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DEMO VS. VERANSTALTUNG –UNTERSCHIEDE UND GEMEINSAMKEITEN

Christopher Street Day in Köln

Jörg beschreibt, warum es durchaus relevante Unterschiede in der Organisation von Versammmlungen und Veranstaltungen gibt

Von Jörg Kalitowitsch

Einleitend stelle ich dar, was die / den Leser*in in diesem Beitrag erwartet. Wer sich an dieser Stelle über die Schreibweise mit dem * wundert: die CSDs demonstrieren bundesweit für die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von L(esbians) G(ays) B(isexuals) T(ranssexuals) T(ransident) I(ntersexuals) Q(ueer) People. Um genau diese breite Vielfalt an nicht-heteronormativen Menschen abzudecken, wähle ich den Genderstar * bzw. eine genderneutrale Formulierung. Boris Michalowski berichtet ab Seite 8 über Ehrenamtliche beim Roten Kreuz, deren Rolle und den Umgang mit ihnen. Ehrenamtliche einer auf Dauer angelegten Mitarbeit wie bei Feuerwehr und Rotem Kreuz sind in einigen Punkten anders zu betrachten als Ehrenamtliche bei einer jährlich einmaligen Veranstaltung, daher möchte ich auch das Verständnis und den Umgang mit Ehrenamtlichen, wie sie bei uns / bei unseren Veranstaltungen anzutreffen sind, anreißen. Hier werde ich zwischen dem ehrenamtlichen Leitungsteam und den Ordner*innen (bei uns liebevoll „Demoengel“ genannt) unterscheiden. Meinen Fokus lege ich in diesem Beitrag aber auf das Miteinander der Teilnehmenden, das sicherlich bei klassischen Events wie einem Festival nur bedingt steuerbar ist. Dort kommt ein Gast zum Event und möchte unterhalten werden, sieht sich aber selten in einer Mitwirkungspflicht - wohlwissend, dass viele Veranstalter dieses Bewusstsein verändern wollen. Bei einer CSD-Demo kommen auf die Demo-Teilnehmenden allerdings ganz gezielt besondere Aufgaben und Verpflichtungen zu. Den dritten Bereich widme ich exemplarisch der Zusammenarbeit mit den Behördenansprechpartner*innen.

Professionals und Ehrenamt

Für Dich als klassischen Eventmacher*in wird gelten: Du kennst Deine Verordnungen, Vorschriften und bist vom Fach. Du vergibst Aufträge an Fachkräfte und alle sprechen die gleiche Sprache. Demoleiter*innen haben meist einen rein inhaltlichen Ansatz und haben oftmals nicht das Verständnis für strukturierte Organisation, taktisches Vorgehen von BOS

oder gar ein ausgeprägtes Verständnis für Veranstaltungssicherheit. Die Liste ließe sich noch weiterführen. Der grundsätzliche Unterschied zwischen „Beruf“ und „Berufung“ nimmt bei meiner Betrachtung einen wichtigen Punkt ein und beeinflusst m.E. maßgeblich die Kommunikation, Absprachen, Wording, Festlegen von Verbindlichkeiten etc. Ehrenamtliche bei der Feuerwehr oder Rotes Kreuz machen ihren Job, weil sie helfen möchten. Dabei ist ihnen vermutlich egal, ob sie eine Scheune oder Auto löschen oder Verletzte bei einem Unfall versorgen oder als Ersthelfer bei einem Festival im Einsatz sind.

