INDIEKINO BERLIN Magazin #54, Dezember 2018

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D ASTRID Formative Jahre einer Autorin D CLIMAX Wir sind zuhause D SHOPLIFTERS Ein guter Moment D DAS ­KRUMME HAUS Echos von Douglas Sirk D DIE ERSCHEINUNG Grenzen des Beweisbaren D SAUVAGE Zärtlichkeit und Gewalt D DREI GESICHTER Kleine und große Metaphern D DIE ERBINNEN Das Geld geht aus D DIE POESIE DER LIEBE ­Literatenehe D GEGEN DEN STROM Halla hat zugeschlagen D NOVEMBER Estnische Zauberlandschaften D BERLIN EXCELSIOR In der „Anhaltervilla“ D MÄNNERFREUNDSCHAFTEN War Goethe schwul? D MARY SHELLEY Am Rande der Party D SANDSTERN Neu in Deutschland D UNDER THE SILVER LAKE Paranoia am Pool

MAGAZIN DER UNABHÄNGIGEN BERLINER LICHTSPIELHÄUSER D 54 D DEZEMBER 2018

indiekinoBERL

DIE ERSCHEINUNG – START AM 13.12.2018


»Ökothriller, Abenteuerfilm, Märchen und Komödie – Erlingssons Film über eine Umweltaktivistin auf dem Kriegspfad ist all das und noch mehr: großes, originelles Arthousekino!«

»Eine mit traumhafter Sicherheit erzählte Geschichte über Solidarität und die Stärke der Frauen sowie ein Mix aus der Lakonie von Jarmusch und des magischen Realismus eines Kusturica.«

PROGRAMMKINO.DE

BLICKPUNKT FILM

»›Gegen den Strom‹ fesselt, rührt, belustigt und begeistert. Mehr kann niemand von einem Film erwarten.« DIE WELT

Ein Film von

Benedikt Erlingsson

www.gegen-den-strom-film.de

AB 13. DEZEMBER IM KINO


DIE INDIEKINOS D ACUD KINO D B-WARE!LADENKINO D BALI KINO D B ­ ROTFABRIK KINO D BUNDES­PLATZ KINO D CITY KINO WEDDING D EVA-LICHTSPIELE D FILMKUNST66 D FILMRAUSCHPALAST D FSK-KINO AM ORANIENPLATZ D IL KINO D INTIMES D KROKODIL D KLICK KINO D SPUTNIK KINO AM SÜDSTERN D TILSITER LICHTSPIELE D UNION FILMTHEATER D XENON KINO D WOLF KINO D Z-INEMA D ZUKUNFT D B-WARE! OPEN AIR D FLB WEISSENSEE D FLK FRIEDRICHSHAGEN D FLK HASENHEIDE D FLK INSEL D FLK P ­ OMPEJI D FLK „UMSONST & DRAU­S­SEN“ IM FILMRAUSCHPALAST

„Ein Road Feel Good Movie“ Thierry Frémaux, Cannes Film Festival

„Mit großer Leichtigkeit und Humor“ Zeit Online

EDITORIAL Unser Lieblings-Weihnachtsfilm in diesem Jahr ist der Cannes-Gewinner von 2018 SHOPLIFTERS. Niemand schafft es wie Hirokazu Kore-Eda, Freundlichkeit mit einem wachen Auge zu verbinden, zärtliche Familiengeschichten zu erzählen, die sich familiärer Abgründe und gesellschaftlicher Bedingungen wohl bewusst sind und trotzdem trösten und versöhnen. In SHOPLIFTERS ist die Familie sehr arm – Osamu, Shota, Nobyo, Hatsue, Yuri und Aki schlagen sich mit kleinen Gaunereien wie Diebstahl und Rentenschwindel durchs Leben und wohnen in einer winzigen, klapprigen Hütte. Und sie sind noch nicht mal eine „richtige“ Familie, eher Fundstücke, die Vater Osamu in seiner schrägen, unverwüstlichen und eigentlich nicht alltagstauglichen Menschenliebe am Wegesrand aufgesammelt hat, und die nun sehr solidarisch zusammenleben. Als Osamu ein kleines Mädchen, das von den Eltern geschlagen wurde, einfach mitnimmt und nicht zurückgibt, gerät das ganze prekäre Gebilde ins Wanken… Wer es weniger herzerwärmend möchte, ist mit CLIMAX sicher gut beraten. Gaspar Noés Party, die aus dem Ruder läuft, ist als eine einzige wilde, adrenalingeladene Chorografie inszeniert und zugleich eine stinkwütende Metapher nicht nur auf das Frankreich der Gegenwart – meint zumindest unser Autor Tom Dorow. Einen Mittelweg schlägt ANNA UND DIE APOKALYPSE ein – im Teenager-Highschool-Musical von John McPhail geben sich fröhliche Musical-Nummern und blutlüsterne Zombies die Klinke in die Hand. Schöne Feiertage und kommt gut ins neue Jahr! Eure INDIEKINO BERLIN Redaktion Die Januarausgabe von INDIEKINO erscheint am 29.12.

„Panahi verzaubert das Publikum“ Deutsche Welle

AB 26.12. IM KINO /DreiGesichter.DerFilm


INDIEINHALT

06 MAGAZIN

34 WEITER IM KINO

10 FORMATIVE JAHRE EINER AUTORIN: ASTRID

36 KINDERFILME

14 WIR SIND ZUHAUSE: CLIMAX

38 KINOHIGHLIGHTS 45 KINOADRESSEN, IMPRESSUM, ABONNEMENT

16 EIN GUTER MOMENT: SHOPLIFTERS

46 NACHBILD

24 HALLA HAT WIEDER ZUGESCHLAGEN GEGEN DEN STROM

NEU IM DEZEMBER 22 31 28 10 22 23 14 19 20 18 24 23 23

Aggregat Alexander McQueen Anna und die Apokalypse Astrid Berlin Excelsior Climate Warriors Climax Drei Gesichter Die Erbinnen Die Erscheinung Gegen den Strom Le grand bal Jota – Mehr als Flamenco

33 33 18 29 23 26 32 21 32

Der Junge muss an die frische Luft Killing God Das krumme Haus The Last Movie Lost Art – Josef Urbach Männerfreundschaften Mary Shelley November Piripkura

21 26 23 30 19 33

Die Poesie der Liebe Postcards from London RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit Sandstern Sauvage Die Schneiderin der Träume

16 28 27 31 30

Shoplifters Sibel Under the Silver Lake Westwood Widows

STARTS DER WOCHE 29.11.

6.12.

13.12.

20.12.

22 31 22 20 23 18 23 21 32 30 19

28 10 23 14 23 27 30

18 24 26 26 23

21 Die Poesie der Liebe 33 Die Schneiderin der Träume 31 Westwood

D4

Aggregat Alexander McQueen Berlin Excelsior Die Erbinnen Le grand bal Das krumme Haus Lost Art – Josef Urbach November Piripkura Sandstern Sauvage

D DEZEMBER 2018

Anna und die Apokalypse Astrid Climate Warriors Climax Jota – Mehr als Flamenco Under the Silver Lake Widows

Die Erscheinung Gegen den Strom Männerfreundschaften Postcards from London RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit

26.12. 19 Drei Gesichter

27.12. 33 33 29 32 16 28

Der Junge muss an die frische Luft Killing God The Last Movie Mary Shelley Shoplifters Sibel


„MITTEN INS HERZ“ KINO-ZEIT.DE


INDIEMAGAZIN

Playtime

FEIERTAGSKINO

Für alle, denen daheim die Decke auf den Kopf fällt, bieten einige Indies Alternativen zum obligatorischen Weihnachtsblockbuster. Der Filmrauschpalast zeigt über die Feiertage Heiteres von Tati auf 35mm (DIE FERIEN DES MONSIEUR HULOT, PLAYTIME und MON ONCLE), die Eva-Lichtspiele bieten am 24. erst Kinderprogramm und dann um 17.30 Uhr den Klassiker IST DAS LEBEN NICHT SCHÖN?, das Sputnik Kino hat wie immer am Weihnachts- und Silvesterabend offen und lädt zum gemeinsamen Feiern und Feuerwerkgucken ein, und das Union organisiert eine fette Silvesterparty.

Climax

DURCH DEN ABEND MIT … FATMA AYDEMIR 2017 zeichnete die Autorin Fatma Aydemir in ihrem Debütroman „Ellenbogen“ ein bissiges Porträt des Lebens zwischen nationalen Identitäten und eckte damit ebenso sehr an, wie sie Applaus erntete. Am 4.12. um 19 Uhr ist die Journalistin (u.a. für taz und Missy Magazin) im City Kino Wedding und präsentiert ihren Lieblingsfilm, die Tragikomödie ALMANYA ACI VATAN (DEUTSCHLAND, BITTERE HEIMAT), die sich schon 1979 um die Schwierigkeit drehte, als Gastarbeiterin in Deutschland ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Leben zu führen. Was sich seitdem verändert hat, ist eines der Themen des dazugehörigen Gespräches. D6

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50 JAHRE ELEKTRISCHE SCHAFE Nuklearer

NERDCORE ZUM NIKOLAUS NERDCORE ist

Krieg, Umweltkatastrophe, Abhängigkeit von der Technik und Entfremdung unter den Menschen: So stellte sich Science-Fiction-­Autor Philip K. Dick 1968 in TRÄUMEN ANDROIDEN VON ELEKTRISCHEN SCHAFEN? die Welt um die Jahrtausendwende vor. Seine düstere Vision inspirierte Regisseur Ridley Scott zu BLADE RUNNER, dessen Bekanntheit und Beliebtheit die der literarischen Vorlage weit übertreffen sollte. Zum 50. Jahrestag des ­Romans zeigt das Union Filmtheater am 9.12. den Director’s Cut des Films und anschließend untersucht Dr. Donatella Chiancone-­Schneider (Kunst- und Filmgeschichte) in einem Vortrag die Umsetzung von Dicks Ideen in Roman und Kult-Verfilmung.

einer der bekanntesten deutschen Blogs für popkulturelle Netzthemen und Leitmedium der Nerd-Subkultur. Gründungsvater René Walter hat nun gemeinsamen mit dem Filmrauschpalast ein Nikolausprogramm kuratiert und wird natürlich auch vor Ort sein: In TOTAL RECALL glaubt Arnold Schwarzenegger, dass er ein Geheimagent ist, in CLIMAX dreht eine Tanzgruppe frei, und in SUSPIRIA (2018) wird eine andere Tanzgruppe von einem Hexen-Trio gemanagt. Los geht’s um 17.30 Uhr.


21.12.: KURZFILMTAG Am kürzesten Tag des Jahres ist …

KURZ & BÜNDIG 2018 Jeden Monat zeigt das City

tataa … Kurzfilmtag! Über ganz Berlin verteilt machen Kinos und andere Locations mit. Kurzfilme kommen in die Kitas und Jugendliche sind aufgefordert, eigene Programme zusammen zu stellen. In Eva-Lichtspielen und Il Kino ist „Shorts Attack“ zu Gast, im Acud gibt es eine Stadt-Land-Kompilation und im Sputnik treffen sich Regulars wie das „Open Screening“, die British Shorts und das Litauische Filmfest zum jammen. kurzfilmtag.com

Kino Wedding immer am Donnerstag einen anderen Kurzfilm des Filmkollektivs „Kurz & bündig“ im Vorprogramm. Dieses Jahr unternahmen die Filme unter dem Oberthema „Surreal World – Researchers of the Unconscious“ Ausflüge ins Unterbewusstsein. Zum Jahresende hat das Kino alle Filme zu einem Paket verschnürt, das am 21.12. um 21 Uhr ausgepackt wird.

VERLOSUNG: BILDBAND ALEXANDER MCQUEEN Mit seinen ebenso professionell gearbeiteten wie provokanten Kreationen mischte Alexander McQueen in den 90er Jahren die Modewelt auf. Zum Kinostart des gleichnamigen Dokumentarfilms (Besprechung auf Seite 32) verlosen wir 2 x 2 Freikarten und je einen opulenten Bildband. Bitte schreibt uns bei Interesse bis zum 5.12. an info@indiekino.de. Stichwort: McQueen

FILM AUS PAPIER Regelmäßig jeden 2. Mittwoch im Monat lesen Studierende des Abschlussjahrgangs der dffb gemeinsam mit Schauspieler*innen in der Sputnik Kinobar aus ihren Drehbuchprojekten vor. Der letzte Kopfkino-Termin des Jahres findet am 12.12. um 20.30 Uhr statt.

EIN

F ILM

VON

D AVID R O BE R T MIT C HELL IT F O LLO WS

REGISSEUR V O N

ANDREW

GARFIELD

RILEY

KEOUGH

INDIE-KINOFINDERAPP Ein Hinweis in eigener Sache: Das Suchen nach der einen, user*innenfreundlichen, vollständigen Berliner Kinowebseite hat ein Ende. Seit September findet ihr auf der INDIEKINO Kino-App das komplette Programm aller Berliner Kinos. In iOS und Android.

AB 6. DEZEMBER IM KINO /UNDERTHESILVERLAKE.DERFILM


MANGA DO, IGORT UND DER WEG DES MANGA Für den italienischen Autor und Zeichner Igort ist die Kunst des Mangas eine ganzheitliche Angelegenheit. In der Praxis bedeutet dies, dass seinen Büchern Jahre der intensiven Forschung vorausgehen. Nachdem Domenico Distilo Igort für THE SECRET LANDSCAPE (2013) bereits auf seinen Reisen durch Russland begleitete, beschäftigt er sich diesmal, auf den Spuren seiner „Berichte aus Japan“, mit den Einflüssen des Peace Museums Hiroshima und der traditionellen Papierherstellungskunst auf Igorts kontemplative Graphic Novels. Zur Vorführung am 2.12. um 18 Uhr im Il Kino ist Regisseur Distilo anwesend.

WELT-AIDS-TAG: SORRY ANGEL Zum Welt-Aids-Tag am 1.12. zeigt der Filmrauschpalast um 18.30 Uhr das melancholisch-schöne Requiem auf die 90er Jahre SORRY ANGEL. Der Pariser Schriftsteller Jacques erwartet vom Leben nicht mehr viel, als er Arthur kennenlernt, einen sanftäugigen Jungen aus der Provinz, der sich von Jacques’ Zynismus nicht abschrecken lässt.

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COURAGE FILM FESTIVAL: THE MARCH OF HOPE Am 8.12., 18 Uhr kann man im Il Kino einen der prämierten Filme des Courage Film Festivals noch einmal sehen. In einem kleinen gelben Lieferwagen machte sich der Berliner Musiker und Dokumentarfilmer Jim Kroft mit seinem besten Freund auf den Weg, um sich selbst ein Bild von der sogenannten Flüchtlingskrise zu machen.

SCREENCONCERT: SHOCK CORRIDOR Die berüchtigtste Szene in Sam Fullers SHOCK CORRIDOR (1963) ist die allererste. Die Kamera folgt einer Leiche, die auf einem Krankenhauswagen liegt, die ganze, lange Sequenz über sind die Füße der Leiche aufdringlich groß im Bild, am großen Zeh hängt ein Zettel. Die Geschichte eines Reporters, der Missstände in einer Nervenklinik aufdecken will und dabei selbst um den Verstand gebracht wird, vertonen der Jazz-Drummer Yorgos Dimitriadis und Andrea Parkins, Akkordeon und Synthesizer, am 6.12. in der Brotfabrik neu. Es wird ein nervöser Nikolaus.


30 JAHRE SPUTNIK KINO AM SÜDSTERN Das Sputnik Kino feiert Geburtstag und wir gratulieren. Als Ausgründung des mittlerweile abgerissenen Sputnik-Kinos Wedding machte das Sputnik Kino am Südstern 1988 die Türen auf. Der erste Flyer des Sputnik am Südstern gibt einen guten Eindruck von dem, was in der Luft lag: Bruce Lee neben Hardcore-Kunst von Straub/Huillet und Robert Bresson, aber auch die Filme des Wiener Aktionisten Kurt Kren, die kunstvoll und streng formalistisch geschnitten, kackende Arschlöcher zeigen und mit „Scheiße als Kunst“ treffend betitelt sind. Das Sputnik hatte sich den Tabubruch auf die Fahnen geschrieben und bekam deswegen auch immer wieder Stress, etwa mit feministischen Aktivistinnen während einer lesbischen Filmreihe wegen Harry Kümels BLUT AN DEN LIPPEN („Heterogewalt“) und wegen Pornos der 20er-40er-Jahre mit Autonomen, die meinten, die Sputniks wollten mit Pornos ihre „Expansion“ an den Südstern finanzieren. Harte Zeiten. Seit 2008 steht das Sputnik unter der Leitung von Andrea Stosiek, die auch das Freiluftkino Cassiopeia auf dem RAW-Gelände betreibt. Das Sputnik feiert gleich drei Tage lang, vom 30.11 bis zum 2.12., und zu den Höhepunkten des Programms gehören eine Neuvertonung des Klassikers BERLIN-SYMPHONIE EINER GROSSSTADT durch die Band Tronthaim und ein Abend, der Frank Zappa und seinen Fans gewidmet ist. KOSMISCHE BROCKEN: FRANK ZAPPA UND DIE DEUTSCHEN. EINE REISE INS INNERE DER BEGEISTERUNG erzählt von Zappa-Fans aus Ostdeutschland und der von ihnen gegründete „Zappanale“ in Bad Doberan. sputnik-kino.com

10 JAHRE FILMCLUB IM SPUTNIK KINO Seit nunmehr 10 Jahren trifft sich der Filmclub – eine Gruppe filmbegeisterter Nerds, Studis, Filmemacher*innen und Journalist*innen – regelmäßig in der Kinobar des Sputnik Kinos um gemeinsam ausgewählte Eigenproduktionen, Spiel- und Dokumentarfilme, Werkschauen und Filmreihen zu gucken. Am 8.12. feiert der Filmclub Geburtstag. Der Geburtstagsfilm stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest, sicher aber sind Gäste und die Party im Anschluss. MSY.AZ_Indie82x122_RZ.indd 1

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INDIEFEATURE

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Bereits mit ihrem Uni-Abschlussfilm INDIEN (1999) wurde Pernille Fischer Christensen nach Cannes eingeladen. EN SOAP (2006), der eine Liebegeschichte zwischen Nachbarn, Charlotte und Ulrik, der von einer Geschlechtsumwandlung träumt, erzählt, und das Familiendrama EN FAMILIE (2010) waren im Wettbewerb der Berlinale zu sehen. Die in ihrer Heimat Dänemark erfolgreiche Regisseurin, die ihre Drehbücher gerne zusammen mit dem Kinderbuch-, Comic- und Filmautor Kim Fupz Aakeson schreibt, ist hierzulande bislang kaum bekannt. Das dürfte sich mit dem souveränen Biopic ASTRID ändern.

„DER SCHATTEN VON ASTRID LINDGREN IST RIESENGROSS, UND ICH KONNTE NUR HOFFEN, DIE SACHE NICHT VÖLLIG ZU VERMASSELN.“ Gespräch mit Pernille Fischer Christensen über ASTRID INDIEKINO BERLIN: Frau Christensen, auch in Deutschland haben Generationen von Leser*innen einen Bezug zu Astrid Lindgren und ihren Geschichten. Für Sie als Skandinavierin ist die Protagonistin Ihres neuen Films ASTRID allerdings sicherlich von noch größerer Bedeutung, oder? Pernille Fischer Christensen: Ich selbst habe zumindest einen sehr persönlichen Bezug zu Lindgren und ihrer Welt. Zwar stamme ich aus Dänemark, aber unsere Sommer haben wir in meiner Kindheit oft in Schweden verbracht. Und zwar genau dort, wo Lindgren herkam, also in Småland, wo ja auch viele ihrer Geschichten spielen. Das war in den Siebziger und Achtziger Jahren, es gab noch keine iPads und selbst Fernsehen war eher eine Nebensache. Also tobte ich dort durch die Natur, durch die Wälder und um die Seen, wo weit und breit keine Stadt in der Nähe und selbst das nächste Haus nicht zu sehen war.

