicht von BMW-Fahrern gegrüßt werde oder deshalb am Treffpunkt nicht im Mittelpunkt stehe. Schließlich fahre ich Motorrad, weil es mich begeistert. Und nicht, um der Umwelt durch den Kauf einer bestimmten Marke etwas mitzuteilen oder mich damit aufzuwerten. Und was die Jahreszeit angeht, so glaube ich, dass es physisch fast anstrengender ist, bei 35 Grad plus als bei fünf Grad minus zu fahren. Aber da Du ja hier den Begriff „Motorradvirus“ anführst – verbleiben wir doch so: Motorradfahren ist eine leidenschaftliche Krankheit, und der Krankheitsverlauf ist bei jedem individuell. Die geeignete Medizin hierfür finden Sie bei jedem Motorradhändler. Über Risiken und Nebenwirkungen informiert Sie Ihre Bank und in seltenen Fällen leider auch das Krankenhaus.
Bitte geben Sie bei E-Mails und Leserbriefen Name und Wohnort an. Fragen und Post an die Redaktion Leser-Service: Iris Schaber. Telefonische Anfragen dienstags und donnerstags von 10 bis 12 Uhr unter 07 11/1 82-12 25. Noch besser ist es, wenn Sie Ihre Frage schriftlich stellen: Redaktion FUEL, Stichwort Leser-Service, 70162 Stuttgart, Fax 07 11/1 82-17 81, E-Mail: feedback@fuel-online.de Nachbestellung von Einzelheften Telefon 07 11/32 06 88 99, Telefax 07 11/1 82-25 50. Bitte Bankverbindung angeben. Ausverkauft, nicht gefunden? Ihr Zeitschriftenhändler besorgt Ihnen FUEL meist für den nächsten Tag.
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen.
Und als hätten wir ihn bestellt, trudelte ein weiterer Leserbrief ein, der das Thema Motorradvirus aufgreift:
ANTWORT AUFS EDITORIAL Lieber Rolf Henniges! Was willst Du mit Deinem Editorial in der FUEL-Ausgabe 2/2016 eigentlich sagen? Du sprichst von einer Motorrad-Oldtimerblase und fehlendem Nachwuchs. Mit diesem Leserbrief möchte ich Deine aufgeworfenen Fragen aus meiner Sichtweise beantworten und Deine Zweifel um den Nachwuchs der Motorradfahrer auflösen. Hier kommen 214 Wörter, die Dir hoffentlich einen ruhigen Schlaf bereiten: Wenn Dir der Wind ins Gesicht weht und Dir die Sonne das Genick versengt. Wenn es keine Herren Dipl. Ing., Dr. oder Vorgesetzte gibt, nur Gleichgesinnte. Wenn Du keine Updates brauchst, sondern nur Dei-
ne rechte Hand, um der nächsten Kurve eine ganz persönliche Linie einzubrennen. Dann weißt Du, dass Du Motorradfahrer bist und wahrscheinlich einer der glücklichsten Menschen überhaupt. Für mich steht fest, dass die Eigenbau-Motorrad-Szene in den nächsten Jahren wachsen wird und noch viele weitere Menschen dem Motorradvirus erliegen. Das Fortbewegen auf zwei Rädern steht für mich im Gegensatz zur heutigen gesellschaftlichen Entwicklung. Bei richtiger Anwendung kann die Leidenschaft für etwas, das von Geschwindigkeit und Beschleunigung lebt, sogar zur Entschleunigung des alltäglichen Wahnsinns beitragen. Als Beispiel könnte man das unbewachte, durch eigene Handlungen direkt beeinflusste Durchfahren einer Kurve anführen. Die dabei entstehenden Glücksgefühle kennen wir – Yessss!!! Weiter ist der Zusammenhalt, die Hilfsbereitschaft und der Respekt unter den Motorradlern heute
in vielen Bereichen der Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit mehr. Diese Beispiele könnte man noch seitenlang ergänzen. Als Letztes möchte ich aber noch die Möglichkeit zur Individualität und Vielfalt ansprechen, die Ihr, lieber Rolf, liebes FUELTeam, mit viel Leidenschaft in Eurem Magazin hervorhebt, und welche uns als Einzelstücke von der Masse abhebt. Dieser Boom nach Selbstverwirklichung wird bestimmt noch lange anhalten und uns noch viel Freude bereiten. Also, lieber Rolf, mach Dir keine Sorgen um den Nachwuchs oder um eine Motorradblase. Sei lieber froh, dass noch nicht alle herausgefunden haben, wie viel einem ein Motor mit Rahmen und zwei Rädern bieten kann, da würden unsere geliebten Eisen (österreichisch für Motorrad) doch gleich noch ein gutes Stück teurer werden.
Heinz „Heinzi“ Riedelbauer, 26 Jahre, per E-Mail
Crédit photo : Dingo Photos
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SZENE
NEWS
COOLES ZEUG AUS FLORIDA
ERWEITERT Louis hat seine Vintage-Taschenserie um drei weitere Produkte erweitert. Neben Tankrucksack und Satteltaschen gibt es jetzt auch eine coole Hüfttasche. Die drei Liter Stauvolumen reichen locker für Schlüssel, Portemonnaie, Handy und Taschentücher. Das gewachste Außenmaterial aus Canvas mit Ösen aus Messing und Riemen aus Leder hinterlässt einen guten und strapazierfähigen Eindruck. Eine Regenhaube hält die Tasche bei kurzen Schauern trocken. Die Hüfttasche kostet 69,99 Euro, die Satteltaschen 249,99 Euro, der Tankrucksack 149,99 Euro.
Das Sortiment des Klamotten-Labels Ride & Sons aus Florida findet man ab sofort im Shop von MABike. Die aus schickem Vintageleder und gewachster Baumwolle gefertigte Motorradjacke „The Varsity“ macht auch jenseits des Sattels eine gute Figur. Schnitt und Farben sind eher oldstyle, die atmungsaktive und wasserdichte Membran topmodern (Preis: 249,90 Euro). Alle Jacken von Ride & Sons hängen serienmäßig mit fünf Protektoren ausgestattet am Kleiderbügel. Schicke Handschuhe der US-Marke (ab 63,90 Euro) hat der Shop ebenfalls im Angebot. Weitere Infos unter www.ma-bike.com.
BODYBUILDER Die Gerüchte sind schon seit geraumer Zeit bestätigt. BMW macht sich im Hinblick auf eine Münchener Chopper-Interpretation Gedanken. Und nun tauchte beim Concorso d'Eleganza in Villa d'Este Ende Mai diese Hommage an die BMW R 5 auf. Soll die etwa der Vorbote sein? Ein Modell mit einem Rahmen aus konisch gezogenen, teilweise ovalen Rohren und dem Zweinockenwellen-Boxer? Wohl kaum. Und doch macht sie neugierig. Nur: Wie diese Hommage wohl aussähe, wenn da nicht der echte
500er-Motor die Zylinder ausstreckte, sondern der moderne 1200er-Brocken? Wohl wie ein Bodybuilder mit zu kurzen Armen und Beinen. Wenn dieser R 5-Chopper eine Andeutung auf das sein soll, was kommt, dann muss man sich das Ding mit einer Lupe und 1,5-facher Vergrößerung anschauen. Dann erhält man in etwa ein Bild der realistischen Proportionen. Der per Keilriemen angetriebene Kompressor bringt den 500er-Boxer auf geschätzte 60 PS. Die Serienleistung liegt bei 24 PS.
Fotos: BMW, helmade.com, Louis, Ride & Sons/MA-Bike www.fuel-online.de
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DREI
HELM VOM HANDWERKER
MODERN CLASSIC. The Bullitt
ZWECKORIENTIERTER KOPFSCHUTZ AUF BELLHELMETS.COM
DISTRIBUTED BY GROFA ® GMBH · WWW.GROFA.COM
Dem eigenen Custombike eine stilvolle Lackierung verpassen: eine Selbstverständlichkeit. Auf dem Bock coole Vintage-Klamotten tragen: ein Muss. Aber warum haben nur alle die gleichen Helme auf der Rübe? Das dachte sich auch das Frankfurter Start-up-Unternehmen „helmade“. Auf der gleichnamigen Homepage (www.helmade.com) kann man als Motorradfahrer zwischen einem Integralhelm von Bell und Jethelmen, die unter eigenem Label vertrieben werden, wählen. Im Design-Konfigurator kann man seiner künftigen Mütze ein passendes Outfit verpassen. Die Farben, die Versiegelung, das Visier und der Schriftzug können individualisiert werden. Dass so ein Helm kein Discountartikel ist, muss aber klar sein. Schließlich wird jeder Pinselstrich handwerklich und individuell angefertigt. Die Preise starten bei 329 Euro (Jethelm) beziehungsweise 799 Euro (Integralhelm).
KAFFEETISCH-LEKTÜRE
ZWISCHENLÖSUNG Ein Rückenprotektor ist eine feine Sache. Blöd nur, dass der immer so dick aufträgt und fürs lässige Cruisen ein wenig überdimensioniert scheint. Gibt es da nicht was von Ratio...? Nee, aber von Rukka. Zumindest für alle, denen ihr Rückgrat etwas wert ist. Der finnische Hersteller hat einen Nierengurt mit zusätzlichem Lendenwirbel-Protektor entwickelt. Der Protektor soll kaum auftragen und beim Fahren nicht weiter stören. Der Gurt ist in den Größen S, M, L und XL erhältlich. Er kostet 69,95 Euro. www.rukka.com
Der Titel „101 Bikes and Faces“ (von Holger Pfeifle und Christian Mader) ist Programm: Das Buch zeigt 101 Menschen und ihre Bikes. Das Shooting dafür fand ausschließlich bei Glemseck 101 statt und präsentiert einen schönen Querschnitt durch die New Custom-Szene. Für jedes Bike und seine (n) Fahrer(in) hat das Team ein paar amüsante Zeilen und technische Infos zusammengestellt. Ein Muss für Fans der Szene. Selbst, wenn man noch nie beim „101“ war. (217 Seiten, 39,90 Euro bei www.easyride.rocks). Noch szeniger ist das Buch von Uwe Ehinger. Sein Werk „Rusty Diamonds“ präsentiert mit über 250 Fotografien aus den Jahren 1979 bis 1989 einen Blick in Ehingers motorradverrückte Vergangenheit. Begleitet werden die Bilder von autobiografischen Erzählungen (deutsch und englisch), die auch aus einem Abenteuerroman stammen könnten. Ehinger hat was erlebt, ganz klar. Das 241-seitige Werk ist hochwertig gestaltet, die teils antiquarischen Fotos untermauern seine Storys perfekt. Ein Buch für Ehinger-Fans und solche, die es werden wollen. Jammerschade, dass der Text etwas kurz ist. Man möchte einfach mehr wissen. 79 Euro, Bezug über www.ehingerkraftrad.com
NICHT VON DER STANGE Schon mal eine Packrolle vom Discounter gekauft? Und geärgert, dass man die frische Unterhose durch die einzige Öffnung des Behälters auf die Schnelle nicht findet? Mit dem Seesack von „Be Unique 2.22“ in Kooperation mit „Wasserstoff“ soll das vorbei sein. Komplett wasserdicht kommt er im Vintage-Look, ausgerüstet mit einem Stangensystem, das ein Verbiegen des Sacks verhindert. Ein Längsreißverschluss ermöglicht beispielsweise den schnellen Zugriff auf die Ersatz-Unterhose. Falls mal ein Malheur passiert. Der Preis des Seesacks beträgt 395 Euro. Mehr Infos unter www.wasserstoffstuff.com Fotos: Benders, mps-fotostudio, Markus Ruf, Rukka www.fuel-online.de
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NEWS
BENDERS-XT 400-KIT Die beiden Brüder Raphael und Christian Bender fanden es schon lange schade, dass kleine Enduros mit traditionellem Charme bei den Herstellern in Vergessenheit geraten sind. Warum also nicht eine aktuelle Yamaha SR 400 nehmen und sie mit ein paar Bauteilen ohne Hokuspokus in eine (bedingt) geländetaugliche XT verwandeln? Wie viele Umbauten der Bender-Brüder sind die Teile als Plug-and-play-Lösung gefertigt. Originalteil abschrauben, Zubehörteil anschrauben, fertig. Die Basis für den Umbau zur „Benduro“ bilden die SR 400
(eine gebrauchte SR 500 taugt ebenso) und der von den Brüdern entwickelte Fahrwerkskit (Gabel inklusive Brücken, Hülsen und Achse; Vorderrad, wobei die Nabe getauscht wird; Brembo-Bremszange; Stahlflex-Bremsleitung; Stereo-Federbeine von YSS; Kettenspanner und -umlenkung; verlängerter Seiten- und Hauptständer). Das Ausstellungsstück enthält zudem: Lenker, Tacho und Kontrollleuchten von LSL, den hochverlegten Hattech-Auspuff, Cockpit, Tankdekor, Schutzbleche und Halter aus dem Benders-Programm, Heidenau-Reifen und Beleuchtung aus dem Zubehör. Preise: Fahrwerkskit: 2900 Euro, Auspuff (Hattech mit Kat):1090 Euro, Neu-Motorrad mit hohem Fahrwerk: ab 9500 Euro, Motorrad wie Ausstellungsstück: 13 500 Euro
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HEISSER CAFÉ Bei der Street Twin haben es die Ingenieure von Triumph wirklich geschafft, das Zweizylinder-Bike gleichzeitig clean und klassisch aussehen zu lassen. Kein Grund, die Füße hochzulegen, findet Hersteller Rizoma. Um den Look noch schärfer zu machen, hat der Zubehörproduzent der Britin noch eine Prise Café Racer beigemischt. Mit dem Stummellenker aus Alu, kleinem Windschild, den klappbaren Hebeleien, neuen Griffen, Spiegeln, Miniblinkern, Ritzelabdeckung, Kotflügel und Kennzeichenträger legt die Street Twin nun einen noch heißeren Auftritt hin. Mehr Infos unter www.rizoma.com
WILD WILD WEST Ob nun ein PS oder hundert davon. Nur weil die kleine Manufaktur aus Italien bisher Lederstiefel für den sportlichen Reiter hergestellt hat, heißt das ja noch lange nicht, dass die Stiefel nicht auch für Mopedfahrer taugen. Deshalb haben die Macher von Runnerbull ihre handwerklichen Fähigkeiten nun extra für uns Motorradfahrer eingesetzt und eine Biker-Serie ihrer Stiefel aufgelegt. Und die können sich mit ihrer soliden Machart und strapazierfähigem Leder sehen lassen. Klar, die Stiefel bieten natürlich nicht die Sicherheitsausstattung eines Racing-Stiefels. Auf Protektoren und Titanverstärkung muss man entsprechend verzichten. Aber dafür passen sie astrein auf jedes Café Racer- und Retro-Classic-Bike. Die Preise liegen zwischen 199 und 399 Euro. www.runnerbull.com
FUEL AUF DER INTERMOT Runter vom Sofa, rauf auf den Sattel und ab nach Köln. Zumindest zwischen dem 05. und 09. Oktober. Dann öffnet nämlich die Fachmesse für Motorräder, Roller und E-Bikes, INTERMOT, ihre Pforten. FUEL ist natürlich mit einem eigenen Stand vertreten (Halle 9, Stand B-050). Aber es kommt noch besser: Erstmalig kann man sich bei uns für die tägliche Portion Aufputschmittel eine coole FUEL-Tasse samt Inhalt kaufen. Der Kartenvorverkauf für die Messe hat übrigens schon begonnen – und lohnt sich: Im Vergleich zur Tageskasse spart man durch den vorzeitigen Ticketkauf bis zu zehn Euro. Mehr Infos unter www.intermot.de.
Fotos: INTERMOT, Rizoma, Runnerbull, Sven Wedemeyer www.fuel-online.de
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NEWS
RÜCKBLICK „BUILT NOT BOUGHT“ Am ersten Juni-Wochenende fand auf dem Spreewaldring, 70 Kilometer südlich von Berlin, die zweite Auflage des „Built not Bought“-Motorradfestivals statt. Die kurvenreiche Rennstrecke bot historischen und umgefrickelten Maschinen, stolzen Besitzern und staunenden Besuchern ein Wochenende voller Freude. Bei bestem Wetter ließen es öltriefende TT-Renner, kreischende Zweitakter, Seitenwagen oder Café Racer richtig fliegen. Nach den Trainingsläufen am Samstag wurde am Sonntag munter angegast. Die Rennen der zehn Klassen boten dank vieler Überholmanöver und knapper Zieleinläufe spektakuläre Action. Nebenbei wurde auf der Schraubermeile Fachwissen getauscht und das Szene-Netzwerk bei Bier und Wurst gepflegt. Bodenständiger Motorsport, ganz ohne Markendünkel oder elitäres Gehabe. FUEL hat die schönsten Eindrücke vom „BnB“ unter www.fuel-online.de in einer Galerie zusammengefasst.
Stoff für Helden. Hightech-Materialien im klassischen
Design. Das Legend Gear Gepäck ergänzt die zeitlose Linienführung aktueller Retro-Motorräder, ohne auf zeitgemäße Materialien und ein flexibles Haltesystem zu verzichten. Hecktaschen ++ Tankrucksäcke ++ Seitentaschen ++ Satteltaschen ++ Zusatztaschen ++ Befestigungssysteme
SZENE
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JUBILÄUMS-MÜTZEN Man wird nicht jünger. Wissen wir ja alle. Selbst die Marke Bandit existiert mittlerweile seit 1996 in Deutschland. Grund genug für den Hersteller, zwei neue Jethelme auf den Markt zu bringen, die noch besser als bisher verarbeitet sein sollen. Die Jubi-Mützen gibt es in mattschwarzer und beiger Lackierung, beide zieren ein weißer BanditSchriftzug und der Jubiläumshinweis „20 YEARS OF 28“. Die Helme kosten 99 Euro und sind in Größen von XS bis XXL unter anderem hier erhältlich: www.helmetshop.de.
NICHT SO SCHNELL, BITTE
REISE-BEGLEITER Keine Reise ohne Gepäcksystem, das gilt auch für die Victory Octane. Die neuen Packtaschen aus wasserresistentem Polyester/ Nylon-Mischgewebe fassen zusammen 28 Liter. Das reicht locker für Unterhose, Zahnbürste, Zigaretten und Feierabendbier. Inklusive der entsprechenden Halterungen kosten die Taschen beim Victory-Vertragshändler stolze 599 Euro. Entspannte Fahrer investieren dann auch gleich noch in die Fahrer-Rückenlehne (199 Euro), damit die lange Tour nicht zur Tortur wird. Mehr Infos unter www.victorymotorcycles.de
Nee, kein alter Schinken. Das Ding ist nagelneu und hört auf den Namen „Sterling Countryman Deluxe“. Ausgedacht haben sich das Retroeisen die Briten, zusammengeschraubt wird es allerdings in Italien. Das Triebwerk ist eine Lizenzfertigung eines Honda-Einzylindermotors und kommt wiederum aus China. Mit 125 bzw. 230 cm³ Hubraum pöttelt der Eintopf 13 bzw. 14 PS auf die Kurbelwelle. Das ist mehr als ausreichend. Zumindest für das, ja, ähm, traditionelle Fahrwerk. Vorne federt stilecht eine Trapezgabel, hinten nichts. Glücklicherweise haben wir es in Euro-
pa ausschließlich mit perfekten Asphaltbedingungen zu tun. Nun ja, mit der Sterling wird wohl kaum einer angasen wollen. Schließlich bremst man hinten und vorne mittels Trommel. Die Countryman Deluxe kann traditionell per Kick gestartet werden, oder modern mittels E-Starter. Der Alutank nimmt in seiner einen Hälfte 8,5 Liter Benzin auf. Die Bordelektronik versteckt sich in der anderen. Nicht wirklich traditionell sind die Preise. Ab 9480 Euro startet die Countryman. Nicht günstig, aber extravagant! Mehr Infos www.theblackdouglas.com
Fotos: Bandit, Black Douglas, Victory www.fuel-online.de
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FÄHRT DAS ? WERDEN SICH WOHL DIE MEISTEN FRAGEN, DIE DAS DING SEHEN. FUEL SCHWANG SICH IN DEN SATTEL.
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ch weiß gar nicht, warum du so heiß auf das Teil bist. Die F32 ist doch Schnee von gestern. Die haben wir letztes Jahr im April auf Sylt präsentiert. Jede Zeitschrift hat über die Kiste berichtet, und letztlich hat sie DIE maßgebliche Bagger-Show gewonnen: Daytona Beach! Letzten Sommer, mein Junge!“ Fred Kodlin ist am anderen Ende der Telefonleitung. Irgendwie kann man förmlich sehen, wie der 56-Jährige seine Augen hinter der Sonnenbrille rollt, die Stirn kräuselt und tief seufzt. Nein, es geht bei FUEL nicht darum, Sensationen zu vermelden. Es geht vielmehr um den Blick hinter die Kulissen. „Erinnerst du dich?“, frage ich zurück. „Messe Bad Salzuflen, Dezember letztes Jahr. Wir sprachen über die F32. Du sagtest damals, sie würde sich fast wie ein normales Motorrad fahren lassen. Das möchte ich gern ausprobieren.“ Man erwartet jetzt einen Rückzieher. Denn vielleicht kann das Ding wirklich nur: stehen. Mag keine UV-Strahlung. Kein Wasser. Keinen Wind. Und der Motor ist nur Attrappe. Vielleicht überwiegt auch die Angst vor ein paar Lackkratzern. Schließlich soll das Teil über 200 000 Euro kosten. „Komm vorbei“, sagt Fred Kodlin lapidar. „Hauptsache es schneit nicht.“
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Wochen später steht Fred neben und sie vor mir. Die F32. Der Ultra-Bagger. Die 32 steht nicht für Grad Schräglage oder die Anzahl der Bikes, die Fred Kodlin gebaut hat, nein, das wäre lächerlich. Sie steht für den vorderen Raddurchmesser: 32 Zoll. Mit montiertem Reifen kommen wir auf 93 Zentimeter Durchmesser. Auf der ganzen Welt wurden keine zwanzig Stück davon gefertigt, in der F32 rotiert das einzige 32er-Vorderrad in ganz Europa. Doch nicht die Einzigartigkeit fasziniert. Es ist die Skurrilität. Als ich meinem Freund Pinne ein Foto des Ultra-Baggers gezeigt habe, meinte er, sein Rasenmäher hätte auch so einen Grasfangkorb und erkundigte sich nach Auffangvolumen und Schnittbreite. Pinne wohnt auf dem Land. Ich musste weit ausholen, um einem Superbike-Fahrer wie ihm die Lebensberechtigung solcher Fahrzeuge zu erklären: Bagger hat nichts mit Bagger (Erdschaufelfahrzeug) zu tun, sondern ist von Bag (englisch: Tasche, Koffer) abgeleitet. Vor vielleicht zwei Jahrzehnten haben sich ein paar Cruiser-Piloten Gedanken gemacht, wie man die wichtigsten Utensilien für den Wochenendtrip stilecht auf dem Bike mitnimmt, und kamen auf: Koffer. Damit diese den Look des Bikes nicht verschandeln, machte man
Edel: innen verlegte Züge und Kabel
Versteckt: Zündschloss, Air-Ride-Schalter
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sich weitere Gedanken darüber, sie stilvoll ins Fahrzeug zu integrieren. Der Style wurde Anfang der 2000er in den USA populär und schwappte in den vergangenen Jahren zaghaft nach Europa rüber. Was mit anfänglich verbauten, schmalen 18-Zoll-Rädern begann, uferte allerdings schnell aus. Vor zehn Jahren war man in den USA bei 21-ZollRädern angekommen, vor fünf bereits bei 23 Zoll. Derzeit fahren die ganz wilden US-Boys einen 26er spazieren. Irgendwann packt immer jemand was drauf. „Das 32er stammt aus Amerika“, erklärt Fred. „Einzelanfertigung auf Bestellung. Damit es legal auf europäischem Boden rollen darf, musste ich es TÜVen.“ Ah, das erklärt auch den Preis. „Für rund 10 000 Euro gehört es dir“, lächelt der Hesse. Kein Scherz. Man kann von Glück sagen, dass der Reifen im Preis inbegriffen ist. Die Pelle ist mit 140/40 besonders querschnittig, stammt von Vee Rubber aus Thailand und kostet allein 1200 Euro. „Zieh’ die erst mal auf“, lächelt Fred, „und das, ohne die Felge zu beschädigen.“ Es ist müßig, über Sinn oder Unsinn eines solchen Motorrads zu diskutieren. Dem einen gefällt’s, dem anderen nicht. Der Customboom treibt allerorts wilde Blüten: Angeblich ist es derzeit nicht mal mehr hip, sein umgebautes Straßenbike mit Enduroreifen zu bestücken. Nein, jetzt greifen die coolen Jungs zu Motocrossreifen. Gönnen wir ihnen den Spaß. Und Fred Kodlin erst recht. „Komm, ich zeig dir was“, sagt der und wir schlendern durch seine Werkstatt im nordhessischem Borken. Keine fünf Meter durch die riesige Halle gelaufen, fällt mir ein Satz von Blechkünstler Norbert Büsch ein: „Es gibt Leute, die sich Customizer nennen, obwohl sie nur An- und Abschrauber von Teilen sind. Sie tauschen aus. Mehr nicht.“ Fred Kodlin gehört mit absoluter Sicherheit nicht dazu. An der F32 ist grob gesagt nur der Motor nicht selbst gebaut. Und die in den Koffern
Tadellos: Multiinstrument mit allen Infos
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Von oben gesehen ähnelt die F32 einer Kreuzung zwischen Insekt und Tarnkappenbomber. Die beiden neckischen „Flügel“ übernehmen die Funktion von Sturzbügeln, zudem sind darin die Blinker integriert
TECHNISCHE DATEN MOTOR: Harley-Davidson-Big Twin, G & R-Tuning, 2030 cm³, 169 PS, 196 Nm, Sechsganggetriebe, E-Starter BODYWORK: Rahmen, Schwinge, Fender, Lampenmaske, Koffer, Elektrik, Air-RideSystem, Blinker, Gabel, Koffer – alles Kodlin-Eigenanfertigungen. Ausnahmen: PM-Sechskolben-Bremszangen, PM-Bremsund Kupplungsarmatur, Räder, Stereoanlage, MaikX-Sattel. Die komplette Bodywork ist in Stahl ausgeführt. Reifen vorn 140/40-32, hinten 200/45-18 IDEE UND ZEICHNUNGEN: Len Kodlin PREIS: über 200 000 Euro ARBEITSZEIT: rund zehn Monate
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integrierte Stereoanlage, die Bremszangen und Bremsscheiben. Der Rest ist pure Handarbeit. Saubere Nähte. Edle Teile. Perfekte Spaltmaße. Fred ist ein Urgestein der europäischen Customszene, stellt seit 1982 eigene Parts her und startete 1995 mit dem Bau von Custombikes. Hier, auf dem alten Kontinent, gilt er als Enfant terrible der Szene. Als Verrückter. Verrückt, weil er sich an Dinge traut, wo andere die Finger von lassen. „Bagger sind out? An Europa ging der Bagger-Trend vorbei? Nee, Junge, das stimmt nicht. Wir haben rund 150 Stück gebaut. Und alle verkauft.“ Kodlins Fertigungstiefe beeindruckt. In den Regalen drängeln sich gedrehte Lenkkopfrohre, kilometerweise dünne Bleche, tonnenweise Stahlrohr. Er biegt und fertigt Auspuffanlagen, Schwingen, konstruiert und schweißt vom Rahmen übers Lampengehäuse bis zum Fender alles selbst. Er ist nicht nur Customizer. Er ist zertifizierter Fahrzeughersteller. Seine eigenwilligen Kreationen werden letztlich auch vom TÜV abgesegnet. „Fahren will man ja auch“, grinst der Meister schelmisch. Gutes Stichwort.
Handarbeit: Rahmen und Bodywork
„Du kannst doch fahren, oder?“ Sicher kann ich. Oder braucht man für den Extrem-Bagger einen besonderen Führerschein? Die F32 ruht auf zwei schnapsglasgroßen Aluminiumblöcken, die am Rahmenunterzug befestigt sind. So, wie sie da steht, schweben die Koffer maximal drei Zentimeter über dem Boden. Die F32 hat ein LuftFahrwerk. Ein kleiner Kompressor versorgt Ausgleichsbehälter und Federelemente mit Luftdruck. Maximal kann sich die Maschine um zwölf Zentimeter anheben. „Je nach Luftdruck hast du entweder mehr oder weniger Komfort“, erklärt Fred sein System, ebenfalls – wen wundert's? – eine Eigenkonstruktion. Aufsitzen. Der Sattel schwebt in nur 620 Millimeter Höhe und Riesenarme braucht man nicht, um den Lenker zu erreichen. Kabel, Drähte, Bowdenzüge – alles innen verlegt. Es gibt nichts, was den metallisch-martialischen Look der F32 stören würde. Die hat übrigens Len Kodlin entworfen, Freds 25-jähriger Sohn, der mittlerweile zu einer echten Stütze des Unternehmens herangereift ist. Während der kleine Kompressor Luft ins Gedärm pumpt und sich die F32 langsam erhebt, erklärt mir Fred die Bedeutung der sauber am Lenker und unter der
Eingepasst: Motor, Schwinge, Rad
Lange Arme braucht‘s nicht. Dann und wann muss man beim Anfahren jedoch mal fußeln
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„Alles eingetragen?“ „Klar, alles mit TÜV. Nur der Auspuff – ähm – ist eine Ausnahme. Müssen wir noch mal bei“
Sitzbank angeordneten Knöpfe. Broooaar – erdbebenähnlich nimmt der luftgekühlte, 2030 Kubik große HarleyTwin seine Arbeit auf. Tuning-Urgestein Günther Sohn von G & R Racing hat sich den V2 für den Einsatz in der F32 zur Brust genommen. 169 PS und 196 Nm sollen dabei herausgekommen sein. Es klingt nach viiiel mehr. „Den Auspuff haben wir leider nicht eingetragen bekommen“, meint Fred lapidar. Kein Wunder. Doch das sei das Einzige. Gang rein. Leinen los! Das Monster rollt. Zur Person Irgendwie, so denke Fred Kodlin (56), gelernter Heiich, muss die Kiste zungsbauer, macht sich 1982 fahrbar sein. Fred, der selbstständig und stellt Teile für seine exquisiten den Custombereich her. Er besitzt Stücke meist selbst drei Meistertitel (u. a. Schmiedegassi führt, hat mir meister) und wird letztlich Fahrbeiläufig erzählt, dass zeughersteller. Kodlin beschäftigt derzeit neun Mitarbeiter. Er war er bereits 4000 Kilo- der erste Europäer, der in den meter auf die F32 USA als wichtiger Customizer geritten hat: von wahrgenommen wurde. Viele seiDaytona bis Sturgis, ner Bikes wurden weltweit präMallorca Bike Week. miert und mit Preisen überhäuft. Mehr Infos: www.kodlin.com Mit den 360 Kilo
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Gewicht hat der Muskelmotor keine Probleme. Obwohl getunt, läuft er im unteren Drehzahldrittel recht ausgewogen, spannt seine Muckis aber mächtig ab Drehzahlmitte. Interessiert beobachte ich den Tacho: 70, 80, 120 km/h. Alles ganz normal, spurstabil, lässig. Lang läuft eben. Und lang ist die F32. Ihr Radstand misst 1960 Millimeter. Doch gehen wir mal kurz zurück in den Fahrschulunterricht für Rennfahrer. Um denen den Einfluss von leichten Rädern zu erklären, müssen sie eine Radachse mit beiden Händen halten, auf der ein Rad rotiert. Je schneller es rotiert, desto schwieriger ist es, die Achse zu lenken. Stichwort Kreiselkräfte. Ein größerer Radumfang hat denselben Effekt. Man könnte auch sagen: Das Rad stabilisiert, weil es stets geradeaus und senkrecht zur Fahrbahn laufen will. Um es kurz zu machen: Je schneller man fährt, desto stoischer will die F32 geradeaus laufen. Einen Pylonenparcours schnell zu durchstechen, bedarf gar richtiger Wuchterei. So unfahrbar, wie jeder denkt, der sie stehen sieht, ist sie also nicht. Im Gegenteil. Die F32 macht richtig Spaß. Performance-orientierte Piloten würden zwar ein wenig kräftigere Bremsen fordern und Tourenfahrer mehr Sitzkomfort. Doch, was soll's? Ist die schon verkauft? „So gut wie“, brummt Fred, „gehört eigentlich nach Amerika.“ Wegen der schnurgeraden Highways? „Nee. Wenn du die dort vorm Supermarkt abstellst, kommen die Leute angerannt und finden sie geil. Hierzulande erntet man nur Kopfschütteln ...“ www.fuel-online.de
Text: Rolf Henniges Fotos: Rossen Gargolov, Jelena Kodlin (2)
WWW.HARLEY-DAVIDSON.COM
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CUSTOMSZENE IN JAPAN
BIG IN
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AUF DER ANDEREN SEITE UNSERES PLANETEN STEHT DIE WELT ZWAR NICHT KOPF. DOCH SIE IST EINE ANDERE. VERSUCHEN WIR EINFACH MAL, DIE CUSTOMSZENE IN JAPAN, ZWISCHEN WAKKANAI UND NAGASAKI, ZU VERSTEHEN.
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er gemeine Kontinentaleuropäer findet Inseln, nun ja …, nett. Auf Rügen, Sylt oder Malle hält er gern seinen blassen Wanst für ein paar Wochen in die Sonne und trägt die neueste Sandalenmode in Tennissocken zur Schau. Doch bald schon stellt sich auf dem Eiland ein vages Unbehagen ein. Ganz so, also wolle das aufgewühlte Meer den ganzen Erdhaufen in seiner schäumenden Gischt ertränken. Briten, Isländer oder Jamaikaner, sie sind uns irgendwie suspekt. Wenn dann eine Insel wie Japan auch noch vierzehn Flugstunden entfernt auf einem anderen Kontinent liegt, dann ist es mit unserem Verständnis für die dortigen Ureinwohner nicht weit her.
Doch nicht ohne Grund ist im ferngelegenen Kaiserreich alles so, wie es nun mal ist: Die vier japanischen Hauptinseln sind abgeschottet vom regen Austausch mit dem Festland – alles ist etwas schwieriger. Das prägt die Menschen. Sie sind robuster, können einstecken und sich schnell an ungewohnte Bedingungen anpassen. Als Tokio 1923 einer unvorstellbaren Feuerwalze zum Opfer fiel, zögerten die Japaner nicht lange und bauten die Stadt in Rekordgeschwindigkeit wieder auf. Nach den zerstörerischen Angriffen der Amerikaner oder dem GAU in Fukushima war es kaum anders. Scheinbar gestärkt gingen sie aus der Niederlage hervor und machten sich ameisengleich ans Werk. Ganz so, als hätten sie schon immer mit dem Untergang gerechnet – ihn akzeptiert noch bevor er stattfand. Nun ja, wer auf einer Vulkankette am Ufer eines wilden Ozeans eine große Nation errichtet, sollte sich der Gefahren bewusst sein.
