D BURNING Träumerischer Fluss D THE DEAD DON’T DIE Meta-Zombiefilm, mindestens D NUESTRO TIEMPO Wer manipuliert wen? D REBELLINNEN Gemeinsam Gangster D NOME DI DONNA Zähe Gegenwehr D FUCK FAME Zum Star und zurück D SUNSET Materialität und Licht D DAS MELANCHOLISCHE MÄDCHEN Vorgetäuschte Niedlichkeit D ERDE Schönheit der Kipplaster D ZWISCHEN DEN ZEILEN iPads und Affären D MESSER IM HERZ Genderswap-Giallo D EINE MORALISCHE ENTSCHEIDUNG Arzt im Dilemma D CLEO Berliner Schnitzeljagd D ROCKETMAN Das ultimative Elton-John-Musical D DIAMANTINO Super Spätfilm D KAVIAR Groteske mit Oligarch D LONG SHOT Süffige Oneliner
MAGAZIN FÜR UNABHÄNGIGES BERLINER KINO
D 60 D JUNI/JULI 2019
indiekinoBERL
THE DEAD DON’T DIE – START AM 13.6.2019
INDIEKINO BERLIN WIRD UNTERSTÜTZT VON DEN INDIEKINOS D ACUD KINO D B-WARE!LADENKINO D BALI KINO D BROTFABRIK KINO D BUNDESPLATZ KINO D CITY KINO WEDDING D EVA-LICHTSPIELE D FILMRAUSCHPALAST D FSK-KINO AM ORANIENPLATZ D IL KINO D KROKODIL D SPUTNIK KINO AM SÜDSTERN D TILSITER LICHTSPIELE D UNION FILMTHEATER D XENON KINO D WOLF KINO D Z-INEMA D ZUKUNFT D B-WARE! OPEN AIR D FLB WEISSENSEE D FLK FRIEDRICHSHAGEN D FLK HASENHEIDE D FLK INSEL D FLK POMPEJI D FLK „UMSONST & DRAUSSEN“ IM FILMRAUSCHPALAST
EDITORIAL Da ist es wieder, das dicke INDIEKINO-Super-Sommer-Doppelheft als Lektüre für die Hänge- und Badematte. Falls der Sommer so verregnet weitergeht, wie er jetzt gerade aussieht, ist das kein Problem: Anders als noch vor einigen Jahren herrscht im Juni und Juli keineswegs mehr Kinoflaute. Im Gegenteil. Frisch vom Filmfestival in Cannes kommen Jim Jarmuschs Meta-Zombie-Film-Komödie THE DEAD DON‘T DIE, das beflügelnde Elton-John-Musical ROCKETMAN und der neue Film von Pedro Almodovar LEID UND HERRLICHKEIT. Unser persönliches Highlight ist ein Film, der im vergangenen Jahr in Cannes Premiere feierte. In BURNING hat Lee Chang-dong eine Kurzgeschichte von Haruki Murakami verfilmt. Die Story ist zwar nur lose an die Originalgeschichte angelehnt, aber Lee schafft es – vielleicht zum allerersten Mal – Bilder und Szenen für die schwebenden Gefühlszustände zu finden, die den Zauber von Murakamis Geschichten ausmachen. Und sonst so? Werden diesen Sommer fröhlich die Gender und Rollenmodelle geswapt: In KIM HAT EINEN PENIS bekommt die Pilotin Kim einen nigelnagelneuen Penis, in DIAMANTINO wachsen dem Fußballmegastar Diamantino Brüste, im Neo-Giallo MESSER IM HERZ ermittelt eine Frau und die Männer sind Opfer, und in gleich zwei Komödien besteht das tollpatschige Kriminellentrio aus Frauen. Im österreichischen KAVIAR nehmen es die Frauen im Hintergrund mit einem russischen Oligarchen auf, und im französischen REBELLINNEN stolpern Arbeiterinnen einer Fischfabrik über einen Sack voll Geld. Einen guten Sommer und viel Spaß im Kino Eure INDIEKINO BERLIN Redaktion Die Augustausgabe von INDIEKINO erscheint am 25.8.2019 JUNI/JULI 2019 D
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INDIEINHALT
06 MAGAZIN
NEU IN JUNI UND JULI
12 TRÄUMERISCHER FLUSS: BURNING
30 25 47 24 30 25
16 META-ZOMBIEFILM, MINDESTENS: THE DEAD DON’T DIE 18 „TATSACHE IST DOCH, DASS UNSER LEBEN AUS EINER ANEINANDERREIHUNG VON UNGEWISSHEITEN BESTEHT“ INTERVIEW MIT CARLOS REYGADAS ZU NUESTRO TIEMPO 26 VORGETÄUSCHTE NIEDLICHKEIT: DAS MELANCHOLISCHE MÄDCHEN 50 WEITER IM KINO 52 KINDERFILME 54 KINOHIGHLIGHTS 61 KINOADRESSEN, IMPRESSUM, ABO 62 NACHBILD
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D JUNI/JULI 2019
The Artist & the Pervert Ausgeflogen Axel der Held Ein Becken voller Männer Blown Away – Music, Miles and Magic Britt-Marie war hier
12 40 16 42 28 26 30 24 22 34 31 40 43 49 28 48 48 36 37 30 29 32 37
Burning Cleo The Dead Don‘t Die Dene wos guet geit Diamantino Erde Face_it! Fuck Fame Geheimnis eines Lebens Happy Lamento Inna de Yard Kaviar Kim hat einen Penis Der Klavierspieler vom Gare du Nord Kursk Das Leben meiner Tochter Leid und Herrlichkeit Long Shot Los Perros Magie der Wildpferde Mamacita Das melancholische Mädchen Messer im Herz
INDIEINHALT
STARTS DER WOCHE 38 48 23 41 18 47 52 22 29 42 44 39 46 31 41 48 38 46 49 23 34 35
Eine moralische Entscheidung My Days of Mercy Nome di donna Nonna Mia! Nuestro Tiempo O Beautiful Night Orangentage Push – Für das Grundrecht auf Wohnen Ramen Shop Rebellinnen Rocketman Sunset Tel Aviv on Fire They Shall Not Grow Old Tolkien Traumfabrik Unsere große kleine Farm War of Art Wenn Fliegen träumen Yesterday Yoga – Die Kraft des Lebens Zwischen den Zeilen
30.5.
20.6.
30 28 52 44
34 31 49 36 38 47 41
The Artist & the Pervert Diamantino Orangentage Rocketman
6.6. 12 48 37 30 22 29 46 35
Burning Das Leben meiner Tochter Los Perros Magie der Wildpferde Push – Für das Grundrecht auf Wohnen Ramen Shop War of Art Zwischen den Zeilen
13.6. 25 16 24 43 39 34
Britt-Marie war hier The Dead Don‘t Die Fuck Fame Kim hat einen Penis Sunset Yoga – Die Kraft des Lebens
Happy Lamento Inna de Yard Der Klavierspieler vom Gare du Nord Long Shot Eine moralische Entscheidung O Beautiful Night Tolkien
27.6. 24 29 32 18 31 49
Ein Becken voller Männer Mamacita Das melancholische Mädchen Nuestro Tiempo They Shall Not Grow Old Wenn Fliegen träumen
4.7. 26 Erde 22 Geheimnis eines Lebens 40 Kaviar
41 Nonna Mia! 46 Tel Aviv on Fire 48 Traumfabrik
11.7. 47 28 48 42 38 23
Axel der Held Kursk My Days of Mercy Rebellinnen Unsere große kleine Farm Yesterday
18.7. 25 42 37 23
Ausgeflogen Dene wos guet geit Messer im Herz Nome di donna
25.7. 40 Cleo 30 Face_it! 48 Leid und Herrlichkeit
INDIEMAGAZIN
KINO DER MODERNE Am 20. Juni eröffnet im Museum für Film und Fernsehen die von der Deutschen Kinemathek und der Bonner Kunsthalle gemeinsam entwickelte Ausstellung „Kino der Moderne – Film in der Weimarer Republik“. Nun ist das deutsche Kino der 1920er und 1930er Jahre ja ein schon gut beackertes Feld, aber die Ausstellung fügt dem schon Bekannten (Marlene Dietrich, CALIGARI, die „bewegte Kamera“) viele neue und hochinteressante Aspekte hinzu, indem sie Kino und Alltagskultur verbindet. Die verschiedenen Kapitel untersuchen, wie sich Arbeit, Wohnen, Architektur, Mode & Sport, Rollenbilder, die neue Mobilität und auch das kolonialistische Weltbild in den Filmen der Zeit niederschlugen, und fangen in diesem Wechselspiel beeindruckend eine Epoche rasanten Wandels in fast allen Lebensbereichen ein. Ein extra für Berlin erstellter Abschnitt beleuchtet das Wirken von Frauen hinter der Kamera, und stellt 21 weibliche Filmschaffende vor. deutsche-kinemathek.de
LOTHAR LAMBERT WIRD 75 Der unerschrockene Berliner Untergrundkünstler Lothar Lambert, der seit 1971 im Durchschnitt mindestens einen Film pro Jahr gedreht hat, dessen Filme so schöne Titel tragen wie BLOND BIS AUFS BLUT oder AUS DEM TAGEBUCH EINES SEX-MOPPELS, und der mit seinem Werk auch ein beeindruckendes filmisches Berlin-Tagebuch geschaffen hat, wird am 24. Juli 75 Jahre alt! Vom 4.- 10.7. zeigt das Brotfabrik Kino deshalb seinen Klassiker DIE ALPTRAUMFRAU, am 8.7. hat sich Lothar Lambert zur Vorführung angekündigt. Am 25. startet dann Lamberts neuer Film OBEN RUM, UNTEN RUM, der im Brotfabrik Kino und im Bundesplatz Kino zu sehen sein wird. Die Alptraumfrau
L’âge d’or
FILMQUIZ IM SPUTNIK KINO Am 26.7. um 19.30 Uhr ist wieder Quiz-Zeit im Sputnik Kino. Teams aus bis zu vier schlauen Köpfen beantworten rundenweise Fragen zu allen Genres und Epochen des Kinos, so dass nicht nur klassische Nerds eine Chance haben. Der Eintritt ist frei, die Getränke sind gekühlt, und es gibt Preise zu gewinnen.
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D JUNI/JULI 2019
XIU XIU PLAYS GRRL HAUS CINEMA “Grrl Haus Cinema” zeigt regelmäßig L’ÂGE D’OR Am 21.6. um 21 Uhr Das Kurzfilme und Videokunst von Frauen im Il
macht Jamie Stewart, Sänger der Indie-Band XIU XIU, bei seinem Berlin-Besuch im Brotfabrik Kino Station. Gemeinsam mit Angela Seo wird er in einem exklusiven Live-Konzert Luis Buñuels surrealistischen Klassiker DAS GOLDENE ZEITALTER (1930) vertonen. Im Vorprogramm liefert Hilary Jeffrey einen neuen musikalischen Kommentar zu Jean Genets Knast-Erotikklassiker UN CHANT D’AMOUR (1950).
Kino. Die Macherinnen bevorzugen Filme in Low Budget und DIY, die Erzählformen reichen vom Spielfilm bis zur Konzeptkunst. Diesen Sommer sind die Riot Grrls am 25.6. und am 23.7. im Kino zu Gast, um eine Auswahl ihrer Kurzfilme in Anwesenheit der Regisseurinnen zu zeigen.
B A S I E R E N D A U F E I N E R G E S C H I C H T E V ON
H AR UK I MUR AK AM I
INTERNATIONALER KRITIKERPREIS
FIPRESCI
FÊTE DE LA MUSIQUE Am 21. Juni zaubert
FESTIVAL DE CANNES
die Fête de la musique an allen möglichen Berliner Locations und Strassenecken Band hervor. Die Freilichtbühne Weißensee gibt die große Bühne frei und auch in den Gärten des Institut français rund um das City Kino Wedding wird musiziert. Am Abend wird der Spaß indoor mit zwei Musikfilmen fortgesetzt. Um 19.45 läuft GUNDERMANN, um 22 Uhr dann B-MOVIE: LUST & SOUND IN WEST-BERLIN. Gundermann
E I N F I L M V ON
AB
L E E C H A N G G D ON G
. JUNI IM KINO Wasse R M u s i K
BLACK ATlANTIC R E V I S I T E D
FR 5.7.
Alma no olho / Soul in the Eye
Sa 6.7.
Besouro BR 2009, 95 min, OmE Daughters of the Dust
FR 12.7. Sa 13.7.
Flucht nach Berlin
BILDER VON DRÜBEN Kurator Jan Gympel zeichnet für die „Berlin-Film-Rarität“ verantwortlich, die einmal im Monat im Brotfabrik Kino zu sehen ist (siehe auch Seite 56). Nun hat er für das Zeughauskino eine Retrospektive zusammengestellt, die vom 17.5. bis 29.6. untersucht, wie die zwei deutschen Staaten einander im Spielfilm darstellten. Zu den 16 Filmen (je acht aus Ost und West) gehören Will Trempers Actiondrama FLUCHT NACH BERLIN und Slatan Dudows ätzende Satire DER HAUPTMANN VON KÖLN ebenso wie Raritäten, Wiederentdeckungen und Kuriositäten, wie etwa der in der DDR spielende DIE ZWEITE HAUT, der vom DDR-Regisseur Frank Beyer und mit einem namhaften DDR-Cast in der BRD gedreht wurde. dhm.de/zeughauskino
So 14.7. FR 19.7. Sa 20.7. So 21.7.
BR 1973, 11 min, no dialog
US 1991, 112 min, engl. OV
Carnaval da Vitória AO 1978, 39 min, OmE Bakosó: Afrobeats of Cuba
CU 2019, 49 min, OmE
Besida NG 2018, 12 min, OmE Si-Gueriki, la reine mère / Si-Gueriki, The Queen Mother
FR, BJ 2002, 62 min, OmE
Bigger Than Africa
NG, US 2018, 90 min, OmE
Voodoo – Mounted by the Gods
DE, CH 2001, 92 min, OmE
Somos Calentura / We Are The Heat
CO 2019, 104 min, OmE
Mother of George
NG, US 2013, 106 min, OmE
Kreol FR 2010, 60 min, OmE Amílcar Cabral BF, CV, PT 2001, 65 min, OmE Sa 27.7. Made in Jamaica FR, US 2007, 110 min, OmE
FR 26.7.
Open Air Kino jeweils ab 22h
INDIEMAGAZIN
HOMMAGE I: DORIS DAY
Im Mai verstarb, 97-jährig, Doris Day, zu deren bekanntesten Filmen die Ehekomödien mit Rock Hudson gehörten: BETTGEFLÜSTER, EIN PYJAMA FÜR ZWEI und SCHICK MIR KEINE BLUMEN. Filme, die ein erstickend konservatives Weltbild verkauften, unter der Hand aber Freiräume ausloteten oder zumindest pikant von deren Grenzen erzählten. Am 2.6. um 19.45 Uhr und am 21.6. um 18 Uhr zeigt der Filmrauschpalast SPION IN SPITZENHÖSCHEN in 35mm und Technicolor: Day arbeitet als PR-Maus in einem Weltraumlabor und wird von Kollegen dabei beobachtet, wie sie verdächtig oft mit „Wladimir“ telefoniert.
HOMMAGE II: HANNELORE ELSNER DIE ENDLOSE NACHT wurde im Jahr 1962–1963 auf dem Gelände des Flughafen Berlin- Tempelhof gedreht und erzählt in verschiedenen Episoden die Geschichte von diversen Menschen, die eine Nacht lang auf ihre wegen Nebel verspäteten Flüge warten und in der Wartehalle ausharren müssen. Ohne festes Drehbuch und mit improvisierten Texten hat Will Tremper einen Film geschaffen, der durch seine Authentizität fasziniert und den Hannelore Elsner von all den Filmen, in denen sie mitgewirkt hat, am liebsten mochte. Das City Kino Wedding zeigt DIE ENDLOSE NACHT am 9.6. um 18 Uhr und am 16.6. um 19 Uhr.
AMAZONAS-MATINEE Am 22.6. laden Eva-Lichtspiele, Brasilien Initiative Berlin, Amazonien Gruppe des Forum Resiste Brasil-Berlin und das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. von 10 bis 13 Uhr zu einer „Amazonas Matinee“ mit zwei Filmen und anschließender Gesprächsrunde ein. PARA ONDE FORAM AS ANDORINHAS – WHERE DID THE SWALLOWS GO? (OmeU) von Regisseurin Mari Corréa zeichnet bereits sichtbare Folgen des Klimawandels nach, und in A GENTE LUTA MAIS COME FRUTA (OmU) begleiten Wewito Piyako und Isaac Pinhanta die indigene Bevölkerung in ihrem Kampf gegen die wirtschaftliche Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Para onde foram as andorinhas?
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D JUNI/JULI 2019
INDIEMAGAZIN
KALENDER: PREVIEWS, PREMIEREN & GÄSTE
La paranza dei bambini
ITALIENISCHE ABENDE In der Reihe Il Kino Italia präsentiert das Kino am 19.6. um 20 Uhr NORMAL, in dem Adele Tulli ganz alltägliche Handlungen, Rituale und Szenen filmt und damit demonstriert, wie Heteronormativität festgeschrieben und weitergegeben wird. Am 17.7. um 20 Uhr läuft als Preview Claudio Giovannesis LA PARANZA DEI BAMBINI über eine Neapolitaner Jugendgang, der im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale lief. Am 21. Juni um 18 Uhr zeigt das Bundesplatz-Kino an seinem italienischen Abend Paolo Virzìs TUTTI I SANTI GIORNI/TAGEIN TAGAUS um Alltagssorgen, Kinderwünsche und die große Liebe. Wie immer mit einem Nachgespräch mit Silvia Cresti und Snacks im Foyer.
VERLOSUNG I: BURNING Haben wir eigentlich schon erwähnt, dass BURNING unser absoluter Lieblingsfilm des Monats ist? Die kongeniale Adaption einer Geschichte von Haruki Murakami durch den koreanischen Regisseur Lee Changdong kommt am 6. Juni ins Kino. Wir verlosen 3 x 2 Freikarten unter allen, die sich bis zum 5.6. bei uns melden. Eile ist also geboten! Schreibt uns an info@indiekino.de, Stichwort: Burning
ZENTRALFLUGHAFEN THF
ANFANGEN
Dokumentarfilm über den Alltag von Geflüchteten im Flughafen Tempelhof. Zu Gast: Regisseur Karim Aïnouz 4.6. um 19 Uhr, Il Kino
Porträt von Christina Thürmer-Rohr, feministische Theoretikerin, emeritierte Professorin der Technischen Hochschule Berlin, Sozialwissenschaftlerin und Musikerin. Zu Gast: Christina Thürmer-Rohr und Gerd Conradt 23.6. um 11 Uhr, Bundesplatz-Kino
PREVIEW MIT GÄSTEN: PUSH – FÜR DAS GRUNDRECHT AUF WOHNEN (Besprechung Seite 22) 4.6. um 21.30 Uhr, FLK Insel
KOUDELKA – SHOOTING HOLY LAND
PREVIEW: ERDE
PREMIERE: WAR OF ART
Die japanischen Künstler*innen Makino Takashi und Rei Hayama stellen ihre experimentellen Arbeiten vor. 30.6. von 19 bis 22 Uhr, Wolf
(Besprechung auf Seite 46) 6.6. um 10 Uhr, Il Kino
FILM AUS PAPIER - DREHBUCHLESEN Zu Gast: Filmstudierende der dffb 12.6. um 20.30 Uhr, Sputnik Kinobar
PREMIERE MIT GÄSTEN: FUCK FAME (Besprechung Seite 24) 13.6. um 20 Uhr, Sputnik Kino
„Die Geschichte zweier Frauen und einer Gesellschaft, die sich in ihren Träumen verloren haben: echten Träumen, Träumen von Erlösung, obszöne und gewalttätige Träume.“ Zu Gast: Regisseur Syllas Tzoumerkas, Autorin/Darstellerin Youla Boudali. 15.6. um 18 Uhr, Brotfabrik Kino
PREVIEW : EIN BECKEN VOLLER MÄNNER
Zwei Monate, zwei Verlosungen, ist doch klar. Für Große-Ferien-Regentage verlosen wir drei DVDs der zauberhaften schwedischen Animation KOMMISSAR GORDON & BUFFY: Im tiefverschneiten Wald treibt ein Nüssedieb sein Unwesen. Kommissar Gordon muss versuchen, den Dieb zu finden. Allein ist das aber ganz schön schwierig. Kommissar Gordon ist zwar brillant, aber auch schon alt, sehr alt. Da ist es gut, dass er der Maus Buffy begegnet. Gemeinsam bilden die beiden ein super Ermittlerteam. Von nun an passen sie zusammen auf den Wald und seine Bewohner auf und lösen jeden Fall! Bei Interesse schreibt uns bis zum 15.7. an info@indiekino.de, Stichwort: Kommissar Gordon.
