KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

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Jubil채umsausgabe | 20 Jahre VELOBLITZ | 2009 | CHF 12.-

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Was wäre Zürich ohne die gelb-schwarzen Blitze? Wir gratulieren.

Die Alternative Bank ABS gratuliert der Genossenschaft Veloblitz herzlich zum 20-Jahr-Jubiläum.

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Alternative Bank ABS Leberngasse 17 Postfach 4601 Olten

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen, liebe Leser Als Sämi Iseli 1989 in der Küche seiner WG den Veloblitz gründete, hätte niemand von uns geglaubt, dass daraus das grösste Velokurierunternehmen der Schweiz wird. Inzwischen gibt es den Veloblitz seit 20 Jahren. Dieses runde Jubiläum möchten wir zum Anlass nehmen, um Ihnen unseren Betrieb etwas näher zu bringen. Der Veloblitz ist eine genossenschaftlich organisierte Firma. Alle Mitarbeiter können Teilhaber werden und sind dadurch für den Betrieb mitverantwortlich. Der Veloblitz wird daher von allen mitgeprägt, die in der Genossenschaft aktiv sind. Durch Selbstverwaltung und Mitspracherecht ist die Genossenschaft in den letzten 20 Jahren für viele praktisch zur Familie geworden. Dass alle die Leidenschaft für das Velo teilen, ist klar, doch das ist nur der kleinste gemeinsame Nenner. In unserem Magazin Karacho erhalten Sie einen Einblick in die Welt des Veloblitz. Entdecken Sie ganz neue Seiten von uns und unseren Fahrern. Tauchen Sie mit uns in den Grossstadtdschungel ein. Lassen Sie sich von uns in die kasachische Steppe entführen. Stehen Sie mit uns in der Lily’s Homedelivery-Küche. Aktive und ehemalige Veloblitzer sowie viele Freunde haben für dieses Magazin Artikel, Bilder, Essays, Interviews, Glossen, Fotoreportagen und sogar eine Fotoromanze beigesteuert. Lassen Sie sich überraschen. Viel Vergnügen beim Lesen!

Tina Schulze Geschäftsführerin Genossenschaft Veloblitz

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INHALTSVERZEICHNIS

6 LUST UND LAST DER SELBSTVERWALTUNG Armin Köhli

12 AM ANFANG WAR SÄMI Armin Köhli

14 DER KLEINE UNTERSCHIED Armin Köhli

16 WO IST DER VELOBLITZ? Frank Blaser

24 DREI JOBS UND 15 HOBBYS – GESPRÄCH MIT HANNES WÜRGLER Mahmud Tschannen

28 LOVEBLITZ MIT VOLLGAS INS GLÜCK Chris Kerkhof und Frank Blaser

34 MEHR LEISTUNG Karsten Kulik und Lorenz Götte

38 EIN WIRKLICHES ERLEBNIS Franz Hohler

40 „KURIERNOVELLE ODER DER HEIMLICH NOCH ZU ÜBERBRINGENDE SCHLÜSSELBUND DER ANTONIA SETTEMBRINI“ Urs Mannhart

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42 VOM KURIER ZUM TOUR DE FRANCESIEGER Simon Joller

44 HERMES – GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI MIT RAD UND TAT! Peter Zangerl

46 DIE ERFAHRUNG DER WEITE Res Blum

60 VELO-CHINA Roland Fischer

66 ZÜRICH IST GEBAUT Roland Munz

70 ZÜRICH BY BIKE Anette Michel

74 GUTZI GEBEN Mahmud Tschannen

76 OHNE SCHWEISS KEIN PREIS Roland Munz

80 TATORT Alois Jauch

90 DIE VIERTAUSENDER PARADE – ZWEI BIKE-TAGE IM VAL D‘ANNIVIERS

92 AUS SCHROTT WIRD SEIT 15 JAHREN KUNST Leto alias Markus Meyle

96 MIT KARACHO IN DIE ZUKUNFT Boris Wagner

98 AM DONNERSTAG IM KEBAB Talaya

100 SWISSCONNECT - DER KURIER, DER MIT DEM ZUG GEHT – SCHNELL UND ÖKOLOGISCH QUER DURCH DIE SCHWEIZ www.textpistols.ch

102 DER „MESSENGER“ VON VELOBLITZ BEWEGT NICHT NUR KURIERE Rolf Burkhardt

104 LILY‘S

Rolf Burkhardt

108 VELOBLITZ JUBILÄUMS KOLLEKTION 113 MITARBEITER, FREUNDE & GÖNNER 114 IMPRESSUM

Simon Joller

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LUST UND LAST DER SELBSTVERWALTUNG Wer’s in den Beinen hat, braucht auch den Kopf

Text: Armin Köhli, Illustration: Hofgrafen

„Der Veloblitz steht kurz vor dem Konkurs. Drastische Massnahmen sind nötig, um den Absturz noch verhindern zu können.“ (2002)*

„Ein Kurierbetrieb ist ein Geschäft wie jedes andere und darum eher langweilig: Umsatzzahlen, Sitzungen, Kundenwünsche, schwierige Mitarbeiter und so weiter.“ Das schreibt Marcel über den Veloblitz. M, wie ihn alle nennen, muss es wissen: Er arbeitet seit 1993 beim Veloblitz, und er hat in diesem Betrieb schon beinahe alles gemacht. Als Kurier gefahren, disponiert, als Kurier gefahren, Aufträge entgegengenommen, als Kurier gefahren. M war Personalchef und Geschäftsführer, jetzt sitzt er im Verwaltungsrat. M müsste es also besser wissen. Dieser Kurierbetrieb ist kein Geschäft wie jedes andere - nicht der Veloblitz! Und langweilig? Der Veloblitz? Sicher nicht für die einzelne Fahrerin, den einzelnen Fahrer, die ständig auf dem Quivive sein müssen. Überhaupt: Kann es in einem selbstverwalteten Betrieb je langweilig werden? Und ausserdem kann selbst so trockener Stoff wie Umsatzzahlen für Dramatik sorgen. So wie vor sieben Jahren. Der Einbruch musste kommen, das war klar. Die neunziger Jahre hatten zwar stetes Wachstum gebracht, und vife Kuriere konnten gutes Geld verdienen. Doch die Konkurrenz durch virtuelle Übermittlung von Dokumenten wuchs noch viel schneller: Innert kürzester Zeit stand in jedem Büro ein Fax, dann folgte E-Mail. Und was gefaxt oder gemailt werden kann, muss nicht mehr per Kurier geschickt werden. Doch Vorkehrungen waren kaum getroffen worden, und plötzlich war die Krise da. M vergleicht den damaligen Veloblitz mit einem Wasserkessel mit hundert Löchern. Man füllt ständig Wasser nach, doch er wird immer leerer. Im März

*Auszüge aus Sitzungsprotokollen

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2002 war der Veloblitz praktisch zahlungsunfähig.

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Drastische Massnahmen wurden in der Krise

Die Krise bringt den entscheidenden Schritt in

ten der Umstrukturierung. „Naiver Führungsstil“

tatsächlich ergriffen. Der Veloblitz kürzte die

Richtung dessen, was Professionalität genannt

ist dann ein noch milder Vorwurf.

Löhne, und reduzierte bei den Telefonisten sogar

wird: Zuverlässigkeit, Kundenfreundlichkeit, ef-

Arbeitsstunden. Auch kleine Einsparungen gab

fiziente Strukturen. Ab 2002 wird der Betrieb

es allenthalben. Den Angestellten wurde „Kaf-

reorganisiert – mit den gleichen Leuten, aber

feegeld“ abgezogen, die Geschäfsleitung um eine

mit verändertem Bewusstsein.

Person verkleinert, und um Gebühren zu sparen

Ein weiteres Novum in der Geschichte des Veloblitz: Mit Tina wird zum allerersten Mal eine Frau als Geschäftsführerin gewählt. (2006)

waren statt 29 nur noch 25 Funkgeräte in Be-

Heute ist die Genossenschaft Veloblitz hierar-

trieb. Der Veloblitz suchte und fand in der Krise

chisch strukturiert, mit einer Geschäftsleitung

aber auch neue Geschäfte: Seither liefern Veloku-

mit weitgehenden Kompetenzen. Sie ist aber

riere die Menüs des Restaurant Lily‘s frei Haus,

weiterhin auch ein eigentlicher Lehrbetrieb.

sie erledigen die interne Post grosser Firmen,

Denn spezifisch ausgebildete Leute sind ange-

sie streuen Werbepostkarten in der ganzen Stadt.

sichts der bescheidenen Löhne nur selten zu

Schon 2004 geht es dem Veloblitz finanziell wie-

finden. So beginnt man in der Regel als Kurier,

Die formelle Selbstverwaltung beschränkt sich

der bestens.

wechselt irgendwann ins Büro, steigt in die Ge-

erstaunlicherweise auf die jährliche Generalver-

schäftsleitung auf, und lernt dort, was es heisst,

sammlung. Dort haben alle Genossenschafter und

einen mittleren Betrieb zu führen. Das schafft

Genossenschafterinnen – also auch alle Kuriere

für die Einzelnen ausgezeichnete Möglichkeiten,

– Stimm- und Wahlrecht. Ansonsten gibt es ge-

sich zu qualifizieren, motiviert sie auch, län-

legentlich Belegschaftssitzungen, die aber reine

gerfristig im Betrieb zu bleiben - führt aber

Informationsveranstaltungen sind und vorab der

auch zu Leerläufen und der Tendenz, Fehler zu

Geschäftsleitung helfen, Entscheidungen vorzube-

wiederholen. Was wiederum Ressentiments und

reiten. In dieser selbstverwalteten Genossen-

Frustrationen zur Folge hat. Leiser Groll, wenn

schaft wird auch eine institutionelle Personal-

das Geschäft läuft, ausdrückliche Klagen in Zei-

vertretung nicht für nötig befunden.

Von aussen gesehen ist ein Velokurier ein unqualifizierter Handlanger. Er muss damit umgehen können, dass ihm das manchmal zu spüren gegeben wird. (2009) *

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„Folgendes habe ich nicht festgehalten: Dreinreden, Überschreien, unsachliches persönlich werden.“ (2003)

Somit gibt es für Beschwerden, Anregungen und Forderungen nur informelle Gespräche - und das feierabendliche Gespräch und Geschwätz, oft unterlegt mit Bier und anderen Stimulanzien. Das Informelle ist der Selbstverwaltung kaum förderlich – jedoch den quasi rituellen gegenseitigen Beschimpfungen: „Wir haben nichts zu sagen, die machen was sie wollen“ (die Fahrer) versus „Die motzen ständig. Aber selber Verantwortung übernehmen will keiner“ (Büro, Geschäftsleitung, Verwaltungsrat). Das tut der Stimmung zwar nicht gut, ist aber nicht weiter schlimm. Denn gilt es einmal ernst, wird sachlich und recht pragmatisch diskutiert. Beispielsweise ist die Frage, ob die Geschäftsleitung vier oder fünf Mitglieder haben soll, nicht primär eine Frage der Konzentration von Macht, sondern auch des Engagements und der Qualifikation. Und nicht zuletzt der auszubezahlenden oder eingesparten Sitzungsgelder. Der Veloblitz hat übrigens ein probates Mittel gefunden, um die Generalversammlung effizient und kurz zu halten: Rauchen, Alkohol und Drogenkonsum sind während der Sitzung verboten. Dafür gibt es danach Freibier, Weisswürste und Kartoffelsalat. Das strittigste Thema anderer selbstverwalteter Betriebe – wer hat die Macht, jemanden zu entlassen? – ist beim Veloblitz gar keines. Die Regelung ist simpel, und sie besteht auch nicht nur auf dem Papier: Bei Verstoss gegen das Arbeitsreglement verwarnt der Personalchef zuerst mündlich, dann verweist er schriftlich, und schliesslich entlässt er. Der Verwaltungsrat amtet als Rekursstelle.

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Durchaus typisch für Alternativbetriebe, die sich

Schichtkombinationen, die genügend Einkommen

oder schwarz sein. „Uniformzwang“ wird diese

im realexistierenden Kapitalismus behaupten

garantieren. Nachmittags als Kurier unterwegs,

Kleidervorschrift im Reglement genannt, und

müssen, und dennoch recht kurios, ist hingegen

abends Lily‘s, und dazu auch noch fixe Touren,

schon sie – liegt es an der Wortwahl? – führt zu

der Veloblitz-eigene Slang: Einzelne Begriffe von

das würde reichen. Nur Lily‘s, aber auch am Wo-

Diskussionen. Manche empfinden diese Vorschrift

Business-Englisch tauchen da mehr oder weniger

chenende, das würde ebenfalls reichen. Manche

als Einschränkung ihrer Individualität. Die Dis-

passend auf, sprachliche Formeln setzen sich in

Kuriere leben mit minimalem Lohn, andere haben

kussionskultur war sehr schlecht, das Protokoll

Köpfen und Papieren fest. So hat die Geschäfts-

einen zusätzlichen Job. Doch der Lohn ist selten

dementsprechend schwierig.

führung bei flacher Hierarchie neuerdings einen

entscheidend, denn Veloblitz ist Leidenschaft: Ei-

Code of Conduct, gespiegelt wird das in einem

nige Veloblitzler fahren weiterhin einen Tag pro

Die Veloblitzler entscheiden dank Selbstverwal-

Funktionendiagramm.

Woche, obwohl sie längst eine andere, gut be-

tung letztlich selber, welchen „Zwängen“ sie sich

zahlte Arbeit haben.

aussetzen. Und weil das jeden und jede direkt

Erstmals in der Geschichte des Veloblitzes können die Löhne regelmässig ausbezahlt und die AHV-Beiträge monatlich beglichen werden. Unser Postcheckkonto ist gesund. (1995)

betrifft, ist die Beteiligung gross, wenn eine entJa, um beim Veloblitz arbeiten zu können, muss

sprechende Abstimmung ansteht. So sorgte ein

man sogar erst einmal Geld ausgeben. Man

solches Traktandum an der Generalversammlung

braucht ein gutes Velo, muss es ständig warten,

2009 für aussergewöhnlich viele Teilnehmer:

Verschleissteile ersetzen. Man fährt in eigenen

Helmpflicht im Veloblitz? Die Meinungen waren

Kleidern. Sportklamotten sind teuer, dazu kom-

längst gemacht, die kurzen Plädoyers deshalb

men Schuhe, manchmal ein Helm, und Winter-

emotionslos und sachlich. Das Resultat fiel so

sachen. Immerhin gibt es das Veloblitz-Trikot

vorhersehbar wie klar aus: 19 Ja, 2 Enthaltun-

gratis. Das Arbeitsreglement schreibt vor, dass

gen, 40 Nein.

Fahrer und Fahrerinnen auf der Strasse und Velokuriere verdienen wenig. Der Lohn reicht

bei Kunden deutlich als Veloblitz-Mitarbeiter

Alle, die beim Veloblitz arbeiten, sind Veloku-

kaum zum Leben, entsprechend selten sind Profi-

erkennbar sein müssen. Obligatorisch ist ein

riere. Das tönt banal, ist es aber nicht. Denn ob

kuriere beim Veloblitz geworden. Es gibt aber

Veloblitz-Trikot, die übrige Kleidung muss gelb

Geschäftsleitung, Dispo, oder Buchhalter: Seit je

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„Nachdem wir die Fahrerwerkstatt drei Mal neu mit Werkzeug ausgestattet haben und dieses wieder verschwunden ist, überlassen wir diesen Bastelplatz nun seinem Schicksal.“ (2007)

fahren alle auch Schichten als Kuriere. Das ist heute zwar etwas weniger strikt als früher; es gibt einzelne, vorab Telefonisten, die praktisch zu hundert Prozent im Büro arbeiten. Aber gerade für die Disponenten ist es unerlässlich, die Stadt nicht nur auf dem Stadtplan zu kennen, sondern aus eigener Erfahrung und ständig aktuell über Verkehrsfluss und Baustellen, über verschlossene Türen und umgezogene Empfangsschalter Bescheid zu wissen. Rund neunzig Männer und dreissig Frauen arbeiten heute beim Veloblitz. Ihnen gehört der Betrieb, sie bestimmen über die grossen Linien der Geschäftspolitik und die kleinen Sorgen, wie den Velohelm. Die einen mehr, die anderen weniger. Aber sie alle prägen den Veloblitz und sorgen dafür, dass es kein „Geschäft wie jedes andere“ ist. Aber M hat damit sowieso nur tiefgestapelt. Etwas ernsthafter nach dramatischen Entwicklungen gefragt, nennt M zwei Tendenzen, mit denen sich der Veloblitz auseinandersetzen muss: - Die spontanen Aufträge für Velokuriere werden immer weniger – aber immer dringender. Deshalb müssen permanent genug Fahrerinnen und Fahrer eingeteilt sein, um diese dringenden Aufträge sofort ausführen zu können. Fast gleichviele Kuriere, aber weniger Aufträge: Die Kuriere verdienen also immer weniger pro Schicht. - Der Veloblitz muss immer häufiger mit einem Autokurier zusammenarbeiten. Die bestehende beinahe symbiotische Zusammenarbeit mit einem

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kleinen Autokurier bewährt sich dabei sehr. Zu-

Traktandum war eigentlich längst abgeschlossen

mal dieser mit seinen umweltfreundlichen Erd-

und das Leitbild verabschiedet, als eine Kurierin,

gasautos auf der ökologischen Linie des Veloblitz

die zu spät gekommen ist – ihre Schicht dauerte

fährt. Dadurch, sagt M, kann der Veloblitz alle

bis in den Abend – noch eine Frage dazu stellt.

Aufträge annehmen, muss aber nicht selber ins

Eine entscheidende Frage. „Da steht, Kundenzu-

Autogeschäft einsteigen. Grössere Transporte per

friedenheit sei das wichtigste Ziel des Veloblitz“,

Velo sind aber durchaus ein Thema: Der Veloblitz

sagt sie. „Doch ist Kundenzufriedenheit nicht eher

hat kürzlich zwei Lastenvelos angeschafft. Eines

Mittel zum Zweck?“ Sind zufriedene Kunden also

davon wird mit einem Elektromotor ausgerüstet.

nicht ein hehres Unternehmensziel, sondern ganz prosaisch die Voraussetzung für zufriedene und

Generell ist eine Unzufriedenheit bei den Fahrern zu spüren, es sollte das Ziel sein, die Zufriedenheit der Fahrer wieder herzustellen, denn mit Zufriedenheit wird alles generell besser. (2003)

anständig bezahlte Velokuriere? Und dann gibt sie sich die Antwort gleich selbst, ganz Veloblitz: „Vielleicht ist das ja gar nicht so wichtig.“

Wie sich der Veloblitz als Betrieb selbst definiert, steht in einem neuen Leitbild, das auf www.veloblitz.ch veröffentlicht ist. Diese Leitbild wurde an der Generalversammlung 2009 diskutiert. Das

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AM ANFANG WAR SÄMI Ein Velo-Freak hatte den Geistesblitz

Text: Armin Köhli, Bild: Tagblatt der Stadt Zürich

1989 ist Sämi Iseli 22-jährig. Kurz vorher hat er die Matur gemacht, an

Wirkung zeigt ein Presseversand. Das „Tagblatt“ bringt am 4. Dezember

der Zürcher Kanti Enge, aber eigentlich ist er ein Richterswiler. Jetzt kennt

einen Artikel samt Bild von Sämi. Schon tags darauf erhält der Veloblitz

er sich langsam aus in der Stadt Zürich. Er verkehrt in der Szene der Par-

dadurch drei Aufträge. Mehr noch als interessierte Kunden rufen aber Leu-

ties und illegalen Bars, wohnt in einer WG im Kreis 5. Schon in Richterswil

te an, die beim Veloblitz arbeiten wollen. Susanne und Christina sind also

hat er sich politisch engagiert – vor allem velopolitisch. Das Velo ist auch

befreit, und die ersten angestellten Veloblitze unterwegs: Basil und Tomi.

in Zürich sein zentrales Anliegen: Was tun, um das Velo zu fördern, zum

Das Büro befindet sich in Sämis WG-Zimmer; er hat von der damaligen PTT

Verkehrsmittel Nummer 1 in der Stadt zu machen? Was tun ausser Veran-

eine zweite Telefonleitung installieren lassen. Wenn er verschläft, weckt

staltungen, die nur jene erreichen, die eh schon bekehrt sind?

ihn der Anruf des ersten Kunden. Die WG-Küche dient den Kurieren als Aufenthaltsraum. Kommuniziert wird mit den Vorläufern der Mobiltelefonie.

Im Veloblättchen „Katzenauge“ liest Sämi über einen geplanten Transport-

Der Disponent piepst die Kuriere per Pager an, und diese, ausgerüstet mit

dienst per Velo, er geht zum ersten Treffen, doch das Projekt versandet. Er

einer Taxcard, rufen von der nächsten Telefonkabine aus zurück.

verbringt eine Zeit in Hamburg, wohnt bei einem Zürcher Freund, der dort als Velokurier arbeitet. Der sagt ihm: Mach das in Zürich auch! Und Sämi macht. Er will es zumindest probieren. Er stellt ein paar Tarifberechnungen an, besucht auch den Velokurier Luzern, der eben erst gegründet worden ist. Als er bei der Zürcher Kantonalbank nach einem Kredit für die Firmengründung fragt, lacht ihn der Banker aus. Sein Vater hilft ihm mit einem

Den Veloblitz zu gründen habe nichts Geniales gehabt, sagt Sämi Iseli. Er sei einfach mutig und unbefangen gewesen.

Darlehen von 5000 Franken. Ausgerechnet im November soll es losgehen mit dem Veloblitz. Das Novemberwetter spielt keine Rolle. Sämi hat einfach seine Sommerferien

Zwei Jahre lang wird so gearbeitet, doch das System ist teuer. Jeder

schon verplant gehabt. Das Wintersemester an der Uni will er ausfallen

Anruf von einer Kabine kostet vierzig Rappen. Eine eigene Funklizenz ist

lassen. Andere Leute, die das Risiko eines solchen Betriebes eingehen

schliesslich effizienter und günstiger. Das fünftonige Erkennungszeichen

wollen, hat er nicht gefunden. Mindestens zu dritt müssen sie aber sein:

des Veloblitz-Funkes heisst bis heute „Saemi“. Das entsprang aber nicht

Zwei, die fahren, und einer im Büro, um die Aufträge entgegenzunehmen

Sämi Iselis Eitelkeit, sondern wurde vom Bundesamt für Kommunikation

und zu verteilen. Das klappt schliesslich auch. Am 6. November 1989

mit Feingefühl so zugeteilt. Verrechnet werden die Fahrten pro Kilometer;

beginnt der Veloblitz mit Sämi Iseli und zwei Freundinnen, die ihm die

gemessen werden die Distanzen mit dem Massstab auf dem Stadtplan.

ersten paar Tage helfen wollen. Susanne und Christina fahren die ersten

Finanziell bleibt es in den Anfangsjahren eng, doch grosse Schulden häu-

Veloblitz-Aufträge mit ihren Dreigängern durch die Stadt.

fen sich nie an, und Aufwand, Ertrag und Löhne wachsen gleichmässig.

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Nach zwei Jahren ist klar: Es funktioniert! Sämi, der nicht sein Leben lang Velokurier bleiben will, wandelt seine Einzelfirma in eine Genossenschaft um. Dadurch sollen auch andere Verantwortung übernehmen, und das passt auch ins politische Umfeld der damals boomenden Selbstverwaltung. Genossenschafter werden alle etwa zwanzig Kuriere. Nach sieben Jahren zieht sich Sämi ganz aus dem Veloblitz zurück. Er bleibt bis heute Veloblitz-Genossenschafter. Genossenschaft und Selbstverwaltung seien auch im Rückblick die beste Lösung gewesen, sagt Sämi Iseli heute. Attraktiv, und dazu noch gut fürs Image. Er meint aber auch: „Daran kaut der Veloblitz immer noch – es gibt einfach keinen ‚Patron‘. Das führt zu Reibereien und Friktionen.“ Den Veloblitz zu gründen habe nichts Geniales gehabt, sagt Sämi Iseli. Er sei einfach mutig und unbefangen gewesen – und relativ leichtsinnig. „Der Veloblitz hat komplett in mein Weltbild gepasst. Ich wollte etwas Gutes tun. Das Velo fördern, und beweisen, dass das Velo auch kommerziell nutzbar ist. Und spannend war es auch.“

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DER KLEINE UNTERSCHIED Welcher Lohn für welche Arbeit?