Das war mal eine Einstiegs-Harley. In Japan bleibt kein Stein auf dem anderen
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Die von Naturgewalten beeindruckte Seele Japans weiß also mit Rückschlägen umzugehen. Sich dem Schicksal stellen, gehört zum Wesen des Volkes. Auch wenn sie durch massiven Einsatz von Technologie alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihrer Vorsehung zu entrinnen. So wurden sie eine der führenden Industrienationen. Fügt man dieser Prägung noch einen deftigen Schuss asiatisch-konfuzianischer Weltanschauung hinzu, in der alles vergänglich ist, so versteht man die devote, strebsame Art der Japaner. Vielleicht. Mit diesem Wissen lässt sich schnell erkennen, dass die japanische Zweirad-Subkultur auch für das europäisch geschulte Auge etwas Besonderes ist. Das Land bietet vielleicht nicht die größte, bei genauerer Betrachtung aber eine der kreativsten Customszenen der Welt. Zudem ist es die Heimat der großen Vier – Honda, Kawasaki, Suzuki und Yamaha. Die dominanten Hersteller haben über die letzten Jahrzehnte den Weltmarkt umgekrempelt. Spätestens seit der CB 750 Four gibt Japan den Ton an, auch wenn es in den letzten Jahren in Hamamatsu oder Minato etwas leiser wurde. Doch kein Grund zur Sorge. Im Heimatmarkt und den Nachbarländern verkaufen sich Yamaha R 25 oder Kawasakis kleine Ninja immer noch wie geschnitten Brot. Neben den alltagsorientierten Roller- und Motorradfahrern gibt es einen vielfältigen Mikrokosmos, der Umbauer, Tuner, Motorsportler und all jene vereint, die sich zwischen Vintage und Heritage zu Hause fühlen. Wie bei uns gehört dazu ein guter Schuss Individualismus, Selbstdarstellung und das Ausleben unorthodoxer Lebensstile in einer überreglementierten Umwelt. Wer in Uniform zur Schule geht ist froh, sich später vom Konformismus der Gesellschaft zu distanzieren. Nichts Neues, sollte man meinen.
Style und Klasse müssen auch in Nippon sein. Gern bewegt man alte Europäer. Shiro Nakajima blitzt hier gerade seine Renn-Guzzi an. Die KTM RC8 hat er noch weiter angespitzt
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Im Gegensatz zu amerikanischen oder europäischen Straßen werden japanische von kleinen Maschinen dominiert. Durch staatlich auferlegte Hubraumlimits sind Ikonen wie die Yamaha SR 400 oder das ballonbereifte Spaßmobil TW 200 absolute Dauerbrenner in den Schraubergaragen Nippons. Doch weil das Fremde ewig lockt, spielen in der Szene auch ausländische Produkte eine große Rolle. Trotz der Nähe zum Nukleus der modernen Zweiradindustrie sind Bikes von Harley, Triumph, Ducati oder Moto Guzzi äußerst beliebte Klassiker.
underbar für alle, die gerne mal ihre Route ändern, aber nie ihre Einstellung!
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Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation hat sich die Szene zwangsläufig neu sortiert. Hier die japanischen Kleinhubräume – erschwinglich, einfach, praxisnah. Dort das alte, großvolumige Geraffel aus Good Old Europe oder Amerika, das eher für Besserverdiener infrage kommt. Beide Strömungen eint, dass sie unter Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten oft mit maximalem Aufwand bis ins kleinste Detail arbeiten. Denn die japanische Kultur betrachtet selbst das Dingliche als beseelt. Je mehr feine Details ein Bike besitzt, desto größer ist die Chance auf eine transzendentale Erfahrung in dessen Sattel. Ein optimiertes und individualisiertes Motorrad setzt sich von der uninspirierten Masse ab, die in japanischen Großstädten stets erdrückend präsent ist. Aufwendig umgebaute Shovelheads, langgablige Yamahas oder klassische Triumph-Bobber kann man in den Straßen, anders als bei uns, häufig erleben. Denn der Japaner bewegt sein Motorrad wirklich. Er fährt. Mehr, als es sich so manch europäischer Sammler je trauen würde. Wiederum eifern die Japaner immer mehr dem europäischen Stil nach, der sich in ihren Augen durch Café Racer, Bobber und auch dem Brat Style definiert. Gerade Letzteres ist spannend, weil „Brat Style“ zunächst nur ein Motorrad-Shop in Tokio war. Besitzer Go Takamine etablierte mit seinen ultraflachen Einzylinder-Umbauten eine markante Linie, die schließlich zum Sinnbild eines ganzen Genres wurde. Sauber, reduziert und dem Großteil der Federwege beraubt, schwappte der Brat Style-Trend wie ein Tsunami über die Weltmeere. In Japan selbst will man das immer noch nicht glauben. Einflussreich sind sie also, die Japaner. Etwa Kengo Kimura, der Kopf von Heiwa Motorcycles, einem unglaublich produktiven Laden in Hiroshima, der gefühlt im Sekundentakt neue Motorräder auf die Öffentlichkeit loslässt. Seine Bikes sind simpel, klassisch und frönen dem Weniger-ist-mehr-Prinzip. Kaichiroh Kurosu von Cherry‘s Company lässt sich von anderen Idealen treiben. In Tokio zaubert er aus alten Zweizylindern fahrbare Unikate, die als schimmernde Highlights der nationalen Szene betrachtet werden müssen. Cherry´s umgebaute Harley XG 750 zum Beispiel basiert auf einem spektakulären Fahrwerk, das dem Turbo-Twin einen hübschen Rahmen gibt. Was nach Show und Shine aussieht funktioniert aber so gut, dass Cherry mit der XG auf der Rennstrecke ernsthaft zum Angriff blasen kann. Ein krasses
Custombike, das trotz massiv veränderter Technik richtig gut funktioniert, ist im Rest der Welt zwar keine Selbstverständlichkeit. In Japan dagegen schon. Die Liste bedeutender Macher lässt sich beliebig fortsetzen. Chicara Nagata zählt zur Elite des Landes. Er baut in vielen tausend Stunden Kunstwerke auf zwei Rädern, die ihm gern mal den Titel des AMD World Champion of Custom Bike Design einbringen. Seine Kreationen, mehr Skulptur denn Motorrad, werden zu horrenden Summen an Superreiche verkauft. Kollege Shinya Kimura, der in
God bless Japan: Auch amerikanischer Stil wird gefeiert – auf langgabligen Panheads oder mit reduzierten Oldschool-Bobbern
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Kalifornien lebt, aber seine asiatischen Wurzeln nicht leugnet, tut es ihm gleich. Und auch Shiro Nakajima, der Mann hinter Ritmo Sereno und 46 Works, muss erwähnt werden. Weil sich in seinen Fahrzeugen die große Liebe zu europäischen Klassikern und dem historischen Motorsport manifestiert. Shiros umgestaltete KTM untermauert das exemplarisch. Ein echter Reißer, diese weitgehend entkleidete RC8. Nakajima-San beweist, dass Performance, Dynamik und sinnvolle Sportlichkeit über dem Sex-Appeal thronen, den die meisten japanischen Umbauten fraglos versprühen. Denn neben extravagantem Design und innovativen Linien steht immer auch das Fahren im Fokus. In der japanischen Kultur ist ein funktional beraubter Gegenstand – wie ein unfahrbares Motorrad – nämlich nur halb so viel wert. Also bleibt das Motorrad stets ein praktisches Gefährt, auch als langgabliger Extrem-Chopper.
Zünftig: Cherry´s Turbo-XG. Freundschaftlich: Nakajima, Togashi, Kurosu, Takamine (von links). Historisch: Der skurril-schrille Bōsōzoku-Style prägte lange die Szene
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In Städten wie Tokio, wo die Subkultur der freidenkenden Custombiker am ehesten akzeptiert wird und nachts Parkhäuser zur Party-Location mutieren, macht das Motorradfahren nur selten Sinn. Fernab von Smog, Stau und engen Straßen treffen sich deshalb viele Japaner auf den bergigen Straßen des Hinterlandes. Oder bringen ihre wilden Schätze zu Shows oder auf kleine Rennstrecken, die sich quer über das Land verteilen. Ausstellungen, Track Days und Clubrennen prägen die Szene. Sie unterstützen den Austausch, der neben der digitalen Welt auch immer eine persönliche Note hat. Eine strenge Erziehung und der hohe Wert des Miteinanders im japanischen Alltag zeigen Wirkung. Was Japan zum kreativen Hotspot für höchst eigenständige Motorräder macht ist also das Ergebnis verschiedenster Umstände. Trotz ähnlich strenger Vorgaben, wie wir sie vom deutschen TÜV kennen, sind bedingungsloser Perfektionismus, grenzenlose Inspiration und ein guter Schuss Bescheidenheit dafür verantwortlich, dass japanische Kreationen technisch wie ästhetisch echte Ausnahmeerscheinungen sind. Hier ist es mehr als anderswo möglich, durch das Zusammenspiel vieler kleiner Elemente ein Arrangement zu gestalten, das sich über die Summe seiner Teile erhebt. Emergenz nennt man das. Die Japaner sind offenbar Meister in dieser Disziplin. www.fuel-online.de
Text: Sven Wedemeyer Fotos: KTM Japan, Tadashi „Tad” Kono, Hiromitsu Yasui, Sven Wedemeyer
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BEIM BARBIER
WIE IM
I Z M N M H ER O W IOANNIS CHRONAKIS
IST DER RIPPER VON STUTTGART, BARBIER UND FRISEUR FÜR KLASSISCHE HERRENSCHNITTE. ABER ALLEIN UMS HAARE SCHNEIDEN UND BART STUTZEN GEHT ES IM JACK THE RIPPER NATÜRLICH NICHT.
Zur Info Die Bezeichnung Barbier kommt vom französischen Begriff für Bart: la barbe. Echte Barbiere waren aber schon immer mehr als Haar- und Bartschneider. Zu ihren Aufgaben gehörte einst auch die Versorgung von Wunden und Knochenbrüchen. Sie stellten Salben her, ließen zur Ader oder zogen Zähne. Bereits die alten Griechen machten ein Ritual ums Rasieren, Haare schneiden und Nägel kürzen auf der agora, einem bestimmten öffentlichen Platz in der Stadt. In der Spätantike fand das Barbierwesen über Sizilien Eingang in die römische Kultur. Barbierstuben erleben gerade eine Renaissance, seit Bärte wieder angesagt sind. Viele aber sind nichts anderes als dem Trend folgend umbenannte Friseurläden.
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r schneidet nicht einfach drauf los. So ein Schnitt ist keine leichte Sache, und es nennt einer sich ja nicht umsonst Jack the Ripper. Jack the Ripper, das ist ein Name, der verpflichtet, und der Schnitt des Rippers sollte nicht nur irgendwie in Ordnung sein. Er sollte ein Markenzeichen sein, er sollte Wiedererken nungswert haben. „Das wäre gut“, sagt er, „wenn die Leute sofort sehen: Das war Jack the Ripper.“ Der Stuttgarter Ripper ist Grieche. Er heißt Ioannis Chro nakis, trägt im Gesicht einen dichten schwarzen Holly woodian und an den Fingern schwere Ringe mitTür kissteinen. Ioannis ist 36 und gelernter Friseur. Aber er hat nach der Lehre nie in einem Salon geschnippelt. „Kannst du dir das vorstellen, jemand wie ich in einem Salon, der Haar paradies heißt oder Starschnitt, Sylvia oder Top hair?“ Vorstellen kann man sich das schon. Aber nicht, ohne zu schmunzeln. „Ich sehe mich da nicht. Das ist nicht meine Welt“, sagt Ioannis und dann beschreibt er seine Welt, die Welt, in der er sich sieht. Es ist „eine Welt, in der Män ner noch richtige Männer sein können. Ich mag dieses Mann sein“. Dieses Mann sein heißt: das Gepflegte, aber nicht das Uniforme, das Anständige, aber nicht das Bra ve, das Raue, aber nicht das Primitive, das Kultivierte, aber nicht das Überspannte. Eine Welt für dieses Mann sein hat Ioannis Chronakis selbst geschaffen, sich und anderen, die ticken wie er. Es ist sein Barber- und Tattoo shop im Stuttgarter Osten. Er heißt: Jack the Ripper. Womit klar ist, dass Barbershop, so wie der Ripper das versteht, nicht heißt Haare kurz und Bart stutzen. Wer will, dass man ihm für einen Zehner in einer Viertelstun de eine Frisur wie ein Kassengestell verpasst, soll woan ders hingehen. „Barbiere haben etwas mit Kultur zu tun. Das war schon immer so. Es hat nichts von Lifestyle und Mode. Es hat Tradition. Da gehst du hin und bleibst eine Weile, spielst Karten oder eine Runde Backgammon, re dest, rauchst, trinkst Kaffee, Bier, Whisky. Eventuell sogar Wasser. Es ist ein Männertreff und Teil männlicher Iden tität und männlicher Kultur.“ Beim Reden quillt dem Ripper der Pfeifenrauch aus Nase und Mund und steht dicht und weiß vor seinem dunklen Bart. Es läuft Blues und die Klimaanlage, im Hinterzim mer sirrt in der Hand einer Blonden die Tätowiermaschi ne. Auf den Regalen drängen sich Single Malt-Flaschen,
Bei Jack the Ripper gibt´s Tattoos . . .
. . . mit dem Messer getrimmte Bärte und Herrenhaarschnitte . . .
. . . zu normalen Preisen in stilvollem Ambiente
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Kunde Markus vorher und nachher. Die Verwandlung dauerte anderthalb Stunden
Der Shop Bei Jack the Ripper kostet der Herrenhaarschnitt trocken 24, nass 27 Euro, die Rasur 26. Das Komplettpaket für Haare und Bart kostet 48 Euro. Ohne Termin geht nix. Wartezeit auf einen Termin rund sechs bis acht Wochen. Jack the Ripper, Hackstraße 3, 70190 Stuttgart, Telefon 01 76/45 94 44 39, mehr bei facebook: Jack-the-Ripper Tattoo-Barbershop
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Links Ripper-Kumpel Robert, Ioannis bei der Arbeit, Assistent Micha rechts
die alte Espressomaschine brummt, in der Standuhr schwingt lässig das Pendel im Sekundentakt. Ein Typ kommt rein, die Begrüßung ist persönlich und herzlich. Er ist zu früh dran für seinen Termin, absichtlich. „Willst du was trinken?“, fragt Storemanager Robert. „Ich habe mich schon auf einen Whisky gefreut“, sagt der Typ. „Was Bestimmtes?“ „Caol Ila.“ „Klar“. Mit dem Whisky sinkt er ins beknopfte Ledersofa und sieht dem Ripper dabei zu, wie er aus der Matte von Markus, der seit einer Stunde schon auf dem alten harten Friseurstuhl sitzt, einen Pompadour schneidet und aus dichtem Gesichtsgestrüpp wieder einen Bart formt. Ruhig, sorgfältig, ohne Eile und vor allem nicht, ohne vorher mit seinem Kunden gesprochen, ihn beraten zu haben. Was will er? Passt das zu ihm, seinem Typ, seinen Haaren, seinem Bartwuchs? „Die Leute kommen selten und sagen, Ioannis, mach, was du denkst. Sie trauen sich nicht. Viele haben Schwierigkeiten sich mal anders zu sehen, anders, als sie sich kennen und anders, als sie meinen, sein zu müssen. Weshalb und für wen auch immer. Die Leute zu beraten ist schwierig. Du musst ehrlich sein und Finger-
spitzengefühl haben.“ Und klar sagen, was gar nicht geht. Das macht der Ripper. Er sagt: „Ich mache keine Undercuts oder so was. Ich mache anständige, klassische Herrenhaarschnitte und Bartpflege.“ Das Ganze ist eine Art Ritual mit Cutthroat-Messer, Maschine, Schere, Aftershave und heißem Handtuch. Es hat Zeremonienhaftes, und das soll es auch. „Das gehört zu meinem Bild vom Mann dazu. Es geht um den Genuss des Lebens, darum, sich etwas zu gönnen, sich fallen lassen zu können, sich wohlzufühlen.“ Von draußen dringt der Lärm von Schlagbohrmaschinen. Statt Wohnraum zu schaffen, zieht man gegenüber Cityappartments hoch, die genauso gesichtslos sein werden wie ihre Bewohner. Die U-Bahn rumpelt vorbei, eine dicke Frau schleppt sich mit zwei Pennytüten ab, es beginnt zu regnen. Schön, dass man bei Jack the Ripper bleiben kann, auch wenn das Tattoo schon fertig, die Haare geschnitten und der Bart in Form ist. „Viele“, sagt er, „kommen auch einfach so vorbei. Einer sagte mal, es sei so gemütlich hier wie in einem Wohnzimmer. Das finde ich klasse.“ www.fuel-online.de
Text und Fotos: Michael Orth
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ZUM ERSTEN,
ZUM ZWEITEN, ZUM... SIE IST EXTREM KLEIN. SEHR AUFFÄLLIG. EINZIGARTIG. UND SIE SOLL BEI EBAY VERSTEIGERT WERDEN. ABER WARUM? FUEL AUF DEN SPUREN EINER VERBLASSTEN LIEBE.
V
olker Eimertenbrink lehnt lässig am Rahmen seines offenen Garagentores. Hinter dem 56-jährigen Fernmeldetechniker sind drei Motorräder sorgfältig mit Planen abgedeckt. Dazwischen tummeln sich zwei fesch aufgebrezelte Honda Monkey-Nachbauten aus China. Als wäre das Garagentor nicht sicher genug, sind die Bikes unter ihren Decken zusätzlich mit schweren Schlössern gesichert. Wird hier, in Bad Oeynhausen, Ostwestfalen, etwa viel geklaut? „Sicher ist sicher. Man kann nie wissen“, brummt Volker staubtrocken. Was sollte er auch anders machen? Hier, an einem Ort, an dem man die Mundwinkel nur dann leicht hochzieht, wenn andere sich über denselben Witz schon totgelacht haben. Nein, der Ostwestfale an sich hat seinen eigenen, staubtrockenen Humor. Er lacht innerlich. Das vielleicht sogar herzlicher als der Rest der Republik. „Und ihr seid den ganzen weiten Weg hierher gekommen, nur um die Maschine zu sehen?“ Ja, sind wir. 560 Kilometer. Denn sie wirkt recht kurios. Volker zieht die Augenbraue hoch, links, schlendert nach hinten, streift die Plane vom Bike wie ein gebrauchtes Kondom. Große Überraschung. Das als Flat Tracker umgebaute Motorrad war in seinem ersten Leben eine DR 800. Für alle, die solch ein Ding noch nie im Leben gesehen haben: Reiseenduro, groß, wuchtig, 88 Zentimeter Sitzhöhe, respektable Federwege, 29-Liter-Tank, touren-, ja sogar wüstentauglich, beinahe Kult. Was hier allerdings zum Vorschein kommt, hat man in dieser Form noch nicht gesehen. Die DR 800 Flat Tracker wirkt selbst neben einer recht zierlichen Harley Sportster 883 beinahe wie ein Mokick. Gekürzte Federwege, geänderte Fahrwerkskomponenten, kleinere Räder, die Reduzierung aufs Wesentliche und nicht zuletzt der überschaubare Sieben-Liter-Tank bestimmen die
Weg damit: Nachdem sie keiner für 7250 Euro Sofortkauf wollte, startete sie noch mal bei einem Euro
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Optik. Volker präsentiert sie nicht ohne Stolz, obgleich er überhaupt nix mit diesem Umbau zu tun hat. Er hat sie so gekauft. Und will sie wieder loswerden. Über Ebay. Die Suzi steht für 7250 Euro zum Sofortkauf. Aber warum? Volker holt weit aus. „Ich bin kein Typ für Fahrzeuge von der Stange“, sagt er. Seine Ex-Bikes liefern die Bestätigung. Kawa KH 350, CB 750 Four, Suzuki TS 250, Guzzi T, AME-Kawa, MZ- und Dnepr-Gespann, Guzzi Daytona – alle leicht modifiziert. Sein derzeitiges Schätzchen: eine Guzzi Jackal, leicht gechoppt. Volker interessiert sich seit einigen Jahren für Custombikes, nicht selten besucht er die weltweit größte Messe für umgebaute Bikes in Bad Salzuflen, eine halbe Stunde Fahrt von ihm entfernt. Dort steht im Jahr 2013 jene besagte DR 800 im Flat Tracker-Gewand. Doch sie fällt ihm nicht auf, ist nur ein Baum im dichten Wald. Volker nimmt sie nicht mal wahr. Das ändert sich, als der Ebay-
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Fan ein halbes Jahr später beim Stöbern im Internet auf das Motorrad trifft, es soll versteigert werden. „Die stand hier gleich um die Ecke. Da dachte ich mir: schöner Umbau. Bieteste einfach mal mit.“ Für alle, die noch nie etwas über die Versteigerungsplattform verkauft haben: Der Verkäufer kann einen Mindestpreis hinterlegen. Wenn der beim Steigern nicht erreicht wird, bleibt das Motorrad beim Verkäufer. Ist kein Mindestpreis hinterlegt, kommt mit dem letzten Gebot ein verbindlicher Kaufpreis zustande. Egal, wie niedrig das letzte Gebot ist. „Das Motorrad hatte den Mindestpreis nicht erreicht. Da hab ich den Verkäufer angeschrieben und bin hingefahren“, sagt Volker.
Original: Suzuki DR Big 800
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TECHNISCHE DATEN Obligatorisch: Ziernähte und Suzuki-S
MOTOR: Basis Suzuki DR Big 800, Einzylinder-Viertaktmotor, 779 cm³, 50 PS bei 6600/min, 59 Nm bei 5400/min BODYWORK: Rahmen geändert, Yamaha DT 250-Tank, Behr-Aluminiumfelgen, v/h 3.50 x 17/4.25 x 17, Motogadget-Multiinstrument, K & N-Luftfilter, HD-Schalldämpfer, Gabel Suzuki GSX-R 1100, Spiegler-Gabelbrücke, Fehling-SBK-Lenker, Schwinge und Federbein Suzuki GSF 1200, KTM-Bremsscheiben, Fußrasten und Heck: Eigenbau, Kellermann-Blinker, Stahlflex-Bremsleitungen, Ein-Personen-Zulassung, seitlicher Kennzeichenträger PREIS: 7250 Euro Sofortkauf oder nach Gebot
Alles kann, nichts muss: Motogadget-Anzeige
Offen und ehrlich: K & N-Filter, natürlich eingetragen
ARBEITSSTUNDEN: nicht bekannt
Wirkt von hinten fast wie ein Mokick
Reduziert: Blinker, Scheinwerfer, Entlüftung
Sieger bei „The Biggest Loser“: fast 100 Kilo runter
Dekompression per Hand, farblich stimmige Details
Ein letzter Blick – ganz schön, ganz klein: die Flat Tracker neben einer zierlichen Harley 883, dem Bike seiner Freundin
mehrere Tage herumgebogen“, sagt Volker. Und gern hätten wir noch mehr in Erfahrung gebracht, doch Recherchen über den Erbauer führten ins Nichts. „Hier, fahr mal 'ne Runde“, sagt Volker. „Die Maschine hat mich vom ersten Augenblick an elektrisiert“, sagt er. „Man hat gleich gesehen, dass Liebe zum Detail, technischer Background und hochwertige Materialien im Spiel waren.“ Nur 1,67 Meter groß, schwingt Volker sich in den Sattel, kommt mit beiden Füßen fest auf den Boden und – kauft die DR. Das ist jetzt nunmehr zwei Jahre her. Seitdem hat der Ostwestfale 2000 problemlose Kilometer mit dem Flat Tracker abgespult. „Meistens bin ich Sonntagmorgens hier um den Pudding gecruist“, erzählt er. Wegen des mickrigen Sieben-LiterTanks sei die Maschine nicht tourentauglich, würde aber höllisch Spaß machen. Weil: 50 PS, mächtig Drehmoment und nur rund drei Zentner vollgetankt. „Die kickt“, sagt er. Das aus einem ostwestfälischen Mund zu hören, gleicht einem Ritterschlag. Der Suzuki Flat Tracker kickt auch optisch. Das Rot dunkel, tief und leicht glamourös, die Linienführung stimmig, die Details verliebt. „Allein an den Kupfer-Ölleitungen zwischen Motor und Ölkühler hat der Kollege
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Fünf Minuten später weiß man, was er meint. Handling wie ein Mountainbike. Bremsen rennstreckentauglich. Sitzhöhe 71 Zentimeter. Sattes Drehmoment. Nur die harte Fahrwerksabstimmung passt nicht so recht zu den Narben im westfälischen Asphalt. Trotzdem: ein tolles Motorrad. Warum also soll es weg? Vor allem: Warum über Ebay? Volker druckst ein wenig rum. So, als hätte er ein schlechtes Gewissen. So, als würde er mit dem Kauf jemanden verraten. „Ich bin jetzt alt genug, um Harley zu fahren“, sagt er. „Außerdem habe ich mich verliebt. Und diese Liebe kostet Geld.“ Er fischt sein Handy aus der Tasche und präsentiert ein Foto: Harley Dyna Street Bob, Typ FXDBA. Rote Felgen, glitzerblau, 1690 Kubik, weltweit auf 500 Exemplare limitiert. „Gibt’s nur noch gebraucht. Musst du aber mindestens noch 14 Scheine für hinblättern.“ Verstanden. Aber warum Ebay? „Bei Ebay sind mehr Interessenten als beispielsweise bei mobile.de unterwegs“, erklärt er. Außerdem könne man
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da noch richtige Schnäppchen machen. Er spricht aus Erfahrung. Eine seiner letzten Maschinen habe er ersteigert. Eine Guzzi, wenig gelaufen, lückenlos gewartet. Er hat erst ganz kurz vor Schluss geboten und den Zuschlag bekommen. „Beim Abholen wollte mir der Verkäufer die Karre gar nicht mitgeben. Der Preis war viel zu niedrig. Aber ersteigert ist ersteigert!“, freut sich Volker. Dass es auch anders herum geht, hat der Ostwestfale auch erlebt. „Da stehen die Käufer dann vor dem Motorrad, das sie bei Ebay ersteigert haben, und wollen den ergo verbindlichen Kaufpreis runterhandeln. Verrückt. Aber wahr.“ Ja, die Welt hat sich verändert. Sind wir nicht früher sogar 500 Kilometer weit gefahren, um das vermeintliche Traum-Mokick anzuschauen? Heute kaufen nicht wenige die berühmte Katze im Sack. Da bieten Interessenten zigtausend Euro für ein Fahrzeug. Und fahren nicht mal hin, um es vorab zu begutachten. „Bis heute war hier niemand, um die Maschine anzuschauen“, meint Volker. „Aber das sagt nix. Vielleicht setze ich die Flat Tracker nochmal anders rein – Startpreis: ein Euro. Dann springen viele auf den Zug auf ...“
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Text: Rolf Henniges Fotos: Arturo Rivas
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Beinchen-Frage MOTORRAD FAHREN KANN JEDER. SELBST MIT 1,53 METERN KRIEGT MAN ES HIN – SOLANGE ES LEUTE GIBT, DIE EINEM DABEI HELFEN...
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NATALIE DIEDRICHS
Zu kurze Beine.
So lautete das Fazit vor sechs Jahren, und damit war der Drops gelutscht. Diesen Schluss zog nicht etwa Heidi Klum oder die Personalabteilung der Autobahnpolizei (Teenager-Berufswünsche), sondern mein Fahrlehrer. Sein Urteil versetzte in dem Fall keine Berge, sondern zerstörte Träume. Genauer gesagt meinen Traum. Nämlich den vom Motorradfahren. Das konnte ich mir mit 18 erst mal abschminken, nachdem meine Füße von der Fahrschul-Honda baumelten, als hätte ich gerade eine Kastanienbaumkrone erklommen. 68 Zentimeter Beinlänge reichte nicht. Fahrtwind, Freiheit, Route 66? Mit einem großen Knall zerplatzt. So wurde es zunächst einmal „nur“ die Klasse B, also der normale Autoführerschein.
Natürlich hätte ich mehr kämpfen können. Hätte mit einer Honda Shadow den Slalom trainieren können. Wenn es denn eine in meinem Heimatort gegeben hätte. Aber in Zeiten von Abi-Stress und Berufsorientierung gab es andere Prioritäten. Heute, sieben Jahre später, bereue ich‘s. Dass mir diese Kombination aus Selbstverwirklichung, Luxus und Alltagsflucht verwehrt blieb. Nur ein Traum. Doch Rumjammern bringt bekanntermaßen wenig. Vielleicht hilft ja ein Motorrad-Schnupperkurs für Führerschein-Interessenten, die Dämonen der Vergangenheit zu besiegen? Nach Schnupperkursen für Kurzbeinige muss man etwas suchen. Im Internet finden sich ein paar Angebote, allerdings zu festen Terminen, mit begrenzter Teilnehmerzahl und meist nicht gleich um die Ecke. Direkt bei Fahrschulen nachzufragen, obwohl sie die Kurse nicht explizit ausschreiben, könnte sich ebenfalls lohnen. Auch im Rahmen größerer Motorradtreffen werden zusätzlich neben Perfektions- und Kurventrainings derartige Einsteigerkurse angeboten, die um die 100 Euro kosten. So auch beim Schwarzwald Biker-Weekend 2016. Schnell das Plätzchen reserviert und am Telefon die Körpergröße durchgegeben: „Morgens, wenn die Bandscheiben noch frisch sind, 1,53 Meter!“ Kurze Pause am anderen Ende. „Das kriegen die schon hin“, meint der Veranstalter. Bin gespannt. Bislang bin ich ja noch nicht mal Motorroller oder Moped gefahren. Ein Pedelec bildet bislang die dynamische Spitze meines Zweirad-Eisberges. Es ist so weit: Der Wecker klingelt, die Sonne lacht und Jimmy Pages knackige Gitarrenklänge aus „Ramble On“ bewegen mich dazu, mir mein Led Zeppelin-Shirt überzustreifen. Schließlich geht‘s ja auf ein Biker-Treffen. Eine Entscheidung, die mir später noch zu denken gibt. Auf dem Weg zur Bahn fahre ich jedoch in meinen Gedanken bereits die kurvigen Landstraßen des mittle-
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Ein Led Zeppelin-Shirt ist nicht unbedingt die optimale Motorradkleidung, wie sich später herausstellt
ren Schwarzwalds entlang, atme die frische und zugleich benzingeschwängerte Nadelbaumluft ein, verfolge das Spiel aus Licht und Schatten auf dem Asphalt und lasse den Wind mein vor Aufregung rosa angehauchtes Gesicht streifen. Zwei Stunden später stehen wir dann auf einem abgesperrten Edeka-Parkplatz. Statt Nadelbäumen genieße ich die Aussicht auf ein Birnenplakat: Williams Christ ist für 2,49 Euro das Kilo im Angebot. Davor stehen drei Motorräder, eine davon eine Kawasaki ER-6n mit Wilbers-Tieferlegungssatz, 71 Zentimetern Sitzhöhe und 649 Kubikzentimetern, die mir eine neue Art von Lebensgefühl offenbaren sollen. Zunächst aber geht es an die Theorie. Fahrlehrer Gernot fängt zum Glück ganz vorne an. Und zwar mit der Kleidung. Er beäugt kritisch mein Led ZeppelinShirt: „Ein echter Biker trägt Funktionsunterwäsche, dann schwitzt man nicht so!“ Funktionsunterwäsche? Ein echter Biker? Weltbild Nummer eins, das am heutigen Tag zerstört wird. Das Shirt bleibt an und ich schlüpfe in die blau-weiß-schwarze Lederkombi, die Gernot aus seinem Anhänger zaubert. Stiefel, Größe 36, drüber gestülpt, und schon fühle ich mich wie eine „echte Bikerin“: nämlich wie eine Mischung aus Iron Man und
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Michelin-Männchen. Zehn Kilo zusätzlich am Körper, Bewegungsfreiheit wie ein Wackeldackel – Kopfnicken geht gerade noch. Also Trockenübungen: drauf hocken, das Gewicht spüren, den Zündschlüssel drehen, Blinker setzen, Fernlicht und Lichthupe ausprobieren, schließlich den Startknopf drücken. Ein kurzes Stottern, dann erwacht sie. Ganz allein sitze ich nun auf der Karre, die zwar noch aufgebockt ist, aber ich beginne, zu begreifen. So, als würde man nach und nach eine Fremdsprache lernen und verstehen. Das Wummern, das Vibrieren. „Knieschluss“ höre ich Gernot sagen und greife mit beiden Händen zum Lenker, spiele mit rechts am Gas. Die Drehzahl bei 2500 halten? Gar nicht so leicht. Dann mit der linken Hand die Kupplung ziehen und mit dem linken Fuß den Schalthebel suchen. Klack, vom Leerlauf in den Ersten schalten (drücken!), Kupplung kommen lassen. Das Hinterrad dreht sich in der Luft. Ich fahre! Also fast. Gänsehaut bei 28 Grad Celsius.
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Dann in den zweiten Gang (ziehen!), klack, klack, Leerlauf übersprungen. Das Rad dreht sich schneller. Dann ist da dieser rote Knopf. In Filmen dürfen die Figuren niemals den roten Knopf bedienen, weil sich dahinter Nuklear-Sprengsätze oder Schleudersitze verbergen. Ich darf ihn drücken! Kneife die Augen zu, um mich aufs Schlimmste gefasst zu machen, klack, Stille. Das Bike schweigt. Notschalter. Praktisch. Gibt’s den auch für Männer? Kommt schon, andersherum würde die Frage auch funktionieren! Jetzt ist aber erst mal Verena, 20, dran, die sich ebenfalls beim Schnupperkurs angemeldet hat, weil ihr Freund Calvin sie scheinbar mit dem Biker-Virus infizierte. Übrigens ein gängiges Verhaltensmuster, wie Gernot erklärt. 90 Prozent seiner Schnupperkurs-Besucher sind weiblich, schätzt er. Viele von ihnen seien zwischen 35 und 40 Jahre alt, haben sich gerade entweder vom alten Partner getrennt und wollen so einen neuen Lebensabschnitt beginnen oder sind frisch mit einem Motorrad-Enthusiasten zusammen. Gernots These: Schnupperkurse resultieren aus einem veränderten Beziehungsstatus. Interessant. Das sollte man mal wissenschaftlich untersuchen. Zurück zum Schnupperkurs: Ich sitze wieder auf Erna, ER-6n ist mir einfach zu herzlos (wer denkt sich solche Namen aus?!), und klappe ihren Ständer ein. Jetzt müssen wir beide einander vertrauen. Mit meinen Füßen berühre ich zu zwei Dritteln den Boden. Nicht ideal, da werde ich es schwerer haben als größer Gewachsene, prophezeit Gernot. Kein Grund, jetzt einen Rückzieher zu machen. Helm auf, Gang rein, rollen, mit den Fußspitzen tippeln. Gernot steigt als Beifahrer dazu, ich sortiere meine Füße auf den vorderen Rasten und wir fahren. Besser gesagt: Er fährt. Ich dagegen sitze zunächst paralysiert vorn auf dem Bike. Moment, wie war das jetzt noch? Kuppeln mit der Hand, Schalten mit dem Fuß? Aaaah, alles steht Kopf. Gernot hilft. Nach ein paar Runden über den Parkplatz bin ich froh, wieder Boden unter den Füßen zu haben. Helm ab, das Gesicht ist nicht zartrosa angehaucht, sondern knallrot wie die Tomate, die neben dem Birnenplakat prangt. Die Sonne strahlt erbittert, unter der Lederkombi bin ich klatschnass. Sengende Hitze. So viele Informationen auf einmal, und ich kann sie nicht verarbeiten. Frustration macht sich breit. War’s das nun endgültig? Der Traum vom Fahrtwind, zerplatzt? Wieder eine Weltanschauung, die zu splittern droht wie ein Glas, das auf den Boden fällt. Gescheitert, obwohl es nicht an den Beinen lag?