(Besprechung Seite 16) Zu Gast: Regisseur Nikolaus Geyrhalter 28.6. um 18 Uhr, fsk-Kino
Anlässlich der DVD/Bluray-Veröffentlichung zeigt das Kino Gilam Barams Film über die Arbeit des legendären Fotografen Josef Koudelka in Israel/ Palästina noch einmal. Zu Gast: Josef Koudelka 5.6., Il Kino
PREVIEW: DAS WUNDER IM MEER VON SARAGOSSA
VERLOSUNG II: KOMMISSAR GORDON & BUFFY
PREVIEW: ERDE
(Besprechung Seite 24) 18.6. um 19 Uhr, City Kino Wedding
WESERLUST HOTEL – ALL INCLUSIVE Eike Besuden hat in seinem Making-Of den Dreh des Spielfilms ALL INCLUSIVE begleitet, der mit einem inklusiven Team realisiert wurde. Zu Gast: die Darsteller*innen Kevin Alamsyah, Melanie Socher und Regisseur Eike Besuden 18.6. um 16 Uhr, Union Kino
(Besprechung Seite 16) Zu Gast: Regisseur Nikolaus Geyrhalter 28.6., Wolf
WILDEN: MAKINO TAKASHI & REI HAYAMA
PREVIEW: DAS MELANCHOLISCHE MÄDCHEN (Besprechung Seite 32) Zu Gast: Regisseurin Susanne Heinrich 1.7., fsk-Kino
DIE MISSION DER LIFELINE Dokumentarfilm über die Rettung Geflüchteter im Mittelmeer Zu Gast: Regisseur Marcus Weinberg 2.7., Freiluftkino Insel
DIE ALPTRAUMFRAU Zu Gast: Regisseur Lothar Lambert, Jan Gympel (Einführung) 8.7., Brotfabrik Kino
FILM AUS PAPIER – DREHBUCHLESEN Zu Gast: Filmstudierende der dffb 10.7. um 20.30 Uhr, Sputnik Kinobar
PREMIERE MIT TEAM: CLEO (Besprechung Seite 40) 24.7., Freiluftkino Freidrichshagen
FACE_IT! (Besprechung Seite 30) Zu Gast: Regisseur Gerd Conradt 31.7. um 18 Uhr, Bundesplatz-Kino
OPEN SCREENING „TESTBILD“ Zu Gast: mutige Filmschaffende 19.6. um 20.30 Uhr, Sputnik Kinobar
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INDIEMAGAZIN
OBSKURES IM FREILUFTKINO POMPEJI
SOMMERFERIEN Das City Kino Wedding und das Z-inema legen eine Sommerpause ein. Das Z-inema hat im Juli und August geschlossen. Das City Kino Wedding macht vom 4.–31.7. Urlaub.
Das intime, schön morbide, windgeschützte Freiluftkino Pompeji auf dem Gelände der Zukunft zeigt in Kooperation mit „Cinema Obscure“ regelmäßig Schräges aus dem Off-Off (oder müsste das Indie-Indie heißen?)-Bereich. Dazu gehörten im Mai zum Beispiel der rasant mit viel Kunstblut und noch mehr Enthusiasmus gedrehte Zombiefilm ONE CUT OF THE DEAD und der an Guy Maddin und Kenneth Anger erinnernde poetisch-perverse THE WILD BOYS. Das aktuelle Programm findet ihr auf freiluftkino-pompeji.de
FILMRAUSCH OPEN AIR: ÜBERRASCHUNG! Das Open Air Kino „Umsonst und Draußen“ im Filmrauschpalast hat wieder jede Menge Überraschungsfilme im Programm, für den 14. und 15.6. ist beispielsweise ein Wochenende unter dem Motto „Film Noir“ angekündigt. Bekannt ist, dass das queer-feministische Kollektiv BERRIES am 8.6. Jack Starretts EIN FALL FÜR CLEOPATRA JONES (USA 1973, OV) zeigt: Cleopatra Jones, Spezialagentin der Regierung, lässt in der Türkei ein Mohnfeld niederbrennen, das der Drogenbaronin ‚Mommy‘ gehört. Mommy rächt sich. Anschließend Aftershowparty.
OPEN AIR AUF EINEN BLICK Das ganze Berliner Open Air Programm, immer aktuell, schön übersichtlich, mit Infotexten und Umkreissuche findet ihr auch auf indiekino.de/openair.
KINO! SOMMER! KINO! SOMMER! KINO!
BIKES VS CARS
DEFA-DONNERSTAGE
Zum Auftakt des Aktionstages für eine menschen- und klimafreundliche Verkehrspolitik am 15. Juni auf der Berliner Allee zeigt die Freilichtbühne Weißensee am 12.6. um 21.45 Uhr in Kooperation mit Prima Klima den Dokfilm BIKES VS CARS: Das Fahrrad soll als Fahrzeug-Alternative dem schmutzigen Verkehrschaos entgegenwirken. Die Autoindustrie ist wiederum bemüht, ihre eigenen Interessen zu vertreten und investiert dafür jährlich Millionen in Werbung und Lobbyarbeit. Im Film kommen vor allem Aktivist*innen und Denker*innen und zu Wort, die sich für Verbesserungen, vornehmlich in den Städten, einsetzen.
Immer am Donnerstag zeigt die Freilichtbühne Weißensee Bekanntes und weniger Bekanntes aus der DEFA-Filmproduktion, in diesem Sommer beispielsweise am 20.6. MÄNNER OHNE BART (1981) von Rainer Simon über den 15-jährigen Otto, der in seinen Tagträumen ein echter Held ist, in der Realität aber versetzungsgefährdet. Zum Glück erkennt sein Lehrer Nickel, dass es Otto nicht an Intelligenz mangelt, sondern an der Fähigkeit, seine Fantasie für die Anforderungen des schulischen Alltags zu nutzen, und macht sich daran, Ottos Einstellung zu ändern. „Subversive Details, lakonische Kommentare und ein unkonventioneller Stil machen diese Wiederentdeckung zu einem Vergnügen“ schreibt das Kino.
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D JUNI/JULI 2019
SURFRIDER FOUNDATION EUROPE: ALBATROSS TOUR 2019 Am 8.6. um 21 Uhr lädt die „Surfrider Foundation Europe“ zu einem Infoabend zum Thema Verschmutzung der Weltmeere ein. Dabei wird auch das Filmprojekt ABATROSS (OV Englisch) von Chris Gordan und Manuel Maqueda zu sehen sein, das seit April 2018 um die Welt tourt. Über einen Zeitraum von acht Jahren haben die beiden die Albatrosse auf dem Midway Island im Nordpazifik besucht, beobachtet und gefilmt. Zunächst ging es ihnen darum, die Zerstörung festzuhalten, die menschlicher Müll anrichtet – auf der Insel waren Tausende tote Jungvögel mit Plastik im Magen gefunden worden. Dann begannen sie, sich für den Lebenszyklus der Vögel zu interessieren. Eintritt frei.
NEU AUF DVD UND BLURAY KINDER OPEN AIR Als einziges Open Air Kino der Stadt bietet die Freilichtbühne Weißensee regelmäßig am Nachmittag um 16 Uhr Draußen-Veranstaltungen für Kinder an. Am 2. und 8.6. gibt’s Puppentheater, am 9.6. können die Kleinen FINDUS ZIEHT UM sehen, am 29.6. dann den chinesischen Animationsfilm BIG FISH & BEGONIA um ein magisches Mädchen, dass sich in einen Delfin verwandeln kann und einen kleinen Jungen, der sich in ihre Welt verirrt, und am 13.7. ermitteln KOMMISSAR GORDON & BUFFY gegen die Nüssediebe.
OST-BERLIN POETRY SLAM Das Freiluftkino Friedrichshagen bittet am 8.6. ab 19 Uhr erneut zum Open Air Poetry Slam: „Friedrichshagen-Native Ortwin Bader-Iskraut und Wossi-by-heart derJesko bringen im Sommer 2019 zum dritten Mal eine Best-Of-Riege von allen Himmelsrichtungen in den geografischen Osten der Hauptstadt. Im latent unsozialistischen Wettbewerb kämpfen Dichter und Storytellerinnen um die Gunst des Publikums.“
SOMMER! KINO! SOMMER!
OPEN AIR KINO IM HIMMELBEET
SKATE-EVENT: DON’T GIVE A FOX
Im Sommer zieht das City Kino Wedding gelegentlich in den Himmelbeet Gemeinschaftsgarten um. Inmitten der Blumen gibt es dort zum Auftakt Lola Randls Stadtfluchtfilm VON BIENEN UND BLUMEN zu sehen: Raus aus der übervollen Stadt und endlich auf dem Land sein Glück finden. Unabhängig, frei, ohne Zwänge und Hetze, mit Frühstückseiern von eigenen glücklichen Hühnern. Endlich das richtige Leben leben, und nicht mehr nur so tun als ob. Aber wie ist es denn nun eigentlich, das „richtige“ Leben“ - oder sollte man es vielleicht das „postkapitalistische“ Leben nennen? Am 14.6. um 21.30 Uhr im Himmelbeet (Ruheplatzstr. 12, 13347 Berlin, U-Leopoldplatz)
Der dänische Spielfilm DON’T GIVE A FOX erzählt von einer Mädchen-Skate-Crew, die sich am Stadtrand von Kopenhagen trifft, um dort zu skaten, zu feiern und abzuhängen. Als sich Sofie eines Tages den Fuß bricht und viele Monate lang nicht skaten kann, macht die Gruppe in einem bunten VW-Bus einen Roadtrip durch das Land, auf dem die jungen Frauen herausfinden wollen, woher sie kommen und wer sie wirklich werden wollen. Am 9.7. um 21 Uhr ist der Film im Freiluftkino Insel zu sehen, mit „Skate-Event“.
MEIN BRUDER HEISST ROBERT UND IST EIN IDIOT Kompromisslose Filmkunst über das Wesen der Zeit, über Philosophie, Leben, Sex und Tod. D Deutschland/Frankreich/Schweiz 2018 D 172 min D R: Philip Gröning ¢ Ab 21.6. bei W-film
RAFIKI
Ein mitreißender Film, der vor Freiheitsliebe und Lebensfreude in strahlenden Farben leuchtet. D Kenia 2018 D 83 min D R: Wanuri Kahiu ¢ Ab 31.5. bei Edition Salzgeber
MÄNNERFREUNDSCHAFTEN
Wie schwul war Goethe? Und wie sieht es mit seinen Zeitgenossen aus? D Deutschland 2018 D 85 min D R: Rosa von Praunheim ¢ Ab 19.7. bei missingFILMs
GERMANIA
Komplexer und unparteiischer Dokumentarfilm über eine schlagende Studentenverbindung D Deutschland 2019 D 78 min D R: Lion Bischof ¢ Ab 21.6. bei mindjazz pictures
INDIEFEATURE
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INDIEFEATURE
BURNING
Träumerischer Fluss
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INDIEFEATURE Die klare Sprache täuscht. Auf den ersten Blick scheinen die Geschichten von Haruki Murakami (Naokos Lächeln, Wilde Schafsjagd, Norwegian Wood) von betörender Schlichtheit. Beim genaueren Lesen und Einfühlen stellt sich dann heraus, dass es Murakami wie keinem Zweiten gelingt, atmosphärische Schwingungen und komplexe Zwischen-Gefühlszustände einzufangen. Sehnsucht, Warten, Zweifeln, Lieben. An dem Versuch, für seine Geschichten eine passende filmische Umsetzung zu finden, sind schon eine Reihe von Filmemachern gescheitert. Nun hat Lee Changdong auf Basis von Murakamis Kurzgeschichte Scheunenabbrennen einen kongenialen Langfilm gedreht, der so klar und einfühlsam ist wie der unverkennbare Murakami-Schreibstil, dabei ebenso elegant mit Ungewissheiten jongliert und die sich verändernden Schwebezustände seiner Protagonist*innen minutiös einfängt. BURNING war mittlerweile für über 100 Filmpreise nominiert und hat 35 gewonnen, darunter letztes Jahr in Cannes den Preis der internationalen Filmkritik. In BURNING sieht man niemals die ganze Wahrheit. Schon die erste Einstellung zeigt eine verschlossene Tür: Das Heck eines weißen Lieferwagens füllt 2/3 der Leinwand aus, ganz rechts am Rand sieht man die Hand eines jungen Mannes (Yoo Ah-in), der, offenbar ans Auto gelehnt, eine Zigarette raucht. Die Kamera folgt ihm, immer etwas dichter als gewohnt, so dass sich das Umfeld nur in Ausschnitten erschließt, während er Ware in einem Ramschladen abliefert. Als er wieder heraus kommt, spricht ihn eine der beiden jungen Frauen an, die vor dem Laden Kundschaft anlocken sollen. Es ist Haemi (Jeon Jong-seo), die Jongsu aus der Grundschule kennt, auch wenn er sich zunächst nicht an sie erinnert. Später beim Bier
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bittet Haemi ihn, sich um ihren Kater zu kümmern, während sie auf eine Afrikareise geht. Alle paar Tage sucht Jongsu nun ihre Einzimmerwohnung mit Nordfenster und Blick auf den Seoul Tower auf und stellt dem Kater neues Futter hin. Das angeblich sehr schüchterne Tier bekommt er nie zu sehen. Als Haemi aus dem Urlaub zurück kommt, ist sie nicht mehr allein. Am Flughafen hat sie Ben (Steven Yeun) kennengelernt, der etwas älter als
INDIEFEATURE klar, ob es sie eigentlich gibt, und ob die Geschichten, die sie erzählt sich je zugetragen haben. Als Haemi plötzlich verschwindet und ein makellos aufgeräumtes Zimmer hinterlässt, wächst in Jongsu ein grausamer Verdacht. Er beginnt, Ben zu verfolgen. Lee Chang-Dong erzählt seinen „Thriller“ als ruhigen, träumerischen Fluss von Begebenheiten, Blicken, Orten. Sehr präzise und zugleich sehr poetisch. Das winzige verkrempelte Zimmer Haemis, der heruntergewirtschaftete Hof von Jongsus Vater, zu dem von der Grenze die Lautsprecherpropaganda Nordkoreas herüberweht, die glatten Oberflächen von Bens Porsche und Küchenarbeitsplatte… Die Welt, die Lee einfängt, hat eine ungeheure physische Präsenz und zugleich verdichtet sich die Erzählung immer wieder überraschend zu Momenten der Poesie, zu einem fast schmerzhaft intensiven Gefühl von Zärtlichkeit oder Sehnsucht, oder, umso verstörender, je länger der Film nachwirkt, Grausamkeit. So flüchtig, wie jener Sonnenfleck, den der Seoul Tower einmal am Tag in Haemis Zimmer spiegelt. D Hendrike Bake die beiden ist, sehr souverän und offenbar sehr reich. Ständig spielt ein amüsiertes Lächeln um seine Mundwinkel. Als Jongsu, der Schriftsteller werden möchte und sich mit Nebenjobs durchschlägt, Ben fragt, was er macht, sagt Ben „Das würdest du nicht verstehen. Ich bin ein Spieler“. Virtuos inszeniert Lee Chang-dong die Dynamik dieser seltsamen Dreiergruppe, bei der die zwei Männer um Haemi kreisen, aber auch umeinander. Haemi ist eine Frauenfigur, wie sie oft bei Murakami vorkommt, verspielt, mysteriös, sehnsüchtig, beschädigt. Wie bei ihrem Kater, ist nicht
Originaltitel: Beoning D Südkorea 2018 D 148 min D R: Chang-dong Lee D B: Chang-dong Lee, Jungmi Oh D M: Mowg D D: Ah-in Yoo, Steven Yeun, Jong-seo Jeon, Joong-ok Lee D V: Capelight
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Lee Chang-dong has made a feature-length film based on a Murakami short story that is as clear and empathetic as Murakami‘s distinctive writing style while also juggling uncertainties just as elegantly.
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THE DEAD DON’T DIE Meta-Zombiefilm, mindestens
USA 2019 D 103 min D R: Jim Jarmusch D B: Jim Jarmusch D K: Frederick Elmes D D: Tom Waits, Adam Driver, Tilda Swinton, Bill Murray, Caleb Landry Jones, Chloë Sevigny, Steve Buscemi, Selena Gomez, Danny Glover D V: Universal Pictures
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“Das ist der Titelsong” sagt Adam Driver zu Bill Murray, als zum ersten, aber nicht letzten Mal Sturgill Simpsons Song „The Dead Don’t Die“ im Autoradio zu hören ist. Ob er damit tatsächlich den Titelsong des Films meint, der da gerade ein paar Minuten läuft? So einfach macht es Jim Jarmusch sich und den Zuschauern dann doch nicht, aber schnell ist klar, dass es sich beim 13. Film des New Yorker Regisseurs nicht einfach nur um einen Zombie-Film handelt, sondern um einen Meta-Zombiefilm – mindestens. Die Handlung ist schnell erzählt, denn zum einen ist sie genau das, was man bei einem Zombie-Film erwarten würde, zum anderen schert sich Jarmusch hier noch weniger als sonst um eine konventionelle Narration. In der Kleinstadt Centerville geschehen plötzlich merkwürdige Dinge: Uhren bleiben stehen, Mobiltelefone funktionieren nicht mehr, Sonnenauf- und untergang verschieben sich, vor allem aber erwachen die Toten zum Leben. Den an vielen Zombie-Filmen geschulten Bewohnern wie dem Polizisten Ronnie (Driver) oder dem an der Tankstelle arbeitenden Bobby (Caleb Landry Jones) ist schnell klar, dass man es hier mit einer veritablen Zombie-Apokalypse, kurz gesagt: dem Ende der Welt zu tun hat. Die einzige Möglichkeit etwas gegen die Untoten zu tun ist, ihnen den Kopf abzuschlagen. Was Ronnie mit ebenso elegantem Schwung vollbringt, wie die Samuraischwert-schwingende, schottische Leichenbestatterin Zelda Winston (Tilda Swinton), die wohl nicht zufällig wie eine Verwandte des Ghost Dogs wirkt. Viele Bekannte aus Jarmuschs Oeuvre tauchen hier auf, von Bill Murray über Tom Waits bis Iggy Pop, der – natürlich – einen Zombie spielt, wofür nicht viel Make Up nötig war. Nicht nur bei dieser Besetzung deutet sich an, wie Jarmusch mit den Vorstellungen spielt, die sich im Laufe der Jahre von Schauspielern und Musikern entwickelt haben. So wirkt Tilda Swinton als Zelda Winston mit extremem schottischen Akzent, ihrer betont weißen Haut und vor allem ihrem merkwürdigen Verhalten wie die Außerirdische, als die sie oft beschrieben wird. Beim Kurzauftritt von RZA geht Jarmuschs Verwischen von Realität, Fiktion und Klischeevorstellung einer öffentlichen Person dann sogar soweit, dass er ihn als Paketboten für ein Unternehmen namens WU-PS arbeiten lässt… Mit all diesen feinen Realitätsverzerrungen erzeugt Jarmusch das Bild einer Welt, die von Oberflächlichkeit und Stumpfsinn geprägt ist. Selbst so ein Desaster wie die Zombie-Apokalypse, die nach und nach alle Stadtbewohner dahinrafft, sorgt da kaum für Irritation, man nimmt das Schicksal hin wie es kommt so lange jemand behauptet: Es wird alles gut! Woran Jarmusch dabei denkt, ist nicht zu übersehen: Die USA unter Donald Trump. Auch wenn der Name des US-Präsidenten nicht fällt, muss man unweigerlich an den Demagogen und seine Gefolgsleute denken, an den schleichenden Verfall von Werten und Moral. Dystopische Zombie-Filme als Metapher für Missstände der Gegenwart zu benutzen war bei George Romeros NACHT DER LEBENDEN TOTEN – auf den immer wieder angespielt wird – noch originell, inzwischen ist es längst ein Klischee. Natürlich ist Jarmusch dies bewusst und so versucht er gar nicht erst, subtil zu sein, sondern ist im Gegenteil betont ruppig. Selten bediente sich Jarmusch so derber Momente, doch gerade das Grobschlächtige des Humors macht THE DEAD DON’T DIE am Ende möglicherweise zum perfekten Film für diesen Moment: Wenn die Ordnung der Welt zunehmend verfällt, ist vielleicht nicht der Moment für feinsinnigen Humor, dann müssen die Missstände mit brachialen Mitteln angegangen werden, dann muss der Hydra im Zweifelsfall der Kopf abgeschlagen werden. D Michael Meyns
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Even though the name of the US president isn‘t mentioned, demagogue Trump, his followers, and the insidious decay of values and moral inevitably come to mind in Jarmusch‘s meta zombie film.
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INDIEFEATURE
„TATSACHE IST DOCH, DASS UNSER ANEINANDERREIHUNG Carlos Reygadas‘ Filme gehen Risiken ein. Sein Filmdebüt JAPÓN (2002) handelte von einem Mann, der versucht, sich das Leben zu nehmen. BATTLE IN HEAVEN (2005) war eine Meditation über Klassen, Schuld und Sühne, STELLET LICHT (2007) erzählte eine Dreiecksgeschichte in einer tiefreligiösen mennonitischen Gemeinde in Mexiko, und wurde auf Plautdietsch gedreht. Für das Ehedrama POST TENEBRAS LUX gewann Reygadas die Goldene Palme in Cannes. Pamela Jahn sprach mit Carlos Reygadas über dessen aktuellen Film NUESTRO TIEMPO.