Text: Armin Köhli, Illustration: Hofgrafen

Die Frage nach dem „gerechten“ Lohn stellt sich im Veloblitz nicht. Dafür

am Umsatz als Männer – wohl in der irrigen Annahme, dass Frauen nicht

sind die Löhne schlicht zu tief. Was sich aber drängend stellt, ist die Frage

gleich schnell Velo fahren können. Dabei gehören und gehörten Frauen

nach der gerechten Verteilung dessen, was zu verteilen ist. Der Veloblitz

schon immer zu den Meistverdienenden, denn Kurieraufträge schnellst-

kennt drei Arten von Löhnen: Umsatzbeteiligung, Stundenlohn, Fixlohn. Die

möglich zu erledigen, ist gewiss nicht nur eine Frage der Muskelkraft.

eigentlichen Velokuriere erhalten in der Regel 41 Prozent ihres Umsatzes.

Im Zuge von Sparmassnahmen wurde diese positive Lohndiskriminierung

Damit verdienen die meisten knapp 20 Franken pro Stunde. Wer im Büro

schliesslich elegant abgeschafft. Andere Lohnmodelle haben sich auf lan-

arbeitet oder das Büro putzt, erhält je nach Arbeit einen Stundenlohn von

ge Sicht auch nicht bewährt. So gibt es einen Bonus für Vielfahrer – doch

25 oder 27 Franken. Wer fixe Fahraufträge ausführt, etwa den Hauslie-

es hat sich gezeigt, dass jene, die viel fahren, nicht automatisch bessere

ferdienst des Lily‘s, erhält ebenfalls einen Stundenlohn von 23 bis 26.50

Kuriere sind. Dieser Bonus soll nun abgeschafft und dafür der Umsatz-

Franken. Wer feste, immer gleich bleibende Touren fährt, erhält einen fixen

anteil für alle erhöht werden. Sicher ist: Auch dieses System wird wieder

Betrag pro Tour, egal wie schnell oder langsam er die Tour ausführt.

geändert werden.

Benachteiligt fühlen sich die meisten. Und alle haben ihre Argumente. So

Auch die Kuriere untereinander sind sich nicht einig. Periodisch fordern

vergleichen die Leute in der Administration ihre Löhne mit den Kaderlöh-

viele Kuriere einen fixen Stundenlohn - wogegen sich andere wehren, die

nen in anderen Betrieben. Oder erfahrene und gut ausgebildete Vierzig-

einen hohen Umsatz erzielen und mit dem jetzigen System relativ viel

jährige beklagen sich, dass zwanzigjährigen Studenten den gleichen Lohn

verdienen. Gegen einen Stundenlohn für Kuriere sind meistens auch die

erhalten. Andererseits finden viele Kuriere: Wir machen den Knochenjob

Disponenten: Aus ihrer Sicht führt ein fixer Lohn zwingend zu langsameren

auf der Strasse, wir sind der eigentliche Veloblitz, aber die im Büro verdie-

Velokurieren.

nen mehr als wir. Wo doch der Anteil der administrativen Kosten sowieso ständig zunimmt.

Doch in einem sind sich alle einig: Das gemeinsame Ziel heisst Lohnerhöhung.

Die Löhne sind über all die Jahre permanent Thema. Das Lohnsystem wird dauernd angepasst. Früher etwa erhielten Frauen einen höheren Anteil

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„Benachteiligt fühlen sich die meisten. So vergleichen die Leute in der Administration ihre Löhne mit den Kaderlöhnen in anderen Betrieben. Oder erfahrene Vierzigjährige beklagen sich, dass zwanzigjährige Studenten den gleichen Lohn erhalten.“

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Zum Stadtbild von Zürich gehören auch die Kuriere des Veloblitz. Auf den folgenden Bildern muss man allerdings genau hinsehen, um sie zu entdecken. Machen Sie sich auf die Suche! Auflösung auf Seite 112. Fotos: Frank Blaser, Illustration: Hofgrafen

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Eine Form, in der Stadt

begleiten

dann

man sich dem anver-

ne

mit

Stadt kein Naturereig-

zu direkten Erlebnis-

wie eine Fata Morga-

traut, wird man nur

ruckartigem Anheben

nis ist, sondern etwas,

sen zu kommen, ist für

na sofort wieder ver-

gerade zweimal über

des

wie

das wir beeinflussen

mich das Radfahren.

schwinden, wenn man

eine grosse Strasse

ein Radballprofi, und

könnten - wenn wir

Ich wohne in Oerlikon,

sie wirklich brauchen

getrieben, auf welcher

kurz vor der Kreuzung

wollten. Ð

und wenn ich Abma-

könnte, zum Beispiel

der Autoverkehr wie

wieder zwischen zwei

chungen in der Stadt

nach dieser Kreuzung,

ein Wildbach daher-

stockenden oder krie-

habe, zu denen ich

wo man sich dann

rauscht, allerdings ein

chenden

nicht gerade das Cello

hinter eine Art Pfahl-

Wildbach, der hinunter

rechts hineinschlüpfe,

mitnehmen muss, setz

provisorium

schwin-

und hinauf gleichzeitig

wenn ich dann beim

ich mich gewöhnlich

delt, das nun schon

rauscht, das ist eben

Pfauen

aufs Velo, und wenn

so lange dasteht, dass

die städtische Varian-

steige, auf die Uhr

ich auf meinem Ein-

man

Verdacht

te, und wenn ich dann

schaue und sehe, dass

undzwanziggänger

nicht los wird, es sei

aus der Sonneggstras-

ich mit dem Tram zehn

beim Milchbuck vor

zu unserm Schutz er-

se in die Winterthurer

Minuten länger gefah-

den Ampeln zwischen

richtet worden, müsste

Strasse einbiege und

ren wäre, vom Auto

zwei Lastwagen ste-

man nicht eine halbe

wieder so ein Stück-

gar nicht zu sprechen,

he, von denen einer

Minute später wieder

lein Gelb am Boden

dann habe ich den

geradeaus weiter will

raus und sich kühn

sehe, das aber merk-

Eindruck,

und der andere rechts

über zwei Spuren nach

würdig

beim

wirklich etwas erlebt,

in den Tunnel, wenn

links

Universitätsspital wie-

und ich fühle mich

ich da stehe auf ei-

geln, zwischen

Lie-

der verschwindet, und

vielleicht etwa so wie

nem dieser rührend

ferwagen, Motorrädern

dann die Rämistrasse

ein Senn, der mitten

hingepünktelten

gel-

und Hochzeitsbussen,

hinabsteche und mir

in einem Gewitter eine

Radstreifchen,

weil man in den gros-

überlege, ob ich die

verirrte Kuh zurückge-

die manchmal ganz

sen Velokanal einbie-

Autokolonne

rechts

holt hat - der Unter-

überraschend am Bo-

gen will, der einen

oder links überholen

schied wäre einfach

den auftauchen, einen

von Zürich Nord zur

soll und dann links

der, dass das Ver-

ein paar Meter weit

Uni

über die Tramschie-

kehrsgewitter in der

ben

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den

und

hinüberschlän-

bringt

-

wenn

nahe

balanciere Vorderrads

Stosstangen

vom

ich

Sattel

hätte

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DREI JOBS UND 15 HOBBYS – GESPRACH MIT HANNES WÜRGLER Typische Velokuriere gibt es eigentlich nicht. Vollzeitfahrradkuriere sind eher selten. Die allermeisten haben mehrere berufliche Schwerpunkte – und einige eine Familie dazu: Hannes Würgler erzählt im Gespräch mit Karacho, wie er seine drei Jobs als Velokurier, Musiker und Hausmann unter einen Hut bringt. Als langjähriger Veloblitzler wirft er auch einen humorvollen Blick auf die frühen Jahre des Betriebs zurück. Text: Mahmud Tschannen, Foto: Marcel Bircher

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Warum hast du vor 15 Jahren ausgerechnet beim Veloblitz angefangen

Hast du zurzeit eine eigene Band? Eine in der du fix drin bist?

zu arbeiten?

Da gibt es ein paar. Zum Beispiel die Band meiner Frau, die unter ihrem

Ich habe eine Teilzeitarbeit gesucht, bei der ich flexibel bin. Dann habe ich

Namen läuft: Sabine Fiegl. Es sind Singer-Songwriter-Sachen. Wir haben

per Zufall jemanden getroffen, den ich kannte und der beim Veloblitz ge-

schon drei CDs in New York aufgenommen. Mit dieser Band haben wir ein

arbeitet hat. Ich habe ihn beim Milchbuck herumkurven gesehen und mich

paar Auftritte im Jahr. Das genügt natürlich nicht, um davon zu leben.

gefragt, was er da macht. Als ich ihn später nochmals getroffen habe,

Dann gibt es noch die Shaking Piranhas, eine Ska-Party-Band.

habe ich mit ihm darüber gesprochen. Er fand, ich soll mal vorbeikommen,

Ausserdem bin ich Teil eines Trios, das unter dem Namen Kurt Acker-

der Job sei cool. Er selbst war ein Quereinsteiger, der vorher nicht gross

mann läuft. Wir spielen vor allem Pop-Rock-Covers. An Privatfesten und

Velo gefahren ist. Nur für den Normalgebrauch, so wie ich auch.

in einem kleinen Klub an der Limmatstrasse, im Westside. Dort haben wir seit Januar 2008 schon 56 Mal gespielt, jeden Donnerstag. Wir sind quasi

Was hast du vor dem Veloblitz gemacht?

Hausband. Und da hat es noch eine lustige Band, bei der ich manch-

Vor dem Veloblitz habe ich Teilzeit in einem Musikgeschäft gearbeitet. Dort

mal aushelfe, die heisst „Led Airbus“, das ist eine Led-Zeppelin-Tribute-

hat man leider feste Arbeitszeiten, auch samstags und abends. Das ist

Band. Die brauchen nämlich grundsätzlich zwei Schlagzeuger. Einer alleine

meiner Tätigkeit als Musiker von den Zeiten her in die Quere gekommen.

schafft das nicht. Nach einem Konzert braucht man eine Auszeit. Das ist

Das wurde mir zu mühsam. Es war eigentlich der Grund, weshalb ich

schwere körperliche Arbeit. Fix bin ich noch bei Doris Ackermann, das ist

etwas anderes gesucht habe. Das es aber ausgerechnet der Veloblitz war,

eine Country-Folk-Pop-Band.

war ein Zufall.

Die Liste lässt sich noch beliebig erweitern, ist aber schlussendlich nicht so spannend. Doch: Blues Pack gibt es noch. Wir spielen modernen Blues,

Musik war also schon damals ein wichtiger Teil deines Lebens?

der mit Funk angereichert ist. Das sind Winterthurer. Aber auch das sind

Ich habe eigentlich immer in verschiedenen Bands gespielt. Das mache ich

höchstens fünf bis sechs Konzerte im Jahr. Also nicht der Wahnsinn. Aber

jetzt noch. Und zwar querbeet. Vor dem Veloblitz war ich zwei Jahre beim

da bin ich auch dabei.

Cats-Musical in Oerlikon Schlagzeuger. Nach diesem Engagement bin ich zuerst in den Musikladen und danach zum Veloblitz arbeiten gegangen. Hast du nie daran gedacht zu unterrichten? In der Schweiz geben 90 Prozent der Musiker Stunden. Dort hat es bei mir immer geharzt. Ich habe es ein paar Mal probiert, musste aber irgendwann einsehen, dass das nicht mein Ding ist. Tja, und dort verdienen die meisten

Beim Veloblitz arbeite ich 20,5 Stunden, das sind ungefähr 50 Prozent. Hausmann bin ich an zwei Tagen in der Woche, also zu 40 Prozent. Musik mache ich an zwei bis drei Abenden pro Woche.

Musiker halt ihr Geld. Schüler zu unterrichten, die sonst noch ins Karate, Kung Fu oder im Fussballclub sind und keine halbe Stunde in der Woche Zeit haben, um zu üben, das hat mich ziemlich frustriert als Lehrer. Ich fahre lieber Velo. So wurde der Veloblitz halt mein Nebenerwerb. Das deckt

Dein Engagement in der Musik hört sich recht gross an. Wie machst du das

meine Fixkosten. Im Gegensatz dazu ist das Musikersein einfach zu wech-

neben dem Vatersein und dem Kurierjob?

selhaft. Manchmal läuft es gut und im nächsten Monat kann es sehr wenig

Die Auftritte sind meistens am Wochenende, ausser dem fixen Donner-

zu tun geben. Da schaut man halt in die Röhre. Und um das abzufedern

tagsgig. Das ist halt immer Abendarbeit. Darum geht es eben sehr gut am

ist der Kurierjob ideal.

anderen vorbei. Moritz ist jetzt neun, geht in die dritte Klasse, Leo ist sechs und im zweiten Kindergarten. Wir haben es bis jetzt eigentlich immer ohne

Du hast gesagt, dass du querbeet in verschiedenen Bands warst. Wie muss

Krippe geschafft. Meine Frau und ich können uns wie bei einem Puzzlespiel

man sich das vorstellen?

gegenseitig ergänzen. Sabine ist Gesangslehrerin an zwei Musikschulen

Ja, das war schon immer so. Einerseits spiele ich fest in verschiedenen

und arbeitet an drei Tagen jeweils vom Nachmittag an in den Abend hinein.

Bands und anderseits gibt es immer wieder Bands bei denen ich aushelfe,

Ich arbeite montags und dienstags am Morgen. Sie geht, sobald ich nach

wenn ihr Schlagzeuger ausfällt. Ich lerne ihre Stücke ziemlich schnell,

Hause komme. Wir machen an diesen zwei Tagen sozusagen einen fliegen-

mache ein, zwei Auftritte mit ihnen. Das ist aber auch schon alles. Dann

den Wechsel. Mittwochs bin ich ganztags Hausmann. Und Sabine ist den

haben sie wieder ihre eigenen Leute. Als Abwechslung ist das auch sehr

ganzen Tag in Winterthur am Konservatorium. Donnerstag ist dann ihr Tag

spannend. Das lief eigentlich auch immer gut. Ansonsten spiele ich in

und ich bin den ganzen Tag im Veloblitz. Freitag ist auch gemischt. Sie ist

Rock-, Pop-, Jazz-, Country- oder Cover-Bands. Bis vor kurzem war ich

in der Regel am Abend zuständig, weil ich irgendwo spiele.

wieder Schlagzeuger bei einem Musical in Bülach, das hiess „Storm“. Die

Diese Aufteilung hat sich mit den Kindern einfach so ergeben. Bei einer

sind leider Konkurs gegangen. Vier Wochen haben wir gespielt. Es hätten

Krippe hätten wir zwar beide gleichzeitig arbeiten können, einer von uns

zwei Monate werden sollen. – Das erzähle ich nur, um zu zeigen, wie un-

hätte aber schlussendlich nur gearbeitet, um die Krippe zu bezahlen. Und

berechenbar die ganze Musikszene ist. Ich bin froh, dass ich ein Standbein

wenn mal jemand krank ist, springen meine Eltern oder meine Schwieger-

habe, wie den Veloblitz. Wo ich weiss, dass Geld regelmässig reinkommt.

mutter ein. Wir haben ein funktionierendes Netzwerk.

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Wohnen die Grosseltern alle in Zürich?

Jetzt noch ein Blick zurück: Du bist seit 15 Jahren Velokurier. Wie war der

Nein, im Zürcher Oberland. Mein Vater hat aber ein Büro in Zürich. Alle Gros-

Veloblitz früher?

seltern sind schon pensioniert. Und sonst haben wir Babysitter. Bisher hat es

(Lacht) Zum Beispiel wurde Lohn selten ausbezahlt, da sich alle den

immer gut geklappt. Und jetzt sind die Kinder grösser und können auch Mal

ganzen Lohn schon im Voraus auszahlen liessen. Als ich mich das ers-

kurz alleine zu Hause sein. Ein wichtiger Punkt ist sicher auch, dass wir das

te Mal nach meinem Lohn erkundigt habe, waren die Verantwortlichen

Glück hatten, dass wir unseren älteren Sohn an einer Tagesschule unterbrin-

erstaunt, dass ich noch nichts vorbezogen hatte. Aber das ist eher eine

gen konnten. Es gibt leider nicht so viele in der Stadt. Wir dachten nicht, dass

lustige Anekdote.

er rein kommt. Wir mussten ihn anmelden und es hiess, dass am Schluss das

Über die letzten 15 Jahre ist der Veloblitz viel grösser geworden. Es hat

Los entscheidet. Am Info-Abend waren 300 Eltern und wir glaubten nicht,

viel mehr Leute. Am Anfang ist man auf den Sofas gesessen und es waren

dass wir wirklich eine Chance haben. Aber er wurde aufgenommen. Das Gute

immer die gleichen 18 Nasen, die das Ding geschaukelt haben. Es gab

ist, dass der Kleine jetzt auch automatisch in die Tagesschule kann. Ge-

ein paar Vielfahrer und ein paar, die man etwas seltener sah. Heute ist es

schwisternachzug heisst das. Für uns ist das eine ziemliche Erleichterung.

viel schwieriger, die Übersicht zu behalten. Viele Leute sind schon wieder weg, bevor du ihren Namen kennst. Handkehrum ist vieles professioneller geworden: Abrechnungen, Versicherungssachen, Vorsorge. Früher war das

Zum Beispiel wurde Lohn selten ausbezahlt, da sich alle den ganzen Lohn schon im Voraus auszahlen liessen.

ziemlich hanebüchen. Da hat sich schon einiges geändert. Aber grundsätzlich hat sich die Ertragslage insgesamt ziemlich verschlechtert. Ich durfte noch die goldenen Jahre des Velokuriergeschäfts miterleben. Die fetten. Das war 1996-99. Da wurde ein Kurier bestellt, weil irgendwo im Gebäude ein Brief lag. Egal ob er dringend war. Oder Fotos. Wenn irgendein wichtiger Anlass bevorstand, haben wir von den Agenturen die Dias geholt und den Medien gebracht und wieder zurücktransportiert. 1999 fing das

Jetzt auf den ganzen Monat geschätzt, wie teilen sich deine drei Jobs pro-

mit den digitalen Daten an. Dann ging es rapide abwärts. Früher war die

zentual ungefähr auf?

Konkurrenz auch viel kleiner.

Beim Veloblitz arbeite ich 20,5 Stunden, das sind ungefähr 50 Prozent.

Aber der Job an und für sich ist der gleiche geblieben: Du holst etwas und

Hausmann bin ich an zwei Tagen in der Woche, also zu 40 Prozent. Musik

bringst es vorbei. In wievielen Versionen kann man das durchspielen? Der

mache ich an zwei bis drei Abenden pro Woche. Das sind jeweils sechs bis

Job ist einfach und eignet sich auch für andere Leute, die Teilzeit arbeiten

sieben Stunden pro Job. Es kommt darauf an, wo das Konzert ist.

wollen, etwa Studis. Er ist flexibel und man kann mehr arbeiten, wenn man Zeit hat. Wo kann man das sonst? Ein paar Monate vier Mal pro Woche und

Hast du daneben noch Zeit für etwas anderes?

dann wieder nur ein Mal? Vielleicht im Gastgewerbe.

Ja, ja sehr viel. Ich habe noch etwa 15 Hobbys. – Nein, im Ernst, die Woche

Und Gore-Tex. Die ersten Veloblitz-Nylonjacken waren legendär. Im Regen

ist recht voll. Ab und zu habe ich auch noch Proben, die ich zum Glück auf

waren die in drei Sekunden nass und hingen an einem wie ein Sack. Zum

einem Minimum halten kann. Aber nächste Woche beispielsweise probe ich

Glück war das bald vorbei. Ich kann mich an den ersten Winter erinnern.

einen ganzen Tag mit einem Gospelchor. Da muss ich ein ganzes Programm

Da hatte man lange Unterhosen an und Zeitungen unter die Kleidung ge-

einstudieren. Das kommt aber höchstens zwei, drei Mal im Jahr vor.

stopft. Wenn man von Witikon runterfuhr, hatte man das Gefühl, es bläst

Aber sonst liegt nicht wirklich viel drin. Ein Hobby, das ich noch habe,

direkt rein. Bei minus 10 Grad. Bei den Klamotten hat es wirklich einen

ist Bergsteigen. Seit ich Kinder habe, ist das sehr schwierig. Einfach zwei

Quantensprung gegeben.

Tage in die Berge gehen zu können, kommt sehr selten vor. An den Wochenenden geht es mir oft nicht und sonst ist das Wetter schlecht, wenn

Hannes, danke für das Gespräch.

man gerade abgemacht hat. Das klappt schlussendlich ein, zwei Mal im Jahr. Aber, wenn die Kinder einmal grösser sind und ich dann noch mag, dann... Sonst gehen wir halt wandern und geniessen das Essen. Aber, wie gesagt, grundsätzlich ist die Woche voll. Es gibt zu Hause immer etwas zu tun. Wäsche, die herumliegt usw. Gibt es trotz der guten Organisation nie Stress? Nein. Es geht erstaunlich gut. Ausser etwas Unvorhergesehen passiert. Wie letzte Woche. Da hiess es im Kindergarten hätten sie Standortbestimmung der Schule und die Kinder hätten den ganzen Donnerstag frei. Das ist ausgerechnet der Tag an dem wir beide arbeiten. Da rotiert man halt herum, um jemanden für die Kinder zu finden. Manchmal sieht man es früher auf den Zetteln, die die Kinder mitbringen, manchmal halt später.

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Fotos: Chris Kerkhof und Frank Blaser, Text und Installation: Hofgrafen

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MEHR

LEISTUNG Velokuriere als dankbare Versuchskaninchen

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Text: Karsten Kulik und Lorenz Götte, Illustration: Hofgrafen

Viele Velokuriere in Zürich gehen ausser ihrem Kurierjob auch einem Studium nach. Zwei ehemalige Veloblitzler, Karsten Kulik und Lorenz Götte konnten beide Tätigkeiten für ihre Diplom-, bzw. ihre Doktorarbeit verknüpfen, indem sie ihre Arbeitskollegen zu Studienobjekten machten. Über den Veloblitz und seine Kuriere entstanden so zwei interessante Forschungsarbeiten, deren Resultate teilweise internationale Aufmerksamkeit erhielten.

Mehr Leistung dank gezieltem Training der Atmungsmuskulatur Der Biologe Karsten Kulik untersuchte die Auswirkungen eines vierwöchigen Ausdauertrainings der Atmungsmuskulatur. Seine Studie mit Velokurieren als Probanden entstand in Zusammenarbeit mit Michael McMahon vom Sportphysiologischen Institut der ETH / Uni Zürich und wurde in den Jahren 1997 und 1998 durchgeführt.

Um die Wirkung des Trainings nachzuweisen, absolvierten alle Kuriere in einer ersten Phase eine Reihe von physiologischen Tests. Dadurch wurde eine Vergleichsbasis geschaffen. Diese Tests massen Lungenvolumen, Lungen-Vitalkapazität, Atmungsausdauer, Fahrradkraftausdauer, das maximale Sauerstoffaufnahmevermögen, Laktatwerte und weitere atmungsphysiologische Werte.

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MEHR LEISTUNG In der zweiten Phase wurde die Atmungsmuskulatur vier Wochen lang mit

Neben diesem Kurier mit Spitzenwerten bezüglich Sauerstoffaufnahme zeig-

einem kleinen Apparat täglich 30 Minuten lang trainiert. Der Apparat er-

ten einige seiner Kollegen ebenfalls aussergewöhnliche Messwerte an bei-

möglichte es, hohe Volumen pro Minute zu atmen. Durch diese Hyperventi-

den Enden der Skala. Die Werte reichten vom olympischen Athleten bis zum

lation wurde die Atmungsmuskulatur ermüdet, respektive trainiert. Schwin-

Kurier, dem man über die Strasse helfen möchte.

delgefühle durch das Hyperventilieren wurden dadurch verhindert, dass die Trainingsapparatur Kohlendioxid in der Atemluft anreicherte und so dessen

Mehr Leistung dank finanziellem Anreiz

Konzentration im Blut konstant hielt.

Velokuriere zeigten auch interessante Resultate in einer Studie zur Verhaltensökonomie. Lorenz Götte, inzwischen Professor für Ökonomie an der

Nach dieser vierwöchigen Trainingsperiode wurden in einem letzten Schritt

Universität Genf, führte seine Studie im Jahr 2000 als Assistent am Institut

die gleichen physiologischen Tests durchgeführt wie in Phase eins. Die Re-

für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich durch. Mit dem

sultate waren eindeutig: Die Probanden wiesen eine verbesserte Atmungs-

Velokurier als Studienobjekt konnte er sogar eine wichtige Wissenslücke in

ausdauer auf. Interessanterweise fand sich keine Änderung der übrigen

der Arbeitsmarktökonomik schliessen.