Nach den Trockenübungen geht’s endlich ans Fahren: Zunächst „begleitet“, später dann auf eigene Faust – ein Wahnsinnsgefühl!
Ein Balanceakt: Fliegen wie Iron Man geht in der Kluft garantiert nicht
Das darf nicht sein. Erst mal hinsetzen, einen großen Schluck nachdem er auf dem Mond rumgehüpft ist. Nur trinken, tief durchatmen, klarkommen. Und jetzt? Der Fotograf dass er sich in seinem Anzug wahrscheinlich noch will ein Bild, auf dem ich allein fahre. Niemals! Nach und nach besser bewegen konnte als ich. Aber das spielt keisammle ich mich aber wieder. Na gut, man könnte es ja mal ne Rolle. Denn ich habe es geschafft. Bin trotz meiprobieren, ganz easy im ersten Gang. Also fasse ich wieder Verner kurzen Beine Motorrad gefahren und fand es trauen zu Erna, glaube an uns und starte sie erneut. Diesmal nur geil. Nun will ich mehr, viel mehr. Nächste Mission: wir zwei. Langsames Anfahren, Gang rein, Kupplung, Gas. Plötzeine Fahrschule finden, die auch Wesen mit wenig lich ist es Intuition. Absolut logisch. Das Motorrad, die Strecke Bein, aber umso mehr Tatendrang unterrichtet. und du – das magische Dreieck. Volle Konzentration auf die eine, www.fuel-online.de einzige Sache, die nun zählt. Als hätte ich mein Leben lang nichts Text: Natalie Diedrichs Fotos: Arturo Rivas anderes gemacht. Kuppeln, schalten, beschleunigen, bremsen, in den Kurven die Kupplung ziehen, um sanft zu gleiten. Wie ein Fisch im Wasser. Geschafft und glücklich – minimale Schräglage inklusive Zweiter Gang, dritter Gang. Mehr traue ich mir noch nicht zu. Der Fotograf kriegt seine Fotos und ich spüre ihn endlich, den Fahrtwind. Kann ihn genießen. Freue mich sogar über den Anblick diverser Obst- und Gemüsefotos, die nun eben die Nadelbäume ersetzen. Alles ist steigerungsfähig. Könnte noch Stunden so weiterfahren, aber die Zeit ist um. Zum Anhalten hält Gernot sich bereit, falls ich doch Probleme mit dem Gleichgewicht kriegen sollte. Erna und ich verstehen uns aber, sie ist loyal und bleibt in der Waage, sodass ich problemlos den Ständer ausrücken und absteigen kann. Wow. So muss sich wohl Neil Armstrong gefühlt haben,
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HARRO WIEDERBELEBT
THE RETURN OF THE
RENNWESTE IST SIE SCHÖN? GUT? ZWECKMÄSSIG? NOCH IMMER ZEITGEMÄSS? ODER VON GESTERN? EGAL. DENN HARROS RENNWESTE IST JA VOR ALLEM EINES: SIE IST MEHR ALS NUR EINE LEDERJACKE, SIE IST LEGENDE. UND JETZT WIEDER NEU ZU HABEN.
Manchmal
verdanken Auferstehungen, selbst die von Legenden, einiges dem Zufall. Oder, um im Bild zu bleiben, der glücklichen Fügung. Wobei das mit der Auferstehung eigentlich ein schiefes Bild ist. Wirklich tot war ja die Harro-Rennweste, eine der ersten originären Motorradlederjacken, nicht. Sie überlebte, dem früheren Träger in der Zwischenzeit oft zu klein, in vielen Schränken und in vielen Erinnerungen. Aber es gab sie nicht mehr. Sie war weg vom Fenster. Das Fenster war abgeklebt mit Packpapier, seit einer ganzen Weile schon. Vor dem Packpapier hing ein Schild. Auf dem stand: „Wir renovieren.“ An dem Schild kamen sie oft vorbei. Nie tat sich etwas. Das machte sie neugierig. Was war passiert? Als Daniela Talmann und Alex Bodamer sich erkundigen, heißt es, Harro habe den Geschäftsbetrieb eingestellt.
„Wir waren Kunden bei Harro, seit wir Motorrad fahren“, sagt Alex deutlich an der Wahrheit vorbei. Denn Alex hatte schon eine Rennweste, als er Ende der 80er noch nicht Motorrad, sondern eine MTX 80 fuhr. Und Daniela trug zur PX 80 eine Harro-Lederjacke mit Flatterkragen in Blau-Weiß. „Für uns gab´s nix anderes. Alle hier aus der Gegend sind damit gefahren. Mit der Rennweste auf der MTX war das zwar nicht stilsicher, aber mir hat das trotzdem gefallen so.“ Die Rennweste, von Harro seit Anfang der 50erJahre geschneidert und über die Jahrzehnte nur
„Chic“ oder was man sich in den 80ern darunter vorstellte
im Detail verändert, war bald schon, nicht anders als der Elefantenboy aus dem selben Haus, ein Original. Die zwei Schnallen vorm Bauch, das Kreuz auf dem Arm, der schräg laufende Reißverschluss und der Riegel mit den drei Druckknöpfen am Hals, das weiche Leder, das Teddyoder das gesteppte Innenfutter, der körpernahe Sitz, die schlichte Optik, die beiden Innentaschen, groß genug auch für eine Flasche Bier auf der rechten und eine auf der linken Seite unterwegs zur Party oder zum Lagerfeuer auf der Wiese irgendwo im Nirgendwo. Überall war die Rennweste mit dabei. Viele hatten eine, noch viel mehr wollten eine, und alle kannten sie. Das Problem ist nur: Man kannte sie von früher. Sie bekleidete schöne Erinnerungen. Für viele ist sie legendär. Aber am Legendären, so zeitlos es eigentlich sein mag, klebt ja das Gestrige und
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Pastelltönen. Es wundert niemanden, dass die schwer loszuwerden sind, auch Daniela und Alex nicht. Damit hatten sie gerechnet. Nicht aber mit der enormen Resonanz auf die Rennweste und die Kombi Assen. „Wir bekamen täglich Anrufe von Leuten, die bestellen wollten, und bald schon hatten wir nur noch Randgrößen.“ Die Leute aber bestellten nicht nur. Sie erzählten auch: Wie sie die Rennweste getragen hatten, wo sie damit waren und bei welchen Gelegenheiten sie sie begleitete. Sie erzählten, wie die Jacke ihnen zu klein wurde, wie sie sie an den Jungen weitergegeben hatten und deshalb jetzt eine neue wollten. „Wenn die Leute herkamen zum Anprobieren, hast du an ihren Bewegungen sofort gesehen, die hatten die früher schon an.“
Rennweste: verzichtet wie damals auf Protektoren
oft verklärtes Zurückdenken. Und was heißt das schon, zu sagen: Das Ding hat Geschichte geschrieben? Es heißt, dass das Teil nicht mehr aktuell ist, dass es an aktuellen Kapiteln einer Geschichte nicht mehr mitschreibt. Was passiert, wenn Legenden mit der Zeit gehen wollen? Stolpern sie? Oder stolpern sie, wenn sie nicht mit der Zeit gehen? Man kann bestimmt lange über so was nachdenken und schlau theoretisieren. Oder man handelt. „Wir haben uns mit Hermann Harr getroffen, dem Sohn des Firmengründers und dem letzten Geschäftsführer“, sagt Alex Bodamer, „einen Tag später standen wir in Rohrdorf in dem riesigen Stangenlager zwischen den Restbeständen der Harro-Produktion, Massen an Kombis, Jacken, Hosen und Zubehör, und noch einen Tag später stand unser Entschluss: Wir machen das, wir kaufen die Bestände.“ An eine Neuauflage der Rennweste und der klassischen Tourenkombi namens „Assen“ dachten Alex und Daniela da, im Sommer vor zwei Jahren, noch überhaupt nicht. „Unsere ursprüngliche Idee war nur der Abverkauf des Bestands“, sagt Daniela und gesteht dann: „Aber wir merkten schnell, dass das nicht so einfach war.“ Es ging dabei weniger um Sondergrößen und Kombis mit schlimmen Mustern in noch schlimmeren
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Zusatzinfo Daniela Talmon und Alex Bodamer verkaufen Harro-Restbestände und haben die Rennweste und die zweiteilige Tourenkombi Assen Anfang 2016 neu aufgelegt. Handgefertigt wird in Kleinserie und nach individueller Anpassung am Muster auf Bestellung. Die Wartezeit beträgt rund vier bis sechs Wochen. Die StandardRennweste kostet 400 Euro, die Assen-Kombi 800. Modifikationen (Passform) und Sonderwünsche (Farbe, Ledersorte, Applikationen) gehen zu moderatem Aufpreis. Zu haben ist außerdem die Verlängerung der Assen-Jacke für 80 Euro und die Schaumstoffunterlage für den ElefantenboyTankrucksack für 19,90 Euro. Weitere Infos und Kontakt: rennweste.de, Herrenberger Straße 18, 72202 Nagold, Telefon 0 74 52/9 29 99 76
All das, die Nachfrage, die Geschichten der Leute, dazu ein bisschen Sentimentalität, bringt Daniela und Alex zum Entschluss, die Rennweste und den Zweiteiler Assen neu aufzulegen. Hermann Harr, der letzte Geschäftsführer, sei dafür sehr offen gewesen, wenn die Qualität stimme und Name und Logo nur auf Produkte komme, die Tradition und Ansehen von Harro entsprächen. An was anderem hatten Daniela und Alex sowieso kein Interesse. Es ging um die Auferstehung der beiden Klassiker, nicht um ihre Aktualisierung oder Modernisierung. „Da standen wir dann mit einer Rolle aus festem Papier, wie Packpapier in der Art, vielleicht 1,20 hoch und sicher 30 Meter lang, die Blaupause aller Originalschnitte“, erzählt Daniela. Auf die legen sie ein Transparentpapier und tragen mit einer gezackten Rolle Schnittkanten, Nahtläufe und Passmarken ab, um Schablonen für den Lederzuschnitt anzufertigen. Sie kaufen die Häute in der Hauptsache von deutschen und je nach Farbe auch von Gerbereien in Europa. Sie finden einen Zulieferer für Reißverschlüsse in Belgien, für Knöpfe in Japan und lassen sich die Schnallen vom selben Fabrikanten liefern, der sie auch schon für die alten Rennwesten produzierte. Sie wollen ein, zwei Lederschneiderinnen einstellen, um in kleiner Serie direkt in Nagold zu produzieren. Sie finden niemanden. Schließlich bekommen sie Kontakt zu einem rumänischen
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Produzenten, bei dem sie Jacke und Kombi in Handarbeit zuschneiden und nähen lassen. „Man hat am Anfang ja keine Vorstellung“, sagt Alex. „Es sind 1000 kleine Schritte, die du gehen musst. Welchen Faden verwendest du, um das Futter abzusteppen, von wem beziehst du ein Etikett? Sachen, an die du zuerst gar nicht denkst. Wo bekommst du denn ein geeignetes Teddyfutter her?“ Sie beziehen – wie früher auch – das Teddyfutter von einem Kuscheltierproduzenten, bekommen im Februar dieses Jahres erste Muster der neuen alten Rennweste und im Monat darauf die erste Kleinserie geliefert. Eines der ersten Exemplare verkaufen Daniela und Alex nach Ostfriesland. Der Kunde bekommt seine Rennweste und schickt ein Päckchen und einen Brief zurück – seine alte Rennweste, sie ist ihm zu klein. „Vielleicht mag die ja einer, dem sie passt“, schreibt er und bedankt
sich dafür, „dass Sie mir eine derart vorzügliche neue Rennweste haben bauen lassen.“ „Man lernt so nette und schräge Leute kennen“, sagt Daniela. „Die kommen hierher nach Nagold zur Anprobe, und die Anprobe ist meist schnell vorbei. Aber das Erzählen dauert oft länger. Wir können anhand der Mustergrößen, die wir da haben, die Bestellungen auf Maß anpassen. Auch viele Farben oder Änderungen im Detail lassen sich auf Wunsch machen.“ Alex zum Beispiel hat sich seine persönliche Rennweste in Rot machen lassen. Ganz zufrieden ist er aber nicht mit ihr. „Sie ist einfach noch zu neu“, sagt er. Wir müssen noch ein bisschen was zusammen erleben. Dann wird sie erst richtig schön. Mein Wunsch ist, dass unsere Rennwesten in 30, 40 Jahren genau so sind wie die 30, 40 Jahre alten heute.“ Günstig im Restbestand: die Kombi Linea
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Text und Fotos: Michael Orth
BUKOWSKI FÄHRT:
HARLEY-DAVIDSON SPORTSTER ROADSTER & LOW RIDER S
RIDE Like you STOLE IT EIN NEUER AUFTRAG. ZWEI HARLEYS. SÜDFRANKREICH. DAZU EIN TYP, DER DIR WEGFAHREN WILL. NICHT MIT MIR.
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HINTER DEM TRESEN EINS DIESER GIRLS, FÜR DAS DU DEINE MUTTER VERKAUFEN WÜRDEST. MEINE WAR TOT. PECH GEHABT
Sportster Roadster: digital angezeigt, aber schlecht ablesbar. Klasse hingegen: USD-Gabel und Bremsen
Low Rider S: Das S steht für schwarz, sexy, sportlich. Und bei manchen auch für vorzeitigen Samenerguss. Macht nix
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einen Vorsprung herausfahren? Ich entschied mich für die Variante, dass er hier jedem zeigen wollte, wer am schnellsten ist. Okay, Bursche, Auftrag angenommen.
ieder mal Marseille. Hundescheiße auf den Gehwegen, Pastis statt Bier, Merguez statt Currywurst. Ich lehnte an der Hotelbar und goss mir die Spuren der letzten Nacht aus dem Gesicht. Weiß der Henker, warum sie diese mexikanische Party geschmissen hatten, aber sie hing mir arg in den Knochen. Hinter dem Tresen stand eins dieser Girls, für das du deine Mutter verkaufen würdest. Meine war tot. Pech gehabt. Lächelnd goss die Kleine mir einen Konter-Tequila in den Kaffee. Ich kritzelte meine Handynummer auf den Bierdeckel, schenkte ihr ein Augenzwinkern und marschierte vor die Tür. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Draußen standen sie in Reih und Glied. Matt. Schwarz. Bis auf die Felgen, deren goldener Farbton an die glorreichen Räder in den sechziger und siebziger Jahren erinnern sollte: Harley-Davidson Low Rider S. Das S stand vermutlich für schwarz, sexy und sportlich. „Wir haben dem Baby hier die letzte Ausbaustufe unserer luftgekühlten V2-Herzen spendiert, ein 1800 Kubik starkes Screaming-Eagle-Triebwerk. Das Ding hat fast 100 PS und 156 Newtonmeter“, brummte ein Techniker. „Sollte reichen“, brummte ich zurück. Sie hatten rund 50 Bikes an die Côte d‘ Azur gekarrt. Die Hälfte Low Rider S, die andere ein neues 1200er-Sportster-Modell namens Roadster. Heute durfte man die dicke Low Rider Gassi führen. Drei Tourguides sollten sicherstellen, dass sich niemand verirrt. Na dann.
Jethelm auf die Rübe, Jacke zu, Handschuhe an. Ich fuhr neben den Tourguide und steckte mir eine Kippe an. „Mach die Zigarette aus, sonst verglüht sie im Fahrtwind!“, knurrte der Tourguide. Fahrtwind? „Immer mit der Ruhe, Mann. Meinst du, ich bin blöd? Harley! Gruppenfahrt! Kennt man doch. Schleichfahrt. Wenn ihr dazu noch orange Warnwesten tragt, könnte man euch mit einer Wanderbaustelle verwechseln. Also erzähl’ mir nichts von Fahrtwind!“ Der Tourguide schaute giftig. So, als hätte man ihm gerade unterstellt, den kleinsten Schwanz zu haben. Oder ihm gesagt, er könne nicht richtig Motorrad fahren ... Wir waren keine 500 Meter weit gekommen, da wusste ich zwei Dinge: Der schreiende Adler ist sein Geld wert, obwohl sie knapp 20 Riesen dafür haben wollen. Und der giftige Tourguide meint es wirklich ernst. Er flitzte durch die Blechschlangen stets auf Pole. Und malte bei Ampelstarts jedes Mal ein Autogramm auf den Asphalt. Ich unterschrieb daneben. Dann kam das Ortsschild. Und die gewundene Straße am Meer entlang. Aber was war mit diesem Kerl? Hatte seine Frau ihn letzte Nacht nicht rangelassen? Oder musste er dringend pinkeln und wollte deshalb
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Natürlich setzt die Dyna Low Rider S auf. Zuerst schleift man die zeigefingerlangen Stahlfühler an den Rasten weg, dann folgen die Rasten selbst. Kaum zwanzig Kilometer weit gekommen, hatte ich nur noch die Hälfte von den Dingern. Eins musste man diesem Typen lassen: Rauchen während dieser Fahrt war wirklich nicht. Wie Synchronspringer jagten wir die Mainroad entlang. Hätten uns die Bullen aus der Luft überwacht – sie hätten eine unsichtbare Abschleppstange zwischen uns vermutet. Der Kollege hatte von allem 30 Prozent zu viel. Gewicht. Schräglage. Speed. Seid ihr auch schon mal durch südfranzösische Käffer gerast? Es gibt neckische, elektronische Schilder, die dir nicht nur deinen Speed, sondern auch die Strafe nennen, für den Fall, dass sie dich erwischen: 40 km/h drüber, drei Punkte, 500 Euro. Aber vielleicht bekam man ja mildernde Umstände, weil das Ding so brutal anschob? Böse Zungen behaupten, mit den dicken Luftgekühlten sei es bald endgültig vorbei. Sie bekämen eine Wasserkühlung. Aus diesem Grund hätten sie in Milwaukee die Regale geleert und die letzte Ausbaustufe ihrer Big Twin-Motoren in alle möglichen Bikes gepflanzt. Ausverkauf! Kann schon sein. Fakt ist: Die Low Rider S ist im derzeitigen Harley-Portfolio so etwas wie Vitali Klitschko zwischen Kandidaten der Serie „Biggest Loser“. Zwar läuft der 110er bis 2000/min mechanisch rappeliger als sein kleinerer und 20 PS schwächerer Bruder mit 103 Kubik-Inch, doch was der schreiende Adler ab 2500 Umdrehungen mit dir anstellt, ist nicht normal. Er grollt serienmäßig aus den beiden Schalldämpfern wie aus einer teuren, fragwürdig legalen Nachrüstanlage. Die angegebenen 156 Nm fühlen sich an, als hätten sie da eine Null am Ende vergessen. Dieser Energie hatten die Techniker eine gut dosierbare und wirkungsvolle Doppelscheibe zur Seite gestellt. Muss ich noch deutlicher werden? Schraub hinten noch drei, vier Zentimeter längere Federbeine rein, und mit der so gewonnenen Boden-, ergo Schräglagenfreiheit schüttelst du 95 Prozent aller Deppen aus den Rückspiegeln. Wir kamen mit tickernden Motoren im Niemandsland zum Stehen und schwangen die Ärsche aus den Sätteln. Der Kollege stand in schräg abgeschliffenen Schuhen vor mir, schickte mir ein Grinsen an der Ray Ban vorbei und meinte: „Jetzt kannst du dir eine anstecken. Ich geh derweil pissen.“ So kann man sich täuschen. Es war immer noch Tequila übrig. Ich habe zwar noch nie gehört, dass er absteht oder schlecht wird, doch eh das passiert... „Wie war dein Tag, Buk?“ Die Kleine an der Bar schenkte mir ein Fragezeichen. „Brauch’ bald ein paar neue Schuhe. Aber sonst sehr
BUKOWSKI FÄHRT:
HARLEY-DAVIDSON SPORTSTER ROADSTER & LOW RIDER S
aufschlussreich.“ Die Uhr stand auf weit nach Mitternacht. Wieder mal war ich Letzter an der Tränke. „Morgen schon was vor?“, gurrte sie. „Leider. Muss noch ’ne Harley fahren, Sportster Roadster. Geht aber schnell.“ Stimmt sogar, dachte ich. Sie lächelte, wischte mit links über den Tresen, kritzelte mit rechts eine Telefonnummer auf den Bierdeckel und blinzelte verheißungsvoll. Es gibt Momente, in denen weißt du, dass Motorradfahren nur die zweitschönste Sache im Leben ist. Nächster Morgen. In der Tasche der Bierdeckel mit ihrer Telefonnummer, vor mir der Typ von gestern. Konnte der Tag schöner werden? „Yeah, Mann! Hast du heute die Blase leer, oder drückt’s wieder?“ Er schob die Ray Ban fester ans Auge und deutete ein Lächeln an. Drei Minuten später waren wir on the road. Man kann den Harley-Jungs nicht viel vorwerfen. Seit 107 Jahren bauen sie nun schon luftgekühlte 45-Grad-Vau-Motoren. Aber wäre ich an ihrer Stelle, ich hätte alle zuerst auf die neue Roadster gesetzt. Und dann auf die Low Rider S. Steig mal aus einem Porsche in einen Smart. Und gib Gas. Dann weißt du, was ich meine. Wie auch immer. Augen zu und durch. Ein neues Modell bei Harley heißt nicht unbedingt, dass sie die große Überraschung aus dem Hut zaubern. Die verbaute Upsidedown-Gabel erinnerte stark an jene, die damals in der XR 1200 zum Einsatz kam. Der hintere Fender war stärker gekürzt und die Sitzposition stärker vorderradorientiert als bei anderen SportsterModellen. Zudem hatten sie der Roadster ein neues Cockpit spendiert. Und geglaubt, man würde die Kiste nur nachts bewegen? Richtig ablesen kannst du das Ding tagsüber jedenfalls nur, wenn du bis auf zehn Zentimeter mit den Augen rangehst. Doch wer macht das schon? Der Motor leistete, wie fast alle 1200erSportster, 67 PS, stemmte knapp 100 Nm und war angeblich kürzer übersetzt als seine Brüder in anderen Modellen. Erstaunlicherweise merkte man davon nicht viel. Aber vielleicht lag das auch an dem Umstieg vom Porsche. Wie auch immer. Täglich grüßt das Murmeltier. Der Typ vor mir schien erneut einen guten Grund zu haben, der Welt die Rücklichter zu präsentieren. Diesmal bog er von der Küste Richtung Bergmassiv. Da stellst du dich innerlich schon von Hummer auf Hammel um. Und auf noch mehr Kurven. Ich lag nicht falsch. Bis fast zur Hälfte der Maximaldrehzahl wirkte der Antrieb recht blutleer. Danach, als hätte er Kokain geschnupft. Wer den Kurvenswing ordentlich ausübt und sich schnellstmöglich von einer zur anderen Kehre katapultieren will, darf die Kurbelwelle nie unter 3500/min rotieren lassen. Abgesehen davon konnte sich die Performance wirklich sehen lassen. Die Bremsen eine Wucht, die Schräglage für
Harley-Verhältnisse exorbitant. Außerdem traf man mit ihr auch die angepeilte Kurvenlinie. Handlich war die Kiste auch. Irgendwie. Die Sitzposition verleitete eher zu aktivem Cruisen als zum passiven Bummeln und war nicht so lässig wie auf der Low Rider S. Aber was soll’s? Verbessern sollte man nur den Sound. Diese Kiste hier war kein schreiender Adler. Sondern eher eine zornige Elster. Liegt Rohrvergrößerung nicht im Trend? Wir jagten die Pässe hoch. Und wieder runter. Junge, hatte dieser Kerl eine Blase! Oder hatte er etwa? Unterwegs? Ich meine, das merkt doch niemand. Es kam zu einem letzten Schlagabtausch an der einzigen Ampel im gefühlten Umkreis von 100 Kilometern. „Stechen fahren“ nannten wir das früher, erinnert ihr euch? Volle Konzentration. Zwei Finger an der Kupplung. Gasgriff gleich Gewehrabzug. Am Ende der Geraden bog ich als Erster ein. Vielleicht sollte der Kerl wirklich mal abnehmen. Wieder hielten wir im Niemandsland an einem Café. „Stationärblitzer, drei Passbilder pro Nase, hast‘ gesehen?“, brummte er. Nur drei? „Hauptsache, es hat sich gelohnt“, brummte ich zurück, orderte ein Fahrbier, zog den Deckel aus der Tasche und wählte die Nummer der Kleinen. Gibt es am Ende des Fahrtages was Besseres, als nach dem Bier einen wegzustecken? Eine fremde Stimme am Ende der Leitung. Männlich dazu. Die Kleine hatte mir die Rufnummer des örtlichen Krankenhauses zugesteckt ... www.fuel-online.de
Text: Rolf Henniges Fotos: Werk, Archiv
Zur Person Der Schriftsteller Charles Bukowski wurde als Sohn deutsch-polnischer Eltern 1920 in Andernach am Rhein geboren. Als er zwei Jahre alt war, wanderte die Familie nach Amerika aus. Mit 35 Jahren begann er zu schreiben. Bukowski gilt heute als einer der bedeutendsten Dichter Amerikas und Meister der Schmutzgeschichte. Er starb am 9. März 1994 in Los Angeles. Unter der Rubrik BUKOWSKI FÄHRT schreibt FUEL-Head Rolf Henniges Fahrberichte im Stil des großen Meisters.
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ZEHN FRAGEN PER E-MAIL SCHICKEN? NEE, DANN DOCH LIEBER MIT IHM PERSÖNLICH QUATSCHEN. UND VIELLEICHT SOGAR MOTORRAD FAHREN? FUEL UNTERWEGS MIT JÜRGEN VOGEL.
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ürgen Vogel. Wie, kennt ihr nicht? Das ist der Bursche von nebenan, den jeder Zahntechniker gern als Klient hätte. Weil Jürgen ein sehr bekannter Schauspieler ist. Und weil er seine zahnlückigen Beißer seit Jahrzehnten auf der Kinoleinwand oder im Fernsehen präsentiert. Selbstbewusst und völlig frei von Allüren. Wie auch immer, Jürgen sollte als Markenbotschafter zusammen mit der neuen Ducati XDiavel in München fotografiert werden. Im Rahmen dieses Shootings sei ein Interview möglich, hieß es aus der Ducati-Pressestelle, Journalisten gern gesehen. Angebot angenommen. Erstens kann es nicht schaden, den Kollegen real zu treffen, zweitens ist es interessant zu erfahren, ob er wirklich Benzin im Blut hat oder nur ein Poser ist. Einige Wochen später stehe ich auf einem Münchner Filmgelände in einer unbeheizten Halle und erlebe, wie Jürgen Vogel sich zusammen mit einem Model vor, auf, hinter und neben einer brandneuen Ducati XDiavel räkelt. Die Fotos sind passend für Männermagazine wie GQ, Gala Men oder den Playboy. Cool, aber gestellt. Jürgen unterbricht, kommt angerannt, schüttelt meine Hand und grinst: „Nimm dir ‘nen Kaffee. Und sag bloß nicht Sie zu mir.“ Meine Vorbereitung auf diese Begegnung bestand aus ein paar Google-Anfragen. Seitdem kenne ich zumindest seine technischen Daten: 1,70 Meter groß, 68 Kilo schwer, 48 Jahre alt, mit 16 aus Hamburg abgehauen und seitdem in Berlin verwurzelt. Als Kind für den Otto-Katalog gemodelt, dann Einstieg ins Filmgeschäft. Mittlerweile ein A-Promi, mit dem man – so bringen es viele seiner Filme jedenfalls rüber – gern mal eine Kneipennacht verbringen würde. In der ShootingPause findet sich zum ersten Mal Zeit für einen Smalltalk.
Fuel: Jürgen, Motorradfahren scheint wieder angesagt zu sein. Folgst du einem Modetrend?
JÜrgen Vogel: Modetrend? Hör auf! Das Thema Zweirad zieht sich durch mein ganzes Leben. Mit 14 hab ich den Mofa-Führerschein gemacht und bin anschließend auf einer Peugeot 103 in Hamburg zur Schule gegurkt. Alles, bloß nicht Fahrradfahren. Ich wollte cool sein. Natürlich hab ich vorn ein größeres Ritzel drauf gemacht. Schneller als 35 km/h lief die trotzdem nicht. Mit 18 hab ich mir dann meinen größten Traum realisiert: eine XT 500. Leider wurde die dann geklaut ...
Fuel: Du hast Dir gleich wieder eine gekauft, oder? JÜrgen Vogel: Nee, ich bin mit 20 Vater geworden, da ging das Geld für andere Dinge drauf. Es gab auch wenig Zeit zum Fahren. Trotzdem haben mich Motorräder mein ganzes Leben begleitet. Ich hatte zig Maschinen und bin, wann immer die Möglichkeit bestand, Motorrad gefahren. Egal, ob zum Einkaufen oder bloß zum Set. Das macht vor allem in Berlin Sinn. Mit dem Bike hast du nie Staus oder Parkplatzprobleme. Außerdem hat mir mal jemand gesagt, die kleinste Tour, die man fährt, sei besser als die größte Tour, die man nur plant, aber nie realisiert. Letztes Jahr bin ich an über 60 Tagen Motorrad gefahren, etwas mehr als 3000 Kilometer, und hatte dabei mords viel Spaß ...
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Jürgen sitzt lässig am Tisch, die Arme hinter dem kurz geschorenen Schädel verschränkt. Mit der federnden Geschmeidigkeit eines Wrestlers schnellt er auf, als ihn eine Assistentin bittet, kurz die Fotos zu checken. Die 48 Jahre scheinen fast spurlos an ihm vorübergegangen zu sein. Er hat fünf Kinder mit drei Frauen, sein jüngster Sohn ist gerade sechs, die ältesten Töchter sind 27 und 25 Jahre alt. Wie viele Filme er gedreht hat, weiß er gerade nicht. Mit den Worten „Wo waren wir stehen geblieben?“ lümmelt er Minuten später wieder auf der Couch.
Fuel: Du bist letztes Jahr 3000 Kilometer gefahren. Mit was eigentlich?
JÜrgen Vogel: Ich besitze eine Ducati Monster 1200 und eine
Fuel: Wie stehst Du zur New Custom-Szene? JÜrgen Vogel: Du meinst die Kisten, die neu sind, aber alt aussehen und die alten Maschinen, die man cool umbaut? Mit Motorrädern, die nicht richtig bremsen oder ein bescheidenes Fahrwerk haben, kann ich mich nicht richtig anfreunden. Mit so einer Kiste mal zum Hafen rollen, dort ins Meer spucken, okay. Aber richtig fahren – nein danke! Aber wenn man die alten Dinger so umbaut, dass sie besser funktionieren oder neue Bikes auf alt stylt und sie ihre Funktion behalten, dann kann ich was damit anfangen. Jürgen schaut auf die Uhr, grinst, Zeit genug. „Lust auf �ne kleine Spritztour?“, fragt er. „Gleich ums Eck ist ein Ducati-Händler. Der stellt uns bestimmt zwei Bikes zur Verfügung. Ich würde gern wissen, wie
MV Brutale 910 R. Geile Bikes, wirklich.
diese neue XDiavel fährt, vor der ich posiere.“ 30
Fuel: Setzt Du die in den Filmen, die Du drehst, auch ein?
XDiavel, ich auf einer 1200er-Monster. Jürgen grinst
Und wirst Du gedoubelt?
JÜrgen Vogel: Auf ein Double konnten wir bei Motorradszenen bislang verzichten. Und der Einsatz richtet sich danach, wie es das Drehbuch vorgibt. Für die Filme bekommen wir die Motorräder natürlich gestellt. Ich persönlich finde es super, Motorräder in den Filmen einzusetzen. Man hat ganz andere Möglichkeiten, Bewegung und Umwelt zu zeigen als im Auto. Außerdem werden beim Motorradfahren ja die Sinne gereizt. Alles ist intensiver. Du spürst den Speed, den Regen, die Kälte, die Hitze, lauschst dem Sound... Ich liebe es.
Fuel: Was davon mehr, den Speed oder den Sound? JÜrgen Vogel: Speed ist nicht so wichtig. Power dagegen schon. Wenn du dich einmal an eine bestimmte Power gewöhnt hast, fällt es meist nicht leicht, sich in leistungsschwächere Motorräder zu verlieben. Ich sehe Leistung als Sicherheitsplus beim Überholen, mir geht es überhaupt nicht ums Schnellfahren. Sound hingegen muss sein. Auch ein Sicherheitsaspekt – wenn sie dich hören, machen sie Platz. Allerdings unterscheide ich schon zwischen Sound und Krawall.
Minuten später sitzen wir im Sattel, Jürgen auf der durch den Helm: „Wir haben anderthalb Stunden Zeit. Und da ich mich hier in München nicht auskenne, bist du dafür verantwortlich, dass wir wieder pünktlich zurück sind.“ München, das sind 310 km², unzählige Straßen und Kreuzungen. Ein Blick auf die Bikes: kein Navi. Leider auch keine Ortskenntnis. Das kann ja heiter werden ... Voraus fahren! Eigentlich immer dieselbe Frage: Fährt man 58 bei geforderten 60 km/h und ist �ne Pussy, oder fährt man 65 km/h und ist der Rowdy? Eins ist mir jedenfalls gleich sympathisch: Jürgen stellt sich nicht hinten an. Sondern flutscht durch die Blechschlangen auf Pole. Und gibt der XDiavel bei Grün die Sporen, will die Kraft des Motors spüren, den Sound hören, ist neugierig und hat sichtlich Spaß mit dem 156 PS starken Powerbike. Ein Biker, also doch. Kurs Süd, dann Ost, über große und kleine, bedeutende und unbedeutende Kreuzungen. Wir bleiben dicht beieinander. Umcruisen Blechkarossen. Duellieren uns bei Ampelsprints. Raspeln Kilometer unter dicht drängenden Wolken. Irgendwann ein Café am Straßenrand. Und der dazugehörige Durst. Eine Blonde mit russischem Akzent am Brühen, im Eck drei tuschelnde ältere Damen, deren faltige Finger dezent auf Jürgen Vogel deuten. Sie rätseln. Kennen sie den? Währenddessen schwärmt Jürgen vom V2-Motor, würde seine eigene Maschine jedoch nicht gegen die XDiavel tauschen. Im Benzinrausch zieht er sein Handy aus der Tasche, zeigt mir voll väterlicher
Kurze Runde drehen: Henniges (links), Vogel
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Begeisterung einen kleinen Film, auf dem sein
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jüngster Spross mit einem Elektro-Pocketbike durch die Gegend düst. Ähnliches habe auch ich auf dem Handy, und wir tauschen Gedanken übers Vater sein und werden. Zwischendurch ruft seine
geht nicht anders, schließlich bin ich mein eigenes Werkzeug. Es gibt Menschen, die darauf abfahren, sich ständig auf der Leinwand zu sehen. Ich gehöre nicht dazu. Ich schaue mir auch einen Film mit mir später nicht mehr an.