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INDIEKINO BERLIN: Herr Reygadas, Sie haben neben Ihrer Frau eine der Hauptrollen in NUESTRO TIEMPO selbst übernommen. Auch Ihre Kinder spielen mit. Inwieweit verändert die Einbeziehung Ihrer Familie den kreativen Prozess des Filmemachens? Carlos Reygadas: Viel weniger als Ihre Frage impliziert. Wir wollten die Kinder aus praktischen Gründen bei den Dreharbeiten dabei haben. Außerdem ist es immer extrem anstrengend, mit fremden Kindern zu filmen, allein schon wegen der Eltern am Set. Und mit Natalia war es so, dass sie mir viel beim Casting geholfen hat, als ich nach einem Hauptdarsteller suchte. Sie hat beim Vorsprechen den weiblichen Part gelesen und nachdem ich lange keine Schauspielerin finden konnte, die mir gefiel, habe ich ihr die Rolle angeboten. Ich arbeite ja oft mit nichtprofessionellen
INDIEFEATURE
LEBEN AUS EINER VON UNGEWISSHEITEN BESTEHT.“ Interview mit Carlos Reygadas über NUESTRO TIEMPO Darstellern zusammen, also war auch das keine Besonderheit. Am Anfang hatte ich noch Bedenken, dass es eventuell problematisch für den Film sein könnte, dass wir damit zu nah an die Grenze zwischen Fiktion und Dokumentarfilm treten würden. Aber dann habe ich mich damit beruhigt, dass nicht jeder, der den Film sieht, automatisch weiß, dass es sich um meine eigene Frau handelt. Sie wissen das, weil Sie recherchiert haben, aber für die Zuschauer ist die Tatsache zweitrangig. Nur mit meiner eigenen Rolle im Film habe ich mich zunächst tatsächlich schwer getan, weil ich befürchtete, die Zuschauer könnten unser Zusammenspiel als Ehepaar als eine Art Nachspielen der Wirklichkeit empfinden. Aber auch das ist natürlich Unsinn. Die Handlung, die Figuren, all das ist reine Fiktion. Wird ein Film persönlicher, wenn man selbst darin agiert?
Nein, überhaupt nicht. STELLET LICHT ist der Film, dem ich mich am meisten verbunden fühle. Und dass, obwohl er auf Plautdietsch gedreht ist und von einer Dreiecksbeziehung innerhalb einer tiefreligiösen, mennonitischen Gemeinde in der mexikanischen Provinz handelt. Der Umstand, dass ich es bin, den man in NUESTRO TIEMPO sieht, dass ich meine eigenen Klamotten trage, dass man meine Stimme hört, all das macht den Film nicht persönlicher oder autobiografischer. Wonach genau haben Sie in der weiblichen Figur gesucht? Das ist eine gute Frage. Es ist, wie wenn man sich in jemanden verliebt, dann ist man ja auch wie geblendet. Und für gewöhnlich hat man wenig Einfluss darauf, in wen man sich verliebt. Selbst wenn JUNI/JULI 2019 D
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INDIEPREMIEREN man behauptet, man habe einen bestimmten Typ, man stehe auf Blondinen, Brünette, oder was weiß ich. Als ob man einen Roboter kreieren würde. Doch plötzlich sieht man jemanden, von dem man nie gedacht hätte, dass man sich in den oder diejenige verlieben würde, aber da ist es schon zu spät. Und so ist es bei mir mit den Schauspieler*innen. Ich weiß selten genau, wonach ich suche. Ich lasse mich einfach darauf ein. Das Entscheidende ist, dass ich eine Verbindung zwischen mir und dem oder der Darstellerin fühlen muss. Und unabhängig davon, dass sie meine Frau ist, habe ich diese Verbindung, auf die es mir ankommt, mit Natalia gespürt, als sie beim Casting die Rolle gelesen hat. Ich kannte sie als meine Frau, aber ich wusste nicht, dass sie die Schauspielerin war, nach der ich gesucht habe. Sie hat mich in der Hinsicht völlig überrumpelt. NUESTRO TIEMPO basiert erneut auf einer Dreiecksgeschichte. Dabei ist vor allem auch die Beziehung zwischen den beiden Männern spannend und mitunter sehr verwirrend. Ich habe einen Bruder und wir verstehen uns gut, aber glauben Sie nicht, dass ich unsere Beziehung deshalb wirklich verstehen würde. Was ich damit sagen will, ist, dass im Leben auch nicht alles erklärt wird, warum sollte man es dann im Film tun. Wir kommen nicht gut mit Ambiguität klar, und das Kino oder die Entertainment-Industrie richten sich deshalb immer mehr darauf ein, Geschichten aufzutischen, die wenig Raum für Zweideutigkeiten oder Unklarheiten lassen. Aber Tatsache ist doch, dass unser Leben aus einer Aneinanderreihung von Ungewissheiten besteht. Alles ist verschwommen, nichts ist eindeutig. Noch nicht einmal unsere Beziehung zu uns selbst. Und Sie haben recht, die Beziehung im Film ist kompliziert, sie ist verworren. Was für ein Typ ist dieser Amerikaner? Ist er ein Opportunist? Was verbirgt sich hinter der Fassade? Ist er hinter Geld her, oder ging es ihm von Anfang an nur um die Frau? Hat er nur so getan als ob? Aber vielleicht ist es auch anders herum und die Frau benutzt ihn? Vielleicht ist er unschuldig und sucht in Juan nur nach einem Freund, einem Vertrauten? Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich weiß es wirklich nicht. Und diese Offenheit der Interpretation ist es, worauf es mit ankommt.
frustrierend sein oder befreiend, je nachdem, ob man bereit ist, in den Film einzusteigen oder nicht. Bisher haben sich Ihre Filme immer in erster Linie mit existenziellen Fragen beschäftigt. In NUESTRO TIEMPO scheint dieser Ansatz eher zweitrangig, zumindest auf den ersten Blick. Ich weiß, was Sie meinen, und ich denke Sie haben recht. Auf den ersten Blick scheint klarer zu sein, worum es in dem Film geht. Andererseits gibt es auch hier jede Menge Unklarheiten, im Hinblick auf die verschiedenen Figurenkonstellationen, die Motive der einzelnen Charaktere. Natürlich geht es um ein Ehepaar und einen Amerikaner, der die Beziehung stört, aber das ist im Grunde auch schon alles, was sie definitiv über den Film sagen können. Der Rest bleibt jedem selbst überlassen. Nun bin ich nicht Hitchcock oder Kurosawa, ich versuche in meinen Filmen nicht verschiedene Versionen der eigentlichen Wahrheit durchzuspielen. Mit geht es einzig und allein um die Subjektivität der Erfahrung. Sie haben an anderer Stelle über die Wichtigkeit des Rhythmus in Bezug auf ihre filmische Arbeit gesprochen. Wie definieren Sie Rhythmus im Film? Wir sind darauf konditioniert, Rhythmus automatisch mit Musik zu assoziieren. Aber das meine ich nicht. Die Japaner wissen, dass Rhythmus alles bedeuten kann. Das Muster in Ihrem Kleid beispielsweise, oder die Tapete an der Wand. Rhythmus, das sind Geräusche, Dialoge, Räume, die Art und Weise, wie ein Schauspieler geht, wie er seine Stimme hebt oder senkt, wie er eine Tür öffnet oder schließt. All das gehört für mich dazu. Auch Architektur ist Rhythmus. Und es geht darum, in dem Rhythmus eine Balance zu finden, eine Harmonie. Für mich liegt das Wesen der Kunst im Rhythmus. Darum bin ich auch so ein großer Freund von Lyrik. Gedichte bringen das, was ich Ihnen gerade zu erklären versucht habe, auf den Punkt. Deshalb sind sie, wenn sie klug verfasst sind, auch so mächtig. Inwieweit ändert sich der Rhythmus von Film zu Film?
Mit anderen Worten: Sie überlassen es den Zuschauer*innen, ihre eigenen Schlüsse aus dem Gesehenen zu ziehen. Ja. Deshalb bin ich auch so ein großer Freund von Fotografie und Malerei. Denn das Bild präsentiert sich dem Betrachter gegenüber, ohne etwas zu erklären. Einfach so. Und manche Menschen reagieren darauf, was sie sehen, während andere der Anblick kalt lässt. Auch wenn sie noch so lange vor dem Bild stehen, seien es fünf Minuten oder drei Stunden, es macht einfach nichts mit ihnen. Trotzdem hängt das Gemälde weiter and der Wand und der nächste, der vorbei kommt, denkt vielleicht, es ist das tollste und überwältigendste Gemälde im ganzen Museum. Im Kino ist die Art und Weise der Betrachtung eine andere. Da erlauben wir uns diese Freiheit nicht, oder zumindest nur noch äußerst selten. Filme kommen heutzutage eher einer Zirkusvorstellung gleich. Denn wie im Zirkus, wo der Zirkusdirektor dafür sorgt, dass alle Attraktionen in der richtigen Folge präsentiert werden, wird auch im Kino dafür gesorgt, dass man alles sieht, und das alles immer größer, immer toller ist als beim letzten Mal. Ich persönlich halte davon wenig. Mich interessiert der Prozess des Betrachtens viel mehr als der des Erlebens. Zudem wird einem in der Kunst auch nicht vorgeschrieben, wie lange man ein Bild ansehen muss, bevor es Wirkung zeigt. Im Kino ist man auf die Dauer des Films angewiesen. Und das kann D 20
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Nicht nur von Film zu Film, auch innerhalb des Films kann der Rhythmus verschiedene Richtungen einschlagen. Darum gibt es Filme, die lang sind, aber einem viel kürzer vorkommen, und umgekehrt. Etwas, das langsam wirkt oder Geduld erfordert, muss nicht automatisch schlecht sein. Vielleicht liegt es nur am Rhythmus und im Nachhinein erscheint das gemächliche Tempo gerechtfertigt. Denn die Wirkung setzt erst ein, wenn der Film längst vorbei ist. In der Musik ist das nicht anders. Denken Sie nur an Wagner. An vielen Stellen fragt man sich, was ist das denn? Da gibt es quälend lange, musikalisch erdrückende Stellen, und doch kommt am Ende alles zu einem großen, gewaltigen Meisterwerk zusammen. Aber natürlich ist auch Wagner nicht jedermanns Sache, wie auch meine Filme nicht jedem gleich zugänglich sind. Das Urteil liegt wie bei allem im Auge des Betrachters. D Das Gespräch führte Pamela Jahn
INDIEKRITIKEN
NUESTRO TIEMPO Wer manipuliert wen?
Die Kritiken zu Carlos Reygadas Film NUESTRO TIEMPO waren beim Filmfestival von Venedig gespalten, und es hagelte heftige Verrisse. Variety entdeckte in Reygadas Film nichts als „toxische Männlichkeit“ und eine „Geschichte, die selbst Reygadas Psychiater langweilen würde“, und auch der Hollywood Reporter befand, NUESTRO TIEMPO sei eine „nervtötende Nabelschau“. Reygadas ist nicht irgendwer, er hatte mit STELLET LICHT, einer Dreiecksgeschichte, die in einer deutschsprachigen mennonitischen Gemeinde in Mexiko spielte, internationalen Erfolg, BATTLE IN HEAVEN war ein komplexer Essay über Klassen, Schuld und Leidenschaft, POST TENEBRAS LUX gewann den Jury-Preis in Cannes. Es lässt sich nicht bestreiten, dass NUESTRO TIEMPO eine Herausforderung ist. Der Film ist drei Stunden lang, und es dauert eine dreiviertel Stunde, bevor die Erzählung Fuß fasst. Viele, die den Film liebten, interessierte die Geschichte selbst weniger als einzelne Teile. Dazu zähle ich auch, obwohl ich die Dreiecksgeschichte zwischen eloquenten Erwachsenen spannend und präzise erzählt fand. Wo findet man im Gegenwartskino schon noch einen Film, dessen Grundlage die Idee ist, dass Liebe nicht auf Besitzansprüchen beruhen kann? Reygadas selbst und seine Ehefrau Natalia López spielen die Hauptrollen, das Ehepaar Juan und Ester. Er ist erfolgreicher Dichter und Kampfstierzüchter, sie leitet die Farm der Familie. Bevor der Film sich auf die beiden Hauptfiguren konzentriert, entwirft Reygadas ein Panorama des Landlebens der intellektuellen Oberschicht. Jungen spielen am See und bewerfen sich mit Lehm, bevor sie die etwas älteren Mädchen im Schlauchboot „überfallen“. Teenager kiffen und trinken unter einem Baum und beschweren sich über den „verdammten Schlamm“, ein Paar entfernt sich von der Gruppe und hat Sex. Die erwachsenen Männer und Frauen amüsieren sich mit rodeo-artiger Reitkunst, es wird viel getrunken und sich auf die
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Juan is a successful poet and fighting bull breeder. Ester runs the family‘s farm. They have agreed on having an open relationship. When Ester begins an affair with horse trainer Phil, Juan is indignant at first, but then he begins to secretly watch his wife.
Mexiko/Frankreich/Deutschland/Dänemark/Schweden 2018 D 173 min D R: Carlos Reygadas D B: Carlos Reygadas D K: Diego Garcia D S: Natalia López D D: Carlos Reygadas, Natalia López, Phil Burgers, Eleazar Reygadas D V: Grandfilm
Schultern geklopft. Die große Tiefenschärfe der Filmaufnahmen rückt vor allem die großartige Landschaft ins Bild. Es ist ein raues Idyll mit unschuldigen Leidenschaften. Dann fährt Ester mit dem US-amerikanischen Pferdetrainer Phil in die Stadt. Am nächsten Morgen tötet ein Stier während der Fütterung ein Maultier. Die drastische, realistische Szene sieht sehr echt aus. Als Ester aus der Stadt zurückkehrt, ist Juan über ihre gute Laune verärgert, zumal sie die Neuigkeit vom Tod des Maultiers kaum zu berühren scheint. Er findet auf ihrem Telefon zahlreiche Nachrichten von Phil. Ester ist überzeugt davon, dass die Affäre mit Phil kein Problem sein könnte, schließlich hatte Juan oft genug über den Gegensatz von Liebe und Besitz geredet. Juan ist wütend, vorgeblich weil Ester die Affäre nicht vorher abgesprochen oder wenigstens eingestanden hat. Wie zum Beleg, dass es ihm nicht um Eifersucht geht, fädelt er für Ester eine Affäre mit einem anderen Geschäftspartner ein, bevor er sich direkt an Phil wendet. Reygadas interessiert sich offensichtlich am meisten für Juans Perspektive, aber er schildert den Ehemann als eine widersprüchliche Figur. Die US-Kritik hat in der Figur vor allem Machismo bzw. „toxische Männlichkeit“ gesehen: Juan inszeniert die Treffen seiner Frau mit anderen Männern so, dass er sie heimlich beobachten kann, er handelt hinter ihrem Rücken und manipuliert seine Umgebung. Im Kontext der #metoo-Diskussionen in den USA ist das eindeutig missbräuchlich. Aber wer hier wen manipuliert, ist nicht ganz so einfach zu klären, ebenso wenig wie Juans Motivationen. Vielleicht handelt er aus Liebe – als wäre vollkommen klar, was das eigentlich ist – vielleicht aus Kontrollsucht. Wahrscheinlich spielen vermischte Begierden eine Rolle. Am überzeugendsten sind Szenen, die direkt körperliche Gefühle in Bilder fassen. Nach einem Streit mit Ester führt Juan ein Gespräch, bei dem der Dialog allmählich vom Rauschen der Pappeln übertönt wird, noch bevor Reygadas auf die windgepeitschten Bäume schneidet. Später liest Ester im Off einen Brief an Juan, in dem sie ihre Gefühle zu erläutern versucht, während die Kamera den Landeanflug auf eine mexikanische Großstadt im Dschungel zeigt und das Dröhnen der Motoren immer lauter wird. Etwas drängt, dröhnt und rauscht immer unter dem zivilisierten, reflektierten Verhalten des liberalen Kunst-Bürgertums. D Tom Dorow JUNI/JULI 2019 D
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INDIEKRITIKEN Originaltitel: Push D Schweden 2019 D 92 min D R: Frederik Gertten D V: mindjazz pictures
PUSH – FÜR DAS GRUNDRECHT AUF WOHNEN
Originaltitel: Red Joan D Großbritannien 2018 D 110 min D R: Trevor Nunn D B: Lindsay Shapero D K: Zac Nicholson D S: Kristina Hetherington D M: George Fenton D D: Judi Dench, Sophie Cookson, Stephen Campbell Moore, Tom Hughes D V: Entertainment One
GEHEIMNIS EINES LEBENS Judy Dench mit Vergangenheit
Menschenrecht vs Spekulation
Berlin kommt auch vor. Ein Kreuzberger Cafébesitzer beklagt eine Gewerbemieterhöhung von 600 Euro und Florian Schmidt, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, erzählt von den Häuserrückkäufen des Bezirks. Die Situation ist überall die gleiche: In London warten Überlebende des Großbrandes in Grenfell Tower immer noch auf eine neue Unterkunft, in Valparaiso werden Luxusapartments ohne Baugenehmigung auf ein Parkgelände gebaut, in Schweden gehört inzwischen die Mehrheit aller Sozialwohnungen dem weltweit größten Immobilien Fonds Blackstone, und in Toronto scherzt ein Kneipier mit seinen Gästen: „Kennt ihr die ersten Anzeichen dafür, dass ihr bald wegziehen müsst? Vintage Klamottenläden! Nichts ist schlimmer für einen Kiez als arme Leute mit Stil!“ Aber Gentrifizierung war gestern. PUSH begleitet die UN Sonderberichterstatterin für angemessenes Wohnen Lailani Farha auf ihren Recherchereisen rund um die Welt. Anhand der Erzählungen der Menschen, denen sie dabei begegnet, und der Analysen von Expert*innen – dabei kommen vor allem die Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Saskia Sassen und der Ökonom Joseph Stiglitz (beide Columbia University) zu Wort – zeichnet der Film ein Bild der Finanzgeschäfte, die zu Verdrängung und Verelendung von Stadtbewohner*innen weltweit führen. Aus dem herkömmlichen Geschäftsmodell – Einnahmen aus Vermietung – ist seit den 80ern ein globales Finanzgeschäft geworden – Wertschöpfung durch Spekulation. Stiglitz formuliert es so: „Firmen wie Blackstone sind nicht böse, aber sie sind völlig amoralisch.“ Die Bedürfnisse von Mieter*innen kommen in diesem Szenario nicht vor. Dafür, dass sich das ändert und Wohnen als Menschenrecht von Spekulationsgeschäften entkoppelt und besonders geschützt wird, setzt sich Leilani Farha gemeinsam mit Bürgermeister*innen der ganzen Welt ein. D Toni Ohms
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PUSH follows Leilani Farha, UN Special Rapporteur on the right to housing, on her travels, and explains how global finance is the root cause for exploding rents in cities all over the globe.
GEHEIMNIS EINES LEBENS basiert auf der Geschichte von Melita Norwood, die als dienstälteste britische Spionin des KGB entlarvt wurde: In einem ruhigen Vorort von London verbringt die 85jährige Joan Stanley (Judi Dench) ihren Lebensabend. Eine ganz normale, unauffällige Rentnerin, so scheint es. Sie liebt ihre Gartenarbeit und ihren regelmäßigen Aquarellzeichenkurs. Doch eines Tages steht der englische Geheimdienst vor der Tür der pensionierten Wissenschaftlerin. In Handschellen wird Joan vor den Augen der neugierigen Nachbarn abgeführt. Bei den Verhören weigert sie sich, ihr bestgehütetes Geheimnis preiszugeben. Aber ein Sprung in ihre Jugend enthüllt nach und nach, was sie jahrzehntelang verbarg. Cambridge, 1938. Auf dem Campus trifft Joan (Sophie Cookson) als junge Physikstudentin den eloquenten russischen Kommunisten Leo (Tom Hughes). Sie lernt ihn über ihre schillernde Kommilitonin Sonya (Tereza Sbroza), die politisch sehr engagiert ist, kennen. Bald schon verliebt sie sich in den jungen Mann, der ihre Weltanschauung verändert. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitet Joan in einer streng geheimen Nuklearforschungsanlage. Für die Männerriege dort ist sie quasi unsichtbar. Gleichzeitig realisiert die begabte Wissenschaftlerin, dass die Welt am Rande der Zerstörung steht. Ihr Schlüsselerlebnis: Die Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Danach erscheint es ihr unerträglich, einfach weiterzumachen wie bisher. Ähnlich wie das historische Drama HIDDEN FIGURES – UNERKANNTE HELDINNEN, das einen Blick in das Hinterzimmer der NASA in Zeiten des Kalten Kriegs warf, erzählt auch GEHEIMNIS EINES LEBENS von männlicher Ignoranz und dem Kampf um Gleichberechtigung. Ironischerweise erhöhen die Widerstände und Stereotypen Joans Spielraum. Das repressive Geschlechterverhältnis avanciert zur Geheimwaffe. Denn wie Sonya im Film bemerkt: „Wir sind Frauen. Niemand traut uns das zu.“ D Luitgard Koch Start am 4.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
85-year old Joan Stanley (Judi Dench) enjoys retirement in a peaceful London suburb when the M!5 knocks on her door. It turns out, the old lady used to work as a spy for Russia. Based on the real life story of Melita Norwood.