Parameter. Die Annahme, dass es durch eine verbesserte Atmungsausdauer auch zu einer Verbesserung der Fahrradkraftausdauer und zu einem erhöh-

Aus Sicht der Arbeitsmarktökonomik war die Ausgangslage klar: Wenn mehr

ten Laktatmetabolismus kommen könnte, bestätigte sich nicht.

Lohn bezahlt wird, arbeiten Menschen mehr. Doch trotz aller Klarheit der Aussage, ist es erstaunlich schwierig sie empirisch zu belegen. Die typi-

Obwohl die Untersuchung der Kurierpopulation wie zu erwarten zeigte, dass

schen Datenquellen sind voller Messfehler bezüglich Löhne und Arbeitsstun-

Velokuriere äusserst geeignete Versuchobjekte für eine solche Untersuchung

den. In vielen Berufen ist es gar nicht möglich, mehr zu arbeiten, wenn die

darstellen, waren ein paar Ausreisser bemerkenswert. So gab es beispiels-

Löhne steigen, obwohl man das vielleicht möchte. Kurz: Empirische Studien

weise einen Kurier, der 92 Milliliter Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht

mit konventionellen Datenquellen stossen schnell an ihre Grenzen.

pro Minute aufnehmen konnte und somit einen sehr hohen maximalen aeroben Wert aufwies. Die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität dient als

Wie sich zeigte, sind ökonomische Daten von Velokurieren hingegen hervor-

Indikator für das Ausdauerpotenzial eines Menschen. Dieser Proband wies

ragend geeignet, um den Zusammenhang von Lohn und Leistung zu untersu-

mit diesen 92ml mehr Potenzial auf als Lance Armstrong (85ml) oder Jan

chen. Kurierfirmen führen genau Buch über die Arbeitsschichten. Zusätzlich

Ullrich (89ml).

stehen weitere, interessante Werte wie die Produktivität von Kurieren (Um-

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satz pro Schicht) zur Verfügung. Aus diesem Grund machte Lorenz Götte, in

quantitative Seite ist erstaunlich: Bei einem durchschnittlichen Monats-

Absprache mit seinem Professor, dem Veloblitz folgendes Angebot: Während

umsatz von 3500 Franken entsprach dies einer Erhöhung des Umsatzes

8 Wochen sollten im Veloblitz den Fahrern die Löhne erhöht werden. In den

von knapp 30 Prozent und dies bei einer Lohnerhöhung von 25 Prozent.

ersten vier Wochen erhielten alle Fahrer mit ungerader Fahrernummer 10

Die Stärke der Reaktion, die dank der Kooperation mit Veloblitz gemessen

Prozentpunkte mehr Umsatzprovision, in den nächsten vier Wochen alle

werden konnte, ist bis heute ein Weltrekord unter vergleichbaren wissen-

Fahrer mit gerader Fahrernummer. Lorenz Götte bekam im Gegenzug alle

schaftlichen Untersuchungen.

Daten (Umsatzzahlen usw.) über diesen Zeitraum für seine Studie. Nach breite Zustimmung ab. Eine Erhöhung der Provision von rund 40 Prozent auf

Einmal Velokurier, immer Velokurier? Eine Anekdote von Lorenz Götte

50 Prozent hatte halt ihren Reiz.

Während meiner Tätigkeit als Senior Economist an der Federal Reserve Bank

anfänglicher Skepsis unter der Fahrerschaft zeichnete sich dann doch eine

of Boston hatte die mit der Sicherheit des Gebäudes betraute Polizei grosse Mühe, mich als Angestellten der Bank zu erkennen. Der Grund: Obwohl sich

Mit dem Velokurier als Studienobjekt konnte sogar eine wichtige Wissenslücke in der Arbeitsmarktökonomik geschlossen werden.

alle, die das Gebäude betraten, einer Kontrolle beim Eingang unterziehen mussten, wurden Fahrradkuriere besonders gründlich untersucht. Sie wurden genauestens registriert und mit einem leuchtenden Kleber versehen, auf dem gross „VISITOR“ stand. Mir ging es sehr oft wie den Kurieren. Das hatte weniger mit meiner Kleidung als vielmehr mit der Tatsache zu tun, dass ich mit dem Velo zur Arbeit

Die Ergebnisse aus dem Experiment sprechen für sich: Die Abbildung zeigt

fuhr. Dafür wurde ich nicht nur von den Polizisten ungläubig angestarrt. Vor

die Umsätze der Fahrer während der Untersuchung. Die Kurve zeigt, dass

dem 32-stöckigen Hochhaus der Federal Reserve Bank gab es dementspre-

beide Gruppen zu Beginn einen ähnlichen Einsatz brachten. Als der Lohn

chend auch nur einen einzigen Veloständer für fünf Velos – und Platz hatte

einer Gruppe erhöht wurde, waren plötzlich grosse Unterschiede zu beo-

eigentlich immer.

bachten. Fahrer, die in den ersten 4 Wochen eine höhere Provision bekamen, erarbeiteten ca. 1000 Franken mehr Umsatz. Gleiches passierte in der zweiten Periode. Die Unterschiede sind statistisch hochsignifikant. Auch die

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EIN WIRKLICHES ERLEBNIS Eigentlich glaube ich, dass wir in unserem wohlorganisierten Alltag alle zu wenig erleben. Auf irgendeine seltsame und softe Art manövrieren wir uns an den wirklichen Erlebnissen vorbei, wenigstens wir in Zürich oder in Männedorf oder Thalwil, oder warum wären wir sonst so begeistert, wenn wir auf einer Mittelmeerinsel mit dem Fischer im Boot hinausfahren dürfen oder wenn wir in unsern drei Ferienwöchlein in den Bergen dem Bauern die Kühe in den Stall zurücktreiben helfen.

Text: Franz Hohler, Illustration: Res Zinniker

Eine Form, in der Stadt zu direkten Erlebnissen zu kommen, ist für mich das Radfahren. Ich wohne in Oerlikon, und wenn ich Abmachungen in der Stadt habe, zu denen ich nicht gerade das Cello mitnehmen muss, setz ich mich gewöhnlich aufs Velo, und wenn ich auf meinem Einundzwanziggänger beim Milchbuck vor den Ampeln zwischen zwei Lastwagen stehe, von denen einer geradeaus weiter will und der andere rechts in den Tunnel, wenn ich da stehe auf einem dieser rührend hingepünktelten gelben Radstreifchen, die manchmal ganz überraschend am Boden auftauchen, einen ein paar Meter weit begleiten und dann wie eine Fata Morgana sofort wieder verschwinden, wenn man sie wirklich brauchen könnte, zum Beispiel nach dieser Kreuzung, wo man sich dann hinter eine Art Pfahlprovisorium schwindelt, das nun schon so lange dasteht, dass man den Verdacht nicht los wird, es sei zu unserm Schutz errichtet worden, müsste man nicht eine halbe Minute später wieder raus und sich kühn über zwei Spuren nach links hinüberschlängeln, zwischen Lieferwagen, Motorrädern und Hochzeitsbussen, weil man in den grossen Velokanal einbiegen will, der einen von Zürich Nord zur Uni bringt - wenn man sich dem anvertraut, wird man nur gerade zweimal über eine grosse Strasse getrieben, auf welcher der Autoverkehr wie ein Wildbach daherrauscht, allerdings ein Wildbach, der hinunter und hinauf gleichzeitig rauscht, das ist eben die städtische Variante, und wenn ich dann aus der Sonneggstrasse in die Winterthurer Strasse einbiege und wieder so ein Stücklein Gelb am Boden sehe, das aber merkwürdig nahe beim Universitätsspital wieder verschwindet, und dann die Rä-

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mistrasse hinabsteche und mir überlege, ob ich die Autokolonne rechts oder links überholen soll und dann links über die Tramschiene balanciere mit ruckartigem Anheben des Vorderrads wie ein Radballprofi, und kurz vor der Kreuzung wieder zwischen zwei stockenden oder kriechenden Stosstangen rechts hineinschlüpfe, wenn ich dann beim Pfauen vom Sattel steige, auf die Uhr schaue und sehe, dass ich mit dem Tram zehn Minuten länger gefahren wäre, vom Auto gar nicht zu sprechen, dann habe ich den Eindruck, ich hätte wirklich etwas erlebt, und ich fühle mich vielleicht etwa so wie ein Senn, der mitten in einem Gewitter eine verirrte Kuh zurückgeholt hat - der Unterschied wäre einfach der, dass das Verkehrsgewitter in der Stadt kein Naturereignis ist, sondern etwas, das wir beeinflussen könnten - wenn wir wollten.

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„Eine Form, in der Stadt zu direkten Erlebnissen zu kommen, ist für mich das Radfahren.“

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„KURIERNOVEL-

LE ODER DER HEIMLICH NOCH ZU ÜBERBRINGENDE SCHLÜSSELBUND DER ANTONIA SETTEMBRINI“

Berner Velokurierbuch - ein Auszug

Text: Urs Mannhart

Mit einer unrühmlichen Szene fängt es an, kurz nach einer Ampel, an der

die machen Sprüche, ahne aber schon, dass die immer so sprechen. Ich

ich von einem dienstbeflissenen Lohnbezüger des Polizeidepartementes

stelle mich gerade etwas umständlich an mit dem Brustgurt, in dem das

aufgehalten werde, oder nein, ich muss noch weiter ausholen: Auf dem

Funkgerät getragen wird, als mir einer sagt, ich müsse, damit ich den Dis-

Weg in die Zentrale gelingt es mir, obwohl ich um diese Tageszeit für

ponenten über Funk möglichst gut verstehe, mein Ohr an den Wind legen

gewöhnlich kaum schnelle Reflexe zeige, sämtlichen Scherben rechtzeitig

wie einen Löffel an den nächsten. Ich nicke, als hätte mir jemand einen

auszuweichen. Es gelingt mir auch, vor dem Befahren des Gitterrosts, der

kulturgeschichtlichen Gemeinplatz vermittelt. Trotz aller Sorgfalt fahre ich

direkt vor der Zentrale, offenbar als Teststreifen fahrerischen Könnens, in

beinahe ohne Helm los, und nach den ersten paar Metern, als ich am Kairo

den Boden eingelassen ist, mein Vorderrad kurz leicht quer zu stellen, so

vorbeiziehe, muss ich zugeben, wie mich etwas in dieses Lokal hineinzieht,

dass ich nicht steckenbleibe und also nicht gleich am allerersten Morgen

zugeben, dass ich jetzt, statt im Nieselregen, statt in der relativen Kälte,

mit dem Gesicht auf dem Steinboden zur Tür hereinkomme.

gerne drinnen auf dem alten Polster und in einer nie gehörten Musik herumsitzen würde, sei es auch bloß, um den Stadtplan zu studieren, den ich

Da ich als einer der Ersten in der Zentrale aufkreuze, überlässt es der

mir extra gekauft habe, um ihn im Duft eines Kaffees auf die volle Größe

Disponent mir, das Funkgerät auszuwählen. Ich nehme die Nummer sieben,

aufzufalten und in aller Ruhe zu einem auch den Disponenten überzeu-

meine Lieblingszahl. Nervös bin ich, unsicher in meinen Bewegungen, und

genden Entscheid zu gelangen, welche Straßen mich am besten dorthin

ich lasse mich, der ich mich in diesem Trikot wie verkleidet fühle, irritie-

führen, wo jene Haustür liegt, hinter der mein erster Auftrag beginnt. Ja,

ren von den Sprüchen, die die anderen machen, oder genauer: Ich denke,

Stadtkenntnis, haben sie gesagt. Stadtkenntnisse, und ob ich über solche

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verfüge. Na ja, ein bissche lügen muss doch erlaubt sein. Ich weiß, wo die

– noch ist unklar, ob ich mich hier jemals heimisch fühlen werde. Ich

Aare durchfließt und wo nicht, und dass einer, der neu anfängt, nicht jeden

selbst trage lange, nicht sonderlich elegante Trainingshosen aus schwar-

Schleichweg kennt, davon ist doch auszugehen. Leider sehen alle andern

zer Baumwolle, etwas Tauglicheres habe ich nicht auftreiben können. Aber

so aus, als lebten sie von Kindsbeinen an in dieser Genossenschaft, als

auf meinen Waden gibt es ohnehin nichts zu sehen, ein paar Haare viel-

wären sie bei der Gründung 1988 dabei gewesen und als könnten sie sich

leicht über der Ahnung eines Muskels. Ich werde schon froh sein müssen,

gar nicht vorstellen, dass es auch Menschen gibt wie mich, die zuvor in

wenn ich nicht vom Rad falle, denn es ist das erste Mal überhaupt, dass

einem gut klimatisierten Büro gearbeitet haben.

ich mit diesen Pedalen fahre und mit diesen Schuhen, die darin einrasten wie ein Skischuh in seine Bindung.

Die meisten Kuriere haben übrigens ungewöhnlich lange Nasen. Mag mit dem Wind zu tun haben, der ihnen in jahrelanger Fahrt die Gesichtshälf-

Diesen Stress, so denke ich, hätte ich mir besser erspart: Fortwährende,

ten geschmälert hat, ich weiß es nicht; mit einem Arbeitsleben, das sich

direkt neben und hinter mir fahrende Angst, nicht aus dieser Verankerung

stets nach vorne orientiert, mit einer Vorwärtsfantasie. Die hartgesottenen

zu kommen, bei einem Rotlicht stehend oder vor der Tür eines Kunden in

Genossenschaftler fahren auch bei diesen widrigen, nasskalten Bedingun-

einer kaum für möglich gehaltenen Langsamkeit umzufallen, bloß weil ich

gen in kurzen Hosen. Wahrscheinlich besitzen sie gar keine langen. Oder

den Schuh nicht rechtzeitig vom Pedal reißen kann. Kurzfristig hatte ich

sie wollen nicht, dass das Fischgerippe, das ihre Wadenmuskulatur ziert,

mich zu diesem Kauf entschieden, ich fürchtete, mich dem Spott preiszu-

überdeckt wird. Einige haben sich ihre Nummer in aufwändiger Handarbeit

geben, wenn ich meine erste Schicht mit diesen antiken Pedalen fahren

aufs Trikot gestickt, andere tragen Fußballsocken am Unterarm, einige

würde, bei denen nichts als ein Körbchen den Schuh fixiert; Pedale, die

polieren den Stahl ihres makellos glänzenden Rads, mit dem sie gleich in

danach aussehen, als fahre ein alter Mann gemächlich durch die Dämme-

den Regen ziehen werden, andere rauchen noch rasch zwei Filterlose, ehe

rung auf seinen Bauernhof zu. Noch kann ich nicht nachvollziehen, worin

die Schicht beginnt.

der Vorteil der neuen Pedale genau liegt. Geübte Fahrer, so der Verkäufer, könnten damit nicht nur den runden Tritt perfektionieren, sondern auch

Pünktlich um acht Uhr stehe ich ein erstes Mal in der Kette, wie die Ku-

problemlos jene kleinen Sprünge vollführen, die hin und wieder nötig

riere sagen, stehe in der Kette des alten Pinarello und sehe zu, dass ich

seien, um von der Straße auf den Gehsteig zu wechseln. Darüber, dass

in den richtigen Gang, auf das richtige Tempo gelange, damit ich mich in

man mit diesen Schuhen kaum gehen kann, ohne wegen der Metallplatte,

den Verkehr einfügen kann. Ich müsse mich, hat einer gesagt, durch den

die aus der Sohle ragt, ständig auszurutschen, darüber hat der Verkäufer

motorisierten Verkehr bewegen wie heißes Wasser durch einen vereisten

kein Wort verloren.

Bergbach. Ich glaube, diese Kuriere haben alle irgendwo einen Flick weg

„Velokurierbuch“, ISBN: 978-3-909990-21-4, Edition EigenArt. Hardcover, Prägung, 192 Seiten. CHF 30.- exkl. Porto und Versand. Respektive CHF 100.-- für die signierte Spezialausgabe mit integriertem Veloschlauch.

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42 / REPORTAGE /

VOM KURIER ZUM TOUR DE FRANCE-SIEGER Mit 30 Kilo auf dem Buckel täglich auf den Pfannenstiel pedalen - für 50 Franken im Monat: So war Ferdy Kübler vor 75 Jahren Velokurier. Ums Geld ging es ihm nicht, Kübler wollte Rennfahrer werden, Kurierfahren war sein Training. Auch ich habe das versucht. Die Tour de France konnte ich nie gewinnen, aber immerhin war ich Radprofi. Text: Simon Joller, Illustration: Hofgrafen

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Geld verdienen mit dem Radfahren, das war einer meiner Bubenträume.

sen, die meist noch nicht asphaltiert waren. Besonders auf der Abfahrt

Ja, die Tour de France gewinnen, ein abgebrühter Patron sein wie Bernard

vom Pfannenstiel jagte er den Fussgängern oft einen gehörigen Schreck

Hinault, ein Asket wie Urs Zimmermann, ein cooler Hund wie Laurent

ein – und landete dabei öfters auch im Strassengraben. Oder Ferdys Ge-

Fignon, ein Materialfreak wie Greg Lemond, ein Nationalheld wie Ferdy

schichte mit der Zwetschgenwähe: Er balancierte sie nonchalant auf der

Kübler. Ich hatte viele Vorbilder. Die verrückten Messenger gehörten

Hand, doch kurz bevor er bei der Villa ankam, wo er sie abliefern sollte,

nicht dazu. Und doch landete ich beim „Blitz“. So konnte ich schliesslich

flog er in hohem Bogen in ein Blumenbeet. Die Wähe klatschte auf das

bezahlt trainieren.

Vorderrad. Ferdy, ass, was noch zu essen war, kehrte zum Bäcker zurück und sagte ihm: „Herr Schneebeli, die Kunden hatten solche Freude an der

Aus dem Sieg an der Tour de France wurde natürlich nichts. Doch immer-

prächtigen Wähe, sie möchten gleich noch eine Zweite.“ Schneebeli durch-

hin habe ich einmal in meinem Leben Geld verdient mit dem Radfahren.

schaute Ferdy, versetzte ihm eine Ohrfeige und meinte nur: „Lügicheib!“

Und ich konnte damals sagen: „Ich bin Radprofi.“ Ich war stolz darauf, dachte: „Darauf ist wohl noch kaum einer gekommen, sich das Training

So richtig hingelegt hat es mich nie beim Kurierfahren. Aber Abends, im

von einem Kurierunternehmen bezahlen zu lassen.“ Bis ich mich in die

Büro, da wurden jeweils die unglaublichsten Geschichten geboten. Bis zum

Literatur über Ferdy Kübler vertieft habe. Und da erst habe ich erfahren,

Sturz unter dem Lastwagenanhänger hindurch. Doch erst wenn wieder mal

dass der das schon 65 Jahre vor mir so gemacht hatte. Nur viel erfolg-

ein Kollege ein paar Monate nicht zur Arbeit erschien, wussten wir: Da war

reicher. Und konsequenter. Und verrückter. Nie habe ich 30 Kilogramm im

was dran, an der über ihn erzählten Geschichte.

Rucksack getragen. Ferdy machte das regelmässig. 30 Kilogramm Brot in der „Chräze“, und dann nicht etwa vom Limmatquai zur Bahnhofstrasse,

Manchmal hat meine rasante Fahrweise einen Autofahrer einen Rück-

sondern hinauf auf den Pfannenstiel, zum „Türli“, dem letzten Restaurant

spiegel gekostet, manchmal gab es lange Diskussionen. Gut, ich musste

auf dem Berg, mit einem bleischweren Militärrad. Was der junge Ferdy

jeweils erklären, warum ich und nicht er recht hatte. Natürlich. Und so-

damals machte, hiess einfach noch „Ausläufer“ und nicht Velokurier. Ferdy

wieso hatte und hat es zu viele Autos auf der Strasse. Nicht so wie vor

fuhr zuerst für den Bäckermeister Schneebeli aus Männedorf, dann für

75 Jahren. Ferdy erzählt: „Mit den Autos war es nicht böse, es gab ja

den Uhrenladen Barth an der Bahnhofstrasse und den Parfum-Verkäufer

keine. Manchmal kam eines alle halbe Stunde, heute kommen sie alle 10

Uhlman-Eyraud. 15 Jahre später hat Ferdy National die Tour de France

Sekunden.“ Und so beendete auch ein Auto Ferdys Zeit als Velofahrer. Er

und ein Jahr später, 1951, die Weltmeisterschaft gewonnen.

war 70 Jahre alt, als ihn am Türlersee ein Mercedes über das Strassenbord katapultierte. „Da habe ich Angst gekriegt und bin nie mehr auf ein Velo gestiegen.“

Was der junge Ferdy damals machte, hiess einfach noch „Ausläufer“ und nicht Velokurier.

Für Ferdy war das Kurierfahren die einzige Möglichkeit, das Velofahren begründen zu können: „Damals hatte man nicht viel gegeben ums Velofahren. Heute fährt ja jeder Generaldirektor. Doch damals galten Velofahrer als Tagediebe. Wir durften nicht im Renndress trainieren, zogen Shorts an über die Rennhosen.“ Als Ausläufer hatte er wenigstens einen Job, bei dem er

Ferdy ist zum Schweizer Sportler des Jahrhunderts gewählt worden. Seine

trainieren konnte. Doch dieses Training reichte ihm noch nicht: „Ich ging

Geschichte bewegt bis heute. Ferdy hat gerade seinen 90. Geburtstag ge-

manchmal morgens um vier trainieren, um acht arbeiten, danach wieder

feiert. Ich durfte ihn besuchen zu Hause in Birmensdorf. Und er erzählte,

trainieren bis abends um zehn Uhr.“ Und da begann ich zu verstehen,

als sei er erst gestern noch Ausläufer gewesen: „Als ich da auf den Pfan-

warum ich es trotz bezahltem Training eben doch nicht zur Tour de France

nenstiel gefahren bin, da ist dann öfters Mal was kaputt gegangen. Mal ein

geschafft habe.

Pedal, dann wieder eine Kette, dann ein Rad. Der Velo Hefti sagte immer: Der Kübler ist mein bester Kunde, der kommt jede Woche.“ Das Militärrad gehörte dem Beck Schneebeli, und der hat ihm die Reparaturkosten jeweils vom Lohn abgezogen. „Aber Frau Schneebeli, sie war eine liebe Frau, sie hat mir das Geld wieder gegeben und gesagt: Du musst einfach nichts sagen, Ferdy.“ Auch ich hatte ein geliehenes Velo. Von einem Freund, der den Kurierjob kurz zuvor an den Nagel gehängt hatte. Zum Glück war das etwas stabiler als Ferdys Militärrad. Als ich es zurückgegeben habe, hat die Revision aber doch auch mehr als meinen letzten Monatslohn als Kurier verschlungen – obwohl ich alles selber repariert habe. Ferdy Kübler nannten sie in Männedorf den „Bäckerschreck“. Weil er mit seiner Hutte am Rücken wie ein Verrückter über die Strassen raste. Stras-

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Jubiläumsausgabe

HERMES – GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI MIT RAD UND TAT!

(Übers. einer Inschrift auf dem Belag der alten Rennbahn im antiken Olympia, ca. 500 v.Chr.) Text: Peter Zangerl, Illustration: Hofgrafen

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Am Anfang war ein Esel

„Wohlan, ich lasse dir freie Hand, ich bin etwas in Eile. Bin schon spät

Zeus, man kann es nicht verhehlen, war noch ein echter Kerl. Er hat selten

dran für mein Stelldichein mit Paris, der nymphenhaften, der beglückenden

lange gefackelt, wenn ihm eine holde Göttin, Titanin oder ein Menschen-

Wirtstochter.“ Und verschwand.

töchterlein vor die Lenden geriet. Um die Aufzucht der Brut hat er sich nie gekümmert. Im Fall von Hermes*, dem Spross aus dem Beischlaf mit der

Hestia zögerte keinen Augenblick und trug Hermes auf, dass er zu Pedila-

Atlastochter Maia, war das auch gut so. Der stets jähzornig aufbrausende

tos niederschweben solle, um diesen an die Kandare zu nehmen. Von nun

Donnerer hätte den Jungen doch nur verdorben. So war und blieb Hermes

an bis in alle Ewigkeit müsse der missratene Zeussohn ohne Ross und

ein kluges Kerlchen: Neueste Übersetzungen alter Quellentexte haben uns

Wagen, ohne Hilfe von Menschen oder Göttern in der ganzen Welt zuwege

die folgende Sage zugänglich gemacht, in der sich Hermes in seiner gan-

sein und Reisende, die nach dem Weg fragen, in die Irre leiten.

zen Durchtriebenheit zeigt. Der Götterbote wollte sich dem Willen seiner Oheimin nicht widersetzen, aber er erbarmte sich seines Halbbruders und erschuf – in Andenken an

Als der Zeusspross herangewachsen war, hatte er nicht nur stramme Waden und ein Hinterteil wie Leder, sondern auch ein loses Mundwerk.

dessen Ziehvater Hossas – Bicyclos, den ehernen Esel, damit Pedilatos nicht zum ewigen Wanderer werde, sondern seinem Naturell entsprechend zum ewigen Trampel! Zudem empfahl ihm der listenreiche Maiasohn, sich beim Fahren immer tief über den Lenker zu beugen und das Gesicht wie unter Schmerzen zu verziehen: So würden ihn auch die skythischen Fellhändler und einfältigen Schlachtenbummler um Rat fragen – auf dass er

Es lebte zuzeiten ein bescheidener Mann in Lakedaimon namens Tram-

diese unerwünschte Brut ins Land schicke, wo das Pfeffer wächst!

polos, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hiess Brittneia. Zeus, der Betörer, hatte bei ihr leichtes Spiel, als er sie in Gestalt des lokalen

Hier bricht die Erzählung ab.