Tochter an und Jürgen erklärt ihr, wo das Essen
Fuel: Du hast viele gute Filme gemacht und bist zigfach
daheim steht. Hätte nie gedacht, wie menschlich,
ausgezeichnet worden. Was glaubst Du, warum bist Du gut in dem, was Du tust?
offen und verdammt normal Prominente sind. Jürgen ist ständig zu Scherzen aufgelegt. Er blickt aus wachen, neugierigen Augen. Ein Mensch, der Interesse nicht heuchelt, sondern hat. Ein Fremder, mit dem jeder ohne langes Nachdenken eine Motorradreise machen würde ...
Fuel: Kommst Du dazu, längere Touren zu fahren? JÜrgen Vogel: Nee, leider nicht. Ich freu mich schon wie ein kleines Kind, wenn ich’s ein Mal im Jahr schaffe, mit meinem Kumpel übers Wochenende bis zur Ostsee zu fahren. Aber wenn ich sechzig bin und mein Sohn aus dem Gröbsten raus ist, werde ich mir einen Traum erfüllen: Karre schnappen, nur ein kleiner Rucksack mit drei T-Shirts, ein paar Unterhosen und Socken und los. Vielleicht ein halbes, vielleicht ein ganzes Jahr einfach nur nach vorn fahren. Schlafen in kleinen Pensionen, kein Luxus, keine Festmahle. Besonders wichtig: ab und zu in der Küche aushelfen! In den Küchen der Welt lernst du das Land und die Leute kennen. Fuel: Oh, meinst Du nicht, dass man Träume wie diese in der Jugend realisieren sollte? Mit 60 sind die meisten doch unflexibel und hüftsteif...? Kaum ausgesprochen, denke ich: War das etwa zu frech? Schließlich ist er ein A-Promi. Doch Jürgen lacht nur.
JÜrgen Vogel: Talent! Weil andere das sagen. Aber dafür kann ich nichts. Vor anderen kann ich mir nichts darauf einbilden. Ich selbst würde sagen: Fleiß, Korrektheit, Pünktlichkeit, Ehrgeiz und Hartnäckigkeit sind meine Investitionen in die Karriere. Und darauf kann man, wenn man möchte, stolz sein. Jürgen schaut auf die Uhr, die Kaffeetassen sind längst leer, wir müssen zurück. Und es liegt an mir, wenn er nicht pünktlich am Set erscheint. Gedanklich versuche ich die Straßen zu sortieren, die uns hierher geführt haben, habe aber noch zwei Fragen.
Fuel: Würdest Du eher ein Motorrad kaufen, das scheiße aussieht, aber spitze fährt, oder lieber eins, das super aussieht, aber scheiße fährt?
JÜrgen Vogel: Kann ich mich enthalten? (Ich schüttele energisch den Kopf) Na gut (überlegt). Es kommt darauf an, wozu man es braucht. Mal angenommen, ich will um die Welt fahren – da nehme ich doch die Kiste, die scheiße aussieht und gut fährt. Erstens bringt sie mich ans Ziel. Zweitens wird sie nicht geklaut, weil sie keiner haben will ... Fuel: Das hätte wohl niemand besser beantworten können. Du musst gleich zurück zum Fotoshooting und weiter vor der XDiavel posieren – was glaubst Du, bringen solche gestellten Fotos mit Prominenten vor Motorrädern?
JÜrgen Vogel: Man kann anhand von Persönlichkeiten auf Dinge JÜrgen Vogel: Ich hatte bislang so ein geiles Leben, habe so viel erlebt, so viel erreicht, bin so vielen tollen Menschen begegnet – wenn mir morgen jemand den Zündschlüssel zieht, was soll’s. Ich bereue nichts, kann mich nur bedanken. Aber ich finde, man sollte all seine Träume realisieren. Und sie nie aufgeben. Auch wenn’s manchmal länger dauert. Und was das Fitsein angeht: Mit 14 habe ich Kung-Fu gemacht, später Thaiboxen und heute trainiere ich mehrmals wöchentlich Ju-Jutsu. Ich fühle mich körperlich nicht anders als mit 30, ehrlich.
Fuel: Da müsste man eigentlich neidisch sein. Gibt es etwas, dass Du überhaupt nicht an Dir magst?
JÜrgen Vogel: Wenn Du damit auf meine Zahnlücken anspielst, muss ich Dich enttäuschen. Solange die Zähne noch funktionieren, werden sie nicht getauscht. Ist wie ein Kettensatz bei der Karre. Außerdem sind sie mein Markenzeichen. Aber es gibt tatsächlich was: Ich kann mich selbst nicht mehr sehen. Doch es
stoßen und sie interessant finden. So zumindest geht es mir. Ebenso lernt man jemand durch das Motorradfahren kennen, wenn man zusammen fährt. Achtet er auf mich? Wartet er, nimmt er Rücksicht, blinkt er beim Abbiegen und ist er auf seine, also unsere Sicherheit bedacht? Motorradfahren ist auch Ausdruck der Persönlichkeit. Ich stehe dazu, liebe es und lasse mich deshalb auch gern mit den Karren fotografieren. Als Jürgen das sagt, sind wir bereits neben den Bikes, haben die Helme in der Hand und streifen sie über. Ich denke an seine letzten Worte. Und daran, dass ich beim Abbiegen oft das Blinken vergesse. Und mich jetzt vielleicht hoffnungslos verfahre ... www.fuel-online.de
Text: Rolf Henniges Fotos: Markus Hofmann, Andreas Holzer
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TEILe mit Weile ER LEBT VON KLEINKRAM, ABER DAS ZIEHT ER GANZ GROSS AUF: FRANK HAASPER HORTET HUNDERTE YOUNGTIMER, UM SIE DANN MEIST SCHALTER FÜR SCHALTER, DECKEL FÜR DECKEL UND HEBEL FÜR HEBEL WIEDER ZU VERKAUFEN.
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a kannst du noch so lange quatschen von wegen „Nur in gute Hände abzugeben“. Wenn deine Karre nicht gerade Münch TTS oder Ducati 750 SS heißt, landet sie am Ende in der Presse. Oder mit ganz viel Glück bei Leuten wie Frank. Der ist Teilehändler und kauft alles, was man – na klar – in Teilen wieder verscheuern kann. Fast jeden Tag kommt eine Lieferung, wird inspiziert und fotografiert und im Geiste seziert. Auch deine Verflossene könnte dabei sein, und die steht dann kurz darauf virtuell im Netz und physisch im Dämmer einer riesigen Halle. Bald weben Spinnen ihr Netz zwischen Lenker und Rahmen, irgendwo unterm Hallendach nisten im nächsten Frühjahr ein paar Spatzen und scheißen auf den Tank. Staub rieselt herab, pudert die Lackflächen, erstickt schließlich jeden Glanz. Das Ende naht.
Da lief was schief, denn normalerweise gehen klassische Instrumente nur komplett weg
Schön war die Zeit. Und deshalb braucht eine 70er-Jahre-Karre genau diese Leuchtmittel
Gute Tanks gehen immer, aber Lampen mit Tacho sind gerade der Renner. Eigentlich
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Wer seine Emotionen nicht im Griff hat, der kriegt in Franks Halle garantiert eine Gänsehaut. Jedes Ding hat doch seine Geschichte, jedes Motorrad sowieso. Hier stehen geschätzt 1500 Geschichten rum, und da möchte man allzu gerne wissen, wer die XL 250 da hinten so ehrlich runtergeritten hat. Oder den Kofferträger dieser braven XJ 600 bis zuletzt vor Chrom-Pickeln bewahrte. Was geschah jener zerknautschten ZX-10, und wie geht es ihrem Fahrer? Wieso tut jemand einen Suzuki-Wasserbüffel weg? Wer gibt eine CB 400 Four dem Ausweiden preis? Doch wie tröstet schon der Dichter: Jedem Ende wohnt ein Anfang inne, und deshalb besucht Frank so alle paar Wochen oder Monate jeden seiner Metall-Kadaver, schraubt einen Blinker ab, entnimmt ein Instrument oder eine Hauptständerfeder, packt das sorgfältig ein und verschickt es. Irgendwo in Deutschland, manchmal sogar draußen in der weiten Welt, vervollständigen diese Teile dann ein Wiederaufbauprojekt. Vielleicht stammen sie von deinem Motorrad, und ja!, du darfst jetzt eine Träne verdrücken, denn so lebt sie weiter, deine Karre. In Münster mit ihrer Armatur, in Leipzig mit einem Ventildeckelchen, in Basel mit ihrem Kickstarter. Überall, denn das Restaurieren ist zum Volkssport geworden. „Bis vor sieben, acht Jahren ging es dabei meist um den Originalzustand“, berichtet Frank, „manchmal stand die vergessene Jugendliebe sogar noch in der Garage rum und sollte nun wieder so hergerichtet werden wie beim Neukauf.“ Dieses nostalgische Motiv bewegt noch heute viele Leute zum Teilekauf, denn einer schwungvollen Rolle rückwärts stehen oft genug Altersschwächen sowie Bastelsünden der eigenen Twen-Zeit im Wege. Als Schutzbleche kurzerhand abgeflext wurden, Blinker klein und Sitzbänke kurz sein mussten oder Seitendeckel aus formalen Gründen
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einfach in den Müll kamen. Damit keine Unklarheiten entstehen: Bislang ging es um jenen Teil unter Franks Kundschaft, der solcherlei Frevel heute wieder gutmachen will. Ein anderer Teil dagegen wirft sich – gerade heute – voller Lust in noch größere mechanische Abenteuer. Kürzt Rahmenhecks, rüstet Federelemente um oder verbaut coole Tanks. „Jau, Hobby-Customizing. Das ist auch in“, bestätigt er und wirkt dabei, nun, sagen wir mal: angestrengt. „Nee, dieser Eindruck stimmt grundsätzlich so nicht“, ertönt prompter Protest. Aber im Einzelfall eben doch. Wenn einer ein Vorderrad mit schlanker Trommel erwirbt und nicht weiß, dass diese Trommel geankert werden sollte. Oder wenn Franks Sitzbankpreise abgelehnt werden, weil man
dafür ja fast 'ne neue kriegt. So ein Teil hat er sich dann mal besorgt: Fernost-Schrott übelster Machart, mit labberigem Unterbau und ohne jede Befestigungsmöglichkeit. Schnacker gibt’s, jede Menge Schnacker. Bei Frank am Telefon knallen Anspruch und Wirklichkeit brutal aufeinander. Da werden schon mal Tanks gekauft, weil sie schön sind, nicht weil der Tanktunnel auch wirklich über den Rahmen passt. „Klein und tropfenförmig ist gerade angesagt, bei Racern natürlich immer noch lang und schmal“, berichtet Frank und kann beruhigen: „Da findet man was.“ Manches hat freilich seinen Preis. Die Spritfässer der 70erJahre-CB etwa. Für alle, die damals schon da und dabei waren, quasi Sinnbilder der großen Motorradfreiheit. Und sooo schön tropfig. Außerdem von Honda, und da steht Frank drauf. „Die sorgen hier bei den Teilen für 50 Prozent vom Umsatz“, macht er ganz auf Kaufmann. Darf er. Ist er nämlich, sogar
SZENE mit Diplom, und er hat sein aktuelles Business nicht etwa aus Lust an der Zerstörung angefangen, sondern aus betriebswirtschaftlicher Überzeugung. Und so berichtet er nüchtern, dass der Weltmarktführer auch den deutschen Youngtimermarkt dominiert. Mit Masse und mit Qualität. „Da kommt eigentlich nur noch Yamaha mit, die klare Nummer zwei.“ Logischerweise setzen auf Motorrädern dieser Hersteller viele Umbauten auf. „Wer sich einen schicken Vierzylinder machen will, der greift gern zu Honda Bol d‘Or oder Yamaha XJ. Deren Motoren sehen ja auch geil aus.“ Stimmt. Und sind – das ist wichtig – massenhaft vorhanden. Etwas enger wird es schon bei Yamahas XSDreizylindern. „Aber die sind trotzdem angesagt.“ Als Einstieg empfiehlt Frank jedoch Zweizylinder-Yamahas der gesamten XS-Reihe oder auch den Softchopper CM 400 von Honda. Sein Tipp: „Deren CB 450 S mit Gitterrohrrahmen ist eigentlich genauso toll, wird aber noch verkannt.“ Suzuki, etwa mit der weit verbreiteten GS 500, oder Kawasaki mit den frühen ohc-Twins liefern natürlich ebenfalls gutes Ausgangsmaterial. Und wer es kann, dem sind sowieso keine Grenzen gesetzt: Ein Kunde ist extra angereist und fragt nach RD 350-Schwinge plus Umlenkung. „Guck mal da und da.“ Man kennt sich: „Will er irgendwie in einen XS 650-Rahmen einbauen. Ich glaub, der schafft das.“ Frank
Die Firma Seit 2009 betreibt Frank Haasper sein Internetbasiertes Geschäft. Zunächst nur motorradteilebielefeld.de, heute auch bastel-bikes.de, denn anders als zu Beginn verkaufen der 46-jährige Diplom-Kaufmann und sein fünfköpfiges Team mittlerweile nicht nur Teile, sondern auch aufbaufähige Motorräder. Selbige stammen häufig aus Inzahlungnahmen von Händlern.
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wundert sich über gar nichts mehr. Anfangs hat auch er nicht fassen können, dass die Güllepume, Hondas CX 500, gern gestrippt und neu angezogen wird. Längst hat er reagiert – und den Preis für Bastel-CX angehoben. „Bei Yamahas XV-Choppern, du wirst verrückt, genau dasselbe.“ Der Logik gängiger Projekte folgend, sind auch intakte Upside-down-Gabeln schwer im Preis gestiegen. Hübsche Trommelbremsen werden in Silber aufgewogen, Lampen mit eingebautem Tacho in Gold. „Quatsch“, brummt Frank und zischt sich einen Schluck Feierabend-Bier, „aber manchmal wundert man sich schon. Wusstest du, dass heute alle hinter den gekapselten Scheibenbremsen der Honda VT 500 und CBX 550 her sind?“ Nee. Aber damit konnte wirklich niemand rechnen, der damals schon dabei war. „Genau, da waren das Lachnummern“, sagt Frank. Dann muss er lachen. www.fuel-online.de
Text und Fotos: Fred Siemer
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SCHWEDENGOLD FÜR MODERNE KLASSIKER Die Fahrwerke der schwedischen Edelmanufaktur Öhlins sind in allen Rennsportklassen zu Hause. Doch die Schweden können auch anders. Mit der im vergangenen Jahr vorgestellten Produktreihe „Blackline“ bedient Öhlins vor allem den Bereich der Café Racer und Classic Bikes.
Die Kombination aus Mode und Funktion im Motorradbereich wird immer besser. Und dies nicht nur bei den Hosen. Von Roland Sands Design gibt es neu ein weiches Karo-Flanellhemd mit abriebfestem DuPont Kevlar®-Innenfutter und Taschen für Protektoren. Die kanadische Marke Resurgence Gear liefert einen schwarzen, komplett wasserabweisenden Kapuzenhoodie mit dem Schutzmaterial PEKEV® und herausnehmbaren Protektoren an Ellbogen, Schultern und Rücken. Das RSD-Overshirt gibt es für 250 € und den Hoodie für 325 € (jeweils plus Versand) im Onlineshop von Bad and Bold. www.badandbold.com
Die komplett schwarzen Stoßdämpfer und Gabeln sind jedoch nicht nur etwas fürs Auge, sondern bieten die von Öhlins gewohnte Qualität und Performance. Bei der Entwicklung wurde außerdem ein besonderes Augenmerk auf den Fahrkomfort gelegt. Neu in der Blackline sind Produkte für die Honda CB 1300, die Yamaha XJR 1300 und für die Kawasaki ZRX 1100 und 1200. Weitere Informationen sind unter www.ohlins.eu zu finden
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STREICH ZU BESUCH BEI MAX UND MORITZ.
Ich kann
nichts dafür, dass mein Gehilfe Max heißt“, lacht Moritz Kullmann. Er hat ihn schließlich nicht nach dem Namen ausgesucht. Sondern nach seiner Begabung. Zwei Mal pro Woche kommt Max vorbei und hilft Moritz beim Schlachten. Oder wieder zum Leben erwecken. Was halt gerade so ansteht. Hätte Moritz ein Tattoo, wahrscheinlich hätte es irgendwas mit einer Yamaha XT zu tun. Sein ganzes Leben steht unter diesen beiden Buchstaben. Moritz ist mittlerweile 46, hat zwei fast erwachsene Kinder und schraubt seit nunmehr 28 Jahren an Yamahas XT- und TT-Modellen. Dabei wurde das mittlerweile rentable Business im Grunde genommen aus der Not heraus geboren... Moritz’ Vater ist Lehrer an einer südniedersächsischen Schule. Er ist ebenso rastlos wie motorradbesessen. Als Yamaha 1976 die XT präsentiert, ist er einer der ersten Käufer in Deutschland. Sein Sohn ist fasziniert davon, wie man diesen riesigen Einzylinder per Fuß startet. Und letztlich auch enttäuscht, dass die Maschine einer viel leichteren Honda XL 125 weicht. Denn die Kullmanns wollen ein kleines Motorrad hinten auf ihrem Wohnmobil mitnehmen. „Sobald Ferien waren, sind wir gemeinsam on Tour gegangen“, erinnert sich Moritz. Die Familie spult in wenigen Jahren 600 000 Kilometer mit dem Wohnmobil runter, für Moritz wird es die zweite Heimat. In die zuerst verschmähte XL 125 verliebt er sich, lernt unterwegs damit fahren, mit zwölf gurkt er damit über Obstwiesen und durch die Wälder. „Schon damals konnte ich mir nur schwer ein Leben ohne Motorräder vorstellen“, sagt er heute. Seine erste Fahrt nach bestandenem Führerschein soll ins 30 Kilometer entfernte Göttingen führen. Doch die Maschine, eine für schmales Geld erworbene XL 185, verreckt. Moritz ist Schüler, kratzt aus allen Ecken Geld zusammen und leistet sich eine gebrauchte Yamaha Ténéré, Modell 1VJ. Neugier und Expeditionstrieb treiben ihn mit der Maschine auf 120 000 Kilometern durch ganz Europa. „Damals hat das mit dem Schrauben begonnen“, sagt er. „An der 1VJ hatte ich fünf Motorschäden und nie Kohle, um das Motorrad in eine vernünftige Werkstatt zu bringen.“ Repariert wird größtenteils mit gebrauchten Ersatzteilen. Bereits damals kauft er zwei, drei Maschinen, zerlegt sie, bestückt seine eigene mit den besten Teilen und verkauft den Rest. „Nicht selten standen bei uns fünf, sechs Bikes auf dem Hof. Freun-
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de und Bekannte gingen bei mir ein und aus, um Ersatzteile zu tauschen oder zu kaufen.“ Zwischendurch geht er fremd, fährt ein paar Jahre Africa Twin, landet aber wieder bei den Singles von Yamaha. XT und TT 600. Schrauben, zerlegen, reparieren, Teile verkaufen – in seinem riesigen Bekanntenkreis wird er schon in den 1990ern zu Mister XT. Egal, was man braucht, Moritz findet es in irgendeinem Karton. Mehrfach bereist er während seines Studiums Nordafrika. Nun ist nicht mehr das Wohnmobil, sondern Marokko seine zweite Heimat. Während Moritz Kullmann seine Vergangenheit Revue passieren lässt, steht er in seiner selbst gebauten Küche. Die, so wie sie ist, auch in irgendeinem Dorf in Marokko existieren könnte. Rustikal gestaltet, aus Holz und Lehm gebaut, gehalten in warmen Erdtönen. Alle Materialien fast so, wie sie auch in der Natur vorkommen. Geheizt wird natürlich mit Holz. Witzige Details, wie XT 500-Einlassventile als Schrank- oder Türgriffe, verraten seine Leidenschaft. Er selbst steckt in einer verlebten Zimmermannshose, die Haare leicht grau und kurz, das Lächeln schelmisch. „Ehrlich, ich würde heute alles wieder genau so machen“, meint er, rührt dabei durch den Topf und schaut gedankenversunken durchs Fenster auf sein Traumauto. Ein Toyota HZJ 78, rot, 390 000 Kilometer auf der Uhr, seit 1997 in seinem Besitz.
zur person Moritz Kullmann lebt seit rund zwei Jahrzehnten vom Gebrauchtteilehandel und von der Motorrevision. Sein Fokus liegt auf Yamahas 500er- und 600er-XT- und TT-Modellen. Aus dem Hobby von einst entstand seine Firma Motoritz, die mittlerweile europaweit gebrauchte Ersatzteile verschickt. Eine eigene Homepage findet der Autodidakt überflüssig. Er nutzt Verkaufsplattformen wie Ebay, bike-teile.de oder EbayKleinanzeigen. Motoritz ist beheimatet in Polheim nahe Gießen. Kontakt: Telefon 06 41/4 94 19 03
Alles wieder so machen. Aha. Aber war bei seinem Erfolg nicht auch viel Glück im Spiel? „Sicher“, grinst er, „sagen wir lieber: Das Schicksal hat mir die Entscheidung abgenommen.“ Moritz bekommt nach seinem Studium der Forstwirtschaft im Frühjahr 1999 eine Stelle in der Nähe von Gießen. Er ist längst nicht mehr allein, sein vierjähriger Sohn und dessen Mutter ziehen von Südniedersachsen mit ihm nach Hessen. „Wir hatten ein kleines Haus gemietet, um das mitgebrachte XT-Geraffel unterzubringen, denn ich wollte nebenbei weiterschrauben und damit etwas Geld verdienen.“ Doch: NEBENBEI ist nicht. Während Moritz wochenlang überlegt, ob er das Referendariat machen soll, klingt 30 bis 50 Mal täglich das Telefon und am Ende fleht jemand nach intakten Ölwannen, Zylinderköpfen oder hält den Hörer an einen kränkelnden Motor und meint: „Hier! Hörst du das? Was kann ich tun?“
„Was kann ich tun?“, hat Moritz in seinem Leben zehntausendfach gehört. Er, der nie eine Ausbildung zum Motorenschlosser oder Mechaniker gemacht hat, ist zu einer der Kultfiguren der XT-Szene geworden. Unter seinem Label Motoritz hat er sich selbstständig gemacht und versendet europaweit Gebrauchtteile. Und ganze, von Grund auf revidierte Motoren. Er kauft XTs, vornehmlich 500er und
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Ein kleiner Blick ins Regal: 50 fertige Herzen warten darauf, eingepflanzt zu werden
Vertrieb nebenbei: selbst entworfene Lederjacken, in Marokko hergestellt. Ventil als Türgriff
600er, gern auch die TTs, und zerlegt sie bis auf die kleinste Schraube. Wobei ihm besagter Max, ein Maschinenbaustudent, gelegentlich hilft. „Die Motorräder kommen per Spedition zu mir. Zum Selbst ab holen habe ich gar keine Zeit. Das hat einen Nachteil: Von zehn Motorrädern, die ich am Telefon unbegutachtet kaufe, bescheißen dich fünf Verkäufer.“ Moritz grinst über das ganze Gesicht, als er das erzählt. „Aber das macht nichts. Denn die 250ste Schaltwalze muss ich mir nicht hinlegen. Die schmeiß ich sofort in den Schrott.“ 50 zusammengebaute Motoren stehen in den Regalen, 500er, 600er, alle Baujahre und Baureihen. Rund 400 Motoren warten zerlegt auf die Wiederbelebung. „200 gute könnte ich sofort aufbauen“, meint Moritz, dessen Lagerkapazität begrenzt ist. „Alles, was Platz wegnimmt, wird sofort verkauft: Rahmen, Plastikteile, Räder oder Schwinge. Motor
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Stylish und atmosphärisch: Scheune als Werkstatt und historisches Museum. Unten: Max und Moritz beim Schrauben
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und Elektrik sind die Dinge, die immer gehen. Die lege ich mir hin.“ Man kann also bei ihm anrufen und einen generalüberholten Motor kaufen? „Kein Problem. Man kann mir aber auch einen defekten schicken, und ich baue ihn neu auf.“ Während das Telefon Sturm klingelt, erzählt er erheitert von Gestalten, die ihm ihren komplett zerlegten Motor in einem labberigen Umzugskarton zugeschickt haben. „Als der hier ankam, fehlte natürlich die Hälfte, im Karton waren Löcher. Ein ganz pfiffiger Kunde hat seinen Motor in einen Plastiksack gesteckt, den dann in einen Karton gestellt und den Hohlraum drumherum mit Bauschaum ausgespritzt. Der Bauschaum hat das Plastik natürlich aufgelöst. Ich hab den Motor nicht mehr sauber bekommen.“ Mal ehrlich: Kann man davon leben, sogar noch eine Familie ernähren? Sein 21-jähriger Sohn studiert in Leipzig, die 16-jährige Tochter lebt noch bei ihm. „Meine Arbeitsstunde kostet 50 Euro“, sagt Moritz. „Aber ich bin Menschenfreund, will nicht reich werden, sondern nur zufrieden und glücklich leben.“ Dazu gehöre es seiner Meinung nach, dass man netten Leuten entgegenkommt. „Hier stand auch schon mal ein Jäger, den das Schicksal arg gebeutelt hatte. Ich habe ihm seine XT repariert und im Gegenzug ein halbes Wildschwein bekommen.“ Ähnliches sei ihm auch mit einem Studenten passiert, der kein Geld, aber eine Reparatur an seiner 500er nötig hatte. „Der hat bei mir dann Holz gestapelt und den Rasen gemäht“, erinnert sich Moritz. „Stunde gegen Stunde.“ Das mit dem Rasenmähen ist leider passé. Heidschnucken halten das Grün jetzt kurz. Moritz hat nie eine Anzeige geschaltet, sein großer Kundenkreis ist durch Mund-zu-Mund-Propaganda entstanden und wächst stetig. Aber will er das? „Du musst dir stets Freiräume nehmen“, sagt er. Zweimal jährlich bereist er Marokko und träumt von einem Trip in die Mongolei, den er bestimmt mal realisiert. Eine Flucht? „Nein“, antwortet er und muss herzhaft lachen. „Flucht wovor? Ich hab den besten Job der Welt.“ www.fuel-online.de
Text: Rolf Henniges Fotos: Arturo Rivas
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Legende LEBT UND AUS HAMBURG WIRD SIE STETS MIT NEUER NAHRUNG VERSORGT. WER IST SCHULD? MAL WIEDER DIE FRAUEN.
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ing-dong. Daniel ahnt, wer da wieder vor der Tür steht. Das wohlige Bollern des Einzylinders hat ihn aufhorchen lassen. Als Daniel öffnet, schaut er in ihre flehenden Augen. Klimper, klimper. Gekonnt setzt sie weiblichen Charme ein. Ihre XT 500 bräuchte ein paar Ersatzteile und so, eine fürsorgliche, männliche Hand und etwas Liebe. Aha. Reihenfolge und Nutznießerin sind möglicherweise auch anders gemeint, jedenfalls kann der freundliche Nachbar nicht widerstehen. Hilfsbereit und etwas verknallt – heute weiß er nicht mehr so genau, ob in die hübsche Nachbarin oder in ihre XT 500 – bestellt er die Teile beim damals führenden Anbieter. Und ist wieder genervt, dass
die Beratung von oben herab kommt und die Parts nur überteuert den Besitzer wechseln. Das war in den frühen 1990ern. Daniel Doritz beschraubte auch die XT eines anderen Mädels. Ebenfalls attraktiv, ist klar. Und so beendete er am 1. April 1992 ganz ohne Scherz seine mühsame Rolle als Bittsteller für kostspielige XT 500-Teile, indem er dafür kurzerhand selbst ein Geschäft aus dem Boden stampfte: KEDO. Seit fast einem viertel Jahrhundert trägt jenes Hamburger Unternehmen den Namen, solide und technisch einwandfrei aus den ersten beiden Buchstaben der Nachnamen seiner Gründer Kerger und Doritz zusammengesetzt. Erik Kerger machte als EDV-Spezialist von Anfang an das Business effizienter. Georg Künzel, ein paar Jahre später dazu gekommen, bildet als Kaufmann im Controlling die dritte Säule. Die Yamaha XT 500 genießt den Nimbus der Legende. Nicht nur, weil in einem Bond-Film garstige Jungs damit wagemutig einen Eiskanal hinuntergerast sind. Die XT 500 ist das Begleitfahrzeug der 80er, sie war dabei, als junge Männer ihre Abenteuer auf zwei Rädern erfuhren. Yamaha hatte in einer Zeit, als Motorradkonzepte langweilig wurden, auf rudimentäre Befeuerung gesetzt und damit einen Treffer gelandet: 500 Kubikzentimeter, ein Zylinder, obenliegende Nockenwelle, zwei Kipphebel, vier Takte, Kickstarter - fertig war das Spaßfahrzeug. Noch heute sind knapp 8000 selige 500er allein in Deutschland zugelassen. Auch die Leistung stimmt noch. Zwar hört man gelegentlich so unqualifizierte Stammtischsprüche wie „die XT 500 ist praktisch, die kann‘ste vor der Eisdiele in den Fahrradständer schieben“, jedoch weiß der Kenner, dass eine 33-PS-Variante dasselbe Leistungsgewicht hat wie eine aktuelle Fat Boy: 0,22 PS pro Kilo Leergewicht. Und bei dem gesunden Drehmoment zeigen Masse mal Beschleunigung, wie Freiheit geht: Rund 130 km/h Topspeed reichen völlig. Ruck, zuck zirkelst du auf engsten Radien durchs Kurvengewirr. In der Zeit hat der vielzitierte Zahnarzt in schicker Roland Sands-Design-Lederjacke seinen Milwaukee-Eisenklumpen noch nicht mal aus der Garage gewuchtet. Die optischen Werte begeistern ebenfalls. Der schmale Tank setzt einen markanten Punkt, die Proportionen sind gefällig und bereits in den 80ern wirkte die dezent gedrungene Enduro wie ein Retro-Motorrad. Heute ist sie ein echtes Vintage-Bike. Die neuen, bemüht gestalteten Retro-Scrambler mit eingebauter Komfortzone kommen nicht mal ansatzweise an diesen geilen Look. Und auch nicht an das sportliche Handling. Das schafft Fans! Auf Youtube kann man einem durchgeknallten französischen Rockmusiker lauschen, der sein zwanghaftes
Die drei KEDO-Heads Georg, Schrauber-Michi und Daniel (von links) FUEL
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innelied auf die Mutter aller Enduros ungeniert ins Mikro brüllt. M Auf diversen Websites wie xt500.de oder xt500.org finden sich etliche Storys oder Tipps rund um die Ikone. Nicht viel anderes schallt der Ruf der Yamaha SR 500, der urbaneren Schwester der XT. Für beide Modelle liefert KEDO so ziemlich alles, was verwöhnte Fans brauchen, um ihre Klassiker am Laufen zu halten. Originalteile und perfekte Nachbauten. Still und ganz ohne Biker-Allüren ist im Laufe der Jahre aus der empfundenen Versorgungslücke ein hochprofessioneller Betrieb geworden, den seine treuen Kunden liebevoll „Lakritzversender“ nennen, weil in den sehnlichst erwarteten Paketen immer Lakritzschnecken lie-
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gen, Originalteile von einem Zulieferer aus Bonn. Das einzige Naschzeug, das der lichtscheue Schrauber bedenkenlos mit schwarzen Fingern essen kann. In der Szene erzählt man sich, ein Kunde hätte die Schnecken monatelang gesammelt und dann alle auf einmal gegessen, um sich einen Satz neue Reifen zu kacken. Möglicherweise ist das aber auch nur ein grobschlächtiger Werkstattwitz. Fest steht, dass KEDO 24 Mitarbeiter beschäftigt und Europas wichtigster Lieferant klassischer Yamaha Parts ist, schwerpunktmäßig für XT- und SR-Modelle. Mit einem Lagerbestand von 77 Prozent kann aus über 6500 gängigen Artikeln das gewünschte Teil schon am nächsten Tag beim glücklichen Besteller sein. Allein in Deutschland hat KEDO 21 500 XT-Kunden.