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INDIEKRITIKEN Italien 2018 D 98 min D R: Marco Tullio Giordana D B: Cristiana Mainardi, Marco Tullio Giordana D K: Vincenzo Carpineta D S: Lionello Cerri, Hengameh Panahi D M: Dario Marianelli D D: Cristiana Capotondi, Bebo Storti, Valerio Binasco, Michela Cescon D V: Arsenal Filmverleih
NOME DI DONNA Zähe Gegenwehr
Die Restauratorin Tina (Cristiana Capotondi) versucht, mit ihrer zehnjährigen Tochter Caterina einen Neuanfang auf dem Land und fängt einen Job als Pflegehelferin in einem gehobenen Seniorenheim in der Lombardei an. Während Landschaft und Licht und die schlossartige Residenz in warmen, freundlichen Farben strahlen, verbreiten einige Details bereits am Anfang Missstimmung. Die Fragen des Pfarrers nach ihrem Familienstand beispielsweise sind doch etwas zu persönlich. Und als Tina die Tochter einige Wochen später zur Schule bringt und bemerkt „Du musst das Fahrrad anschließen, sonst wird es gestohlen“, fragt Caterina zurück „Von den Fremdlingen?“. Aber im Großen und Ganzen gefällt es Tina in ihrer neuen Heimat, und sie kommt mit den Senioren gut aus. Dann bestellt der Direktor des Heims, „Dottore“ Torri (Valerio Binasco), sie eines Abends nach dem Dienst zu sich und bittet sie ausdrücklich, die Schwesterntracht anzulassen. Er bedrängt sie, psychologisch „Ich weiß, was du für eine bist“ und sexuell, und Tina flüchtet. Am meisten verstört sie an dem Vorfall, dass die Kolleginnen alle Bescheid zu wissen scheinen, aber keine von ihnen solidarisiert sich mit Tina. Als Tina mit Unterstützung der Gewerkschaft Anzeige erstattet, ist sie alleine. NOME DI DONNA ist sehr glaubhaft aber nicht übermäßig spannend. Regisseur Marco Tullio Giordana erzählt sehr behutsam und präzise und mit einem Naturalismus, der auf dramatische Zuspitzungen verzichtet. Er interessiert sich weniger für das skandalöse Verhalten der Männer als für den unglaublichen Angang, den es für eine einzelne Frau bedeutet, sich gegen deren Verhalten zur Wehr zu setzen. Das Schweigen ist eisern, die Gegenwehr massiv und der Männerbund schließt sich umso enger zusammen, umso mehr er in Bedrängnis gerät. D Hendrike Bake
Start am 18.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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At first, Nina is happy at her new job as a caregiver in a chic retirement home. Then it turns out that the boss demands “favors“ – and not just from her.
Großbritannien 2019 D 112 min D R: Danny Boyle D B: Richard Curtis, Jack Barth D K: Christopher Ross D S: Jon Harris D D: Himesh Patel, Lily James, Ana de Armas, Kate McKinnon, Ed Sheeran D V: Universal Pictures
YESTERDAY Welt ohne Beatles
Danny Boyles neuer Film fängt flott an. Der erfolglose Musiker Jack Malik (Himesh Patel) spielt seit Jahren für seine vier Fans und seine Managerin/ Roadie/Beinahe-Freundin Ellie (Lily James) in Pubs und auf der Straße. Nachdem ein Auftritt auf der Nebenbühne eines großen Festivals wieder nur die gleichen Zuschauer angezogen hat, will er eigentlich alles hinschmeißen und wieder Lehrer werden. Dann hat er einen Autounfall, just in dem Moment, in dem ein globaler Blackout die Welt ins Dunkel stürzt. Als Jack wieder aufwacht, hat er ein paar Zähne weniger, der übrigen Welt scheint allerdings einiges mehr zu fehlen, unter anderem erinnert sich niemand mehr an die Songs der Beatles. Jack sieht endlich seine Chance gekommen, aber der Weg zum Superstar mit Beatles-Über-Klassikern beginnt holprig. Himesh Patel, nicht mit SLUMDOG MILLIONAIREs Dev Patel verwandt, ist ein unendlich charmanter Hauptdarsteller, dem hoffentlich noch eine glorreiche Karriere bevor steht. Dem Film geht aber in der zweiten Stunde ein wenig die Luft aus. Dass Jack nicht in der Lage ist, Ellie seine Liebe zu gestehen, auch nicht, nachdem sie ihm das „Friendzoning“ bereits vorgeworfen hat, ist dann doch ein bisschen weniger aufregend als die amüsante Idee einer Welt ohne Beatles-Hits (und ohne eine ganze Reihe von Post-Beatles-Bands wie Oasis). Drehbuchautor Richard Curtis hat bereits eine ganze Reihe von niedlichen, romantischen Komödien von 4 HOCHZEITEN UND EIN TODESFALL über NOTTING HILL bis BRIDGET JONES im Portfolio, aber hier fehlt ein wenig die Kante. Für einen netten Sommerabend, an dem man beim Cider darüber diskutieren will, welche Chance „She Loves You“ in der heutigen Poplandschaft hätte, ist YESTERDAY aber nicht die schlechteste Wahl, und Patel singt die Songs überzeugend und mit Verve. D Tom Dorow
Start am 11.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
After a worlwide blackout nobody on earth remembers the Beatles anymore – except failing musician Jack Malik.
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INDIEKRITIKEN Originaltitel: Le grand bain D Frankreich 2018 D 122 min D R: Gilles Lellouche D B: Gilles Lellouche, Ahmed Hamidi, Julien Lambroschini D K: Laurent Tangy D S: Simon Jacquet D D: Guillaume Canet, Mathieu Amalric, Leïla Bekhti, Jean-Hugues Anglade, Benoît Poelvoorde, Marina Foïs D V: STUDIOCANAL
EIN BECKEN VOLLER MÄNNER
Deutschland 2019 D 80 min D R: Lilian Franck, Robert Cibis D B: Lilian Franck, Robert Cibis, Jette Miller D K: Daniela Knapp D V: W-Film
FUCK FAME Zum Star und zurück
Bertrand geht baden
Bertrand (Mathieu Amalric) leidet an Depressionen. Jeden Morgen mischt er bunte Stimmungsaufheller in sein Müsli, um den Rest des Tages auf dem Sofa Candy Crush zu spielen. Seit zwei Jahren arbeitet der Familienvater nicht mehr. Eines Tages entdeckt er im örtlichen Schwimmbad einen Aushang: Das Synchronschwimmteam der Männer sucht neue Mitglieder – Anfänger willkommen. Als Neuer in der Riege merkt Bertrand schnell, dass es nicht nur bei ihm schlecht läuft. Laurent (Guillaume Canet) hat Probleme mit seiner feindseligen Mutter und dem stotternden Sohn, Marcus (Benoît Poelvoorde) steckt tief in Schulden, Simons (Jean-Hugues Anglade) Rockerkarriere will einfach nicht starten, und Trainerin und Ex-Profisportlerin Delphine (Virginie Efira) outet sich als Alkoholikerin. Als Thierry (Philippe Katerine) seinen Teamkollegen von der Synchronschwimm-WM erzählt, beschließt die Truppe kurzerhand, sich anzumelden. Denn eins steht fest: Alle hätten einen Erfolg bitter nötig. Gilles Lellouches EIN BECKEN VOLLER MÄNNER ist nicht die erste Komödie über mittelalte Herren beim Wasserballett. 2008 drehte der Schwede Måns Herngren MÄNNER IM WASSER, 2018 legte der Brite Oliver Parker mit SWIMMING WITH MEN eine ähnliche Story nach. Die französische Version hat ihre Längen. Neben Bertrand nimmt Lellouche zwar auch die anderen Ballerinos in Badehosen mit ihren Nöten in den Blick, bleibt dabei aber eher oberflächlich. Musikauswahl („Let’s Get Physical“, „Easy Lover“) und Humor kommen streckenweise wenig originell daher. Trotzdem ist Lellouches modernes Märchen nach bekanntem Strickmuster – Mann um die 50 steckt in der Krise, schließt sich einer Gruppe Gleichgesinnter an und findet durch den gemeinsamen Erfolg neuen Lebensmut – ein solides Vergnügen mit ausgezeichneten Darstellern. D Stefanie Borowsky
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One day unemployed Bertrand discovers a notice at the local swimming pool: a men’s synchronized swimming team is looking for new members, beginners welcome …
Anna Hartley ist 15 Jahre alt, als sie in Paris DJ Feadz kennenlernt und mit ihm einen Song produziert, der sie über Nacht zum Star macht: ihre Zweitidentität Uffie ward geboren. Uffie ist jung und wild. Sie feiert gern und oft und kennt kein Limit, wenn es um Alkohol und Drogen geht. Sie genießt ihr Leben bedingungslos und genau dafür wird sie von ihren Fans geliebt. „Was hat man sonst mit 20 zu tun, statt Drogen zu nehmen und zu feiern?“, fragt Uffie frech in die Kamera. Ein normales Leben kennt sie nicht, und als sie beginnt, sich genau das zu wünschen, realisiert sie, wie viel leichter es wäre, einfach nur noch Uffie zu sein. Einfacher immer so weiterzumachen, genau das zu tun, was ihr Label und das Publikum von ihr erwarten. Ihr ist bewusst, dass sie zu einer Kunstfigur geworden ist. Dass ihre Fans in einem Moment „Wir lieben dich!“ und kurz darauf „Wir wollen, dass du stirbst!“ schreien. Dass sie fallen gelassen werden wird, wenn sie nicht mehr angesagt ist. Sie selbst sieht ihre erste Schwangerschaft als Wunsch nach einer Atempause von diesem, ihren eigenen Leben. Doch es kommt anders, und ihr geht es immer schlechter. Sie trinkt, um den Wahnsinn zu überstehen und beginnt sich zu ritzen, um über irgendetwas in ihrem Leben Kontrolle ausüben zu können. Sie will so nicht weitermachen, wünscht sich ein anderes, normaleres Leben, doch sieht keine Alternative. Denn genau für dieses Leben hat sie doch die Schule abgebrochen, und sie spürt immer wieder diese Uffie-Seite in sich, die es liebt, zu Feiern und darin völlig aufzugehen. „Wie trennt man Arbeit und sich selbst, wenn man selbst die Arbeit ist?“ Laut und ehrlich, berührend und energiegeladen, zeigt der Dokumentarfilm FUCK FAME wie Anna zu Uffie geworden ist und schließlich wieder zu Anna wird. Ein „normales“ Leben kann eben doch „fucking fantastic“ sein. D Karla Kabot
Start am 13.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Anna Hartley is 15 years old when she meets DJ Feadz in Paris and produces a song with a him that makes her a star overnight: her second identity Uffie is born.
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AUSGEFLOGEN Hatte Regisseurin Lisa Azuelos in LOL den Mutter-Tochter-Beziehungs-Plot auf die töchterlichen Bedürfnisse abgeklopft, konzentriert sie sich in AUSGEFLOGEN verstärkt auf die Gefühle einer Mutter. Die hört auf den wohlklingenden Namen Héloïse, ist Restaurantbesitzerin und Single, quirlig und manchmal leicht überspannt. Ihre jüngste Tochter Jade macht gerade das Abitur und plant, in Kanada Kunst zu studieren. Héloïse steht also endgültig vor einer neuen Phase ihres Lebens und fängt an, ihre Tochter im Alltag zu filmen, um möglichst viele Erinnerungen zu sammeln.
Start am 18.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Originaltitel: Mon bébé D Frankreich 2019 D 87 min D R: Lisa Azuelos D D: Sandrine Kiberlain, Yvan Attal, Arnaud Valois, Patrick Chesnais, Victor Belmondo
arsenalf.filmverleih
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Y O GA
Die Kraft des Lebens
BRITT-MARIE WAR HIER Britt-Marie, 63, hat ihr Trauma (Autounfall) und ihre Träume (Paris) weggeputzt. Ihr Mann betrügt sie, und so packt sie ihre Koffer, um in der schwedischen Provinz eine Kinder-Fussballmannschaft zu trainieren, ohne den Schimmer einer Ahnung von Fußball zu haben. Die Kinder sind nett, die Dorfbewohner freundlich, bis auf eine fast blinde Ex-Fußballerin, die dann aber auftaut und anscheinend auch wieder sehen kann. Verfilmung des Romans von Fredrik Backman (EIN MANN NAMES OVE).
Start am 13.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Originaltitel: Britt-Marie var här D Schweden 2019 D 94 min D R: Tuva Novotny D D: Pernilla August, Peter Haber, Vera Vitali, Mahmut Suvakci, Malin Levanon
Ab 1 3 . J u n i i m K i n o a rs e n a lf ilm.d e
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INDIEFEATURE
ERDE ist der schönste Film über das Ende der Menschheit seit Lars von Triers MELANCHOLIA. In sieben Kapiteln zeigt Regisseur Nikolaus Geyrhalter die enormen Veränderungen, die jeden Tag durch den Menschen an der Erde vorgenommen werden. Dabei beginnt der Film trügerisch idyllisch. Jedes der Kapitel wird mit einer Aufnahme aus der Vogelperspektive auf ein geologisches Terrain eröffnet, in der die Landschaft zu einem abstrakten Kunstwerk wird. Erst dann zeigt sich aus Perspektive der Menschen und Maschinen, wie kalifornische Berge eingeebnet werden, um Baufläche für zukünftige Städte zu schaffen, oder am Brennerpass der Weltrekord im Tunnelbohren aufgestellt wird. Kommentiert werden die Bilder ausschließlich durch Interviews mit den Arbeiter*innen. Alle lieben D 26
D JUNI/JULI 2019
ihre Arbeit und sind begeistert dabei, in Teile der Erde vorzudringen, die vor ihnen noch kein Mensch gesehen hat. Gleichzeitig ist ihnen aber auch bewusst, dass sie sich gewissermaßen in das „Fleisch“ der Erde vorsprengen und –schneiden, und unumkehrbare Schäden hinterlassen. Bei allem Fortschrittsglauben steht immer das Gespenst eines drohenden Endes im Raum, der abgebauten Rohstoffe, aber auch der Menschheit als Ganzes. Im atomaren Endlager Wolfenbüttel lässt Geyrhalter einen Film aus den 1970ern laufen, der die ewige Sicherheit des Lagers auch im Katastrophenfall anpreist, während die Anlage 2019 diese Sicherheit bereits nicht mehr garantieren kann. Bei einer nuklearen Halbwertszeit, die der gesamten bisherigen Menschheitsgeschichte entspricht, ist so eine Garantie
INDIEFEATURE
ERDE
Schönheit der Kipplader
ohnehin schwierig. In anderen Kapiteln werden Fortschritte im Bereich weniger destruktiver Abbaumethoden erwähnt, aber der rote Faden des Films ist, dass die Menschheit sich beharrlich weigert, aus der Geschichte zu lernen. Diese an sich pessimistische Aussage fasst Geyrhalter in spektakuläre Bilder, in denen selbst Kipplader eine Schönheit bekommen, und die zumindest auf der individuellen Ebene zum Umdenken anregen.
Start am 4.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
ERDE is the most beautiful film about the end of humanity since Lars von Trier‘s MELANCHOLIA. Director Nikolaus Geyrhalter shows the enormous changes that Earth goes through because of people in seven chapters.
D Christian Klose
Österreich 2019 D 114 min D R: Nikolaus Geyrhalter D K: Nikolaus Geyrhalter D S: Niki Mossböck D V: Real Fiction Filmverleih
JUNI/JULI 2019 D
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INDIEKRITIKEN Belgien/Luxemburg 2018 D 117 min D R: Thomas Vinterberg D B: Robert Rodat D K: Anthony Dod Mantle D S: Valdis Óskarsdóttir D M: Alexandre Desplat D D: Colin Firth, Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Max von Sydow, Michael Nyqvist, August Diehl D V: Wild Bunch
KURSK
Portugal/Frankreich/Brasilien 2018 D 92 min D R: Gabriel Abrantes, Daniel Schmidt D B: Gabriel Abrantes, Daniel Schmidt D S: Raphaëlle Martin-Holger, Gabriel Abrantes, Daniel Schmidt D M: Ulysse Klotz, Adriana Holtz D D: Carloto Cotta, Cleo Tavares, Anabela Moreira, Margarida Moreira, Carla Maciel D V: Drop-Out Cinema
DIAMANTINO
Drama unter und über Wasser
Super Spätfilm
Das Drama um die K-141 „Kursk“ im Jahr 2000 war eine menschliche Tragödie. Zudem war die gescheiterte Rettungsmission aber auch eine verschenkte Chance, die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen aufzutauen. Insofern ist Thomas Vinterberg (DIE JAGD) keine schlechte Wahl für eine Leinwandadaption. Allerdings fungierte Luc Bessons Produktionsfirma „Europa“ als Geldgeber und die Kombination aus Action und Drama will nicht so recht funktionieren. Zu Beginn wähnt man sich noch in einem skandinavischen Arthousefilm. Es wird gefeiert und getrunken, die Marine als Familienersatz eingeführt. Doch schon das Auftauchen von Matthias Schweighöfer und August Diehl irritiert. Tatsächlich ist Matthias Schoenaerts neunjähriger Filmsohn Artemiy Spiridonov der einzige Russe im Ensemble der paneuropäischen Produktion. Schoenaerts gibt den Kapitän der Kursk, Mikhail Averin. Ein gutmütiger Mann, der auch einen klaren Kopf behält, als das Atom-U-Boot auf Grund läuft. Eine Fehlfunktion ließ die Sprengkörper an Bord detonieren. Der Großteil des Schiffes liegt in Trümmern. Eine Handvoll Männer überlebt, und der Film schneidet nun zwischen dem Drama unter Wasser und dem politischen Taktieren hin und her. Daheim bangen Mikhails schwangere Gattin Tanya (Léa Seydoux) und die anderen Seefahrer-Frauen um das Leben ihrer Männer. Colin Firth hat einen Auftritt als britischer Kapitän, der Hilfe bei der Bergung anbietet, und es gibt ein Wiedersehen mit Max von Sydow, der den befehlshabenden Minister im russischen Kabinett gibt. Robert Moores Buch „A Time to Die“ lieferte die Vorlage zu KURSK, zahlreiche Experten trugen ihr Hintergrundwissen bei. Aber das Drehbuch von Robert Rodat (DER PATRIOT) wirkt unausgeglichen, die Kameraarbeit von Anthony Dod Mantle (SLUMDOG MILLIONAIRE) immer zu weit weg, um die Klaustrophobie unter Wasser einzufangen, und einige hochspannende Momente sind zu wenig für einen packenden Katastrophen-Thriller.
Diamantino ist möglicherweise nichts für beinharte Fußballfans, aber auf jeden Fall ein enorm unterhaltsamer, quietschbunter Spätfilm, der nebenher die Gefühlslage Südeuropas zwischen Wirtschaftskrise, Flüchtlingsdramen, Korruption und Fußballmanie verhandelt. Im satirischen, genderfluiden, Spielfilmdebüt des Regieduos Gabriel Abrantes und Daniel Schmidt purzeln die Ideen nur so. Die Figurenentwicklung bleibt dabei eher auf der Strecke, so dass sich nach etwa einer Stunde dann doch ein paar Längen einstellen, aber das macht nichts, jedenfalls nicht nach dem zweiten Bier. Der portugiesische Fußballsuperstar Diamantino (Carloto Cotta) – unübersehbar an Cristiano Ronaldo angelehnt – sieht auf dem Platz immer rosa Wölkchen und flauschige Welpen, wenn der Flow ihn überkommt, und ist dann unschlagbar. Aber nachdem er mit seiner Yacht einem Schlauchboot mit Flüchtlingen begegnet ist, bekommt er diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf, die Welpen verschwinden, und Diamantino kann nicht mehr spielen. Stattdessen will er nun Gutes tun und ein Flüchtlingskind adoptieren. Das nutzen die beiden lesbischen Agentinnen Lucia und Aisha aus, um Diamantino die als Flüchtlingsjunge „Rahim“ verkleidete Aisha (Cleo Tavares) als Adoptivsohn anzudrehen. Aisha sieht dabei ungefähr so sehr wie ein Flüchtlingsjunge aus, wie der Pinguin in THE WRONG TROUSERS als Huhn durchgeht, aber Diamantino hat die Kraft des Glaubens. Diamantinos böse Schwestern haben ihren gottgleichen Fußball-Bruder derweil an die Neofaschisten verkauft, die versuchen, Diamantinos völlig leeres Gehirn zu klonen und aus den Klonen ein national-patriotisches Superteam aufzustellen, auch wenn das Diamantino das Leben kosten könnte … D Pauline Keller
D Lars Tunçay Start am 11.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 28
D JUNI/JULI 2019
Thomas Vinterberg (THE HUNT) made a film about Russian submarine “Kursk” that was damaged in a maneuver in 2000 and sank to the seabed with 118 crew members.
Start am 30.5.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
When soccer player Diamantino is in his groove, he sees gigantic puppies in pink clouds in front of him. But one day the puppies fail to appear …
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INDIEKRITIKEN Originaltitel: Ramen Teh D Singapur/Japan/Frankreich 2018 D 89 min D R: Eric Khoo D B: Fong Cheng Tan, Kim Hoh Wong D K: Brian Gothong Tan D S: Natalie Soh D M: Kevin Mathews, Christine Sham D D: Takumi Saitoh, Seiko Matsuda, Mark Lee, Jeanette Aw D V: Neue Visionen
RAMEN SHOP
Versöhnung, die durch den Magen geht Masato (Takumi Saitoh) hat seine Mutter früh verloren. Sein Vater vegetiert seit langer Zeit vor sich hin. Sie teilen sich zwar ein Haus und Masato kocht im Ramen-Restaurant des Vaters, aber die beiden reden praktisch nicht miteinander. Als sein Vater eines Morgens nach einer durchzechten Nacht nicht mehr aufwacht, macht sich Masato auf den Weg nach Singapur. Von dort kam seine Mutter nach Japan. Hier lebt ein Teil seiner Familie, den er nie kennenlernte. Masato will die Geschichte verstehen und der Weg dorthin führt durch die Küche seiner Familie. Die kulinarische Reise führt zwei unterschiedliche Kulturen zueinander, die der Krieg mit dem Einmarsch der Japaner in die britische Kolonie 1942 entzweite. Der aus Singapur stammende Regisseur Eric Khoo erzählt in RAMEN SHOP behutsam von einer Versöhnung, die durch den Magen geht. Drei Generationen spiegeln den schwierigen Umgang mit der Vergangenheit und dem immer noch fehlenden japanischen Schuldeingeständnis. Die Großmutter verlor ihren Mann durch die Japaner, um dann mit ansehen zu müssen, wie ihre Tochter der Liebe nach Japan folgt. Erst die dritte Generation überwindet die tiefen Gräben, die die Zeit gerissen hat. Seine Weltpremiere feierte die Koproduktion im kulinarischen Kino der Berlinale. Ein perfekter Ort, lebt der Film doch vor allem von seiner Leidenschaft zum Essen. Die kunstvoll arrangierten Gerichte machen sich gut in jedem Food-Blog und definitiv Lust zu Kochen. Die Inszenierung der Geschichte greift allerdings allzu oft zum Zuckerguss, den vor allem die Musik über die Szenen gießt. D Lars Tunçay
Start am 6.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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When his father dies ramen chief Masato leaves Japan and travels to Singapore to meet for the first time in his life the other half of the family.