Eselzureiters Hossas entjungferte. Die schwangere Brittneia wurde folglich dem Hossas anvertraut, und bald kam sie nieder mit einem blonden

Es wird gemunkelt, dass Pedilatos seinem Schicksal bis heute nicht

Knäblein. Weil dieses schon als Säugling strampelte, wie wild, gab man

entronnen ist. In unserem Zeitalter, wo es asphaltierte Strassen gibt, he-

ihm den Namen Pedilatos.

phaistisch anmutende Karbonräder und göttlichen Nektar wie Cera, Testosteronpflaster und Coca Cola, scheint er sogar in seinem Element. Zu-

Als der Zeusspross herangewachsen war, hatte er nicht nur stramme

sammen mit seinem schelmischen Gönner Hermes, der sich jeweils in die

Waden und ein Hinterteil wie Leder, sondern auch ein loses Mundwerk. Er

Gestalt seines Freundes Pedilatos verwandelt, um an seiner Stelle in die

ehrte seine Eltern nicht, nein, er verspottete sie tagein, tagaus. Statt den

Probenbecher zu urinieren. So führt er seit bald zehn Jahren die Radsport-

Göttern zu opfern spuckte der Halbstarke (Anm. des Übers.: altgr. demigur-

gemeinde hinters Licht. – Leider dürfen wir an dieser Stelle keine Namen

kos) in die heilige Flamme. Das erzürnte im speziellen Hestia, die Amme

nennen, denn wir wollen weder den Zorn der irdischen Richter noch den

(Anm. des Übers.: altgr. hypernanneia) unter den Göttlichen: „Zeus, sieh,

der Götter auf uns ziehen!

dein Sohn Pedilatos spottet unser und ehrt auch nicht Vater und Mutter. Er soll für seine Freveleien büssen!“ Da sprach der Aegisschleuderer:

*Hermes ist in der griechischen Mythologie der Schutzgott des Verkehrs, der Reisenden, der Kaufleute und der Hirten, andererseits auch der Gott der Diebe, der Kunsthändler, der Redekunst, der Gymnastik und somit auch der Palästra und der Magie. Als Götterbote verkündet er die Beschlüsse des Zeus und führt die Seelen der Verstorbenen in den Hades. Er gehört zu den zwölf großen Olympischen Göttern.

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DIE ERFAHRUNG DER WEITE Mit dem Fahrrad durch Kasachstan. „Hier beginnt nun also der wilde Osten“, geht es mir durch den Kopf, als ich von meinem Fahrradsattel aus den Blick über die karge kasachische Steppe schweifen lasse. Ich stehe neben dem letzten Zollposten und bin froh, soeben die mühsame Grenzprozedur nach dem Verlassen Russlands hinter mir zu haben. Fotos und Text: Res Blum

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/ REPORTAGE / 47

G

Aralstrasse in Kasachstan

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Die kasachische Steppe im Sonnenuntergang

Unbekanntes Kasachstan

überraschend klein zu sein, kaum ein Auto lässt

den Atomtestprogrammen, die die Sowjetunion

Kopfschüttelnd schaut der Kasache mich und

sich blicken. Im Magen verspüre ich ein leicht

seit Ende der 40er Jahren, im scheinbar unbe-

mein Drahteselchen an: „Weisst du eigentlich,

mulmiges Gefühl, wie jedes Mal wenn ich auf

wohnten Nichts im kasachischen Osten bei Se-

wie schlecht die Strassen in Kasachstan sind?“

meiner Reise ein neues, mir noch unbekanntes

mipalatinsk durchgeführt hat – zum Glück weitab

Nein, weiss ich nicht. Wenn ich die trostlose

Land unter die Räder genommen habe. Doch

meiner geplanten Route. Und eine Menge Öl soll

Gegend und das lottrige Häuschen neben mir

diesmal ist es mulmiger da unten. Ich habe auch

es geben. Schon merkwürdig, dass bei uns über

sehe, so habe ich aber meine Befürchtungen. Ich

einigen Grund dazu: Auf mich warten 2500 km

dieses Land eigentlich vor allem Negatives be-

schaue mir den Mann an, wohl ebenso neugierig,

Niemandsland, wie ich glaube: endlose Steppe

kannt ist – aber das war ja bereits in der Ukraine

wie er mich bestaunt, und wundere mich, wie

und Halbwüste bis zu den Bergen des Tian Shan.

und Russland so und da haben mich Land und

asiatisch seine Gesichtszüge sind. Erst später

Bei der Planung meiner Reise war es dasjenige

Leute sehr angesprochen.

werde ich begreifen, wie multikulturell Kasach-

Teilstück meiner Route, vor dem ich etwas ratlos

stan ist, dass hier fast ein Drittel Russen, viele

dagestanden bin. Eine riesige, öde Lücke auf der

Ukrainer und sogar Deutsche beheimatet sind. In

Karte, die mit dem Velo nicht einfach rasch über-

der Steppe, die ich vor mir habe, leben jedoch

sprungen werden kann. Kasachstan, wer kennt

fast ausschliesslich die eigentlichen Kasachen,

schon Kasachstan. Obschon das neuntgrösste

ein Turkvolk, dem etwas mehr als die Hälfte der

Land auf der Erde, sechsundsechzig Mal grösser

in Kasachstan lebenden Menschen angehören.

als die Schweiz, weiss in Europa fast niemand

Irgendwo unweit im Süden ahne ich das Kaspische Meer. Ich werde es nie sehen.

etwas über diesen zentralasiatischen Staat, der

Und ich denke daran, dass ich nun alleine unter-

Am Morgen bin ich im von Russen dominierten,

nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 neu ent-

wegs sein werde. Wie sich Dani wohl fühlt? Mit

oasenhaften Astrachan an der Wolga gestartet.

standen ist.

ihm bin ich vor 80 Tagen in der Schweiz gestar-

Vor mir erstreckt sich nun die schier unendliche

tet, am 30. Juni, voller Hoffnung und Tatendrang.

Weite der zentralasiatischen Steppe. Irgendwo

Mir kommen die Räubergeschichten in den Sinn,

Gemeinsam haben wir die österreichischen Al-

unweit von hier im Süden erahne ich das Kaspi-

von denen ich gelesen habe, etwa von den Last-

pen erkundet, die ungarische Puszta durchfahren,

sche Meer. Ich werde es nie sehen. Der Grenzver-

wagenfahrern, denen bis auf die Unterhosen

die Karpaten in Rumänien überquert, uns durch

kehr zwischen Russland und Kasachstan scheint

alles abgenommen wurde. Auch weiss ich von

die weite Hügellandschaft und die steile Küsten-

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Alter Mann auf der Strecke nach Atyrau

strassen auf der Krimhalbinsel in der Ukraine

Knie erholt hat. Via Internet wollen wir in der

es von der höhergestellten Strasse aus gese-

gearbeitet, um schliesslich in Russland bei As-

Zwischenzeit in Kontakt bleiben. Das sollte nicht

hen werden. Ist das übervorsichtig? Ich weiss es

trachan das phantastische, in voller Lotusblüte

so einfach sein.

nicht. Die Nacht bricht herein und ich betrachte

stehende Wolgadelta zu bestaunen. Und dann wollte Danis linkes Knie nicht mehr. Nichts zu machen. Obschon das Knie geschont wurde, verschlimmerten sich die Schmerzen von Tag zu Tag. Schlussendlich musste ich mich entscheiden:

die Sternenpracht über mir. In der trockenen Luft

Obschon das Knie geschont wurde, verschlimmerten sich die Schmerzen von Tag zu Tag.

Entweder will ich mit Dani im Zug oder aber

fernab störender Lichteinflüsse erscheint mir der Kosmos ungewohnt nah. Wie klein doch der Mensch ist. Am nächsten Morgen zuerst einmal „Veloputzete“,

alleine weiterfahren. Ich habe mich für letzteres

etwas, das mich nun praktisch jeden Tag be-

entschieden. Eine schwere Entscheidung. Hatte

Ich trete in die Pedale und muss alsbald fest-

schäftigt – ja, zu einem Ritual wird. Der Sand

es zu Beginn ein paar Mal leichte Spannungen

stellen, dass die Frau, die mir auf dem Grenz-

setzt sich überall fest und fungiert vor allem

zwischen uns gegeben, so haben wir uns recht

fluss angeboten hat, Geld zu wechseln, die ein-

an Kette und Kränzen als bestes, unerwünschtes

rasch aneinander gewöhnt und sind Freunde

zige Möglichkeit gewesen ist, meine Rubel in

Schleifmittel. Die Strasse ist noch immer relativ

geworden. Wir hatten uns via Internet mit dem

Tenge, die kasachische Währung, umzuwechseln.

gut beisammen, noch kann ich den Schlaglö-

gleichen Ziel vor Augen zusammengefunden: uns

Ich hatte keine Ahnung vom Wechselkurs und

chern recht gut ausweichen. Ich habe leichten

so weit wie möglich mit dem Fahrrad nach Osten

nur für den Notfall umgerechnet zehn Franken

Rückenwind und komme rasch voran. Am Abend

in Richtung Tibet durchzuschlagen. Nicht nur weil

gewechselt. Nun muss dies für gut zwei Tage bis

treffe ich auf eine grössere Siedlung, Aquystau

es uns sicherer erschienen ist, sondern weil es

ins 250 km entfernte Atyrau reichen. Aber das

steht auf meiner Karte. Einfache Häuschen reihen

einfach schöner ist, Freud und Leid zu teilen.

Essen ist ja billig: Für umgerechnet zwei Franken

sich entlang der staubigen Strassen. Ich werde

Aber was soll’s. Es ist der 20. August. Mit der

bekomme ich eine Mahlzeit, das Wasser dazu

von einem alten Mann angesprochen, der mich

Abmachung, uns am 15. September in Bishkek

ist gratis. So sollte ich durchkommen. Die erste

in sein einfaches Zuhause führt, wo ich bewir-

in Kirgistan wieder zu treffen, haben wir uns am

Nacht schlafe ich unter freiem Himmel etwas

tet und anschliessend im Dorf rumgeführt werde.

Morgen verabschiedet. Dani hofft, in Kirgistan

abseits der Strasse in einer sandigen Nische. Das

Leider gestaltet sich die Konversation äusserst

wieder mit von der Partie zu sein, wenn sich das

Zelt wage ich nicht aufzustellen, zu gut könnte

schwierig, da viele hier noch schlechter russisch

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Butterherstellung nach alter Art auf der Strecke nach Aral

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Oben: eingeladen zum Beshbarmak, unten: Usbeken-Familie bei Turkestan

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sprechen als ich, will heissen, nur ein paar Wor-

Registrationsamt werde ich auf den nächsten Tag

In Mygur, einem einsamen Dorf in der Nähe ei-

te kennen. Als ich mich neben dem Enkel zur

vertröstet, und als man mir dann endlich Ein-

nes Erdölfeldes, werde ich bei einer Grossfami-

Ruhe legen kann, bin ich hundemüde. Zwei Mal

lass gewährt, muss ich stundenlang warten. Dank

lie zum Übernachten eingeladen. Der Vater ist

werde ich in der Nacht geweckt, zuerst vom an-

einer zufällig anwesenden Dolmetscherin gelingt

eben dabei gewesen, seine Schafe einzutreiben,

getrunkenen Vater, später vom Grossvater selber,

es mir die Formalitäten abzuschliessen, und ich

als ich im letzten Tageslicht vorbeiradelte. Es

spät nach Mitternacht. Offenbar wollen sie mich

kann mich wieder hinaus in die weite Steppe be-

wird „Beschbarmak“, das traditionelle Gericht

von meiner Absicht, durch Kasachstan zu fah-

geben. Ich bin wieder frei. Mit dem Überqueren

der Kasachen und Kirgisen, aufgetragen. „Besch“

ren, abhalten: viel zu gefährlich, wie sie meinen.

des Uralflusses befinde ich mich nun offiziell in

heisst Daumen, „Barmak“ Finger, wie man mir

Vielen Dank für die „Beruhigung“. Ihre Fürsorge

Asien. Ein gutes Gefühl, aber der grosse Wechsel

zu verstehen gibt. Entsprechend isst man die-

rührt mich jedoch. Die Aufregung scheint fast die

hat bereits nach dem russischen Astrachan statt-

ses Gericht, das aus Teigwarenblättern, Zwiebeln

gesamte Nacht zu dauern, und als ich mich am

gefunden, oder sogar zuvor in Elista, wo einen die

und Fleischstückchen besteht, auch: nämlich von

Morgen auf den Weg machen will, da bringe ich

asiatischen Gesichtszüge der Kalmücken bereits

Hand und zwar alle aus dem gleichen grossen

es nicht einmal mehr zustande, sie zu wecken.

in Asien wähnen liessen.

Teller, aufgestellt in der Mitte des Tisches. Mir

Offensichtlich zuviel der Aufregung und des Wodkas. Ich muss mich schlussendlich ohne Verabschiedung aus dem Staub machen.

Erdölfelder unter der Steppe In Atyrau fallen sogleich die grossen, modernen

werden die besten Stücke hingereicht und es

In den folgenden Tagen schwanke ich andauernd zwischen Hoffen und Bangen, dass die Strasse wieder besser wird.

Bürogebäude auf, die in dieser gesichtslosen Stadt

schmeckt vorzüglich! Ich hoffe nur, dass alle die Hände gut gewaschen haben. Spät am Abend kann ich mich endlich in ein mir im Wohnzimmer zurechtgemachtes Bett legen und erschöpft einschlafen. So schön und spannend diese Begegnungen auch sind, sie sind nach einem langen

einen seltsamen Kontrast zur Umgebung bilden.

Radeltag sehr anstrengend. Morgen werde ich

Als Kasachstan unabhängig wurde, brauchte

Nach Atyrau führt die zunächst noch gute Strasse

wieder ein einsames Plätzchen irgendwo in der

das Land dringend Geld. Nichts lag näher, als

durch eine sanft hügelige Steppe in der immer

Steppe suchen. Ein solches zu finden wird mir ja

die immensen Erdöllagerstätten im Bereich des

wieder vereinzelt Salzseen auftauchen. Siedlun-

nicht schwer fallen.

Kaspischen Meeres anzuzapfen, die zur Zeit der

gen hat es hier keine. Bei Dossor finde ich in ei-

Sowjetunion kaum ausgebeutet worden waren.

ner Tschaikhana, so heissen hier die Raststätten,

Schöne Begegnungen – meistens

Da das Know-how fehlte, um das Öl zu Fördern,

eine gute Übernachtungsmöglichkeit. Im Kreise

In den folgenden Tagen schwanke ich andauernd

wurden vorwiegend amerikanische Ölfirmen ins

kasachischer Lastwagenfahrern esse ich mein

zwischen Hoffen und Bangen, dass die Strasse

Land geholt. Chevron oder Exxon sind hier heute

Nachtessen. Ich kann mich für einen Abend einer

endlich wieder besser, resp. nicht noch schlech-

allgegenwärtig. Nur gut 100 km südlich von Aty-

kleinen Gemeinschaft anschliessen, in der alle

ter wird. Kurze gute Abschnitte, wechseln ab mit

rau liegt das erst im Jahre 2000 entdeckte Ölfeld

weit weg sind von Hause. Das tut gut. Das Essen

katastrophalen Schlaglochkaskaden. Dasselbe

Kashagan, das als weltweit grösster Erdölfund

wird mir samt Übernachtung und Frühstück am

gilt für den Wind. Andauernd scheint er sich für

seit 30 Jahren gilt, und im Osten davon findet sich

nächsten Morgen spendiert. Nette Leute. Der Be-

eine neue Richtung zu entscheiden, wehen tut

mit dem Tengiz-Ölfeld das zweitgrösste Erdölfeld

sitzer der Tschaikhana zieht mit meinem Draht-

er immer, zum Glück mehrheitlich von hinten.

Kasachstans. Berücksichtigt man die Tatsache (es

eseli noch voll Freude ein paar Runden um sein

Die Landschaft ist durch weitläufige Hügelzüge

ist eine, auch wenn es viele noch nicht wahrha-

Haus, bevor ich mich verabschiede.

geprägt, ab und zu überquere ich eine grössere Geländekante. Das Auge verliert sich am Hori-

ben wollen), dass das schwarze Gold schon bald immer knapper und teurer werden wird, so kann

War die Strasse bis hierhin noch ansprechend

zont. Stundenlang fahre ich tiefer hinein in diese

man nur erahnen, welche Bedeutung dieser Re-

gut, sollte sich dies nun alsbald ändern. Nach

endlose Weite. Von Zeit zu Zeit sehe ich in der

gion auf der internationalen politischen Bühne in

Maquat scheint sie sich fast vollständig aufzu-

Ferne die Eisenbahn, die sich langsam durch das

den nächsten Jahrzehnten zukommen wird.

lösen. Zahlreiche Fahrspuren suchen sich ihren

Grasland schleppt. Die meisten Güter für die an

Weg durch die Steppe. Bin ich überhaupt noch

der Bahnlinie liegenden Dörfer, werden wohl auf

Solche Überlegungen sind für mich fürs Erste je-

auf der eigentlichen Strasse? Zum Glück scheinen

den Schienen transportiert. Auf der Strasse hat

doch unwichtig und ich habe in Atyrau nur ein

all die Wege wieder zusammenzuführen, und bald

es nur sehr spärlich Verkehr.

Ziel: möglichst rasch mein Visum registrieren zu

schon weiss ich, dass ich richtig liege. Rund um

lassen, um dann herauszukommen aus dieser

mich herum nichts als trockenes Grasland. In der

In Qandyaghash erreiche ich den nördlichsten

Stadt. Es gefällt mir hier nicht. Der Verkehr ist

Ferne sehe ich Tornados an mir vorbeiziehen und

Punkt meiner Reise, nahe dem 50° Breitengrad.

halsbrecherisch, ich finde trotz aller Mühe kein

vor mir bauen sich wiederholt Gewittertürme auf,

Ich unternehme einen weiteren Versuch, ein funk-

funktionierendes Internet oder ein Telefon, mit

aber glücklicherweise bleibe ich von alldem ver-

tionierendes Internet zu finden – vergeblich. Von

dem ich mich zu Hause melden könnte und die

schont. Die Natur droht mir zwar, meint es aber

Qandyaghash führt ein Strasse direkt nach Aral

Hotels sind allesamt enorm überteuert. Auf dem

doch gut mit mir.

im Südosten. Eine Abkürzung, aber auch ein Ab-

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Obstverk채uferin in Kasachstan

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Oben: zwei Hรถcker haben Vortritt, unten: Schlafen in der unendlichen Weite von Kasachstan

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stieg in der Strassenkategorie auf meiner Karte.

wie arm die Leute sind. Meist leben sie nur

so gab’s nun starken seitlichen Gegenwind aus

Mir schwant Übles und vor meinem geistigen

von ein paar Schafen oder einem Kamel. Wenn

Ostnordost, konstant und von Tag zu Tag stärker

Auge tauchen bereits metertiefe Löcher im Belag

man bedenkt, dass es hier im Untergrund rie-

und heisser werdend.

auf. So schlimm sollte es zum Glück nicht wer-

sige Erdöllagerstätten hat und Präsident Nas-

den und ein anderes Problem macht mir alsbald

arbayev einer der reichsten Männer der Welt

mehr Sorgen. Die Strasse ist sehr einsam und

sein soll! Ich erfahre auch, dass ich der erste

Vom Aralsee bis ans Ende der kasachischen Steppe

das dies nicht eben mehr Sicherheit bedeutet,

Ausländer sei, der hier je Halt gemacht hat. Ich

Müde und ausgelaugt erreiche ich Aral (oder

das muss ich bald erfahren. Ich bin mir bereits

fühle mich geehrt.

Aralsk). Heiss und staubig ist es. Dort, wo vor 50 Jahren noch der dazumal viertgrösste See

gewohnt, dass Autofahrer anhalten, um mir die Hand zu schütteln, um mich zu fotografieren, oder

Nach Kair, so hiess das Dorf, erreiche in Shal-

der Welt ein kühles Bad ermöglich hat, sind jetzt

um mir etwas Essen zu geben – und um mich zu

qar, die Bezirkshauptstadt der Region – ein

Salzseen. Oh, wie schön wäre jetzt ein Bad. Da-

Fragen was ich denn hier verloren hätte. Die, die

nächster Wendpunkt, ein nicht vorgesehener.

raus wird leider nichts. Heute ist das Ufer über

ungefähr 60 km nach Qandyaghash anhalten, die

Man erklärt mir wiederholt, dass die direkte

100 km vom einstigen Fischerdorf entfernt. Ich

wollen aber mehr: 500 Dollar, um genau zu sein.

Strasse nach Aral in einem so schlechten Zu-

komme bei Sergeij Sokulov unter, einem Hydro-

Es sind acht junge Burschen, so gegen 20 Jahre

stand sei, dass ich einen Umweg fahren müsse,

logen, bei dem sich eben eine Aralsee-Expedition

alt. Ich versuche, ihnen klarzumachen, dass ich

über das sogenannte Aral-Trassee im Osten.

aufhält. Ich erfahre einiges über den Aralsee:

nicht so viel Geld besitze. Sie drohen mir. Wir

Das sind zusätzliche 180 Kilometer! Aber eine

Der See hat seit 1960 88 Prozent seiner Masse

diskutieren gegen zwei Stunden, ehe sie sich mit

noch schlechtere Strasse? Nein danke, lieber

und 70 Prozent seiner Fläche verloren und sich

15 Dollar zufrieden geben. Zwar froh, dass ich

bin ich ein, zwei Tage länger im Sattel. So fahre

inzwischen in zwei Seen aufgeteilt. Der grosse

und vor allem mein Gefährt ungeschoren davon-

ich wiederum nach Osten durch eine schöne,

Aralsee im Süden ist nicht mehr zu retten. Bald

gekommen sind (es ist ja so ein tapferes, klagt

tafelbergartige Hügellandschaft auf meist gu-

wird von ihm fast nur noch eine riesige, giftige

nie, wiedersteht allen Strassen und ist doch so

tem Asphalt. Weit und breit kein Haus zu sehen.

Salzlache übrig bleiben. Das Wasser des einzigen

verletzlich), verspüre ich eine aufkommende Wut

Ewige Steppe. Als ich das Aral-Trassee errei-

Zuflusses, des Amudaria, dem grossen Fluss von

in mir auf diese Typen, die mir am Ende noch

che, immerhin die grosse Nord-Süd-Verbindung

Usbekistan, wird zu einem grossen Teil für die

erklärten, Allah werde mir ewig dafür dankbar

im Osten des Landes, muss ich jedoch bestürzt

Baumwollproduktion abgezweigt. Der Seespiegel

sein, ja, ja. Zum Glück habe ich mich beherrscht,

feststellen, dass sich auch diese Strasse im

des kleinen Aralsees ist dagegen gegenüber sei-

alles ist gut.

Stadium der Auflösung befindet. Motocrossfah-

nem Tiefpunkt bereits wieder um 3 m angestie-

rer würden wohl ihre Freude haben, nicht so

gen. Der Grund: Heute verhindert ein 13 km lan-

ich. Entweder geht’s über während Regenpha-

ger und 16 m hoher Damm, dass das Wasser des

sen aufgetürmte, nun erstarrte Schlammberge,

Syrdarya-Flusses weiter in den grossen Aralsee

oder ich sinke mit meinen Rädern im weichen

abfliessen kann.