Sie verhandelt in ihren Geschichten sehr ernste Themen auf eine Art und Weise, die Kindern einen Zugriff darauf ermöglicht. Erinnern Sie sich noch daran, wie Michel aus Lönneberga seinen Freund Alfred auf einem Schlitten durch den Schneesturm zieht und dabei sein eigenes Leben riskiert, um seinen Freund zu retten? Das hat mich als Siebenjährige schwer bewegt und zu vielen intensiven Gesprächen mit meiner Mutter geführt. Eine solche Auseinandersetzung mit Gut und Böse, mit dem Leben und dem Tod ist als Kind von entscheidender Bedeutung – und diese wirklich schwierigen Themen auf eine einfache, für junge Menschen verständliche Weise anzugehen, ist alles andere als leicht. Ich drücke es gerne so aus: Lindgren ist ein bisschen wie Schopenhauer für Kinder! Ausgerechnet um Lindgrens Bücher und ihr Dasein als Schriftstellerin geht es in ASTRID nun allerdings gar nicht, sondern – so auch der Originaltitel des Films – um die junge Astrid. Wie fanden Sie zu diesem Ansatz?

Lindgrens Bücher kannten Sie damals schon? Selbstverständlich. Meine Mutter war Lehrerin und Lindgren nicht unähnlich, wenn es darum ging, Kinder ernst zu nehmen. Sie war immer davon überzeugt, dass Kunst und Literatur wichtig sind für Kinder, deswegen hat sie mich schon sehr früh mit interessanten Kinderbuchautoren in Berührung gebracht. Erst las sie mir vor, aber schnell lernte ich auch selbst lesen, noch bevor ich überhaupt zur Schule ging. Von allen Büchern hinterließen die von Astrid Lindgren auf mich den größten Eindruck, nicht zuletzt eben, weil mir das Setting ihrer Geschichten so vertraut war. Wenn man bedenkt, wie sehr einen die Einflüsse der Jugend auch als Erwachsener prägen, ist es vermutlich nicht übertrieben zu behaupten, dass Lindgren die wichtigste Schriftstellerin meines Lebens ist. Wie genau würden Sie denn die besonderen Qualitäten der lindgrenschen Bücher beschreiben?

Seinen Anfang nahm der Film eigentlich mit einem kleinen Foto, das ich eines Tages in einer dänischen Zeitung entdeckte. Es zeigte Astrid im Alter von 20 Jahren, an der Hand hatte sie ihren Sohn Lars und die beiden standen in Kopenhagen. Das verblüffte mich, schließlich unternahm man in den 1920er Jahren nicht mal eben so einen Städtetrip ins Ausland. Was also machte sie damals fernab der Heimat und was hatte es mit dem Sohn auf sich? Dass sie früh ein Kind bekommen hatte, war ja nicht unbekannt, aber in Texten über sie stand dann meistens schon im nächsten Satz, dass sie zur erfolgreichen Schriftstellerin wurde. Dabei lagen dazwischen 20 Jahre. Ich stieß dann auf ein Buch über Lindgrens Leben in Fotos und musste feststellen, dass Astrid Lindgren vielleicht doch nicht die Frau war, für die ich sie immer gehalten hatte. Oder sagen wir: Sie war deutlich mehr. In meinem Kopf war sie eine alte Frau, eine weise Märchentante. Aber plötzlich sah ich sie als junges Mädchen, das bisweilen sehr traurig oder verzweifelt aussah. Und viel zu dünn. Man konnte geradezu spüren, DEZEMBER 2018 D

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dass hinter diesen Fotos eine große, komplexe Geschichte steckte. Also habe ich mich ans Recherchieren gemacht. Es stand also nie zur Debatte, beispielsweise auch etwas über ihre Ehe oder vielleicht die Entstehung des ersten Romans zu erzählen? Oh doch, selbstverständlich. Unsere erste Idee war eine Struktur wie etwa in THE HOURS, nur eben mit einer einzigen Protagonistin. Also mehrere Zeitebenen, zwischen denen hin- und hergesprungen wird. Doch je mehr mein Ko-Autor Kim Fupz Aakeson und ich schrieben, desto offensichtlicher wurde uns, dass die Geschichte rund um Lars’ Geburt einfach die stärkste für einen Film war. Wir haben die anderen Passagen tatsächlich auch geschrieben, aber sie konnten einfach emotional nicht mit der Geschichte der jungen Astrid mithalten. Also haben wir uns darauf konzentriert. Hatten Sie keine Angst, vielleicht die Zuschauererwartungen etwas zu sehr zu enttäuschen? Mir war schon klar, dass jeder mit einem Film rechnen würde, der uns zeigt, wie aus Astrid die berühmte Kinderbuchautorin wird. Doch ich vertraute darauf, dass unsere Geschichte für sich selbst spricht. Zumal natürlich der eine Aspekt ihres Lebens gar nicht ohne den anderen betrachtet werden kann. Sie hat darüber auch selbst oft gesprochen: Vielleicht wäre sie auch ohne ihre frühe Schwangerschaft und die schwierigen ersten Jahre mit Lars Schriftstellerin geworden, aber vermutlich keine weltberühmte. Sie wusste genau, was ihr Sohn für sie, für ihr Leben und nicht zuletzt für ihren Blick auf Kinder allgemein bedeutete. Zu wissen, wie es sich anfühlt, ein Kind weggeben zu müssen, löste in ihr den Wunsch aus, alle Kinder dieser Welt zu retten. Bestand denn im Allgemeinen eine besondere Erwartungshaltung Ihrem Film gegenüber, weil er von einer skandinavischen Ikone handelt? In gewisser Weise sicherlich. Lindgrens Status in Schweden ist in der Tat ein sehr besonderer. Sie ist dort fast eine Art Guru. Oder wie ich immer sage: die spirituelle Patentante der Nation. Selbst der Premierminister klopfte schließlich zu Lebzeiten bei ihr an und fragte um Rat. Zu ihrem 80. Geburtstag bekam sie von ihm ein Tierschutzgesetz „geschenkt“. Das muss man sich mal vorstellen. Allerdings bin ich keine Schwedin und nicht unbedingt Teil dieses Kults. Diese Außenseiterperspektive hat dem Film sicherlich nicht geschadet. Hat sich niemand daran gestört, dass ausgerechnet eine Dänin hier Regie führte?

Brüderlich, heißt es meistens, und genau wie bei allen Geschwistern gehören natürlich auch Streitigkeiten dazu. Ich dachte immer, dass wir uns eigentlich ziemlich ähnlich seien. Aber die Arbeit in Schweden hat mir bei ASTRID gezeigt, dass es doch auch erhebliche Unterschiede gibt. Die schwedische Gesellschaft ist – und ich drücke das vorsichtig aus, denn ich liebe Schweden – sehr viel hierarchischer. Der Einfluss der Monarchie ist größer, und Klassenzughörigkeit spielt eine größere Rolle. Wir Dänen haben nicht so viel Angst, etwas falsch zu machen. Wir sind Bauern, etwas grobschlächtiger und kleingeistiger als unsere Nachbarn. Für meinen Film war das allerdings alles zweitrangig. Der Schatten von Astrid Lindgren ist für jeden riesengroß, und ich konnte nur hoffen, die Sache nicht völlig zu vermasseln. Die Unterschiede, auch sprachlicher Art, spielen durchaus auch im Film eine Rolle. Astrid lässt ihren Sohn zunächst in Dänemark aufwachsen – und wenn sie ihn besucht und Schwedisch spricht, versteht er sie nicht. Nicht ganz einfach, das in Untertiteln oder einer Synchronisation zu vermitteln... Dazu muss man sagen, dass sicherlich 70 oder sogar 80 % der Worte in beiden Sprachen praktisch die gleichen sind. Wobei es auch welche gibt, die gleich sind, aber eine andere Bedeutung haben. In Kopenhagen sprechen und verstehen fast alle Schwedisch, in Stockholm ist das Gegenteil eher nicht der Fall. Und der Norden von Schweden ist von Dänemark so weit weg wie Rom, das darf man auch nicht vergessen. Aber machen Sie sich keine Sorgen, falls in dieser Hinsicht in der deutschen Fassung etwas verloren geht. Die eigentlichen Schwierigkeiten zwischen Mutter und Sohn sind andere. Ihre Hauptdarstellerin Alba August ist passenderweise halb Dänin, halb Schwedin. Wurden Sie durch ihre berühmten Eltern Bille und Pernilla August auf Sie aufmerksam? Oh nein, ich kannte Alba gar nicht, und sie war auch noch auf der Schauspielschule, als wir auf sie stießen. Das hatte mir ihren Eltern nichts zu tun, denn sie meldete sich ganz gewöhnlich bei einem unserer vielen Castings an. Sie sprach zweimal vor, und ihr Talent war nicht zu übersehen. Den Ausschlag gab aber eher die Tatsache, dass ich spürte, jemanden vor mir zu haben, der mir zuhören und mit dem ich mich verstehen würde. Außerdem suchte ich jemanden, zu dem ich eine Art Mutterliebe entwickeln konnte. Das ist nämlich ein nicht zu unterschätzender Aspekt, wenn man mit jungen Menschen dreht, die noch nicht viel vor der Kamera standen. Der jungen Astrid Lindgren ähnlich sieht sie allerdings nicht...

Ach, die Schweden sind es lustigerweise schon gewohnt, dass jemand aus Dänemark kommt und ihre großen Geschichten verfilmt. Bille August hat damals DIE BESTEN ABSICHTEN inszeniert, quasi die Geschichte von Ingmar Bergmans Eltern, Niels Arden Oplev hat den ersten Stieg Larsson-Roman verfilmt und Janus Metz führte Regie bei dem Film über Björn Borg und John McEnroe. Ich bin also Teil einer längst etablierten Tradition (lacht). Wie ist denn, ganz naiv und aus deutscher Sicht gefragt, das Verhältnis zwischen Dänen und Schweden insgesamt? D 12

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Ich weiß, das hat mich selbst kurz irritiert. Lindgren war viel größer und hatte eine andere Statur als Alba. Aber die innere Ähnlichkeit war natürlich viel wichtiger – und die Neugier oder auch die Klugheit, die Alba verströmte, entsprachen genau dem, was ich suchte. Außerdem ist sie so gar nicht süß, ganz anders als man Mädchen sonst oft im Kino sieht. Sie hat vielmehr eine Furchtlosigkeit und Stärke, die sehr eigenwillig und sehr modern ist. So wie ich mir eben auch Astrid Lindgren als junge Frau vorstelle, die ihrer Zeit durchaus voraus war. D Das Gespräch führte Patrick Heidmann


Originaltitel: Unga Astrid D Schweden 2018 D 123 min D R: Pernille Fischer Christensen D B: Kim Fupz Aakeson, Pernille Fischer Christensen D K: Erik Molberg Hansen D M: Volker Bertelmann D D: Trine Dyrholm, Alba August, Maria Bonnevie, Björn Gustafsson, Magnus Krepper D V: DCM

40. biberacher

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ASTRID

Formative Jahre einer Autorin Man sieht Astrid Lindgren in ASTRID keine einzige Zeile ihrer berühmten Kinderbücher schreiben, und doch vermittelt Pernille Fischer Christensens berührender Film eine Idee davon, wie die Autorin und ihre Geschichten zusammenhängen. Zu Beginn des Films ist Astrid (fantastisch: Alba August) ein bezopfter Teenager auf dem Dorf, respektlos in der Kirche und voller Abenteuerlust. Am Ende ist sie eine junge berufstätige Frau in der Stadt, die ihre eigenen Entscheidungen trifft – nur wenige Jahre älter, aber ein ganzes Leben an Erfahrung reicher. Ihre Reise beginnt, als Reinhold Blomberg (Henrik Rafaelsen), der Chefredakteur der Kleinstadtzeitung von Vimmersby das aufgeweckte Mädchen als Assistentin engagiert. Bald schreibt Astrid eigene Texte und aus der Zusammenarbeit mit Blomberg, der sich mitten in der Scheidung von seiner zweiten Frau befindet und bereits Kinder hat, entwickelt sich eine Affäre. Astrid wird schwanger, und weil so etwas in der kleinen protestantischen Gemeinde einfach nicht vorkommen darf, flieht sie in die Stadt, wo sie die Sekretärinnen-Schule besucht und heimlich einen Jungen bekommt. Ohne Kindsvater und ohne Mittel bleibt ihr nichts anderes übrig, als Lars zu einer dänischen Pflegemutter zu geben. Mehrere lange Jahre sieht Astrid ihren Sohn nur in großem Abstand, während sie darauf wartet, dass Blomberg seine Scheidung durchbekommt. Fischer Christensen nimmt sich Zeit für diese formativen Jahre, schildert das Heim, in dem Astrid unterkommt und Freundinnen findet, die Besuche beim immer fremder werdenden Kind und auch die langsame Entzauberung des Geliebten, an deren Ende eine Zukunft als Stiefmutter von sieben Kindern doch nicht mehr ganz so verlockend erscheint. Was in anderen Biopics nur der Prolog eines langen, wendungsreichen Lebens gewesen wäre, steht hier im Zentrum – und reicht der Regisseurin vollkommen, um eine Spur zu legen, die von den einsamen Entscheidungen und harten Erfahrungen dieser Jahre zu Kinderbüchern führt, in denen starke Kinder alleine ihren Weg gehen, und in denen unbeschwerte Spiele und gute Freunde ebenso vorkommen wie große Trauer und nicht wieder gut zu machender Verlust. D Toni Ohms

Start am 6.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf wwww.indiekino.de

Before Astrid Lindgren became the most famous children‘s author in the world, she spent many tough years as a working mother of an illegitimate child.


INDIEFEATURE

CLIMAX ist nicht die Geschichte einer Eskalation, eher die einer Erschlaffung. Ein Körper robbt sich durch den Schnee und stirbt, die Kamera schwenkt vom Weiß des Himmels in einen Baum und von dort wieder in das Weiß des Schnees, als hätte die kahle Krone keinen Stamm. Dann der Abspann: Sie sahen einen Film von Gaspar Noé. So geht das los, mit einem Ende als Vorspann. Dann Interviews mit Tänzern und Tänzerinnen, auf einem kleinen Röhrenfernseher abgespielt, der in einem Regal steht, das auf der einen Seite mit Videos, auf der anderen mit Büchern vollgestapelt ist. Ein Cineasten- und Hip-Intellektuellen-Regal, das Inspirationen herzeigt, aber auch zu Tarantino-mäßigen Zitatspielchen einlädt: Sag mir woher die Szene kommt. Frankreich sei ja das beste Land für Tanz überhaupt, die Kultur etc. pp., schwärmt die Choreografin, dann zeigt das Bild die französische Fahne, in Glitzeroptik, die über der Probebühne der Tanztruppe hängt. CLIMAX sei sein politischster Film, hat Gaspar Noé gesagt. Der DJ verkündet, jetzt werde man es den Amerikanern zeigen, und die rasante Choreografie beginnt, in Noés typischem, flüssig-hypnotischen Stil, mit einer mal stationären, mal entfesselten Kamera gefilmt: D 14

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Eine multiethnische und multinationale Truppe tanzt die unendliche erotische Lebenswut und Glücksverwirrung. Der Sound ist aus den 90ern, teilweise auch älter, wie Patrick Hernandez´ Disco-Kracher „Born to Be Alive“. Das hat eine körperliche Energie, wie man sie im europäischen, ach was, im Weltkino nur selten sieht. Bei der Party nach der Performance hat jemand irgendeine nicht genauer bezeichnete Droge in die Sangria getan, eine teutonische Liebesgöttin pisst auf den Tanzboden, der Untergang beginnt. Schon vorher, als der Raum noch von erotischer Ladung und drohender Zurückweisung, von Gewalt und Lust vibrierte, hatten weiße und schwarze Jungs, in ihren jeweiligen Ecken des Partyraums debattiert, wen sie als erstes, zweites und drittes in welcher Stellung heute noch flachlegen wollen. Jetzt beginnen Paranoia und Aggression. Ein Schuldiger wird gesucht, zu schnell gefunden und ausgestoßen. Von der Party-Gemeinde bis zum Lynchmob sind es nur so wenige Momente, wie vom Sommermärchen zu Pegida. Nicht nur die Amerikaner können das, wir haben unseren


INDIEFEATURE

CLIMAX

Wir sind zuhause

eigenen Faschismus in Europa auch super drauf, ach was: Besser! Alles viel besser! Denen werden wir es zeigen! Spannungen steigen zwischen Liebes- und Geschwisterpaaren, einsame Exzesse der Verzweiflung und Gruppenexzesse der Gewalt wechseln sich ab. Eine Mutter will ihr Kind aus Paranoia beschützen, schließt es in einem Kabuff ein und verliert den Schlüssel. Die Kinder! Oh Gott, wir müssen die Kinder schützen! Noé hatte schon immer eine moralistische Haltung in seinen Filmen, die voll sind von verpassten Chancen, gebrochenen Versprechen und tödlicher Nachlässigkeit. In CLIMAX geht es weniger um Drogen, Tanz und Jugend, als um die europäischen Gesellschaften nach den 90er Jahren, die mit einer großen Party begannen, bis diese blöden Dinge geschahen, die alles verdarben. Rostock, Hoyerswerda, der Aufstieg des Front National, 9/11, Rassenhass und religiöser Wahn, Brexit, Finanzkrise, Austeritätspolitik, der ganze Müll. Das taucht alles, kaum verklausuliert, in rasant-brutalen Szenen auf, wenig subtil, aber mit gewaltigem Einsatz. Aber es geht auch um das Leben an sich, das allzu oft ähnlich verläuft:

Irgendwer spuckt dir in die Suppe deiner Träume, und Bitterkeit und Wut breiten sich aus. Nur der bärige Discjockey bleibt gelassen, nimmt den traurigen kleinen Schwulen in den Arm und die beiden gehen schlafen. Es ist alles gut, wir sind zuhause. D Tom Dorow

Frankreich 2018 D 90 min D R: Gaspar Noé D B: Gaspar Noé D K: Benoît Debie D S: Denis Bedlow D D: Sofia Boutella, Romain Guillermic, Souheila Yacoub, Thea Carla Schott D V: Alamode Filmverleih

Start am 06.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

A multi-ethnic troupe dances with endless erotic energy and bliss. Then someone spikes drugs in the sangria and hate and paranoia breaks out. Gaspar Noé has said that CLIMAX is his most political film.

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INDIEFEATURE Für SHOPLIFTERS hat Hirokazu Kore-Eda beim diesjährigen Filmfestival in Cannes die Goldene Palme für den besten Film des Festivals bekommen. Verdient hat er den Preis, der die höchste Auszeichnung ist, die die Filmkunstwelt zu vergeben hat, schon lange. Kore-Edas Filme haben einen unverwechselbaren Stil und eine unverwechselbare Tonlage: sehr zart und zugleich sehr naturalistisch und realistisch. Der Regisseur beobachtet genau und erzählt präzise, und er beschönigt nichts, erfindet kein Happy End, wo eines in der Wirklichkeit wenig wahrscheinlich wäre. Zugleich sieht er Wärme und Licht, wo ein flüchtiger Blick vielleicht nur Kummer, Streit oder Armut sehen würde.