Mexiko 2018 D 75 min D R: José Pablo Estrada Torrescano D B: José Pablo Estrada Torrescano D V: Real Fiction Filmverleih
MAMACITA
Grande Dame und Oma für alle In MAMACITA dokumentiert der junge Filmemacher Jose Pablo Estrada Torrescano das Leben seiner 96-jährigen Großmutter. Als Gründerin eines Schönheitsfarm-Familienimperiums ist María del Carmen Torrescano im Alter wohlhabend und wird von ihren treuen Bediensteten rund um die Uhr versorgt. Aber ihr Leben lang fühlt sich Mamacita gestraft: Im tief religiösen Mexiko wurde sie aus einer inzestuösen Beziehung als ungewolltes Kind geboren. Diese wahrlich dramatische Geschichte birgt bei all ihrer Exzentrik – Kitsch und Schönheitswahn der Grande Dame werden filmisch grandios eingefangen – dennoch viel Identifikationspotential und wirft Fragen auf, die einen noch lange beschäftigen: Warum vermisst Mamacita ihren Großvater, der als Kind so hart mit ihr umgesprungen ist? Warum würde sie heute ihre Kinder nicht mehr schlagen, trotzdem aber im Nachhinein nichts anders machen? Wie lässt sich ihr Stolz über das hart aufgebaute Leben mit der Aussage vereinbaren, nie gelebt und nie geliebt zu haben? Auch wenn die Themen Tod, Alter und Familie in ihren bedrückendsten Facetten allgegenwärtig sind, verpasst der Dokumentarfilm keinen Moment des Augenzwinkerns, der Leichtigkeit und der Wärme. Er nimmt Mamacita wie sie ist: eitel und antiquiert, aber auch lernfähig und aufmerksam gegenüber den Bemühungen ihres Enkels. Denn dem hat sie schließlich das Versprechen abgenommen, einen Film über ihr Leben zu drehen. Damit die Welt erfährt, welche Frau aus dem armen kleinen Mädchen geworden ist, wie es Mamacita selbst zu Beginn des Films einfordert. Der Film honoriert das Erlebte der ältesten noch lebenden Generation, und führt Jüngeren vor Augen, welchen sozialen Freiheiten bis heute für sie erkämpft wurden. D Anna Hantelmann
Start am 27.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Young filmmaker Jose Pablo Estrada Torrescano documents the dramatic life of his 96 year old grandmother who came into the world as an unwanted child and built a beauty farm empire later on.
JUNI/JULI 2019 D
29 D
INDIEKRITIKEN Deutschland 2019 D 80 min D R: Gerd Conradt D B: Gerd Conradt, Daniela Schulz D S: Pablo Ben Yakov D M: Lutz Glandien D V: missingFILMs
THE ARTIST & THE PERVERT
FACE_IT! – DAS GESICHT IM ZEITALTER DES DIGITALISMUS Digitale Gesichtserkennung
Auf dem Berliner Bahnhof Südkreuz läuft seit einiger Zeit ein Pilotprojekt zur Gesichtserkennung. Freiwillige Probanden, die den Bahnhof oft benutzen, lassen sich von Kameras beobachten und zunehmend präzise erkennen. Ein harmloses Experiment? Nicht alle sehen das so, wollen von den möglichen Vorteilen der Technologie nichts hören und warnen stattdessen vor den ebenso theoretischen Gefahren. Im Zwischenraum dieser extremen Positionen bewegt sich Gerd Conradt mit seinem Dokumentarfilm FACE_IT!, für den der für seine nachdenklichen, im besten Sinne politischen Filme bekannte Regisseur Künstler, Aktivistinnen und Politiker zu Wort kommen lässt. Er spricht den Leiter des Karlsruher ZKM etwa, dem Zentrum für Kunst und Medien, wo sich Künstler und Forscher mit Fragen der Überwachung und des Missbrauchs von Technik auseinandersetzen, oder besucht das Kanzleramt, wo die Staatsministerin für Digitalisierung eine eher technikaffine Haltung vertritt. Weder die einen noch die anderen, weder Befürworterinnen noch Kritiker vertreten jedoch extreme Positionen, beide Seiten sprechen mögliche Vorzüge der Technik ebenso an wie potentielle Gefahren und Widersprüche: Gerade angesichts der freiwilligen Preisgabe von immer mehr Daten mutet die Angst vor möglichem Missbrauch der Gesichtserkennung oft scheinheilig an. Andererseits droht hier ein Verlust der Kontrolle über das eigene Gesicht und damit über das Wesen des Selbst. In diesem Graubereich bewegt sich Conradt mit großer Neugier und Wissensdrang, ohne eine vorgefasste Meinung durchsetzen zu wollen, ergebnisoffen. Als Anstoß zum Nachdenken mag man den kaum 80 minütigen Film verstehen, als vorsichtiges Umkreisen von technischen, philosophischen, auch ethischen Fragen, die mit zunehmender Entwicklung der Technik schon sehr bald viel mehr Aufmerksamkeit bekommen werden. D Michael Meyns Start am 25.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 30
D JUNI/JULI 2019
Gerd Conradt‘s documentary carefully and thoughtfully revolves around the questions that arise about face recognition technology.
Der deutsche Komponist Georg Friedrich Haas und die Schwarze KinkPerformance-Künstlerin Mollena Williams Haas leben in einer BDSMBeziehung, in der Haas dominant und Williams submissiv ist. Beide reflektieren in diesem Dokumentarfilm von Beatrice Behn und René Gebhardt ihre Beziehung im Zusammenhang mit ihren Biografien und politischen Haltungen. Ob die SM-Praxis auch eine Rolle für Haas Kompositionen spielt, wird dagegen weniger thematisiert, aber schließlich arbeiten die beiden auch an einem gemeinsamen Werk mit Musik von Haas und Text/ Performance von Williams. Start am 30.5.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Deutschland 2018 D 96 min D R: Beatrice Behn, René Gebhardt
MAGIE DER WILDPFERDE Der Lebensraum der Wildpferde ist zunehmend bedroht und schrumpft ständig. Um wenigstens das Überleben der Tiere selbst zu sichern, müssen engagierte Menschen immer öfter eingreifen. Aber ist menschliche Hilfe überhaupt möglich, oder verlieren die Pferde dadurch die Wildheit, die den Mythos um sie begründet? Der Film erzählt vier Geschichten von Pferdefreund*innen aus aller Welt und den Anstrengungen, die sie aus Zuneigung zu „ihrer“ Herde auf sich nehmen.
Start am 6.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Deutschland 2019 D 94 min D R: Caro Lobig
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„Der Film ist ein
visueller Genuss.“ THE HOLLYWOOD REPORTER
INNA DE YARD Die Reggae- und Rocksteady Legenden Ken Boothe („Everything I own“), Cedric Myrton (The Bongos, „Row Fisherman Row“), Kiddus I („Security in the Streets“), und Winston McAnuff & Horace Andy („Skylarking“) nehmen das Album „The Soul of Jamaica“ auf, akustische Versionen von Klassikern mit moderner Soundtechnik. An den kongenialen Lee Perry-Sound der Originalaufnahmen kommt „The Soul of Jamaica“ zwar nicht heran, es ist aber eine gelungene Einladung, die beste Epoche jamaikanischer Musik zu entdecken.
Start am 20.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Frankreich 2018 D 90 min D R: Peter Webber
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THEY SHALL NOT GROW OLD Peter Jackson hat historisches Filmmaterial über britische Soldaten vor und während des Ersten Weltkriegs kolorieren und in 3D aufarbeiten lassen. Eine Mischung aus Gesprächen mit Veteranen und Nachsynchronisation des Materials gibt den jungen Männern Stimmen. Jackson bricht so die historisierende Distanz, die bisher durch den verschwommenen, stummen Schwarzweißfilm entstand, und macht den Enthusiasmus der jungen Rekruten, aber auch die Verstörung der Soldaten unmittelbar erlebbar. Start am 27.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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Großbritannien/Neuseeland 2018 D 100 min D R: Peter Jackson
AB 06. JUNI IM KINO WWW.MISSINGFILMS.DE
INDIEFEATURE
DAS MELANCHOLISCHE MÄDCHEN Vorgetäuschte Niedlichkeit
D 32
D JUNI/JULI 2019
INDIEFEATURE
„Schätzelein, was machst du hier so allein?“ „Ich warte.“ „Auf den Märchenprinzen? Da kannst du lange warten.“ „Ich warte auf das Ende des Kapitalismus.“ „Da warte ich mit.“ Im ersten Film der Schriftstellerin Susanne Heinrich (So, jetzt sind wir alle mal glücklich, In den Farben der Nacht) driftet das melancholische Mädchen (Marie Rathscheck) unendlich kühl, unendlich gelangweilt, sehr schön und sehr melancholisch durch szenische Arrangements, die „Das Ende des Liebesmärchens“ heißen, oder „Post-erotische Zeiten“ oder „Sanfter Übergriff beim Kaffeetrinken“ und meist Begegnungen mit
Männern schildern. Da ist der Typ mit der Gitarre, da ist der Intellektuelle mit dem Rollkragenpullover, da ist der Prinz mit dem Krönchen in der Badewanne, da ist der übergriffige Esoteriker, aber da ist auch die Mutter im Mutteryoga. Sie alle prallen an der alles-schon-gehört, alles-schon-gesehen habenden Lotusoberfläche des Mädchens ab. „Das ist keine Ironie, das ist Zynismus“ sagt es kühl und schlägt die Augen auf. Die poppig-pastellfarbenen Bilder, die Animationen, die Songs und die putzigen Bildübergänge mit den Sendung-mit-der-Maus-Soundeffekten täuschen eine Niedlichkeit vor, die die emotionslos vorgetragenen Statements Lügen strafen. „Am traurigsten macht es mich, wenn der Junge das Kondom sauber knotet und in den Müllbeutel legt“, sagt das Mädchen, oder „Mit dreißig kommt die Depression“. Nicht nur die Texte sind meta, die Bilder sind es auch, ein Spiel mit 2D und 3D, mit Sets, die Sets darstellen, mit Fototapeten die Sehnsucht persiflieren und Fototapeten feiern. Aber eine Lösung ist das auch nicht. „In der Diktatur der Selbstverwirklichung“, sagt das Mädchen, „sind alle Künstler“. Einmal sagt das Mädchen: „Ich habe mal einen Film von Helke Sander gesehen, die Frauen darin waren aufgeklärter, weniger unterdrückt und irgendwie nicht so blutleer wie wir.“ In DAS MELANCHOLISCHE MÄDCHEN spürt man etwas von dem filmischen Wagemut der feministischen Vorkämpferinnen, aber mehr noch die Sehnsucht nach deren politischer Unbedingtheit. Kurz, flott, giftig, von der eigenen Unfehlbarkeit überzeugt und unbedingt stylisch ist Susanne Heinrichs Film der aufregende Versuch, in einem post-avantgardistischen Zeitalter Kunst zu machen. In der Hoffnung, aus der Melancholie vielleicht doch einen Funken Wut schlagen zu können. D Hendrike Bake
Deutschland 2019 D 80 min D R: Susanne Heinrich D B: Susanne Heinrich D K: Ágnes Pákózdi D S: Susanne Heinrich, Benjamin Mirguet D M: Moritz Sembritzki, Mathias Bloech D D: Marie Rathscheck, Yann Grouhel, Nicolo Pasetti, Pero Radicic, Monika Wiedemer D V: Salzgeber
Start am 27.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Susanne Heinrich‘s film is short, quick, toxic, convinced of its own infallibility, and incredibly stylish; thrillingly attempting to make art in a post-artistic era in the hope of sparking anger out of the melancholy.
JUNI/JULI 2019 D
33 D
INDIEKRITIKEN Deutschland 2018 D 93 min D R: Alexander Kluge D B: Alexander Kluge, Khavn D K: Thomas Willke, Albert Banzon, Thomas Mauch, Erich Harandt D S: Andres Kern, Kajetan Forstner, Roland Forstner, Toni Werner D M: Khavn D D: Helge Schneider, Heiner Müller, Galina Antoschewskaja, Peter Berling D V: Rapid Eye Movies
HAPPY LAMENTO
Nebeneinander, ineinander, übereinander
Originaltitel: Debout D Frankreich 2019 D 85 min D R: Stéphane Haskell D B: Stéphane Haskell D M: Gregory Rogove D V: Arsenal Filmverleih
YOGA – DIE KRAFT DES LEBENS Testimonial
HAPPY LAMENTO gibt Rätsel auf. Zu großen Teilen besteht der neue Film von Alexander Kluge aus gefundenen Videoschnipseln – Begrüßungsfloskeln auf dem G20-Gipfel wechseln sich ab mit Aufnahmen von Tieren und Nonsens-Interviews mit deutschen Intellektuellen. Anhaltspunkte in diesem Durcheinander sind Kapitelüberschriften, die jedoch mehr verwirren als strukturieren, sowie wiederkehrende Themen. Der Mond ist ein solches Thema. Und der Zirkus. Besonders Zirkuselefanten. Die Themen und Bilder wechseln sich nicht nur ab, sie stehen auch nebeneinander, oder übereinander, oder sogar ineinander. Klatschende und hüpfende Spielzeugfiguren werden als manisch-ironisierende Metaebene vor den Videoschnipseln positioniert, und mit Elvis Presleys „Blue Moon“ gepaart. Die suggestive Montage des avantgardistischen Kinos der 1920er Jahre, auf das sich Alexander Kluge oft beruft, wird so ins Absurde übersteigert. Dazwischen schaltet Kluge Teile aus dem Film DAS FLÜCHTIGE LEBEN EINES FUNKEN des philippinischen Regisseurs Khavn de la Cruz. Dessen psychedelisch-immersive Kameraführung, die an Gaspar Noé erinnert, und die überdrehten Slum-Narrative, zu der Die Antwoord den Soundtrack liefern könnte, bilden einen Kontrast zu der bisweilen betäubenden Bilderschau Kluges. Erhellend wirkt dieser Film im Film jedoch nicht: Im Verbund der beiden Regisseure entsteht ein freies Spiel von Bild- und Bedeutungsebenen, das die menschlichen Assoziationsfähigkeiten übersteigt. Nachdrücklich bedient sich Alexander Kluge so der etwas überholten Ästhetik der Postmoderne. Er zelebriert die Vermischung unterschiedlicher Stile und Genres, die Dekonstruktion von Wahrheitsanspruch und Geschmacksurteil und die Fragmentierung von Autorschaft. Sein Film ist, was der Titel verspricht – ein fröhliches Klagelied. D Yorick Berta
Start am 20.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 34
D JUNI/JULI 2019
In his post-modern essay, Alexander Kluge celebrates a mixture of different styles and genres, the deconstruction of truth claims and aesthetic taste and the fragmentation of authorship.
Am Anfang blickt Regisseur Stéphane Haskell auf eine dunkle Zeit in seinem Leben zurück: Zehn Jahre zuvor war er Alkoholiker, seine Frau hatte ihn verlassen und eines Tages konnte er seine Beine nicht mehr bewegen. Nach einem schweren Bandscheibenvorfall diagnostizieren die Ärzte das Cauda Equina Syndrom und prophezeien Haskell, dass er nie wieder wird Sport treiben können. Er kann zu diesem Zeitpunkt nicht einmal aufrecht gehen. „Gerettet“ hat ihn therapeutisches Yoga nach B.K.S. Iyengar. YOGA – DIE KRAFT DES LEBENS hat die Form eines Testimonials, Haskell will mit dem Film Zeugnis seiner Heilung ablegen und die segensreiche Wirkung des Yoga auf das Leben von Menschen in der ganzen Welt belegen. Dafür besucht er unter anderem seine erste Yogalehrerin Thérèse Poulsen, bei der er drei Jahre lang trainierte, um seine Bewegungsfähigkeit wieder zu erlangen, Yogalehrende in der orthodoxen jüdischen Gemeinde Beth Shemesh in Israel und schließlich auch Iyengar selbst. Trotz des unverhohlen missionarischen Ansatzes von YOGA betont Haskell zunächst vor allem die einfach nachvollziehbaren, praktischen Wirkungen der regelmäßigen körperlichen Praxis. Strafgefangene im Hochsicherheitsgefängnis von St. Quentin kommen bei den Übungen zur Ruhe. Vor allem die Atemtechniken sind dabei wichtig. An der UCLA (Universität von Kalifornien in Los Angeles) hilft Eric Small an Multipler Sklerose Erkrankten dabei, ihre Bewegungsfähigkeit zu verbessern. In Kenia soll ein besseres Körperbewusstsein nicht zuletzt auch die Gefahr einer Ansteckung mit dem HIV-Virus eindämmen. An einer Schule in Südfrankreich gehen Schüler*innen dank des Achtsamkeitstrainings auch behutsamer miteinander um. In YOGA – DIE KRAFT DES LEBENS reiht Haskell diese Beobachtungen aneinander, ohne dabei weiter in die Tiefe zu gehen. D Pauline Keller
Start am 13.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
When Stéphane Haskell lost the ability to walk and was “saved” by yoga he decided to tell his journey in a testimonial film.
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INDIEKRITIKEN
ZWISCHEN DEN ZEILEN iPads und Affären
ZWISCHEN DEN ZEILEN beginnt als Meisterklasse des Um-die-EckeRedens und der fiesen kleinen Destabilisierungsmaßnahmen. Alain (Guillaume Canet), Chef eines renommierten Verlages, trifft sich mit seinem alten Freund, dem Autor Léonard (Vincent Macaigne), und erst nach und nach stellt sich heraus, dass es sich um ein Geschäftsgespräch handelt - Léonard hat ein neues Buch geschrieben und möchte wissen, wann es veröffentlicht werden soll. Aber das sagt so keiner. Zunächst geht es um das Buch eines Kollegen, und Léonard lamentiert über Twitter, Aufregungskultur und Konsumfetischismus. Alain landet den ersten Treffer „Deine Radikalität ist doch auch bloß Narzissmus“. Im Bistro um die Ecke geht es weiter, Alain erkundigt sich nach Léonards Exfrau, bemerkt, dass eine Szene im neuen Buch ihn an ein vorheriges erinnert, erzählt Léonard, dass Constance sich gefragt hätte, warum er nicht bei seinem Erfolgsrezept geblieben sein, und bemerkt schließlich: „Manchmal frage ich mich, ob wir beide uns nicht vom Zeitgeschehen entfernt haben.“ Freundlich, lächelnd, tödlich. Der tatsächlich sehr selbstverliebte Léonard begreift es nicht und fragt, wann das Buch nun veröffentlich werden soll. „Wir werden es nicht veröffentlichen. Ich dachte, das hättest du verstanden.“ So gelassen, virtuos, dialogisch und handlungsarm funktioniert der ganze gut zweistündige Film. Die Kunst- und Kulturbourgeoisie trifft sich im Bistro, zum Lunch, vorm Kaminfeuer, zum Publikumsgespräch und plaudert ohne Punkt und Komma über Textnachrichten, Fake News, kostenlose Kunst, Technikfetischismus, Big Data, Großkonzerne und Demokratisierung. Über
Start am 6.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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Olivier Assayas’ new film is set in the bourgeois Parisian literary world. On the surface they talk about Google, AI, surveillance, and Big Data while relationships begin, end, and readjust in secret.