Ich erfahre auch, dass ich der erste Ausländer bin, der hier je Halt gemacht hat.

Sand ein. Übernachten und verpflegen kann ich mich in den Tschaikhanas, die sich hier meist

Einen Tag lang erhole ich mich bei Sergeij, be-

in regelmässigen Abständen von rund 30 km,

vor ich mich wieder in den Sattel schwinge, um

Ich überquere eine grössere Hügelkette, einen

Rettungsinseln gleich, an der Strasse befinden.

mich den Bergen des Tian Shan weiter zu nähern.

der Ausläufer des Urals aus dem Norden. Es

Die Leute sind extrem freundlich! Und dann

Zunächst fahre ich durch eine öde Halbwüste.

wird langsam heisser. Ich trinke acht Liter pro

ein schöner Moment: Ein Auto hält und zwei

Bald jedoch wechselt der Landschaftscharakter.

Tag, und meine grösste Sorge ist, immer genug

Schweden steigen aus. Marcus und Theres sind

Ich fahre mehr und mehr in meterhohen Schilf-

Wasser zu haben. Das man so viel trinken kann

den ganzen Weg von ihrer Heimat bis hierhin

schluchten. Das Wasser des Syrdarya haucht der

und doch immer Durst hat! Einmal muss ich in

mit ihrem alten Mercedes gefahren. Schön sich

Steppe hier Leben ein. Oft gibt es Melonen am

der der Not in einem Dorf abseits der Strasse

wieder einmal mit jemandem richtig unterhal-

Strassenrand zu kaufen und die Siedlungen wer-

nach Wasser fragen. Ich werde sogleich vom

ten zu können. Wie ich, sind sie auf dem Weg

den zahlreicher. Ich passiere Baikonur, das Zen-

halben Dorf umringt. Die Leute sind mir die-

nach Kirgistan. Sie sollten dort etwas schneller

trum der russischen Weltraumfahrt, und komme

ses Mal zu zudringlich, und obschon es kurz

ankommen. Aber so richtig wunderbar war es

langsam den Bergen des Tian Shan näher. Ich

vor Sonnenuntergang ist, fliehe ich fluchtartig

hier aus einem anderen Grund, genauer: dem

passe meinen Tagesrhythmus dem Klima an: Bei

wieder hinaus in die Steppe. Ein sympathischer

Untergrund. Auf einmal hatte ich wunderbaren,

Sonnenaufgang wird losgefahren, wenn die Tem-

junger Kasache kann mich ausserhalb des Dor-

herrlichen Asphalt unter den Rädern! Er sollte

peraturen und der nach wie vor wehende Wind

fes aber überzeugen umzukehren, um bei ihm

mich nun bis Kirgistan nicht mehr verlassen.

noch erträglich sind. Am Nachmittag, wenn die

und seiner Familie zu übernachten. Ein schöner

Oh, du herrliche schwarze Fläche. Leider soll-

Temperaturen gegen 40 Grad ansteigen und der

Abend, an dem mir die Englischlehrerin des

te sich auch etwas anderes ändern: der Wind.

starke, staubige Wind mit voller Wucht von Ost-

Dorfes (die gibt es hier tatsächlich!) aufzeigt,

Hatte ich bis hierhin mehrheitlich Rückenwind,

nordost beginnt, unerträglich ins Gesicht zu bla-

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Oben: Ebene am Fuss des Pamirgebirges in Kirgistan, unten: Landwirtschaft im Ferganatal

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Kirgisische Reiter

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Kasachische Jungs

sen, muss ich mir jeweils ein Plätzchen irgend-

auf, majestätisch und nach der ewigen Steppe

nur noch gerade 8 Grad warm, und der Schnee

wo im Schatten suchen. Am wiederum kühleren

eine unglaubliche Wohltat für mein Auge. Und

an den nahen Bergen scheint zum Greifen nahe.

Abend kann dann ein Schlussspurt vor die un-

wunderbar grün ist es hier! Berge heisst hier

In der letzten Nacht dann zum ersten Mal Regen.

tergehende Sonne gesetzt werden. Vor Turkestan,

Leben. Das Wasser der zahlreichen Gebirgsbäche

Ich flüchte mich in eine verlassene Bushalte-

in der Ferne, ist bereits ein flacher Gebirgsaus-

kommt mir, so jungfräulich den Bergen entsprun-

stelle, werde jedoch um 3 Uhr von einer Gruppe

läufer des Tian Shan zu sehen, dann die Wende:

gen, ungewohnt frisch und unverbraucht vor, als

Kasachen geweckt, die mit mir ein paar Flaschen

Nordwind! Ich fliege nur so über den Asphalt,

ich mich darin wasche.

Wodka leeren und mich in ihr Dorf mitnehmen

welch ein Genuss, endlich.

wollen. Um den Wodka komme ich einmal mehr Es geht wieder nach Osten, entlang der Ber-

nicht herum, aber wenigsten gelingt es mir, sie

Turkestan ist eine vor allem von Usbeken be-

ge die hier der Ebene einen südlichen Riegel

zu überzeugen, dass ich meinen Schlaf dringend

wohnte Stadt mit einer wunderschönen blauen

schieben. In Tarar Rüskulov komme ich bei ei-

brauche. Am nächsten Tag stehe ich endlich an

Moschee, dem Akhmed Yassawi Mausoleum.

ner russisch-deutschen Familie unter. Es ist fast

der Grenze zu Kirgistan. Ein wunderbares Gefühl.

Weniger schön ist deren Umgebung, die an eine

wie ein Heimkommen. Sie kümmern sich rührend

Ein Traumland ist erreicht, eine lange Fahrt durch

Baustelle erinnert. Ich übernachte am Ausgang

um mich. Aber ich spüre bei ihnen eine gewis-

Kasachstan mit unerwartet vielen Eindrücken,

der Stadt bei einer Usbeken-Familie, eingela-

se Bedrücktheit. Der wirtschaftliche Niedergang

zahlreichen netten, unglaublich gastfreundlichen

den von den beiden Familienoberhäuptern, zwei

nach dem Zerfall der Sowjetunion hat hier viele

Menschen (mit ein paar wenigen Ausnahmen)

Polizisten. Sie freuen sich so sehr über meinen

arbeitslos gemacht, und so hat auch Alexander,

und einer doch noch endend wollenden Steppe

Besuch bei ihnen, dass sie mich am nächsten

der russisch-stämmige Mann, seine Arbeit als

liegt hinter mir. Ihr Staub wird noch lange an

Tag zu einer Moschee mitschleppen, Widerstand

Elektriker verloren. Wie man ihnen wohl helfen

mir haften bleiben. Nicht an den Kleidern. Nein,

zwecklos. Ich werde kurz interviewt, es werden

könnte? Der Abschied fällt mir schwer, aber ich

sondern tief in mir.

Bilder geschossen und viele Hände geschüttelt,

muss weiter, muss ich doch in ein paar Tagen in

ehe ich mich endlich weiter auf die Räder ma-

Bishkek sein, wo ich Dani treffen soll. Die Fahrt

chen kann. Die Berge locken. Leider ist es duns-

über einen ersten Pass ist traumhaft. Ich fühle

tig, als ich in Schimkent am Fusse des Tian Shan

mich wie im Frühling, auch wenn es der Herbst

eintreffe. Aber bald nach dar Stadt tauchen sie

ist, der hier nun Einzug hält. Nach Taraz ist es

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Tian Shan vor dem Aufstieg ins Gebirge

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VELO-CHINA

„There are nine million bicycles in Beijing“ – so sang sich Katie Melua vor ein paar Jahren in die Hitparaden. Peking als Velostadt, China als Veloland: So stellt man sich das im Westen gern vor. Aber China ist unaufhaltsam auf dem Weg Richtung Moderne und da stören die Drahtesel, sowohl im Stadt- wie im Selbstbild. Velos stehen für das alte China, das neue will Autos.

Text: Roland Fischer, Illustration: Hofgrafen

Halbe Milliarde Fahrräder

bereits über 50 Millionen Autos auf Chinas Strassen unterwegs sein, die

„That‘s a fact“ singt Katie weiter („it‘s a thing we can‘t deny, like the fact

meisten in den grossen Städten. Die Zahl wächst um 15 Prozent jedes

that I will love you till I die“). Nun, Liebe ist bekanntermassen vergäng-

Jahr, was bedeutet, dass es in zehn Jahren bereits 150 Millionen Autos

lich. Und Verkehrsmittel sind es auch. Fakten also, harte chinesische

sein werden. Und China hat nicht nur in Sachen CO2-Ausstoss zu Ame-

Velofakten: In Peking gibt es, kein Zweifel, Unmengen von Velos – wievie-

rika aufgeschlossen, auch in der Verkaufsstatistik hat China die USA als

le genau, weiss allerdings kein Mensch. Eine kleine Presseschau liefert

grössten Automarkt der Welt abgelöst.

allerlei Siebenstelliges: 4 Millionen, mehr als 10 Millionen, 7,5 Millionen. Simon Babes, der als Verkehrsexperte in einem Planungsbüro in Shanghai arbeitet, wagt auch keine exakte Schätzung: „Es ist auf jeden Fall eine riesige Zahl.“ Und: „In Shanghai sind es womöglich noch mehr, die Stadt ist kompakter und flacher, das heisst velofreundlicher als Peking.

China ist der mit Abstand grösste Veloproduzent der Welt.

Allerdings, und das gilt für beide Metropolen: Ein grosser Teil davon wird nie benutzt. In ganz China dürfte es ungefähr eine halbe Milliarde Velos geben, rund

Vom Velo zum Auto

1,4 Exemplare pro Haushalt. Zum Vergleich: In der Schweiz ist die Zahl

Es gibt in Sachen Veloverkehr eine kritische Schwelle. Es gibt, anders

mit 1,2 Velos pro Haushalt tatsächlich ein wenig kleiner. China ist der

gesagt, so etwas wie Velo-Resonanz: Wenn genug Leute mit dem Velo

mit Abstand grösste Veloproduzent der Welt. Gut 80 Millionen Velos

unterwegs sind, werden es wie von selbst noch viele mehr. Oder anders

werden jedes Jahr hergestellt, was einem globalen Marktanteil von fast

herum: Wenn nicht mehr genug Leute mit dem Velo unterwegs sind, bricht

60 Prozent entspricht. Etwas mehr als ein Viertel der Produktion wird

der Veloverkehr mit einem Mal ein. Bis vor etwa zehn Jahren war China

auf dem Heimmarkt verkauft, der Rest geht zumeist als Billigware in

klar über der Velo-Schwelle: In den grossen Städten waren die Velo-

den Westen.

fahrer immer in ganzen Schwärmen unterwegs, und was Zugvögel vor Angreifern schützt, das macht auch Velofahren wesentlich sicherer. Die

Soweit die Velo-Zahlen. Nun zum kleinen grossen Bruder: 1978 gab es

Strassen gehörten den Velofahrern. Die spärlichen Autos mussten sich

in ganz China noch nicht mal halb so viele Autos wie in der Schweiz.

den Zweiradströmen fügen und sorgten kaum für Gefahr. Zudem gab es so

Inzwischen hat sich die Zahl gut verzwanzigfacht. Es dürften inzwischen

etwas wie einen velomobilen Gruppendruck: Es war nicht nur praktisch

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und billig, mit dem Velo unterwegs zu sein, es war für so gut wie alle

Von der Kuriosität zum Parteiprogramm

Gesellschaftsschichten schlicht üblich – es gehörte sich so.

Ein Blick zurück: Als chinesische Diplomaten die ersten Berichte von seltsamen fussbetriebenen Zweirädern aus Europa mitbrachten, betrachtete man die Geräte mit Faszination, befand diese Fortbewegung aus eigener

Der Druck wird nicht mehr von der Masse, sondern von der neuen Oberschicht diktiert.

Kraft aber als unziemlich für einen chinesischen Edelmann. Ein gewisser Binchun schilderte das Schauspiel 1866 in einem Brief: „Auf den [europäischen] Strassen fahren Leute auf einem Gefährt mit nur zwei Rädern, die von einem Rohr zusammengehalten werden. Sie sitzen auf diesem Rohr und stossen es durch Treten mit ihren Füssen voran und halten das

Doch allmählich kippt es: In den grossen Städten machen sich Auto- und

Gefährt auf diese Weise in Gang. Es gibt aber auch noch eine andere Kon-

Velofahrer längst den spärlichen Platz auf den Strassen streitig. Velo-

struktion, die durch Fusspedale angetrieben wird. Die Menschen schiessen

streifen in China sind oft so grosszügig bemessen, dass sie auch von den

wie galoppierende Pferde vorwärts.“ Tatsächlich war es damals für die

Motorradfahrern und Autos gern als zusätzliche Fahrspur benutzt werden.

dünne Schicht der reichen Chinesen (also die einzigen, die sich die teure

Es wird gefährlich für Velofahrer auf Chinas Strassen, und deshalb lassen

Extravaganz hätten leisten können) undenkbar, sich per Velo fortzubewe-

mehr und mehr Chinesen ihr Velo zuhause stehen. Und je kleiner die Ve-

gen. Die Oberschicht vermied es nach Möglichkeit sogar, in der Öffentlich-

loschwärme werden, desto gefährlicher wird es für den einzelnen Fahrer.

keit zu Fuss zu gehen. Man liess sich in einer Sänfte tragen, oder, wollte

Zudem: Wo Velofahren mal eine gewissermassen politische Angelegenheit,

man sich ein wenig moderner geben, in einer Rikscha ziehen.

ein fügsames Sich-Einordnen und Parteiwillen-Befolgen war, so ist es nun, aus diesem autoritären Rahmen herausgelöst, bloss noch eine ökonomi-

Nichtsdestotrotz war China interessiert an Neuerungen aus dem Westen,

sche Notwendigkeit. Die Armen fahren weiter Velo, doch wer sich ein Auto

aber das Interesse war vor allem ein ökonomisches und militärisches.

leisten kann, der wird sich ohne Zögern eins besorgen. Nicht weil er es

Das Velo war unter den Wundern der Industrialisierung bloss eine Rand-

unbedingt bräuchte, nicht weil die Wege zu weit sind, sondern weil es das

bemerkung. Generell wurden die Industriegüter nicht einfach mit offenen

Prestige verlangt. Der Druck wird nicht mehr von der Masse, sondern von

Armen empfangen. Bahnbrechende ausländische Produkte zu benützen,

der neuen Oberschicht diktiert. Und die orientiert sich ungeniert am Westen,

hiess einerseits an seiner eigenen Kultur zu zweifeln und bedeutete dazu

genauer: am westlichen Lebensstil, und der beinhaltet nun mal ein Auto.

nicht selten, fundamentale soziokulturelle Vorgaben zu ignorieren. Die

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Orientierung gen Westen war immer mit Skepsis unterlegt – und ein Chi-

Im Hinterland dagegen sollte es noch lange gehen, ehe das Velo von den

nese auf dem Velo bestens eine Witzfigur.

Chinesen akzeptiert wurde. In Chengdu, mit 1,5 Millionen Einwohnern das wirtschaftliche Zentrum Westchinas, gab es 1904 gerade mal sieben Fahr-

Die ersten Velos in China wurden in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts

räder, drei davon gehörten Fremden, drei verschiedenen staatlichen Insti-

deshalb von den Ausländern in den sogenannten Vertragshäfen, Schanghai

tutionen, und nur eines gehörte einem chinesischen Privatmann. In vielen

und Tianjin (wo der Handel mit dem Westen abgewickelt wurde) oder in

chinesischen Städten blieb dieses Bild bis in die 40er Jahre die Regel.

der Hauptstadt Peking gefahren. Die Velofahrer in Shanghai wurden gar

Nur in den Hafenstädten wuchs die Zahl der Velofahrer anfangs des 20.

als Touristenattraktion gehandelt und in Reiseführern speziell erwähnt.

Jahrhunderts allmählich. In Schanghai, das damals zwei Millionen Ein-

Man zollte diesen ausdauernden „Sportsleuten“ Respekt, mokierte sich

wohner hatte, zählte man im Jahr 1925 noch 9800 Velos, bis 1930 hatte

aber auch genüsslich über Stürze und andere Missgeschicke mit dem

sich diese Zahl auf circa 20‘000 verdoppelt. Heute dürfte es in Schanghai,

prekären Gerät. Allmählich wagten sich aber auch Chinesen, zunächst aus

wie gesagt, mehr Velos als in Peking geben. Aber auch hier ist eine exakte

Übersee heimkehrende Studenten und Geschäftsleute sowie Prostituierte in

Schätzung ein Ding der Unmöglichkeit.

den Häfen (die keinerlei gesellschaftlichen Zwängen unterlagen) auf das Velo. Es kündete sich ein Umbruch an: Neben den alten Eliten, die nichts

Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es zwar schon chinesische Fabriken, die

mit dem Velo am Hut hatten, gab es nun plötzlich andere, der Moderne

Velos in Massenproduktion herstellten, sodass sich mehr und mehr Men-

gegenüber sehr aufgeschlossene Schichten, die das Velo gewissermassen

schen ein Velo leisten konnten. In Schanghai gab es um 1940 schon über

gesellschaftstauglich machten. 1897 tauchten Velos das erste Mal in den

200‘000 Velos. Doch so richtig ging die chinesische Velo-Saga erst mit der

Importstatistiken auf – mehr als 800 Exemplare fanden jedoch noch nicht

Gründung der Volksrepublik China 1949 los. Die kommunistische Führung

den Weg nach China. Aber immerhin, Velos waren nun offiziell mehr als

machte das Velo zu einem Teil des politischen Programms. Die Industrie

einfach nur eine Kuriosität.

wurde stark gefördert und der Absatz der Velos subventioniert. Das Velo war nun nicht mehr Statussymbol für eine vermögende Oberschicht, es war das Volksverkehrsmittel schlechthin. Schon bald wurde die magische

Von einem Auto wagte der gemeine Chinese vor fünfzig Jahren nicht einmal zu träumen.

Grenze einer Million Velos durchbrochen. Man begann, separate Velospuren in die urbane Strassenplanung einzubeziehen und Pendler bekamen beim Kauf eines Velos grosszügige Zuschüsse. Das Velo wurde zum „Must“. Bis

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zur wirtschaftlichen Öffnung Chinas und der Verbreitung eines bescheide-

Allerdings: So verlockend die Perspektiven in ökonomischer Hinsicht sind,

nen Wohlstands galt für alle Chinesen derselbe sehnsüchtige Dreiklang:

eine starke Verkehrszunahme können vor allem die grossen Städte gar

Armbanduhr, Nähmaschine, Velo. Heute nennt man sie nostalgisch die

nicht mehr verkraften. Die Durchschnittsgeschwindigkeit, mit der sich der

„drei alten Sachen“.

motorisierte Verkehr beispielsweise durch Peking wälzt, liegt bei kaum mehr als 10 Stundenkilometern und damit nicht höher als diejenige ei-

Das Auto verdrängt das Fahrrad

ner gemütlichen Velofahrt. Staus sind allgegenwärtig, was natürlich auch

Von einem Auto indessen wagte der gemeine Chinese vor fünfzig Jahren

den öffentlichen Verkehr, der in China nach wie vor aus meist veralteten

nicht einmal zu träumen. Niemand konnte sich ein Auto leisten, denn

Bussen besteht, bremst. Dazu kommt noch die schlechte Luftqualität, und

eine inländische Produktion gab es nicht, und Importwagen wurden saftig

so wächst mancherorts tatsächlich wieder so etwas wie ein neues Velo-

besteuert. Ein paar Funktionäre kamen in den Genuss eines Wagens (in-

Bewusstsein. Ein fragiles Pflänzchen allerdings.

klusive Chauffeur, versteht sich), und zu Beginn der wirtschaftlichen Öffnung auch einige besonders reiche Privatleute, die sich mit Vorliebe fast

Mobilitätskonzepte setzen auf motorisierten Verkehr

unbezahlbare Nobelkarossen zulegten. Doch seit es in China wirtschaftlich

Ende September 2009 beteiligten sich zum Beispiel über hundert chinesi-

aufwärts geht, ist das Auto zum neuen Musterknaben geworden, und das

sche Städte am global ausgerufenen „Autofreien Tag“, in dessen Rahmen

Velo steht im politischen Abseits. Erst seit gut 25 Jahren gibt es in China

Teile der Stadt für den motorisierten Verkehr gesperrt werden. Und es

eine eigentliche Autoindustrie, doch diesen Januar gaben die chinesischen

kommt vor, dass auch im Land des politisch verordneten Konsenses Ver-

Behörden bekannt, dass man das Undenkbare geschafft hat: Mit 735’500

kehrsexperten die Städteplanung in immer deutlicheren Worten kritisieren.

verkauften Autos pro Jahr hat China die USA als grössten Automarkt der

Umweltaktivistin Amanda Cui sagt geradeheraus: „Der Regierung sind Velos

Welt abgelöst. Und nach oben ist noch viel Luft: Auf tausend Einwohner

egal. Es gibt kein Programm, um das Velofahren zu fördern, im Gegenteil.

kommen in China gerade mal 24 Autos, in der EU sind es 300 und in den

Die Regierung setzt auf Privatautos und öffentlichen Verkehr.“ Tatsächlich

USA gar 750. Die Autoindustrie gilt der chinesischen Führung als Wachs-

tauchen Velos kaum je in chinesischen Mobilitätskonzepten auf.

tumsmarkt schlechthin. Deshalb wird (mit tatkräftiger Unterstützung der Weltbank) auch ordentlich in neue Strassen investiert: Das chinesische

Grosse Städte wie Schanghai setzen auch auf westliche Expertise bei der

Autobahnnetz hatte im Jahr 1989 eine Länge von 271 km, 1995 waren es

Bewältigung des Verkehrschaos. Colin Buchanan, die Beratungsfirma, die

1300 km, Anfang 2007 schon 43’000 km; geplant bis 2011: 85’000 km.

ihren Hauptsitz in London hat, ist seit 2006 Jahren mit einem eigenen

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Büro in Schanghai präsent und hat auch schon einen Masterplan für

uns noch eher selten, sind die Strassen in Schanghai schon voll davon.

die Stadt erarbeitet. In diesen sind Vorschläge eingeflossen, wie man

Die Geschichte des Velos in China erzählt letztlich vom gesellschaftlichen

das Velofahren wieder populärer machen könnte, doch erhört wurden sie

wie politischen Umgang mit Technik – nicht nur in China. Die Moderne-

kaum. „Bis vor zwei Jahren gab es definitiv eine Anti-Velo-Politik“, sagt

Müdigkeit des Westens verhilft einem simplen, im Grunde genommen

auch Simon Babes, der bei der Shanghai-Velostudie mitgearbeitet hat. In

anachronistischen Verkehrsmittel wie dem Velo zu neuen Höhenflügen.

letzter Zeit habe er aber ein langsames Umdenken festgestellt. Er sieht

Jede westeuropäische Stadt hängt sich gern das Etikett „Velostadt“ um,

Anzeichen, dass man das Velofahren zumindest in Shanghai wieder at-

während selbiges in China eher als Makel gesehen wird. Das Velo ist

traktiver machen will. Die Zahlen sind tatsächlich deutlich: Vor 10 Jahren

eben mehr als nur ein Vehikel zur Fortbewegung, es transportiert nicht

kam in Schanghai und Peking für den Arbeitsweg noch zu 60 Prozent das

nur Menschen, sondern auch eine Attitüde. Für die kommunistische Füh-

Velo zum Einsatz, heute sind es noch gut 20 Prozent. Viel mehr Leute als

rung versinnbildlichte das Velo die ebenso praktische wie unprätentiöse

früher nähmen heute den Bus, sagt Babes, obwohl dieser meist langsam

Fortbewegung für den kleinen Mann. Für das China von heute bedeutet

und chronisch überfüllt sei. Das Velo sei für viele bloss noch ein Notna-

es technische Rückständigkeit. Bleibt zu hoffen, dass die Chinesen nicht

gel. „Wenn ich eine halbe Stunde mit dem Bürgermeister hätte, ich würde

dieselben ökologischen und stadtplanerischen Fehler begehen wie der

mit ihm nicht über Velos, sondern über Busse reden“, sagt Babes. Hier

Westen in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Sondern dass sie das Velo

sieht er grosses Potenzial – dem Velo werde wohl nie mehr eine ähnlich

möglichst rasch als Verkehrsmittel der Zukunft wiederentdecken. Aber

bedeutende Rolle zukommen.

der Ruf der Moderne ist laut. Mahnungen werden da leicht überhört, vor allem, wenn sie von westlichen Experten beziehungsweise Besserwissern

Wachstum kommt vor Umwelt

kommen. Umwelt- und Klimaschutz klingt gut, für die Chinesen klingt

Die Zeichen im heutigen China sind widersprüchlich. Einige Städte be-

Wohlstand und Wachstum derzeit besser.

ginnen das zu erkennen, doch von oberster politischer Warte aus deutet nichts auf eine chinesische Velorenaissance hin. Die Autoindustrie wird nach wie vor stark gefördert. Zudem ist der Benzinpreis gemäss Babes „lächerlich niedrig“. Wird das Mobilitätsproblem tatsächlich einmal aus ökologischer Sicht betrachtet, dann setzt man lieber auf neue als auf alte Lösungen. Der letzte Schrei auf Chinas Strassen sind Elektrovelos – bei

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ZÜRICH IST GEBAUT

STADTENTWICKLUNG 1989 BIS 2009 In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gab es städtischen Raum in Hülle und Fülle. Wer bauen wollte, bekam die nötigen Bewilligungen fast immer. Sogar in Fällen, wo geltendes Recht sehr weit ausgelegt werden musste, um einem Gesuch zu entsprechen. Die Stadtregierung lag fest in bürgerlicher Hand. Im Einklang mit der nicht wirklich oppositionellen Linken nickte sie private Investitionen fast unbesehen durch. Ende der 1980er Jahre sah sich Zürich aber plötzlich bislang unbekannten Herausforderungen gegenübergestellt.