Nach und nach wird deutlich, dass auch fast alle anderen Familienmitglieder ebenso wenig miteinander verwandt sind wie alle mit Yuri. Aber für den Alltag spielt das kaum eine Rolle: Vater Osamu und Mutter Nobuyo, Tante Aki, Oma Hatsue und Shota, der nun auf einmal ein großer Bruder ist, agieren wie jede andere Familie auch. Lachen und kuscheln miteinander, sind genervt und beleidigt, fühlen sich mal ungerecht behandelt und kriegen sich wieder ein. Während die Erwachsenen arbeiten, streifen Shota und Yuri durch die Staßen von Tokyo, klauen Bonbons und verbummeln die Tage. „Schule ist für Kinder, die nicht zu Hause lernen können“, sagt Shota, das hat er von seinem Vater.

Von außen betrachtet macht auch das Leben der Familie, die im Zentrum von SHOPLIFTERS steht, wenig her. Zu fünft hausen die „Ladendiebe“ in einem baufälligen und vollgerümpelten Haus, zu essen gibt es meist Eintopf, und geheizt wird nicht. Mit prekärer Arbeit und kleineren Gaunereien schlagen sich alle so eben durch. Gleich die erste Szene zeigt Vater Osamu und Sohn Shota beim Ladendiebstahl im Supermarkt. Es geht nicht um Luxusartikel, sondern um das Nötigste: Nudeln Gemüse, Shampoo.

Aus vielen kleinen virtuos inszenierten Alltagsszenen – niemand arbeitet so gut mit Kindern wie Kore-Eda – setzt sich nach und nach ein sanftes Porträt einer liebenswerten Gemeinschaft zusammen, in der alle mit ihren Eigenarten ihren Platz haben. Aber es wird auch deutlich, wie sehr Geld – oder der Mangel an Geld – den Alltag bestimmt. Ständig wird gezählt und gerechnet. Den ganzen Tag sind alle miteinander damit beschäftigt, es heran zu schaffen: Shota klaut, Osamu jobbt auf dem Bau und Nobuyo in der Wäscherei. Aki arbeitet in einer Peep-Show und Oma Hatsue besucht gelegentlich den Sohn ihres Exmannes, der sich dann verpflichtet fühlt, ihr ein paar Tausend Yen zu geben. Einmal geht es darum, wer hier wen ausbeutet: Leben Osamu und Nobuyo auf Omas Kosten oder kann Hatsue vielmehr glücklich sein, dass sie im Alter nicht alleine ist?

Aber Kore-Eda schaut nicht von außen, sondern ist ganz auf Seite der Ladendiebe. Er inszeniert den Diebstahl als eine Art Tanz, eine feine Vater-Sohn-Choreografie mit exakten Moves, geheimen Zeichen und einem Hauch von Abenteuer. Als der Diebstahl gelungen ist, gönnen sich die beiden am Straßenstand eine Belohnungsfrikadelle und schlendern dann gut gelaunt nach Hause. Auf dem Weg kommen sie an einem kleinen Mädchen vorbei, das einsam und unglücklich auf einem Balkon sitzt. Der Vater sammelt sie ein und nimmt sie mit nach Hause. Als die Familie entdeckt, dass Yuri Spuren von Misshandlung trägt, ist die Sache klar. Das Mädchen bleibt und die Familie ist um eine „Schwester“ reicher.

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SHOPLIFTERS Ein guter Moment


Die Frage, so erzählt SHOPLIFTERS implizit, sollte anders gestellt werden. Kore-Eda hat eine ziemlich klare Meinung, wer hier wen ausbeutet: Wenn Osamu nach einem Arbeitsunfall kein Geld bekommt, oder wenn der Chef Nobuyo und ihre Kollegin zu sich zitiert, ihnen eröffnet, dass er klarerweise die Leute mit dem höchsten Gehalt zuerst entlassen muss, und sie dann auffordert, untereinander auszumachen, wer gehen muss, wird deutlich dass die Betrügereien der Arbeiter und Arbeiterinnen, der Ladendiebe und Herumstreicherinnen, der „kleinen Leute“ schlimmstenfalls Notwehr sind. Dass es ständig um Geld geht, ist Schuld des Systems, nicht der Menschen, die um ihre Existenz kämpfen. Dass die Ladendiebe in diesen Umständen noch so viel Menschlichkeit und Solidarität bewerkstelligen, kommt im Gegenteil schon fast einem Wunder gleich, und tatsächlich lässt Kore-Eda in Szenen, die fast dokumentarisch wirken, immer wieder Licht von der Familie ausgehen oder auf die Familie fallen. Einmal sitzen alle auf der kleinen Veranda ihres kleinen Hauses und hören einem Feuerwerk zu, das sie nicht sehen können. Aus dem Haus fällt warmes Licht nach draußen und hüllt die Familie in einen warmen Schein, der durchaus etwas Weihnachtliches hat. Es ist ein guter Moment, der keinen Bestand hat: Yuri wird nach Monaten als entführt gemeldet und von der Polizei gesucht, und Shota beginnt, sich Fragen zu stellen. Die prekäre Familienkonstruktion gerät ins Wanken. Das Leuchten aber bleibt. D Hendrike Bake Originaltitel: Manbiki kazoku D Japan 2018 D 121 min D R: Hirokazu Koreeda D B: Hirokazu Koreeda D K: Kondo Ryuto D D: Kirin Kiki, Lily Franky, Sôsuke Ikematsu, Mayu Matsuoka D V: Wild Bunch Start am 27.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Hirokazu Kore-Eda depicts a poor patchwork family who muddle through life with humor, swindles, and a lot of solidarity with gentleness and precision.


INDIEKRITIKEN Originaltitel: Crooked House D Großbritannien 2018 D 115 min D R: Gilles Paquet-Brenner D B: Julian Fellowes, Tim Rose Price D K: Sebastian Winterø D S: Peter Christelis D M: Hugo de Chaire D D: Christina Hendricks, Glenn Close, Gillian Anderson, Max Irons D V: Concorde Filmverleih

DAS KRUMME HAUS Echos von Douglas Sirk

Der mysteriöse Mord an einem Familienpatriarchen, einer tyrannischen Vaterfigur, Vorstand eines zerfallenden Imperiums, bietet den Hintergrund für das jüngste Agathe Christie-Amüsement. DAS KRUMME HAUS ist etwas unebener und weniger auf Spannung angelegt als die üblichen Whodunit-Thriller, die nach dem Motto „War es der Gärtner, der Koch oder die undurchdringliche Hausvorsteherin?“ funktionieren. Stattdessen nimmt der Film die altbewährte und abgetragene Form zum Anlass, um sich auf verschlungenere, nachdenklichere filmische Wege als seine Vorgänger zu begeben. Ferne Echos von Douglas Sirks Kitsch-Melodramen hallen durch die Inszenierung, und ein sehr gutgelauntes und ausgezeichneten Ensemble spielt mit einer hübschen, campen Theaterhaftigkeit. Glenn Close gibt die hinreißende, androgyne Hausherrin, die kryptische und bedrohliche Hinweise in Form von Zen Koans fallen lässt. Gillian Anderson feiert ein Comeback als abgebrühte, schräge „I don’t give a shit, dass mein Kind gerade von einer gigantischen Fichte gefallen und fast gestorben ist“-Alkoholikerin mit hohem Coolness-Faktor. Regisseur Gilles Paquet-Brenner (DARK PLACES) hat DAS KRUMME HAUS in den 1950ern angesiedelt, und den Film durchweht eine sehr britische Verlust-des-Empires-Nachkriegsparanoia. Rock’n’Roll und Las Vegas Casino-Verruchtheit sickern durch die Wände des Anwesens in den ansonsten steifen und repressiven Haushalt der Familie. Die entzückende, unerwartete Kitschigkeit einer mitternächtlichen Kinder-Ballett-Tanzszene auf der Marmortreppe ist ein willkommener Moment der Leichtigkeit. Die besten Sätze des Films: „Bist du nicht traurig, dass dein Großvater gestorben ist?“ „Nein, er war nur einer dieser stinkreichen Kapitalisten.“ D Dice Miller, Übersetzung: Hendrike Bake

Start am 29.11.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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The mysterious murder of a family patriarch, a tyrannical, father figure, who loomed over a decaying empire, permeates this latest Agatha Christie romp.

Originaltitel: L’Apparition D Frankreich 2018 D 137 min D R: Xavier Giannoli D B: Xavier Giannoli D K: Eric Gautier D S: Cyril Nakache D D: Vincent Lindon, Anatole Taubmann, Patrick d’Assumçao, Geoffrey De La Taille, Aurore Broutin D V: Filmperlen

DIE ERSCHEINUNG Grenzen des Beweisbaren

Der erfahrene, aber auch kriegstraumatisierte Journalist Jacques (Vincent Lindon) wird vom Vatikan entsandt, um eine Untersuchungskommission zu leiten, die einer Marienerscheinung im ländlichen Süden Frankreichs auf den Grund gehen soll. Die Seherin Anna (Galatea Bellugi) ist eine blutjunge Novizin. Ihre Vision hat schon einen beträchtlichen internationalen Wallfahrtsrummel losgetreten, als die Kommission ihre Arbeit aufnimmt. Überall prangt das Bildnis Annas neben Darstellungen der Mutter Gottes, eine neue Kirche soll gebaut werden, und Pilger wollen auf Tuchfühlung gehen. Das Mädchen selbst jedoch ist bescheiden, fügsam und unprätentiös. Während Jacques und die Kommission dem potentiellen Betrug mit forensischen Methoden nachgehen, beginnt der Journalist allmählich, Anna als das wahrzunehmen, was sie unabhängig von ihrer Zeugenschaft ist: eine Waise, die vom Leben wenig verwöhnt wurde, die in seelischer Abhängigkeit lebt und ein unter Umständen ganz irdisches Geheimnis mit sich trägt. Und es ist nicht nur der Verdacht einer übernatürlichen Begegnung, der sie mit einer spirituellen Aura umgibt: Anna wirkt genuin dem Transzendenten zugewandt. Jacques’ unbedingter Glauben an die Rationalität sorgt für eine spannende Jagd, die ihn an die Grenzen des Beweisbaren führt. Zwischen Bodenhaftung und Sphärenklängen bewegt sich auch der Sound des Films: Da sind die unaufdringlichen, auf das sinnlich Reale verweisenden Geräusche, und dann ist da die religiöse Musik von Arvo Pärt, die eine geistige Sphäre andeutet. Anna hat in dieser unentschiedenen Position ihr „Herz auf etwas gesetzt“: Die Botschaft der Liebe Mariens ist darauf ausgerichtet, für Geflüchtete einzustehen. Am Ende findet sich in einer überraschenden Wendung und in einer Auflösung, die zugleich befriedigend ist und die großen Fragen erneut stellt, das Einfache. D Anna Stemmler

Start am 13.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Experienced and war traumatized journalist Jacques is sent by the Vatican to head an investigative commission meant to get to the bottom of a Marian apparition in rural southern France.

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INDIEKRITIKEN Frankreich 2018 D 97 min D R: Camille Vidal-Naquet D B: Camille Vidal-Naquet D K: Jacques Girault D S: Elif Uluengin D M: Romain Trouillet D D: Félix Maritaud, Eric Bernard, Nicolas Dibla, Philippe Ohrel, Marie Seux D V: Edition Salzgeber

SAUVAGE

DREI GESICHTER

Zärtlichkeit und Gewalt

Große und kleine Metaphern

Léo sehnt sich nach Liebe und Zärtlichkeit – er sucht sie auf dem Straßenstrich. Der Debütfilm von Camille Vidal-Naquet zeigt eine mitunter schwer zu ertragende Mischung aus Nähe und Gewalt. In seinem Zentrum steht der 22-Jährige Léo, der mit anderen jungen Männern seine Tage im Bois de Bologne vor Paris verbringt, wo er seine Dienste als käuflicher Geliebter anbietet. Léo ist anders als die anderen Stricher: Während sie ihre Freier professionell auf Distanz halten, sucht er bei ihnen nach Geborgenheit. Manchmal findet er sie und es folgen wunderschöne Momente der Zärtlichkeit an unerwarteten Orten: zum Beispiel wenn Léo die ihn behandelnde Ärztin plötzlich stürmisch für ihre Freundlichkeit umarmt und sie, zögernd, die Umarmung erwidert. Manchmal begegnet Léo aber auch körperlicher und emotionaler Gewalt, die nur marginal erträglicher dadurch wird, dass Léo sich ihr freiwillig aussetzt. Auf die Frage, ob er denn nicht anders leben möchte, antwortet er völlig verständnislos: Wie denn? Und Warum? Die kurzen Momente der Geborgenheit sind umso herzzerreißender, als sie so willkürlich erscheinen – unkontrollierbar wie die Kameraeinstellungen, die den Zuschauern manches vorenthalten, während sie anderes näher zeigen als einem lieb ist. Ein richtiger Zufluchtsort für Léo tut sich nicht auf – und als doch, entscheidet Léo sich in einem Befreiungsakt gegen ihn, als wäre seltene und willkürliche Zärtlichkeit das Einzige, was er auf Dauer erträgt. Der leicht abwesende, verständnislose (oder störrische?) Blick Léos, seine zugewandte, nach Liebe lechzende Körperlichkeit und die Brutalität, mit der sie immer wieder zurück gewiesen wird, sind eine intensive Kombination, die auch lange nach dem Film noch im Gedächtnis haften bleibt. D Manon Scharstein

Start am 29.11.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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Originaltitel: Se Rokh D Iran 2018 D 84 min D R: Jafar Panahi D D: Jafar Panahi, Behnaz Jafari, Marziyeh Rezaei D V: Weltkino

Léo is different from other hustlers: while they keep their professional distance to their johns, he searches for security with them.

Sie träume davon Schauspielerin zu werden, erzählt eine junge Frau in einem Handy-Video, habe die Prüfung an der Uni dafür bestanden, doch ihre Familie verwehre ihr nun diesen Wunsch aus Angst davor, in ihrem Bergdorf an Ansehen zu verlieren. Sie sieht keinen Ausweg mehr und schickt ihre letzte Botschaft aus einer Höhle an den Regisseur Jafar Panahi, der sie an die berühmten Schauspielerin Behnaz Jafari weiterleiten soll, ehe sie nach dem Strick greift. Es ist ein bedrückender Anfang für einen über weite Strecken ziemlich heiteren Film, in dem Panahi, Regisseur von TAXI TEHERAN, wieder einmal am Steuer eines Wagens sitzt, diesmal, um mit der aufgewühlten Behnaz Jafari in die Provinz im Nordwesten des Irans zu fahren, wo sie herausfinden wollen, was hinter der Geschichte steckt, und ob es sich tatsächlich um eine authentische Videoaufnahme handelt. Die Begegnungen mit den Menschen in den Dörfern seiner Heimatregion bieten Panahi Gelegenheit, Begriffe wie Freiheit und Fortschritt aus unterschiedlichsten Perspektiven zu betrachten. So hat sich beispielsweise in den engen Serpentinen der Berge ein ausgeklügeltes Hup-System etabliert, das die Vorfahrtsrechte der Fahrzeuge regelt. Erst als die Zuschauer viel später erfahren, dass eine Anwohnerin die Straße schon längst vergrößert hätte, wenn man sie nur gelassen hätte, wird die Bewertung der gängigen Praxis infrage gestellt. Der Road-Trip führt an vielen solcher, mal großen, mal kleinen Metaphern für die Situation im Iran vorbei, ohne die Geschichte mit Symbolik zu überfrachten. Auch Panahis persönliche Situation als Künstler mit Berufsverbot ist wieder Thema. Die Erzählfäden laufen diesmal aber nicht bei ihm, sondern bei Shahrzad zusammen, einer geschassten Filmdiva, die geächtet und isoliert in einem der Bergdörfer lebt und zum Fixpunkt für die Protagonistinnen wird. D Jens Mayer

Start am 26.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Director Jafar Panahi receives a cell video showing a young woman threatening suicide. Together with actress Behnaz Jafari, he makes his way to the province to find her.

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INDIEKRITIKEN

DIE ERBINNEN Das Geld geht aus

Die Kamera verharrt hinter dem Vorhang und nimmt die Nervosität Chelas auf. Wir sehen mit ihren Augen. Durch einen schmalen Spalt fällt ihr Blick auf eine zierliche Dame, die durch einen großen Raum stöckelt und dabei das Silberbesteck, die Bergkristallgläser und den Kronleuchter begutachtet. Nein, der sei nicht zu verkaufen, wird ihr mitgeteilt. Chela wohnt schon immer in diesem stattlichen Haus in Asución. Sie gehört zur „Generation der ErbInnen“, die während des Regimes des paraguayischen Diktators Alfredo Stroessner aufwuchs, der von 1954 bis 1989 regierte. Der Titel, den Regisseur Marcelo Martinessi wählte, weist Chela ihren Platz in der Oberschicht zu. Martinessi, dessen Langfilmdebut als erster Film aus Paraguay überhaupt für den diesjährigen Auslandsoscar nominiert wurde, geht auf die geschichtlichen Bezüge aber nicht weiter ein, sondern konzentriert sich ganz auf den Mikrokosmos seiner Charaktere im Jetzt. Die quirlige Chiquita bereitet in der Küche ein Tablett vor, auf dem sie eine Cola Light mit viel Eis, Wasser, Kaffee, ein Glöckchen und ein Tablettendöschen arrangiert. Chela ist wieder einmal unpässlich. Die beiden Seniorinnen leben schon lange zusammen und ganz allmählich nimmt der Zuschauer durch eine diskret und behutsam ihr Sujet abtastende Kamera deren Leben auf. Ein wenig erinnert die Szenerie an den wunderbaren GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern. Die Risse in den Tapeten künden vom langsamen Verfall der einst so glamourösen Villa. Mit wenigen Momentaufnahmen skizziert der Regisseur fast lakonisch die „Rollen“ der beiden Damen: Chela als melancholische Künstlerin, die ihr Leben lang nichts selbst in die Hand nehmen musste, und Chiquita als taffe Macherin, die den Alltag organisiert. Eine einzige, fast beiläufige Sequenz reicht Martinessi, um klar zu machen, dass die beiden ein Liebespaar sind. Eine Revolution, wie Ana Brun, die für ihre grandiose Darstellung der Chela, den „Silbernen Bären“ gewann, der bekannten paraguayischen Tageszeitung ABC Color erzählte. In der Generation ihrer Mutter hätte man noch nicht über Politik, Sex, geschweige denn Homosexualität reden dürfen. Frauen mussten „nähen, D 20

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Originaltitel: Las Herederas D Paraguay/Deutschland/Uruguay/Norwegen/Brasilien/ Frankreich 2018 D 98 min D R: Marcelo Martinessi D B: Marcelo Martinessi D K: Luis Artega D S: Fernando Epstein D D: Patricia Abente, Margarita Irun, Ana Ivanova Villagra D V: Grandfilm

sticken und auf den Ehemann aufpassen“. In Martinessis Film hingegen kommen Männer als Figuren gar nicht vor. Wir hören nur die Frauen über sie lästern, sehen sie als unscharfe Schatten am Straßenrand, weil sie gerade verlassen werden oder wohnen ihren Beerdigungen bei. In Chelas und Chiquitas Beziehung waren die Rollen bislang ganz klassisch verteilt. Doch Chiquita ist hoch verschuldet und wird des Betruges angeklagt. Sie muss deshalb in Untersuchungshaft. Dieser Wendepunkt ist zunächst ein Schock für Chela, die um ihren guten Ruf fürchtet und sowieso vor allem Angst zu haben scheint. Doch dann klingelt Pituca, die Nachbarin und bittet Chela, sie zu ihrer Pokerrunde zu fahren. Und so setzt sie sich zunächst widerwillig in den alten Mercedes ihres Vaters, der eigentlich auch verkauft werden soll, und begibt sich auf die Straße. Martinessi verwebt Chelas leise Emanzipationsgeschichte äußerst geschickt mit Gesellschaftskritik. So prahlt die alte Pituca damit, was sie ihrem Hausmädchen so alles beigebracht hat. Und auch Chela verzichtet trotz Geldmangels nicht auf Pita, ihre „gute Seele“. Doch in Chiquitas Abwesenheit nähern sich die beiden Frauen an und kommen ins Gespräch. Chela ist fortan unterwegs. Sie nimmt immer mehr Aufträge als Chauffeurin an und verdient damit ihr erstes eigenes Geld. Eine ihrer Kundinnen ist die jüngere Angy. Sie wird in gewisser Weise zu Chelas Muse. Ihretwillen legt sie ihre reservierte Melancholie ab, entdeckt ihren Körper neu, raucht das erst Mal und öffnet ihre Augen für das Leben der Menschen um sich herum. Sie hört auf, nur um sich zu kreisen. Dieser Aufbruch lässt sich auch als ein Hoffnungsschimmer für ein ganzes Land lesen, das Frauen, wie es die Darstellerin der Angy, Ana Ivanova, beschreibt, immer noch als „Beiwerk“ betrachtet. D Susanne Kim

Start am 29.11.2018 ¢ 29.11. um 19.30 Uhr, Sputnik-Kino: Vorführung als Pre-Opening des BLN – Berlin Lesbian Non-Binary Filmfest ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Two seniors, melancholy, unconventional artist Chela, and tough, organized doer Chiquita, have lived together for a long time in their lavish house in Asución. Then money gets tight.

