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Interview

EUREQUO: Wie kann Qualitätssicherung europaweit umgesetzt werden? Nachgefragt bei Prof. Dr. med. Thomas Kohnen, Frankfurt am Main

Prof. Dr. med. Thomas Kohnen Prof. Kohnen ist leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor an der Universitäts-Augenklinik Frankfurt am Main. Seine Spezialgebiete sind die Katarakt-, Hornhautund refraktive Chirurgie. Seit 2008 ist T. Kohnen Präsident der DGII, seit 2010 auch 1. Vorsitzender der Kommission für Refraktive Chir­urgie von DOG und BVA (KRC).

OPHTHALMO-CHIRURGIE: Herr Professor Kohnen, die Teilnahme am EUREQUO-System ist für die Augenchirurgen freiwillig. Was soll mit dem Projekt erreicht werden? T. Kohnen: Die Zielsetzung des EUREQUO-Projektes ist letztendlich die Entwicklung evidenzbasierter Richtlinien, die für ganz Europa Gültigkeit besitzen. Daher sollte am besten jeder der in den 16 teilnehmenden Ländern durchgeführte refraktive bzw. kataraktchirurgische Eingriff registriert werden. Nur so können Patientenbehandlung und -versorgung verbessert werden.

Damit die Qualität von Katarakt- und refraktiven Operationen europaweit registriert und verglichen werden kann, wurde im Jahr 2008 das Projekt „European Registry of Quality Outcomes for Cataract and Refractive Surgery“ (EUREQUO) gestartet – zunächst in den Pilotländern Schweden, Spanien und den Niederlanden. Seit März 2009 können auch Augenärzte in Deutschland und Österreich EUREQUO nutzen. Geistiger Urheber des Projekts ist der schwedische Ophthalmochirurg Prof. Dr. Mats Lundström, der seit vielen Jahren das schwedische Kataraktregister aufgebaut hat. Die internetbasierte Qualitätssicherungs-Datenbank EUREQUO ent-

hält anonymisierte Patientendaten aus den 16 teilnehmenden Ländern und wird durch die Europäische Union und die European Society of Cataract and Refractive Surgery (ESCRS) finanziert. In den beteiligten Ländern wird die Datenerhebung jeweils durch eine Fachgesellschaft betreut: In Deutschland und Österreich ist dies die Deutschsprachige Gesellschaft für IntraokularlinsenImplantation, interventionelle und refraktive Chirurgie (DGII). Von dem Präsidenten der DGII, Prof. Dr. med. Thomas Kohnen, wollte die OPHTHALMO-CHIRURGIE wissen, was die Zielsetzung des auf drei Jahre angelegten Projektes ist, und wie es umgesetzt werden soll.

OPHTHALMO-CHIRURGIE: Was muss oder soll der teilnehmende Augenchir­ urg an Daten angeben? Welche Parameter werden erhoben?

eine Patientennummer, Geburtsjahr, Geschlecht und Angabe des zu operierenden Auges verlangt. Darüber hinaus werden der prä- und intraoperative Status, Datum des Eingriffs, die chirurgische Methode und eventuelle Komplikationen abgefragt. Bei einem refraktiven Eingriff wird immer der postoperative Status angegeben. Im Falle der Kataraktoperation können Augenärzte zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Dateneingabe wählen: 1. Eingabe der prä- und intra­ operativen Daten, 2. Eingabe der prä- und intraoperativen Daten sowie Nachbeobachtung ein Tag nach der OP und 3. prä- und intraoperative Da-

„Zielsetzung des EUREQUOProjektes ist die Entwicklung evidenzbasierter Richtlinien für ganz Europa.“

T. Kohnen: Sowohl bei einem refraktiven als auch bei einem kataraktchirurgischen Eingriff werden natürlich Angaben zum Patienten wie

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Interview: EUREQUO – Wie kann Qualitätssicherung europaweit umgesetzt werden?