Kontaktbeamter, Demoteilnehmer und Demoleiter beim CSC

Demoengel bei der Arbeit

Es geht nur miteinander

Mithelfende bei einer CSD-Demo haben i.d.R. eine persönliche Identifikation. Sie suchen ganz gezielt dieses Wochenende aus, um dort zu unterstützen und das Ziel des CSD voranzutreiben. Viele unterstützen auch unterjährig andere Veranstaltungen der Community, einige aber eben auch nur dieses eine Wochenende. Macht das einen Unterschied? Ich denke ja. Die verschiedenen Teams kommen einmal im Jahr zusammen, kennen sich oftmals nicht, arbeiten zum ersten Mal zusammen und kennen die Teamleitung vielleicht noch nicht mal persönlich. Die Herausforderung des Teambuildings nimmt also verschiedene Ebenen ein. Wir lösen das seit vielen Jahren dadurch, dass es im Vorfeld namentliche Ansprechpartner*innen gibt und Newbies sich dort vorab informieren können, welcher Tätigkeitsbereich den persönlichen Wünschen am besten entspricht und um vorbereiten zu können, was die Ehrenamtlichen erwartet. Für den Bereich der Demo gibt es eine verpflichtende Demoengelunterweisung. Demoengel unterstützen das Leitungsteam bei der Umsetzung der behördlichen Auflagen, beantworten Fragen, greifen auch mal regulierend ein und sorgen zusammen mit dem Leitungsteam für den reibungslosen Ablauf. Bei der Unterweisung stellen wir das Leitungsteam vor, erklären den Aufruf der Demo und bringen alle auf den gleichen Stand bezüglich Aufgaben, Rechten und Verpflichtungen. Wir zeigen auch Grenzen auf, die klar gesteckt sind. Eine räumliche wie technische Einweisung (z.B. Funk) findet auch statt. Unterstützt wird dies durch eine anschauliche Präsentation, die jede*r danach bereitgestellt bekommt. Wir versuchen, die rund 30 Zweier-Teams mit einem Newbie und einem Oldie zu besetzen, so dass Erfahrungen genutzt und weitergegeben werden können. Am Demotag sind sie ca. 12 Stunden auf den Beinen. Das Dankeschön besteht aus der Gewissheit, die Veranstaltung massiv unterstützt zu haben. Der größte Benefit für die Meisten ist neben einer Sammeltasse mit Jahreszahl und Mottomotiv, einem Shirt und ganz wichtig: vielen bleibenden Eindrücken, aber das „Dankeschön“ auf der großen Bühne am Heumarkt. Wenn 20.000 Menschen dem Team jubelnd danken und ein „dreifach Kölle CSD-Demo, Kölle Aloha und Kölle Demoengel“ entgegenrufen, ist Gänsehaut vorprogrammiert – sie ist mit Geld nicht aufzuwiegen. Im Gegensatz zu den Demoengeln kommt das meist acht- bis neunköpfige Leitungsteam bereits ein Jahr vor der Demo zusammen. Nach der CSD-Demo ist vor dem CSD. Die Nachbesprechung inkl. Manöverkritik bildet die Basis für das kommende Jahr. Das Team trifft sich über das Jahr verteilt vier bis fünf Mal – eins dieser Treffen bildet ein „Klausurwochenende“. Hier werden neue Ideen entwickelt, verfeinert oder auch schon mal Ideen verworfen, die ausgetestet und für „nicht praktikabel“ befunden wurden. Die Aufgaben für die kommende Demo werden definiert und die Positionen festgelegt. Klassischerweise wird der Demoaufzug in drei Abschnitte mit jeweils einer Abschnittsleitung und einer Stellvertretung besetzt. Eine Person zeichnet sich für Logistik und Beschaffung verantwortlich, neben dem Demoleiter gibt es noch die Stellvertretung.

Gemeinsames Ziel

Nach Duisburg kamen aufgrund unserer „bereits hohen Organisationstiefe und Professionalität“ (Zitat damaliger Polizeiführer) keine verschärften Auflagen seitens der Versammlungsbehörde auf den Kölner CSD zu. Ein schönes Kompliment, aber mein Anspruch war dennoch, dass wir uns teamintern mit Worst Case Szenarien auseinandersetzten, damit jedem Teammitglied klar ist, was ihn/sie erwarten kann und um zu klären, ob jede*r diesen Anforderungen im Bedarfsfall gerecht werden kann und möchte. Bei einem „Job“ muss ich diese Frage nicht stellen, bei Ehrenamtlichen schon. Damals wusste ich von den verschiedenen Herangehensweisen an das Thema „Veranstaltungssicherheit“ im Großen und Ganzen nichts, wir haben uns mit gesundem Menschenverstand diesem Thema genähert und uns im Team beraten. Denn eins musste klar sein: im Falle eines Falles kann es nur eine Entscheidung durch den Demoleiter geben, der sich vorher mit der Polizei beraten hat. Diese ist dann für alle zu akzeptieren, auch wenn sie möglicherweise im ersten Moment unverständlich wirken mag.

Wagenengel beim CSD

Ausgelassene Stimmung bei der CSD Parade

An dieser Stelle möchte ich einwerfen, dass ein Bauchgefühl eben „nur“ ein Gefühl ist. Um sich klar zu werden, ob dieses Gefühl „taugt“ oder „trügt“, haben Teile des Teams begonnen, verschiedene Seminare zum Thema zu besuchen und dabei viel Neues gelernt und vieles auch bestätigt bekommen. Die Teilnehmenden der Demo sind Fußoder Wagengruppen. Wagengruppen haben i.d.R. auch eine Fußgruppe dabei. Fahrzeuge mit Beschallungstechnik sind grundsätzlich im Versammlungsgesetz nicht vorgesehen. Ich beleuchte die Wagengruppen hier im Besonderen, da hier die größte potentielle Gefahr für Teilnehmende auf dem Wagen aber auch für die zusehenden Menschen an der Straße besteht.