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INDIEKRITIKEN Originaltitel: Monsieur & Madame Adelman D Frankreich/Belgien 2017 D 120 min D R: Nicolas Bedos D B: Nicolas Bedos D K: Nicolas Bolduc D S: Anny Danche D D: Lola Bessis, Denis Podalydès, Julien Boisselier, Pierre Arditi, Nicolas Bedos, Doria Tillier D V: Temperclayfilms

DIE POESIE DER LIEBE Ein Leben rauscht durch

Es geht flott los. Am Anfang erinnert DIE POESIE DER LIEBE, den Nicolas Bedos und Doria Tillier gemeinsam verfasst haben, und in dem das Paar auch die Hauptrollen spielt, an Woody Allens Großstadtkomödien. Es wird viel geredet und Liebe entsteht ebenso übers Verliebtsein wie über die intellektuelle Auseinandersetzung. Schon als Sarah ihren Victor zum ersten Mal sieht, sturzbetrunken in einer schäbigen Bar, verliebt sie sich Hals über Kopf. Sie lässt sich abschleppen, und während er seinen Rausch ausschläft, korrigiert sie erstmal sein – nicht besonders gutes – Romanmanuskript. Victor ist das alles zu viel, wie er seinem Psychoanalytiker erzählt, aber irgendwann kapituliert er doch vor Sarahs Charme, Hartnäckigkeit und Unerschrockenheit und begibt sich in die lebenslange Liebesgeschichte, die der Film erzählt. Rasant hakt DIE POESIE die Stationen einer Ehe und einer schriftstellerischen Karriere ab. Auf privaten Sonnenschein folgt Regen, aber auch der erste berufliche Erfolg. Die Häuser werden größer, die Gespräche kälter, die Affären mehr, die Kinder sind eine Katastrophe, der Psychoanalytiker bleibt. Nicolas Bedos und Doria Tillier halten das Tempo hoch – und irgendwann, so gegen Mitte des Films, verpasst man den Anschluss. Die Geschichte dreht weiter frei, aber das Interesse lässt langsam nach. Während Victor leicht zu fassen ist – ein enthusiastischer, selbstverliebter Philanderer, der weit weniger genial und sympathisch ist, als er glaubt – ist Sarah, Erzählerin und heimlicher Mittelpunkt des Films, eine schillernde Leerstelle, die Bezos und Tillier je nach Bedarf unterschiedlich ausmalen. Mal super-devot verliebt, mal kantig und selbstbewusst, mal gelangweilte Vorstadtehefrau, mal Partykracher, und dann wieder das Super-Genie hinter ihrem Trottel-Mann. Wenig, an dem man sich festhalten kann, und so rauscht DIE POESIE DER LIEBE unterhaltsam und mit wenig Nachhall vorbei. D Toni Ohms

Start am 20.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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The fast-paced lifelong love story of a Parisian writer couple is reminiscent of Woody Allen’s urban comedies.

Estland/Niederlande/Polen 2017 D 115 min D R: Rainer Sarnet D B: Rainer Sarnet D K: Mart Taniel D S: Jaroslaw Kaminski D M: Michal Jacaszek D D: Taavi Eelmaa, Rea Lest, Jörgen Liik, Dieter Laser D V: Drop-Out Cinema

NOVEMBER

Estnische Zauberlandschaften Rainer Sarnets Verfilmung des Romans „Rehepapp oder November“ des estnischen Schriftstellers Andrus Kivirähk hat übersinnliche Elemente: einsame Hexen; den Teufel, den man beschwören kann, indem man am Kreuzweg pfeift; beseelte Kreaturen aus Haushaltsgegenständen, die „Kratt“ genannt werden; die Geister der Toten, die an Allerseelen eingeladen werden, am Familientisch zu speisen. Ein Horrorfilm ist NOVEMBER dennoch nicht, eher ein satirischer Blick auf die estnische Folklore-Tradition, erzählt mit den Mitteln eines märchenhaften poetischen Realismus. Ort der Handlung ist ein estnisches Dorf leibeigener Bauern des örtlichen deutschen Barons zur Zeit der Herrschaft des deutschen Adels im frühen 19. Jahrhundert. Die Bediensteten im Herrenhaus treiben einen schwunghaften Handel mit allem, was sie im Haus des Adligen finden können, sind aber allmählich bei den Unterhosen angekommen, viel anderes ist nicht mehr da. Wer nicht selbst im Herrenhaus stehlen kann, zaubert sich einen hilfreichen Kratt und versucht, den Teufel zu betrügen. Die Trickserei reicht bis in Liebesdinge hinein: Als Hans, der Angebetete der jungen Liina, sich in die Tochter des Barons verliebt, geht Liina zur Hexe, während Hans sich einen Kratt aus Schnee baut, der ihm schwärmerische Poesie nahebringt. NOVEMBER ist in wunderbarem Schwarzweiß gefilmt, das die bedrückende Enge und Dunkelheit der Bauernkaten, in denen sich die Bewohner nur gebückt bewegen können, noch verstärkt, und die Winterlandschaften in Zauberwelten verwandelt. Friedrich Reinhold Kreutzwald, der estnische „Bruder Grimm“, der selbst Sohn von Leibeigenen war, und mit seiner Rekonstruktion des Epos „Kalevipoeg“, mit seinen Sammlungen von Sagen und Märchen, Mythen und Bräuchen das estnische Selbstbewusstsein im 19. Jahrhundert beflügelte, hätte an diesem Film sicher großes Vergnügen gefunden. D Tom Dorow

Start am 29.11.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

NOVEMBER is less a horror film and more a satirical look at Estonian folklore tradition, told in magical black and white and with the devices of fairy tale-like poetic realism.

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INDIEKRITIKEN Deutschland 2017 D 87 min D R: Erik Lemke D B: Erik Lemke, André Krummel D K: André Krummel D S: Erik Lemke D M: Tobias Burkardt D V: Pandora Film

AGGREGAT

BERLIN EXCELSIOR In der „Anhaltervilla“

Was wie ein Luxushotel vergangener Tage klingt, nach Plüsch und gereiften Vorhängen, ist ein brutalistischer Wohnriegel in der Nähe des Anhalter Bahnhofs. Überwiegend „sozial“ also finanziell schwache Bewohnerinnen und Bewohner leben hier. Die quadratischen Schwenkfenster mit der Achse exakt in der in der Fenstermitte machen einen skurrilen aber auch sehr klapprigen Eindruck. Die Flure sind in einem frischen Grün gestrichen, das wohl Vertrauen vermitteln soll, aber einen Mord im Hausflur nicht verhindern konnte. Die Wohnungen sind winzig und identisch: Kochnische, Couch, Fernseher. Nur bei Charlie stehen Zimmerpflanzen und Rattanmöbel und verbreiten einen Hauch Orangerie. BERLIN EXCELSIOR porträtiert, oder vielmehr, beobachtet, einige der Mieter*innen, begleitet sie bei Dates und Treffen mit Freunden und arrangiert Begegnungen mit den anderen Protagonist*innen. Letztere sind am unterhaltsamsten – etwa wenn Norman, der Erzieher mit Berliner Schnauze auf die volatile Heilerin im Nebenjob trifft: „Dit funktioniert?“, oder wenn Richard, der gutgelaunte Ex-Unternehmer, den Start-Up-Jungs ihre Pläne madig macht – haben aber auch einen Hauch von Sozial-Experiment. Aus sicherer Distanz beobachten wir mit Filmemacher Erik Lemke, wie sich die Protagonist*innen abrackern. Sehr oft geht es dabei um Geld, denn fast alle wünschen sich ein besseres Leben als eine Würfelwohnung im Excelsior und tüfteln an Wegen aus der Misere. Doch weder das Start-up, noch die Model-Karriere noch der Escort-Service machen einen sehr erfolgversprechenden Eindruck. Alle sind spät dran für eine steile Karriere und das Exzelsior mit seiner Atmosphäre von Endstation, die keiner auf dem Zettel hatte, ist kein guter Ausgangspukt. Die Erfolgsverwöhnten sehen anders aus. Man trifft sie in der Panorama-Bar im 13. Stock. D Hendrike Bake

Start am 29.11.2018 ¢ 1.12. um 16 Uhr, fsk-Kino: Vorführung mit Regisseur Erik Lemke ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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A portrait of several residents of a Berlin apartment block in Anhalter Bahnhof. A doc.

In ihrem letzten Dokumentarfilm, der Langzeitbeobachtung STAATSDIENER, begleitete Marie Wilke Polizeischüler*innen bei der Ausbildung. Jetzt hat sie den Wahnsinn des deutschen Politik- und Medienalltags dokumentiert. Unvermittelt und unkommentiert stellt AGGREGAT Szenen einer Demokratie nebeneinander. Bei einer Führung im Reichstagsgebäude wird viel gelacht, die AfD skandiert „Lügenpresse“, in einem SPD-Workshop werden Argumente gegen Rechte geübt, von der taz bis zur Bild werden in den Redaktionen Prioritäten verhandelt. Start am 29.11.2018 ¢ 2.12. um 18 Uhr, fsk-Kino: Vorführung mit Regisseurin Marie Wilke ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Deutschland 2018 D 92 min D R: Marie Wilke

LOST ART – JOSEF URBACH Josef Urbach ist ein junger Künstler, als ihm die Förderer der Essener Kunstszene, die jüdischen Familien Simon, Levy, Stern und Abel 1921 eine mehrmonatige Studienreise nach Italien ermöglichen. Die dort entstandenen Bilder gehen in die Sammlungen der Familien über. Als die Nazis an die Macht kommen, verliert Urbach seine Förderer, seine Bilder werden zerstört, beschlagnahmt und geraubt. Achtzig Jahre später begibt sich Tilman Urbach auf die Suche nach den verschwundenen Bildern seines Großonkels und erforscht auch die Schicksale der Förderer und Sammler. Start am 29.11.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Deutschland 2017 D 97 min D R: Tilman Urbach

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INDIEKRITIKEN

JOTA – MEHR ALS FLAMENCO

LE GRAND BAL

Der mittlerweile 86-jährige Regisseur und Tanzfotograf Carlos Saura hat sich schon in zahlreichen Spiel- und Dokumentarfilmen mit Tanz und Musik auseinandergesetzt, unter anderem in der Trilogie FLAMENCO, TANGO und FADO. Seinen jüngsten Film widmet er nun dem weniger bekannten Jota, der in Spanien in unterschiedlichen regionalen Ausführungen getanzt wird. Mehr Musicalrevue als Dokfilm reiht Saura unkommentierte Tanzszenen kunstvoll aneinander. Mal steht die Musik dabei im Vordergrund, mal die Tänze. Interessant sind auch die untertitelten Liedtexte.

Seit 30 Jahren reist Laetitia Carton in das Örtchen Gennetines in der französischen Auvergne. Hier findet einmal im Jahr sieben Tage und acht Nächte lang das „Festival Le Grand Bal“ statt, zu dem 2.000 Menschen, aus ganz Europa anreisen, um miteinander ganz klassisch zu tanzen. Carton lässt sich treiben, beobachtet das Geschehen und spricht mit einzelnen Tänzerinnen und Tänzern. Es geht um Altersunterschiede, Begabungsunterschiede, um den Umgang mit Anfängern und – natürlich – um die Freude am Tanzen.

Start am 6.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Originaltitel: Jota de Saura D Spanien 2016 D 90 min D R: Carlos Saura

Start am 29.11.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Frankreich 2018 D 89 min D R: Laetitia Carton

CLIMATE WARRIORS

RBG – EIN LEBEN FÜR DIE GERECHTIGKEIT

Carl-A. Fechner ist zuerst Aktivist und dann Filmemacher. Sein Film POWER TO CHANGE postulierte die „Vision einer demokratischen, nachhaltigen und bezahlbaren Energieversorgung aus 100 % erneuerbaren Energien“. In CLIMATE WARRIORS ergänzt er Szenen des Films mit neuem Material, das er mit „Klimakriegern“ in Deutschland und den USA aufgenommen hat. Zu Wort kommen Promis wie Arnold Schwarzenegger, Energieexperten wie Hans-Josef Fell, aber auch Vertreter einer neuen Generation, wie der Hip-Hop-Künstler Xiuhtezcatl Martinez.

Die US-amerikanische Richterin Ruth Bader Ginsburg ist für einige bahnbrechende Rechtsurteile zur Gleichstellung von Frauen verantwortlich. Für ihre klare Haltung wurde sie von ihren Gegnern in der Vergangenheit auch gerne mal als Hexe bezeichnet. Trotzdem schaffte sie es als zweite Frau in das Supreme Court, den obersten Gerichtshof der USA. Der Dokumentarfilm rekonstruiert in medialen Rückblicken und Interviews mit Mitstreiter*innen, Familienmitgliedern und Ruth Bader Ginsburg selbst, den Weg in das Supreme Court und zum Role Model.

Start am 6.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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Deutschland/USA/Belgien 2018 D 86 min D R: Carl-A. Fechner

Start am 13.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Originaltitel: RBG D USA 2018 D 98 min D R: Julie Cohen, Betsy West

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GEGEN DEN STROM Halla hat wieder zugeschlagen

Geschmolzenes Metall in riesigen Behältnissen, so groß wie Schiffscontainer, schwebt an der Decke der Halle entlang. Arbeiter in Hitzeschutzanzügen lenken am Boden die zähen rotglühenden Ströme in die vorgesehenen Bahnen, um daraus Aluminiumblöcke zu fertigen, die in die ganze Welt verschifft werden. Plötzlich verstummt der ohrenbetäubende Lärm in der Halle, alles steht still, es wird dunkel, nur noch das Metall glüht vor sich hin und erhellt die hektischen Versuche der Arbeiter, die Maschinerie wieder in Gang zu setzen. Halla (Halldóra Geirharðsdóttir) hat wieder zugeschlagen! Diesmal hat sie einen Strommast gekappt.

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INDIEFEATURE

Die 50-jährige Chorleiterin aus Reykjavik führt in ihrer Freizeit einen skurrilen, geheimen, einsamen Kampf gegen die Aluminiumindustrie im isländischen Hochland. Mit gezielten Sabotageakten versucht sie, internationale Investoren davon abzubringen, weiter in Islands Großindustrie zu investieren. Natürlich zieht sie damit den Zorn der Regierung und der Medien auf sich, die weniger an Umweltverschmutzung denken als an Jobs und die Rankings von Ratingagenturen. Auf der Suche nach den Urhebern der Industriesabotage werden alle verfügbaren Mittel eingesetzt, aber Halla muss noch einen finalen Coup landen, um den Deal zu verhindern. Die Schlinge zieht sich immer enger zu, als sie die Nachricht bekommt, dass ein vor Jahren gestellter Adoptionsantrag bewilligt wurde. Nun muss sie sich entscheiden, ob sie ihre Heimat retten will – oder ob sie Mutter wird. Der berauschend schön fotografierte zweite Spielfilm von Benedikt Erlingsson (nach seinem schön schrägen Debüt VON MENSCHEN UND PFERDEN) spielt gekonnt mit Elementen der Verfremdung - eine Band mäandert durch den Film, spielt die Filmmusik „live“ und beobachtet scheinbar unbeteiligt Hallas Treiben - und bietet der Hauptdarstellerin Halldóra Geirharðsdóttir den Platz für eine außergewöhnliche schauspielerische Leistung in den Weiten Islands. D Jonas König

Originaltitel: Kona fer í stríð D Island 2018 D 101 min D R: Benedikt Erlingsson D B: Ólafur Egilsson, Benedikt Erlingsson D K: Bergsteinn Björgúlfsson D S: Davíd Alexander Corno D M: Davíð Þór Jónsson D D: Halldóra Geirharðsdóttir, Jóhann Sigurðarson, Juan Camillo Roman Estrada, Jörundur Ragnarsson D V: Pandora Film

Start am 13.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

50 year old choir director Halla from Reykjavik wages a secret, lonely battle against the aluminium industry in the Icelandic highlands in her free time .