Originaltitel: Doubles Vies D Frankreich 2018 D 100 min D R: Olivier Assayas D B: Olivier Assayas D K: Yorick Le Saux D S: Simon Jacquet D D: Guillaume Canet, Juliette Binoche, Vincent Macaigne, Nora Hamzawi, Christa Theret, Pascal Greggory D V: Alamode Filmdistribution
Bücher aus der Maschine und als App, über Twitternachrichten als Haiku und die Nachfrage nach schönen Erstausgaben. Das große Thema ist die Digitalisierung und die Positionen reichen von Begeisterung bis Skepsis, aber klar ist vor allem, dass die bekannte Welt bröckelt. „Die Digitalisierung stellt alles in Frage. Wir müssen uns komplett neu erfinden“, sagt Alains junge Marketingspezialistin Laure (Christa Théret) am Morgen nach der gemeinsam verbrachten Nacht. „Ich rede nicht davon, was sich ändert, sondern davon, was gleich bleibt“, antwortet Alain ihr aus dem Bad, während er sich die Hose anzieht. Beiläufig und ohne Pause verhandelt Olivier Assayas in ZWISCHEN DEN ZEILEN die neue Welt. En passant mitverhandelt werden dabei Beziehungen und Affären, große und kleine Lebenslügen. Während Allain mit Laure anbandelt, unterhalten Léonard und Alains Frau Sélena (Juliette Binoche) schon lange eine Affäre. Besonders pikant dabei ist, dass Léonard diese in seinem wie üblich kaum verschleiert autobiografischen Roman verhandelt – jenem Buch, das Alain gerade erst abgelehnt hat. Während Léonard nun aller Welt vormacht, dass die Fernsehmoderatorin Stéphanie Volkowski Vorbild für die Romanfigur war, die dem Helden in einer besonders oft zitierten Szene einen Blow Job im Kino gibt während Hanekes DAS WEISSE BAND läuft, versucht Sélena Alain davon zu überzeugen, Léonards Buch doch noch ins Programm zu nehmen. Léonards Freundin Valérie (Nora Hamzawi) ist derweil die einzige, die als Assistentin eines linken Politikers überhaupt noch einen Bezug zu einer fassbaren Realität zu haben scheint, beziehungsweise an diese wenigstens glaubt. In diesen sehr fein arrangierten und exzellent gespielten Plauderstrom baut Assayas zahlreiche amüsante Spitzen ein. Mal schlägt ein ehelicher Schlagabtausch Funken, mal schrammt die Inszenierung dicht an der Satire entlang. Dabei geht alles so geschmeidig vonstatten, dass das Gespräch schon wieder weitergeflossen ist, bevor die Pointe landet. Im Grunde aber mag und kennt Assayas‘ seine großbürgerlichen Charaktere, die als Weltversteher*innen posieren mögen, aber sich dabei doch nur durchhangeln wie alle anderen. D Hendrike Bake JUNI/JULI 2019 D
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INDIEKRITIKEN
LONG SHOT
Moderne Screwball-Comedy Schon der Bechdel-Test zur Überprüfung des Anteils von Frauenrollen ergibt bei Mainstreamfilmen meist verheerende Ergebnisse, von Stereotypisierungen gar nicht zu reden. LONG SHOT, von Charlize Theron und Seth Rogen nicht nur gespielt, sondern auch mitproduziert, dreht die gängige Rollenverteilung um und schlägt komödiantische Funken daraus. Theron ist Charlotte Field, Außenministerin der USA mit Präsidentschaftsambitionen, Rogen ist Fred Flarsky, aufbrausender Journalist mit kritisch-linken Ansichten und ohne Job, seit sein Arbeitgeber von einem rechtskonservativen Medienmogul (Andy Serkis in seiner Paraderolle als Monster) aufgekauft wurde. Macht und kühle Autorität sind weiblich, Chaos und unbeherrschte Emotionalität männlich – interessante Ausgangslage, die der Film konsequent durchspielt und im weiteren Verlauf auch gebührend variiert. Die Backstory, dass Charlotte mal Freds Babysitter war, führt die beiden zusammen. Charlotte macht ihn zum Redenschreiber und die Geschichte vom Verliebtsein in einen Unstandesgemäßen nimmt ihren Lauf, Anspielungen an PRETTY WOMAN inklusive – wobei Rogens Journalist deutlich mehr widerständiges Eigenleben haben darf als damals die niedliche Nutte. Die Charakterklischees, die Rogen und Theron als Leinwandpersönlichkeiten mitbringen, das nicht gerade Naheliegende dieser Paarung nimmt schon der Titel aufs Korn („a long shot“ bedeutet „weit hergeholt“). Dass das Experiment auch als emotional glaubwürdiges Filmpaar funktioniert, ist der Charakterzeichnung von Schauspielern und Drehbuch zu danken. Innerhalb des umgedrehten Settings erlaubt das Buch von Liz Hannah und Dan Sterling Vielseitigkeit und Überraschungen, stattet beide Figuren mit „männlichen“ und „weiblichen“ Aspekten aus und wirbelt die Sehgewohnheiten aufs Schönste durcheinander. Die sich unterhalb der Gürtellinie abspielenden „Seth-Rogen-Momente“ sind ziemlich gleichmäßig auf beide Figuren verteilt, ebenso das Auftrumpfen mit moralischer und intellektueller Überlegenheit, mit dem gewohnheitsmäßig Theron brilliert. Der Film spielt lustvoll mit Klischees und funktioniert in seinen besten Momenten mit sich überschlagender Handlung, durchdrehenden Charakteren und süffigen One-linern wie eine moderne Screwball-Comedy.
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D JUNI/JULI 2019
Originaltitel: Long Shot D USA 2019 D 125 min D R: Jonathan Levine D B: Dan Sterling D K: Yves Bélanger D D: Alexander Skarsgård, Charlize Theron, Seth Rogen, June Diane Raphael, Andy Serkis D V: STUDIOCANAL
Im emotionalen Kern ist dies ein herzallerliebstes Buddy Movie, Freds bester Freund spielt eine entscheidende Rolle, auch die Annäherung des Paares findet fern von Romantik-Klischees vor allem beim Nach-langen-Arbeitstagen-auf-dem-Sofa-Rumhängen-und-sich-lustige-Sachen-Erzählen statt. Die politischen Konflikte sind nicht nur Handlungsanlass, sondern integraler Teil der Geschichte, wobei der kritische Flarsky den viel größeren Kampf um Integrität und Werte ausfechten muss. Die Bitterkeit über die Kompromisse, die für die im höchsten Zirkel der Macht agierende Politikerin tägliche Verhandlungswährung sind, wird nicht ausgespart, eine Positionierung dazu bleibt den Zuschauer*innen überlassen. Die politische Haltung der beiden Stars ist deutlich, das rich white America mit seinem Sexismus, seiner Heuchelei und seiner medialen Macht ist der große Gegner, der sich am Ende aufbäumt und die übelsten Waffen auspackt. Mit seiner finalen Wendung führt LONG SHOT die Romantic Comedy konsequent zu Ende und rettet die Welt nicht mit dem starken Heldenarm, sondern mit der Botschaft: Wir meinen es ernst mit der ganz anderen Haltung. Deal with it, America. D Susanne Stern
Start am 20.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
In this unconventional rom com sparks fly between high achieving foreign minister Charlotte (Charlize Theron) and idealistic journalist Fred (Seth Rogen).
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INDIEKRITIKEN Frankreich/Chile 2017 D 94 min D R: Marcela Said D B: Marcela Said D K: Georges Lechaptois D S: Jean de Certeau D D: Antonia Zegers, Alfredo Castro, Alejandro Sieveking, Rafael Spregelburd D V: Cine Global
LOS PERROS
MESSER IM HERZ
Erbin mit Hunden
Genderswap-Giallo
LOS PERROS von Marcella Said ist ein Film über die Erbinnen-Generation des chilenischen Faschismus. Mariana ist 42 und sehr reich. Die Männer um sie herum behandeln sie abwechselnd wie ein Kind, eine Idiotin oder wie eine Pracht- und Zuchtstute. Ihr Großvater hat ihr zwar einen Teil des Besitzes übertragen – vermutlich aus steuerlichen Gründen – schließt sie aber von wichtigen Sitzungen aus. Ihr Mann kommandiert sie herum, ihr Reitlehrer betatscht ihre Schenkel und ihren Bauch, und gibt ihr auch mal einen Hieb mit der Peitsche, wenn sie nicht spurt. Mariana hat sich eines dieser hyperweiblichen Dauerlächeln antrainiert, das man auch von den hiesigen Verena Bahlsens kennt, und einen dauererotisierten Blick, der zugleich anziehen und abweisen soll, ein Teil Flirt, ein Teil Abwehr, ein Teil Selbstinfantilisierung. Als Spielzeug hat sie einen Hund und eine Galerie, in der sie am liebsten Hundestatuen und Hundebilder ausstellt. Die Gemälde des chilenischen Malers Guillermo Lorca liebt sie besonders. Der malt kleine Mädchen, die von Jagd- und Bluthunden umgeben sind, oft blutverschmiert, immer erregt. Sie beginnt eine Affäre mit ihrem wesentlich älterem Reitlehrer – Prachtstuten werden immerhin wertgeschätzt – muss allerdings herausfinden, dass dem gerade ein Prozess wegen Massenmords als Pinochet-Oberst anhängt. Das ist ein Problem, zumal die Morde unter Mithilfe, wenn nicht im Auftrag ihres Großvaters geschahen. Wer darauf hofft, dass Mariana sich nun entschlossen auf die Seite der Opfer schlagen würde, wird enttäuscht. Sie lässt sich vom Oberst lecken, während eine Hundestatue auf dem Tisch steht, fragt zwar hier mal nach und ist an sich auch ganz interessiert, das Super-Gewinnerinnen-Lächeln wird allmählich schmaler und weicht einer auch nach außen sichtbaren Depression, aber am Ende sterben vor allem die Hunde. Ein wütender Film. D Hannes Stein
Start am 6.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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Originaltitel: Un couteau dans le coeur D Frankreich 2018 D 102 min D R: Yann Gonzalez D B: Yann Gonzalez, Cristiano Mangione D K: Simon Beaufils D M: M83 D D: Vanessa Paradis, Kate Moran, Nicolas Maury, Pierre Pirol D V: Edition Salzgeber
LOS PERROS by Marcella Said is an angry film about the heiresses of the fascist regime in Chile.
1979: In der Pariser Schwulenszene geht ein Mörder um. Nach einem stummen Flirt in einer in sattem Blau ausgeleuchteten Disco schleppt die maskierte Gestalt in schwarzem Leder ihr erstes Opfer ab, um es ans Bett zu fesseln und mit einem Messerdildo doppelt zu penetrieren. Nach dem zweiten Mord wird klar, dass der Killer es auf die Besetzung des neuesten Pornos der Regisseurin Anne (Vanessa Paradis) abgesehen hat, ein Umstand der die Polizei nicht zu großer Aktivität antreibt. Also muss Anne der Sache selbst auf den Grund gehen, auch wenn die Borderline-Alkoholikerin noch unter dem Ende ihrer Beziehung zu Cutterin Lois (Kate Moran) leidet. Annes erster Ansatz, den Mord im nächsten Film zu verarbeiten, verunsichert ihre Besetzung eher, als dass es Antworten bringt, aber spätestens als an mehreren Tatorten eine Feder gefunden wird, kommt Anne auf die richtige Fährte. Dass sich MESSER IM HERZ mit beiden Handschuhen bei Stilelementen des Giallo und des Psychothrillers der Zeit bedient, ist nicht erst offensichtlich, als Anne sich im Finale ihres eigenen Films selbst als Hausfrau, die durch den Kontakt mit Schwulen in den Wahnsinn und zum maskierten Mord getrieben wurde, einbaut. Visuell einfallsreich, hat Yann Gonzalez’ Film bei aller Hommage aber ein wesentlich stärkeres emotionales Fundament als die abstrusen Obsessionen der alten Giallokiller oder die reinen Stilexzesse von Cattet und Forzani. Der Gender Swap, in dem die jungen Männer alle attraktiv, aber auswechselbar sind, während zwischen den Frauen eine echte emotionale Bindung besteht, treibt den Plot voran und gibt dem Film in all den Meta-Ebenen und Anspielungen ein eigenes Herz. D Christian Klose
Start am 18.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
1979: theres a murderer in the Parisian gay scene. The killer is targeting the cast of director Anna’s (Vanessa Paradis) new porn film. When the police don’t take action, Anne investigates herself.
JUNI/JULI 2019 D
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INDIEKRITIKEN Originaltitel: The Biggest Little Farm D USA 2018 D 91 min D R: John Chester D B: John Chester, Mark Monroe D S: Amy Overbeck D M: Jeff Beal D V: Prokino
UNSERE GROSSE KLEINE FARM Mikrokosmos mit Emma
Es waren einmal die Köchin Molly und der Tierfotograf John und die beiden hatten einen Traum von einem sinnvollen Leben auf einem Bio-Bauernhof, einer Art Arche Noah, auf der alle Tiere und Pflanzen, die es gibt, zusammen leben … In UNSERE GROSSE KLEINE FARM erzählen Molly und John Chester über einen Zeitraum von sieben Jahren, wie die idyllische Apricot Lane Farm in Kalifornien Wirklichkeit wurde. Zunächst akquirieren die beiden Sponsoren, wobei wirtschaftliche Details durchweg sehr vage bleiben, dann wird mit Hilfe von Alan Yorke, einer Koryphäe des Bio-Landbaus eine Wurmmist-Anlage gebaut und jeder Quadratzentimeter in Wechselwirtschaft bepflanzt. Zuerst muss der Boden sich erholen. Dann kommen die Tiere hinzu. Enten, Hühner, Schafe, das Schwein Emma. Diversifizierung ist Alans Motto, das Ziel ist ein sich selbst regenerierendes Mikro-Ökosystem. Nach der Aufbauphase folgenden die Rückschläge: Wildvögel fressen fast die gesamte Obsternte, die Schnecken werden zur Plage und Coyoten reißen die Hühner. Anders als traditionelle Landwirte müssen die Chesters für jedes Problem eine biologische Lösung finden. Bio-Landwirtschaft sei wie Surfen, hat Alan gesagt. Ein richtiger Dokumentarfilm ist UNSERE GROSSE KLEINE FARM nicht, dazu fehlt der Hochglanzproduktion die kritische Distanz, und mit 80 ha ist die Farm auch ein gutes Stück größer als der Aussteiger-Selbstversorgertraum vom Anfang des Films. Die Apricot Lane Farm ist ein professionell gemanagter Bio-Betrieb, zu dessen Marketing mit Sicherheit auch der Film gehört. Und dennoch vermittelt UNSERE GROSSE KLEINE FARM glaubhaft und in beeindruckenden Bildern, wie Landwirtschaft, die ein ökologisches Gleichgewicht zum Ziel hat, aussehen könnte. Als sich die ersten wilden Eulen (auch gut gegen Erdmännchen) auf der Farm ansiedeln, ist das ein kleines Wunder. D Toni
Originaltitel: No Date. No Signature D Iran 2017 D 104 min D R: Vahid Jalilvand D B: Vahid Jalilvand, Ali Zarnegar D K: Morteza Poursamad,i Payman Shadmanfar D D: Amir Aghaee, Zakieh Behbahani, Saeed Dakh, Navid Mohammadzadeh, Alireza Ostadi, Hediyeh Tehrani D V: farbfilm
EINE MORALISCHE ENTSCHEIDUNG Arzt im Dilemma
Am Anfang steht eine Kollision der Klassen, im wörtlichen Sinn: Ein iranischer Arzt, Chef einer gerichtsmedizinischen Abteilung, touchiert auf einer nächtlichen Autofahrt ein mit einer vierköpfigen Familie besetztes Motorrad, das zu Fall kommt. Dr. Nariman versucht zu helfen und untersucht den jungen Sohn flüchtig, der benommen wirkt. Moosa, der Vater, sichert zu, den Jungen ins Krankenhaus zur Untersuchung zu fahren, Begleitung lehnt er ab. Tags darauf liegt die Leiche des Jungen in der Gerichtsmedizin, die Obduktion lässt auf eine Fleischvergiftung als Todesursache schließen. Die Grundkonstellation des Dilemmas, in dem sich der gutgestellte, gewissenhafte Arzt nun befindet, ist damit umrissen: Trägt er Schuld am Tod des Jungen? Soll er die Sache, einmal davongekommen, auf sich beruhen lassen? Moosa dagegen plagen eigene Schuldgefühle, ein paar Tage zuvor hatte er billiges Hühnerfleisch vom Schwarzmarkt gekauft. Das Umkippen seines Schmerzes in Wut fügt der Kette von Verstrickungen eine weitere Dimension hinzu. Vahid Jahlivands zweiter, in Venedig mehrfach ausgezeichneter Spielfilm handelt von der Gegenwart einer spezifischen Gesellschaft, nähert sich ihr aber nicht in den groben Strichen einer auktorialen Diagnose, sondern hält ein subtiles melodramatisches Brennglas über die Mikroerzählungen auf sich allein gestellter Menschen, die in Abwesenheit vertrauenswürdiger Autoritäten mit Fragen von Schuld, Verantwortung und Trauer ringen. Ein Drama, das sich vorwiegend in präzise beobachteten, dialogischen Begegnungen entfaltet, immer wieder in der Begegnung mit dem Anderen die Konfrontation mit der eigenen Innerlichkeit aufspürt, und dem Publikum am Ende konsequenterweise die Frage, mit welchem Blick man auf die Welt sieht, und was man so darin zu erkennen meint, nicht abnehmen möchte. D Sebastian Markt
Ohms Start am 11.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 38
D JUNI/JULI 2019
Molly and John Chester tell the story of how they built the idyllic organic Apricot Lane Farm in California.
Start am 20.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
An Iranian doctor, the head of the forensics department, hits a motorcycle on a nightly drive, a boy seems slightly injured. The next day the corpse of the boy is in forensics.
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INDIEKRITIKEN
SUNSET
Originaltitel: Napszállta D Ungarn 2018 D 142 min D R: László Nemes D B: László Nemes, Clara Royer, Matthieu Taponier D K: Mátyás Erdély D S: Matthieu Taponier D M: László Melis D D: Vlad Ivanov, Susanne Wuest, Björn Freiberg, Judit Bárdos, Levente Molnár D V: MFA+
Materialität und Licht
Gleich die ersten Bilder zeigen, dass es hier um Kino geht. Laszlo Nemes’ neuer Film SUNSET ist, wie schon Nemes’ mit dem Oskar als Bester Fremdsprachiger Film ausgezeichneter SON OF SAUL, auf 35mm-Film gedreht, und das sieht man. Die Bilder atmen Materialität und Licht. SUNSET ist im realen Budapest gedreht, in langen Szenen mit ständig bewegter Kamera. Der Effekt ist ein lebendiges, staubiges Stadtlabyrinth, in dem sich die Geschichte entfaltet. Budapest, zu Beginn der 10er Jahre des 20. Jahrhunderts. Eine Dame, das Gesicht zur Hälfte von einer gewaltigen Krempe bedeckt, probiert spektakuläre Hüte auf. Die junge Frau, Iris Leiter (Juli Jakab), ist nur mit einer Kundin verwechselt worden, eigentlich will sie sich auf eine Stelle als Hutmacherin bewerben. Aber sie ist auch die Tochter der Gründer des Geschäfts, das noch ihren Namen trägt. Es hatte vor Jahren eine Katastrophe gegeben, bei der die Eltern starben. Iris war im Ausland und stellt nun fest, dass Oskar Brill, einst Prokurist ihrer Eltern, das Geschäft weiterführt. Brill wirkt verstört und teilt Iris mit, dass die Stellung bereits vergeben ist. In der Nacht steht ein verwahrloster Kutscher in Iris’ Zimmer und macht, bevor er mit Pistolenschüssen verjagt wird, Andeutungen auf „den Sohn der Leiters“, Iris’ Bruder, von dessen Existenz sie nichts wusste. Iris macht sich auf die Suche nach diesem geheimnisvollen Bruder und gerät in ein Netz aus Intrigen, Anarchie, Verbrechen und Perversion. Ohne je zu durchschauen, wer welche Rolle in dem Drama spielt, scheint sie die Geschehnisse mindestens mit auszulösen. Sie ist ebenso Beobachterin, die nichts erkennt (Iris), wie unfreiwillige Anführerin (Leiter) von Ereignissen. Matyás Erdélys mitreißende Kamera bleibt fast immer nah bei Iris. Mit offener Blende gefilmt, verschwimmt die Umgebung, nur Iris und die Start am 13.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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On the eve of WWI a young woman searches for her mysterious brother and enters a labyrinth of crime, intrigue, anarchy and perversion.