ten und zusätzliche Nachbeobachtung nach 7 bis 60 Tagen. Valider sind natürlich Daten, die sich aus Nachbeobachtungen ergeben, doch haben viele Kliniken nicht diese Möglichkeit, da oft der niedergelassene Augenarzt die postoperative Kontrolle durchführt. OPHTHALMO-CHIRURGIE: Mit der Dokumentation von Handlungsabläufen und Ergebnissen in der Medizin valide Daten zu erhalten, ist nicht ganz einfach, weil es viele Fehlerquellen gibt. Wie wird bei EUREQUO z. B. sichergestellt, dass alle Beteiligten mit denselben Begrifflichkeiten arbeiten? Ein einfaches Beispiel: Wie ist eine „Komplikation“ bei einer Kataraktoperation definiert? T. Kohnen: Zunächst einmal wird zwischen intra- und postoperativen Komplikationen unterschieden. Für beide Kategorien kann angegeben werden, dass es keine Komplikationen gab. Im Fall von intraoperativen Komplikationen können hintere Kapselruptur, Glaskörperverlust, versunkener Kern, Irisschädigung oder andere angegeben werden. Als postoperative Komplikationen lassen sich bleibendes zentrales Hornhautödem/Striae, eingeschränktes Sehvermögen aufgrund einer getrübten Hinterkapsel, Uveitis mit pharmakologischer Behandlung, Endophthalmitis, unkontrollierter erhöhter Augendruck, Explantation oder andere dokumentieren. Sie sehen also, dass die auszuwählenden Möglichkeiten ein sehr breites Spektrum abdecken und mögliche Fehlerquellen stark reduzieren. OPHTHALMO-CHIRURGIE: Es gibt ja inzwischen zahlreiche, unterschiedliche Qualitätssicherungssysteme für Ophthalmochirurgen in Deutschland: Zum Beispiel solche mit klingen-

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den Namen wie Monika oder Mikado, aber auch andere – die ebenfalls freiwillig und oft auf ein bestimmtes Ärztenetz bezogen sind. Warum sollte ein Augenarzt sich an einem weiteren System beteiligen? T. Kohnen: EUREQUO ist das größte IT-Projekt im Bereich Ophthalmologie. Die Daten dürfen von den Teilnehmern für Forschungszwecke, zur Präsentation und natürlich zur eigenen Überprüfung und für Audits genutzt werden. Sollten Ärzte bereits ein anderes System nutzen, existiert die Möglichkeit des Datentransfers zu EUREQUO, was die doppelte Dateneingabe überflüssig macht. Je mehr Daten vorhanden sind, desto besser lassen sich schließlich gemeinsame

„Von EUREQUO profitieren wir alle – nicht nur einzelne Gruppen, die ein bestimmtes System nutzen.“

Richtlinien entwickeln. Davon profitieren wir alle, nicht nur spezielle Gruppen, die ein bestimmtes System nutzen. Außerdem möchte ich die Benutzerfreundlichkeit von EUREQUO betonen. Die meisten der Felder sind Drop-down-Felder, so dass die Daten direkt in einer sich öffnenden Tabelle schnell angeklickt werden können und nicht extra eingetippt werden müssen. OPHTHALMO-CHIRURGIE: Bei anderen Systemen zur Qualitätsdokumentation hat der Operateur den Vorteil, dass er sich mit anderen Operateuren oder OP-Zentren im Detail vergleichen kann. Was bekommt der Ope-

rateur für den zusätzlichen Aufwand, den er betreiben muss, konkret von EUREQUO zurück? T. Kohnen: Auch EUREQUO bietet die Möglichkeit des anonymisierten Vergleichs mit anderen Operateuren, Kliniken und sogar Ländern. Darüber hinaus kann ein EUREQUO-Teilnehmer jederzeit seine eigenen Ergebnisse in Form von verschiedenen Statistiken und Diagrammen abrufen, er braucht also nicht auf die Auswertung durch externe Stellen zu warten. Die Statistiken werden permanent aktualisiert. Interessanterweise kann der Arzt bestimmte Variablen wählen, um sich eine bestimmte Statistik anzeigen zu lassen, etwa bestimmte Altersgruppen oder Patienten mit Begleiterkrankungen. OPHTHALMO-CHIRURGIE: Oft sind es ja ganz praktische Dinge, die eine Umsetzung erschweren: Gibt es denn eine einfache Möglichkeit, die Daten aus einem bereits implementierten Qualitätssicherungssystem ins EUREQUO zu übertragen? T. Kohnen: Ja, es gibt eine ausführliche Dokumentation zur Anbindung bestehender Systeme zur Qualitätssicherung oder elektronischer Patientenakten an EUREQUO. Damit kann jedes Softwarehaus sein eigenes Interface entwickeln und zertifizieren lassen. Die Interface-Beschreibung kann bei der integration.AG unter support@eurequo.net kostenfrei angefordert werden. OPHTHALMO-CHIRURGIE: Es gibt ja bei den niedergelassenen Augenchirurgen und den Zuweisern bzw. Nachbehandlern teilweise Verträge mit Krankenkassen, nach denen die Dokumentation im Rahmen einer