DEZEMBER 2018 D

25 D


INDIEKRITIKEN Großbritannien 2018 D 88 min D R: Steve McLean D B: Steve McLean D K: Annika Summerson D M: Julian Bayliss D D: Harris Dickinson, Jonah Hauer-King, Alessandro Cimadamore, Leonardo Salerni, Raphael Desprez D V: Edition Salzgeber

Deutschland 2018 D 85 min D R: Rosa von Praunheim D B: Rosa von Praunheim, Valentina Schütz D K: Patrick Richter D S: Andreas Wolter D D: Matthias Luckey, Valentin Schmehl, Thomas Linz, Tobias Schormann, Max Conrad D V: missingFILMs

POSTCARDS FROM LONDON

MÄNNERFREUNDSCHAFTEN

In POSTCARDS FROM LONDON kommt der junge Schönling Jim (Harris Dickinson) nach London auf der Suche nach Abenteuer. Ohne Geld und Kontakte wird er schnell an eine geheimnisvolle Bar verwiesen, in der die „Raconteurs“ residieren, eine Gruppe eleganter männlicher Escorts. Diese nehmen Jim unter ihre Fittiche und bilden ihn nicht nur zum Sexarbeiter, sondern zum Meister des „postkoitalen Gesprächs“ aus. Das bedeutet, dass Jim nun seine Tage dem Studium der Kunstgeschichte widmet, um seiner mondänen Kundschaft nach dem Sex Fakten aus dem Leben von Tizian oder Giorgione zum Besten geben zu können. Regisseur Steve McLean versucht gar nicht erst, vom Lebensalltag tatsächlicher Sexarbeiter zu erzählen. POSTCARDS FROM LONDON interessiert sich mehr für die Grenzen und Übergänge zwischen Prekariat und Hochkunst. Das Stricherdasein wird zur Kunstform sublimiert, aber auch wenn der Stricher zur Muse wird und der Kunde zum Künstler, das Machtgefälle zwischen beiden bleibt bestehen. Das ist einerseits zwar ironisch gemeint ist, aber so ironisch dann nun auch wieder nicht: Die Unterscheidungen von Pornografie und Kunst, queer culture und Hochkultur werden zwar subtil in Frage gestellt, doch letztendlich wird der etablierte Kanon, die Reihe männlicher Künstler als Schöpfer einzigartiger Meisterwerke, bestätigt. Vor allem Caravaggio, der Mörder und Maler von Huren und Bettlern, avanciert zunehmend zum Schutzheiligen des Films. Inszeniert ist POSTCARDS FROM LONDON in einer neongetränkten Hochglanz-Optik. Gewollt nachlässige Schnitte, kleine Sprünge in der Geschichte, künstlerisch ausgestaltete Schauplätze und keine Spur von Naturalismus. Die poppige Bildsprache macht POSTCARDS FROM LONDON zu einem stimmigen Ganzen, das sich selbst, zu recht, nicht so ernst nimmt. D Yorick Berta

Johann Wolfgang von Goethe schreibt entflammt von der Knabenliebe in Italien. Der Begründer der Kunstgeschichte Johann Winckelmann spricht allen, die den Reiz von Männerkörpern nicht verstehen, ästhetisches Feingefühl ab. Von Emil August von Sachsen-Gotha-Altenburg geht das Gerücht, er habe Napoleon in Frauenkleidern begrüßt. Johann Wilhelm Gleim errichtet in seinem Haus in Halberstadt einen „Raum der Freundschaft“ und Friedrich Schiller arbeitet an einem unvollendeten Drama über ein verliebtes Ritterpaar. In seinem jüngsten Dokumentarfilm beschäftigt sich Rosa von Praunheim mit dem Männerfreundschaftskult des 18. Jahrhunderts und der Frage, ob die überbordenden Liebeserklärungen rein platonisch gemeint waren. Die Antworten fallen unterschiedlich aus, je nachdem, wer gefragt wird und um wen es geht: Goethe? Hat in Italien die einschlägigen Viertel besucht. Alexander von Humboldt? Reiste stets mit einem jungen Sekretär, dem er alles vermachte. Emil August? Liebte Drag. Johann Gleim? Eher nein. Goethe und Schiller? Viel zu exponiert. Die Verantwortlichen von Schlössern und Stiftungen sprechen lieber von „Exzentrik“ und äußern sich vorsichtiger als unabhängige Wissenschaftler*innen oder private Forscher*innen, aber auch Letztere sind eher zurückhaltend mit eindeutigen Zuschreibungen – immerhin existierten bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Begriffe „Heterosexualität“ und „Homosexualität“ noch gar nicht. Von Praunheim feiert diese Ambivalenz und den barocken Gefühlsüberschuss. Er lässt Schauspieler*innen einschlägige Passagen in der Weimarer Fußgängerzone aufsagen, imaginiert Liebesszenen, befragt viele Expert*innen und wandert gelegentlich selbst mit Zopfperücke durchs Bild. Wie immer wirkt das wie eben mal aus dem Ärmel geschüttelt, ist dabei unterhaltsam und sehr kenntnisreich. D Hendrike Bake

Meister des „postkoitalen Gesprächs“

Start am 13.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 26

D DEZEMBER 2018

Jim goes to London searching for adventure and gets involved with the “Raconteurs”, a group of elegant male escorts. They take Jim under their wings and train him to become a master of “post-coital conversation”.

War Goethe schwul?

Start am 13.12.2018 ¢ 13.12. um 20.30 Uhr, Xenon: Filmgespräch mit Rosa von Praunheim. ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Rosa von Praunheim’s documentary deals with the cult of male friendship in the 18th century and the question of whether the exuberant declarations of love were purely platonic.

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USA 2018 D 139 min D R: David Robert Mitchell D B: David Robert Mitchell D K: Mike Gioulakis D S: Julio Perez IV D M: Rich Vreeland D D: Sydney Sweeney, Riley Keough, Jimmi Simpson, Laura-Leigh Claire, Andrew Garfield, Topher Grace D V: Weltkino

UNDER THE SILVER LAKE Paranoia am Pool

Nach dem existenzialistischem Teen-Horror IT FOLLOWS wurde David Robert Mitchell einer der heißesten Regisseure auf dem Markt für Genrefilme. UNDER THE SILVER LAKE ist zwar immer noch eine Independent-Produktion, aber dieses Mal mit einem Star in der Hauptrolle. Andrew Garfield spielt den mitteljungen Creep Sam, der zwar behauptet, Autor zu sein, tatsächlich aber mit dem Fernglas in seinem Hollywood-Apartment sitzt und Frauen am Pool und in ihren Wohnungen beglotzt. Ein Hauch von FENSTER ZUM HOF weht durch den Anfang von Mitchells Film, als Sams gieriger Blick auf eine blonde Frau fällt, die gerade eingezogen ist. Über deren Schoßhündchen macht er sich an das Objekt der Begierde heran, und obwohl in der Umgebung überall Schilder hängen, die vor einem Hundemörder warnen, gelingt es ihm, ein tête a tête mit der schönen Sarah zu erreichen. Kurz vor dem ultimativen Fummeln werden die beiden von zwei Mitbewohnerinnen gestört, am nächsten Morgen ist das Apartment von Sarah und ihren Freundinnen leer. Sam begibt sich auf die Suche nach der Verschwundenen und stolpert in ein Netz der Zeichen, das auf eine komplexe Verschwörung der Mächtigen hindeutet. In UNDER THE SILVER LAKE hält ein ungewisses fies perverses Moment die Spannung und das Vergnügen aufrecht, aber der Film wirkt auch ein wenig, als hätte jemand, der schnell noch ein Kochrezept für ein postmodernes Filmskript abliefern muss, einen alten Seminarordner hervorgekramt. Hier ein bisschen THE LADY VANISHES, da ein bisschen REAR WINDOW, jede Menge MULLHOLLAND DRIVE, eine Prise THEY LIVE. Nebenbei scheint UNDER THE SILVER LAKE auch ein Kommentar zur Harvey Weinstein-Affäre und männlicher Macht in Hollywood zu sein. Mitchells neuer Film bricht mit vielen Erwartungen, die nach IT FOLLOWS auf ihm lasteten, und legt einen bizarren Paranoia-Thriller vor, der vermutlich ebenso viele Fans wie Feinde finden wird. D Tom Dorow

Start am 6.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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David Robert Mitchell’s (IT FOLLOWS) new film is a Hollywood paranoid thriller about power and immortality. A whiff of MULLHOLLAND DRIVE with Andrew Garfield in the main role.


INDIEKRITIKEN Originaltitel: Anna and the Apocalypse D Großbritannien 2017 D 107 min D R: John McPhail D B: Alan McDonald, Ryan McHenry D K: Sara Deane D S: Mark Hermida D M: Roddy Hart, Tommy Reilly D D: Ella Hunt, Malcolm Cumming, Sarah Swire, Ella Jarvis D V: Splendid Film

ANNA UND DIE APOKALYPSE Zombie-Songs zum Advent

Es ist Adventszeit in Little Haven und Anna (Ella Hunt) steht kurz vor ihren A-Levels. Bald kann sie dem Kleinstadtleben entfliehen und die Welt bereisen. Nur ihren alleinerziehenden Vater muss sie noch überzeugen. Am nächsten Morgens erwacht Anna mit einem Lied auf den Lippen, bereit, ihr Leben in eine neue Richtung zu führen. Vor lauter Freude merkt sie nicht, dass die halbe Stadt schon vom Zombievirus infiziert ist, und sehr bissige Schneemänner, Rentner und Kegelbrüder die Schule belagern. Anna und ihre Freunde verlassen sich nicht auf die Armee oder ähnliche Autoritäten, sondern machen sich selbst mit allem, was ihnen in die Hände kommt, ans Zombietöten. Und weil dies auch ein Musical ist, tun sie es perfekt choreografiert und mit tighten Harmonien. Trends kommen und gehen, aber einige Geschichten kehren verlässlicher zurück als Jason Vorhees. So war die Fernsehserie BUFFY THE VAMPIRE SLAYER nicht der letzte Versuch, das apokalyptische Gefühl der ständigen Veränderungen während der Pubertät durch ein echtes Weltende darzustellen. Was ANNA aber von einer weichgespülten „Young Adult“-Zombieromanze wie WARM BODIES abhebt, ist, dass der Film sich zwar ebenso an bekannten Versatzstücken bedient, diese aber auch ernst nimmt. Es fließt das Blut, es fliegen die Körperteile, es singen junge Mädchen in einer Weise von Liebe, dass der Subtext nur so spritzt. Wenn es aber an die schwierigen Entscheidungen geht, die in Zombiefilmen obligatorisch sind, fühlen sie sich hier auch angemessen schmerzhaft an. „No such thing as a Hollywood ending“ ist nicht nur der einprägsamste Song des Films, sondern auch die ernüchternde Botschaft, die der Film über die Zeit um die 18 mitgibt – bis der nächste Song wieder amüsante Action bietet. Zum großen Finale schneit es dann auch endlich. Ein schöner geschnürtes Zombiemusicalpaket wird 2018 nicht unter dem Baum liegen. D Christian Klose

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A Christmas teen zombie apocalypse musical.

Frankreich/Luxemburg/Deutschland/Türkei 2018 D 95 min D R: Cagla Zencirci, Guillaume Giovanetti D B: Cagla Zencirci, Guillaume Giovanetti, Ramata Sy D K: Eric Devin D S: Véronique Lange D M: Bassel Hallak, Pi D D: Damla Sönmez, Emin Gursoy, Meral Çetinkaya D V: Arsenal Filmverleih

SIBEL

Draußen im Wald „Die Leute werden mir danken, dass ich ihnen den toten Wolf bringe.“ Die junge Sibel lebt mit ihrem vertrauensvollen Vater und ihrer Schwester in einem abgelegenen Bergdorf in der Türkei. Sie ist stumm, kann dennoch mittels einer traditionellen Pfeifsprache kommunizieren, die in ihrer Region noch heute gesprochen wird. Aufgrund ihrer Behinderung gelten viele Verpflichtungen für sie nicht. Ein- und ausgehen, ohne um Erlaubnis bitten zu müssen, kein Kopftuch tragen. Mit den meisten Attributen der Weiblichkeit nicht versehen zu sein, bedeutet in jener konservativen, nahezu archaischen Gemeinschaft, ein ganzes Stück mehr Freiheit zu haben. Doch SIBEL wird auch ausgeschlossen und ist tagtäglich Anfeindungen ausgesetzt. Drinnen ist es ist zu eng möbliert; die buntscheckigen Blumenstoffe verdecken bloß die Schranke, die jenseits des Häuslichen und der Feldarbeit steht. Draußen, im umliegenden, berückend schönen Wald, in dem sich niemand besser auskennt als sie, müht sie sich, mit einem Gewehr über der Schulter, den Wolf aufzuspüren, der dort herumstreunen soll und Gegenstand der Ängste und Erzählungen im Dorf ist. Auf einem ihrer Streifzüge trifft sie auf einen verwundeten, desertierten Soldat – ein Aussätziger wie sie. Doch der Mann wird prompt von den Repräsentanten des Staats als Terrorist angesehen; plumpes Gerede über geschändete Familienehre geht um. Sibels existentielle Situation gerät ins Wanken. Ihre Geschichte scheint mit derjenigen der alten, dementen Narin zu verschmelzen, die sie in ihrem Holzhäuschen zu besuchen pflegt. Diese und andere Nebenfiguren legen nahe, dass man erkennen muss, wofür man – sei es aus Verlorenheit oder aus Wut – eigentlich kämpft, wenn es kein äußerer Feind ist, der einen bedroht, sondern die Verhältnisse, die die Menschen selbst geschaffen haben. D Marie Minot

Start am 27.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Young Sibel lives in a secluded mountain village in Turkey. She is mute, but can communicate by using a traditional whistling language. She is often excluded, but many rules don’t apply to her too.

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INDIEKRITIKEN

THE LAST MOVIE Sex und Macht und koloniales Gehabe

1971 drohte dem Kino die junge Generation verloren zu gehen. Universal Pictures beschloss, fünf Filme mit einem Budget von unter einer Million Dollar von jungen Regisseuren drehen zu lassen, darunter heutige Klassiker wie Monty Hellmans TWO LANE BLACKTOP. Dennis Hopper hatte gerade mit EASY RIDER einen Überraschungserfolg gelandet. Für 850.000 $ handelte er bei Universal den „final cut“ für sein Projekt THE LAST MOVIE heraus. Er flog mit seiner Crew in das 3.700 Meter hoch gelegene Andenstädtchen Chinchero und drehte dort einen Film, an dem Hopper und Drehbuchautor Steward Stern (REBEL WITHOUT A CAUSE) seit fünf Jahren arbeiteten. Hopper blieb beim Dreh unter Budget, trotz Berichten von Suff, Drogen, Orgien und SM-Parties, und obwohl mehrere Mitglieder des Teams an der Höhenkrankheit litten. Kameramann László Kovács fing spektakuläre Bilder von blühenden Andentälern ein. Das Projekt begann erst beim Schnitt des 48-stündigen Materials, der sich endlos hinzog, ins Schlingern zu geraten. Nicholas Ray und Alejandro Jodorowsky gaben Ratschläge, und kurz vor dem finalen Cut hatte Hopper die Idee, einen Teil des Endes an den Anfang des Films zu setzen. Universal war entsetzt, bei den ersten Vorstellungen in New York floppte THE LAST MOVIE bei Besuchern und Kritikern und verschwand jahrzehntelang in den Archiven. Nun gibt es eine 4K-Restauration von THE LAST MOVIE, der

Start am 27.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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After the success of EASY RIDER, Dennis Hopper could do anything he pleased. In THE LAST MOVIE he filmed a wild film about imperialism and male arrogance in the Peruvian Andes that won the critic’s prize in Cannes but wasn’t seen by many people.

USA 1971 D 108 min D R: Dennis Hopper D B: Dennis Hopper, Stewart Stern D K: László Kovács D S: David Berlatsky, Antranig Mahakian D M: Severn Darden, Chabuca Granda, Kris Kristofferson, John Buck Wilkin D D: Dennis Hopper, Toni Basil, Kris Kristofferson, Peter Fonda, Samuel Fuller, Henry Jaglom, Michelle Phillips D V: rapid eye movies

über die Jahre einen fast mythischen Ruf erworben hat, auch weil L.M. Kit Carsons Dokumentarfilm AMERICAN DREAMER über die Post-Produktion in Hoppers „Mud Palace“ in New Mexico weiteren Skandalstoff – wie eine Orgie mit Hopper und dreißig nackten weiblichen Fans – lieferte. THE LAST MOVIE erzählt von einem Stuntmen und Pferdetrainer namens Kansas, der nach den Dreharbeiten eines Westerns (unter der Regie von Samuel Fuller!) in einem peruanischen Andendorf bleibt, eine Affäre mit einer einheimischen Frau hat, und bald in einen Taumel aus platzenden Träumen, Suff und Gewalt gerät. Derweil spielen die Dorfbewohner die gewalttätigen Szenen des Westerns mit selbstgebauten Kameras aus Schilfrohr nach, allerdings mit echter Gewalt. Als Höhepunkt soll Kansas real getötet werden. Mindestens scheint es so, denn alles könnte sich auch in Kansas‘ Kopf abspielen – oder in Hoppers. THE LAST MOVIE ist am ehesten mit dem im gleichen Jahr in Venedig ausgezeichneten WAKE IN FRIGHT von Ted Kotcheff verwandt. In beiden Filmen tobt sich eine naive, verzweifelte und permanent besoffene weiße Männergeneration in der vermeintlichen „Wildnis“ aus, misshandelt Frauen und muss sich schließlich jämmerlich das Scheitern eingestehen. Hoppers Film will aber noch mehr erzählen, über Kino und Realität, über westliche Illusionen von natürlicher Unschuld, über Sex und Macht und über die Folgen von kolonialem Gehabe. Nicht alles in THE LAST MOVIE funktioniert, der vermutlich auf Berichten von Cargo-Kulten beruhende Plot um Indigene, die Hollywood-Gewalt real nachspielen, wirkt eher wie eine koloniale Selbstbespiegelung. Die halluzinatorischen und achronologischen Sequenzen zu Beginn und am Ende des Films, die in den frühen 70er Jahren so schockierend und unsinnig gewirkt haben müssen, wirken heute wesentlich vertrauter. Die radikalen und desorientierenden Schnitte sind aber immer noch mitreißend und zeigen, was für ein Kino bereits in den siebziger Jahren möglich gewesen wäre. Hoppers Film ist ein unebener Trip, durchaus mit holprigen Strecken und kein bisschen gemütlich, aber THE LAST MOVIE ist auch einer der aufregendsten Filme einer Zeit des Umbruchs, in der plötzlich Experimente möglich waren, die das Kino für immer verändern sollten. D Tom Dorow DEZEMBER 2018 D

29 D


INDIEKRITIKEN Deutschland/Luxemburg/Belgien 2018 D 89 min D R: Yilmaz Arslan D D: Roland Kagan Sommer, Taies Farzan, Hilmi Sözer, Katharina Thalbach, Erdal Yildiz D V: Camino Filmverleih

SANDSTERN

WIDOWS

Neu in Deutschland

Wahrhaftigkeit und Wucht

Yilmaz Arslans neuer Film zeichnet in leisen Tönen das Porträt eines Teenagers aus der Türkei, der sich in Deutschland behaupten muss. Durch die Augen des Protagonisten eröffnet er einen neuen Blick auf Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Familie, Loyalität und Integration. SANDSTERN beginnt wie ein modernes Märchen, nämlich mit einem taub-stummen Nomaden, der durch die Wüste zieht, angeleitet von einem Stern, dem er folgt. Auch der 12-jährige Oktay (Roland Kagan Sommer), der bei seiner Großmutter in der Türkei aufgewachsen ist, macht sich auf eine Reise. Ihn verschlägt es in die deutsche Provinz der 80er. Hier soll er die Schule besuchen und bei seinen leiblichen Eltern wohnen, die er kaum kennt und zu denen er nur schwer Zugang findet. Auch die fehlenden Sprachkenntnisse machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Oktay bleibt in sich gekehrt und wirkt beinahe apathisch, wie er sich durch seinen neuen Alltag in Deutschland laviert. Nirgendwo scheint er dazuzugehören. Statt Anschluss zu finden, schlägt ihm Rassismus von Seiten der Mitschüler entgegen. Anstelle von Geborgenheit ist das Familienleben von Streit geprägt. Das würde im Ganzen sehr trostlos wirken, gäbe es nicht immer wieder Menschen, die Oktay auf seinem Weg begleiten. Da ist zum Beispiel die 75-jährige Nachbarin Anna (Katharina Thalbach), die ihre Familie nach dem Krieg verloren hat und dem Jungen mit viel Herz und polnischen Köstlichkeiten zur Seite steht. Oder die Klassenkameradin Tina (Sinem Bilgi), die aus Italien kommt und mit Oktay mehr als nur den Migrationshintergrund teilt. Mit Hilfe der Verbündeten, die der Junge unterwegs findet, versucht er sich in seiner neuen Heimat zurechtzufinden und stößt dennoch immer wieder auf Hindernisse. Aber Oktay lässt sich nicht unterkriegen und folgt seinem eigenen Stern. D Judith Barth

Start am 29.11.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 30

D DEZEMBER 2018

Originaltitel: Widows D USA 2018 D 129 min D R: Steve McQueen D B: Gillian Flynn, Lynda La Plante, Steve McQueen D K: Sean Bobbitt D S: Joe Walker D D: Elizabeth Debicki, Michelle Rodriguez, Viola Davis, Liam Neeson, Colin Farrell, Robert Duvall D V: Twentieth Century Fox

12 year old Oktay, who grew up with his grandparents in Turkey, moves to live with his parents who he doesn’t know in a country that’s foreign to him.