Menschen, mit denen sie unmittelbar interagiert, sind stets scharf im Bild. Das Stilmittel schränkt den Blick auf das ein, was Iris selbst in den Fokus nimmt, es zeigt zugleich ihre und erzeugt unsere Desorientiertheit. Nemes’ Bildsprache ist hier so immersiv wie in SON OF SAUL, wo die Kamera in gleicher Weise den Blick von Saul Ausländer auf die täglichen Abläufe in der Mordmaschine Auschwitz übernahm. Nur tauchen wir hier in die k.u.k. Vorkriegszeit ein, und der Ton wird gelegentlich auch mal komisch-absurd. Vieles, was wichtig wäre, findet nur auf der Tonebene oder im Hintergrund statt – Marschmusik und Umzüge, Schüsse – wenn Iris das eigentlich Bedeutende nicht gerade verpasst hat und nur noch das Ergebnis betrachten kann. In mancher Hinsicht erinnert SUNSET an David Lynch, vor allem an TWIN PEAKS, obwohl der einen ganz anderen visuellen Stil pflegt. Aber die Spuren und Hinweise, die zu keinen klaren Antworten führen, die Verrätselung und der Schrecken sind ähnlich. Allerdings hat Nemes einen konkreten historischen Bezugspunkt und stellt damit auch die Frage nach der Möglichkeit von Politik. Seine oft in Interviews geäußerte These ist, dass wir in der Gegenwart den Lauf der Geschichte nicht erkennen können, und er uns deshalb auf die Spuren einer einsamen jungen Frau schickt, die nicht weiß, wem sie vertrauen soll. Nemes zieht deutliche Parallelen zur Gegenwart: „Ich glaube, wir leben in einer Welt, die nicht viel anders ist, als die kurz vor dem Ersten Weltkrieg 1914. Es ist eine Welt, die so gut wie blind für die Kräfte der Zerstörung ist, die sie selbst aus ihrem Inneren heraus nährt.“ Das ist eine pessimistische Position, die sich durchaus auch anzweifeln lässt. Völlige Abwesenheit von Erkenntnis würde jedes politische Handeln willkürlich und sinnlos machen. Wenn aber scheinbare Gewissheiten so vehement behauptet werden, wie es in aktuellen (Online-)Diskussionen der Fall ist, ist Nemes’ Hinweis auf die Eingeschränktheit der eigenen Perspektive ein wichtiger Hinweis. Nemes geht es um die unmittelbare subjektive Erfahrung. Vielleicht ist das Sujet hier ein wenig zu breit angelegt, aber als ein filmisches Erlebnis ist SUNSET in jedem Fall einzigartig. D Tom Dorow JUNI/JULI 2019 D
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INDIEKRITIKEN Österreich 2019 D 100 min D R: Elena Tikhonova D B: Robert Buchschwenter, Elena Tikhonova D K: Dominik Spritzendorfer D S: Cordula Werner D M: Karwan Marouf D D: Margarita Breitkreiz, Darya Nosik, Sabrina Reiter, Georg Friedrich, Simon Schwarz D V: Camino
KAVIAR
CLEO
Wiener Groteske
Schnitzeljagd in den Berliner Untergrund
Die Politik Österreichs bietet derzeit genug Anlass zur Sorge, aber auch viel Potential für Spott. Gerade in einem solchen Klima gedeihen Satiren prächtig. Elena Tikhonovas KAVIAR setzt auf politische Seilschaften und Korruption und übersteigert sie ins Groteske. Nadja (Margarita Breitkreiz) hat als Übersetzerin und persönliche Assistentin des Oligarchen Igor (Mikhail Evlanov) alle Hände voll zu tun. Die alleinerziehende Mutter gibt alles, um die Laune des cholerischen Russen aufrecht zu erhalten. Als der durchgeknallte Milliardär plant, auf der Schwedenbrücke mitten in Wien einen Palast zu errichten, kommt Klaus (Georg Friedrich) ins Spiel. Er soll die Behörden schmieren, ist aber mehr damit beschäftigt, selbst so viel wie möglich vom Bestechungsgeld zur Seite zu schaffen. Seine zukünftige Ex-Frau Vera (Darya Nosik) bekommt davon Wind und plant gemeinsam mit Nadja und deren Babysitterin mit kriminellen Beziehungen, Teresa (Sabrina Reiter), den Deal hochgehen zu lassen und selbst davon zu profitieren. Wie schon Steve McQueens WIDOWS im vergangenen Jahr erarbeiten die Frauen einen Plan, um die schwanzgesteuerte Männerschaft alt aussehen zu lassen. Reichlich Chaos auf dem Weg dorthin sorgt für konstante Planänderungen und kurzweilige 100 Minuten. Das frische Dreiergespann Margarita Breitkreiz (MARIJA), Darya Nosik und Sabrina Reiter beweist Spielfreude. Neben ihnen überzeugen Georg Friedrich (WILDE MAUS) und Simon Schwarz (KOMM SÜSSER TOD) als schmierige Gegenspieler. Regisseurin Elena Tikhonova nutzt ihren Blick auf die russische Schickeria in Wien für eine temporeiche, visuell verspielte Komödie, die beim 40. Max Ophüls Preis Filmfestival in Saarbrücken den Publikumspreis erhielt. D Lars Tunçay
Start am 4.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 40
D JUNI/JULI 2019
Deutschland 2019 D 99 min D R: Erik Schmitt D B: Stefanie Ren, Erik Schmitt D K: Johannes Louis D S: David J. Rauschning D M: Johannes Repka D D: Marleen Lohse, Jeremy Mockridge, Heiko Pinkowski, Max Mauff D V: Weltkino
Austrian grotesquerie about Russian oligarchs, gigantic blueprints, lots of bribes, and a chaotic trio of women who want to sabotage the deal.
Erik Schmitt hat sich mit Kurzfilmen einen Namen gemacht, die mit ihren schrägen Charakteren und ihrer verträumten Mischung aus Real- und Trickfilm an Jean-Pierre Jeunet (DIE WUNDERBARE WELT DER AMELIE, DELIKATESSEN) und Michel Gondry (SCIENCE OF SLEEP, MIKRO & SPRIT) erinnern. Sein erster Langfilm ist eine Hommage an Berlin und eine rothaarige junge Frau namens Cleo (Marleen Lohse), die das Geheimnis und die Zerrissenheit der Stadt in sich trägt. Er quillt über von quietschbunten, überbordenden, verspielten Details, begibt sich auf verschlungene Umwege, folgt wilden Unterplots und führt in dunkle Nebengassen und führt immer wieder neue skurrile Charaktere ein. Der Plot gerät darüber manchmal fast in Vergessenheit. Cleo ist ein richtiges Berliner Mädchen. Geboren wurde sie am Tag des Mauerfalls in einem Krankenwagen, mitten in den Menschenmassen vor der Mauer. Ihre Mutter überlebte die Geburt nicht, aber Cleo wächst bei einem liebevollen Vater (Fabian Busch) auf, der sie auf Abenteuer mitnimmt und sie in die Geheimnisse Berlins einweiht. Auf ihrer letzten Mission wollen die beiden den Schatz des berühmten Berliner Bankräuberpaares, der Gebrüder Sass, aufspüren, der auch eine Uhr enthalten soll, die die Zeit zurückdrehen kann. Stattdessen stoßen sie auf eine Weltkriegsbombe und Cleos Vater stirbt. Fast forward: Cleo ist erwachsen und arbeitet für ein Berlin-Touren-Unternehmen. Sie geht Menschen aus dem Weg, hat Angst vor Kellern und ist mehr denn je an einer Zeitmaschinenuhr interessiert, die die Vergangenheit ungeschehen machen könnte. Da kommt eines Tages ein junger Mann in den Laden: Paul (Jeremy Mockridge) ist Hausbootbewohner und: er hat neulich erst eine mysteriöse Schatzkarte erworben. Gemeinsam machen die zwei sich auf eine Schnitzeljagd-Schatzsuche in den Berliner Untergrund. D Toni Ohms
Start am 25.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Erik Schmitt’s first feature-length film is a playful, partially animated, lively homage to Berlin and a red-headed young woman named Cleo who is on a scavenger hunt.
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INDIEKRITIKEN USA 2019 D 112 min D R: Dome Karukoski D B: David Gleeson, Stephen Beresford D K: Lasse Frank Johannessen D S: Harri Ylönen D M: Thomas Newman D D: Nicholas Hoult, Lily Collins, Mimi Keene, Genevieve O’Reilly, Derek Jacobi, Colm Meaney D V: Twentieth Century Fox
TOLKIEN
Originaltitel: Metti la nonna in freezer D Italien 2018 D 100 min D R: Giancarlo Fontana, Giuseppe G. Stasi D B: Fabio Bonifacci D K: Valerio Azzali D S: Giancarlo Fontana D D: Miriam Leone, Fabio De Luigi, Lucia Ocone, Barbara Bouchet D V: Eksystent Filmverleih
NONNA MIA!
Jugendjahre des Autors
Commedia dell’arte
Dome Karukoskis Biopic über John Ronald Reuel – weltbekannt als J.R.R. – Tolkien beginnt und endet mit apokalyptisch-albtraumhaften Eindrücken von den Schlachtfeldern der Westfront. Die Inszenierung evoziert Bilder aus Peter Jacksons Filmadaptionen von Tolkiens DER HERR DER RINGE und DER HOBBIT – zwei der erfolgreichsten Trilogien aller Zeiten. Karukoski nutzt diese Assoziationen, um über die Erfahrungen, die der damals 24-jährige Schöpfer der Geschichten 1916 bei der Schlacht an der Somme machen muss, eine Querverbindung zwischen dem Leben des britischen Autors (Nicholas Hoult) und seinem Werk zu etablieren. Die existentiellen Erlebnisse im Ersten Weltkrieg sind Kulminationspunkt der Filmerzählung. Sie werden zum endgültigen Auslöser für das künstlerische Schaffen Tolkiens, der zum Vater der modernen Fantasy-Literatur wird. Im Zentrum des Films aber steht Tolkiens Zeit als Jugendlicher und junger Erwachsener. Karukoski löst die schwierige Aufgabe, den Lebensweg des Geistesmenschen und Sprachenliebhabers Tolkien für die Leinwand umzusetzen, indem er in der brüchigen frühen Biografie des Waisenjungen immer wieder Bezüge zu seinem späteren Werk herausarbeitet. Großen Raum nimmt dabei Tolkiens Schulzeit ein, in der er mit einer kleinen Gruppe von Gleichgesinnten den „T.C.B.S.“ (Tea Club – Barrovian Society) gründet. Hier treffen sich die „Gefährten“ regelmäßig, um sich über Kunst und Literatur auszutauschen und gegenseitig zu inspirieren. Daneben steht die innige Entwicklung der Beziehung zu seiner späteren Frau Edith Bratt (Lily Collins), die er im Haus seiner Pflegemutter kennenlernt, sowie der Anfang seines Weges als späterer Professor für Sprache in Oxford. So ist TOLKIEN ein Coming-of-Age-Drama, das in Ton und Thematik an Peter Weirs DER CLUB DER TOTEN DICHTER erinnert, aber auch zeigen will, wie der irdische Horror Einzug in Tolkiens fantastisches Werk gehalten hat. D Jens Mayer
Die Kamera nähert sich einer Kühltruhe, gleitet dann durch ihr Lüftungssystem gleitet und wandert schließlich über die gefrorene Landschaft in der Truhe. Zusammen mit den unheimlichen, hallenden Geräusch der Ventilatoren und der von weit weg ertönenden Musik erinnert die Einstellung an die Filme von Jeunet/Caro, wie etwa DELIKATESSEN, was auch gut zum italienischen Titel des Films passt: Metti la Nonna in Freezer. Die Nonna aus dem Titel öffnet den Deckel, legt eine Tüte Tortellini hinein und schließt die Truhe wieder, und los geht’s. Die Hauptpersonen von NONNA MIA! sind Simone, ein engagierter aber glückloser Steuerfahnder, der zunehmend komplexere Razzien veranstaltet (die eine Reihe zunehmend lächerlicherer Kostüme erfordern) und Claudia, eine Kunst-Restauratorin, deren Firma massive Verluste macht, während sie auf eine zunehmend verspätete Zahlung der Regierung wartet. Claudias geliebte und schwer kranke Oma gibt der Enkelin ihre monatliche Rente, um das Unternehmen über Wasser zu halten. Der Film baut diese dominoartigen Bausteine flott auf, und reißt sie dann zügig wieder ein. Regisseurin und Cast (allen voran die lebendige Miriam Leone als Claudia) sind mit ganzen Herzen bei ihrer Aufgabe und statten die Commedia dell’arte mit genug Energie aus, um frisch zu wirken, und mit genügend Zurückhaltung, um die Spannung zu halten. Der comichafte Tonfall der Exposition zieht sich durch, mit jeder Menge Slapstick, quietschbunten Farben und schrägen Einstellungen an Ohren vorbei oder über Schultern hinweg. Auch die Jeunet/Caro Einflüsse bleiben spürbar, aber der Großteil des Films ist eher AMELIE als DELIKATESSEN, und hat mit dem erstgenannten Energie und Einfallsreichtum aber auch einen etwas farbloseren dritten Akt gemeinsam, in dem die dunkleren und seltsameren Momente abnehmen und der Handlungsbogen sich in Richtung einer Standardliebesgeschichte bewegt. D John Peck/Übersetzung: Hendrike Bake
Start am 20.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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Dome Karukoski’s biopic of intellectual and language lover Tolkien focuses on his early biography – the orphan’s school days and Tolkien’s experience in World War I.
Start am 4.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Italian black comedy that manages a mostly sunny outlook.
JUNI/JULI 2019 D
41 D
INDIEKRITIKEN Originaltitel: Rebelles D Frankreich 2019 D 87 min D R: Allan Mauduit D B: Allan Mauduit, Jérémie Guez D K: Vincent Mathias D S: Christophe Pinel D D: Cécile de France, Yolande Moreau, Audrey Lamy, Simon Abkarian D V: Concorde
REBELLINNEN
DENE WOS GUET GEIT
Gemeinsam Gangster
Viel Zeit, um wenig zu tun
Ein bisschen THELMA UND LOUISE, ein bisschen FRIED GREEN TOMATOES, ein bisschen ERIN BROCKOVICH, aber mit deutlich mehr Proletariat. Sandra (Cécile de France) heuert in einer Fischfabrik an, in der auch Audrey (Audrey Lamy) und Nadine (Yolande Moreau) Schichteinsätze schieben. Von Solidarität ist da zunächst wenig zu spüren. Hauptsache die Neue bringt das Band nicht aus dem Takt. Außerdem ist Audrey sichtlich begeistert davon, dass Sandra, die ehemalige Miss Nord du Calais und Anführerin der Klasse, offenbar auch kein Glück gehabt hat. Von wegen Modelkarriere! Darüber hinaus haben alle genug mit ihrem eigenen Kram zu tun. Sandra ist auf der Flucht vor ihrem Loser-Freund und schwanger, Audrey alleinerziehend und pleite, und Nadine sitzt der Vermieter im Nacken. Als Sandra sich dann aber gegen den übergriffigen Vorarbeiter wehrt, der dabei bedauerlicherweise zu Tode fällt und – das entscheidende Detail – eine große Tasche mit Geld hinterlässt – sitzen die drei Frauen nolens volens in einem Boot. REBELLINNEN ist eine ruppige Komödie aus Nordfrankreich, die nach allen Seiten ordentlich austeilt. Eine Leiche muss entsorgt werden (Konservenfabrik!), ein männliches Körperteil gerät in Schwierigkeiten und sorgt für Heiterkeit, und natürlich rückt auch noch eine fiese Gangstertruppe an, die hinter der Tasche mit dem Geld her ist. Damit erinnert REBELLINNEN auch an die brachialen Gangster- und Kifferkomödien aus England – nur eben mit dem Unterschied, dass die umtriebigen und meinungsstarken „Buddys“ hier Frauen sind. Am meisten Spaß machen denn auch die Szenen, in denen die drei Neu-Gangsterinnen versuchen, sich zu einem Team zusammenzuraufen. Das gemeinsame Krisenmanagement lässt sehr zu wünschen übrig – vor allem, weil jede der drei auch noch ihr eigenes Süppchen kocht. D Toni Ohms
Start am 11.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 42
D JUNI/JULI 2019
Schweiz 2017 D 71 min D R: Cyril Schäublin D B: Cyril Schäublin D K: Silvan Hillmann D S: Cyril Schäublin, Silvan Hillmann D D: Sarah Stauffer, Nikolai Bosshardt, Fidel Morf, Belgouidoum Chihanez, Toni Majdaladi D V: déjà-vu film
REBELLES is reminiscent of the violent gangster and stoner comedies from England. The difference here is that the bustling and opinionated “buddies” are women.
Tagsüber sitzt Alice in einem Züricher Call-Center und versucht, Menschen von einem günstigeren Handyvertrag oder einer besseren Krankenkasse zu überzeugen. Mit Emotionen soll sie verkaufen, sagt ihr Supervisor. Und wenn die Leute schon bereit sind, Auskunft über ihr Leben und sogar den Kontostand zu geben, nutzt Alice in ihrer Freizeit die gesammelten Informationen, um alte Frauen als angebliche Enkelin in Not anzurufen und sie um mehrere Tausend Franken zu erleichtern. Nötig hat sie es nicht. Wie allen anderen Personen im Film geht es ihr gut, aber einigen geht es eben richtig gut, und zu denen will sie auch gehören. Die Polizei ist ihr bald auf der Spur und stellt ihr eine Falle. DENE WOS GUET GEIT ist so, wie man sich Zürich vorstellt, wenn man noch nie da war. Alle sind immer entspannt und höflich, und egal, ob Polizisten gerade in schwerer Panzerung das Bankenviertel bewachen, Pförtner russische Oligarchen in das Büro einer Bank führen oder ältere Damen ihr Konto auflösen, weil der Enkelin gerade etwas Schlimmes passiert ist, es kommen niemals starke Emotionen oder laute Stimmen auf. Stattdessen versucht man, sich an Lieder zu erinnern, die gerade sehr gut passen würden, tauscht sich über Handyverträge oder Krankenversicherungen aus und gibt ellenlange Identifikationsnummern durch. Immer statisch und oft aus der Entfernung aufgenommen, wird das kalte Züricher Stadtbild zu moderner Kunst, durch die Menschen wandern, deren Geschichten sich manchmal überschneiden, die selbst aber lieber aufs Handy starren, als sich miteinander zu beschäftigen. Ähnlich wie sein großes Vorbild Lav Diaz lässt sich Cyril Schäublin in seinem Debüt viel Zeit, seine Charaktere wenig tun zu lassen. Durch die Laufzeit von nur 71 Minuten wird der Film aber nie zur Geduldsprobe, sondern hat genau genug Zeit, eine volldigitale Gesellschaft zu porträtieren, in der manche sicher auch Sorgen haben. Aber mir geht es soweit gut. Wenn ich nur auf den Namen des Liedes kommen würde. D Christian Klose Start am 18.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
In the daytime Alice works at a call center in Zurich. She uses her free time scamming old women by pretending to be their granddaughter. An offbeat debut from Switzerland.
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Deutschland 2018 D 84 min D R: Philipp Eichholtz D B: Philipp Eichholtz, Christian Ehrich, Maxi Rosenheinrich, Martina Schöne-Radunski D K: Fee Scherer D S: Markus Morkötter D M: Tina Pepper, Ofrin, Dota D D: Martina Schöne-Radunski, Christian Ehrich, Stella Hilb, Matthias Lier, Lana Cooper D V: UCM.ONE
AB 6. JUNI IM KINO
FÜR DAS GRUNDRECHT AUF WOHNEN
KIM HAT EINEN PENIS Die Zukunft ist eine Altbauwohnung in Neukölln
Philipp Eichholtz’ neuer Film spielt heute in der Zukunft. Alles sieht aus, wie man es von seinen Berliner-Mittzwanzigern kennt, aber es gibt eine imaginäre Schweizer Agentur „Gennaro“, bei der es kostengünstige, schnelle Geschlechtsumwandlungen für Jedermann und Jedefrau gibt. Das Motto ist „There are no genders, only choices“ und “DYG – Design Your Gender“. Kurzentschlossen lässt sich Pilotin Kim (Margarete Schöne-Radunski) bei einem Zwischenstopp einen Penis machen und bringt ihn mit nach Hause, wo ihr netter Freund Andreas keine Ahnung von dem neuen Accessoire hat. Eichholtz und sein Ensemble spielen den Was-wäre-wenn-Versuchsaufbau mit großem Naturalismus durch. Leitgedanke war offenbar nicht, was für lustige Situationen entstehen würden, sondern, wie sich das wohl anfühlen würde, also jetzt in echt, wenn die Freundin auf einmal einen Penis hätte. Dabei entstehen dann natürlich schon auch sehr lustige Situationen und Dialoge. Kim: „Möchtest du mal anfassen?“ Andreas: „Ach, gerade nicht.“ Während Kim ihren neuen Penis ausprobiert und Andreas versucht, mit der Tatsache zu Rande zu kommen, dass sie a) nun einen hat und ihn vor allem b) nicht vorher gefragt hat, ringt beider beste Freundin Anna mit der Neuigkeit, dass ihr Freund, mit dem sie ein Kind geplant hat, eine andere geschwängert hat. Übergangsweise zieht sie bei Kim und Andreas ein. KIM HAT EINEN PENIS ist oft ziemlich komisch und darüber hinaus macht es Spaß, den Dreien zuzusehen, wie sie ihre Vorstellungen vom Leben und von Beziehung, mal mehr mal weniger eloquent, miteinander verhandeln. Eichholtz erfindet Figuren, die irgendwie echt und kantig sind. Die Humor und Spaß haben, und auch mal blöd und stur sind. Die Freundschaften schätzen. Die auf eine unspektakuläre, energiegeladene Art normal sind, die selten im Kino zu finden ist. D Hendrike Bake
EIN FILM VON FREDRIK GERTTEN (BANANAS!*/ BIKES VS CARS) WWW.MINDJAZZ-PICTURES.DE/PUSH
„Eine Liebeserklärung an alle Mütter dieser Welt.“ LES ÉCLAIREUSES
Der neue Film von LISA AZUELOS („LOL“)
SANDRINE KIBERLAIN THAÏS ALESSANDRIN Start am 13.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
During a stop-over in Switzerland pilot Kim gets a penis and goes home with it to Neukölln, where her nice boyfriend isn‘t very enthusiastic about the new accessory.
www.ausgeflogen-film.de
/ausgeflogen.film
AB 18. JULI IM KINO TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
INDIEFEATURE
ROCKETMAN
Das ultimative Elton-John-Musical
Der Vergleich von ROCKETMAN mit BOHEMIAN RHAPSODY liegt nahe. Abgesehen von der Beteiligung von Dexter Fletcher an beiden Filmen ähneln sich die Geschichten: Ein musikalisch begabter Engländer steigt zu Weltruhm auf, der ihm zu Kopf steigt, bricht mit alten Weggefährten und macht eine Phase des sexuellen und Drogenexzesses durch, bevor er nach einer gesundheitlichen Krise wieder zu sich und den Menschen, denen er wichtig ist, zurückfindet. Da, wo die Mercury-Biographie aber etwas gewollt alle Etappen von Freddys Leben abklappert, schießt ROCKETMAN ohne Rücksicht auf historische Realität durch das Leben von Elton John hindurch, von seiner Jugend bis zum Ende seines Entzuges 1983. Von der ersten Einstellung an, in der Elton im vollen Bühnenoutfit in eine Therapiesitzung stürmt und seine Abhängigkeit gesteht, und anschließend die offensichtlich gelogene Behauptung einer glücklichen Kindheit direkt in eine große Ensembletanznummer vor seinem Elternhaus führt, werden die großen Hits mal diegetisch, mal als Dialog, in die Handlung
Großbritannien 2019 D 141 min D R: Dexter Fletcher D B: Lee Hall D K: George Richmond D M: Matthew Margeson D D: Taron Egerton, Jamie Bell, Richard Madden, Bryce Dallas Howard, Kamil Lemieszewski D V: Paramount Pictures
D 44
D JUNI/JULI 2019
INDIEFEATURE
eingebunden. Alles, was es über die Gründe für einen Selbstmordversuch zu sagen gibt, kann das titelgebende Lied ausdrücken. Dann geht es auch schon wieder auf die Bühne zum nächsten Erfolg, und wenn das Konzert besonders toll ist, schweben alle Anwesenden sanft zur Decke. Taron Egerton singt selbst und spielt John noch im extremsten Outfit mit emotionaler Tiefe, nie zur Ruhe kommend, und manchmal auch zickig und unsympathisch. Die Freundschaft zu Bernie Taupin (Jamie Bell) ist dabei, rein platonisch, die wichtigste Konstante in seinem Leben. Zusätzlich hat ROCKETMAN, anders als RHAPSODY, auch wenig Scheu, mit ihrer Sexualität sehr glückliche, schwule Männer miteinander im Bett zu zeigen. Mit einem Drehbuch des musicalerfahrenen Lee Hall (BILLY ELLIOT) ist es nur eine Frage der Zeit, bis ROCKETMAN als Musical auf die Bühne kommt. Aber eigentlich ist das hier schon das ultimative Elton-John-Musical. Nur eben noch größer, noch lauter, noch bunter. D Christian Klose
Start am 30.5.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
The ultimate Elton John musical: prioritizing energy and fun over historical accuracy. ROCKETMAN gaily races through the life of Elton John from his youth until 1983.