Gemeinsame Spielregeln sind wichtig

Um diese Gefahr bestmöglich einzudämmen, gibt es Teilnahmebedingungen, die unsere Spielregeln bezüglich Inhalt und Ablauf, die Auflagen der Versammlungsbehörde und des Ordnungsamtes bezüglich der Mitnahme von Personen auf der Ladefläche abbilden. Ohne Anerkennung dieser Bedingungen ist eine Teilnahme nicht möglich. Da es aber schwer ist, ggfs. Konsequenzen durchzusetzen, gibt es auch hier eine verpflichtende Unterweisung der Wagenleiter*innen. Hier werden die wichtigen Punkte der Teilnahmebedingungen und mögliche Konsequenzen erläutert. Da wir (im Gegensatz z.B. zum Rosenmontagszug) kein Vertragsverhältnis mit den Teilnehmenden eingehen, sind wir hier auf deutliche Worte und den „Gruppenzwang“ angewiesen. Eine Prämisse ist sicherlich, dass wir uns in der Community meist persönlich kennen und es einerseits schwierig ist, dennoch Konsequenzen bis hin zur Räumung des Fahrzeuges und Abschaltung der Beschallung durchzusetzen, andererseits die Verlockung als Wagenleiter*in groß sein kann, die Grenzen auszutesten - „der bellt ja nur – der beißt nicht“. Knackpunkte sind i.d.R. das Verhalten auf dem Wagen, z.B. das Klettern auf Traversen oder Aufbauten während der Fahrt oder aber das deutliche Überschreiten der Lautstärke.

Zusammenspiel mit den Behörden

Hier haben wir schon die passende Überleitung zu den Behörden, die ich exemplarisch an zwei Beispielen festmachen möchte. Gibt die Versammlungsbehörde nach einer Demoanmeldung Auflagen auf, können diese schon mal Probleme verursachen. Vor einigen Jahren hatten wir wegen des massiven Überschreitens einer der damals über 100 Gruppen die Auflage der Maximallautstärke in den Auflagen mitgeteilt bekommen. Diese hätte zur Folge gehabt, dass das Fahrzeug von einem Gutachter eingemessen und die Anlage manipulationssicher verplombt worden wäre. Ein Aufwand, den sich fast alle Gruppen nicht hätten leisten können, da sie das Fahrzeug und die Technik für ein oder zwei Tage länger hätten anmieten müssen. Auf der Gesprächsebene war schnell klar, was das Ziel dieser Auflage sein sollte und dass der beschriebene Weg für die Polizei der „plausibelste“ gewesen ist. Letztendlich haben wir uns auf meinen Vorschlag verständigt, dass das Leitungsteam auf Hinweis der Polizei und auf eigene Faust Lautstärkemessungen durchführt, einmal verwarnt und bei weiterem Überschreiten das Fahrzeug mit der Polizei räumt und die Gruppe als Fußgruppe weiter teilnimmt. In elf Jahren kam es nur einmal zu einer Räumung wegen des Überschreitens der Lautstärke. „Bellen“ und „knurren“ bei der Unterweisung haben also gut funktioniert. Ein zweites Beispiel ist die technische Abnahme der Fahrzeuge und Prüfung der Auflagen zur Mitnahme von Personen auf der Ladefläche. Das Ordnungsamt macht hier Auflagen, die es selber aber nicht prüfen kann, die Polizei hat entgegen ihrer Zuständigkeit diese Auflagen in früheren Jahren kontrolliert. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass es jahrelang völlig unterschiedliche Abnahmeszenarien gab. Mein Ansatz war, eine für beide Behörden verbindliche und akzeptable Lösung zu finden, die uns bei der Abnahme der Fahrzeuge klare Abläufe ermöglicht. 2018 mussten fast 100 Fahrzeuge der insgesamt 170 Gruppen in weniger als vier Stunden abgenommen werden. Auch hier habe ich das persönliche Gespräch mit beiden Behördenvertreter*innen gesucht und beide sind dem Vorschlag gefolgt, dass mehrere von uns beauftragte Gutachter*innen die Abnahme vornehmen.

Mein Fazit:

Immer steht der Mensch im Mittelpunkt. Es gibt oftmals nicht nur „den einen Weg“, Auflagen, Vorschriften, Konzepte, Vorgaben oder Ideen umzusetzen und im Gespräch lassen sich Positionen, Ziele und mögliche andere Wege zu diesem Ziel diskutieren und oftmals auch umsetzen. Nicht jede*r Demoleiter*in „hat keine Ahnung von Organisation“ bzw. „kein Verständnis für Sicherheit“ und nicht jede*r Behördenvertreter*in versteckt sich nur hinter Verordnungen und Paragraphen. Nicht jede*r Ehrenamtliche will nur einmal im Jahr wichtig sein und ein Funkgerät in der Hand halten. Und wenn in einer anderen Stadt die Menschen auf einer dieser Ebenen mal nicht zusammen kommen, hilft es oftmals, sich Unterstützung von befreundeten Organisationen zu holen.

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