Als ein bewaffneter Raubüberfall schief geht, und die Täter dabei ihr Leben verlieren, geraten deren Witwen angesichts offener Gangster-Rechnungen unter Zugzwang. Schließlich bleibt den hinterbliebenen Frauen nur eine Option: sie müssen selbst einen millionenschweren Coup planen. Was nach einem vermeintlich geradlinigen Actionthriller klingt, wird in den Händen von Ausnahmeregisseur Steve McQueen (12 YEARS A SLAVE) zu sehr viel mehr. Tatsächlich hat der Oscar-Gewinner noch nie so nah am Mainstream operiert wie mit WIDOWS, doch setzt er sich dabei – ebenso absichtsvoll wie meisterlich – zwischen alle Stühle. Parallel zum unterhaltsamen Heist-Plot spinnt er nämlich, visuell wie erzählerisch raffiniert, eine Geschichte über Trauer und Selbstermächtigung, patriarchale Strukturen und korrupte Stadtpolitik, die man in dieser Komplexität und vor allem emotionalen Tiefe in diesem Genre gemeinhin nicht erwartet. Für Letztere sorgen dabei natürlich nicht zuletzt die famosen Schauspieler, neben einer einmal mehr herausragenden Viola Davis in der Hauptrolle vor allem Elizabeth Debicki, Cynthia Erivo, Robert Duvall oder Daniel Kaluuya als brutaler Widersacher. Wobei selbst Kleinstrollen mit Lukas Haas oder Jackie Weaver exzellent besetzt sind. McQueen und Ko-Autorin Gillian Flynn, denen übrigens eine gleichnamige britische Serie aus den Achtzigern als Vorlage diente, verstehen sich derweil durchaus auf unerwartete Twists. Vor allem aber ist es hochspannend, wie sie ihrer eigentlich eher unglaubwürdigen Prämisse eine sich zusehends verdichtende Wahrhaftigkeit und Wucht verpassen, der man sich nicht entziehen kann. Dass der eigentliche Raub dann schließlich erst im letzten Filmdrittel und relativ schnell über die Bühne, stört deswegen kein bisschen. D Patrick Heidmann

Start am 06.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Suddenly penniless, the widows of three criminals come together and become a professional gang. A tight and cleverly constructed heist thriller from Steven McQueen (12 YEARS A SLAVE) and Gillian Flynn (GONE GIRL).

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INDIEKRITIKEN Originaltitel: Westwood: Punk, Icon, Activist D Großbritannien 2018 D 83 min D R: Lorna Tucker D K: James Moriarty D S: Paul Carlin D M: Dan Jones D V: NFP

WESTWOOD

ALEXANDER MCQUEEN

Post-Punk-Pilgerstätte

Mode als Selbstbehauptung

Dame Vivienne hat keine Lust, über ihre Jugend, über den 2010 verstorbenen Malcolm McLaren und die Sex Pistols zu reden, und tut es dann doch. Westwood war Grundschullehrerin, die aus Existenzsorgen ein Kunststudium abgebrochen hatte, sie war mit einem Sohn geschieden und lebte wieder bei ihren Eltern, als sie McLaren traf, und das Paar gemeinsam eine explosive Kreativität entfaltete. Sie verkauften Rock’n’Roll-Platten und kreierten Teddyboy-Mode, wie Malcolm sie trug, dann Mode für Rocker, dann benannten sie ihren Laden in der King’s Road 430 in „SEX“ um und verkauften Fetisch-Klamotten, SM- und Bondage-Toys und entwickelten daraus den provokativen Punk-Stil. Malcolm war zwischenzeitlich Manager der New York Dolls gewesen und stellte eine eigene Band aus der Samstags-Aushilfe Glen Matlock und Kunden des Ladens zusammen. Neben den Sex Pistols statteten McLaren und Westwood auch Chrissie Hynde, Siouxsie Sioux, Adam Ant und deren Gefolgschaften aus. „SEX“ hieß ab 1980 „World’s End“ und wurde die Post-Punk-Mode-Pilgerstätte der 80er-Jahre. Nach der New-Romantic-Kollektion „Buffalo Gals“ (1982) trennte sich McLaren, und Westwood baute ihr Mode-Imperium allmählich aus, ohne je von großen Modelabels aufgekauft zu werden. Lorna Tuckers Dokumentarfilm zeigt Vivienne Westwood in zahlreichen schicken Archivaufnahmen, der Fokus liegt aber auf ihrer aktuellen Arbeit gemeinsam mit ihrem Lebens- und Arbeitspartner Andreas Kronthaler. Westwood sorgt sich darum, nicht die Kontrolle über ihre Firma zu verlieren und die weitere Expansion zu stoppen, während sie außerdem als Aktivistin gegen den Klimawandel arbeitet. Lorna Tuckers Dokumentarfilm kommt der sympathischen Persönlichkeit Westwoods sehr nahe. Mit 77 radelt die Chefin noch mit dem Fahrrad zur Arbeit und versucht, jedes Stück in ihrer Kollektion durch die eigenen Finger gehen zu lassen. D Tom Dorow

Start am 20.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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Originaltitel: McQueen D Großbritannien 2018 D 111 min D R: Ian Bonhôte D B: Peter Ettedgui D K: Alexander Alexandrov D V: Prokino

Vivienne Westwood invented punk, or at least British punk fashion, along with Malcolm McLaren. Today, she runs a successful and independent fashion label with her partner Andreas Kronthaler. A documentary.

Der Dokumentarfilm ALEXANDER MCQUEEN erzählt von dem Proletariersohn Alexander Lee McQueen, der das Schneiderhandwerk an der Savile Row von der Pike auf lernte, bevor er als Kostümbildner in London und bei dem japanischen Designer Koji Tatsuno arbeitete und danach in London Modedesign studierte. Die Kollektion seiner Abschlussmodenschau wurde von der Vogue-Stylistin Isabell Blow aufgekauft, und sie nahm McQueen unter ihre gut betuchten Fittiche. Der Film erzählt, wie McQueen in seinen Kollektionen und Fashion Shows persönliche Traumata und sein politisch-historisches Interesse verarbeitet, während seine Freundin Blow unter einem Fasanenhut verkündet, sie und McQueen würden morgen auf die Beizjagd gehen. Wer McQueen schon länger kennt, wird womöglich aus dem Film von Ian Bonhôte, Peter Ettedgui brisante Geschichten aus McQueens Arbeits- und Privatleben erfahren, aber vielleicht hätten die Regisseure den Fashion Shows McQueens, über die viel geredet wird, doch etwas mehr Zeit und Raum geben sollen. Erst im Zusammenhang wird die brillante Konzeption etwa der Skandalshow „The Highland Rape“ von 1995 deutlich, McQueens Kommentar zur systematischen Vergewaltigung schottischer Frauen im englischen Bürgerkrieg, die mit schlichten, eleganten Kreationen beginnt, bevor ein Model in einem Tüllrock auftritt, bei dem vor dem Geschlecht ein Fetzen herausgerissen ist. Danach wechseln sich kraftvolle Modelle mit traditionellen schottischen Anklängen und taumelnde Models in zerfetzter Kleidung ab. In den kurzen Filmausschnitten wirken McQueens Shows wie pseudoprovokante Gimmicks, im Zusammenhang sind sie radikale und bewegende Statements der Selbstbehauptung. Deutlich werden dagegen die persönlichen Folgen des schnellen Aufstiegs für die Gruppe junger Modefanatiker um McQueen, die es nach dem Erfolg mit Stress, Koks, jeder Menge Streit und Verrat zu tun bekommen. D Hannes Stein

Start am 29.11.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Alexander McQueen caused a sensation in the 90s with his provocative fashion shows (“The Highland Rape”) and became the head designer of Givenchy and, later on, Armani. A documentary.

DEZEMBER 2018 D

31 D


INDIEKRITIKEN Brasilien 2017 D 82 min D R: Mariana Oliva, Renata Terra, Bruno Jorge D V: mindjazz pictures

PIRIPKURA

MARY SHELLEY

Nomaden im Amazonas-Gebiet

Am Rande der Jungs-Party

Vom Stamm der Piripkura im brasilianischen Regenwald leben noch drei Menschen. Rita ist geflohen, als die Weißen ihr Dorf angriffen und lebt jetzt in der Siedlung der Karipuna. Ihr Bruder und Neffe, Pakyi und Tamadua sind am Amazonas geblieben und leben weiterhin, als letzte ihrer Gemeinschaft, als Nomaden. Nur ihretwegen ist das Waldgebiet geschützt und darf nicht gerodet oder betreten werden. Dieser Schutz muss alle zwei Jahre erneuert werden, und so begibt sich Jair, der für die staatliche Agentur für indigene Angelegenheiten FUNAI arbeitet, alle zwei Jahre in den Dschungel um nach Pakyi und Tamadua zu suchen. Die Dokumentarfilmer*innen Renata Terra, Bruno Jorge und Mariana Oliva begleiten ihn bei mehreren solcher Expeditionen. Zweimal stapfen sie erfolglos durch Sumpf und Lianen, dann tauchen die beiden Gesuchten selbst am FUNAI-Stützpunkt auf, weil ihnen, nach fast 20 Jahren, in denen sie sich mit Fackel und Axt als einzigen Werkzeugen durchs Leben geschlagen haben, das Feuer ausgegangen ist. Das große Verdienst von PIRIPKURA ist, ganz dicht am Faktischen zu bleiben. Wenn Jair eine Feuerstelle oder einen Lagerplatz findet, erfährt man nebenher etwas von den Überlebensstrategien der letzten Piripkura, und wenn er erzählt, dass Weiße in den 1960er Jahren Indigene straffrei töten konnten, oder wenn Rita berichtet, wie sie damals aus dem Dorf flüchtete, öffnet sich kurz ein Blick auf das historische Verbrechen der Eindringlinge. Das ist alles. Der Rest ist Wald, Suche, und eine kurze Begegnung die höflich, gastfreundlich und, ohne Dolmetscher, weitgehend sprachfrei verläuft. Aber Erklärungen sind auch nicht nötig, um zu begreifen, wie prekär die Situation der Indigenen ist. Sie ist seit Fertigstellung des Films noch gefährdeter: Präsident Bolsonaro hat angekündigt, FUNAI zu schließen. D Toni Ohms

Start am 29.11.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

D 32

D DEZEMBER 2018

USA/Großbritannien/Luxemburg 2017 D 120 min D R: Haifaa Al-Mansour D B: Haifaa Al-Mansour, Emma Jensen D K: David Ungaro D S: Alex Mackie D M: Amelia Warner D D: Elle Fanning, Maisie Williams, Douglas Booth, Joanne Froggatt, Stephen Dillane D V: Prokino

The rain forest in which two of the last three known members of the nomadic Priripkura tribe live in is protected – as long as they live there. A search.

Ende des 18. Jahrhunderts wird Mary Wollstonecraft in eine arme aber intellektuelle Familie hineingeboren. Der Vater ist der Philosoph, Buchhändler und Anarchist William Godwin, die Mutter, die Mary nie kennengelernt hat, die libertäre Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft. Mary vergöttert ihr Andenken: Die erste Szene des Films findet sie auf dem Friedhof am Grab ihrer Mutter vor, wo sie Horror-Schund-Romane liest, anstatt in der Buchhandlung zu helfen. Wenig später schickt der Vater sie weg aus London zu Verwandten nach Schottland, wo sie den Top-Literaten ihrer Zeit begegnet und einem jungen, stürmischen Poeten namens Percy Bysshe Shelley. Haifaa Al-Mansours (DAS MÄDCHEN WADJDA) Historienfilm über die englische Schriftstellerin und Autorin von „Frankenstein“ beginnt als Teenager-Romanze mit großen Gefühlen und wehenden Haaren. Mary (Elle Fanning) leuchtet vor innerer Begeisterung, Percy (Douglas Booth) schickt ihr wildromantische Gedichte und beschwört die wahre Liebe. Als sich herausstellt, dass Percy verheiratet ist und ein Kind hat, brennen die beiden kurzerhand gemeinsam mit Marys Stiefschwester Claire (Bel Powley) durch. Wenig später wird das Geld knapp und Mary schwanger, und das Frühchen stirbt kurze Zeit nach der Geburt. Mary stürzt in eine Depression, die sich auch bei einem Besuch beim berühmten Exzentriker Lord Byron am Genfer See nicht lichtet. Al-Mansour und Autorin Emma Jensen schildern das wilde Leben der auf Pump lebenden Literati äußerst zurückhaltend und wohlerzogen. Mary ist immer die Aufrechte, Ernsthafte, eine Affäre von Percy und Claire wird lediglich dezent angedeutet. Weit mehr als für Sex, Exzess, Glamour und Poesie interessieren sie sich für Marys und Claires Erfahrungen von Verlust und Einsamkeit am Rande der Jungs-Party, Erfahrungen, die „Frankenstein“ – so die These – erst zu dem fulminanten, düsteren, empathischen Buch werden ließen, das es ist. D Hendrike Bake

Start am 27.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Mary Wollstonecraft is only 17 when she falls hard for the romantic – and married – poet Percy Shelley and runs off with him and her sister. She writes her classic novel “Frankenstein” at 21.

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DER JUNGE MUSS AN DIE FRISCHE LUFT „Der Junge muss an die frische Luft“ hat Hape Kerkeling seine 2014 erschienene Autobiografie genannt. Nun ist sie verfilmt worden. Die Reise führt in den Ruhrpott in den 1970er Jahren, wo der neunjährige und etwas pummelige Hans-Peter den Widrigkeiten des Lebens damit begegnet, dass er sich über sie lustig macht. Das kommt bei der Verwandtschaft und der Kundschaft im Krämerladen seiner Oma gut an, hilft aber leider nicht gegen die Depression in die seine Mutter nach einer Kiefer-OP gefallen ist. Start am 27.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

Deutschland 2018 D R: Caroline Link D D: Sönke Möhring, Elena Uhlig, Diana Amft, Joachim Król, Maren Kroymann

DIE SCHNEIDERIN DER TRÄUME In der indischen Upstairs-Downstairs-Romanze verlieben sich die junge Witwe Ratwa, die davon träumt, als Mode-Designerin berühmt zu werden, und ihren Lebensunterhalt als Dienstmädchen verdient, und ihr superreicher Arbeitgeber Ashwin ineinander. Als Ashwins arrangierte Mega-Hochzeit platzt, verfällt der verwöhnte junge Mann in eine Depression und einzig Ratwa ist für ihn da. Doch eine Verbindung der beiden ist für die Familie undenkbar und so müssen sie sich entscheiden, was ihnen wichtiger ist: ihre Liebe oder gesellschaftliche Anerkennung … Start am 20.12.2018 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de

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Originaltitel: Sir D Indien/Frankreich 2018 D 99 min D R: Rohena Gera D D: Tillotama Shome, Vivek Gomber, Geetanjali Kulkarni, Rahul Vohra, Anupriya Goenka, Akash Sinha


WEITERINDIEKINO

WILDES HERZ

JULIET, NAKED

Im Bauhaus Dessau wurden sie ausgeladen, in den Berliner Indies sind sie willkommen. City Kino und Sputnik zeigen noch einmal Charlie Hübners und Sebastian Schultz’ Dokfilm WILDES HERZ über Jan „Monchi“ Gorkow, den unerschrockenen Frontmann der Band Feine Sahne Fischfilet, die immer wieder gegen Nazis, zumal die in der eigenen Heimat Mecklenburg-Vorpommern, Position bezieht, und vom Verfassungsschutz lange als linksextrem eingestuft und unter Beobachtung gestellt wurde. Der Film begleitet die Band auf ihrer Tour 2016 durch die norddeutsche Provinz.

Annie lebt in einem kleinen Nest im Südosten Englands und ist zunehmend genervt von ihrem Mann Duncan. Genauer, von seiner Obsession für den amerikanischen Singer/Songwriter Tucker Crowe, der nach einem mittelprächtigen Break-Up-Album für seine Verflossene „Juliet“ nie wieder öffentlich auftrat. Duncans Zimmer in ihrem gemeinsamen Haus ist voll von Devotionalien, online tauscht er sich mit gleichgesinnten Musiknerds aus und stellt wilde Theorien über Crowes Verbleib auf. Als Annie dort anonym einen bissigen Verriss postet, meldet sich Crowe bei ihr …

¢ City Kino Wedding, Sputnik Kino

Deutschland 2017 D 94 min D R: Charly Hübner, Sebastian Schultz D D: Jan Gorkow

¢ b-ware! ladenkino, Bundesplatzino, City Kino Wedding, Intimes, Sputnik Kino, Union Filmtheater

USA 2018 D 105 min D R: Jesse Peretz D D: Rose Byrne, Ethan Hawke, Chris O’Dowd, Megan Dodds

GUNDERMANN

IN MY ROOM

¢ Acud Kino, b-ware! ladenkino, Bundesplatz-Kino, City Kino Wedding, Krokodil

¢ Filmrauschpalast, Union Filmtheater

¢ Acud Kino, Bali Kino

CHARLES DICKENS: DER MANN, DER WEIHNACHTEN ERFAND

DIE ANDERE SEITE VON ALLEM

¢ Acud Kino, b-ware! ladenkino, Eva Lichtspiele, Intimes, Sputnik Kino, Union Filmtheater

HANS BLUMENBERG

DOGMAN

HARD PAINT

AN DEN RÄNDERN DER WELT

¢ Krokodil

AUF DER SUCHE NACH INGMAR BERGMAN ¢ Bali Kino

AUFBRUCH ZUM MOND ¢ b-ware! ladenkino, City Kino Wedding, Intimes, Union Filmtheater

AUSSER ATEM ¢ City Kino Wedding

BALLON ¢ Union Filmtheater

BLACKKKLANSMAN ¢ b-ware! ladenkino

¢ Bundesplatz-Kino

¢ b-ware! ladenkino, Sputnik Kino

¢ Filmrauschpalast

DER DOLMETSCHER

THE HOUSE THAT JACK BUILT

¢ Acud Kino, Eva Lichtspiele, Krokodil, Union Filmtheater

DONBASS ¢ b-ware! ladenkino, Krokodil

DURCH DIE WAND ¢ Sputnik Kino

FINDING VIVIAN MAYER ¢ Il Kino

GIRL

¢ b-ware! ladenkino, City Kino Wedding, Intimes, Union Filmtheater

HUMAN FLOW

ITZHAK PERLMAN – EIN LEBEN FÜR DIE MUSIK ¢ Bali Kino

KINDESWOHL ¢ Sputnik Kino

DER KLANG DER STIMME ¢ Bali Kino, Sputnik Kino

KORNICHE KENNEDY ¢ City Kino Wedding

¢ Sputnik Kino

LETO

IDA

¢ b-ware! ladenkino Filmrauschpalast, Krokodil

¢ City Kino Wedding

LORO ¢ b-ware! ladenkino, Bundesplatz-Kino, Il Kino, Intimes

¢ b-ware! ladenkino, City Kino Wedding

B-MOVIE: LUST & SOUND IN WEST-BERLIN ¢ Sputnik Kino

BOHEMIAN RHAPSODY ¢ b-ware! ladenkino, City Kino Wedding, Intimes, Sputnik Kino, Union Filmtheater

D 34

D DEZEMBER 2018

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COLD WAR – DER BREITENGRAD DER LIEBE Polen in den 1950er Jahren. In monochromen Bildern beschwört COLD WAR eine Stimmung von Verfall und Aufbruch. Alles untersteht der strengen Hand des Stalinismus; auch die polnische Musiktruppe Mazurek kann sich seinem Einfluss nicht entziehen und wird nach und nach vom Regime vereinnahmt. Über Mazurek treffen der zurückhaltende Bildungsbürger Viktor und die schwungvolle, trotzige Zula. Es ist der Anfang einer leidenschaftlichen Liebesgeschichte, die die beiden aus dem kommunistischen Polen in den Westen und wieder zurück treibt.

