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«Auf wie neben dem Eis gilt: Wir wollen die Dinge vereinfachen»
Sportchef Andrew Ebbett verrät im Gespräch mit dem insider ein paar Eckpunkte der Saisonanalyse. Er sagt, weshalb sich Bern verstärkt in Richtung Norden ausrichten will, und inwiefern die Playoff-Finalisten Genf und Biel den SCB beeinflussen.
Text: Reto Kirchhofer
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Fotos:Reto Fiechter, Tom Hiller
Andrew Ebbett, wir führen dieses Gespräch Ende April, quasi zum offiziellen Ende der Saison 2022/23. Wie viel Platz in Ihrem Kopf gilt noch dem Rückblick, und wie viele Gedanken sind beim Ausblick auf die kommende Spielzeit?
Die letzten Wochen standen im Zeichen des Rückblicks. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, zum Analysieren, zum Überdenken. Aber ab dem 1. Mai wenden wir die Seite und schlagen das neue Kapitel auf. Wobei vorerst im Zentrum stehen wird, einige Anpassungen zu machen, die auf den Ergebnissen der Analyse basieren.
Über die Analyse werden wir noch sprechen. Haben Sie den Playoff-Final zwischen Genf und Biel verfolgt?
Als Spieler wollte ich nach dem Ausscheiden jeweils für längere Zeit nichts von Eishockey wissen, habe den Rest der Playoffs nie verfolgt – ob in der NHL oder in Europa. Als General Manager hat sich der Fokus gewandelt, geht es nicht mehr um individuell basiertes Denken. Ich habe seit Beginn der Halbfinals in der National League gefühlt jeden Tag Eishockey geschaut, im Prinzip in einer Scouting-Funktion. Selbstverständlich gehörte die Finalserie dazu.
Mit Genf und Biel ermittelten die beiden besten Teams der Regular Season den Meister. Zufall? Nein. Daraus lässt sich auch eine Verbindung zu unserer Inkonstanz ziehen. Servette und Biel waren von Beginn weg die besten Teams. Jede Saison ist ein Prozess, in welchem du selten Schritte überspringen kannst. In der Vorbereitung geht es darum, gute Gewohnheiten und Grundlagen zu erarbeiten und zu implementieren. Im September beginnt die Saison, basierend auf den erarbeiteten Grundlagen entwickeln sich Team und Spieler weiter. Dies geschieht kontinuierlich, damit du im Frühling bereit bist, um den Titel zu spielen. Wir konnten uns spät in der Saison steigern. Aber wer monatelang durch die Saison stolpert, kann nicht einfach im März den Schalter umlegen und den Titel erwarten. Im Übrigen haben auch in Schweden und in Deutschland die Nummern eins und zwei der Qualifikation im Playoff-Final den Meister ermittelt. Das ist ein Zeichen.
Welche Erkenntnis ziehen Sie punkto Spielstil aus der Finalpaarung Genf – Biel?
Es war ein spannender Kontrast: Hier Biel, «free flowing», mit Stärken im Umschalt- und Konterspiel. Da Genf, mit direktem Zug, Robustheit und
Physis vor dem Tor – dazu auch mit den nötigen Skills. Dieser Genf-Stil müsste auch zu uns passen.
Sie haben die Steigerung des SCB spät in der Saison erwähnt. Haben Sie die guten Leistungen gegen Schluss versöhnlich gestimmt oder vielmehr geärgert, weil die Mannschaft zu spät gezeigt hat, zu was sie fähig wäre?
Ein Aus im Viertelfinal ist nie das, was ein Club wie der SCB anstrebt. Letztlich war auch der Viertelfinal gegen Biel ein Spiegelbild mit Gutem und Schlechtem. Ich war grundsätzlich die ganze Saison lang frustriert, weil wir ab und an das Potenzial zeigten, etwa gegen den ZSC und Servette, dann aber zuhause Ajoie und Langnau unterlagen. Wir haben bewiesen, zu was wir fähig sind. Der grosse Schritt wird es nun sein, dies auf konstanter Basis abzurufen.
Kommen wir auf die Analyse zu sprechen. Können Sie ein paar Eckpunkte aufzählen?