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Zur sache KEDO setzt sich zusammen aus den Namen der Firmengründer Kerger und Doritz. Das in Hamburg beheimatete und 1992 gestartete Unternehmen hat derzeit 24 Mitarbeiter. 6500 verschiedene Ersatzteile, zumeist für die XT und SR 500, aber auch für die gesamten XT-Baureihen, werden weltweit versandt. Damit ist KEDO der größte Spezialversender von Originalteilen und Eigenentwicklungen. Doch die Hamburger widmen sich auch aktuellen Modellen wie der SR 400 (Foto vorn Bronco-Umbau, hinten Stallion, beide auf SR 400-Basis). Mehr unter: www.kedo.de
Geliefert wird aber weltweit, unter anderem nach Frankreich, England, in die USA, nach Australien. Sogar bis nach Japan. „Das ist wie eine Auszeichnung“, sagt Georg. Mit diesen Zahlen ist KEDO der größte Spezialversand von Originalteilen und Eigenentwicklungen für XT 500, XT 550, TT 500, XT 600, TT 600, SR 400, SR 500, SRX 600 und noch einige Modelle mehr. Der über 400 Seiten starke Katalog geht jährlich in einer Auflage von 35 000 Exemplaren wie ein Magazin an seine treuen Abonnenten. Er wird auf dem Klo gelesen, im Bett und in der Kirche. Wenn SIE nach Geschenken für IHN sucht, blättert SIE heimlich in diesem Buch der Bücher. Und jeder Artikel darin ist ein garantierter Volltreffer. Selbst wenn ER die Fußrasten bereits hat, Mann
kann nicht genug davon in Reserve wissen. Ansonsten ist nicht erklärbar, warum in XT- und SR-Haushalten alles mehrfach gelagert wird. Eichhörnchen sind nichts dagegen. Und überhaupt: Zu Weihnachten ein von KEDO entwickeltes Paar XT 500-Fußrasten aus festlich funkelndem Edelstahl erwartungsvoll dem Sternchen-Geschenkpapier zu entreißen, ist sowieso das Größte. Dann werden kickende Männer rührselig, und bei Kerzenschein schaut SIE in gefühlsduselige, dankbare Kinderaugen. Über 800 Eigenentwicklungen vertreibt KEDO, die Fertigungstiefe ist beeindruckend. Mit CAD-Programmen wird hochprofessionelles Engineering betrieben. Raik, Ingenieur und Spezialist für Kniffeliges, schreckt vor nichts zurück und heraus kommen immer wieder geniale Lösungen. Prototypen werden über den 3DDrucker produziert oder mit der hauseigenen Portalfräse ans Licht der Welt gebracht. Ist das neue Objekt auf Herz und Nieren getestet, geht es in die Serienproduktion. Das alles passiert in einem Hinterhof in Hamburg-Barmbek, hier residiert die KEDOTruppe. Und in ehrwürdigen Gewölben unter einer nicht weit
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SZENE entfernten Bahntrasse, weil das kontinuierliche Wachstum angemessene Ausweichquartiere erzwang. Für alles ist gesorgt, die Mitarbeiter werden bekocht, ein kleines Fitness-Studio steht zur Verfügung, das kultivierte Miteinander ist von nordischer Entspanntheit geprägt. Wer das Glück hat, durchs Haus geführt zu werden, kommt nicht aus dem Sabbern, weil überall echte Leckerbissen stehen. Hier eine perfekt restaurierte HL 500, dort eine XT 500 im absoluten Originalzustand und hinter der nächsten Ecke eine professionell umgezüchtete SR 500 für die Rennstrecke. Auf dem Weg in Daniels Reich kommt der Gast an einer Mini-XT 500-Ausstellung vorbei. Hier stehen drei grandiose Exemplare, alle ungefahren. Heulen könnte man vor Abenteuerglück und diesem Denkmalschutz! Es drängt sich die manische Überlegung auf, wie man sich die nagelneue XT 500 von 1986 unter den Nagel reißen könnte, ohne dafür in den Knast zu kommen. Immerhin zeigt ihr Tacho die unglaubliche Zahl 00 005 Kilometer an. Es soll schon unseriöse Angebote verwirrter Fans gegeben haben, im magischen Dreieck dieser neu glänzenden Heiligtümer wenigstens eine spirituelle Nacht verbringen zu dürfen. Ohne Lagerfeuer natürlich. Irgendwo in den Räumen stolpert man über eine frische Triumph Scrambler, knackig bekleidet mit Custom Parts aus dem Hause KEDO. „Wir sind offen für neue Konzepte und andere Marken“, sagt Daniel unprätentiös, „KEDO hat seine Stärke in Sachen Performance Parts seit mehr als zwei Jahrzehnten aufgebaut und längst liefern wir markenübergreifend komplette Umbau-Kits.“ Wie schon bei der SR 400 Gibbonslap für die Wrenchmonkees gezeigt, sind die Parts von KEDO sauber zu Ende gedacht, sodass ein echter Mehrwert für den Kunden dabei herausspringt: Man
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kauft den Erfolg beim Customizen in der Amateur-Garage gleich mit. Plug and ride könnte man sagen. So kam es nach den beiden sagenhaften SR 400-Customs „Stallion“ und „Bronco“ für das Yamaha Yard Built Project auch zu einer erfolgreichen Kooperation mit Triumph Motorcycles. Trotz Marken-Diversifizierung pflegt KEDO seine Wurzeln, und die Kundschaft schätzt das. Darüber hinaus betreiben die Hamburger auch eine klassische Werkstatt. Michi, der erfahrene XTFlüsterer und SR-Kenner, baut hier angelieferte Eintöpfe jungfräulich auf. Je nachdem, was muss und was sich der Kunde wünscht, entstehen hier komplett revidierte, nahezu neuwertige Motoren. Sorgfältig und mit aller Profession wird Teil für Teil überprüft und ausgetauscht. Und wenn der Patient schon mal geöffnet auf dem OP-Tisch liegt, lässt sich Dr. Michi diverse Optimierungen nicht nehmen, um die Leistung des Eintopfes zu sichern oder vielleicht sogar zu erhöhen. Mit viel Liebe zum Detail und reichlich Zeiteinsatz wird der Motor auf ein technisch optimales Niveau gebracht. 50 bis 60 Stunden Arbeit stecken die Jungs allein in den Motor, inklusive fachgerechter Lackierung. Auf den gibt‘s dann auch die gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistung. Wer seinen quasi neuen XT 500-Antrieb abholt und einbaut, sollte ihn jedoch vorschriftsmäßig einfahren, bevor er den unvergleichlichen Fahrspaß genießt. Wahrscheinlich ist die XT 500 eines der besten Musikinstrumente, das je von Yamaha hergestellt wurde, nicht nur am unverkennbaren Klang beurteilt. Bei KEDO scheint man diese Leidenschaft täglich zu leben. Authentisch, zuverlässig und ohne Schnickschnack. Für die reibungsarme Versorgung unserer Schätzchen. Text und Fotos: Onno Seyler Video Den Song des XT-Fans findest du unter www.fuel-online.de
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LEBEN MIT UND FÜR DIE XT 500
ALTE LIEBE,
DIE ROSTET
ICH HABE SIE ALLE GEHABT. ODER SAGEN WIR LIEBER: FAST ALLE. INSGESAMT WAREN ES SECHS 500ER-XTS. VON DER 78ER BIS ZUR 85ER. EINE ERINNERUNG.
Natürlich
hatte ich sie schon vorbeifahren sehen, damals. Oder besser: vorbeirasen sehen. Und gehört. Diesen Brocken. Das brachiale Urvieh. Die XT 500. Und jetzt das. Gerade sechzehn, den Führerschein frisch in der Tasche und zum ersten Mal mit der eigenen DT 50 unterwegs, rollte ich 1981 in Göttingen auf den Parkplatz. Direkt neben eine dort stehende XT 500. Mann, war die riesig! Ehrfürchtig umkreiste ich das Monster. Gerüchteweise fuhr man mit diesem Ding wegen seiner 33-PS- Power nur auf dem Hinterrad. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Zwei Jahre später hatte ich 1800 Mark Schulden, aber den großen Traum in der Garage: eine 78er, gut abgehangen, knapp 20 000 Kilometer auf der Uhr, mit Delle im Tank und den obligatorischen Startschwierigkeiten. Denn je zaghafter man den Kickstarter betätigte, desto schlimmer schlug der Dampfhammer zurück. „Lass mich mal“, sagte mein Vater, ein Zimmermann, und zog mich beiseite. Ich war gespannt, aber vertraute ihm völlig, mit Hämmern hatte er
Ankicken barfuß oder per Hand? Bescheuert, aber es ging
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schließlich Erfahrung. Ohne Rücksicht auf Spätfolgen, Hämatome und Steuerzeiten kickte er den Kolben durch seine Behausung. Das Monster bebte und hustete schwarzen Rauch aus dem Schalldämpfer. Geschafft! Zwei Wochen später spendierte die Maschine meinem Vater bei derselben Aktion eine königsblau schimmernde Wade und mir einen Besuch beim Mechaniker seines Vertrauens. Mit den Worten „Die Zündung stand zu früh“ erhielt ich vom diesem nicht nur die XT 500, sondern auch mein Selbstvertrauen zurück. Denn der Einzylinder sprang nach sorgfältiger Einstellung meist auf den ersten, bestimmt aber auf den zweiten Tritt an. Und schlug nur selten zurück. Sehr selten. Fast nie, eigentlich. Und das war gut so. Denn wir hatten eine Sitte: Tauchte ein neues Gesicht im Bekanntenkreis auf, dann erzählte man herum, wie schwer so eine XT anzukicken sei. Und wettete anschließend um eine Kiste Bier mit dem Neuzugang, seine XT 500 auch barfuß ankicken zu können. Machen wir es kurz: Mein Fuß ist heute noch okay. Die Leber sollte man allerdings mal überprüfen. Nach sieben erlebnisreichen Monaten steckte die schöne 78er im Heck eines Renault R4, für mich heute noch ein Rätsel, schließlich verfügte der R4 über noch schlechtere Bremsen als die trommelverzögerte XT, doch egal. Von meiner 78er war nur das Rücklicht noch brauchbar und so wuchs der Schuldenberg auf 3500 Mark, weil ich mir eine 82er mit nur knapp 10 000 Kilometern Laufleistung gönnte. Um die Modellhistorie für Unwissende aufs Minimum
zu reduzieren: Von 1976 bis 1979 waren die Felgen der Karre silbern und der Tank aus Stahl. Ab 1980 kamen ein polierter Alutank und goldene Felgen zum Einsatz. 1986 wurde von sechs auf zwölf Volt umgestellt. 1989 lief die letzte 500er vom Band. Der Rest ist nicht so wichtig. Zurückblickend ist es mir rätselhaft, wie ich mit den 500er-Eintöpfen rund 200 000 Kilometer zurücklegen konnte. Richtig Druck hatten sie nicht. Auch fahrwerken konnten sie nicht wirklich. Bremsen? Eine Täuschung. Zudem hatte man meistens sogar schwarze oder ölige Finger. Denn irgendwas war ja immer kaputt. Ein klein wenig zumindest. Dummerweise reparierte man oft, obwohl man’s oft nicht brauchte. Weil: keine Ahnung. Und davon viel. Beispiel gefällig? 1984. Drei Tage vor dem Griechenland-Trip. Gewinde der Ölablass-Schraube überdreht. Gottlob war die Mini-Ölwanne abschraubbar. Kaum in der Hand, purzelte mir ein daumenlanges und streichholzdickes Stahlteil entgegen. „Das ist bestimmt irgendwas aus dem Getriebe“, mutmaßte mein Freund Tüte. „Besser, wir zerlegen den Motor. Wenn’s blöd läuft, musst du aus Griechenland sonst im ersten Gang zurückfahren...“ Thessaloniki-Göttingen: 2000 Kilometer. Sechs Tage im ersten Gang. Kein Spaß. Dann lieber zwei Nächte schwarze Finger. Dichtungssatz. Dichtpaste. Drei Kisten Bier. Dumme Gesichter. Denn... ...es war kein Getriebeteil. Es war das Kickstarter-Arretierungsblech! Ohne das Ding kann man bedenkenlos 100 000 Kilometer zurücklegen. Vier Jahre später hatten wir eine ähnliche Aktion, weil der Motor einer meiner nächsten XTs sich etwa einen halben Liter Öl auf 1000 Kilometer genehmigte. „Öl is grad billig“, meinte Tüte. „Kauf einfach ’n 50-Liter-Fass. Damit kommst du 100 000 Kilometer weit. So lange hält der Bock sowieso nicht.“ Hätte ich bloß auf ihn gehört. Das Öl hätte rund 80 Mark gekostet. Die Reparatur mit neuen Kolben schlug eine fünf Mal so tiefe Kerbe ins Portemonnaie. Wenn diese Erinnerungen hochkommen, könnte man im ersten Moment fragen, warum wir die Dinger trotzdem fuhren. Ganz einfach: Sie waren mit wenigen Handgriffen reparabel, günstig im Unterhalt und vor allem schon damals: cool! Die XT 500 ist eine der wenigen Maschinen, die bereits zu Lebzeiten zur Legende geworden sind.
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LEBEN MIT DER XT 500
fortan draußen im Regen schlafen. Direkt an der Straße. Im Winter salzbestrahlt. Im Sommer UV-geschädigt. Ich trauerte. Vor allem, weil wir uns so eine Mühe mit ihr gegeben hatten: „Der flache Stahl-Kotflügel hinten sieht einfach scheiße aus“, hatte Tüte eines Abends gemeint. Schweißbrenner an, Heckrahmen erwärmt und hochgedrückt, damit der coole, steil stehende Kotflügel reinpasst. Jener coole Kotflügel, der die Katastrophe auslöste.
FUEL-Head Henniges: hatte auch mal Haar. Und mehrere XT 500
Kaum ein Buschhäuptling im hintersten Winkel der Welt, der sie nicht als Inbegriff eines Motorrads schlechthin sah. Und wer selbst nie eine hatte, der kennt doch zumindest jemand, der eine besessen hat und Storys erzählen kann. Eins haftet dem einfach aufgebauten Bike noch heute an: Wenn sie dich wo hinbringt, bringt sie dich von dort auch wieder zurück. Basta. Zurückblickend gibt es nur wenige Motorräder, denen ich nach dem Verkauf hinterhergeheult habe. Meine letzte XT 500 gehört dazu. Eine 1979er. Mit XT 350-Gabel samt Scheibenbremse, langen Bilstein-Stoßdämpfern, 22-LiterAlutank von Reinschlüssel und einigen anderen Schmankerln. Alles eingetragen. Sogar. Mir war klar, dass ich sie nie verkaufen werde. Es sei denn, es zahlt jemand ein Vermögen. Dieser jemand stand in Gestalt von Tütes Schwager eines Tages staunend davor. „Würde sich gut vor meiner Haustür machen“, überlegt der und ich sagte lässig: „Für 6000 Mark kannst du die Kiste mitnehmen.“ Sechstausend!! Ein Vermögen. Nun gibt es im Leben immer einen, der schneller fährt als du oder beim Pinkeln die Kobra ausrollt. So ähnlich ist es auch mit dem Geld. Tütes Schwager zog eine Rolle Tausender aus der Tasche, blätterte sechs davon auf den Tisch und meinte: „Einpacken!“ So ging sie dahin, zog in den Ruhrpott. Ihr Rahmen mattschwarz. Der Tank aufwendig lackiert. Was ich nicht wusste: Tütes Schwager hatte keine Garage. Und wenn doch, war sie für Krafträder tabu. Meine Geliebte musste
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Denn im Haus neben Tütes Schwager wohnte ein Typ, der die Maschine ebenfalls cool fand, sie ihm Monate später abschwatze und damit irgendwann mal zum TÜV gurkte. Dort traf er ausgerechnet auf einen erbsenzählendenzumlachenindenkellergehenden TÜV-Prüfer, der ebenfalls XT 500 fuhr. Schwarze Schafe gibt es überall. „Rahmenveränderung!“, brüllte der und drohte, die Kiste auf der Stelle stillzulegen. Der Nachbar von Tütes Schwager türmte, klingelte beim Vorbesitzer und drohte: „Du nimmst die Kiste sofort zurück, oder...“ An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass jener Nachbar der Sohn von Düsseldorfs schärfstem Anwalt war. Tütes eingeschüchterter Schwager rief spätabends bei mir an. Ich müsse die XT zurücknehmen, meinte er. Und schmückte seinen Wunsch mit allerlei drohenden Verfahren. Arglistige Täuschung, Vortäuschung falscher Tatsachen, etc.! Zwei Jahre! Ohne Bewährung! Mindestens! Bei 4500 Mark wurden wir uns telefonisch handelseinig. Sie hatten den Tank abgebeizt. Er war verbeult. Die Halterung eingerissen. Anderes Wasser als Regentropfen hatte sie in den knapp zwei Jahren auch nicht gesehen. Aber was willst du machen? Tüte, Pinne, Schröder und ich tranken zwei Kisten Tröst-Pils, überlegten kurzfristig die Dienste eines russischen Auftragskillers in Anspruch zu nehmen, schimpften drei Monate lang und dann verkaufte ich den Bock. Weit weg. Ohne Familienbande. Mit 2000 Mark minus. Pleite. Erneut. Mist! Letzteres hat sich bis heute nicht geändert. Aber neulich stand mal wieder eine 500er auf dem Parkplatz. Und ich mit einer zierlichen Yamaha MT-07 daneben. Ganz schön klein, so eine XT 500. www.fuel-online.de
Text und Fotos: Rolf Henniges
FUEL G RLS Bianca
Iris
Caro
Video Ein Video zu CYNDI LAUPERS Song „Girls just want to have fun“ liegt unter www.fuel-online.de
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WAS PASSIERT EIGENTLICH, WENN DREI BLONDE MÄDELS BIER GEGEN BIKE TAUSCHEN UND NACHTS ZUM KOLBEN-VERGLEICH AUSRÜCKEN?
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Genau
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genommen war es Zufall. In der Redaktionsgara-
tonplatten und Pflastersteine der Innenstadt erleuchten und der
ge blieben an jenem Abend drei Mopeds stehen.
grollende Auspuffsound an den Gebäudefassaden entlang rollt.
„Wie geil! 'Ne Ducati XDiavel S, 'ne BMW R nineT und eine Street
Abstellen, raus aus den Sätteln.
Triple von Triumph“, freute sich FUEL-Girl Iris. „Ich weiß, Mädels,
Gelächter, Flaschenklirren, irgendjemand singt. Die Schuhe der
wir wollten heute Abend eigentlich feiern. Aber was spricht ge-
Girls kleben sofort auf dem Boden fest. Es riecht wie nach der
gen eine Spritztour durch die Nacht? Ich frag mal nach, ob's klar
letzten großen WG-Party. Eine fürchterliche Geruchs-Melange aus
geht. Die Seele aus dem Leib tanzen können wir uns später immer
Bier, Vodka-O und Schweiß steigt in die Nasen. Und auch ein biss-
noch.“ Caro und Bianca waren sofort Feuer und Flamme. Den
chen Dope. Vor der Bar nebenan tummeln sich auf Bänken und
Männern mal zu zeigen, wer den dickeren Kolben hat, das klang
Stühlen mehr als hundert Leute. Die Girls entkorken ihre Red Bull-
vielversprechend!
Dosen, genießen die Atmosphäre. Caro kann sich nicht mehr er-
Dreißig Minuten später: Mit Testosteron vollgepumpte Halbstarke
innern, wann sie das letzte Mal auf der Straße gefahren ist. Die
trauen ihren Augen und Ohren nicht, als die FUEL-Girls mit glei-
professionelle Motocrosserin (FUEL 2/2015) hat seit Ewigkeiten
ßendem Scheinwerferlicht der drei Motorräder die gräulichen Be-
auf keinem Bock mehr gesessen, der über 50 PS leistet. An Mut
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Die FUEL-Girls Iris, Bianca und Caro. In der City riecht es nach Dope. Egal, die Bikes sind Rauschmittel genug
fehlt es ihr nicht. Die durchtrainierte 23-Jährige mit dem kecken
Hinterreifen hat. Dafür fährt sie recht normal. Und dieses farbige
Kurzhaarschnitt hat zwar im Vergleich zu Vollgas-Junkie Iris und
Display, sehr stylish. Am witzigsten finde ich aber die Sitzposition.
Sonnenschein Bianca die längsten Arme. Doch ob das der ent-
So'n bisschen wie in einem Ruderboot mit durchgestreckten Bei-
scheidende Vorteil ist, um die XDiavel mit ihren 156 PS in Schach
nen. Nach jedem Losfahren muss ich erst mal checken, wo die
halten zu können? Beim Wenden muss man sich auf jeden Fall
Füße hinmüssen. Verrückt! Aber total abgefahren.“ Iris hat sich
strecken – der Lenker ist ein gefühltes Fußballfeld weit weg. Für
die BMW geschnappt und ist sich noch unsicher. Ob der Boxer aus
Caro allerdings bestehen zwischen dem Powercruiser und ihrer
Bayern wirklich taugt, sie beständig bei Laune zu halten?
250er-KTM kaum Unterschiede: „Ach komm, die wiegt halt nur
Mittlerweile werden die ersten Volltrunkenen der Nacht mutig
drei Zentner mehr. Der kernige Puls und die Power des V2 machen
und baggern, was die Komplimenten-Schatulle so hergibt. Bianca
richtig an. Egal, was der Drehzahlmesser zeigt, die Ducati schießt
reicht's: „Auf Anmach-Sprüche hab ich keinen Bock! Lasst uns zur
einen wie ein Katapult vorwärts. Irre! Da können die Typen heute
nächsten Bar fahren.“ Noch während sie das sagt, schwingt sie ihr
Abend einpacken, ich habe meinen Partner für diese Nacht schon
Bein über die Street Triple. Kein Zweifel, die ideale Begleitung für
gefunden. Guckt mal, Mädels, was die Ducati für einen fetten
die Nacht hat sie mit der Britin bereits gefunden.
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So, Freunde, los geht‘s auf Tour!
Wer die Längsten hat, fährt Ducati. Caro vollstreckt
Sonnenuntergang über Stuttgart. Bianca, Iris und Caro genießen
Geht heiß her: Street Triple, XDiavel S und R nineT bis vor die Bar gefeuert. Jetzt ´ne Kippe
Keine Zicken machen, einfach lachen
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FUEL-Girls und Pink-Ladies: ankommen und abfeiern
Jazzman auf dem Feuerstuhl: Mit vierzig endlich wieder neuen Zündstoff
Erst die Mopeds, dann der Magen: Energie tanken
Drei Bikes und drei Blondies für ein Halleluja. Träumt schön, Jungs
Pink-Burger-Menü für den Bärenhunger. Jeder kriegt sein Fett weg!
Pipi-Box an der Tanke: Die Luft ist rein, Mädels
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Iris und Caro schauen verdutzt, grinsen sich an, Schulterzucken.
immer gefragt, wie man sich früher in die Sättel von Motorrädern
Los geht's. Vor der Bar angekommen, streifen die drei lasziv ihre
schwingen konnte, die sie Gummikühe nannten. Aber diese Kuh
Helme ab, schütteln die blonden Haare in den Nachtwind. Kommt
hier gehört wie wir selbst einer neuen Generation an – exzellen-
gut. Heidi Klum wäre stolz auf die Girls. Martin, ein Gast, der an
tes Aussehen, wunderbare Kurven, Charakterstärke. Zudem ein
einem der Außentische sitzt, fallen fast die Augen raus. Drei Blon-
bisschen frech, ziemlich edel und nicht auf den ersten Blick einzu-
dinen! Doch er zeigt auf die Ducati und ruft: „Wo habt ihr denn
schätzen. Bis zum ersten Dreh am Gasgriff: Der Zweizylinder boxt
diese sensationelle Alufelge her? Ist die original? Überhaupt: Von
los wie Muhammad Ali in seinen besten Jahren. Bei diesem Sound
Weitem dachte ich, da hockt bestimmt ein fetter alter Sack drauf.
möchte man sich die ganze Zeit daneben benehmen und im Leer-
Und jetzt das. Wie soll ich jemals wieder schlafen können?“
lauf den Motor aufbrüllen lassen. Hier, setz dich selbst mal drauf
Martin hat nur Augen für die rassige Italienerin. Iris fühlt sich mit
und zupf im Stand am Gas.“
ihrem bayerischen Brathahn in schlechtes Licht gerückt: „Martin,
Martin kann der Einladung zum Soundcheck nicht widerstehen.
ich glaube, als du geboren wurdest, waren BMW-Mopeds noch
Nacheinander lässt er die Motoren kurz aufbrüllen. Sein Ranking
für Leute mit Lederhose und Saubart am Hut. Ich hab mich auch
ist klar: Platzhirsch ist die Ducati. Sie klingt am potentesten:
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DUCATI XDIAVEL S: Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, 1262 cm³, 156 PS bei 9500/min, 129 Nm bei 5000/min, Gewicht 247 Kilogramm, Einarmschwinge, Sechsganggetriebe, Riemenantrieb, Preis: 22 890 Euro
TRIUMPH STREET TRIPLE: Wassergekühlter Dreizylinder-Viertakt-Reihenmotor, 675 cm³, 106 PS bei 11 850/min, 68 Nm bei 9750/min, Gewicht 190 Kilogramm, Sechsganggetriebe, Zweiarmschwinge, Kettenantrieb, Preis: 8640 Euro
BMW R NINET: Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Boxermotor, 1170 cm³, 110 PS bei 7500/min, 119 Nm bei 6000/min, Gewicht 222 Kilogramm, Einarmschwinge, Sechsganggetriebe, Kardanantrieb, Preis: 14 900 Euro
Drei Selbstdarstellerinnen – gemeint sind natürlich die Girls. Iris auf der R nineT ist stets im Racing-Fieber
druckig, tiefbassig, energiegeladen. Dahinter folgt die BMW: grol-
die Girls zum Zwischenstopp an eine Tanke. Was jetzt? E10? E5?
lig, dumpf, hubraumstark. Gegen die beiden Prolls hat es die Tri-
Oder verlangt die XDiavel sogar 102er? „So rauchig, wie die Tri-
umph nicht einfach. Ihr kehlig-fauchiges Knurren ist zwar sehr
umph klingt, fährt sie wahrscheinlich sogar mit Whisky“, meint
individuell, doch es geht unter. Leider.
Bianca. „Na, das wären dann aber sauteure Kilometer“, kommt es
Im Innenbereich der Bar tobt der Bär. Die Girls grinsen: Bleifreies
aus dem Eck. Drei Typen, alle drei zu tief in die Flasche geschaut,
Bier schmeckt nicht so scheiße wie gedacht. Die Musik hämmert
wanken heran. Sie halten die FUEL-Girls für eine Halluzination.
aus großen Lautsprechern auf die Partymeute, man versteht kaum
Nee, anfassen ist nicht! Da die Mädels real sind, wollen die Jungs
sein eigenes Wort. „Mit dem Helm in der Hand im Club zu stehen
wissen, wer hier die meisten PS unterm Arsch hat oder das teuers-
hat den gleichen Effekt, wie nackt und mit bunten Hüten über die
te Bike fährt. „Leicht erklärt“, grinst Iris. „Die Duc ist mit 22 890
Königstraße zu stolzieren“, sinniert Bianca, „alle glotzen!“
Euro die teuerste und hat mit 156 PS den meisten Bums. Mit 8640
Nach gut einer Stunde Small- wie Deeptalk sind die drei verräu-
Euro und 106 PS markiert die Triumph das untere Ende der Fah-
chert, Frischluftnotstand treibt sie wieder in die Sättel der Motor-
nenstange. Die BMW liegt dazwischen.“ Die Burschen schauen,
räder. Weiter geht's. Eine wild blinkende Benzinanzeige zwingt
als hätte ihnen jemand bewiesen, dass die Erde doch eine Scheibe
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FUEL G RLS DURCH DIE NACHT ist. Dann sagt der dickere der drei, ein Landmaschinenschlosser:
ges Gefühl. Abbiegen auf einen Parkplatz, nach wenigen Metern
„Das ist ja wie bei den Traktoren: je mehr PS, desto teurer.“ Kann
ist die Leuchtschrift des Ladens zu erkennen: „The Ladies Diner“.
sein. Fährt sich aber anders. Gaaaanz anders. Und wo wir schon
Anhalten, absteigen, Lage checken. Zumindest, solange man
dabei sind: Am leichtesten von den dreien fährt die Triumph Street
noch kann: Von innen kommt eine Frau im rosa Kleidchen ange-
Triple. „Sie wiegt nur 190 Kilo, ist superhandlich und federt sogar
rannt. Sie heißt Jazzman, kreischt, wirft die Arme in die Höhe und
komfortabel“, grinst Bianca. „Die BMW lenkt ein bisschen träge
galoppiert direkt auf die Ducati zu: „Boah, ich bin über zehn Jahre
ein, aber das federleichte Handling macht das wieder wett“,
kein Moped mehr gefahren. Und heute an meinem vierzigsten
meint Iris. „Außerdem finde ich sie auf Dauer eine Nummer zu
Geburtstag schenkt ihr mir gleich drei Bikes? Darf ich mal aufsit-
hart gefedert. Vor allem hinten.“ Caro grinst. Ja, sie bekommt die
zen?“ Klar doch. „Warum seid ihr verrückten Hühner denn nachts
Mundwinkel gar nicht mehr runter. „Alles super bei mir“, sagt sie,
mit diesen geilen Bikes unterwegs? Wie viele Pferdchen haben die
kickt den Ständer der XDiavel hoch, schwingt sich in den Sattel
denn?“, will sie wissen. „Die gehen auf jeden Fall so ab, dass wir
und lässt den V2 aufbrüllen. „Ich hab Hunger!“, ruft Iris. „Na los,
unsere Männer heute Abend nicht vermissen. Ganz nebenbei:
suchen wir einen adäquaten Imbiss. Aber einen, vor dem man di-
Bekommt man bei euch noch was zu futtern?“ Jazzman nickt
rekt parken kann!“ Und was? Döner? Pizza? Truckerimbiss? Bian-
zaghaft. „Eigentlich ist unser Laden schon lange dicht. Aber ich
ca kramt eine Visitenkarte aus dem Portemonnaie und meint:
mag euch. Und die Motorräder. Es gibt jetzt nur zwei Lösungen:
„Folgt mir. Wir speisen heute stilecht.“
Entweder fahrt ihr weiter, oder ihr packt eure Zündschlüssel bei-
Caro hat offenbar Hummeln im Hintern. In jedem Tunnel, den die
seite. Und haut mit mir auf die Kacke. Ich will meinen Geburtstag
drei durchfahren, reißt sie am Kabel, legt mächtige Zwischen-
feiern!“ Caro, Iris und Bianca blicken auf die Bikes. Sie sind viel zu
sprints hin und zieht mit dem fetten Hinterreifen schwarze Striche
geil, um draußen in der Nacht zu stehen...
auf den Asphalt. Verstummt das V2-Gebrüll, hört man Caro vor
Dreißig Minuten später liegen drei Lederjacken aufeinander, und
Freude quieken. Eine Blondine in Baller-Laune! Bianca leitet die
die Motorräder parken im Diner. Iris schwingt die Hüften zu Cyndi
anderen derweil quer durch ein Industriegebiet, biegt so zickza-
Laupers „Girls just want to have fun“ und brüllt: „Hol den Schnaps
ckig ab, dass Iris und Caro schon glauben, sie seien auf Orientie-
raus, Jazzman! Und mach die Mucke lauter! Wir fahren morgen
rungsfahrt. Hinter einer riesigen Werkshalle schimmert es plötz-
weiter! Rock 'n' Roll, Ladies!“
lich rosa. Bianca nickt heftig mit ihrem Helm und setzt den Blinker. Ein Puff? Kann ja wohl nicht sein. Caro und Iris haben ein mulmi-
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Text: Roman Kirschbauer Fotos: Jörg Künstle
Mein Senf
Mein Senf
Mein Senf
Caro Fitus (23), Werksstudentin bei Daimler und Motocross-Profi, fährt abseits der Straße eine KTM 250 SXF. So lieb wie Caro ausschaut, so faustdick hat sie es hinter den Ohren: „Die XDiavel hat unfassbar viel Druck. Brutal, wie das Ding vorwärts geht. Doch warum hat die eigentlich Bluetooth, aber keine Griffheizung? Egal, dafür klingt die Ducati extrem geil. Vor allem im Tunnel, wenn man den Hahn voll aufreißt.“
Iris Schaber (25), Medienkauffrau und Rennstreckenfan, fährt privat eine Kawasaki ZX-6R. Sie saß bisher auf keinem Münchener Brathähnchen und war mächtig skeptisch hinsichtlich der R nineT: „Beim Schieben auf´m Motorrad sitzend hab ich mir gleich das Schienbein an den Zylindern gestoßen. Aber ansonsten: geiler Ofen, toller Sound, wunderschönes Design. Erstaunt hat mich die Handlichkeit der BMW.“
Bianca Wistuba (28), Medienkauffrau und Kletterfreak, fährt privat eine Kawasaki ER-6f: „Die anderen beiden mussten ganz schön rumwuchten mit ihren Bikes. Die Street Triple fühlt sich auch beim Fahren federleicht an. Klar, der Dreizylinder pumpt nicht wie ein Schiffsdiesel, dreht dafür spielerisch hoch. Eine drahtige Raubkatze mit inneren Werten: Die könnte ich mir auch für länger als eine Nacht vorstellen.“
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Internationale Motorrad-, Roller- und E-Bike-Messe
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RÄDE OTOR R DER M E
Leser ralph sagt: „Ohne die Hilfe von Freunden wäre dieses Projekt gescheitert.“ Dann zählt er die Helfer auf: Armin, der ihm die Sitzbank nähte und polsterte, Rainer, der Mann fürs Metall, Harald, Foto- und Internetfreak und letztlich Marcus, der die Internetseite programmierte. „Ich war völlig euphorisiert, wollte die Welt an meinem Projekt teilhaben lassen“, erzählt Ralph. „Deshalb haben wir auch die Website gemacht.“ Der 48-Jährige ist Inhaber eines Musikbuch-Verlags und schraubt aus Hobby und zum Ausgleich. „Ich habe eine Halle und bin seit einer gefühlten Ewigkeit in Oldtimer verliebt.“ Dabei spricht er von Autos. Und verschweigt auch einen seiner „Ticks“ nicht: „Ich liebe zwar meine Fahrzeuge, habe aber
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die komische Angewohnheit, mich von ihnen zu trennen, wenn sie endlich fertig sind. Mir macht das Schrauben sogar noch mehr Spaß als das Fahren“, grinst er. Unter einem Lincoln Continental beispielsweise lag er zwölf Jahre lang mit schmutzigen Fingern, bis dieser endlich perfekt war. Dann hat Ralph ihn verkauft. Überhaupt ist er motorverstrahlt, besitzt neben diversen Autos auch eine ältere Yamaha TT 600, eine Monkey mit 125er-Single, eine KTM 450 EXC und seine umgebaute 900er-Ducati Monster. Das steckt an. Sein 17-jähriger Sohn, ebenfalls benzinverliebt, fährt 125er und – schraubt. „Mein 13-jähriger hat noch ein wenig Zeit“, scherzt Ralph.
LESER UND IHRE BIKES
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RALPH VOGGENREITER
Kurzer Kotflügel plus Alu-Startnummerntafel – es kommt alles nur auf den Look an. Der hässliche Ansaugschnorchel bekam ein Lederkleid, der Tank eine gut sichtbare Benzinstandanzeige
FRAGEN AN : RALPH VOGGENREITER Fuel: Wieso die BMW K 100? Ralph: Ich hatte immer schon ein Faible für BMW-Bikes, hab den Boxern hinterhergeschaut, aber nie einen besessen. Irgendwie, so fand ich, hatten sie zu wenig Leistung. Nachdem ich nach langer Pause wieder anfing Motorrad zu fahren, kam mir beim Schrauben an meiner Ducati die Idee, eine K 100 zu kaufen. Die hat knapp 100 PS und die Vorstellung, den ziegelsteinförmigen Vierzylinder freizulegen, fand ich charmant.
Fuel: Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?
Ralph: Vollauf. Hier steckt viel Liebe, Zeit, Aufwand und Geld drin. Die Dreifarblackierung beispielsweise hat fast 1000 Euro gekostet, und für die Herstellung der Lederhülle, die den Ansaugstutzen bekleidet, musste extra eine Negativform gefertigt werden. Den serienmäßig verbauten, hässlichsten Tankdeckel aller Zeiten, haben wir auch gegen was Cooles getauscht.