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Interview: EUREQUO – Wie kann Qualitätssicherung europaweit umgesetzt werden?

Qualitätssicherung honoriert wird. Wird eine Beteiligung an EUREQUO auch honoriert?

„EUREQUO-Teilnehmer erhalten ein Zertifikat durch die ESCRS.“

T. Kohnen: Im finanziellen Sinne erfolgt bei EUREQUO keine Honorierung. EUREQUO-Teilnehmer erhalten allerdings ein entsprechendes Zertifikat durch die ESCRS und können selbstverständlich auch das EUREQUO-Logo zu Marketingzwecken nutzen. Man sollte den medizinischen und ideellen Wert von EUREQUO nicht vergessen: Wenn man seine Ergebnisse nicht kennt, ist eine Verbesserung nicht möglich. Und gute Ergebnisse sollten nicht die Ausnahme von der Regel darstellen. Darüber hinaus sind Patienten zunehmend gut informiert und möchten vor einem so sensiblen Eingriff natürlich wissen, wie sicher er ist. Kann ein Arzt gute Ergebnisse vorweisen und ist an permanenter Verbesserung der Arbeitsabläufe interessiert, spricht sich das auch unter Patienten herum.

„Wenn man seine Ergebnisse nicht kennt, ist eine Verbesserung nicht möglich.“

OPHTHALMO-CHIRURGIE: Gibt es eine definierte Mindestanzahl an teilnehmenden Augenchirurgen, damit das Projekt erfolgreich weitergeführt werden kann? Wie lange wird EUREQUO laufen? T. Kohnen: Nein, eine Mindestanzahl ist nicht nötig, wobei wir uns natürlich über eine möglichst hohe Beteiligung freuen. Ursprünglich sollte das Projekt im Februar 2011 auslaufen. Ich freue mich sagen zu können, dass das Projekt nun auf jeden Fall bis mindestens 2014 weitergeführt wird.

„EUREQUO wird bis mindestens 2014 weitergeführt.“

OPHTHALMO-CHIRURGIE: Ist es Ihrer Ansicht nach erstrebenswert, ein einziges System für die Qualitätssicherung in der Katarakt- und refraktiven Chirurgie zu haben? T. Kohnen: Schon aus Gründen der Vereinheitlichung und Übersichtlichkeit ist es natürlich erstrebenswert, nur noch ein einziges System zu haben, in dem alle Daten gesammelt werden. Wann es allerdings dazu kommt, ist im Moment noch nicht abzusehen.

sich Frankreich eigentlich nicht an dem Projekt?

„Grundsätzlich erstrebenswert, aber noch nicht absehbar: Nur ein einziges System zur Qualitätssicherung.“

T. Kohnen: Alle europäischen ophthalmologischen Gesellschaften wurden von der ESCRS über das Projekt informiert und zur Teilnahme aufgefordert. Einige Gesellschaften, darunter auch die französische, haben sich aus mir nicht bekannten Gründen nicht für die Teilnahme entschieden. OPHTHALMO-CHIRURGIE: Herz­ lichen Dank für die Auskünfte! Die Fragen stellte S. Heusel

Informationen zum Projekt EUREQUO und die Möglichkeit zur Registrierung finden sich unter: http://www.eurequo.org im Internet oder beim zuständigen Quality Registry Manager für Deutschland und Österreich, Silke Höhler, s.hoehler@med.unifrankfurt.de.

OPHTHALMO-CHIRURGIE: Die ESCRS-Tagung fand im September 2010 in Paris statt. Warum beteiligt

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