¢ Acud Kino, Bundesplatz-Kino, City Kino Wedding, Il Kino, Krokodil, Union Filmtheater ¢ 8.1., City Kino Wedding: PawlowskiDoppel COLD WAR (19 Uhr) & IDA (21 Uhr)

MANDY ¢ Sputnik Kino

DER MARKTGERECHTE PATIENT

Originaltitel: Zimna wojna D Polen/Frankreich/Großbritannien 2018 D 84 min D R: Pawel Pawlikowski D D: Joanna Kulig, Tomasz Kot, Borys Szyc, Cédric Kahn, Agata Kulesza

SEARCHING FOR SUGAR MAN ¢ Sputnik Kino

SORRY ANGEL

¢ Union Filmtheater, am 6.12. mit Gästen

¢ Filmrauschpalast

MANDY

SUSPIRIA

¢ b-ware! ladenkino

¢ b-ware! ladenkino, City Kino Wedding, Il Kino, Sputnik Kino

MATANGI/MAYA/M.I.A. ¢ Il Kino, Sputnik Kino

DER TRAFIKANT

NANOUK

¢ Acud Kino, Bali Kino, b-ware! ladenkino, Bundesplatz-Kino, Intimes

¢ Acud Kino, Bali Kino

OFFENES GEHEIMNIS ¢ Bundesplatz-Kino, Sputnik Kino

PARADOGMA ¢ am 29.11. um 20 Uhr mit Regisseur

PHANTASTISCHE TIERWESEN: GRINDELWALDS RACHE ¢ Union Filmtheater

VERLIEBT IN MEINE FRAU ¢ Union Filmtheater

VERSCHWÖRUNG

EIN FILM VON

GASPAR NOE „WAS FÜR EINE ERFAHRUNG, WAS FÜR EIN RAUSCH, WAS FÜR EIN HÖLLENRITT.“ KINO-ZEIT.DE

¢ Union Filmtheater

DER VORNAME ¢ Bali Kino, b-ware! ladenkino

WAS UNS NICHT UMBRINGT ¢ Acud Kino, Eva Lichtspiele

WO BIST DU, JOÃO GILBERTO? ¢ Acud Kino, b-ware! ladenkino, Eva Lichtspiele

AB 6. DEZEMBER IM KINO /CLIMAXDERFILM WWW.CLIMAX-FILM.DE


INDIEKINDER

KINDERFILME A–Z

ALS DER WEIHNACHTSMANN VOM HIMMEL FIEL

GEISTER DER WEIHNACHT Die Augsburger Puppenkiste führt die berühmte Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens auf: Der griesgrämige, alte Ebenezer Scrooge hat viel Geld aber keine Freunde. Weihnachten kann er nicht ausstehen, und warum Menschen zusammen feiern, ist ihm ein Rätsel. Da erscheinen ihm am Abend vor Weihnachten mehrere Geister. Sie erinnern ihn daran, wie gerne er als Kind Weihnachten gefeiert hat, und sie zeigen ihm, wie einsam sein Leben aussehen wird, wenn er sich nicht rechtzeitig ändert …

¢ Bali Kino, Eva Lichtspiele, Sputnik Kino

Deutschland 2018 D R: Julian Köberer, Judith Gardner D 64 min, FSK: oA

¢ Sputnik Kino

CHARLES DICKENS: DER MANN, DER WEIHNACHTEN ERFAND ¢ b-ware! ladenkino, Eva Lichtspiele, Intimes, Sputnik Kino

DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL ¢ Union Filmtheater

DER GRINCH ¢ Eva Lichtspiele, Intimes, Union Filmtheater

KINDERFILM DES MONATS: PLÖTZLICH SANTA ¢ Bali Kino, Bundesplatz Kino, Eva Lichtspiele, Kino Intimes, Sputnik Kino, Union Filmtheater, Xenon Kino Alle Termine unter kinderkinobuero.de Vorbestellungen unter 030/235 562 51

DER KLEINE DRACHE KOKOSNUSS ¢ Union Filmtheater

NIKOLAUS-SPEZIAL: DIE UNENDLICHE GESCHICHTE Am Nikolaustag zeigt das City Kino Wedding DIE UNENDLICHE GESCHICHTE und es gibt eine Überraschung für alle, die einen Stiefel vor der Kinotür lassen. Bastian Balthasar Bux liest heimlich auf dem Dachboden das Buch „Die unendliche Geschichte“. In der Geschichte geht es um das Land Phantásien, das droht, im Nichts zu verschwinden, wenn die Kindliche Kaiserin nicht von ihrer Krankheit geheilt wird. Der Junge Atréju und der Glücksdrache Fuchur suchen nach Rettung, und Bastian muss ihnen helfen … ¢ City Kino Wedding, am 6.12. um 17 Uhr mit Nikolausüberraschung

ELLIOT – DAS KLEINSTE RENTIER ¢ Bali Kino, b-ware! ladenkino, Intimes, Union Filmtheater

Deutschland/USA 1984 D R: Wolfgang Petersen, Hermann Weigel D 103 min, FSK: 6

FEUERWEHRMANN SAM – PLÖTZLICH FILMHELD! ¢ Union Filmtheater

D 36

D DEZEMBER 2018

DAS KLEINE GESPENST ¢ Sputnik Kino

DER KLEINE MAULWURF ¢ b-ware!ladenkino


INDIEKINDER

LAURAS WEIHNACHTSSTERN

SPATZENKINO: SCHÖNE BESCHERUNG

¢ Bali Kino

¢ Bali Kino, Eva Lichtspiele, Kino Intimes, Union Filmtheater, Xenon Kino alle Termine unter spatzenkino.de, Vorbestellungen unter 030/449 47 50

MICHEL IN DER SUPPENSCHÜSSEL ¢ City Kino Wedding

SPIDER MAN – A NEW UNIVERSE

RONJA RÄUBERTOCHTER Ronja, die Tochter des Räuberhauptmanns Mattis, wächst auf der großen Räuberburg im wilden Räuberwald auf. Sie kann reiten und schwimmen und hat keine Angst vor Graugnomen und Drausedruden. Eines Tages trifft sie Birk, den Sohn von Räuberhautmann Borka, im Wald und die beiden werden Freunde. Aber Ronjas Vater darf das nicht wissen, denn er will nichts so sehr, wie den ganzen Borka-Clan aus dem Räuberwald zu vertreiben … Zum Donnerdrummel! Verfilmung des Kinderbuchs von Astrid Lindgren.

¢ City Kino Wedding, Intimes

Schweden 1986 D R: Tage Danielson D 126 min, FSK: 6

¢ Union Filmtheater

KINDERKINO IM INDIEKINO DER NUSSKNACKER UND DIE VIER REICHE ¢ Eva Lichtspiele, Intimes, Union Filmtheater

ACUD KINO

DIE UNENDLICHE GESCHICHTE ¢ City Kino Wedding

Sa+So auch 15+16 Uhr B-WARE! LADENKINO

¢ b-ware! ladenkino, Sputnik Kino

DIE UNGLAUBLICHEN 2 ¢ b-ware! ladenkino, Union Filmtheater

TÄGLICH ab 12 Uhr

BALI KINO

DO, FR, SA, SO 16 Uhr

BUNDESPLATZ KINO

DO, FR, SA, SO 13.30 Uhr

EVA-LICHTSPIELE

PETTERSSON UND FINDUS: MORGEN FINDUS, WIRD’S WAS GEBEN

TÄGLICH 17 Uhr

DO, FSA, SO 13.15 Uhr

R,

FILMKUNST66

DO, FR, SA, SO 15 Uhr

IL KINO

DO, FR, SA, SO Sa 14 Uhr/So 12 Uhr

KINO INTIMES

DO, FR, SA, SO

KLICK KINO

DO, FR, SA, SO

SPUTNIK KINO

DO, FR, SA, SO

TILSITER LICHTSPIELE DO, FR, SA, SO wechselnde Zeiten UNION FILMTHEATER

DO, TÄGLICH 15 Uhr

Sa+So 13 Uhr WOLF KINO

DSA, SO

XENON KINO wechselnde Termine

SCHNEEKÖNIGIN (1966) ¢ Union Filmtheater

TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE

WILDHEXE ¢ Bali Kino, b-ware! ladenkino

Eine aktuelle ­Programmübersicht über alle KinderfilmTermine finden Sie auf www.indiekino.de

DEZEMBER 2018 D

37 D


INDIEKINOHIGHLIGHTS

ACUD KINO, BROTFABRIK KINO, SPUTNIK KINO RUSSISCH DOK: THIRD-CLASS TRAVEL D 38

D DEZEMBER 2018


INDIEKINOHIGHLIGHTS

Kurz nach Weihnachten bestieg der aserbaidschanische Regisseur Rodion Ismailov (NOMADEN) den Zug von Moskau nach Vladivostok. Sieben Tage später hatte er die längste Eisenbahnstrecke der Welt hinter sich gebracht und auf dem Weg viele seiner Mitreisenden interviewt. Besonders die Russen, die sich nur die billigste dritte Klasse leisten können, lässt er zu Wort

kommen, darüber, wie sie die Welt und ihr Land sehen. Ihre Geschichten vereinen sich zum Bild eines Landes aus tausend Facetten, das immer in Bewegung und Veränderung ist.  Sputnik Kino: 17.12. um 19.30 Uhr  Acud Kino: 19.12 um 20 Uhr  Brotfabrik Kino: 20.12. um 18 Uhr

DEZEMBER 2018 D

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INDIEKINOHIGHLIGHTS

Fortunata

BALI KINO CINEMA! ITALIA! In Berlin macht die deutschlandweite cinema!italia!-Tournee immer im Bali Station und bringt Sonne in den Dezember. AMMORE ET MALAVITA/ LOVE & CRIME von Antonio & Marco Manetti erzählt eine Liebesgeschichte unter Mafiosi als knallbuntes Musical. In Riccardo Milanis COME UN GATTO IN TANGENZIALE/WIE EINE KATZE AUF DER AUTOBAHN haben der Innenstadt-Akademiker Giovanni und die Stadtrand-Prolette

Monica ein starkes gemeinsames Interesse: Sie wollen die Romanze ihrer Teenager-Kinder sabotieren. Sergio Castellittos Geschichte der impulsiven, alleinerziehenden FORTUNATA und Vincenzo Marras Porträt des Priesters Giuseppe, der sich in L’EQUILIBRIO der organisierten Kriminalität entgegen stellt, leben von der präzisen Zeichnung ihrer Charaktere. In TARANTA ON THE ROAD von Salvatore Allocca finden zwei Migranten Unterschlupf bei einer erfolglosen Band und die sensible Komödie TUTTO QUELLO CHE VUOI/ALLES DU WILLST von Francesco Bruni bringt den jungen Rumhänger Alessandro mit dem 85jährigen, an Alzheimer erkrankten, Poeten Giorgio zusammnen. balikino-berlin.de  6.–12.12.

Call Me By Your Name

Baronesa

FILMRAUSCHPALAST BEST OF RAUSCH

CITY KINO WEDDING FURORA FILMFESTIVAL

Wie jedes Jahr zeigen die Rauschler und Rauschlerinnen im Dezember und Januar ihre persönlichen Lieblinge noch einmal. Dieses Jahr erzählt Luca Guadagnino in CALL ME BY YOUR NAME von erster Liebe unter der italienischen Sonne und Thomas Stuber in IN DEN GÄNGEN von einer zarten Anbahnung unter Gabelstaplern. In THE FLORIDA PROJECT guckt Sean Baker mit den Augen seiner kleinen, resilienten Protagonisten auf ein disneybuntes Elend am Rande der Autobahn. Der dreckige kleine Thriller GOOD TIME der Safdie Brüder ist schnell und effizient – ein Geheimtipp. Auch zwei Animationen sind dabei: TEHERAN TABU von Ali Soozandeh geht den Kniffen nach, mit denen Liebende die Regeln des Regimes umgehen, und in ISLE OF DOGS erfindet Wes Anderson eine ganz eigene Welt, die ein bisschen nach Japan aussieht. filmrausch.de  27.12.–8.1.

Am 7. und 8. Dezember findet im City Kino Wedding zum ersten Mal das Furora Film Festival statt, das sich zum Ziel gesetzt hat, Frauen im Film-Business nach vorne zu bringen. Für alle Besucher*innen zeigt das Festival Kurz-, Spiel- und Dokfilme von Filmemacherinnen*, natürlich mit Gästen und Gesprächen. Unter anderem werden HAUS OHNE DACH von Soleen Yusef über drei Geschwister, die von Stuttgart nach Kurdistan reisen, um ihre Mutter zu beerdigen, und Juliana Antunes Dokumentarfilm BARONESA, ein Porträt von zwei Nachbarinnen in der Favela, zu sehen sein. Für die Profis bietet Furora eine Plattform, auf der frau* sich vernetzen kann, und ein Rahmenprogramm, das aus einem Business-Brunch, einem Vortrag über Filmproduktion und Workshops zu den Themen Kamera und Sound Design besteht. furorafestival.de  7. & 8.12.

D 40

D DEZEMBER 2018


B-WARE!LADENKINO FILM.SUCHT: DESIGN FOR LIVING

INDIEKINOHIGHLIGHTS

Zum Thema “Ehe und Familie” gibt es im Dezember einen flotten Dreier. 1933 war Ernst Lubitsch (sehr lose) Adaption von Noel Cowards Theaterstück galant kultiviert, aber hart an der Grenze dessen, was der Hays Code erlaubte. Fredric March und Gary Cooper spielen zwei amerikanische Künstler, die sich in Paris eine Wohnung teilen. Da sie beide auch in die hinreißende Gilda (Miriam Hopkins) verliebt sind, schließen sie ein Gentleman’s Agreement, das sie beruflich und kreativ beflügelt, ihre Gefühle aber auf die Probe stellt. Als ein weiterer Mann Interesse an Gilda anmeldet, kocht die Liebschaft endgültig über.  12.12. um 20 Uhr/20.30 Uhr, sowas in der Art

Drei Männer im Schnee

EVA-LICHTSPIELE DER ALTE DEUTSCHE FILM (FINALE MIT MARTIN)

CITY KINO WEDDING BERLINALE SPOTLIGHT: THE BEST THING YOU CAN DO WITH YOUR LIFE Als der kleine Bruder der Regisseurin Zita Erffa nach der Schule in den Orden der Legionäre Christi eintritt, verschwindet er aus dem Leben der Familie. Nur einmal im Jahr dürfen sie ihn besuchen, seine Vorgesetzten dürfen sogar die Briefe an ihn lesen. Als Kinder fuhren die beiden Geschwister mit dem Orden aufs Sommercamp, es war die tollste Zeit des Jahres. Aber die Legionäre fanden beide merkwürdig, fast sektenartig. Warum hat ihr Bruder ausgerechnet sie zu seiner neuen Familie gemacht? Acht Jahre vergehen, ehe die Regisseurin ins Kloster in Connecticut reist, um ihren Bruder zu suchen. Linda Söffker, Sektionsleiterin der „Perspektive Deutsches Kino“, stellt den Film vor und moderiert ein Gespräch mit Gästen und Publikum.  11.12. um 19 Uhr

Der Käpt’n geht von Bord. Nachdem er in 12 Jahren, 600 Vorstellungen und mit vielen Gästen die Entwicklung des deutschen Filmes zwischen 1929 und 1950 im historischen Kontext und allen Facetten beleuchtet hat, wird Dr. Martin Erlenmaier im Dezember seine letzten vier alten deutschen Filme vorstellen. Die Reihe läuft weiter, wie gewohnt jeden Mittwoch, 15.45 Uhr in den Eva Lichtspielen. Am 5.12. wirft sich Jopi Heesters (Alles Gute zum 115.!) für die Filmrevue KARNEVAL DER LIEBE (1943) in den Frack und singt sich charmant durch romantische Verwirrungen. Jopis Tochter Nicole spielt in der 1955er-Version von DREI MÄNNER IM SCHNEE (12.12.) mit. In einem Luxushotel muss sie ihren schwerreichen Vater beschützen, der als armer Schlucker getarnt erleben will, wie normale Menschen leben. Wobei es natürlich zu Verwechslungen kommt ... Pola Negri begann 1935 mit MAZURKA (19.12.) eine Erfolgssträhne in Deutschland. Als alternde Sängerin erschießt sie vor vollem Haus den Mann, der ihre Tochter verführen wollte und schon einmal ihr Leben zerstörte. Nach den Feierlichkeiten verschlägt es Willy Fritsch am 2.1. nach Wilmersdorf. Als Komponist der LEICHTEN MUSE (1941) muss er sich, im schönen Kostüm und zu Kollo-Klängen, zwischen Liebe und beruflichem Erfolg entscheiden.  Immer mittwochs um 15.45 Uhr

Shorts Attack im Dezember:

GOLDEN SHORTS

Acud Kino: 13. Dez. – 21 Uhr FilmRauschPalast Moabit: 16. Dez. – 22 Uhr Il Kino: 21. Dez. – 20 Uhr


INDIEKINOHIGHLIGHTS

Sookee – Von Seepferdchen und Schränken

SPUTNIK KINO BLN – BERLIN LESBIAN NON-BINARY FILMFEST „Es gibt so viele tolle Festivalfilme, die in den letzten Jahren nie in Berlin gelaufen sind. Das hat uns ziemlich genervt, dass wir gute lesbische Filme nicht in Berlin sehen können, sondern dafür nach Hamburg, Weiterstadt, Esslingen, Köln, Münster oder Freiburg fahren müssen.“ Das hat jetzt ein Ende. Zum allerersten Mal findet am 2. Adventssonntag das BLN – Berlin Lesbian Non-Binary Filmfest statt – erstmal nur einen Tag lang, aber der ist so voll gepackt, dass Festival-Feeling aufkommt. In gerade mal zwei Monaten haben die Macherinnen ein umfangreiches Programm aus dem Boden gestampft: Zu sehen ist beispielsweise der Überraschungserfolg der Filmfestspiele in Cannes RAFIKI, der von einer lesbischen Liebe in

Kenia erzählt, und der diesjährige Gewinner von zwei Silbernen Bären der Berlinale DIE ERBINNEN (Besprechung auf Seite 20). Es gibt Lustiges (VERRÜCKT NACH CECILE), Gruseliges (GUTE MANIEREN), Kurzfilme, Dokumentarisches über das Leben von Menschen, die sich zwischen den binären Geschlechtspolen wiederfinden, und sogar eine kleine Festival-Untersektion „Rainbow Family“: In RARA geht es um die alltäglichen Schwierigkeiten im Kampf um das Sorgerecht, in JUST CHARLIE um die Selbstbestimmung über das eigene Geschlecht und den Lebensweg eines jugendlichen Fußball-Talents. Zum Abschluss wird am Sonntagabend um 20.30 Uhr eine weitere Berlin-Premiere gezeigt: In MY DAYS OF MERCY spielen Kate Mara und Ellen Page zwei Frauen, die gänzlich unterschiedliche Ansichten über die Todesstrafe haben und sich trotz aller Gegensätze zueinander hingezogen fühlen. Dazwischen und drum herum: Sektempfang, Gespräche, Austausch, Fest. blnfilmfest.org  Pre-Opening-Vorführung von DIE ERBINNEN: 29.11. um 19.30 Uhr  Festival-Tag: 9.12. ab 11.30 Uhr

Poultrygeist: Night of the Chicken Dead

UNION FILMTHEATER DIE LANGE HERR DER RINGE-NACHT

FILMRAUSCHPALAST WIR KINDER VOM BAHNHOFSKINO XXV: TROMA!