Info
Basis: BMW K 100 RS 16 V Baujahr 1990 Umbauteile: Bereifung TKC 80, Scheinwerfer plus Halterung, Faltenbälge, Enduro-Lenker, Daytona-Multiinstrument, LED-Blinker, Schutzbleche vorn und hinten EigenbauEinzelanfertigungen: Gesteppte Sitzbank, Benzinanzeige am Tank, Lederüberzug für Ansaugstutzen, Auspuffführung plus Halterung, Fußrastenhalter, Startnummerntafel, Windschild, dreifarbige Lackierung, Tankdeckel, Kennzeichenhalterung, Motordeckel pulverbeschichtet, geänderter Heckrahmen. Alle Umbauten sind vom TÜV abgenommen und eingetragen Bauzeit in Stunden: vier Monate nach Feierabend Im Internet: www.v-scrambler.de Wert: zirka 12 500 Euro
DAS TEAM
Fuel: Würdest du den ScramblerUmbau wieder hergeben?
Ralph: Ja. Er ist sogar schon fast verkauft. Aaaaber: Ich hab mir dieselbe Maschine bereits noch mal gekauft. Weil schrauben einfach Spaß macht.
Ralph (Besitzer und Kreator)
Rainer Harald Stöcker (Ideen und Handwerk) (Fotos und Website)
www.fuel-online.de
Text: Rolf Henniges Fotos: Harald Stöcker
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NOZEM?
NOZEM! SIE HABEN GEMACHT, WAS HONDA NIE HINBEKAM: EINE GELUNGENE CX BAUEN. SIE KOMBINIERTEN DIE BMW-HAFTIGKEIT EINER R 100 MIT DER ELEGANZ UND RASANZ EINES RIVA-BOOTS UND VERPASSTEN EINER YAMAHA XS 850 GITTERROHR ZUM KARDAN. MOMENTAN VERGREIFEN SICH LORENZO, DANIEL UND DELANO VON NOZEM AMSTERDAM AN EINER VMAX.
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Daniel Marchant: „Old School Feeling, klassischer Racing Style und moderne Technik“
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ie treffen sich im Zentrum von Amsterdam, an der Ecke Nieuwendijk. Da hängen sie rum auf ihren Mühlen, hören Musik, pöbeln die Leute an, erschrecken Omas, die aus dem Bus steigen und pfeifen den Mädchen hinterher, die ihnen zu nahe kommen. Wer dumm guckt, kann gerne Ärger haben, wem das nicht reicht, auch mal eine aufs Maul. Regelmäßig kracht es irgendwo in der Stadt zwischen ihnen und den Provos, weil die einen die anderen nicht abkönnen. In der Zeitung schreiben sie von Problem-Jugendlichen im Niemandsland des Versorgungsstaats, bezeichnen sie als ausgekochte Bengel, die sich nicht an ordentliche Werte und die Regeln des Anstands halten wollen. Es ist einer dieser Zeitungsartikel, in dem zum ersten Mal der Name auftaucht, unter dem sie bekannt werden sollten: Nozems. „Weißt du, wofür der Name steht?“, fragt Daniel und lehnt eine R 100 unter dem großen Nozem-Schriftzug an der Werkstattwand auf den Ständer. „Der Begriff steht für 'Nederlands-Onderdaan-Zonder-Enig-Moraal'.“ Das heißt so viel wie niederländischer Untertan ohne jede Moral und kommt von einer Subkultur, die in den fünfziger und sechziger Jahren von Amsterdam ausging. Nozems nannte man die Jungs, die vor allem dafür bekannt waren, dass sie
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mit ihren Mopeds, je nach Gruppe meistens Zündapp und Kreidler oder Puch und Tomos, durch die Stadt fuhren und ein bisschen den Aufstand probten gegen die herrschenden Verhältnisse. Lorenzo zieht die Finger aus den Teilen eines zerlegten XS 400-Motors, steckt sich eine weitere Zigarette an, dann legt er, nachdem er die Tür mit einem Metallhaken aufgefummelt hat, in den glühend heißen Ölfassofen noch ein paar Holzscheite nach und facht die Glut mit der Druckluftpistole an. Er zieht an der Zigarette, lässt den Qualm langsam aus dem Mund und sagt: „Wir sind die neue Nozem-Generation. Wir lassen uns nicht unterkriegen, nicht kleinreden und nicht reinreden. Wir machen, was wir wollen, nicht mehr, nicht weniger. Wie die Jungs früher tragen wir Lederjacken und fahren Motorrad. Wir finden uns nicht ab mit dem, was man uns von oben aufdrücken will und noch viel weniger damit, dass man sich an irgendwelche ästhetischen Standards oder Stilvorgaben zu halten hätte.“ Im selbst gebauten Ölfassofen knistert und glüht es, draußen fegt der Wind übers Wasser und reißt ständig an der Wellblechtür der Nozem-Werkstatt irgendwo zwischen Kanälen und Hafenbecken im Norden von Amsterdam. Dort,
„Zu viele Motorräder sind wie Handtaschen. Nur ein Accessoire“ NOZEM X AAAFRESH-BMW R 65 „Die R 65 fällt gegenüber unseren anderen Umbauten ein bisschen aus dem Rahmen. Das liegt daran, dass sie Ergebnis einer Collabo ist mit Maikel Kleinjan, Hans Kleinjan und Roderick Faasen. Sie haben in Rotterdam die Galerie AAAFresh123 für zeitgenössische Kunst, und sie haben den Tank der R 65 gestaltet, als wäre er ein Gemälde. Na ja, ist er jetzt ja auch.“ • NZM-Sitzbank • Rahmen gecleant, Heckrahmen gekürzt • NZM-Rücklichter, NZM-Fußrastenanlage • Gekürzte Gabel mit neuen Federn • Triumph-Lenker, Reifen Heidenau K60 Scout • Aluminium-Schutzbleche • Motor überholt, schwarz lackiert/gepulvert • Rahmen, Räder, Schwinge, Gabel gepulvert • Versteckt verlegte Kabel • Scheinwerfer von Porsche
„Jede Maschine braucht eine einheitliche Linie“ NOZEM-BMW R 100 „Jeder kennt umgebaute Boxer. Viele gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Die Linie von unserer R 100 ist nicht von diesen zahllosen Umbauten inspiriert, sondern geht von der Form klassischer Speedboote und Sportwagen aus. Das reflektieren zum Beispiel das amerikanische Walnussfurnier und der von einem BMW M3-Tourenwagen adaptierte Tankstutzen. Einen Tacho gibt‘s nicht, Speed musst du fühlen, nicht ablesen.“ • Rahmen gecleant, Motor überholt • Rahmen, Räder, Schwinge, Motor, Gabel glossy pulverbeschichtet • Handgefertigte NZM-Tank-Sitzbank-Höcker-Einheit aus Stahlblech • Handgefertigte NZM-Edelstahl-Auspuffanlage mit offenen Dämpfern • E30 M3-Tourenwagen Tankstutzen • Tankauflage aus Walnussfurnier • NZM-Rasten mit Holzauflage, NZM-Rücklichter • Reduzierter, versteckter Kabelbaum • Pazzo Racing-Armaturen • Wilbers-Monoshock adaptiert, Hella-Scheinwerfer
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„Stil geht über Komfort, immer. Und Performance sowieso“ NOZEM-HONDA CX 500 SPECIAL „Die CX schreit ja danach umgebaut zu werden, weil sie einerseits gar nicht so schlecht ist, robust zumindest, aber so unvorstellbar schrecklich aussieht, schwere Knochen hat und schlimme Proportionen. Sie war unser erster Komplett-Umbau. Wir haben alles außer dem Sitzbezug und den Pulverbeschichtungen von Motor und Rahmen selbst gemacht.“ • Gabel um zwei Zentimeter durchgesteckt • Rahmen gecleant • Neue Aufnahmen für 260-MillimeterHarley-Federbeine • Neuer Heckrahmen mit laminiertem Höcker • Offenes Rahmendreieck, Batterie unterm Motor • NZM-Mini-Rücklichter • NZM-Gabelbrücken • Clip-ons mit CBR-Armaturen • Jeep-Scheinwerfer aus den 80ern • NZM-Kabelbaum, Kabel versteckt verlegt • Nachrüst-Endtöpfe beschichtet (und fast leer) • Motor überholt mit neuen Hauptlagern und Dichtungen, neuer Lichtmaschine • Lack in BMW Diamant Schwarz und Messing Metallic
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Lorenzo Pinto: „Wir machen, was wir wollen. Das ist das ganze Geheimnis“
wo man sich die Mieten noch einigermaßen leisten kann, betreiben Lorenzo Pinto, Grafiker und Mechaniker, Daniel Marchant, Ingenieur, und Delano Limoen, Designer, unter dem Namen Nozem seit vier Jahren, was sie ein „interdisziplinäres Studio“ nennen. In dem bringen sie Mechanik und Grafik, Motorräder und Design, Technik und Gestaltung, Style und Speed zusammen, haben eine Schraube locker für Handwerk und eine weitere für Gestaltung. Während Lorenzo erzählt, wie er und Daniel sich kennenlernten vor 15, 16 Jahren, wie sie zusammen an Motorrädern und Rollern schraubten, auch um sich das Studium zu finanzieren und wie sie auf der Straße, auf der Rennstrecke und auf Crosspisten unterwegs waren (ein Wunder, dass sie noch leben, dazu in voller Beweglichkeit), schiebt Delano aus dem Nebenraum eine Maschine, an der nur noch der Motor an das erinnert, was sie mal war, eine CX 500 Special. „Wenn du vor der stehst, musst du dich echt zusammenreißen, weil das Teil ein so hässlicher Motherfucker ist, kaum auszuhalten.“ Vom Hässlichen ist nichts geblieben, nachdem Nozem die CX für Lorenzo als Daily Driver aufgebaut haben. Aber als Motherfucker würde das Ding schon noch durchgehen: Wie diese mattschwarzen
Hooligan-Trompeten von info Endrohren nach hinten Wer freundlich schreibt, raus der Linie des Raherfährt gerne die Adresse, um mens folgen, wie sie den Lorenzo, Daniel und Delano in der Werkstatt in AmsterdamRahmen bearbeitet und Nord direkt am Wasser auf ein Tank, Sitzbank und Heck Bier zu besuchen. Anfragen auf eine Flucht gebracht für Motorräder gehen an haben, wie sie den Klummoto@nozemamsterdam.com. pen von Motor mit Hilfe Nur nicht hoffen, man könne des fetten Firestones hinsich eine der Maschinen nachbauen lassen. Nozem ten und einer abgesenkten baut alles nur ein Mal. Front optisch ausbalannozemamsterdam.com, ciert haben. info@nozemamsterdam.com „Unsere Motorräder sollen einen Flow haben, sie brauchen eine Linie, das ist der einzige Standard, den wir gelten lassen“, sagt Lorenzo. „Aber diese Linie ist nicht vorher festgelegt. Sie ergibt sich, wir zeichnen für einen Umbau kaum etwas vor, sondern sitzen hier, schauen uns das Motorrad an, nehmen es auseinander, kürzen den Rahmen und arbeiten ihn um, machen Schablonen aus Pappe und nähern uns so dieser neuen Linie an, die wir für jede Maschine finden wollen.“ Dafür reiche es eben nicht, erzählt er
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Delano Limoen: „Entweder du liebst es, oder du lässt es. Dazwischen machen wir nichts“
weiter, nur Zubehörteile zu kaufen und dranzuschrauben. „Meistens passen die sowieso nicht wirklich zusammen“, meint Daniel, „und was dabei rauskommt, siehst du ja oft genug. Die Custom-Maschinen ähneln sich irgendwann wie die Serienmotorräder.“ Dass die Nozem-Umbauten dagegen ganz anders sind, zeigt Daniels BMW R 100 mit ihrem Body im MonocoqueStyle besser noch als die CX von Lorenzo. Wie eine Karosserie bestimmt die Einheit aus Tank, Sitzbank und Heck die Linie der Maschine. Allein für das geschlitzte Heck aus acht selbst gedengelten und verschweißten Blechen brauchte Daniel drei Wochen. Und fünf Anläufe. Nicht weniger mühsam war die Arbeit an der Yamaha XS 850, die Nozem von „groß und schwer, aber nicht unbedingt hässlich“ in „schlank und leicht und unbedingt schön“ verwandelt hat. Der hintere Teil des Rahmens ist verschwunden, das Heck hinter der selbst konstruierten Gitterrohr-Sektion trägt frei. In die CNC-gefräste obere Gabelbrücke ist ein Smiths-Instrument integriert, und als Folge der schlanken, aus mehreren Blechen handgearbeiteten Heckpartie konzentriert sich die Masse der Maschine auch
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ästhetisch um den Motor. Der Dreizylinder hängt wie ein monolithischer Block groß, aber nicht plump, sondern leicht nach vorn geneigt im modifizierten Rahmen. Goldene und gelbe Farbakzente an Scheinwerfer, Bremsscheiben, Pinstripes und Auspuffanlage halten das Ganze wie eine optische Klammer zusammen. „Für einen der nächsten Umbauten müssen wir uns allerdings was anderes einfallen lassen“, sagt Delano. Er klopft auf einen großen Pappkarton neben der Tür. „Yamaha wollte, dass wir eine XV umbauen, und wir fragten, dürfen wir dies abschneiden und das da und jenes ebenfalls, eine andere Schwinge vielleicht? Darf man bei den Yard Builts aber nicht. So war ziemlich schnell klar, dass wir keine XV umbauen.“ Man einigte sich stattdessen auf eine Vmax. Die steckt in der Kiste neben der Tür und wirkt nicht eben beruhigend auf Lorenzo, Daniel und Delano. „Ich wäre froh, wir hätten die Elektrik schon im Griff“, sagt Lorenzo und Daniel grinst ihn an. Spätestens zum Rennen am Glemseck im September soll die Nozem-Vmax fertig sein. „Das ist ein dicker Brocken“, sagt Delano. Das lässt sich so oder so verstehen. www.fuel-online.de
Text: Michael Orth Fotos: Michael Orth, Gijs Spierings
„Den Speed einer Maschine musst du nicht nur spüren. Du musst ihn ihr auch ansehen“ NOZEM-YAMAHA XS 650 „Ein bisschen was von einem Tracker, ein bisschen was von einem Bobber, ein bisschen was von einem Chopper. Die Front hoch, das Heck niedrig, der Mix ist sicher nicht jedermanns Sache. Aber das soll er auch nicht sein. Uns gefällt er, weil er genauso eigen ist wie Nozem selbst.“ • Rahmen gecleant und gekürzt • Rahmen hinter Motor mit neuer Geometrie • Harley-Federbeine • NZM-Edelstahl-Auspuffanlage mit Laser X-treme- Endtöpfen • Motor überholt, offene Keihin 32s-Vergaser • NZM-Rücklichter in den Rahmenenden • CNC-gefräste NZM-Gabelbrücke mit integriertem Tacho, adaptierter Motocross-Tank • NZM-Heck und Frontmaske, Motocross-Lenker • Metalflake-Lack und Pinstriping von Airbrushlab LifeCreations
„Nur Teile aus dem Katalog zusammenfügen kann jeder“ NOZEM-YAMAHA XS 850 „Die XS 850 ist schwer, aber nicht hässlich. Sie ist eine gute Basis, um einen klassischen Café Racer aufzubauen. Aber genau das wollten wir mit ihr nicht machen. Wir wollten unsere Interpretation eines Café Racers abliefern. Den Anfang machten wir, indem wir der XS an den Arsch gingen. Wir haben ihr den gesamten hinteren Teil des Rahmens abgeschnitten und ihn samt Schwingen- und Federbeinaufnahme neu geschweißt. Das Heck trägt jetzt frei.“ • Rahmenheck entfernt, selbsttragendes Heck • NZM-Gitterrohr-Rahmenpartie mit Aufnahme für Harley-Air Shocks • Modifizierter Originaltank • Motor überarbeitet und lackiert/gepulvert • Reduzierter und verdeckt geführter Kabelbaum, überarbeitete Gabel mit neuen Federn • CNC-gefräste NZM-Gabelbrücke mit integriertem Smiths-Tacho, Brembo-Bremsen • Airbrush-Lack im Lotus-Style von LifeCreations • Lampe mit gelbem Cibié-Reflektor • NZM-Rücklichter • Angepasste Edelstahl-Auspuffanlage mit Laser-Endtöpfen
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AUFGEKLÄRT : Kein Mensch muss... oder doch?
Reimar Vogt, 50, ist nicht nur Haus- und Notarzt, sondern auch leidenschaftlicher Motorradfahrer. In FUEL beantwortet er augenzwinkernd Fragen rund um unser liebstes Hobby. „Kommt es mir nur so vor oder bewirkt das Motorradfahren tatsächlich einen vermehrten Harndrang?“
Blutes zu Urin umgewandelt. Neben dem Wasser enthält der
Silke F., Gummersbach
Urin Blutsalze und Stoffwechsel-Endprodukte, also „Müll“. Die 1,3 Liter Urin werden über den ganzen Tag produziert und via Harnleiter aktiv in die Blase transportiert (funktioniert
Lieber Silke,
also auch bei Kopfstand oder in der Schwerelosigkeit). Die
Friedrich Schiller lässt in seinem Werk „Nathan der Weise“ die-
Blase ist ein Muskelbeutel, der so ab etwa 0,3 Liter Füllung
sen sprechen: KEIN MENSCH MUSS MÜSSEN. Nun gut, in je-
Harndrang vermeldet. Die Harnblase kann aber auch mehr.
nem Drama geht es um Aufklärung, Toleranz und Humanis-
Beim doppelten Füllungsvolumen wird’s jedoch kritisch, und
mus; der alte Schiller möge es mir verzeihen: Aus medizinischer
spätestens beim dreifachen Wert (= 900 ml) übernimmt das
Sicht muss der Mensch sehr wohl... Zum Beispiel kann der
Rückenmark autonom die Steuerung und öffnet das Auslass-
Harndrang so imperativ sein, dass sich der Mensch vollpullert.
ventil: „Wasser marsch!“
Urin soll ja bekanntlich ein ganz besonderer „Saft“ sein und
Das sind die Regeln, und nun kommen die Ausnahmen: Al-
es soll auch Menschen geben, die ihre eigenen Ausscheidun-
kohol hemmt die Abgabe eines Anti-Pinkel-Hormons aus der
gen gurgeln, sich damit einreiben oder bei denen dies beim
Hirnanhangsdrüse und steigert folglich die Harnmenge. Über
Sex eine wichtige Rolle spielt. Aber eine Urin-Eigenbehand-
Kaffee und koffeinhaltige Getränke ist viel Blödsinn geschrie-
lung in der Motorradkombi ist zweifelsohne nicht der Brin-
ben worden, aber ein harnsteigernder Effekt ist sicherlich
ger. Eher schon der Brüller – für die Mitfahrer.
vorhanden. Der halbe Liter Bier oder der Cappuccino wäh-
Also schlagen wir Kapitel 4 des FUEL-Crashkurses „Arzt in 30
rend der Rast drängen gefühlt nach deutlich weniger als den
Tagen“ auf: Wie funzt die Harnproduktion? Es gilt die Faust-
üblichen 30 Minuten vom Genuss bis zum Drang in die Blase.
regel, die besagt, dass ein Mensch pro Kilogramm Körperge-
Nun trinkt die Bikerin oder der Biker aber nicht ständig Bier
wicht etwa 30 ml Flüssigkeit am Tag zu sich nehmen muss.
oder Kaffee in der Pause und trotzdem uriniert der Einspur-
Folglich braucht das 80 Kilo schwere Exemplar Biker/in rund
fahrer mehr. Woran liegt’s?
2,4 Liter Wasser täglich. Üblicherweise werden rund 0,9 Liter
Beim Motorradfahren konzentriert sich der Lenker in aller Re-
Flüssigkeit mittels fester Nahrung aufgenommen, etwa 0,3
gel wesentlich intensiver auf das Verkehrsgeschehen als der
Liter Wasser entstehen durch Oxidation im Stoffwechsel, den
Fahrer eines Bürgerkäfigs. Das bedingt einen deutlich höhe-
Rest (= 1,2 Liter) sollte der Mensch trinken. Frauen haben
ren Stresshormon-Spiegel, der zu beschleunigter Herzaktion
von Natur aus einen unterentwickelten Dursttrieb und sollten
und Durchblutung führt. Da die Niere mit mehr Durchblu-
bewusst trinken. Wo sickern nun die geschätzt zweieinhalb
tung auch mehr Filtrationsleistung erbringt, steigt unter An-
Liter Flüssigkeit hin? Knapp ein Liter verdunstet über die Haut
spannung die Urinproduktion an. Das kennen die Rennfahrer
und die Lunge (an heißen Tagen oder bei sportlicher Betäti-
unter uns: Kurz vor dem Start muss man unbedingt zum WC.
gung mehr!), ein Drittelliter geht mit dem Stuhl weg (es sei denn, man wird ein Opfer von Montezumas Rache...), die
Nun bin ich ja als Mann von Natur aus bevorzugt und kann
restlichen 1,3 Liter werden in der Niere durch Filtration des
dem Drang meiner Harnblase wesentlich unkomplizierter nachgeben als Frauen – ein Strauch oder sonst was reicht schon. Da gibt es ja prima Beispiele, wie manche Angehörige des deutschen Adels, die sich an türkischen EXPO-Pavillons erleichtert haben. Den Frauen macht es die Natur da schwieriger; also, liebe Tourguides und Kolonnenführer, sucht regelmäßig geeignete Locations für die Pinkelpausen. Heißer Tipp: Die stillen Örtchen amerikanischer Fastfood-Ketten sind zumeist für das private Auslass- und nachfolgend auch das Einlass„ventil” bestens geeignet. www.fuel-online.de
Illustrationen: Harald Hornig
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Das neue Magazin über das älteste Getränk der Welt. www.bier-magazin.de
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STAMM-KOMPRESSOR-CB 750
GEL(I)EBTE SÃœNDE MIT DEM PORNOBIKE INS PORNOKINO. EIN SCHELM, DER SCHLIMMES DABEI DENKT.
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igentlich hat alles mit dem Ace Café in London angefangen“, sagt Michael Stamm. Der Suzuki-Vertragshändler aus dem westfälischen Ahlen war damals zwei Mal im legendären britischen Bikertreff gewesen, leider jedoch stets mit dem Auto, Zwischenstopps auf Lieferungsfahrten. „Lass uns dort mal stilecht hin“, sagt er 2011 zu seinem Kumpel. Stilecht bedeutet – na klar – mit einem echten Café Racer. „Wir zogen eine angegraute CB 750 aus dem Eck und wollten die mit einem auf 2500 Euro begrenzten Budget sehr cool umbauen“, erinnert er sich. Doch spätestens, als die in den USA bestellten, extra coolen Classic-Weißwandreifen eintrudeln, weiß Michael Stamm, dass die veranschlagte Summe nie und nimmer reichen wird. Letzten Endes verschlingt das Projekt allein 10 000 Euro für Teile, Arbeitszeit nicht mitgerechnet. Bei der Premiere des Bikes ist die Resonanz im Freundeskreis riesig, reicht von gelungen, spitze bis besser als geil. Was aber, bitte schön, ist besser als geil? Zwei Söhne eines Freundes haben eine Antwort drauf. Besser als geil sei einfach: porno! „Genau das ist es!“, denkt Michael, mittlerweile vom Umbauvirus befallen, „ich baue Pornobikes!“ Ein Logo wird entworfen, sein erstes Pornobike findet zwar den Weg zum Ace Café, doch nicht wieder zurück. Denn kaum in London angekommen, der erste Kaffee ist noch nicht kalt, bleibt ein Kölner begeistert vor der Porno-Honda stehen. Handschlag, vor Ort verkauft!
ein Problem. Aber wie stellst du einer 750er von 1974 mehr Pferde in die Koppel?“ Seine Recherchen führen zu einem sehr, sehr seltenen Drouin-Supercharger, einem Kompressor-Kit, der vor 40 Jahren in den USA für die CB 750 Four entwickelt wurde. Letzte Exemplare dieses Teils tauchen vereinzelt in Amerika und Europa auf. Ein unbenutztes sogar bei Ebay-Kleinanzeigen. Standort: Hamburg. „Der Kollege wusste genau, was er da hatte. Und dass ich es unbedingt haben wollte“, meint Michael. Verhandeln unmöglich. Trotzdem gekauft. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion pfriemelt Michael das Teil versuchsweise an einen alten 750er-Motor, will sehen, ob es auch wirklich funktioniert. „Jeder, der die seltenen, sehr rudimentär wirkenden Bauteile sah, meinte, dass der alte Motor niemals damit laufen würde“, sagt Michael. „Noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an den Augenblick denke, in dem der Kompressormotor zum ersten Mal aufheult.“ Als er das sagt, recken sich seine Armhaare wie halbverdurstete Blumen nach einem Schluck Wasser. Das System ist schnell erklärt: Ein an der Kurbelwelle angeflanschtes Zahnrad überträgt die Rotation per Zahnriemen auf eine Zwischenwelle, auf der ein Rad sitzt, das per Riemen den Kompressor antreibt, der über ein Schaufelrad Luft in die Zylinder presst. Die vier Vergaser ersetzt ein streichholzschachtelgroßer Schieber, an dem eine Nadel hängt, ungefähr so groß wie eine Häkelnadel. Diese verschließt ein Röhrchen,
„Beim zweiten Motorrad wollte ich die Latte höher legen“, sagt Michael. Aber wie? Freunde berichten ihm von der Veranstaltung Glemseck 101, dem mittlerweile größten Treffen für Custom-Umbauten in Europa. Und auch von den dort ausgetragenen, mittlerweile legendären Sprintrennen. Achtelmeile, zwei Starter, K.o.-System. Michael, der sein halbes Motorradleben auf europäischen Rennstrecken verbracht hat und 2007 sogar Champion der Internationalen Bike Promotion-Meisterschaft wurde, hat sofort ein Ziel: Sein zweites Pornobike soll die Sprints am Glemseck gewinnen. „Mir war klar, dass dort keine Nasenbohrer antreten. Um mitmischen zu können, braucht man Eier und Leistung.“ Und natürlich auch ein optisch ansprechendes Motorrad, das auf jeden Fall irgendwie porno ist. Die Wahl fällt wieder auf eine CB 750 Four, von denen der Westfale noch drei Exemplare in mehr oder weniger liebesbedürftigem Zustand Vor der Tür: „Soll ich jetzt rein, oder doch lieber nicht?“ im Eck lungern hat. „Die Optik war weniger
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Selfmade-Heck, Motogadget-Instrument, Honda-Lampenmaske, langer GFK-Tank, Drouin-Kompressor – alles porno. Nur die Gasannahme dürfte dosierbarer sein
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TECHNISCHE DATEN BODYWORK: Basis Honda CB 750 Four, Bj. 1974, Rahmen geändert, Vierzylinder-Reihenmotor mit Drouin-Kompressor, statt 67 nun zirka 100 PS, 45er-ShowaTelegabel, Suzuki GS 1000-Stoßdämpfer, untere Gabelbrücke und Alu-Vollscheibenräder Harley VRod, Suzuki GSX-R-Bremspumpe, Brembo-Monoblock-Festsättel vorn, Scheibe und Bremssattel hinten Kawasaki ZRX 1100, Honda-Halbschale aus den 1970ern, ZRX 1100-Schwinge, GFK-Tank, Eigenkonstruktionen: obere Gabelbrücke, Auspuffanlage, Bremssätteladapter, Sitzbank, Fußrasten BAUZEIT: Zirka 250 Stunden PREIS: Eigentlich unverkäuflich. Falls doch, dann nicht unter 30 000 Euro
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Zur Person aus dem Sprit kommt. Und damit der Rest des Antriebs auf die angebliche Mehrpower vorbereitet ist, zerlegt Michael den Motor, feinwuchtet Kurbelwelle samt Pleuel und führt so ziemlich alle Arbeiten aus, die gemeinhin als leistungsfördernd gelten. „Wegen des Massenausgleichs sitzt der Magnet-Zündrotor auf der rechten Seite der Kurbelwelle“, erklärt der Kfz-Meister. Ebenso, wie bei vielen am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig ist, werden viele Schrauber und Rennfahrer auch erst in der Nacht vor dem großen Event mit den Arbeiten fertig. Michael gehört nicht dazu. Er schafft es zwei Tage vorher. „Hast du eigentlich das Starten mit dem Ding geübt?“, fragt ein besorgter Freund. Michael ist irritiert. Für einen Ex-Rennfahrer wie ihn ist jeder Ampelstopp ein Sprintstart. Trotzdem stellt er sich an diesem Abend auf die Straße vor seinem Laden und probiert einen aggressiven Start. Dabei reißt der Riemen, die Verbindung von der Zwischenwelle zum Lader. „Als der mir damals nach 40 Jahren Lagerzeit aus der Verpackung entgegen lächelte, habe ich vorsichtshalber zwei neue anfertigen lassen“, meint er. Doch das soll nicht reichen. Der geplatzte Traum vom Sprintgewinn am Glemseck ist schnell zusammengefasst: Der erste von den zwei neuen Riemen reißt an jenem Abend vor Ort. Der zweite beim Trainingsstart und der daraufhin montierte, steinalte Riemen, hält nur bis zum Vorstart. Aus. Ende. Ein Traum in tausend Fetzen. Daheim schiebt Michael sein Pornobike in die Ecke, stellt es aber im Dezember 2015 aus „Jux und Tollerei“ auf die CustombikeMesse in Bad Salzuflen. Dort wird es mit dem ersten Platz in der Kategorie „Best Roadster“ geadelt. Sechs Monate sind seitdem vergangen. Bei FUEL frage ich mich, wie sich solch ein kompressorgetriebener alter Vierzylinder wohl im Alltag schlägt. Schließlich hat Michael Stamm alle Umbauten eintragen lassen, das Bike ist TÜV-konform, hat sogar eine Zulassung. Und wohin fährt man mit einem Pornobike? Genau! Ins Pornokino. „Du willst was damit machen?“ Der Suzuki-Händler ist völlig aus dem Häuschen, als ich anfrage. Er warnt: Durch den hohen Anpressdruck des Luftstroms würde der Schieber oft hängen, das Gas sei nicht regulierbar wie bei einem normalen Motorrad. „Es geht nur runter, wenn man den Gasgriff aus der Vollgasstellung zurückschnappen lässt.“ Schließlich sei das Motorrad für den Sprint gebaut. Die Lösung – ein desmodromisch wirkender Gasgriff mit zwei Zügen fürs Öffnen und Schließen – läge zwar auf der Hand, zum Einbau sei er jedoch noch nicht gekommen. Egal. Versuch macht klug.
Michael Stamm (44), SuzukiVertragshändler und Vater von zwei Kindern, wird seit drei Jahrzehnten vom Motorradvirus geplagt. Der Kfz-Meister fuhr erfolgreich Rennen und startete 2012 aus einer Laune heraus sein Label „Pornobikes“. Mehr Infos: www.motorradshop-ahlen.de
Ahlen, Westfalen, ein paar Tage später. Jedes Gasthaus heißt entweder „Zur Post“ oder „Zur Linde“, Aussiedlerhöfe wie Rostsprenkel in der Landschaft, die Straßen beherrscht von gigantischen Traktoren. Es riecht nach Schweinezucht und Einsamkeit. Das Pornokino ist laut Google gottlob nur 15 Kilometer vom Standort des Pornobikes entfernt. Aber wie verhält man sich? Vorher anrufen, fragen, was für ein Film läuft? Platz reservieren? Keinen blassen Schimmer. „Vorsicht mit dem Gas“, sagt Michael und drückt mir den Zündschlüssel in die Hand. „Spiegel und Blinker sind derzeit noch ab. Hatte keine Zeit“, grinst er. Alles klar. Trotz des sehr langen Tanks sitzt man recht entspannt. Und der per Häkelnadel und Schaufelrad gefütterte Vierzylinder nimmt brav seine Arbeit auf. Ab Halbgas hält der Staudruck den Schieber allerdings tatsächlich oben, was sehr gewöhnungsbedürftig ist. Er schnappt nur dann zurück, wenn man kurzzeitig Vollgas gibt. Ansonsten? Das Fahrwerk ist komfortabel, die Bremsen sind der Hammer! Auch der Lenkeinschlag ist überraschend groß. Da es keinen Schwimmer wie beim Vergaser gibt, muss man beim Abstellen des Motors sofort den Benzinhahn schließen. Sonst läuft der Tank leer. So dümpelt die Landschaft vorbei. Gestört fühlt sich niemand. Die selbst gebaute Auspuffanlage ist überraschend leise. Skeptisch schaue ich immer wieder auf den offen laufenden Riemen, dessen Vorgänger ja allesamt zerfetzt wurden. Doch er hält. Wann immer dieses Bike die Augen neugieriger Passanten auf sich zieht, muss man die Bedeutung des Schriftzuges erklären. Vor allem am Ziel, als die Maschine direkt neben dem Eingang zum Pornokino parkt. Zwei Neugierige vermuten einen Promotion-Gag, betteln um ein Foto mit Selbstauslöser. Andere erkundigen sich, in welchem Porno das Motorrad mitgespielt hat. Und wie ist das jetzt mit dem Pornokino? Ich verrate nur so viel: Platzreservierung überflüssig.
www.fuel-online.de
Text: Rolf Henniges Fotos: Arturo Rivas
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BLACKBEAN MOTORCYCLES
UNTER DEM LABEL „BLACKBEAN MOTORCYCLES“ ENTSTEHEN IN MÜNCHEN AUSSERGEWÖHNLICHE CAFÉ RACER. TREIBENDE KRAFT DAHINTER: AXEL KREMBS. FUEL HAT NACHGEHAKT.
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als ich noch
Mission
SCHWARZE BOHNE
ein Kind war,
hat mein Vater mit mir eine Honda Dax komplett restauriert. Schon damals hat mich fasziniert, was aus einem verrosteten Haufen Schrott werden kann”, sagt Axel Krembs. Er steht in seiner neuen Werkstatt in München-Riem und blickt leicht wehmütig in die Vergangenheit. „Ich hab meinem Vater oft dabei zugesehen, wie er nach Feierabend in seinem Kfz-Meisterbetrieb an seinen Guzzis und Ducatis getüftelt hat. Er hatte 15 Motorräder, die alle liebesbedürftig waren. Als wir die Honda Dax fertig hatten, drehte mein Vater im Hof die erste Runde und ließ mich auch an den Lenker – ein unbeschreibliches Gefühl. Ich wusste in diesem Augenblick, was ich in meinem Leben machen wollte: das Gleiche wie er!“ Doch der Vater stirbt, als Axel 15 ist. „Damals brach eine Welt für mich zusammen und ich wollte nichts mehr mit Motorrädern zu tun haben, weil ich sie zu sehr mit meinem Dad in Verbindung brachte“, sagt er heute. Trotzdem tritt Axel in seines Vaters Fußstapfen, arbeitet derzeit bei Mercedes Classic, restauriert tagsüber Oldtimer, macht abends die Meisterschule – und kommt von Motorrädern nicht mehr los. Mittlerweile hat er ein Nebengewerbe angemeldet, das sich mit dem Bau von Café Racern beschäftigt: Blackbean Motorcycles. Vier wunderschöne Umbauten sind unter diesem Label bereits entstanden, drei weitere befinden sich derzeit in Arbeit. Für FUEL stand der 22-jährige Münchner Rede und Antwort.