Text: Roland Munz

Zürich weder für die Industrie noch als Wohnort attraktiv

genüber. Schliesslich begann sie gegen den Widerstand von Kanton und

Die Menschen zogen aufs Land und pendelten mit dem Auto in die Stadt

15‘000 Stück pro Tag. Morde im Drogenmilieu, Beschaffungskriminalität,

zur Arbeit. Öffentliche Verkehrsmittel wären eigentlich nötig gewesen, doch

Lärm und Gestank beeinträchtigten das Leben vor allem im Kreis 5 zwi-

gab es sie 1989 gut ausgebaut nur in der Innenstadt. Vom heute selbst-

schen Platzspitz und den grossen Industriebrachen in Zürich-West. Für

verständlichen S-Bahnnetz sah man erst die Baugruben. Immerhin war die

Investoren nicht gerade attraktiv.

Bund, den drogenkranken Menschen saubere Spritzen abzugeben. Bis zu

Goldküste mit einer Bahnlinie erschlossen, welche ab dem Hauptbahnhof via Bahnhof Letten zum Seeufer führte. Aussenquartiere wie Schwamendingen aber waren einzig mit Bussen leidlich erschlossen. Die Strassen waren verstopft, laut und abgasgeschwängert.

Die Strassen waren verstopft, laut und Abgasgeschwängert.

Es brauchte Jahre um eine nachhaltige Lösung der gewaltigen Drogenprobleme aufzugleisen, an denen unsere Stadt damals krankte.

Vermutlich nicht schlecht gemeint – ganz sicher aber wenig durchdacht – handelte 1990 der Kanton, als er die Polizei anwies, den Platzspitz zu Dazu kam eine eigentliche De-Industrialisierung: Industriebetriebe zog

räumen. Seit Eröffnung der S-Bahn im selben Jahr verloren der Bahnhof

es haufenweise aus Zürich weg. Innerhalb weniger Jahre brach die Zahl

Letten und die dort vorbeiführende Bahngeleise ihren Zweck, worauf sich

der Industriearbeitsplätze in Zürich auf einen Viertel ein. Steinfels ver-

die aus dem Platzspitz vertriebene Drogenszene dorthin verlagerte. Es

liess Zürich 1986. Sulzer Escher Wyss stellte den Giessereibetrieb 1987

brauchte Jahre um eine nachhaltige Lösung der gewaltigen Drogenproble-

ein. Löwenbräu wurde von Hürlimann übernommen und 1987 stillgelegt.

me aufzugleisen, an denen unsere Stadt damals krankte.

Schoeller schloss die Tore 1988 – um nur ein paar Beispiele zu nennen. hatte für eine grosse Zahl stellenloser Industriearbeiterinnen und Indus-

Mit dem Gestaltungsplan der Bodenspekulation entgegenwirken

triearbeiter Sozialkosten zu bewältigen, just in einer Zeit, als auch die

Als die SP nach Jahren in der Opposition mit Ursula Koch wieder in

übrige Wirtschaft darbte. Krisenstimmung machte sich breit in Zürich.

den Stadtrat einzog, wurde der nicht vom Baufach kommenden Koch das

Gleichzeitig trat ein noch nie dagewesenes, neues Phänomen auf: Im

Hochbauamt zugeschoben. Viele dachten, die neue Hoffnungsträgerin der

Platzspitzpark installierte sich die weltweit grösste offene Drogenszene.

Linken damit demontieren zu können. Vom Bauen wusste sie anfänglich

Ziemlich hilf- und ratlos sah sich die Stadtregierung diesem Elend ge-

tatsächlich wenig. Aber sie wusste sehr genau, was sie nicht wollte: den

So sah sich Zürich 1989 mit riesigen Industriebrachen konfrontiert und

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Schiffbau

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Zerfall der Industriebrachen und nur auf Gewinn maximierte Neubauten.

reihalle und schliesslich das Verwaltungshochhaus, umgebaut 2001 zum

Noch nicht lange im Amt, sorgte sie mit der Aussage „Zürich ist gebaut“

„Bluewin-Tower“. Der Turbinenplatz im Herzen des ehemaligen Industrie-

für Aufruhr. Zürich soll gebaut sein, wo es an allen Ecken und Enden zer-

areals wurde zum grössten Platz der Stadt. Zürich war 1988 tatsächlich

fällt? Wo freies Land in der Allmend Brunau, am Zürichberg, der Platzspitz

gebaut. Aber Zürich war nicht den neuen Anforderungen entsprechend ge-

und andere ungenutzte Freiflächen zum Bauen einladen?

baut. Über die seither mittels Gestaltungsplänen und ab den 90er Jahren in sogenannten „kooperativen Planungen“, das heisst in Verfahren wo Bau-

Die Zeit war reif für eine Neubesinnung. Die düstere Gegenwart 1989

herrschaft, Bewohnerinnen, Bewohner und städtische Stellen zusammen

musste zu denken geben. Ist wohl das Eine oder Andere an den öffentli-

Anforderungsprofile für Überbauungen aufstellen, verwirklichten Projekte

chen Interessen vorbei gebaut worden? Koch lieferte die Antwort gleich

kann man geteilter Meinung sein. Manche empfinden sie als zu steril. Für

selber nach, indem sie das Instrument des Gestaltungsplanes entdeckte,

viele sind die neu angelegten Plätze zu wenig belebt. Zu beklagen ist der

um mit Investitionswilligen zu verhandeln. Zugeständnisse der Stadt an

Abriss alter Bauten wo nach dem Auszug der Industrie zwischenzeitlich

private Bauleute mussten sich diese neuerdings ihrerseits mit Zugeständ-

freischaffende Berufsleute aus Kunst, Architektur, Gastwirtschaft, Fotogra-

nissen erwerben. Dass Investoren überhaupt bereit waren, in solche Ver-

fie usw. günstige Arbeits- und Lebensräume schufen. Nicht zuletzt wegen

handlungen zu treten, ist der Tatsache zu verdanken, dass nicht überall

dieser Kulturräume ist in den 90er Jahren das Partyverbot an kirchlichen

alles gebaut werden darf. Was wo zulässig ist, legen Zonenpläne fest: In

Feiertagen gefallen. Nicht zuletzt wegen der dynamischen freischaffenden

der Industriezone können Industriebauten, in der Wohnzone Wohnungen

Szene ist Zürich 2009 zum wiederholten Male zur Stadt mit dem weltweit

errichtet werden usw.

attraktivsten Umfeld gewählt worden.

1989 lagen einige dutzend Quadratkilometer Industriezone in der Stadt

Aufgerüttelt vom Positionsbezug „Zürich ist gebaut“ begann sich Anfang

brach. Die Auswirkung des Gestaltungsplans zeigt ein Rechenbeispiel: Ein

der 90er Jahre auch die Bevölkerung wieder mit stadtplanerischen Fragen

Grundstück von 100 mal 100 Metern Industrieland gehört der Firma ABC.

auseinanderzusetzen. Plötzlich wurde man gefragt! Man meldete Bedürf-

Industrieland hat beispielsweise einen Wert von 500 Franken pro Quad-

nisse an bei Gestaltungsplänen, brachte sich ein in kooperative Planungs-

ratmeter. Dürfte man nach einer Umzonung darauf Dienstleistungsgebäude

verfahren. Und wie sich vor fast hundert Jahren im damals auf das Gebiet

bauen, wäre der Boden plötzlich 5000 Franken pro Quadratmeter wert. Die

des Stadtkreises 1 beschränkten Städtchens – das gänzlich zugebaut war

neue Hochbauchefin verlangt jetzt aber, es müsse für die ganzen 100 mal

– Widerstand regte, als historische Häuser zwischen Limmat und Lindenhof

100 Meter ein Gestaltungsplan gemacht werden, der auf einem Teil der

einer Hochhausüberbauung weichen sollten, so weiss sich die Bevölkerung

Überbauung Wohnungen und einen kleinen Park mit Spielplatz beinhaltet.

auch heute zu wehren, wenn ihr ein Projekt nicht passt. Jüngstes Beispiel

Mit diesen Auflagen sinkt der durchschnittliche Bodenpreis innerhalb des

ist das in einer Volksabstimmung abgelehnte neue Kongresshaus.

Grundstückes der Firma ABC auf „nur“ noch 3000 Franken, was immer noch sehr viel mehr ist, als die 500 Franken pro Quadratmeter Industrie-

Dass die neuen Gebiete in Zürich-West und in Neu-Oerlikon vielleicht

land. Was sich hingegen nicht unmittelbar in Zahlen erfassen lässt, ist der

nochmals 20 Jahre brauchen, bis sich dort ein eigenständiges Quartier-

Mehrwert für die Bevölkerung und die Stadt als Ganzes, der durch diese

leben etabliert, mag heute stören. Dank den Gestaltungsplänen ist aber

gemischte Nutzung auf längere Sicht entsteht.

überhaupt erst eine Grundlage geschaffen worden, die für die wachsende Bevölkerung Zürichs neuen Lebens- und Wohnraum schafft. Dass diese Gebiete der ungezügelten Spekulation entrissen und durchmischte Bau-

Zürich war 1988 tatsächlich gebaut. Aber Zürich war nicht den neuen Anforderungen entsprechend gebaut.

nutzungen entstehen konnten, ist daher bleibendes Resultat und Verdienst von „Zürich ist gebaut“. Hätte die Stadtverwaltung auch noch den Mut, sich gegen den aktuellen Trend der Zentralisierung zu stellen, indem sie öffentliche Einrichtungen mehr als bisher auch in den neuen Stadtteilen ansiedelt, wäre das sicher ein weiterer Schritt, der diesen neuen Quartieren mehr Leben einhaucht.

Neue Quartiere für Zürich Der Gestaltungsplan für das Steinfels-Areal machte den Anfang. In Oerlikon entstand nach dem Wegzug der ABB-Industrieproduktion ein ganzes neues Stadtquartier. Das Escher-Wyss-Areal stellte die weitläufigste Stadtentwicklungszone dar. Zahlreiche Gebäude wurden dort seit 1990 errichtet wie etwa der Technopark (1993), die Hotels Novotel, Ibis und Etap, Büro-, Gewerbe- und Wohnüberbauungen, Westpark und Puls5. Einige Industriegebäude fanden neue Nutzungen, etwa die ursprüngliche Schiffsbauhalle und spätere Kesselschmiede, in der heute das Schauspielhaus eine Filiale betreibt oder die in die Überbauung Puls 5 integrierte Giesse-

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Bahnhof Stadelhofen

Puls 5

Schiffbau

Maagareal

Maagareal

Limmatquai

Schiffbau

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Limmatquai

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GUTZI GEBEN Wer mehrmals in der Woche fünf bis acht Stunden auf dem Fahrrad unterwegs ist, hat unweigerlich eine gute Kondition. Das hat in der Velokurierszene dazu geführt, dass Kuriere vor ungefähr 20 Jahren nach getaner Arbeit anfingen, sich miteinander zu messen. Daraus sind unter anderem Welt-, Europa- und Schweizermeisterschaften der Fahrradkuriere entstanden, bei denen Velokuriere aus der ganzen Welt gegeneinander Rennen fahren, die ihrem Arbeitsalltag nachempfunden sind.

Text: Mahmud Tschannen, Fotos: José Mendez, aga

Neben den offiziellen Kurierrennen auf abgesperrtem Gelände gibt es aber

auf dem Rad durch ihre Stadt rasen. Schlussendlich liegen die Zeiten der

eine Reihe inoffizieller Rennen, die quer durch eine Stadt führen. Diese

Schnellsten weltweit recht nah beieinander.

Rennen, Alleycats genannt, gibt es in unzähligen Varianten. Einige der spannendsten Alleycats, die inzwischen auch weltweit ausgetragen wer-

Dieses Jahr fand das Global Gutz in Adelaide, Basel, Berlin, Bremen, Bris-

den, haben Veloblitzler ausgeheckt.

bane, Dublin, Essen, Fukuoka, Graz, Halifax, Hamburg, Kassel, Köln, Kopenhagen, Krakau, London, Madrid, Mailand, Montreal, Nagoya, New York,

Global gleichzeitig

Paris, Perth, San Diego, San Francisco, Santiago de Chile, Seattle, Sydney,

Das beste Beispiel eines Alleycats, das in Zürich entstanden ist, nennt sich

Washington, Warschau, Wien, Yokohama und Zürich statt. Der Preis für die

Global Gutz, ein Rennen, das zeitgleich in verschiedenen Städten rund um

schnellste Frau und den schnellsten Mann weltweit war ein Ticket an die

den Globus stattfindet: Auf einer 21 km langen, möglichst flachen Strecke

Velokurierweltmeisterschaften in Tokyo. Die Siegerin in Zürich, Anette Mi-

müssen Teilnehmerinnen und Teilnehmer fünf Checkpoints auf dem kürzes-

chel, ist nicht nur die schnellste Frau weltweit, in Zürich ist sie schneller

ten Weg anfahren. Die Checkpoints sind vorher nicht bekannt. Am Anfang

als alle Männer. Ein denkwürdiges Ereignis und für einige Jungs vermut-

des Rennens wird der erste mitgeteilt und am ersten dann der zweite und

lich etwas peinlich.

so weiter. Neben den Gewinnerinnen und Gewinnern der lokalen Rennen werden diejenigen mit der weltweit schnellsten Zeit zu den eigentlichen

Schneller nicht immer geschwinder

Gewinnern des Global Gutz ernannt. Dieses Jahr gewannen ein Velokurier

Das Global Gutz in Zürich führt vom Wipkingerplatz über die Ecke Bänd-

aus Warschau und eine Velokurierin aus Zürich die internationale Klassie-

listrasse/Bändliweg in Altstetten an die Zeughausstrasse. Bis hier ist eine

rung. Dass die Zeiten nicht direkt miteinander vergleichbar sind, ist klar.

Spitzengruppe aus sieben Fahrern noch zusammen. Der nächste Checkpoint

In einer Stadt regnet es, in der anderen sind die Checkpoints einfacher zu

ist and der Ecke Zeughausstrasse/Kasernenstrasse im Kreis 4. Hier wäh-

finden oder etwas anderes stimmt nicht überein und bevorteilt eine Stadt

len die Teilnehmer unterschiedliche Routen. Einige traversieren über die

gegenüber der anderen. Beim Global Gutz geht es aber genau nicht um die

Hardbrücke in Richtung Kreis 4. Die schnelleren wählen den Weg über den

Unterschiede, sondern um das Verbindende. Der Reiz am Rennen ist das

Kreis 5 und die Langstrasse, der von weniger Baustellen behindert wird.

Wissen, dass in Mailand und New York im genau gleichen Moment Leute

Von dort geht es an die Landiwiese, beziehungsweise zu den Tennisplätzen

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Unten links: Start in Warschau, alle anderen: Santiago de Chile

gegenüber. Inzwischen haben sich an der Spitze zwei Zweierteams gebil-

nachfolgenden Anette und Christoph, die direkt von dort zum letzten Pos-

det. Stefan und Martin können sich absetzen und führen kurzzeitig. Cris-

ten an der Ecke Fröhlichstrasse/Seefeldstrasse fahren und von hier aus

toph und Anette schliessen jedoch die Lücke, die sich aufgerissen hat, bis

souverän zurück ans Ziel an den Wipkingerplatz „fliegen“: über das Lim-

zu diesem Posten wieder. Dann rast die Vierergruppe in Richtung Seefeld

matquai, durch die Bahnhofsunterführung, an einer Demo vorbei und über

an die Ecke Bellerive/Fröhlichstrasse. Nach der Quaibrücke finden Stefan

das Sihlquai an den Wipkingerplatz und zum Sieg!

und Martin eine Lücke im Verkehr und schiessen am Bellevue davon. Christoph, der sieht, dass Anette wegen des Verkehrs und Fussgängern

Siegerinnenzeit: 35 Minuten, 38 Sekunden.

den Anschluss verliert – sie muss anhalten – wartet auf sie. Gemeinsam

Durchschnittsgeschwindigkeit: 35.765 km/h.

machen sie sich auf die Jagd nach dem Führungsduo, die sie inzwischen

Preis für die globale Siegerin: 1 Flugticket Tokyo retour.

aus den Augen verloren haben. Konichiwa Japan!

Die Siegerin in Zürich, Anette Michel, ist nicht nur die schnellste Frau weltweit, in Zürich ist sie schneller als alle Männer.

PS: Knapp nach Anette gewinnt Christoph mit der offiziell gleichen Zeit das Rennen der Männer und sein erstes Alleycat überhaupt.

Dann geschieht das, was das Rennen entscheidet: Der führende amtierende Europameister der Velokuriere, Stefan Fröhlich, zu dessen Ehren es zwei Checkpoints an der Fröhlichstrasse gibt, verfährt sich ausgerechnet an „seiner“ Strasse: Er rast am Checkpoint Ecke Bellerive/Fröhlichstrasse vorbei und verliert mit seinem Partner die Spitzenposition an die rasch

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OHNE SCHWEISS KEIN PREIS Bitte die Schuhe auf dem Boot ausziehen! Unsicher ob des Gehörten, schaut mich mein Vordermann an. Ich nicke. So stellen wir unsere Rennräder im Passagierraum der Personenfähre ab, parkieren Helme und Schuhe dazu und entern barfuss die Bar. Kaum erhalten, verschwindet eine halbe Flasche kühlen Mineralwassers in meine Kehle. Aaah, tut das gut.

Text: Roland Munz

Wenig später trifft sich unsere Gruppe fast wie verabredet auf Deck. Den im Hafen von Sollér zurück gebliebenen prosten wir vom ablegenden Schiff aus freudig zu. Wie lange die Überfahrt nach Sa Calobra heute wohl dauern wird? 40 Minuten? 50? Oder gar 60?

Petrus meint es gut mit uns Seit dem Start heute Morgen an der Platja de Muro begleitet uns perfektes Frühsommerwetter. Im Anstieg von Bunyola auf den Sollér-Pass kamen wir ein erstes Mal richtig ins Schwitzen. Wie froh sind wir, dass es diese Woche nicht mehr gar so heiss ist wie in der vorigen. Damals, am letzten Donnerstag, bei fast vierzig Grad, auf den Puig Major mit seiner Passhöhe von gegen 900 Metern, erreichte manch einer die Grenzen persönlicher Leistungs- und Leidensfähigkeiten. Alle paar Meter sah man jemanden am Strassenrand sitzen, die Getränkeflaschen förmlich ausquetschend. Etliche mussten dort ihre Ambitionen zurückstecken und ein Taxi für die Retourfahrt nehmen. Unvergesslich auch jener Hobby-Lance-Armstrong, der zuoberst auf dem Pass samt seinem superleichten Carbonrenner einem Taxi entstieg, um stolz für ein Erinnerungsfoto zu posieren. Etwas stolz war ich meinerseits auf die mir anvertraute Gruppe, wo alle die Tour aus eigener Kraft beenden konnten. Abends meldete der lokale Fernsehsender, es wäre ein neuer Temperaturrekord für Anfang Mai erreicht worden. Aha, alles klar. Für heute sind wiederum über 30 Grad angekündigt. Im Moment allerdings kümmert uns das wenig. Es ist kurz nach 13 Uhr und wir geniessen die angenehme Meeresbrise. Wer mag da schon an den bevorstehenden Anstieg denken?

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Wir, das sind 12 Trainierende, welche sich in der von mir geleiteten

Manchmal tut mir da unser Grupenleiter schon etwas leid, der die Ski-

Gruppe der Leistungskategorie „Hobby Lang“ beim Radsport-Reiseveran-

rennfahrer in ihren Radtrainings über die Insel führen darf: Hier ist er es,

stalter Hürzeler Holidays eingetragen haben. Als der ehemalige Radprofi

der regelmässig seine Leistungsgrenzen entdeckt.

Max Hürzeler vor über 20 Jahren für eine Hand voll Freunde das erste Mal Radsportferien organisierte, ahnte wohl niemand, dass 2009 mehr

Da habe ich es während meines zehnwöchigen Einsatzes als Tourguide

als 25‘000 Gäste alleine über diesen Veranstalter ihren Aktivurlaub

der Kategorie „Hobby Lang“ gut. Dies ist die tiefste Kategorie jener, die

auf Mallorca buchen würden. In dieser Zeit haben sich nicht nur die

primär aus Trainingsgründen hier sind und auf konkrete sportliche Zie-

Strassen und das seit einigen Jahren zunehmend gute Radwegnetz stark

le hinarbeiten. Uns stehen alle Berge offen für Ausfahrten zwischen 90

verändert. Auch das Angebot der Organisation wird stets neuen Anfor-

und 140 Kilometern bei zügigem Tempo. Wer sich zur Teilnahme in einer

derungen angepasst.

Gruppe eingetragen hat, kann natürlich bei Unter- oder Überforderung jederzeit die Kategorie wechseln – vorausgesetzt, es findet sich ein freier Platz in einer passenden Gruppe. Jetzt im Mai ist dies auch kaum mehr

Vor über 20 Jahren ahnte wohl niemand, dass 2009 mehr als 25‘000 Gäste alleine über diesen Veranstalter ihren Aktivurlaub auf Mallorca buchen würden.

ein Problem. Unsere Hochsaison war im April, bevor in Europa die ersten Radrennen starteten. Dennoch ist es nie ratsam, sich in einer offensichtlich zu starken Gruppe einzutragen, wenn die eigentlich passende Leistungsstärke ausgebucht ist. Und unbedingt ist auf pünktliches Erscheinen am Startplatz zu achten!

So sind längst nicht mehr nur für ambitionierte Sportsleute Touren im

Das heisst, dass auch viel zu früh zu sein unerwünschte Wirkungen haben

Angebot. Selbst wer nie zuvor auf einem Fahrrad gesessen ist, kann in

kann: Zum Leiter der stärksten Leistungsgruppe sprintete kürzlich ein Gast

der Einsteiger-Gruppe die Freude am Radfahren entdecken. Nach wie vor

nach vorne. Hochrot der Kopf, schwer der Atem. Keuchend fragte er bei

aber kommen zu Beginn der Saison im Februar ganze Profi-Rennteams

Kilometer 30, kurz nach der Einrollphase, ob denn der Gruppenleiter noch

zum Training. Diese Woche beispielsweise das Alpin-Kader der Schweizer

zu retten sei. Schliesslich fahre man nunmehr seit einer Stunde mit einem

Skinationalmannschaft, das sich zum ersten Sommertraining bei uns ver-

Schnitt von 32 Km/h statt der ausgeschriebenen 23. Selbstverständlich

sammelt. Mit dabei auch der im vorigen Winter schwer verunfallte Daniel

gehe es so weiter, entgegnete der Leiter. Und im Übrigen wäre dieses

Albrecht, der hier erstmals wieder mit dem Team zusammen trainiert.