Beginnen wir beim grössten Problem: der Inkonstanz. Wir haben gegen die Top-4-Teams mehr Punkte geholt als gegen die schlechtesten vier Teams. Das sagt vieles aus. In dieser Hinsicht gilt es Mentalität und Leistungsbereitschaft zu hinterfragen.
Bei einem anderen Punkt liefert Biel Anschauungsunterricht: Der EHCB hat die Kräfte über die ganze Saison hinweg hervorragend verteilt und jüngeren Spielern Vertrauen gegeben. Ich bin überzeugt, dass du in der National League nur erfolgreich sein kannst, wenn du die Eiszeiten besser verteilst, als wir das getan haben. Mit sechs Ausländern ist das Niveau gestiegen, es gibt viele Back-to-back-Partien. Also: Der SCB muss nächste Saison ein VierLinien-Hockey praktizieren. Und was ebenfalls ein Eckpunkt ist: Wir müssen in den «Special Teams» bessere Werte erreichen. Ich werde diesbezüglich die Coaches in die Pflicht nehmen, um sicherzustellen, dass sich unser Powerplay und Boxplay wesentlich verbessern.
Es gab in der vergangenen Saison einige Störfaktoren. Wurden diese aufgearbeitet?
Es gab Dinge, die wir besser hätten «handeln» sollen. Aber Störfaktoren, eine gewisse Unruhe und Unrast, das gehört zum SCB, gehört zum Eishockeyplatz Bern. Wer vor der grössten Kulisse Europas spielt, steht auch unter grös- serer Beobachtung und wird mit höherem Interesse konfrontiert. Als SCB-Spieler musst du diese Begleiterscheinungen akzeptieren und annehmen.
Ist Ihnen das als Spieler einfach gefallen?
Ich habe es geliebt! Wenn du im Idealfall vor 17 000 Zuschauern spielst, dann musst du «ready» sein. Ansonsten wirst du es zu spüren kriegen. Das ist eine grosse Herausforderung. Der SCB braucht eine Kerngruppe an Spielern, die eng beisammen ist und äussere Einflüsse nicht ins Team vordringen lässt.
Gibt es einschneidende Änderungen in der spielerischen Ausrichtung?
Wir müssen unser Spiel teilweise vereinfachen: mehr Nord-Süd, weniger Ost-West. Oder anders formuliert: Weniger quer spielen, sondern mit mehr Zug, direkt nach vorne – und dort Aggressivität und Physis reinbringen. In den Pre-Playoffs traten wir in Spiel 1 und 3 gegen Kloten mit «NorthStyle» auf, ebenso im Viertelfinal in den Partien 3 und 4 gegen Biel.
Mit Verlaub: Entspricht das dem modernen Eishockey?
Wir streben eine Hybrid-Taktik an. Selbstverständlich ist Puckbesitz ein wichtiger Faktor. Aber diesen Faktor gilt es mit der SCB-DNA zu verbinden, die auf Aggressivität und Leidenschaft basiert. Die Analytics zeigen: Wer mehr Zeit in der Zone des Gegners verbringt, der gewinnt. Entsprechend muss unser Fokus darauf liegen, den Puck möglichst schnell aus der eigenen Zone in die Zone des Gegners zu bringen, ihn dort zu halten und zu kreieren.
Bedarf es grösserer Änderungen beim Spielerpersonal?
Es benötigt ein paar Anpassungen im Sommer. Diesbezüglich soll der neue Trainer seine Gedanken beitragen.
Wie ist der Stand der Dinge bei der Trainersuche?
Wir suchen einen Coach, der uns zurück zu den Basics führt – und wie vorhin erwähnt: in Richtung Norden. Es muss ein Coach sein, der die SCB-DNA verkörpert, die Spieler zur Verantwortung zieht, gut kommuniziert und die neue Spielergeneration führen und fordern kann. Über allem steht, einen Trainer zu finden, mit dem wir über mehrere Jahre arbeiten und Stabilität erreichen können.
Gibt es einen Zeitplan?
Nein. Ich lasse mir bewusst Zeit. Es ist ein zentraler Entscheid. Es ist das Ziel, den neuen Coach im Juni