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Im Interview
Fuel: Wie muss man sich den
Axel Krembs, Custombike-Bauer
Fuel: Wie kam es, dass Du Dich nach dem Tod Deines Vaters wieder den Motorrädern zugewandt hast?
Axel Krembs: Viele Jahre nach seinem Tod kramte ich die Honda Dax aus dem letzten Eck. Ich wollte, dass sie wieder zum Leben erweckt wird. Nach einem Ultraschallbad und neuer Bedüsung sprang der Motor auch auf den ersten Kick an. Das war wie ein Zeichen, eine Initialzündung. Ich durchforstete das Internet und kaufte zwei total verhunzte 1970er-Honda CB 250 G. Von Anfang an war klar, dass es keine normale Restaurierung werden sollte! Die alte Moto Guzzi LM II meines Vaters, die im hinteren Eck der Werkstatt stand, war Vorbild des Umbaus. Ich las viel über die für mich damals unbekannten Café Racer und skizzierte. Als ich eine klare Vorstellung davon hatte, wie das fertige Motorrad aussehen sollte, vergaß ich die Zeit. Ging morgens in die Werkstatt und verließ sie erst, als es schon stockdunkel war. Eine Leidenschaft wurde entfacht – die Faszination, ein 35 Jahre altes Motorrad wiederzuerwecken und auf den heutigen Stand der Technik zu bringen. Ich brenne für den Erhalt einer Ära. Fuel: Wofür steht der Name Blackbean Motorcycles? axel krembs: Ein fertiger Café Racer sollte nicht schlicht Honda CB 250 oder so heißen. Die Black Bean, also schwarze Bohne, ist nun mal der Bestandteil des Kaffees. Und kann damit sofort mit Café Racern in Verbindung gebracht werden. Das Logo wird per Laser aus Edelstahl gefertigt und ziert den Tank meiner Umbauten. Fuel: Wie entsteht Dein Design, was inspiriert Dich? axel krembs: Viele Dinge inspirieren mich, die müssen nicht einmal etwas mit Motorrädern zu tun haben. Während etliche Motorradbauer sich an irgendwelchen High-EndAnbauteilen oder einer verwundenen Auspuffanlage ergötzen, geht es mir mehr um Harmonie und Stimmigkeit in der Linienführung am Motorrad. Sehr gute Beispiele für gesamtharmonische Linien finden sich oft im Schiffsbau. Sei es bei großen Yachten oder modernen Segelbooten. Überhaupt genießt Industriedesign meine volle Aufmerksamkeit. Doch ich fühle mich ebenso von Ikonen wie James Dean oder Steve McQueen beeinflusst. All die großen Namen und die mit ihnen verbundenen Lebenseinstellungen und Lebensstile. Ehrlich gesagt würde ich gern selbst in dieser Zeit leben.
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Entstehungsprozess vorstellen?
axel krembs: Da gibt es kein festgesetztes Schema wie vorab skribbeln, zeichnen oder Computeranimation. Ich setze mich lieber in meine Werkstatt direkt vor das Moped, baue in meinem Kopf um und skizziere vor Ort. Das hat den Vorteil, dass ich viele Ideen sofort auf ihre Funktionalität prüfen kann. Bevor ich viel Zeit am Computer verbringe und irgendwas Digitales zusammenbastele, kann ich in der Hälfte der Zeit mit Bleistift und Papier bessere Ergebnisse vor Ort erzielen. Fuel: Du wirst fortan auch Auftragsarbeiten ausführen. Wie muss man sich das als Kunde vorstellen?
axel krembs: Stimmt. Mein Traum ist es, vom CustombikeBau leben zu können. Warum sollte ich mein Leben damit verbringen, etwas zu tun, was keinen Spaß macht? Was die Kundschaft angeht: Entweder, der Interessent bringt sein eigenes Motorrad mit, oder ich besorge ihm sein Wunschmotorrad, auf dessen Basis der Umbau stattfindet. Darüber hinaus sollten Interessenten Vertrauen haben, denn bei mir wird es im Vorfeld keine komplett colorierte Motorradskizze geben. Ich halte das Ganze möglichst unkompliziert. Idealerweise setzt man sich einfach zusammen und versucht herauszufinden, was der Kunde will. Ich versuche dabei seine Gedanken einzufangen und umzusetzen. Die fertigen Motorräder liefere ich mit meinem Transporter deutschlandweit aus. So der Plan.
Axel und sein Kumpel Philipp: „Die Linienführung muss stimmen. Sie macht den großen Unterschied“
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BLACKBEAN MOTORCYCLES
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BLACKBEAN MOTORCYCLES
Fuel: Wie viel und was machst Du selbst?
Fuel: Was findest Du cool?
axel krembs: Trotz meines jugendlichen Alters bringe ich Erfahrung mit. Bei meinem Arbeitgeber habe ich täglich mit der Restaurierung von Oldtimern zu tun und versuche, auch bei meinen Umbauten möglichst viel selbst zu machen. Spezielle Dinge wie Zylinder honen, Teile verchromen oder pulvern, lackieren und ähnliches erledigen natürlich Fachbetriebe meines Vertrauens. Als One-ManShow ist es wichtig, kompetente Fachbetriebe an seiner Seite zu haben, die gute Arbeit leisten. Rahmenarbeiten und das Design bei Tank, Sitzbank, Höcker oder Ähnlichem setze ich selbst um. Diese Teile sind am Ende maßgeblich für den Look des Motorrads verantwortlich, hier müssen die Linie und das Gesamtpaket einfach passen. Bei allem steht die Qualität und nicht die Quantität im Vordergrund. Schließlich sollen die Motorräder Generationen überleben und nicht so wie die heutigen Plastikbomber nach fünfzehn Jahren zu bröseln anfangen, weil die Weichmacher aus den Kunststoffen raus sind.
axel krembs: Man sieht sofort, ob ein Moped mit Liebe neu aufgebaut oder nur zusammengepfuscht wurde, um auf den ersten Blick Effekte zu erhaschen. Es geht mir hauptsächlich um die perfekte Linienführung. Sobald diese vorhanden ist, kann man sich über Details streiten. Die geometrische Form eines Café Racers ist eine Raute. Wenn man diese sieht, ist es für mich ein gelungenes Motorrad. Mich törnt eine dicke, hochglanzpolierte Duplex Trommelbremse genauso an wie eine Upside-down-Gabel mit Doppelscheibe. Es muss einfach ins Konzept passen und stimmig sein. Darüber hinaus gibt es meines Erachtens einfach Dinge, die zu einem echten Café Racer gehören: ein freies Rahmendreieck, offene Filter, Stummellenker, oder Ochsenaugen...
Fuel: Wie lange dauert es von der Idee bis zum fertigen Bike?
axel krembs: Das kommt auf die Ausgangsbasis und auf den Umbauaufwand an. Und natürlich auch auf die Auslastung meiner Zulieferer. Eigentlich kann man sagen, dass es im Sommer fast doppelt so viel Zeit in Anspruch nimmt wie im Winter. Zur Zeit versuche ich alle vier Monate ein Motorrad TÜV-fertig zu haben. In Zukunft würde ich jedoch gern jeden Monat ein Motorrad auf die Straße bringen.
Zur Sache Blackbean Motorcycles ist in München beheimatet. Dahinter verbirgt sich der erst 22-jährige und angehende Kfz-Meister Axel Krembs (links). Nachdem er bislang nur für Freunde einige Umbauten realisiert hat, möchte er unter seinem Label fortan auch Auftragsarbeiten ausführen. Weitere Infos unter: www.blackbean-motorcycles.de
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Fuel: Wie sieht Dein ultimativer Café Racer aus? axel krembs: Oh, das ist leicht. Meine Traummaschine kommt aus Mandello del Lario: Sie wurde von 1976 bis 1978 gebaut, hat einen V2 und heißt Moto Guzzi LM1. Die Maschine mit Speichenrädern, Upside-down-Gabel samt Doppelscheibe, Edelstahl-Auspuff, kurzem Heck, offenen Trichtern, steilem Höcker – das wäre mein Traum. Alles nur aufs Nötigste reduzieren. Die Farbkombination von damals würde ich beibehalten. Mein Ziel wäre, die Maschine optisch ans Original anzulehnen, technisch allerdings auf der Höhe der Zeit zu haben Fuel: Die Basis Deiner letzten beiden Bikes waren zwei Honda, eine CB 250 und eine CX 500. Wie schätzt Du den Coolness-Faktor der Bikes ein?
axel krembs: Die oftmals verhohnepipelte Güllepumpe ist in meinen Augen ein komplett zu Unrecht beschimpftes Moped. Sie ist von Grund auf solide, und der Motor ist trotz Wasserkühlung recht charmant und hält dazu ewig. Ich muss zugeben, dass ich am Anfang auch nicht gleich Feuer und Flamme war, als der Kollege mit diesem Motorrad um die Ecke kam. Doch in der Umbauphase fand ich immer mehr Gefallen an der Maschine und man sieht ja, was draus geworden ist. Außerdem ist der Reiz viel größer, aus einer „hässlichen“ Maschine einen modernen, alltagstauglichen Café Racer zu machen, als ein von jedermann als schön und ästhetisch empfundenes Motorrad umzubauen. Und es dabei vielleicht sogar für viele hässlicher zu machen. Es ist umso cooler, wenn die Leute die vermeintlich hässliche Güllepumpe im Original kennen und dann über den Umbau und das Ergebnis staunen. Ehrlich: Nach Fertigstellung der CX 500 war es hart, sie dem Kunden auszuliefern, der mittlerweile ein echt guter Freund geworden ist. Die hätte ich am liebsten selbst behalten... www.fuel-online.de
Text: Rolf Henniges, Thomas Salomon Fotos: www.we-shoot-it.com
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MENSCHEN
SOPHIE WILLBORN
SOPHIES
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TAUSEND IDEEN SCHWAPPEN IM KOPF VON SOPHIE WILLBORN HIN UND HER WIE DIE WELLEN AUFGEWÜHLTER SEE. EINE DAVON HAT SIE MIT HEADWAVE IN DIE TAT UMGESETZT.
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as frühe Automobil? Eine vorübergehende Erscheinung. Der Computer? Nichts für den Weltmarkt. Und elektrisches Licht? Absoluter Nonsens! Die frühen Prognosen großer Errungenschaften waren alles andere als optimistisch. Heute sind wir etwas schlauer. Und wissen auch, dass die Geburt eines neuen Produkts eine schwere ist. Denn Skepsis ist der größte Feind von Ausdauer, Selbstvertrauen und Innovation. Auch Sophie Willborn sah sich anfänglich mit diesem Problem konfrontiert. Die 29-Jährige (Foto rechts) versprüht ohne Zweifel den Geist großer Forscher. Auch wenn ihre Erfindung die Welt wohl nie so aus den Angeln zu heben vermag wie jene von Carl Benz oder Thomas Alva Edison. Der Glaube an die eigene Idee eint sie allerdings mit diesen Genies. Sophie, die eine Harley im Hof stehen hat und gerade von einem Supersportler träumt, war stets auf der Suche nach gutem Sound unterm Helm. Schon in der Fahrschule erkannte sie die Mängel von Ohrstöpseln im Kopfschutz. Die Konstruktionen waren umständlich und inkonsequent. Die junge Frau, gesegnet mit handwerklichem Talent und einem Abschluss in Produktdesign, macht sich deshalb selbst ans Werk. Und lötet in null komma nichts ihre erste Mikro-Beschallung zusammen. Eher zufällig entdeckt sie dabei, wie effektiv ein Lautsprecher die Helmschale bei direktem Kontakt zum Resonanzkörper macht. Ein neues Hörerlebnis … Aus der Pillendose mit etwas Kabelsalat wird über verschiedene Evolutionsstufen ein passables Gerät, das die Klänge des Smartphones über den Helm direkt in den Kopf des Bikers transportiert. Das funktioniert so gut, dass die Begeisterung von Freunden sie alles wagen lässt: Sophie gründet ein Unternehmen. Denn sie hegte schon immer den Wunsch, auf eigenen Beinen zu stehen. „Ich bin durchaus künstlerisch begabt und hatte schon mit 19 meine eigene Grafik-Agentur. Doch vor allem bin ich an Technik interes-
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siert. Woher diese Neugierde kommt, wissen auch meine Eltern nicht“, sagt sie verschmitzt. „Ich wollte dann in der Uni so viel Wissen wie nur möglich aufsaugen und habe zwischenzeitlich auch mit einer Karriere als Wirtschaftsingenieurin geliebäugelt.“ Doch das war Sophie zu theoretisch. Den Aufbau von „Headwave“ kann sie nun mit eigenen Händen gestalten, ganz praktisch. Ein Segen, „obwohl ich zu Beginn vieles als eine Nummer zu groß für mich empfand. Doch im Gegensatz zu früheren Ideen erschien mir mein Einsatz nicht mehr nur reine Zeitverschwendung“. Durch Coaching und harte Arbeit kommt ihr Unternehmen schließlich auf die Beine. Die Start-up-Szene wird ihre zweite Heimat. Und auf einer Reise nach Tokio lernt sie Donald kennen, ihren künftigen Mentor. Ein Glücksgriff, weil der Business-Engel nicht nur ein Workaholic ist, sondern auch seine Erfahrung an andere weitergeben will. Toby, ein Zahlengenie aus dem Silicon Valley, stößt ebenfalls dazu. Der Rest ist Geschichte: Headwave wird professionell. Spezifiziert, analysiert, innoviert und fertigt mit Vollgas kleine Sound-Module, die man einfach an die Hinterseite seines Helmes klebt. Gute Presse und kluge Details sorgen letztlich für erste Kunden – und für einen Durchbruch. „Endlich habe ich die Chance, mich als Unternehmerin zu beweisen und darin langfristig Inspiration zu finden. Der Austausch mit unseren Kunden ist dabei superwichtig. Denn nur durch den Kontakt zu anderen Motorradfahrern behalte ich deren Bedürfnisse im Blick. Die Empathie bleibt sonst auf der Strecke.“ Das Verständnis für den Kunden, einen unbändigen Willen und grenzenlosen Tatendrang, auch das hat Sophie mit anderen Erfindern gemein. Wer weiß, vielleicht nennt man ihren Namen eines Tages doch im gleichen Atemzug mit Benz und Edison… www.fuel-online.de
Text und Fotos: Sven Wedemeyer
Ausprobiert Das Headwave TĀG ist ein Wunderwerk der Technik, etwa so groß wie ein Brillenetui. Die Lautsprechereinheit schmiegt sich durch flexiblen Kunststoff und kräftige Klebefolie an jede Helmrückseite. Und nutzt die Schale des Kopfschutzes zum Transport der Schallwellen, egal, ob Jet oder Integral. Verknotete Kabel oder schlecht sitzende Ohrenstöpsel gehören so zur Vergangenheit – der Helm selbst wird zum Lautsprecher. Die Bedienung ist simpel: Akku laden, der für sechs Stunden Energie speichert, Gerät einschalten und mit der Bluetooth-Schnittstelle seines Smartphones verbinden. Zum Steuern des TĀG muss das Telefon allerdings in Griffweite und bedienbar sein (nicht einfach, wenn man Motorradhandschuhe an hat). Der Sound könnte basslastiger sein. Weitere Einflüsse, die den Soundgenuss beinflussen können, sind natürlich Art und Material des Helms, die gefahrene Geschwindigkeit und Windverwirbelungen, die je nach Motorradtyp unterschiedlich ausfallen. Bei Reisetempi jenseits der 120 km/h auf der Autobahn macht das TĀG weniger Sinn. Landstraßencruisen bis 100 km/h dagegen ist der optimale Einsatzbereich des neuen Geräts. Das Headwave TĀG gibt‘s ab 299 Euro unter www.headwave.de.
Einen Test findest du auf fuel-online.de/headwave
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BOXER ! PUR !
IN EINER VOLLELEKTRONISCHEN VOLLKASKOWELT IST SO MANCHER FROH ÜBER HANDGEMACHTES, EHRLICHES. BLOSS WEG VOM ÜBERFLUSS HEISST DER TREND. DA PASST BMWS PURISTISCHER SCRAMBLER WUNDERBAR HINEIN.
Gangwechsel-Aufforderung, Händchen-Halter und Schräglagen-Assistent. Die schleichende Entmündigung hält Einzug. Wollen wir das wirklich?
D
as Leben wird immer berechenbarer. Gegen Schnupfen lassen wir uns impfen. Gegen Diebstahl versichern. Und gegen Impotenz werfen wir blaue Pillen ein. Der Trend geht zu selbstfahrenden Autos, deren Infotainment es mit dem eines Flugzeugcockpits aufnehmen kann und die dir eine Strafarbeit aufbrummen, wenn du mal wieder vergessen hast, zu blinken oder das Licht auszuschalten, und die dich anrufen, wenn der oder die Alte wieder mal fremdgeht. Aber auch zu Motorrädern mit Rundum-Wetterschutz, stufenlos verstellbarer Sitzbank mit stufenloser Sitzheizung, sechzigfachen Fahrmodis,
Anscheinend nicht. Gerade BMW, Vorreiter in puncto elektronische Helferlein, Sitz-, Griff- und Fußbodenheizung, zauberte mit der R nineT vor drei Jahren ein Motorrad aus dem Hut, das einen Siegeszug um die Welt antrat, obwohl es eigentlich nur zwei Dinge konnte: zeitlos aussehen. Und fahren. Fahrer des Roadster genannten Gefährts wurden nicht nach Topspeed, Beschleunigung oder Kurven-ABS gefragt. Sondern nur, wo man die Kiste kaufen kann. Mit 23 000 verkauften Einheiten liegt die R nineT derzeit auf Platz sechs der weltweit meistverkauften Big Bikes im Zeitraum der letzten drei Jahre. Tendenz steigend. Wenn also weniger zurzeit wirklich mehr ist, könnte man den Verzicht ja optimieren, dachte sich BMW und schiebt ab Mitte September die neue Scrambler in die Verkaufsräume. Gegenüber dem erfolgreichen und ebenfalls puristischen Schwestermodell verzichtet die Scrambler jedoch auf Drahtspeichenräder, Drehzahlmesser, Ganganzeige, Upside-down-Gabel, Alutank und das von vielen geliebte, nostalgische, angenietete Blechschild mit der Rahmennummer. Darüber hinaus muss sie mit einem Liter geringerem Tankvolumen (17 Liter) und einem schmaleren Hinterreifen auskommen. Macht sie auch. Wie gut, davon durfte sich das Journalistenheer bei der Fahrpräsentation in den Alpen überzeugen. Also rein in den Sattel.
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TECHNISCHE DATEN MOTOR: Luft-/ölgekühlter ZweizylinderBoxermotor, Vierventiltechnik, 1170 cm³, Bohrung x Hub 101 x 73 mm, 110 PS bei 7750/min, 116 Nm bei 6000/min, Lichtmaschine 720 Watt, Sechsganggetriebe, Sekundärantrieb über Kardan BODY: Stahl-Gitterrohrrahmen, Motor mittragend, Telegabel, Einzelfederbein, Federweg v/h 125/140 mm, Nachlauf 116,1 mm, Radstand 1522 mm, Lenkkopfwinkel 61 Grad, Alu-Gussräder, Bereifung vorn 120/70-19 auf 3.00 x 19, hinten 170/60-17 auf 4.50 x 17, Sitzhöhe 820 mm, Leergewicht 220 kg, Tankinhalt 17 Liter BASISPREIS: 13 000 Euro
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BMW SCRAMBLER
wortlichen vehement. Die Scramber – so betonen alle unisono – sei wesentlich handlicher als ihre RoadsterSchwester. Der Eindruck vor Ort untermauerte diese Aussage nicht wirklich. Die Reduzierung der HinterradDimension von 180/55 auf 170/60 und auch die Verwendung von schmaleren Felgen sprechen jedoch für besseres Handling. Und was sagt das Popometer? Vergleichsweise spartanisch ausgestattetes Cockpit: zwei Daytrips, Gesamt-km, Öltemperatur, Uhrzeit
Erster Eindruck: entspannter als auf dem Schwestermodell. Gegenüber der R nineT sind die Fußrasten etwas weiter hinten und tiefer angebracht. Der Lenker ist dichter am Fahrer und höher positioniert. Man sitzt schön aufrecht. Per Knopfdruck nimmt der luft-/ölge- kühlte Boxer seine Arbeit auf und man fragt sich, ob ein frühsteinzeitlicher Kickstarter für alle Weniger-ist-mehrRufer nicht besser ins Konzept gepasst hätte. Doch: Schafft es der gemeine Hipster, den Boliden am Treff anzukicken? An den stabilen Sohlen der Redwings sollte das nicht scheitern. Egal. Bereits nach wenigen Kilometern verpufft eine lange im Raum schwebende Angst: Die Euro 4-Norm hat dem luftgekühlten Boxer weder die Kehle zugeschnürt noch hat sie ihn kraftlos gemacht. Die Spitzenleistung von 110 PS bei 7750/min blieb erhalten, die Gasannahme ist allerdings etwas verhaltener als bei der nineT. Neudeutsch: sie ist smoother. Die gegenüber der Euro 3-Abgasnorm eingebüßten drei Newtonmeter Drehmoment spürt man wirklich nur unter starkem Drogeneinfluss. Und aus dem serienmäßigen Akrapovic-Schalldämpfer tönt es kernig dumpf wie zuvor. Alles wunderbar. Wer hätte das gedacht? Allerdings blieb es nicht bei den aufgezählten Änderungen. Der Rahmen ist mit dem der R nineT nicht identisch. Beim Scrambler ist der Lenkkopfwinkel flacher – ergo vergrößerte sich auch der Nachlauf und der Radstand wuchs um 46 auf 1522 Millimeter. Änderungen, die gemeinhin dazu führen, dass ein Fahrzeug zwar besser geradeaus läuft, aber auch unhandlicher wird. Darauf angesprochen, dementierten die BMW-Verant-
Aua, sagt es. Nach nur drei Stunden im schmalen Einzelsitz zwickt es gewaltig. Komfort ist anders. Doch wie war das gleich? Purismus! Genau. Weniger ist mehr. Wobei: Der auf fast allen Pressebikes montierte Einzelsitz gehört zum Posten Sonderzubehör und muss zusätzlich geordert werden. Serienmäßig kommt die Scrambler mit Zweipersonen-Bank. Und was ist mit dem Gefühl der Freiheit? „Scrambler“ bedeutet frei übersetzt „klettern, kraxeln“. Also auch locker weiterfahren zu können, wenn die Landstraßen dritter Ordnung zur vierten mutieren. Geht. Grobstollige Reifen drauf – sieht sowieso besser aus – und dann kann’s losgehen. Passend zum Purismus sind auch die Federelemente abgestimmt. Weder Gabel noch Federbein werden Preise für besonders sensibles Ansprechverhalten einheimsen. Das harsche Getrampel auf arg vernarbtem oder bodenwelligem Asphalt hat nichts mit Komfort zu tun. Purismus. Genau. Passt! Kommen wir zum Schluss zur guten Nachricht, die auch schlecht sein kann. Mit einem Preis von 13 000 Euro ist die Scrambler 1800 Euro günstiger als ihre schöne Schwester. Wer allerdings nicht auf Details wie stilechte Drahtspeichenräder (zirka 400 Euro Aufpreis), Drehzahlmesser (zirka 470 Euro) oder gar den schönen, 3,7 Kilo leichteren Alutank (900 Euro) oder sonstige Leckereien aus dem BMW-Zauberhut verzichten möchte, endet schnell beim Preis der R nineT. Das von vielen verehrte Blechschild mit der Rahmennummer kann angeblich ab Werk ebenfalls geordert werden. Der Aufpreis hierfür: 150 Euro. Aber das ist natürlich alles irrelevant. Man kauft doch nicht extra ein puristisches Motorrad, um es anschließend mit allerlei Firlefanz aufzupeppen. Oder? Oder? www.fuel-online.de
Text: Rolf Henniges Fotos: Jörg Künstle
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BMW SCRAMBLER
Im Interview
Matthias Runde, Produktmanager R nineT/Scrambler und Norbert Rebholz, Projektleiter Scrambler (v.l.)
Fuel: Prognose erwünscht!
Fuel: Trotzdem bietet ihr einen Haufen Zubehör an,
Wird die Scrambler so erfolgreich wie die R nineT?
mit dem sich die Maschine aufbrezeln lässt ...?
Runde: Wir hoffen es. Der Erfolg der nineT hat uns überrascht. Auch dieses Jahr ist die Verkaufsprognose mit 2000 Einheiten in Deutschland sehr zufriedenstellend. Mit der Scrambler wollen wir das Angebot im klassischen Bereich erweitern. Bedingt durch die größere Sitzhöhe und die gegenüber der nineT geänderte Ergonomie spricht die Maschine auch größere Fahrer an. Ein nicht zu unterschätzendes Kriterium.
Fuel: Worin besteht der Unterschied zwischen dem Scrambler- und R nineT-Kunden?
runde: Kunden mit Offroad-Vergangenheit und Liebhaber von Stollenreifen wird die Scrambler sofort ansprechen. Auch jene, denen die Sitzposition auf der nineT zu sportlich ist. Zudem ist der Scrambler-Style wieder sehr populär geworden. Fuel: Das Fahrwerk der Scambler ist nicht sehr komfortabel. Warum bietet ihr kein ESA für die Modelle an?
rebholz: Ein ESA passt nicht in das puristische Konzept der Scrambler. Wir wollten so wenig Elektronik wie möglich reinpacken. ABS und Traktionskontrolle sollten reichen. Die Kundenreaktionen auf den BMW-Days in Garmisch, wo wir die Scrambler ausgestellt hatten, waren unisono begeistert und geben uns recht: „Endlich mal wieder ein Motorrad, an dem nur das Nötigste dran ist.“
Rebholz: Nun ja, man kann sich doch die Basis heute kaufen und die Maschine in den Folgejahren sukzessive verändern. Der Preis ist deshalb recht moderat angesetzt, so bleibt dem Kunden Luft zur Individualisierung. Die Triebfeder sollte es sein, sich ein Unikat zu erschaffen. Fuel: So, wie es die Menschen derzeit überall auf dem Globus tun. Stichwort New-Custom-Wave. Habt ihr keine Angst, dass diese Welle bricht und die Kunden sich wieder auf Performance und Ausstattung besinnen?
Runde: Nun, darauf wären wir mit unserem Produktportfolio bestens vorbereitet. Ich persönlich glaube eher an ein Wachstum des Segments, und dass die Segmentierung noch stärker wird. Diesen Trend gibt es im Pkw-Bereich seit Jahren. In den 1980er-Jahren haben wir die ganze Welt noch mit vier, fünf Motorrad-Modellen beglückt. Das wird in Zukunft nicht mehr funktionieren. Auf Basis des etablierten, luftgekühlten Boxers könnte man sich noch weitere klassische Modelle vorstellen. Quasi Deckel für all die verschiedenen Töpfe da draußen ... www.fuel-online.de
Das Interview führte Rolf Henniges
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MENSCHEN
MOTOCROSSER FELIX SCHWARTZE
AUF DEM
G N U R SP
MOTORRADFAHREN MACHT GLÜCKLICH. DAS WUSSTEN WIR SCHON IMMER. DOCH KANN ES AUCH HEILSAM SEIN? EINE STORY UM ADHS (AUFMERKSAMKEITS-DEFIZITHYPERAKTIVITÄTS-STÖRUNG) UND MOTOCROSS.
ONKEl
Micha ist an allem schuld! Schließlich war es seine Idee, den Dreijährigen aufs Motorrad zu setzen. Dennis Schwartze zögert. Nach der Geburt seines Sohnes hatte er sein eigenes Motorrad samt Zubehör verkauft, wollte das Hobby an den Nagel hängen. Nun steht er vor einer KTM SX 50 Mini, die sein Bruder ihm für seinen kleinen Sohn Felix mitgebracht hat. Na gut. Nur eine Runde. Weil der Kleine so gern will. Ein paar Minuten später fährt Felix die Obstwiesen hinter dem Haus der Oma bergauf und bergab.
Felix im Kreis der Familie: Strukturen und Planung sind für ADHS-Kids enorm wichtig
Das Laufrad, auf dem er bislang zuhause war, ist fortan nur noch Babykram. Die mütterliche Begeisterung über die Spritztour durch die Obstwiesen hält sich in Grenzen. Kerstin Schwartze stellt eine Bedingung: Bevor Felix tatsächlich mit dem Motorradfahren anfangen darf, soll er wenigstens erst einmal ordentlich Fahrradfahren lernen. Also setzt Vater Dennis seinen Sohn aufs Fahrrad. Der fährt los, bremst, fährt weiter, steigt ab, dreht um, fährt wieder los. Als hätte er nie etwas anderes gemacht. Bedingung erfüllt. Kerstin Schwartze hat die Rechnung ohne das Motorik-Talent ihres Sohnes gemacht. Das war vor sechs Jahren. Mittlerweile ist Felix neun Jahre alt. Vergangenes Jahr hat er auf seiner KTM SX 50 die Deutsche Meisterschaft bis 50 Kubik gewonnen. Diese Saison hat ihn sein Vater mit der nächstgrößeren KTM SX 65 bei internationalen Rennen angemeldet. Der Traum von Vater und Sohn ist, dass Felix beim ADAC Supercross im Herbst als eines von zehn Kindern die Strecke eröffnen darf. Für die nächsten zehn Jahre haben sich die beiden weit mehr vorgenommen: Wenigstens einmal soll Felix ein Rennen in den USA mit-
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Felix, letztjähriger deutscher MX50Meister, ist dieses Jahr auf einer 65er unterwegs
Psychologen und ein ganzes Team von anderen Spezialisten, die den Jungen begutachten. Diagnose: ADHS. Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung.
Hoch hinaus: Felix und sein Vater träumen von Rennen in den USA
fahren. „Amerika ist das Vorzeigeland im Motocross. Wer dort mitfährt, kann von Preis- und Sponsorengeldern leben. Dass der Weg bis dahin weit und das Ziel hochgesteckt ist, wissen wir selbst“, meint Dennis Schwartze. Ganz ernst nimmt der 42-Jährige sein Vorhaben nicht. Zumindest noch nicht. Talentscouts beobachten junge Fahrer ab Kubikklasse 85. Die fährt man erst mit 13 Jahren, sehr begabte Kinder vielleicht schon ein bis zwei Jahre früher. Felix Schwartze vereint in sich die besten Voraussetzungen für einen Motocrosser: Er steckt voller Bewegungsdrang, ist technisch geschickt, vor allem aber hat er einen ausgeprägten Kampfgeist. Schon mit neun Monaten, eine Zeit, in der andere Kinder gerade laufen lernen, kraxelt er mit Vorliebe Treppenstufen hinauf. Drei Mal muss Familie Schwartze ihren Sohn suchen, als sie einen Ausflug ins Playmobilland unternehmen. Der Kleine spaziert fröhlich allein durch die bunten Bauklotztürme. Im Kindergarten berichten die Erzieherinnen aufgeregt, dass Felix ständig auf Bäume klettere – auch auf die hohen, auf die sich andere Kinder nicht trauen. Als Felix in die erste Klasse kommt, bereitet ihm der Lernstoff zunächst wenig Sorgen. Doch die Einträge ins Hausaufgabenheft häufen sich: Felix schaut ständig zum Fenster hinaus. Felix stört im Unterricht. Felix ist heute während der Stunde einfach aufgestanden. In der zweiten Klasse stürzen seine Leistungen rapide ab, die Zappelei nimmt zu. Die Schwartzes gehen mit ihm ins Sozialpädiatrische Zentrum in Stuttgart. Dort gibt es
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ADHS ist eine Krankheit, die in den vergangenen Jahren immer häufiger bei Kindern diagnostiziert wird. Etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen drei und 17 Jahren leiden unter der Störung. Bei Jungen wird die Krankheit vier Mal so häufig festgestellt wie bei Mädchen. Es gibt zahlreiche Kritiker der Diagnose. Solche Kinder hätte es schon immer gegeben, so das weitläufige Argument. Der Zappelphilipp komme schließlich schon in den alten Struwwelpeter-Büchern vor. Doch so einfach ist es nicht. Christof Bott ist Psychologe für Kinder- und Jugendliche an der Tagesklinik in Stuttgart. Er erklärt die Krankheit so: „Im vorderen Bereich des Gehirns, der die Handlungen plant und die Aufmerksamkeit steuert, sind zu wenig Botenstoffe vorhanden. Dieser Teil erfüllt also seine Aufgabe nicht.“ Daraus folge, dass die Patienten schneller abgelenkt werden, sehr impulsiv sind und sich nicht gut konzentrieren können. Außerdem, so Bott, seien sie schneller reizbar als Gleichaltrige, sind bei Denkaufgaben sehr ungeduldig, schnell frustriert und ständig unruhig. „Die Kinder haben einen sehr weiten Aufmerksamkeitsfokus und nehmen sämtliche Reize gleichberechtigt wahr, die auf sie einströmen. Sie können nicht priorisieren, sich also nur auf die Mathearbeiten konzentrieren, zum Beispiel. Sondern für sie ist das Pfeifen der Vögel oder des Heft des Sitznachbarn genauso wichtig“, sagt Bott. Er empfiehlt Felix Medikinet. Mit dem Medikament kann der Neunjährige sich besser auf den Unterricht konzentrieren. Es wirkt etwa vier Stunden, genau die Zeit, in der gelernt und Hausaufgaben gemacht werden. „Erst haben wir uns gar nicht getraut, dem Arzt zu sagen, dass Felix Motocross fährt. Viele Eltern finden den Sport schon bei gesunden Kindern gefährlich. Wir hatten Sorge, dass der Arzt das nicht gutheißt“, meint Kerstin Schwartze. Das Gegenteil ist der Fall. Christof Bott findet, der Sport passt sehr gut zu Felix. „Beim Motocross muss man nicht
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MOTOCROSSER FELIX SCHWARTZE
viel erklären und Felix muss nicht viel zuhören, sondern er kann viel durch Nachmachen und Ausprobieren lernen, was Kindern mit ADHS, sofern sie über ein ausgeprägtes Körpergefühl verfügen, sehr entgegenkommt“, sagt der Arzt. Dass Kinder mit ADHS häufig impulsiver sind, wirkt sich für Felix beim Motocross positiv aus. Ohne lange Vor- und Nachteile abzuwägen, fällt er blitzschnell Entscheidungen. Gleichzeitig gibt es in dem Sport klare Regeln: Startgatter runter – los geht’s! Gelbe Flagge – Vorsicht geboten! Rote Flagge – Rennabbruch! Zielflagge – Rennende! Auch die immer gleichen Abläufe der Renn- und
Coach, Vertrauter, bester Kumpel und Vater: Dennis Schwartze unterstützt seinen Sohn
Trainingstage helfen Felix dabei, dass er sich zurechtfindet. Im Alltag der Schwartzes musste eine Struktur künstlich festgelegt werden. Denn nichts ist für die ADHSler wichtiger als festgelegte Strukturen. An der Wand in der Küche hängt deshalb eine große weiße Tafel. Darauf sind Wochentage, Uhrzeiten und Tätigkeiten notiert: Montag bis Freitag zwischen sechs und acht Uhr steht da: aufstehen, frühstücken, Zähne putzen, anziehen, Haus verlassen. Am Nachmittag steht geschrieben: zehn Minuten lesen, Training auf Felix‘ Heimatstrecke in Rudersberg. „Es hat uns einige Wochen und viel Disziplin gekostet, einen so strikten Plan auch für den Rest der Familie einzuführen“, erzählt Dennis
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Meisterschaft gewonnen – nur einer von vielen Pokalen. Das Kinderzimmer ist gelegentlich auch Garage
Schwartze. „Aber es war notwendig. Wenn ich sonst im Supermarkt etwas vergessen hatte, bin ich am nächsten Tag eben noch mal gegangen. Felix kann jedoch mit Planänderungen nicht gut umgehen. Er bockt dann oft und wird sauer“, sagt seine Frau Kerstin. 17 Rennen stehen auf Felix’ Terminplan 2016. Dazu kommt das Training unter der Woche und auch an manchem Wochenende. Seit Januar wird Felix vom Motocrosser Kevin Mikus trainiert. „Mit Felix zu arbeiten, ist manchmal schwieriger als mit anderen Kindern. Ich muss viele Dinge sehr genau und auch mehrfach erklären. Außerdem muss ich erkennen, Zur Person wann Felix müde wird und keine Felix Schwartze, geboren 2007 in Infos mehr aufnehmen kann“, Ostfildern bei Stuttgart, beginnt mit sagt der 27-Jährige. „Wenn ich drei Jahren Motorrad zu fahren. Zudas Training nicht stoppe, bleibt erst im Garten der Familie, dann auf der Kleine so lange auf dem Bike Motocross-Strecken. Ab 2010 fährt sitzen, bis er vor Müdigkeit runer Rennen und wird 2015 deutscher Meister in der MX50-Klasse. Sein terfällt. Darüber hinaus muss er Hobby ist BMX fahren, die Lieblingsauf der 65er vor allem kuppeln speisen sind Lasagne und Nutella. und schalten lernen. Das hat die Felix hat zwei Sponsoren: seine Oma 50er noch automatisch geund die Firma Stähli Läpp Technik. macht. Außerdem fährt Felix Unter seinem Namen findet man bei Facebook eine Fanseite. noch zu langsam in Kurven hin-
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ein, er bremst zu früh“, erklärt Mikus. Aber der Junge habe Ehrgeiz, er nehme seinen Sport ernst. Unter die besten zehn in Baden-Württemberg? Kevin Mikus hält das für realistisch. Etwa 15 000 Euro haben die Schwartzes im vergangenen Jahr für das Hobby ihres Sohnes ausgeben. Ohne die Großeltern, die gern in Schutzkleidung für ihren Enkel investieren und Freunde der Familie, die das Hobby unterstützen, hätten sie es nicht geschafft. „Wir haben auch mal ausprobiert, mit ihm zum Handball zu gehen oder einfach einen anderen Sport zu finden. Aber ADHSler sind meist nur bedingt teamfähig, das macht ihm keinen Spaß“, sagt Dennis Schwartze. Felix‘ Eltern hoffen, dass ihr Sohn in diesem und in den kommenden Jahren Erfolge im Motocross feiern wird, dass sich ihr enormes Engagement auszahlt, dass Felix sich nicht verletzt und nicht die Lust am Fahren verliert. Trotzdem bleibt etwas anderes wichtiger: Neulich hat Felix die Schule geschwänzt. Da gab’s kein Pardon – Felix musste beim dritten Rennen der Saison zu Hause bleiben. Keine Schule, kein Motocross. www.fuel-online.de
Text: Maria Timtschenko Fotos: Jörg Künstle
Meine Jugend. Meine Motorräder. Meine Zeitschrift.