Tempo angekündigt worden für die Ausfahrt über 184 Kilometer. Schnell

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stellte sich heraus, dass sich der Keucher eine halbe Stunde zu früh – als

Klosterkirche. Von da aus machte sich einst der Mönch Junípero Serra auf,

die Speed-Gruppe ihre Besammlungszeit hatte – am Startplatz eingefun-

an der Westküste Amerikas 21 Missionsstationen zu gründen. Städte wie

den hatte. So fügte er sich in sein Schicksal, kniff die Backen zusammen

San Francisco – eine meiner Lieblingsstädte – und San Diego gehen direkt

und versuchte im Windschatten der Gruppe zu folgen. Bei Kilometer 78

auf diese Stationen zurück.

schliesslich gab er entkräftet auf, schleppte sich zurück ins Hotel, legte drei Ruhetage ein und schloss sich schliesslich erfolgreicher der anvisier-

Morgen Freitag allerdings werden wir eine kürzere Fahrt nach Sinéu un-

ten Gruppe „Hobby Kurz“ an.

ternehmen. Alle zwei Wochen setze ich auf der dortigen, nicht besonders steilen und darum öffentlich zugänglichen, Radrennbahn einen Preis aus:

Nicht nur die Startplätze und Zeiten der Gruppen sind hier klar geregelt.

Der Sieger und die Siegerin im Sprintwettbewerb über eine Runde gewinnt

Beim Einchecken im Hotel bekommen unsere Gäste ihr persönliches, num-

ein Stück der fast schon legendären Erdbeertorte, die wir zum Wochenab-

meriertes Schloss für das Radzelt. Dort wird das eigene oder das gemie-

schluss an der Strandpromenade von Can Picafort geniessen werden.

tete Fahrrad verstaut. Am Lenkervorbau wird vorher eine Radsportvignette angebracht, welche in der Hürzeler-Boutique des Hotels bezogen wird.

Die See ist ruhig heute

Diese Vignette berechtigt zur Nutzung des bewachten Radzeltes, zum Be-

So erreicht unser Fährboot schon nach 45 Minuten sein Ziel in Sa Calobra.

zug eines Picknickes für die Ausfahrt, und um kostenlos Kleinreparaturen

Schuhe anziehen, Helm aufsetzen und Räder fassen. Dem Einen oder der

in den eigenen Werkstätten ausführen zu lassen.

Anderen wird es etwas mulmig zumute beim Blick bergwärts. „Die Schlange“ wartet auf uns! Bissige 730 Höhenmeter, gefühlte 100 Serpentinen-

Meine Aufgabe als Gruppenleiter ist es, an fünf Tagen pro Woche Aus-

Kurven und zuoberst der „Krawattenknoten“ – eine in Europa einzigartige

fahrten zu planen. Jeden Morgen vor dem Start hänge ich die Tour des

270-Grad-Kurve, die über sich selbst hinüber führt – stehen uns bevor.

nächsten Tages aus, mit Angaben zu vorgesehener Durchschnittsgeschwindigkeit und Distanz. Für Mensch und Maschine führen wir „Guides“ Flick-

Nach dem ersten Kilometer, wir lassen eben die letzten Schatten spen-

zeug mit uns, um bei Stürzen Erste Hilfe leisten, Plattfüsse oder andere

denden Bäume der malerischen Bucht hinter uns, gebe ich freie Fahrt.

kleine Defekte beheben zu können. Während der Mittagspausen erzähle

Jetzt müssen alle ihren eigenen Rhythmus finden für die nächsten neun

ich ganz gerne Episoden aus der Geschichte Mallorcas und der besuch-

Kilometer mit Steigungen von bis zu zwölf Prozent. Nein, flach wird es

ten Ortschaften. Fast schon ein Muss sind für mich Besuche in Petra auf

erst auf der Passhöhe wieder. Spektakulär schlängelt sich die Strasse die

dem historischen Marktplatz im Schatten der ehemaligen Franziskaner-

Felswand hinauf. Fast senkrecht über uns sieht man die nur aus Steinen

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erbauten Mauern der Haarnadelkurven. Und immer wieder raubt einem

Film „Höllentour“ gesagt: „Ist es wirklich schlau, auf ein Zoll breiten Rei-

auch der Blick talwärts über die türkisfarbene Bucht fast den Atem.

fen, mit einer klassischen Seilzugbremse ausgerüstet, bei vollem Tempo eine Passstrasse hinunterzurasen? Nicht wirklich!“ Diese Worte im Kopf,

Plötzlich ist es dunkel. Zwei sich über mir kreuzende Felsnadeln bilden

gebe ich ein Tempo vor, bei dem sich alle sicher fühlen können. Niemand

einen kurzen Tunnel an dessen Ende mich eine kleine Aussichtsplatt-

meiner Gruppe soll sich gedrängt fühlen, über die eigenen Verhältnisse zu

form zum Anhalten und Fotografieren einlädt, oder fast schon zwingt.

fahren. Sicherheit geht vor.

Mir kommen Erinnerungen an die erste Gruppe wieder hoch, mit der ich diese Passstrasse hochgefahren bin. Anfangs April blieb hier eine Radlerin

Stürze gibt es zum Glück selten. Und wenn, dann gehen sie in der Regel

stehen, leise weinend. Wie stets am Berg fuhr ich am Schluss der Gruppe,

glimpflich aus. Nicht aber für den Vogel, der mir unlängst ins Hinterrad

hielt bei ihr an, schloss sie in meine Arme. Nein, sie sei nicht erschöpft,

flog: Das Rad blockierte. Die mir nachfolgende Radlerin fuhr auf mich auf

nicht körperlich. Aber sie möchte einen Augenblick innehalten, trauern. Sie

und stürzte. Ihre Schürfwunde konnte ich ohne Probleme verarzten. Viel

wäre nicht zuletzt auf diese Tour mitgekommen, um zu verarbeiten. Zwei

schwieriger war es, den zuckenden und schreienden schwarzen Vogel von

Jahre zuvor, genau in dieser Kurve, in der Abfahrt, sei ihr Mann, als er

seinem Leiden zu erlösen. War es eine Amsel?

alleine unterwegs war, tödlich verunfallt. Schauer lief nun auch mir den Rücken hinunter. Wir setzten uns auf die Mauer, während sie leise sprach

Aber heute läuft alles wie geschmiert. Schon erreichen wir Pollenca. Hier

und sich an mir festhielt. Noch einige Male haben wir in den folgenden

biegen wir auf eine kleine aber gut unterhaltene Nebenstrasse ein. Links

Tagen zusammengesessen. Nicht nur ihr wird jene Tour wohl auf ewig in

und rechts zieren Gärten den Weg. Die letzten Kilometer führen uns an

Erinnerung bleiben. Als Gruppenleiter ist man nicht bloss Streckenplaner,

Pferdestallungen vorbei, einen Bach entlang zurück an die Platja de Muro.

Notfallmechaniker, Samariter und Pausenunterhalter. Immer wieder stellen

Die Sonne steht noch hoch am Himmel. Wieder ist eine Ausfahrt ohne Zwi-

sich uns auch psychologische Herausforderungen. Auch darum mag ich

schenfälle verlaufen. Bei der Abschlussbesprechung der heutigen Ausfahrt

diese vielfältige Arbeit sehr!

blicke ich rundum in zufriedene Gesichter und werde von meinem Team mit Applaus belohnt. Weil das Meer mittlerweile auch schon einladend

Endlich folgt die wohlverdiente Abfahrt

warm ist, stürzen wir uns zusammen in voller Radmontour in die Wellen.

Bloss keine Ziege auf der Strasse. Wenn nur nicht Sand oder Steine in der

Nein, doch nicht ganz: Die Schuhe ziehen wir noch aus.

Kurve liegen. Ja nicht zu viel denken. Aber auch nicht zu wenig, immer etwas vorausschauend. Wie hat schon der Fahrer des Team Telecom im

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Impressionen einer Velotour entlang der Strada statale 106 in Kalabrien. Fotos: Alois Jauch, Illustration: Hofgrafen

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DIE VIERTAUSEDER PARADE – ZWEI BIKETAGE IM VAL D‘ANNIVIERS Von den Aprikosen-Hainen an den Fuss der Viertausender und zurück. Eine Zweitages-Tour für angefressene Biker, durch das Walliser Seitental Val d‘Anniviers. Text: Simon Joller, Illustration: Hofgrafen

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Vor 150 Jahren fuhren vornehmlich Englän-

Der Verlockung der Corne de Sorebois auf 2896

der von Sierre durch das Val d‘Anniviers in

Metern über Meer können wir nicht widerstehen.

das Bergdorf Zinal. Die Angelsachsen waren

Wie ein Keil spaltet sie das Val d‘Anniviers in

fasziniert von der majestätischen Präsenz der

das Val de Zinal und das Val de Moiry auf. Wir

ewig eisbedeckten Bergriesen am Ende des Ta-

stehen zuvorderst auf der Keilspitze, noch etwas

les, hinter Zinal. Mit dem Weisshorn, dem Zi-

benommen vom (endlos scheinenden) Aufstieg

nal Rothorn, dem Ober Gabelhorn und der Dent

mit der halbstündigen Trage-Passage, aber be-

Blanche schliessen gerade mal vier über 4000

tört vom grandiosen Ausblick in die Ferne. Unter

Meter hohe Bergsteiger-Traumziele den südli-

uns liegen 40 Kilometer Aufstieg, der kalt-blaue

chen Seitenarm des Rhonetales ab.

Moiry-Stausee, in der Ferne die Berner Alpen

Wie hoch

und vor uns die Walliser Viertausender.

Wie lange

Tour de Val d‘Anniviers Im Westen bergan, im Osten talwärts. Eine grandiose Zweitagestour für Bike-Abenteurer im Wallis. Wann Wie weit

Weder mit Maultier noch Benzin-Kutsche wollen wir diese Reise antreten, sondern mit Bikes.

Nur eine Erkenntnis kann uns aus unserem Ta-

In zwei Tagen das Tal hinauf und hinunter. Das

traum reissen: die Aussicht auf einen nächsten

ist keine gemütliche Rundfahrt. Fahrkönnen und

Tagtraum… Die unglaublich schnelle Abfahrt

Kondition werden vorausgesetzt. Doch die Ge-

über planierte Skipisten – immer dem Weg ent-

birgskulisse, einsame Alpwege und Traumab-

lang – hinab nach Zinal, über einen Kilometer

fahrten belohnen die Anstrengung. Wer weniger

tiefer unten gelegen. In Downhill-Trance fahren

auf Abenteuer denn auf Genuss-Suche ist, fin-

wir in Zinal ein, der einstigen Zwischenstation

det im Val d‘Anniviers gegen hundert markierte

für Talbewohner und Vieh, bevor sie auf die Alp-

Bike-Kilometer mit demselben hochalpinen Pan-

sitze zogen. Wir wissen die Spaghetti à discréti-

orama, für jedermann fahrbar. Vorerst stehen wir

on zu schätzen und übernachten in der Auberge

noch in Sierre, wo die Atmosphäre keineswegs

Les Liddes für ganze 25 Franken! Am nächs-

alpin ist. Die trockene Walliser Wärme, Apriko-

ten Morgen, noch bevor die Sonne sich über

sen-Plantagen und Weinberge erinnern eher an

die Bergriesen schieben mag, sind wir bereits

südfranzösische Regionen. Den herben Walliser

wieder unterwegs. Zum Aufwachen eine kurze

Rotwein sparen wir Biker uns allerdings für die

Trage-Passage hinauf auf den Höhenweg. Und

Rückkehr auf. Denn die ersten Kilometer hinauf

dann, nach der Bergfahrt an der Westflanke am

auf die Terrasse von Vercorin und weiter Rich-

Vortag, die Talfahrt über die Ostflanke des Val

tung Grimentz hilft uns weniger der Weingeist

d‘Anniviers. Der grandiose Pfad, über den stre-

denn ein paar Kohlenhydrate aus dem Rucksack.

ckenweise der bekannte Berglauf Sierre-Zinal

Teils sind die Wege derart steil, dass wir abstei-

führt, ist technisch einigermassen schwierig. Die

gen und schieben müssen.

Wanderer staunen, und wir geben lachend zu, dass wir zwischendurch, wie sie, zu Fuss unter-

Was mitnehmen

Wie hinauf

Wie hinunter

Was sehen

Wo essen Wo übernachten

vom Sommeranfang bis zum ersten Schnee 45 Kilometer hinauf und 45 Kilometer hinunter 1500 Höhenmeter (ohne Abstecher Corne de Sorebois) 5 bis 8 Stunden Steigung, 4 bis 6 Stunden Abfahrt LK der Schweiz, 1:25‘000, Blätter 1287 Sierre, 1307 Vissoie, 1327 Evolène, warme Bekleidung, gute Schuhe (Schiebe-Strecken) Sierre – Vercorin auf der Strasse, über Simboué Pt 1731 – Tracui– Les Tsougdires – Le Chêquet nach Grimentz, Pt 1599 – Mayens de Tsirouc – Le Biolec – über die Weide nach Grand Plan schieben – Sorebois – Singline, hinunter nach Zinal Variante für Unersättliche: Le Chêquet – Hauptstrasse Richtung Lac de Moiry – steil auf die Corne de Sorebois – Sorebois – Zinal Zinal – Arolec – Lirec – Barneuza – Montagne de Nava-Hotel Weisshorn – Tignousa – Pt 2091 – Alpage de Chandolin – Pramarin – Ponchet – Le Couquelle – Niouc – Sierre Vier Viertausender, das Rhonetal von oben, Murmeltiere, Ziegen und Kampfkühe, Grimentz‘ alter Dorfkern Bendolla ob Grimentz, im historischen Hotel Weisshorn, Rucksack Grimentz, Zinal, Petit-MountetHütte ob Zinal, Hotel Weisshorn

wegs sind. Die Krönung kommt zum Schluss, als

Die trockene Walliser Wärme, Aprikosen-Plantagen und Weinberge erinnern eher an südfranzösische Regionen.

wär‘s ein köstliches Dessert: Eine schier endlose Abfahrt über weichen Waldboden hinunter nach Sierre. Und nach dem blendenden Weiss des ewigen Schnees können wir uns in der Stadt Sierre endlich der zweiten Farbe im Walliser Kantonswappen widmen: dem klaren Rot des

Schultern und schieben muss man das Bike auf

geistreichen Traubensaftes…

dieser Tour verschiedentlich. Vor allem, wenn man wie wir von der Gipfel-Krankheit befallen ist. Natürlich könnten wir am Ende des Tales bei Grimentz – Zielort des legendären Bikemarathons Grand Raid Cristalp – das Tal queren und mehr oder weniger gemütlich nach Zinal gelangen. Schon diese Variante würde uns ab Sierre über 1500 Höhenmeter abfordern. Doch wir setzen gleich noch 1000 Meter Höhengewinn drauf.

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AUS SCHROTT WIRD SEIT 15 JAHREN KUNST „Als führender Druckdienstleister im Grossraum Zürich wissen wir um die Kraft kreativer Ideen - sie beflügeln, inspirieren und ebenen oftmals den Weg für neue Betrachtungsweisen oder Lösungsansätze. Druck und Kunst profitieren von einer gegenseitigen Wechselwirkung. So verwundert es kaum, dass die FO-Fotorotar einen bekannten Künstler aus der Region sponsert, der mit seinen Arbeiten ebenso klare Zeichen setzt wie das seit 75 Jahren etablierte Unternehmen innerhalb der grafischen Branche.“

Kultursponsoring von

Alte Motorhauben, Drähte und Plastikfolien - kein Material ist vor Leto

Zudem habe ich in Uster den Kunstabenteuerspielplatz Serafins Garten

alias Markus Meyle sicher. Der Plastiker verarbeitet Schrott zu Kunst.

aufgebaut, wo ich die Feinheiten des Spiels und der Spielgeräte erforschen konnte.

Aufgewachsen bin ich so quasi in einer Galerie. Mein Vater leitete die Villa am Aabach in Uster. Wir wohnten oben in dieser Villa, so dass ich

Das Spiel mit dem Feuer ist auch so eine Sache. Das geht von Skulpturen

mir unweigerlich jeden Tag die Sachen, die an den Wänden hingen, an-

ent- und verbrennen über Feuerwerke bis hin zum Schmieden oder Gies-

schauen musste.

sen. Dabei steht vor allem das Experimentieren und Tüfteln im Mittelpunkt. Wobei ich unterdessen einige Erfahrungen gesammelt habe, so dass das Inszenieren von Feuer im Mittelpunkt steht.

Meine Figuren sind für mich Kumpels, die aus einer verspielt anderen Welt stammen.

Mein Stil kommt wohl von meiner vorliebe für Comics. Ich mag einfache und klare Formen. Meine Figuren sind für mich Kumpels, die aus einer verspielt anderen Welt stammen. In meinen Arbeiten geht es mir immer um Dynamik und Präsenz. Stets suche ich nach Themen und Motiven die frech und radikal sind. Mich beschäftigten vor allem das Zusammen-

Später brachte mir meine Berufsausbildung als Spengler den Vorteil, den

spiel von Menschen und die gesellschaftlichen Mechanismen. Die ich in

Umgang mit Metall kennenzulernen. Schrott und Motorhauben waren und

Beispielen analysiere. Interaktive Figuren lassen einem die thematisierte

sind ein wichtiger Werkstoff in meinen Arbeiten. Bis vor einigen Jahren

Situation direkt miterleben. Im Zentrum dieser Arbeiten steht oft eine

habe ich vor allem mit Altmetall gearbeitet. Bis ich eher per Zufall an

interaktive Rauminstallation, um welche herum ich dann, die kleineren

einem Holzbildhauer-Symposium teilgenommen habe. Seit dem arbeite ich

Figuren inszeniere.

regelmässig mit der Motorsäge. Mit der Motorsäge zu arbeiten ist eine lustige Sache, mit viel Lärm arbeite ich mich quer durch den Baum dabei entstehen Figuren, Reliefe und Holzschnitte.

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MIT KARACHO IN DIE ZUKUNFT Erfolg basiert auf Begeisterung, auf ambitionierten Menschen, deren vielfältige Persönlichkeiten, Charaktere und Erfahrungen sich optimal ergänzen und selbst Unerwartetes hervorbringen. Gemeinsam treten diese Menschen für andere zielstrebig in die Pedale – nicht nur beim Veloblitz.

Text: Boris Wagner

Wer, wie die Zürcher Velokuriere, Botschaften von A nach B übermittelt,

Dienstleistungen, die weit über das reine Druckhandwerk hinausgehen.

kennt die wachsenden Anforderungen und Bedürfnisse unserer schnellle-

Kreative Text- und Bildprofis, sprachgewandte Korrektoren, versierte Com-

bigen Gesellschaft. Vertrauen, Qualität und Flexibilität sind nur einige Be-

puter-to-Plate-Operatoren, eine speditive Ausrüsterei und die sowohl auf

griffe, die das tägliche Geschäft mit dem Transport wichtiger Informationen

Internet, Personalisierungen als auch Web-to-Print-Lösungen spezialisier-

oder Waren bestimmen. Gepaart mit erstklassigem Service, Ausdauer und

ten Geschäftsbereiche FO-Cyberfactory und FO-Smartprint stehen den Kun-

Schnelligkeit, beschreiben diese Attribute ein Unternehmen, das zudem seit

den mit allen erdenklichen Produktionsvarianten zu Diensten.

20 Jahren konsequent ökologische Pionierarbeit leistet. Dieser Vorreiterrolle gilt unser ganzer Respekt, denn innovative Ideen und nachhaltiges Wirken

Auf Überholspur

stellen auch für uns als Mediendienstleister die treibende Kraft für erfolg-

Im Spannungsfeld sich ständig ändernder Medientechnologien gehören

reiches Schaffen dar.

die kompetente Beratung sowie fachgerechte Auf- und Weiterverarbeitung wichtiger Informationen in die Hände versierter Profis. Sie sind es,

Fest im Sattel

die Ihre Botschaften effizient, zielgerichtet und crossmedial vernetzt am

Die FO Print & Media AG zählt mit ihren sechs eigenständigen Geschäfts-

Markt positionieren, die Synergien erfassen, genau zu nutzen und bei

bereichen zu einer festen Grösse innerhalb der grafischen Branche. Mit

Bedarf entsprechend ökologisch vertretbar zu produzieren wissen. Als

weit über hundert qualifizierten Fachkräften kann das Unternehmen auf

Ihr Kommunikationspartner kennen wir die vielschichtigen Möglichkeiten,

einen langjährigen Erfahrungsschatz zurückgreifen, der bis in das Jahr

das Potenzial des Machbaren und wissen dieses gewinnbringend für Ihr

1930 datiert. Das damit verbundene Know-how und Potenzial wird von

Unternehmen umzusetzen. Nicht zuletzt stellen wir mit Publishing 3.0 di-

unseren zahlreichen Auftraggebern aus Wirtschaft, Industrie, Werbung,

verse richtungweisende Softwaretools zur Verfügung, die unseren Kunden

Bund und Kantonen sehr geschätzt. Technische Entwicklungen, Trends und

ein Höchstmass an Flexibilität und Kosteneffizienz gewährleisten. Damit

Marktgeschehnisse im Print- sowie Onlinebusiness werden von uns stets

lässt unsere Dienstleistungspalette kaum mehr einen Wunsch offen –

aufmerksam beobachtet. Dies prägt unsere tägliche Arbeit und ermöglicht

ein kundenorientiertes Handeln ist unser Kredo. Daher freuen wir uns,

uns, jeweils individuelle, kundenspezifische Lösungen zu kreieren – das

zielstrebig in die Pedale zu treten und gemeinsam mit Ihnen spannende

interdisziplinäre Zusammenspiel der unterschiedlichen Kompetenzpartner

Konzepte zu verwirklichen.

gewährleistet uns, selbst komplexe Projekte aus einer Hand anzubieten.

Um Informationen fachgerecht für alle Kanäle aufzubereiten, bedarf es eines Spezialisten mit versiertem Blick für das Ganze.

Professionell und vielseitig Als Kommunikationspartner verarbeiten wir Informationen für nahezu alle

Informationen und Daten werden heute crossmedial verarbeitet und über

Kanäle – das Medium Print zählt dabei nach wie vor zum Kerngeschäft. In

diverse Kanäle vernetzt – dabei gilt das Medium Print nach wie vor als

unserem topmodernen Maschinenpark werden Drucksachen mit optimaler

Motor für erfolgreiche Werbeauftritte.

Effizienz und unter Einhaltung höchster Qualitäts- und Sicherheitskriterien realisiert. Ob klimaneutral, FSC-zertifiziert oder mit fälschungssicheren Merkmalen versehen produziert – das Unternehmen offeriert zahlreiche

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in die Zukunft und ermöglichen ein kosteneffizientes, flexibles Agieren. Datenhandling: Der vertrauensvolle Umgang mit heiklen Daten und Informationen gilt als selbstverständlich. Ob Datenbanken für Bildarchive, Sicherheitskopien oder Ähnliches – was immer Sie für künftige Projekte

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SWISSCONNECT - DER KURIER, DER MIT DEM ZUG GEHT – SCHNELL UND ÖKOLOGISCH QUER DURCH DIE SCHWEIZ Ein Paket in Zug abholen, nach Lausanne spedieren und persönlich ausliefern. Das alles in knapp drei Stunden. Der clevere Verbund aus Bahnen, Velo-, Auto- und Taxikurieren machts möglich. Dabei setzt der Schweizer Kurierdienst swissconnect nicht nur auf das jeweils schnellste, sondern auch ökologisch sinnvollste Transportmittel. Und das bereits seit 10 Jahren mit stetig wachsendem Erfolg.

Text: www.textpistols.ch, Foto: Alois Jauch

Ende der 80er Jahre wurden die ersten Velokurierbetriebe gegründet. Zu-

Dokumente, Waren und Pakete bis 30 kg nahezu in alle Orte und Regio-

erst in Luzern, dann in Bern, Basel und Zürich. Die Gründer waren Idealis-

nen der Schweiz, ins europäische Ausland und in die ganze Welt liefern.

ten, die sich von den Ideen aus verkehrsgeplagten Städten in Nordamerika

Das können Dokumente wie Pässe sein, Blutproben, heikle Messgeräte,

inspirieren liessen. Doch die Zeiten sind längst vorbei, als die Kuriere die

Werkzeuge und so weiter. Dass die Lieferungen pünktlich ankommen ist

bunten Vögel im Strassenbild waren. Inzwischen gibt es schweizweit über

dem reibungslosen Zusammenspiel aller beteiligten Partner zu verdanken.