Wer kurz vor Weihnachten lieber Hobbits nach Mordor als Hirten nach Bethlehem folgt, kann dies im Union Kino tun. Peter Jacksons erste ­Tolkien-Trilogie lief seinerzeit ja auch in der Adventszeit an, und am 22.12. ab 18 Uhr werden alle drei Teile am Stück gezeigt. Noch einmal kann man den Gefährten an den zwei Türmen vorbei folgen, bis gute neun Stunden später die Rückkehr des Königs gefeiert wird und alle Augen brennen wie das des Sauron. Ein Getränk und eine Portion Popcorn oder Nachos sind im Preis von EUR 18 inklusive. Zurück kommt man dann mit der S-Bahn anstatt auf dem Rücken von Adlern.

The Trash that wouldn’t die! Zwei Jahre lang verwehrt sich das Bahnhofskino-Kollektiv nun schon dem guten Geschmack und der Nüchternheit. Zur Feier der 25. Ausgabe gibt es drei besonders saftige Klabusterbeeren des ersten Hauses in Sachen „Abstruser Low-Budget-Trash“: Troma Entertainment! In POULTRYGEIST: NIGHT OF THE CHICKEN DEAD (2006) tritt ein Loser einen Job bei American Bunker Chicken an. Da das Restaurant aber auf einem alten Indianerfriedhof errichtet wurde, beißen die Hühnchen bald zurück! 18 Jahre bevor James Gunn große Marvelschinken drehen durfte, schrieb er für Troma TROMEO UND JULIET, mit mehr Sex, Gewalt als bei Shakespare und mit Lemmy Kilmister! Als Höhepunkt gibt es den ultimativen Superhelden mit dem Feudel: THE TOXIC AVENGER! Die üblichen Bahnhofskinoregeln greifen und hinterher gibt es eine Party!  14.12., ab 22 Uhr

 22.12. ab 18 Uhr

D 42

D DEZEMBER 2018


INDIEKINOHIGHLIGHTS

CITY KINO WEDDING WEDDINGWEISER KURZFILMWETTBEWERB Das City Kino Wedding präsentiert gemeinsam mit dem „Weddingweiser“ Kurzfilme zum Thema WOHNSINN – Wohnen im Wedding! Erstellt wurden die 90 Sekunden-Filme von Profis, Freizeitregisseur*innen, und Hobbyautor*innen – jeder konnte mitmachen. Am 15.11. werden die Favoriten der Jury gekürt und der Publikumsgewinner gewählt. Der Eintritt ist frei.  15.12., 18 Uhr

BUNDESPLATZ-KINO DIE 80ER IM KURZFILM Zum 70. Geburtstag des Berliner Regisseurs Eberhard Weißbarth zeigt das Bundesplatz-Kino dessen restaurierte Kurzfilme aus den 80er Jahren, darunter die Oscar-nominierten Filme AUGENBLICKE (1984) und ECHO (1990).  1.12. um 15.30 Uhr

BROTFABRIK KINO BERLIN-FILM-KATALOG: DOMINO Weihnachten naht, und nachdem sie ihre Tochter zum Bahnhof Zoo gebracht hat, möchte sich Lisa (Katharina Thalbach) ein paar ruhige Tage machen. Doch plötzlich kann die alleinstehende arrivierte Schauspielerin ihre Wohnungstür nicht mehr öffnen – was nur der Beginn einer Reihe eigenartiger Ereignisse ist. Zudem erreicht sie überraschend ein Angebot des berühmt-berüchtigten Regisseurs Lehrter, der einst von den Nazis verfolgt und dann in die Schweiz geflüchtet war (Bernhard Wicki): Im Hebbel-Theater möchte er mit ihr Goethes „Stella“ inszenieren. Der zweite Spielfilm von Thomas Brasch (1945-2001) ist heute nicht zuletzt wegen seiner Alltagsbilder aus dem winterlichen West-Berlin der frühen achtziger Jahre interessant. Er wirkt umso verstörender, als er seine Geschichte einer über die Hauptfigur langsam hereinbrechenden Identitäts- und Lebenskrise zwar mit surrealen Anklängen erzählt, aber ohne den damit meist einhergehenden Versuchen, die Realität magisch oder poetisch zu überhöhen: Alles spielt sich alles in einem ganz normal wintergrauen Berlin ab.  10.–12.12. um 18 Uhr

FILMRAUSCHPALAST MANGA MONDAY: TOKYO GODFATHERS In John Fords Film THREE GODFATHERS (dt. SPUREN IM SAND) von 1948 stapfen drei Bankräuber mit einem Baby im Arm durch die Wüste, bevor zwei sterben und John Wayne, kurz vorm Verdursten, am Heiligabend ein Zeichen von Gott erhält. TOKYO GODFATHERS von Satoshi Kon ist eine lockere Adaption von Fords Film, der selbst bereits das dritte Remake des Stummfilmstoffes war. Drei Obdachlose – ein Alkoholiker, ein Teenager-Mädchen und eine Drag-Queen – finden am Heiligabend ein Baby im Müll und machen sich auf die Suche nach den Eltern. Gott ist definitiv auch am Start.  10. und 17.12. um 20 Uhr

Berlin Classics Täglich 23:30 Uhr

Montag Herr Lehmann

Dienstag Eins, Zwei, Drei

Mittwoch Der Himmel über Berlin

Donnerstag Lola rennt

Freitag Victoria

7 Tage 7 Filme Samstag Berlin Calling

Sonntag Oh Boy

Deutsch mit Engl. UT

KINO INTIMES * Boxhagener Strasse 107 * 10245 Berlin Tel. +49.30.297.776.40


INDIEKINOHIGHLIGHTS

ACUD KINO VISIONÄR: RAFIKI

BUNDESPLATZ-KINO PSYCHE & FILM: DAS BRANDNEUE TESTAMENT

„Gute kenianische Mädchen werden gute kenianische Ehefrauen“. Nicht nur die politische Rivalität ihrer Eltern trennt Kena von ihrer Liebsten, der wunderbar bunthaarigen Ziki. In Kenia ist so etwas wie lesbische Liebe nicht vorgesehen und mehr als einmal müssen die jungen Frauen einander vor tätlichen Angriffen beschützen. Auf Unterstützung können sie nicht hoffen, erst recht nicht von ihren Familien. Auch die Regisseurin Wanuri Kahiu bekam es bei ihrer Inszenierung der Teenager-Liebesgeschichte „Jambula Tree“ mit Repressalien der kenianischen Zensur zu tun. Vor Gericht konnte Kahiu den Film nicht als offiziellen Oscarkandidaten durchsetzen, aber beim Cannes Filmfestival lief er erfolgreich in der Sektion „Un certain regard“.  12.12., 21 Uhr

Bei den Psyche & Film-Veranstaltungen im Bundesplatz-Kino ging es 2018 um das psychoanalytisch immer brandaktuelle Thema Kinder und Väter. Als letzten Film des Jahres zeigt das Kino die belgische Groteske DAS BRANDNEUE TESTAMENT (OmU) von Jaco Van Dormael: Gott ist hier ein sadistischer und cholerischer Familienvater, der seinen Sohn Jesus für ein Weichei hält und seine Frau und Tochter tyrannisiert. Die macht dem Gehabe einen Strich durch die Rechnung, indem sie Gottes PC hackt und allen Menschen ihr Sterbedatum schickt. Kurze Zeit später hat Gott eine Revolte an der Hand. Die Einführung und Diskussion liegt wieder in der Hand von Donat Keusch von der C.G.-Jung-Gesellschaft.

KINO KROKODIL KLER

Z-INEMA FUGITIVE GIRLS

KLER, Wojciech Smarzowskis Abrechnung mit dem korrupten polnischen Klerus hat in Polen alle Kassenrekorde geknackt. Über 5 Millionen Zuschauer sahen den Film, fast 2 Million mehr als James Camerons AVATAR. Der Film hat eine umfassende gesellschaftliche Debatte um sexuellen Missbrauch, Korruption und Scheinheiligkeit ausgelöst. In Deutschland war KLER bisher nicht zu sehen. Das Krokodil zeigt den Film in einer Einzelvorstellung am 7. Dezember.

Der Orson Welles des So-schlecht-dass-es-irgendwie-okay-ist-Kinos, Ed Wood und der bulgarisch-amerikanische Softcore-Regisseur Stephen C. Apostolof produzierten eine ganze Reihe von Exploitation-Filmen gemeinsam. FUGITIVE GIRLS (1974) gilt neben ORGY OF THE DEAD (1965) als ihre „beste“ Zusammenarbeit. Die Dialoge im Trailer sind jedenfalls beeindruckend: Mann kriegt von Frau auf die Zwölf, sein Kumpel, erbleichend: „My god!!! A lesbian!“. Der Plot: Fünf skrupellose Ausbrecherinnen begeben sich auf einen brutalen und blutigen Trip durch die Wüste. Restaurierte Fassung.  4.12. um 20 Uhr

 7.12.um 19 Uhr

D 44

D DEZEMBER 2018

 18.12. um 20.30 Uhr


INDIESERVICE

DIE INDIEKINOS

ACUD KINO MITTE

1

Veteranenstr. 21, 10119 Berlin www.acudkino.de 030/44 35 94 98

CITY KINO WEDDING FILMKUNST66 IM CENTRE FRANÇAIS CHARLOTTENBURG Bleibtreustr. 12, 10623 Berlin WEDDING 6 www.filmkunst66.de 030/882 17 53

Müllerstraße 74, 13349 Berlin www.citykinowedding.de 01525/968 79 21

FSK-KINO AM ­ORANIENPLATZ KREUZBERG 10

KINO KROKODIL PRENZLAUER BERG

13

Greifenhagener Str. 32, 10437 Berlin www.kino-krokodil.de 030/44 04 92 98

Segitzdamm 2, 10969 Berlin www.fsk-kino.de 030/614 24 64

UNION FILMTHEATER FRIEDRICHSHAGEN Bölschestr. 69, 12587 Berlin 17 www.kino-union.de 030/65 01 31 41

KLICK-O-TONART SCHÖNEBERG 14

B-WARE! LADENKINO FRIEDRICHSHAIN 2 Gaertnerstr. 19, 10245 Berlin ladenkino.de, 030/63 41 31 15

8

EVA-LICHTSPIELE BERLIN WILMERSDORF 7

Kulmer Str. 20a, 10783 Berlin klickkino.de

FILMRAUSCH­PALAST MOABIT 9

IL KINO NEUKÖLLN

Lehrter Str. 35, 10557 Berlin www.filmrausch.de 030/394 43 44

Nansenstr. 22, 12047 Berlin www.ilkino.de 030/81 89 88 99

WOLF KINO NEUKÖLLN 18

11

Weserstraße 59, 12045, Berlin wolfberlin.org 030/921 03 93 33

Blissestr. 18, 10713 Berlin www.eva-lichtspiele.de, 030/92 25 53 05

SPUTNIK KINO AM SÜDSTERN KREUZBERG 15

BALI KINO ZEHLENDORF  3  Teltower Damm 33, 14169 Berlin www.balikino-berlin.de 030/811 46 78

KINO INTIMES FRIEDRICHSHAIN REINICKENDORF

12

Hasenheide 54, 10967 Berlin www.sputnik-kino.com 030/694 11 47

XENON KINO SCHÖNEBERG

19 Kolonnenstr. 5, 10827 Berlin www.xenon-kino.de 030/78 00 15 30

Boxhagener Str. 107, 10245 Berlin www.kino-intimes.de 030/29 77 76 40

PANKOW  C

6   13

BROTFABRIKKINO WEISSENSEE  4

9   H    20   1

SPANDAU

Caligariplatz 1, 13086 Berlin www.brotfabrik-berlin.de 030/471 40 01

MITTE

CHARLOTTENBURGWILMERSDORF  7

MARZAHNHELLERSDORF

TILSITER LICHTSPIELE FRIEDRICHSHAIN 16

B    2   FRIEDRICHSHAIN 10   A    14   19

15    E

TEMPELHOFSCHÖNEBERG

STEGLITZZEHLENDORF

LICHTENBERG

16   12

8

5

4

R.-Sorge-Str. 25a, 10249 Berlin www.tilsiter-lichtspiele.de 030/426 81 29

KREUZBERG

F    21    11    G    18

Z-INEMA ­MITTE

20

Bergstr. 2, 10115 Berlin www.z-bar.de 030/28 38 91 21

17    D

TREPTOWKÖPENICK

NEUKÖLLN

3

BUNDESPLATZ-KINO WILMERSDORF 5 Bundesplatz 14, 10715 Berlin www.bundesplatz-kino.de 030/85 40 60 85

B-WARE! OPEN AIR IM VOR WIEN ­BIERGARTEN KREUZBERG  A  IM FMP1 FRIEDRICHSHAIN  B ladenkino.de

FREILICHTBÜHNE WEISSENSEE WEISSENSEE

C

freilichtbuehne-weissensee.de

FREILUFTKINO  D  FRIEDRICHSHAGEN FRIEDRICHSHAGEN

www.freiluftkino-friedrichshagen.de

FREILUFTKINO ­HASENHEIDE KREUZBERG  E

FREILUFTKINO ­POMPEJI FRIEDRICHSHAIN

FREILUFTKINO ­INSEL ZU GAST IM ­CASSIOPEIA FRIEDRICHSHAIN  F

WINDLICHT IM FILMRAUSCH­ PALAST: „UMSONST & DRAUSSEN“ MOABIT  H

www.freiluftkino-hasenheide.de

www.freiluftkino-insel.de

G

freiluftkino-pompeji.de

ZUKUNFT ­FRIEDRICHSHAIN

21

Laskerstr. 5, 10245 Berlin kino-zukunft.de 0176/57861079

www.filmrauschpalast.de

IMPRESSUM Herausgeber: INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) Rudolfstr. 11, 10245 Berlin Telefon: 030 – 209 897 24, info@indiekino.de, www.indiekino.de

Bildnachweis: Filmbilder/Plakatmotive: Filmverleiher/Filmfestivals Film aus Papier (S. 7): Film aus Papier Verlosung/Cover Bildband Alexander McQueen (S. 7): Schirmer Mosel Verlag 30 Jahre Sputnik Kino am Südstern (S. 9): Sputnik Kino

Geschäftsführung: Hendrike Bake Redaktion: Hendrike Bake, Thomas Dorow redaktion@indiekino.de Filmtexte: Hendrike Bake, Judith Barth, Yorick Berta, Tom Dorow, Patrick Heidmann, Susanne Kim, Jonas König, Christian Klose, Elinor Lewy, Jens Mayer, Dice Miller, Marie Minot, Toni Ohms, Manon Scharstein, Hannes Stein, Anna Stemmler Texte Kinohighlights: INDIEKINO BERLIN und Kinos Grafik: Michael Zettler, Nora Wiesner (Zett Media) Akquise/Marketing: Michael Spiegel, spiegel@indiekino.de Druck: Bonifatius Druck, Paderborn

Eine Gewähr für die Richtigkeit der Termine kann nicht übernommen werden. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Ein Nachdruck ist nur mit Genehmigung von Redaktion und Autor und mit Quellenangabe gestattet. Für unverlangt eingesandtes Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Das INDIEKINO BERLIN Magazin erscheint in einer Auflage von 20.000 Stück. Das Magazin ist kostenfrei. Verteilung in den Berliner Kinos ACUD Kino, b-ware!ladenkino, Bali Kino, Brotfabrikkino, Bundesplatz Kino, City Kino Wedding, Eva Lichtspiele, filmkunst66, Filmrauschpalast Moabit, fsk-Kino am O ­ ranienplatz, Hackesche Höfe Kino, IL Kino, Kino Intimes, Kino Krokodil, Klick Kino, Sputnik Kino am Südstern, Tilsiter Lichtspiele, Union Filmtheater, Wolf Kino, Xenon Kino, Z-inema, Zukunft sowie an weiteren 400 Verteilstellen. Abonnement: Auf Wunsch liefern wir Ihnen das INDIEKINO BERLIN Magazin gerne zu einem Unkostenbeitrag direkt nach Hause. Weitere Informationen und ein Bestellformular finden Sie unter: www.indiekino.de/news/de/abonnement

DEZEMBER 2018 D

45 D


Links ein Bild aus Rainer Sarnets Film NOVEMBER, rechts ein Foto des estnischen Fotografen Johannes Pääsuke, der im Sommer 1913, noch zur Zeit der Herrschaft des deutschbaltischen Adels, im Alter von 21 Jahren die Bauern der estnischen Küste fotografierte. Geschichten, Fotografien und Filme können die Welt durchaus verändern. Die Geschichte der estnischen Befreiung von deutschen, schwedischen, dänischen, polnischen und russischen Kolonial-Herrschern beginnt im 19. Jahrhundert mit der Sammlung von Märchen und Mythen in estnischer Sprache durch einzelne gebildete Esten. Anfang des 20. Jahrhunderts ist sie bei der Dokumentation der aktuellen Lebenssituation angelangt. Fünf Jahre nach Pääsukes Fotoarbeiten erreicht Estland erstmals die Unabhängkeit. NOVEMBER erzählt diese Geschichte wie selbstverständlich mit.

NACHBILD

VORSCHAU INDIEKINO IM JANUAR

D CAPERNAUM – STADT DER HOFFNUNG Die Unsichtbaren D DAS MÄDCHEN, DAS LESEN KONNTE Frühe Feministin D YULI Tanz & Leben D FAHRENHEIT 11/9 Moore rechnet ab D MARIA STUART, KÖNIGIN VON SCHOTTLAND Ronan vs. Robbie D GENESIS 2.0 Real-Science-Fiction D BEAUTIFUL BOY ­Familienentzug D THE FAVOURITE Extravagante Intrigen D THE WIFE Glenn Close trennt sich D REY Patagonische Träume D MEIN LIEBSTER STOFF ­Frühling in Damaskus D POLAROID Tödliche Sofortbildkamera D RAUS Protest-Macho D DER SPITZENKANDIDAT Polit-Biopic D UNZERTRENNLICH Kranke Geschwister D GREEN BOOK Roadtrip mit Mahershala Ali D RAFIKI Lesbische Liebe in Kenia D THE OLD MAN AND THE GUN Redford Relaxed D 46

D DEZEMBER 2018


AB 27. DEZEMBER IM KINO


„Mit Marcelo Martinessi hat die Filmwelt ein großes Talent gewonnen."

„Martinessi kombiniert scharfsinnig Subtilität, Melancholie und satirische Beobachtung.“

Dirk Böhme, Kaput Magazin

„Ein fein gearbeitetes, wundervoll umgesetztes Debüt, organisch und persönlich.“

Peter Bradshaw, The Guardian

Variety

Es ist nie zu spät, neu anzufangen...

Die Erbinnen Ein Film von

ANA

BRUN

MARCELO MARTINESSI MARGARITA

IRÚN

ANA

IVANOVA

Ab 29.11.2018 in den sehr guten Kinos Berlins: Kino in der Brotfabrik Sputnik

Filmkunst66

FSK

Tilsiter Lichtspiele

Lichtblick

Wolf


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