Früher gab es sie noch. Maschinen mit Charakter, Motorräder mit Charme. In MOTORRAD Classic kann man diese Klassiker neu erleben, in faszinierenden Geschichten über Menschen, Marken und Modelle. Mit vielen Praxistipps zu Reparatur und Restaurierung.
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SZENE
Es waren
WHEELS & WAVES 2016
ein, zwei, drei, ja
schen Motorrad-Exponaten genauso aufwar-
schließlich vier groß-
tet wie mit toller Kunst, guten Drinks und null
artige Events, die in den vergangenen Jahren
Etikette. Ein Flat Track-Rennen bestaunen,
vom Southsiders Motorcycle Club in Biarritz
bei dem Dilettanten und Könner gleicherma-
unter dem Begriff „Wheels & Waves“ auf die
ßen Dreck fressen und ihre Maschinen quer
Beine gestellt wurden. Anfänglich stand alles
durch den Staub treiben. Live-Konzerte, Surf-
auf kurzen, vielleicht sogar wackeligen Stel-
Wettbewerbe, schöne und auch schrille Men-
zen: eine kleine Party unter Freunden und Be-
schen genießen – Biarritz ist und bleibt hier
kannten. Surfer, Biker und Genießer - La
unübertroffen. Dass das unterhaltsame Be-
Famille… Dann wuchsen dem Festival stram-
schleunigungsrennen auf dem Gipfel des
me Waden und riesige Füße, und ganz oben
Jaizkibels, hoch überm Atlantik, wegen üb-
ein immer größer werdender Wasserkopf.
lem Wetter gestrichen wurde – geschenkt.
Spätestens 2014 war klar: Wheels & Waves ist
Wheels & Waves komponierte auch 2016
zum bedeutendsten Custom-Event in Europa
wieder eine feine Mixtur aus Kreativität und
herangewachsen. Allerdings auch am Limit
Entspanntheit. Spät nach Mitternacht, wenn
der eigenen Möglichkeiten angekommen.
du erschöpft im Bett liegst, geistern dir noch
Denn mit dem Erfolg kamen die Massen. Biar-
mal alle Impressionen des Tages durchs
ritz, dieses Kleinod für Rentner und Surfer an
müde Hirn. Die unglaublichen Straßen der
der französischen Atlantikküste, drohte aus
Pyrenäen. Tausend krude Umbauten, die
allen Nähten zu platzen. Überall hämmerte
man hören, fahren und betätscheln kann.
Motorradsound durch die Gassen, bevölkert
Das Peitschen der Gischt am Kai. Der son-
von lederjackentragenden Hedonisten, die den Ort für sich beanspruchten. Mit einer neuen Location vor den Toren der Stadt sowie Events hinter der spanischen Grenze reagierte man auf das drohende Aus. Hier und da hörte man jedoch von übersättigten Besuchern, die sich 2016 die lange Fahrt zur Biskaya sparen wollten. Zu sehr hatten bereits 2015 die großen Hersteller das Klingeln der Kassen am Atlantik gehört. Wheels & Waves, zum fünften Mal bereits ein Auslauf-
nenbebrillte Gigolo-Gendarm, der beim um-
modell? Die eigene Identität verraten?
gekehrten Entern der Einbahnstraße nur
Mitnichten! Natürlich hielt mit der wachsen-
freundlich grüßte. Die neu gewonnenen
den Bedeutung auch der Kommerz Einzug.
Freunde. Eine lichterloh brennende Brough
Man zahlt heuer für fünf Tage 30 Euro Eintritt.
im dichten Nebel. Die Fahrt entlang der Steil-
Viele Hersteller – BMW, Harley, Yamaha, aber
küste – mit untergehender Sonne auf den
auch Moto Guzzi oder Royal Enfield – präsen-
Schultern und dem Arm einer Lady um die
tieren sich als lifestylige Modemarken. Und
Hüfte geschlungen …
auch sonst wird man von unzähligen Manu-
Schöner, entspannter und losgelöster kann
fakturen verführt, die Brieftasche für Klamot-
man das Leben auf zwei Rädern kaum genie-
ten und Klimbim zu öffnen. An echten High-
ßen. Ob‘s die Besucher auch so sahen? Wir
lights mangelt es aber auch nicht. Wo sonst
haben nachgefragt.
kann man für 30 Euro fünf Tage lang Spaß haben? Eine Ausstellung in Spanien besuchen, die mit historischen und zeitgenössi-
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NUMMER LEBT www.fuel-online.de
Text: Sven Wedemeyer Fotos: Sven Wedemeyer, Wheels & Waves – Southsiders MC
NICHT WENIGE ZWEIFELTEN DARAN, OB DAS MOTORRADFESTIVAL WHEELS & WAVES SEINE KREATIVE UND WELTOFFENE IDENTITÄT GEGEN DEN WACHSENDEN KOMMERZ VERTEIDIGEN KÖNNTE. SVEN WEDEMEYER ÜBERZEUGTE SICH DESHALB VOR ORT. AM ENDE ENTSCHIED WIE IMMER DAS PUBLIKUM.
Hundstage: zu viel gelaufen, zu viel gesehen. Die EindrĂźcke des Festivals erschlagen viele Besucher
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Charmant: Das Festivalgelände liegt direkt am Meer
Christel & Nicolas Sie sind vielleicht die Blaupause des typischen Wheels & WavesPärchens: er mit tätowierten Händen, Flanellhemd und Bart, sie mit engen Jeans, Lederjacke und Blauer-Helm … Tatsächlich
JoÃo
aber lieben es Chris und Nic aus tiefstem Herzen, die bollernde Bei Wheels & Waves geht es oft um
Harley-Davidson XR 1200 von
Stil und Mode. In den kalten, dichten Nebel beim
ihrer Heimatstadt Bordeaux die
Punks Peak Race trauten sich deshalb nur wenige Sty-
Atlantikküste hinunter bis nach
ler. Für João aus Portugal und seine Funktionsklamot-
Biarritz zu treiben. Nun bereits
ten sprach nichts dagegen. Schlechtes Wetter? Ein
zum dritten Mal. Hinter vielen
Scherz, oder?! Seine Guzzi Stelvio fuhr er schon durch
modisch-stylishen
knietiefen Schneematsch zum Elefantentreffen. Die
steckt eben oft doch echte
1300 Kilometer Anfahrt waren ein Klacks für ihn.
Zweirad-Liebe.
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Fassaden
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WHEELS & WAVES 2016
Rolf
, Typ deutsche Eiche,
kommt aus Solingen und fühlt sich im Baskenland pudelwohl. Auf dem Parkplatz, neben Tausenden ande-
ren Maschinen, beeindruckt seine R 90 durch die Projektion des Markenlogos auf den Boden – dank der Lampe eines artverwandten Pkw unterm Motor. Außerdem hat Rolf rotblaue Polizeileuchten über dem Scheinwerfer installiert. Die kennt der TÜV wahrscheinlich ebenso wenig wie seine illegalen Vergaser.
BRYCE durch die Grande Nation bis
Vincent
zur spanischen Grenze und
Obwohl Franzose, fühlt sich Vincent im wenig
zurück? Das ziehen nur die
reglementierten Spanien am wohlsten. Hier
härtesten Hunde auf einer
kann er als einer der Köpfe von Wheels &
schüttelnden
Starrrahmen-
Waves noch Straßenrennen organisieren.
Triumph freiwillig durch. Bryce
Hier, so sagt er, wohnt sein Herz … Das Festi-
kennt da nichts und ist mit
val, früher ein Hobby, reifte über die Jahre
selbstfahrender Freundin im
zum Vollzeit-Job. Denn er und seine Buddies
Schlepptau gen Süden aufge-
müssen abliefern, bei Tausenden Gästen und
brochen. Sein Motorrad, ein Umbau von Berham Customs aus Berlin, hatte er erst
zahlenden Sponsoren. Die französische Gelas-
vor ein paar Wochen in der „Bike Shed“ gekauft. 2017 will er mit vielen Freunden
senheit hat Vincent sich trotzdem bewahrt.
wiederkommen. Seine Stippvisite war mehr als erfolgreich.
Der Stress bleibt draußen.
Von London aus einmal quer
Sébastien Mit der Lucky Cat, einem böse aufgeblasenen BMW-Zweiventil-Boxer, hat Sébastien schon einige Trommelfelle zerstört und viele Sprints gewonnen. Der Sprintkönig wollte auch beim diesjährigen Wheels & Waves die Ohren der Zuschauer zum Bluten bringen. Und natürlich den Sieg einfahren. Aber es kam anders: Heftige Unwetter auf der Bergstrecke vereitelten seine Pläne. An der französischen Atlantikküste, zumal bei strahlendem Sonnenschein, widmete er sich deshalb dieser aufgepeppten Baby-Dax.
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Video
WHEELS & WAVES 2016
Ein Video zum Festival findest du unter www.fuel-online.de
Eberhard
Annette & Rudi
Der Münsteraner brachte seine Strich-
Die beiden Geschwister fahren kein Motorrad. Sie mögen
die Zeit und 1500 Kilometer Distanz
jedoch den Stil, der die Subkulturen von „New Heritage“,
nicht anders zuließen. Eberhard, Mit-
„Vintage“ und „Custom“ miteinander verbindet. Mama Ale-
begründer der Motorrad-Clique „Krad-
xis aber, deren fesches Auftreten leider nur unser Fotograf,
wahn“, unterstützte hier seinen Sohn
nicht aber seine Kamera bezeugen durfte, kam wie selbstver-
Roman. Der hielt die beeindruckenden
ständlich auf einer alten Z 400 nach Biarritz. Im Schlepptau
Momente des Festivals in atemberau-
eine Freundin mit wild umgebautem Flat Tracker. Wheels &
benden Videos fest. Beide waren von
Waves – ein echtes Familienfest.
ihrem ersten Mal schwer beeindruckt.
Fünf, wie viele andere Besucher, mit dem Transporter nach Biarritz. Weil es
Vincent Auch Automobile spielen bei Wheels & Waves eine, wenn auch kleine Rolle. Hot Rods, Customs, Buggys, Sportwagen oder Vorkriegskisten sieht man immer wieder im Meer der tausend Bikes aufblitzen. Vincent etwa ließ seine Heimat Nürnberg im Opel Rekord für ein paar Tage hinter sich. Mit Surfbrett auf dem Dach. Bierflaschen unterm Fahrersitz. Und allen möglichen Ersatzteilen im Kofferraum. Gewappnet für die Party des Jahres.
EDGAR Mit dem Design-Direktor von BMW Motorrad kann man bei der „Artride“Ausstellung im Hafen von Basaia ganz entspannt fachsimpeln. Der Industrieprofi gehört mit 17 Bikes in der Garage selbst zu den ganz „Verrückten“. Für das Festival haben er und sein Team den Spirit der Paris-Dakar-G/S in die Neuzeit transportiert. Auf Basis der R nineT entstand die „Lac Rose“ – BMWs Projektbike zum Festival.
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JUGEND-STORY
DIE ALLERERSTE REISE... …und warum nichts daraus wurde.
A
nfang der 70er-Jahre, die Führerscheine waren im Gegensatz zu den meist vom Taschengeld erworbenen Untersätzen noch frisch, plante unsere Clique eine Reise in den Bayerischen Wald. Robi konnte als Einziger stolz mit einer fast neu gekauften Honda SS 50 (Neupreis damals: 998 DM) aufwarten. Wir anderen gurkten auf mindestens zehn Jahre alten Mokicks oder Mopeds der Marken Hercules, Kreidler und Zündapp durch die Gegend. Meist waren die Fuhrwerke „Verbrauchtgeräte“, für die in der Regel höchstens 50 Deutsche Mark aufgerufen wurden.
Keiner von uns hatte jemals eine (Fahrrad-)Tour unternommen, die ihn weiter als 30 Kilometer übers Land führte. Also wurde viel Zeit in das Studium von Karten – die älteste war noch aus der Kaiserzeit – und mit dem Suchen nach möglichen Zielen und den Wegen dorthin investiert. Eines Abends, es war wieder einmal „Reiseplanung“ angesagt, begann auf dem Weg zu unserem Treffpunkt mein Kreidler Florett-Motor fürchterlich zu klappern.
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Schon sah ich die Tour mit den Freunden gestorben, denn an eine Schadensanalyse und eine Reparatur war mangels der noch unterentwickelten technischen Fähigkeiten nicht zu denken. Der Besuch der örtlichen VertragshändlerWerkstatt scheiterte von vornherein an pekuniären Möglichkeiten. Doch einer meiner Kumpel wusste von einer Unfall-Kreidler, die seit Jahren in einem Keller herumlungerte. Keiner der Hausbewohner konnte sich erinnern, wo der Besitzer der Kreidler abgeblieben war, aber alle waren sich einig, dass der nach Öl und Sprit stinkende Schrotthaufen endlich verschwinden müsse. Dies verstand ich als Auftrag, und der ehemalige Pfadfinder in mir freute sich, wieder mal ein gutes Werk zu tun. Rein optisch schien die Maschine derselbe Typ wie die meinige zu sein. Vorderrad, Gabel und Tank waren stark deformiert, aber der Rest hatte nur ein paar Kratzer abbekommen. Als es dann zusammen mit einem Freund, der schon länger Mopeds beschraubte, ans Zerlegen des Unfallopfers ging, versuchten wir erst, den Motor zum Leben zu erwecken – und mit ein paar Tropfen durchs Kerzenloch geträufeltem Gemisch hustete der Motor tatsächlich ein paar Mal. Hoffnungsfroh machten wir uns weiter ans Werk. Der Motor sowie Vergaser und Auspuff befanden sich in einem weitaus besseren Zustand als die Teile meines Fahrzeugs. Deshalb wurden sie wie auch das Hinterrad gewechselt, dessen Reifen noch viel mehr Profil aufwies.
Die erste Probefahrt brachte eine Überraschung: Bereits im zweiten Gang erreichte die Florett nun eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h, im dritten kletterte die Nadel auf über 65 km/h und dann gab es sogar noch einen vierten! Der kam allerdings selten zum Einsatz. Entwickelt wurde die Kreidler schließlich als Packesel in der Nachkriegszeit. Ganz offensichtlich war die UnfallKreidler ein Kleinkraftrad, also eine Florett Super mit gebläsegekühltem 4,2-PS-Viergangmotor. Somit war meine Kreidler der Honda jetzt fast ebenbürtig. Dass das Ganze nicht so ganz legal war, verursachte mir nicht unbedingt Kopfschmerzen. Im Gegensatz zu einer Gang älterer Halbstarker aus einem sieben Kilometer entfernten Dorf, die mit Fünfgang-RS-Motoren und Mohr-Zylindern in ihren Mokicks mit bis zu 120 km/h unterwegs waren, hielt ich meinen Umbau für eher harmlos. Knapp eine Woche später war ich wieder mal von der Reiseplanungsgruppenstunde auf dem Weg nach Hause und überholte dabei drei Pkw, ohne zu bemerken, dass dem ersten, einem weißen Opel Rekord, ein blaues Mützchen seitlich auf dem Dach klebte. Erst als es blau in meinem Rückspiegel blinkte, wurde mir bewusst, dass ich gerade ein Auto der damals noch existierenden Stadtpolizei überholt hatte. Vielleicht mussten die Herren in Uniform ja zu einem Einsatz, da wollte ich natürlich nicht hinderlich den Weg versperren und bog sofort in die nächste Querstraße ab. An dem blauen Blinken in meinem Spiegel änderte dies leider nichts. Der Weg endete an der Baugrube für das neue Pfarrzentrum. Jedoch nicht für mich! Über dem Fundamentgraben hatten die Bauarbeiter eine Diele liegen gelassen, wie gemacht für ein Zweirad, und auf der anderen Seite der Grube gab es eine Rampe auf das, als Baumateriallager genutzte, höher gelegene Nachbargrundstück. Die Kreidler meisterte beides hervorragend, der stadtpolizei liche Opel jedoch lochte am ersten Fundamentgraben ein. Meine kleinen grauen Zellen begannen fieberhaft zu arbeiten: was nun? Da fiel mir ein, ich hatte doch in der
„AN
väterlichen Garage, auf einem Regal…, ja das könnte gehen! Auf kürzestem Weg fuhr ich in Richtung elterlicher Kneipe. Gut zwei Stunden später tauchten die damals schon blau Uniformierten auf, dabei auch mein „Lieblingspolizist“ Herr T., der bekanntermaßen alle Vorschriften und Gesetze zu mindestens 150 Prozent erfüllte. Im dunklen Treppenhaus den Blicken verborgen, konnte ich gut hören, was die Ordnungshüter mit meinem Erziehungsberechtigten sprachen: „Horch amohl, dai Buh hod doch a su a Mobbed, is der daham?“ „Der wärd in sain Zimmer sai, des Mobbed schdeht drausn in der Karahsch, hob ich grod gsähng!“ „Derff mer do amol naischauha?“ „Freilih, stehd doch offn.“ „Naa, des wohrä donn doch ned, der hod ja a ruhdbäischs koddn.“ Nach meiner Rückkunft erhielt meine rot-beige Kreidler innerhalb einer Stunde (!) eine neue Lackierung verpasst. Alles Beige wurde Grün und aus Rot wurde Schwarz, jedoch nur in Fahrtrichtung links, weiter reichte der Lack nicht. Aber an die Querwand gelehnt, fiel das gar nicht auf und vom Garagentor aus konnte man nicht leicht bemerken, dass der Farbe noch ein paar Stündchen Trockenzeit gut tun würden. Mir polterten etliche Steinbrocken vom Herzen und ich gelobte mir, in Zukunft nur noch Gas zu geben, wenn ich allein auf weiter Flur wäre. Dies fiel allerdings für die nächste Zeit aus, da Vatern, dem meine Lackierorgie nicht entgangen war, was mir entgangen war, die Kreidler mit den Worten an die Kette legte: „Hosd Glügg koddn, das der T. dabai wor, vo a boor Annera häddi diech gscheid zamscheißen lossen, mid alla
REPARATUR
WAR MANGELS NOCH UNTERENTWICKELTER TECHNISCHER FÄHIGKEITEN NICHT ZU DENKEN“ FUEL
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MEIN MOKICK
„IN GENAU DIESEM ZEITRAUM LAG AUS ERZIEHERISCHEN GRÜNDEN AN DER KETTE“ sich spätestens nach Erreichen der Deichkrone meist Herr T. und die Triumph, während seine Flüche den Zweitakter übertönten.
Andern komer ja redn, un mied denner ihrn Scheef sowiesu.“ Wobei man wissen muss, dass Herr T. seinen Chef und meinen alten Herrn schon mal wegen Sperrzeitüberschreitung angezeigt hatte, als der Herr Polizeirat als Privatperson noch spät bei uns in der Kneipe saß. Dass mich Herr T. nicht erkannte, lag vermutlich daran, dass er mich nie so richtig wahrgenommen hatte und wenn doch, dann nur von hinten. Dies rührte daher, dass ich mir mit meinem Lieblingspolizisten in jenen Tagen des Öfteren ein kleines Rennen auf den Treidelpfaden des alten Ludwigkanals lieferte.
Dann und wann wurde die Bevölkerung in der Tageszeitung dazu aufgefordert, den armen Herrn T. bei seiner Suche nach den Übeltätern zu unterstützen, was jedoch in Anbetracht der Erlebnisse, die die meisten Einwohner mit diesem Ordnungshüter verknüpften, völlig sinnlos war. Mit der expliziten Werbung um Hilfe für Herrn T. konnte man sich sicher sein, dass keinerlei Meldungen eingingen, denn „ercherzwuh münn sis ja lerna, die Buhm“. So kam es also, dass meine Freunde die erste Reise ohne mich antraten, denn genau in diesen Zeitraum lag mein Mokick aus erzieherischen Gründen an der Kette. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass unser Ziel, das rund 250 Kilometer entfernte Ludwigsthal an der Grenze zur damaligen Tschechoslowakei, viel zu ambitioniert war.
In der irrigen Annahme, dass das Landratsamt den vorzeitigen Erwerb des Pkw-Führerscheins auch auf die Klasse eins ausdehnen würde, stand bereits ein Scheunenfund in Form einer DKW RT 250 H im Schuppen. Zu meinem Leidwesen wurde die Klasse eins als nicht geschäftsnotwendig erachtet. Es blieben also für die Straße nur Klasse vier- oder Klasse fünf-Fahrzeuge übrig. Weil es zum damaligen Kanalbett über freies Feld ging, war dieses das bevorzugte Terrain für meine (Schwarz-) Fahrübungen mit der DKW. Unsere Stadtpolizei verfügte Anfang der 1970er-Jahre neben dem besagten Opel Rekord noch über einen VW Käfer und ein Dienstkrad aus den 1930er-Jahren, eine 200er-Triumph mit sieben PS und Dreigang-Tankschaltung. Damit patrouillierte Herr T. regelmäßig auf den Treidelwegen, um der „überhand nehmenden Schwarzfahrerei“ Einhalt zu gebieten. In der Regel gestalteten sich diese Rennen wie folgt: Man ließ Herrn T. mit Triumph und Trillerpfeife langsam aufholen, um dann an bestimmten Stellen ins trockene Kanalbett abzubiegen. Auf dem Weg zur gegenüberliegenden Seite gab es immer wieder Trampelpfade, die schräg nach unten auf die tiefer liegenden Wiesen führten. Da sich Herr T. diese Stellen nie merken konnte, trennten
Nur einer kam komplett unversehrt an Leib und Fuhrwerk zurück: mein Kumpel Herbi, mit seinem von uns belächelten Zweigang-Hercules-Moped. Nach 55 Kilometern legte sich der Erste wegen eines gerissenen Handbremszuges in den Graben, was den Bruch eines Arms, eines Gabelholms und des Lenkers mit sich brachte. Zehn Kilometer weiter touchierte eine Zündapp wegen Sand in der Kurve eine zu hohe Bordsteinkante, was die Vorderradfelge irgendwie fürchterlich krumm nahm und dem Fahrer eine heftige Prellung an empfindlichster Stelle einbrachte. Kurz darauf, als der Antrieb der Honda mit einem kapitalen Schaden darauf aufmerksam machte, dass ein Viertakter doch gerne eine gewisse Menge Öl im Motor hätte, wenn er schon keines im Benzin braucht, war auch für die Resttruppe die Reise zu Ende. Mit Bahn und Bus kamen drei der Freunde am nächsten Tag wieder zurück, und als einziger Autoführerscheinbesitzer wurde mir die Ehre zuteil, in Vaters Abwesenheit mit dem 1962er-Tempo Matador-Viehtransporter die Havaristen wieder einzusammeln. Mutter stellte meist keine Fragen, beziehungsweise kam gar nicht dazu, denn mit einem „Muss schnell was holen“ schnappte ich mir immer die Schlüssel und noch bevor der Satz verklungen
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LESEZEIT
JUGEND-STORY
war, brummelte der Austin-Langhuber im Matador bereits aus dem Hof. Dass dies keine geschäftsnotwendige Fahrt war, ist – so glaube ich – inzwischen so wenig wichtig wie alle anderen Vorschriften, über die sich der jugendliche Leichtsinn gedankenlos hinwegsetzte. Die erste wirkliche Motorradreise fand dann ein Jahr später statt. Mit 17 Jahren stand ich bei Paul, dem Leiter des Verkehrsamts auf der Matte, um nach dem „Einser“ zu fragen. Nach einem Blick in seine Akten meinte der: „Derrwischd homs dii ja nedd, noch meld dii hald oh“. Schon fünf Minuten später trat ich bei unserem fahrschulenden Nachbarn durch die Bürotür. Ohne mich zu Wort kommen zu lassen, wurde ich mit den Worten empfangen: „Hosd Zeid, noch konnsd merr glei Zigarn hulln. Kosd den Heinglroller nemma.“ Für die Jüngeren und Nicht-Franken: Heinkelroller, 175 cm³ und 9,5 PS. Ich tat, wie mir geheißen und fuhr ins Städtchen, um ein Kistchen „Weiße Rose“ zu besorgen. Als ich damit wieder zurückkam, hörte ich die Frage: „Wos hosd eingdli gwolld?“ „Den Einser will i machn“ „Scheiße, i hob denkd, denn hosd scho miedgmacht koddn, kummsd heid Ohmd glei zur Deorieh.“ Pünktlich rollte ich am Abend, von den Freunden kommend, in einem eleganten Bogen in den Hof der Fahrschule. Doch der bekanntlich meist im Detail steckende Teufel machte auf einen jahrelangen Wartungsstau in Form eines festgehenden Bremsbelags auf sich aufmerksam. Mein eleganter Bogen endete mit blockierendem Hinterrad direkt zu Füßen meines Fahrlehrers, der auf mich herunter schauend, kopfschüttelnd murmelte: „Lern erschd amoll Mobbed fohrn, bevorsd Moddorrohd fohrn wüllsd.“ Nach drei Wochen Theorie war es so weit, meine Papiere waren so weit gediehen, dass ich zur nächsten Prüfung angemeldet werden sollte. Allerdings hatte zwei Tage zuvor ein anderer Fahrschüler, der Fahrstunden benötigte, dem Heinkel den Garaus gemacht. Auf meinen Tipp hin besorgte mein Fahrschullehrer eine BMW R 25/3, die zugelassen, gehegt und gepflegt, aber nicht gefahren im Nachbarort Egloffsteinerhüll herumstand. Meine Prüfungsfahrt wurde der erste Einsatz der BMW als Fahrschulmotorrad und führte mich hinter dem Fahrschul-Pkw durchs Städtchen. Mein Fahrschullehrer und der Prüfer hatten offensichtlich eine Mordsgaudi im Auto und keiner achtete aufs Tempo. Der Pkw wurde in
Richtung Friedhof immer schneller, während der BMW so bei 70 km/h bereits die Puste ausging. Die Verfolgung war damit nicht mehr möglich. Mit der Überlegung, ob ich nun wegen zu schnellem Fahren oder wegen eigenmächtigem und führerschein losem Zurückfahren durch die Prüfung rassle, rollte ich auf den Fahrschulhof. Zehn Minuten nach mir trudelten auch Fahrlehrer und Prüfer ein. Noch bevor einer von beiden etwas sagen konnte, ging ich zum Angriff über: „Ihr sedd ja grasd wie die Vergiftn, die lahm Gurgn läft ja nehr sibzich, wie söll mern do miedkumma?“ Der Prüfer schaute zum Fahrlehrer, zuckte lakonisch mit den Schultern und meinte: „Fohrn koh er ja, sunsd wer er ned do.“ Und damit hatte ich meinen Einser bestanden. Die Eintragung ins graue Papier war nur eine Formsache, und mit meinem Hinweis auf die aktenkundige Unbescholtenheit erfolgte auch die Löschung aller Einschränkungen, die eigentlich bis zum 18. Geburtstag gelten sollten. Als da wären: „Nur für geschäftsnotwendige Fahrten“, „maximal 80 km/h auf Landstraßen“ und vor allem: „maximal 100 km/h auf Autobahnen“. Dass dies auf einer Reise ins benachbarte Alpenländle eventuell zu Schwierigkeiten führen könnte, hätte ich mir an diesem Tag allerdings nicht träumen lassen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte...
Dies ist eine Story aus dem Sammelband „Fernwehblues“. Die meisten der darin abgedruckten 21 Geschichten transportieren das Gefühl von damals und beschreiben wunderbar, wie viele von uns mit dem Motorrad-Virus infiziert wurden. Biker wie du und ich haben ihre Erlebnisse niedergeschrieben, nicht alles literarische Highlights, aber alle durchweg amüsant zu lesen. 132 Seiten, 65 s/w-Fotos, 14,80 Euro. Bezug über Amazon oder www.zweirad-online.de www.fuel-online.de
Text: Norbert Neder Foto: mps-Fotostudio
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LEIDENSCHAFT
WARUM ICH UNBEDINGT FAHREN WILL
NATALIE DIEDRICHS
LEIDENSCHAFT KLINGT SO SCHWACH. HEUTZUTAGE IST ALLES LEIDENSCHAFTLICH –
VON DER STEUERERKLÄRUNG BIS ZUM FÜNFLAGIGEN
TOILETTENPAPIER
WIRD EINEM
JEDE LAPPALIE ALS BEGEHRENSWERT VERKAUFT. Mit dem Motorradfahren ist es dagegen anders bei mir. Das fängt allein damit an, dass man eine „Leidenschaft“ eigentlich komplett verinnerlicht haben sollte. Das habe ich nicht, bin (abgesehen vom Schnupperkurs) noch nie Motorrad gefahren, nicht mal Moped oder Roller. Trotzdem sind da diese drei Dinge, die mich reizen und mich dazu motivieren, für meinen Traum zu kämpfen: das Ausbrechen, der Luxus und die Selbstverwirklichung. Für die innere Motivation ist nichts gefährlicher als die Routine. Einzelne Rituale sind okay, sogar hilfreich, aber Alltagstrott ist ätzend. Motorradfahren ist eine Möglichkeit, auszubrechen, das „normale“ Leben für einen Moment beiseite zu schieben und sich voll und ganz auf eine Sache zu konzentrieren. Smartphone, E-Mails, To-do-Listen, das alles hat keinen Platz in deinem Kopf, weil du allein damit beschäftigt bist, das Bike über die Straße zu lenken. Es ist wie eine Art der Meditation, eine Besinnung aufs Wesentliche, die deine Gedanken klärt, dich freimacht. Andererseits ist es auch eine Möglichkeit, sich den berühmten „Kick“ zu holen, die Geschwindigkeit zu spüren, die Kurven zu feiern. Und es hilft dir, deine eigenen Grenzen kennenzulernen. Dadurch lernst du viel über dich selbst. Außerdem braucht man Motorradfahren nicht, um zu überleben. Klar, da werden mir jetzt mit Sicherheit einige FUEL-Heads widersprechen.
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Grundsätzlich ist ein Leben ohne Bike aber möglich, zumindest physisch. Die Wahl, es zu besitzen und zu fahren, triffst du selbst. Wenn du es kannst, ist das Luxus. Ein Statussymbol, mit dem du ausdrückst, dass du etwas erreicht hast. Und das finde ich nicht angeberisch, sondern erstrebenswert. Es geht ja nicht unbedingt darum, sich ein HunderttausenddollarBike auf den Hof zu stellen (schön, wenn man’s kann), sondern darum, sich selbst zu belohnen. Für irgendwas, der Grund spielt keine Rolle. Wie gutes Essen, ein schöner Urlaub oder schicke Sneakers. Balsam für die Seele. Dann noch das Ding mit der Selbstverwirklichung, auch so ein Modewort. Was heißt das eigentlich? Sich ausdrücken, der inneren Stimme folgen, das tun, was man schon immer mal machen wollte, aber bislang durch irgendwas oder irgendwen daran gehindert wurde? Das klingt so, als müsste man erst mal das Schlechte abarbeiten, bis man das Gute tun kann. Warum nicht gleich damit anfangen? Sich aufs Bike schwingen und loslegen. Und dabei in eine neue Kultur eintauchen, Gleichgesinnte finden, die Leidenschaft gemeinsam zelebrieren. Ja, unter diesen Umständen trifft der Begriff auch wirklich zu. Ich hoffe, dass ich Motorradfahren auch bald meine „Leidenschaft“ nennen kann. Solange träume ich davon. www.fuel-online.de
Foto: Arturo Rivas
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