20 Velokuriere, die nicht nur mit sportlichem Ehrgeiz durch die Städte

Thomas Bussmann vom Luzerner Orthodontie-Labor Bussmann ist Kunde

fahren, sondern vor allem auf professionelle und sichere Kurierdienst-

der ersten Stunde und erinnert sich: „Damals hielt ich es für einen sehr

leistungen setzen. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind Schnelligkeit, Um-

ambitiösen, wenn nicht gar unwahrscheinlichen Plan, ein flächendecken-

weltbewusstsein und die vertrauliche, persönliche Lieferung. Das hat auch

des Netzwerk aus kleinen Kurieren zu schaffen. Schliesslich muss jeder

Christoph Masoner, der Mitbegründer des Velokuriers Luzern und heutige

einzelne ein extremes Dienstleistungsverständnis mitbringen und die Qua-

Geschäftsführer von swissconnect, vor 10 Jahren erkannt: „Ich wollte die

lität garantieren, die es für ein perfektes gemeinsames Angebot braucht.“

regionalen Velokuriere in der Schweiz zusammenspannen und gemeinsam mit den SBB einen nationalen Verbund schaffen, mit dem Kurierdienste

Logistische Meisterleistung

nicht nur auf die einzelnen Städte begrenzt bleiben, sondern auch zwi-

Der Plan ist aufgegangen. Heute betreut swissconnect im Schnitt 110

schen den Orten möglich werden.“

Sendungen täglich, Tendenz steigend. Das logistische Nervenzentrum ist in Luzern, wo vier Personen sämtliche Aufträge und Partner koordinieren. Sie

Ökologisch und effizient

überwachen die einzelnen Sendungen dank einer eigens entwickelten Soft-

„In sieben von zehn Fällen ist das Velo in der Stadt schneller als das

ware zeitgenau und sind immer auf dem Laufenden, wo welche Lieferung

Auto“, sagt Masoner. Daher sind die Velokuriere in den Städten immer noch

steckt. Meistens läuft alles glatt, hin und wieder müssen Probleme gelöst

das Herzstück des Schweizer Kurierdienstes. Für grössere Distanzen setzt

werden, wenn zum Beispiel ein Zug ausfällt oder verspätet ist. Im Extrem-

swissconnect auf das dichte Netz der SBB, auf Privatbahnen wie z. B. die

fall kommt eine Sendung erst gegen Mitternacht am Zielort an und wird

Rhätischen Bahnen, Mobility- oder Erdgas-Autos sowie Taxiunternehmen.

vom lokalen Kurier auch dann noch ausgeliefert. Besonders Medizinlabors

Das schweizweite Netzwerk besteht heute aus rund 50 Partnern, die Briefe,

und Spitäler, aber auch Industrieunternehmen, Anwälte, Notare, Banken,

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Botschaften und Reisebüros zählen zur Hauptkundschaft von swisscon-

seit dessen Anruf sind kaum drei Stunden vergangen! Ähnliches geht von

nect – allesamt Kunden, die auf eine schnelle Lieferung angewiesen sind

Zürich nach Bern, von Basel nach Luzern oder Lausanne nach Genf sogar

und den Service auch mal Samstags, Sonntags oder abends nutzen. „Eben

in 90 Minuten.

diese Flexibilität und den Rund-um-Service schätzen unsere Kunden“, sagt Christoph Masoner. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum der Kurier-

Das swissconnect-Netzwerk umspannt die ganze Schweiz. In Gegenden, wo

dienst von der Wirtschaftskrise nichts spürt. swissconnect strebt noch

es keine Velokuriere gibt, übernehmen Autokuriere oder Taxis den Trans-

dieses Jahr die ISO-Zertifizierung an und expandiert weiter. „Je mehr sich

port vom Bahnhof zum Bestimmungsort. Neben solchen Einzelaufträgen

die Post als Marktführer im Gleichtagsgeschäft zurückzieht, desto mehr

bietet swissconnect auch regelmässige Abholungen (Daueraufträge) und

werden wir uns weitere Gebiete erschliessen“, so Masoner. „Wir sind nur

ausgefeilte Sammel- und Verteilkonzepte. Christoph Masoner lacht: „Bei

wenig teurer als die Post, dafür aber unschlagbar schnell.“

uns ist fast alles möglich. Wir transportieren fast alles fast überall hin.“

Mit einem Paket auf Reisen Eine Reise mit swissconnect sieht in der Praxis so aus: Ein Kunde in Lausanne informiert seinen lokalen Kurier über ein im Zuger Industriegebiet bereitliegendes Ersatzteil. Der Lausanner Velokurier gibt den Auftrag in den Computer ein. Sobald dieser auf dem Bildschirm des Zuger Velokuriers auftaucht, wird das Paket abgeholt. Der Kurier eilt zum Bahnhof und deponiert die Sendung sicher im abschliessbaren Zugführerabteil des

Weitere Informationen erhalten Sie bei:

Intercity-Zuges. In Zürich ist der dortige Velokurier bereits im Bild und

swissconnect AG

schickt rechtzeitig einen Fahrer an den Hauptbahnhof, der das Paket in

Christoph Masoner

den IC Richtung Genf umlädt. Pünktlich ist der Kurier in Lausanne zur

Tel. 041 227 2000

Stelle, um das Paket auszuladen. Er fährt direkt zum Auftraggeber nach

cm@swissconnect.ch

Ouchy und gibt die Sendung persönlich ab. Dieser staunt nicht schlecht,

www.swissconnect.ch

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DER „MESSENGER“ VON VELOBLITZ BEWEGT NICHT NUR KURIERE Seit wenigen Monaten befindet sich im Containerdorf in der Binz in Zürich die neue Velowerkstatt von Veloblitz. Eigentlich nichts Aussergewöhnliches - ausser dass in dieser Werkstatt am Fusse des Üetlibergs nicht nur repariert, sondern auch ein ausgeklügeltes Fahrrad gebaut wird.

Text: Rolf Burkhardt, Foto: Peter Zangerl

Der „Messenger“, ein hochwertiges Strassenrad

Wer über mehrere Jahre hinweg tausende von

aus Alu und Carbon, wird nach gut drei Jahren

Kilometern auf einem Fahrrad zurücklegt, spürt

Entwicklungsarbeit bereits in einer zweiten Ge-

und bemerkt Konstruktionsfehler oder die fal-

neration lanciert. Als die Veloblitz-Geschäftslei-

sche Materialwahl quasi am eigenen Leib. Luzian

tung vorbrachte, eine Velowerkstatt zu eröffnen,

Relly und Lukas Bertschi, die beiden Väter des

ging es vorwiegend darum, eine weitere Einnah-

„Messengers“, sind Testperson und Entwickler in

mequelle für den damals leicht strauchelnden

einem, wovon ihre begeisterte Kundschaft profi-

Kurierdienst zu finden. Bei der Entwicklung einer

tiert. Und die stammt längst nicht mehr nur aus

eigenen Fahrradmarke hingegen, eine Marktlü-

dem engen Kreis kritischer Kuriere. Um zu reali-

cke zu schliessen. Obschon dutzende renom-

sieren, dass es den meisten City Bikes, die in den

mierter Velomarken damit werben, die Perfektion

Neunzigern das für städtische Bedürfnisse viel

des Zweirads gefunden zu haben, war vor dem

zu schwere Mountainbike ablösten, an Stabilität

Bau des „Messengers“ kein Fahrrad auf dem

fehlt, braucht man kein Profi zu sein.

Markt zu finden, das vollumfänglich den hohen Ansprüchen eines Kuriers entspricht.

Auch muss man kein Radrennfahrer sein um zu bemerken, dass die gebückte Haltung, die dem Rennvelo zur optimalen Nutzung der Tretkraft ver-

Wir sind überzeugt: unser „Messenger“ wird auch Sie ganz schön bewegen.

hilft, im Zürcher Stadtverkehr gefährlich werden kann. Der lebensrettende Blick über die Schulter, wird durch den tiefgesetzten Lenker geradezu verunmöglicht. Mit dem „Messenger“ wurde wesentlich mehr, als ein gelungener Kompromiss

Ein Kuriervelo muss viel aushalten und soll den-

dessen, was man bei den genannten Modellen für

noch wendig und leicht sein. Es soll mit Kompo-

unbefriedigend empfindet, gefunden. Nicht unbe-

nenten ausgerüstet sein, die in Preis und Leis-

scheiden ist vom idealen Fahrrad, abgestimmt

tung ausgewogen sind. Auf geraden Strecken,

auf Zürichs Topographie die Rede.

wie auch am Züriberg, soll es die eingesetzte

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Muskelkraft optimal in eine Fahrtbewegung um-

Der „Messenger“ wiegt je nach Rahmengrös-

setzen, und: Es soll gut aussehen.

se zwischen 9 und 10kg und ist dennoch von

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höchster Stabilität. Das Gefühl, wie auf Schienen durch die Strassen zu

So finden Sie uns:

gleiten, mit griffigen Bremsen und einer sanft klickenden Schaltung unterwegs zu sein macht nicht nur Spass, sondern erhöht in erheblichem Masse die Sicherheit. Um ein optimales Fahrgefühl zu erreichen, wird jeder von Hand und mit Herz zusammengestellte „Messenger“ den Bedürfnissen seines künftigen Besitzers oder seiner Besitzerin angepasst. Und die dürfen äusserst individuell sein. Der „Messenger“ ist in der Grundausstattung in fünf Grössen in schwarz erhältlich. Gegen einen Aufpreis von CHF 200.- entscheiden Sie selbst, welche der 266 verschiedenen Farben am besten zu Ihrem „Messenger“passt. Messenger Standard, Alu-Rahmen mit Carbon-Gabel, Kettenwechsel, Schaltung, Bremsen und Naben von „XT“, „105er“ und „Ultegra“ CHF 2190.Messenger Nabenschaltung, technische Details wie oben; anstelle von „XT“, Schimano Alfine 8-Gang Nabenschaltung CHF 2500.Ein Fahrrad macht nur dann richtig Freude, wenn man damit fährt. Darum empfehlen wir Ihnen einen Besuch an der Räffelstrasse 28, um ein paar Runden mit einem der besten Fahrräder der Gegenwart zu drehen. Öffnungszeiten Veloblitz Werkstatt: Mo- Fr 12.00 - 18.00 Uhr Sa 11.00 - 17.00 Uhr Alle Modelle und sämtliche technischen Details unter www.veloblitzbikes.ch

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LILY‘S

Liegt es in der Macht der menschlichen Nase dem geistigen Auge verbindlich Farben zu vermitteln? Wenn ich in der Küche von Lily’s Home Delivery sitze, bilde ich mir manchmal ein, Grün zu riechen. Rot und Honiggelb ziehen dann an meinem inneren Auge vorbei. Ein sanftes Hellgrün um ein struppiges Lila gelegt bleibt auf der geistigen Leinwand hängen, bevor es von einem cremigen Schokoton abgelöst wird.

Text: Rolf Burkhardt, Fotos: Lars Brauchli

Für einen Veloblitz-Kurier gehört dieses Eintauchen in die Geschmackswelt

Zürich ankam. Sein Mitbringsel: ein doppelstöckiges Chromstahlgefäss, mit

von Lily‘s frisch zubereiteten asiatischen Köstlichkeiten zu einem willkom-

dem mehrere Millionen Asiaten tagtäglich ihr frisch zubereitetes Essen von

menen, berufsbedingten Begleiter.

der Strassenküche nach Hause transportieren, um es dort fern ab städtischer Hektik zu geniessen. Zusätzlich zur festen Überzeugung, mit dem

Liebhaber von Lily‘s Kochkunst, denen dieser von Düften umwobene Logen-

Pinto, so heisst dieses Wundertöpfchen, die Stadt Zürich um ein nützliches

platz verwehrt bleibt, bestellen sich die Palette farbig riechender Köstlich-

Etwas zu bereichern, war auch Euphorie mit von der Partie. – Diese Eupho-

keiten ganz einfach dorthin, wo man sich bei kleinem oder grossem Hunger

rie, im Normalfall ein flüchtig Ding, musste mehrere Jahre anhalten, bis

eben gerade befindet. Ein Blick auf die übersichtliche Website oder in die

das erfolgsversprechende Geschäftsmodell rund um diesen gut transpor-

Speisekarte genügt, um telefonisch oder per Knopfdruck sein Lieblings-

tierbaren Wärmebehälter zu einer rentablen Wirklichkeit werden konnte.

gericht, gespickt mit ein paar Spezialwünschen, bequem an den Tisch zu holen. Dass diese für tausende von Zürcherinnen und Zürchern heutzutage selbstverständliche Regung eine ganze Maschinerie in Bewegung setzt, ein perfekt eingespieltes Team von Telefonisten, asiatischen Köchen, Disponenten und Veloblitz-Kurieren, sind sich die Wenigsten bewusst.

Es begann damit, dass Cello Rohr nach einer seiner zahlreichen Asienreisen mit einem Souvenir im Handgepäck in Zürich ankam.

Genau sieben Jahre sind es her, dass die Macher von Lily’s Restaurant ihre Vision umzusetzen begannen, panasiatische Kochkünste nicht nur im Res-

Eigentlich unterscheidet sich Lily‘s Küche in fast gar nichts zu einer nor-

taurant an der Langstrasse, sondern auch am Ess- oder Bürotisch von Herr

malen Restaurantküche. Nur handelt es sich hierbei um eine, die auf die

und Frau Zürcher zu servieren. Eigentlich ist ja Home Delivery nichts Neues.

Zubereitungsarten asiatischer Gerichte in grossen Mengen spezialisiert ist.

Doch ist es die Auswahl, die es ausmacht. Der deutliche Unterschied im Angebot, der perfektionierte Kundenservice, die Liebe zu frisch zubereitetem

Vor mir auf der Theke stehen drei riesige Reiskocher - gegen 25kg Reis

Essen und die nur durch Muskelkraft erbrachte Leistung, das Bestellte zu

fasst so ein Gerät. Meiner zu Hause wirkt dagegen läppisch. Der Stössel,

liefern, galt es neu zu erfinden. Es begann damit, dass Cello Rohr nach

mit dem beispielsweise Papayastreifen, Gewürze, Kräuter oder getrocknete

einer seiner zahlreichen Asienreisen mit einem Souvenir im Handgepäck in

Garnelen zu einer Paste zerstampft werden, ist dermassen schwer, dass

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er mit beiden Händen und grosser Wucht auf den Boden des übergrossen

Mund-zu-Mund-Propaganda, eine schlichte, witzig überzeugende Kampagne

Mörsers gestossen werden muss. Automation hat auch in heutiger Zeit

auf der Rückseite einer jeden Speisekarte, die gut sichtbaren mit „Lily‘s“

noch nicht überall Einzug gehalten. Wokpfannen über züngelnden Gasflam-

beschrifteten Rucksäcke der Kuriere, aber vor allem der hohe Nutzen, ge-

men, sich in tropischer Hitze gegenseitig abwechselnde Duftnoten sowie

paart mit einem ökologisch sinnvollen Ansatz, brachten schliesslich den

ein ständiges Klappern von Kochgeschirr regieren diesen Ort, von dem aus

längst verdienten Erfolg.

die Stadt Zürich seit etlichen Jahren bekocht und bewirtet wird. Waren, der Küchenchef, strahlt eine Ruhe aus, die sich auf sein vierbis fünfköpfiges Team geradezu hypnotisch überträgt. Manchmal glaube ich, er bewege sich in Zeitlupe. Und dennoch schafft er‘s immer, den Ansturm von Bestellungen zu bewältigen. Der Drucker rattert, eine Bestellung kommt rein, Waren und sein Team legen los. Heute sind es vier

Heute ist Lily‘s dank einem hochmotivierten Team, engagierten Profiköchen und einem guten Dutzend durchtrainierter Radlerbeine in Bestform. Durchhalten hat sich gelohnt.

Köche, die mit verinnerlichten Bewegungsabläufen die Speisekarte hoch und runter kochen. Routinierte Handbewegungen, die das Team vermutlich im Schlaf beherrscht - nur wäre es unfair, diese Übertreibung, wenn auch

Sonntag ist der Tag der Tage: Man möchte glauben, dass sich Zürcherin-

bewundernd gemeint, so stehen zu lassen. Die offensichtliche Ermüdung

nen und Zürcher sonntags ausschliesslich von Currys oder Papayasalaten

der Gesichtszüge am Ende einer Schicht lassen einen erahnen, dass die

ernähren, ihr Wochenende mit Springrolls und Samosas ausklingen lassen.

über Stunden anhaltende Leichtigkeit unter höchster Anstrengung zustan-

Aber eben: das war nicht immer so. Als Lily‘s Home Delivery nach über

dekommen muss.

zwei Jahren noch immer mit zu hohem Aufwand und dürftigem Ertrag zu kämpfen hatte, musste Einiges unternommen werden, um den Glauben an den Pinto und sein Drumherum nicht zu verlieren.

Er stellt die Routen zusammen, kennt alle Abkürzungen und Einbahnstrassen, weiss von Staus und Baustellen, die dem Fahrer zum Hindernis oder zum Trumpf werden können.

Haben sich die Macher in ihrer Euphorie, der Stadt den perfekten Home Delivery Service zu bieten, etwas übernommen? Sie haben. Das Sortiment wurde massiv gestrafft, die Disposition reorganisiert, Kalkulationen nach aktuellen Erkenntnissen aufgerollt. Routen wurden abermals ausgelotet, das Kochteam mit neuen Köpfen besetzt. Es war keine einfache Zeit bis Lily‘s Home Delivery dort war, wo es heute ist. Vor allem deshalb nicht,

Heute ist Patrick der diensthabende Disponent, auch er ein offensichtlich

weil man sich einig war, trotz innerbetrieblicher Einschränkungen dem

von Natur aus freundlicher, entspannt wirkender Mensch. Und dies, obschon

Grundsatz, seiner Kundschaft den besten Service zu bieten, immer treu zu

es kein Leichtes ist, Schnittstelle zwischen Kurierdienst und Küche zu sein.

bleiben - und es bis heute geblieben ist.

Er stellt die Routen zusammen, kennt alle Abkürzungen und Einbahnstrassen, weiss von Staus und Baustellen, die dem Fahrer zum Hindernis oder

Heute ist Lily‘s dank einem hochmotivierten Team, engagierten Profiköchen

zum Trumpf werden können. Scharnier zwischen dampfenden Menüs und

und einem guten Dutzend durchtrainierter Radlerbeine in Bestform. Durch-

ungeduldigen Kurieren zu sein, zwei unterschiedlich angelegte Rhythmen

halten hat sich gelohnt. Zum Glück für uns alle. Verlangen Sie von mir

zu einem harmonisierenden Ganzen zu vereinen, setzen Entscheidungs-

jetzt nicht Ihnen das eingehend schmackhaft gemachte „struppige Lila“ zu

freude und wohldosiertes Durchsetzungsvermögen voraus. Sowieso vereint

erklären. Diese Farbe ist ja auch keine Farbe sondern ein Duft, weshalb es

sich in dieser Küche eine ganze Palette ausgeprägter Fähigkeiten. Und dies

unsinnig wäre, Ihnen die Farbe eines Duftes zu erklären, den Sie noch gar

alles wegen eines Chromstahltöpfchens, das es so in unseren Breiten noch

nie gerochen haben. Und von diesen „unerrochenen“ Düften gibt es in der

nicht gegeben hat. Im Gegensatz zum Kartoffelschäler oder dem multi-

Küche von Lily’s Home Delivery hunderte. Holen Sie sich den einen oder

funktionalen Sackmesser wurde der Pinto in seiner vollendeten Form nicht

andern einfach zu sich an den Tisch!

von einem Schweizer erfunden. Man war es sich in Zürich nicht gewohnt, gegen ein Depot von CHF 10.-, diesen Wärmebehälter zu sich nach Hause zu bestellen. Und dies, obschon alle, die ihn bei sich zu Hause hatten, von der Stabilität und den beiden Schnallen beeindruckt, welche Menü- und Reisgefäss dicht zusammenhalten, sogleich begeistert sind. Wäre der Inhalt, ein grünes oder rotes Curry, ein Tamil Chicken oder ein Panji Renga, dessen Zusammensetzung mir noch heute ein Rätsel ist, nicht dermassen lecker, hätte sich der Pinto, praktisch und ökologisch zugleich, kaum durchgesetzt.

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MITARBEITER, FREUNDE & GÖNNER Mitarbeiter & Freunde Alois Jauch (Jg. 1962) Anette Michel (Jg. 1978) Armin Köhli (Jg. 1965)

Speziellen Dank auch an: beim Veloblitz von 1998 bis 2006, Fotograf

Andi Kucera, André Rüegg, Bendicht Luginbühl (www.repaper.ch), Hannes

beim Veloblitz seit 2004,

Würgler, Johanna Cajöri, Linda Herzog, Malick Guéye, Marco Gloor,

Umweltwissenschaftlerin

Michèle Passauer, Nora Hunkeler, Raffi Bolli, Sämi Iseli (www.vertec.ch),

WoZ-Journalist und Mitarbeiter der

Steve Fröhlich, Tagblatt der Stadt Zürich, Thomi Seitz

Schweizerischen Stiftung für Minenräumung (FSD) www.fsd.ch Chris Kerkhof (Jg. 1974)

beim Veloblitz seit 2002

Christian Cajöri (Jg. 1975)

beim Veloblitz von 2001 bis 2008, Student

Claudia Hoffmann (Jg. 1977) beim Veloblitz von 2003 bis 2006, Pfarrerin Frank Blaser (Jg. 1970)

beim Veloblitz von 1996 bis 2006, Fotograf, www.frankblaser.ch

Franz Hohler (Jg. 1943)

Gönner

Schriftsteller, Kabarettist und Liedermacher, Veloblitzgenossenschafter der ersten Stunde, www.franzhohler.ch

German Villotti (Jg. 1963)

Grafiker, Veloblitzkunde seit 1991,

Johana Drabek (Jg. 1975)

beim Veloblitz seit 2004, Studentin

Karsten Kulik (Jg. 1972)

beim Veloblitz von 1996 bis 2001, Biologe

Lars Brauchli (Jg. 1971)

beim Veloblitz seit 1992, Fotograf

www.hofgrafen.ch

Lorenz Goette (Jg. 1973)

beim Veloblitz von 2005 bis 2008, Ökonom

Mahmud Tschannen (1967)

beim Veloblitz von 1997 bis 2008, Redaktor

Marcel Bircher (Jg. 1966)

beim Veloblitz seit 1993, Mitarbeiter von swissconnect

Markus Meyle (Jg. 1972)

beim Veloblitz von 1993 bis 1994, Künstler

Peter Zangerl (Jg. 1964)

beim Veloblitz seit 2003, Buchhändler

Res Blum (Jg. 1976)

beim Veloblitz von 2005 bis 2006, Geologe, www.raize.ch

Res Zinniker (Jg. 1971)

beim Veloblitz von 1999 bis 2001, Grafiker und Illustrator, www.illustres.ch

Roland Fischer (Jg. 1974)

beim Veloblitz von 1998 bis 2007, Wissenschaftsjournalist

Roland Munz (Jg. 1972)

beim Veloblitz seit 1995, Kommunikationsgestalter, Kantonsrat www.rolandmunz.ch

Rolf Burkhardt (Jg. 1971)

Texter, schreibt für den Veloblitz seit

Simon Joller (Jg. 1969)

beim Veloblitz von 1995 bis 1996,

Talaya Schmid (Jg. 1983)

beim Veloblitz seit 2003, Studentin

Anfang 2009 Journalist BR

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IMPRESSUM

Herausgeber

Auflösung Suchbilder von Seite 14-21

Genossenschaft Veloblitz, Hardstrasse 81, 8026 Zürich Telefon:

044 272 72 72

Fax:

044 498 20 01

E-Mail:

info[at]veloblitz.ch

Internet:

www.veloblitz.ch

Redaktion Marcel Bircher Mahmud Tschannen German Villotti

Konzept, Gestaltung, Umsetzung Hofgrafen GmbH

Lektorat/Korrektorat Mahmud Tschannen

Werbe-Akquise Roland Munz

Druck FO Fotorotar, ein Geschäftsbereich der FO Print & Media AG

Papier Umschlag: PlanoJet hochweiss, 300gm2, FSC Inhalt:

PlanoJet hochweiss, 120gm2, FSC

Auflage 8000 Exemplare

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3.4.2009

9:48 Uhr

Seite 1

Was wäre Zürich ohne die gelb-schwarzen Blitze? Wir gratulieren.

Die Alternative Bank ABS gratuliert der Genossenschaft Veloblitz herzlich zum 20-Jahr-Jubiläum.

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Der Weg zur echten Alternative: 062 206 16 16, contact@abs.ch, www.abs.ch Büros in Olten, Lausanne, Zürich, Genf, Bellinzona

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Alternative Bank ABS Leberngasse 17 Postfach 4601 Olten

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