INDIEKRITIKEN Deutschland 2019 D 90 min D R: Hendrik Hölzemann D B: André Bergelt, Hendrik Hölzemann D K: Lars Liebold D S: Florian Miosge D D: Emilia Schüle, Johannes Kienast, Sebastian Hölz, Katharina Wackernagel, Christian Grashof D V: W-Film
AXEL DER HELD Western-Märchen im Kaff
„Ich glaube nicht an Geld. Ich glaube an Liebe und Freiheit!“, ruft Axel (Johannes Kienast) entschieden. Allerdings nur in einem seiner zahlreichen Tagträume, die sich deutlich von seiner Realität unterscheiden. In der hat Axel weder Liebe noch Freiheit. Spielsüchtig und pleite lebt er in einem Kaff, in dem man nicht mal begraben sein möchte. Verliebt ist er zwar schon, aber ausgerechnet in Jenny (Emilia Schüle), die Freundin von Manne (Sascha Alexander Geršak), dem König des Ortes und Besitzer des Spielcasinos, für den er sich mit niederen Arbeiten verdingen muss. So weit so trist, aber AXEL DER HELD ist kein neorealistisches Drama sondern stattdessen ein farbintensives modernes Märchen – und ein Western noch dazu. Denn da ist ja auch noch der stoische Nachbar Heiner (Christian Grashof), ein zeitgenössischer Winnetou, der Axel zum Held für den Showdown rüstet. Ganze 15 Jahre nach seinem Regiedebüt und letzten Film KAMMERFLIMMERN hat Regisseur Hendrik Hölzemann jetzt wieder ein eigenes Drehbuch verfilmt. Deutlich kommt dabei die Liebe für seine schrägen Figuren und ein großer Ideenreichtum zum Ausdruck. AXEL DER HELD sagt ab den ersten Minuten an, dass hier keine klassische Komödie nach einem standardisierten Muster geboten wird, sondern ein Potpourri an Genres und Einfällen. Schade ist, dass Emilia Schüles Jenny nicht viel mehr zu tun hat, als im Bikini rumzuliegen und bei Kartenspielen „gewonnen“ zu werden. An dieser Stelle hätte der Film ruhig noch mehr überholte Muster durchbrechen können. Dafür verleiht ausgerechnet Christian Grashof, der als David Carradine-Klon eigentlich die am schwersten zu vermittelnde Rolle hat, seiner Figur eine Präsenz und Tiefe, die den Film in seinem ganz eigenen kuriosen Kosmos erdet. D Katharina Franck
Start am 11.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 46
D JUNI/JULI 2019
Axel believes in love and freedom, but in his real life he has neither – until his stoic neighbor Heiner arms him for a showdown with his nemesis, casino owner Manne.
Norwegen, Deutschland 2019 D 101 min D R: Tommy Gulliksen D K: Sven-Erling Brusletto D S: Uwe Klimmeck D V: missingFILMs
WAR OF ART
Künstlerprojekt in Nordkorea Trotz des martialischen Titels geht es den Künstlern, deren Begegnungsprojekt in Nordkorea Tommy Gulliksens Dokumentarfilm WAR OF ART zeigt, um Frieden und Verständigung. Der norwegische Künstler Morten Traarvik hat in den letzten elf Jahren Kontakte zu den Kulturbehörden aufgebaut und unter anderem ein Konzert der Industrial-Band Laibach in Nordkorea organisiert. Nun soll im Rahmen der „DMZ-Academy“ eine Gruppe von sieben internationalen Künstlern Workshops mit Studierenden veranstalten und nordkoreanischen Kunstschaffenden begegnen. Der während des Projekts entstandene Film zeigt ein ungewohntes Bild von Nordkorea. Zunächst wird hier nicht versucht, das Elend auszustellen, das es in den geführten Touren, die in Nordkorea ausschließlich gestattet sind, ohnehin nicht zu sehen gibt. Es gibt dagegen viele Bilder von entspannten, zufriedenen Nordkoreanern, die in Parks picknicken oder joggen, und selbst die offiziellen „Koordinatoren“ zeigen Humor und Persönlichkeit. Erst allmählich werden die bekannten Zensur-Beschränkungen klar, und schließlich erleben die geschockten Künstler den Test einer Wasserstoffbombe. Am spannendsten aber ist es, wie sehr die nordkoreanische Juche-Philosophie den europäischen Ideen vom Subjekt und der daraus folgenden Kunst seit der Moderne entgegensteht. Juche zufolge kann sich das Individuum nur realisieren, wenn es permanent aktiv die moralische Haltung zur Führung überprüft. Ein privates Subjekt existiert nicht, und so können die nordkoreanischen Künstler schon mit klassisch-moderner abstrakter Malerei nicht viel anfangen, geschweige denn mit postmoderner Klangkunst von Nik Nowak oder dem Metal-Körperdesign von Jean Emmanuel “Valnoir” Simoulin. Aber sie mögen ein Foto von Simoulin, in das er mehrmals sich selbst im Stechschritt um ein Denkmal herummarschierend kopiert hat. Genau das ist „Juche“, freuen sie sich: der Eine als die Vielen. D Tom Dorow
Start am 6.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
A group of seven international artists are meant to organize workshops with students in North Koea and meet with North Korean artists. The documentary which was made during the project shows an unfamiliar image of North Korea.
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INDIEKRITIKEN Luxemburg/Belgien/Israel/Frankreich 2018 D 100 min D R: Sameh Zoabi D B: Dan Kleinman, Sameh Zoabi D S: Catherine Schwartz D M: André Dziezuk D D: Kais Nashif, Lubna Azabal, Yaniv Biton, Maisa Abd Elhadi D V: MFA+
TEL AVIV ON FIRE Grenzübergreifende Seifenoper
Für Salam ist die Grenze zwischen Israel und Palästina vor allem lästig. Täglich pendelt er von Jerusalem nach Ramallah, um im Fernsehstudio seines Onkels zu arbeiten. Dort wird die enorm beliebte Seifenoper „Tel Aviv on Fire“ gedreht, in der eine palästinensische Spionin in Israel in Liebestaumel gerät. Weil Salam Hebräisch spricht, korrigiert er die Dialoge der arabischen Serie. Vor allem möchte er aber seiner Kindheitsflamme Mariam imponieren, die ihn für einen Versager hält. Bei einem Grenzübertritt trifft Salam auf den israelischen General Assi. Dessen Familie ist ebenfalls der Serie verfallen, und er hat einige Vorschläge für das Finale der Staffel. Und damit nicht genug: Der Druck auf Salam wächst, als die Hauptdarstellerin droht, die Serie zu verlassen, und sein Onkel ihm die Verantwortung überträgt. Derweil sitzt ihm der General im Nacken und wird zum unerwarteten Ideengeber. Der palästinensische Regisseur Sameh Zoabi kommentiert auf bissige Art die Situation im Westjordanland und findet dabei höchst humanistische Töne. Den Krieg erklärt er erstmal zur Nebensache, entscheidender ist, dass „Tel Aviv on Fire“ beim weiblichen Publikum auf beiden Seiten der Mauer beliebt ist. In den Serienfiguren spiegelt sich derweil der politische Konflikt: Der engagierte General Assi wünscht sich eine Serienhochzeit zwischen dem israelischen General Yehuda und der palästinensischen Spionin Rachel. Die Produzenten fürchten, dadurch die Sponsoren zu verärgern und forcieren die Liebschaft zu einem palästinensischen Terroristen. Die Elemente der Seifenoper fließen in milchigen Bildern immer wieder in die clevere Satire hinein und ziehen sich als Parallelhandlung durch den gesamten Film, so dass man am Ende selbst gespannt ist, für wen sich Rachel entscheiden wird. D Lars Tunçay
Start am 11.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
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Arab soap opera “Tel Aviv on Fire“ in which a Palestinian spy falls in love with an Israeli general is popular on both sides of the border. This is a problem for Salam, who is suddenly given responsibility for the show and is hassled by fans from both sides.
Deutschland 2019 D 89 min D R: Xaver Böhm D B: Xaver Böhm, Ariana Berndl D K: Jieun Yi D S: Florian Miosge D M: Paul Eisenach D D: Noah Saavedra, Marko Mandić, Vanessa Loibl D V: NFP
O BEAUTIFUL NIGHT Neo-Noir & Neon
Es war einmal: Juri (Noah Saavedra) ist Hypochonder, hat wüste Träume von herzfressenden Raben, und sieht sich dem Tod schon nahe. Der Tod, in Gestalt eines russischen Kleinkriminellen (Marko Mandič), begegnet ihm da auch prompt in einer siffigen Spielhalle. Doch mehr Mephisto als Schnitter, schlägt er vor, dass Juri mit ihm noch etwas erleben könnte, bevor es an den großen Abschied geht. Das Geld dafür könnte man bei einer Runde Russischem Roulette mit den Betreibern einer Gokartbahn gewinnen. Bei der Drogendealerin des Todes, die nicht nur mit Pflanzen reden kann, trifft Juri auf die „hübsche Giftpflanze“ Nina (Vanessa Loibl), die in einer Peepshow „hinter der Südsee links“ ihren Körper zeigt. Für Nina lebt Juri gerne noch ein paar Stunden länger. Sie ist zwar stachelig und liest Nietzsche, aber vielleicht werden sie sich küssen, bevor die nächtliche Fahrt in einem gestohlenen Auto tödlich endet. O BEAUTIFUL NIGHT ist ein Trip. Vom Regisseur selber als ein modernes Märchen bezeichnet, gibt es im Film keine Einstellung, der man nicht ansieht, dass Xaver Böhm aus dem Grafischen Design kommt. Die Stadt ist eine Aneinanderreihung aus austauschbaren Vierteln und Straßen, aber die Farben der Nacht sind so kräftig, dass man sie auswringen möchte, bis das Neon tropft. Die Schatten sind tief und für den Soundtrack hat Böhm selbst am Neonoir-Jazzscore mitgearbeitet. Natürlich ist die Geschichte eine reine Wunscherfüllungsfantasie für blasse, junge Zauderer, die fühlen, dass sie mehr vom Leben verdienen, angefangen mit dem Traummädchen. Den Mix aus jugendlichem Sturm & Drang, schlagkräftigen Schlitzohren und metaphysischen Überlegungen, die ab einer gewissen Intoxikation sehr plausibel klingen, kennt man vielleicht schon. Aber Böhms visueller Stil ist stark genug, um Wohlbekanntes mehr als berauschend zu präsentieren. D Christian Klose
Start am 20.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Berlin hypochondriac Juri feels death approaching and finally meets him for real in the guise of a small time criminal who takes him on a last journey through the city’s night life.
JUNI/JULI 2019 D
47 D
INDIEKRITIKEN
DAS LEBEN MEINER TOCHTER
MY DAYS OF MERCY
Im Urlaub kollabiert die achtjährige Jana plötzlich. Die niederschmetternde Diagnose: Jana braucht ein neues Herz. Bis ein Spenderherz für sie gefunden wird, muss Jana im Krankenhaus und an ein Herzunterstützungsgerät angeschlossen bleiben. Für die Familie beginnt ein Leben im Ausnahmezustand. Während Mutter Nathalie sich darum bemüht, die Gegenwart zu gestalten, treibt Vater Micha die Ungewissheit zur Verzweiflung. Ruhelos recherchiert er im Internet nach „Alternativen“ und stößt auf eine „Agentur“, die Organe an europäische Käufer vermittelt …
Auf einer Demonstration treffen sich Lucy (Ellen Page) und Mercy (Kate Mara). Dass sie einander lieben, ist den Frauen schnell klar, aber an ihrer Haltung zur Todesstrafe droht ihre Liebe wieder zu zerbrechen. Lucy demonstriert für die Abschaffung, seit ihr Vater, möglicherweise zu Unrecht, auf seine Exekution wartet, während Mercys Vater im Dienst erschossen wurde, und für sie Mörder keine Gnade verdienen. Hat ihre Beziehung unter diesen Umständen eine Chance?
Start am 6.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Deutschland 2019 D R: Steffen Weinert D D: Christoph Bach, Alwara Höfels, Barbara Philipp, André M. Hennicke, Erik Madsen, Birge Schade
Start am 11.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
GB/USA 2017 D 103 min D R: Tali Shalom-Ezer D D: Kate Mara, Ellen Page, Elias Koteas
LEID UND HERRLICHKEIT
TRAUMFABRIK
Im neuesten Film von Pedro Almódovar blickt Antonio Banderas als erfolgreicher Regisseur auf sein Lebenswerk, die Lieben, die es prägten, und die therapeutische Wirkung des Kinos zurück. Dass dabei für Almódovar mehr als eine Spur Autobiografie dabei sein dürfte, ist wahrscheinlich. Gerade erste feierte der Film auf dem Festival in Cannes Premiere. Unsere Besprechung wird in der August-Ausgabe zu finden sein.
1961 Berlin, Ost. Ein junger Mann mit blonder Tolle betritt die DEFA Studios Babelsberg. Emil wird zur Statisterie eingeteilt und verliebt sich prompt in die Tänzerin Milou. Als die Grenze geschlossen wird, fasst Emil einen wahnsinnigen Plan: Er gibt sich als Regisseur aus, was aufgrund des akuten Personalmangels durchgeht, und will mittels einer großen Produktion Milou zurück nach Babelsberg locken … Opulent verfilmte Mischung aus Husarenstück und großer Liebesgeschichte mit vagen Bezügen zum historischen Filmstudio.
Start am 25.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
D 48
D JUNI/JULI 2019
Originaltitel: Dolor y Gloria D Spanien 2019 D 113 min D R: Pedro Almodóvar D D: Antonio Banderas, Penélope Cruz, Raúl Arévalo, Cecilia Roth, Leonardo Sbaraglia
Start am 4.7.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Deutschland 2019 D R: Martin Schreier D 127 min D D: Emilia Schüle, Ken Duken, Anatole Taubmann, Svenja Jung, Nikolai Kinski
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WENN FLIEGEN TRÄUMEN Katharina Wackernagel schickt in der Verfilmung des Buches ihres Bruders Jonas Grosch eine Gruppe skurriler Gestalten um das Halbschwesterngespann Naja und Hannah im roten Feuerwehrauto Richtung Norwegen. Verfolgt werden sie von Najas Patienten, die sich im Stich gelassen fühlen, der Regionalbevölkerung, die sich nicht über die deutsche Invasion freut, und einem Spanier, der eigentlich nach Finnland will. Und natürlich träumenden Fliegen. Der wodkagetränkte Roadtrip wurde vom Team ohne Förderung selbst finanziert und produziert.
CÉCILE
AUDREY
LAMY
E YOLAND
CE DE FRAN
MOREAU
VON EIN FILM
AUDUIT ALLAN M
MIT SIMON ABKARIAN SAMUEL JOUY BÉATRICE AGENIN
Start am 27.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Deutschland 2018 D 81 min D R: Katharina Wackernagel D D: Thelma Buabeng, Nina Weniger, Johannes Klaussner, Katharina Wackernagel, Zoltan Paul
CONCORDE FILMVERLEIH ZEIGT EINE KO-PRODUKTION VON ALBERTINE PRODUCTIONS LE PACTE WILD BUNCH UND FRANCE 3 CINÉMA UNTER DER BETEILUGUNG VON CANAL+ CINÉ+ FRANCE TÉLÉVISIONS MIT DER UNTERSTÜTZUNG DER REGION ÎLE-DE-FRANCE PICTANOVO MIT DER UNTERSTÜTZUNG DER REGION HAUTS-DE-FRANCE MIT DER UNTERSTÜTZUNG DES CENTRE NATIONAL DU CINÉMA UND L’IMAGE ANIMÉE IN ZUSAMMENARBEIT MIT COFIMAGE 29 COFIMAGE 30 MANON 8 DREHBUCH VON JÉRÉMIE GUEZ UND ALLAN MAUDUIT KAMERA VINCENT MATHIAS A.F.C SCHNITT CHRISTOPHE PINEL TON NICOLAS WASCHKOWSKI NIKOLAS JAVELLE JEAN-PAUL HURIER ORIGINALMUSIK LUDOVIC BOURCE PRODUKTIONSLEITUNG VINCENT LEFEUVRE REGIEASSISTENZ LAURE PRÉVOST SCRIPT SUPERVISOR LUCIE MALLET CASTING CONSTANCE DEMONTOY AUSSTATTUNG JÉRÉMY STRELISKI KOSTÜME PIERRE CANITROT PRODUZIERT VON MATTHIEU TAROT EIN FILM VON ALLAN MAUDUIT © ALBERTINE PRODUCTIONS LE PACTE WILD BUNCH FRANCE 3 CINÉMA
/CONCORDEFILMVERLEIH
AB 11. JULI IM KINO
Ab 18. Juli im Kino
Indiekino_82x122_eck_2.indd 1
Ein Film von
Marco Tullio Giordana
DER KLAVIERSPIELER VOM GARE DU NORD Der französische Feel-Good-Film findet seit dem internationalen Erfolg von ZIEMLICH BESTE FREUNDE immer wieder neue Aufhänger, um eine Versöhnung zwischen der gutbürgerlichen und der sozialschwachen Klasse Frankreichs zu inszenieren. In DER KLAVIERSPIELER VOM GARE DU NORD wird die klassische Musik zum Nährboden für den Milieu-Clash: Der junge Herumtreiber Mathieu Malinski hat ein heimliches Talent als Pianist und wird vom Direktor des Pariser Konservatoriums Pierre Geitner entdeckt, als dieser ihn auf einem Umsteigebahnhof spielen hört. Start am 20.6.2019 ¢ Alle Spielorte und Termine auf www.indiekino.de
Originaltitel: Au bout des doigts D Frankreich 2018 D 105 min D R: Ludovic Bernard D D: Lambert Wilson, Kristin Scott Thomas, Jules Benchetrit, Karidja Touré
arsenalfilm.de TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
17.05.19 14:26
WEITERINDIEKINO
ROADS
BLOWN AWAY – MUSIC, MILES AND MAGIC
Der 18-jährige Brite Gyllen klaut im Marokko-Urlaub das Wohnmobil seines Stiefvaters und macht sich damit auf den Weg zu seinem leiblichen Vater irgendwo in Frankreich. Unterwegs gabelt er den jungen Kongolesen William auf, der nach Calais möchte, um seinen Bruder zu finden, von dem er schon lange keine Nachricht mehr erhalten hat. Sebastian Schipper erzählt das Road- und Buddymovie betont unspektakulär und alltagsnah. Ihre Lebensumstände mögen unterschiedlich sein, Gyllen und William sind auch und zuerst Jungs im gleichen Alter.
Als die Freunde Ben und Hannes auf einer Pazifikinsel ein kleines Segelboot kauften, wussten sie viel über Aufnahmetechnik, aber nichts über das Segeln. Ohne festen Plan wurde aus diesem Spontankauf eine vierjährige Reise durch 31 Länder, auf der die beiden an jeder Etappe mit lokalen Musikern Lieder aufnahmen. Aus den Liedern entstanden zwei Alben der Sailing Conductors, während der Film, der aus dem parallel dazu gedrehten Bildmaterial entstand, Musik als global verbindende Sprache der Freundschaft feiert.
¢ Bundesplatz-Kino, City Kino Wedding, Eva-Lichtspiele, Il Kino, Sputnik Kino
Deutschland 2018 D 99 min D R: Sebastian Schipper D D: Fionn Whitehead, Stéphane Bak, Moritz Bleibtreu
¢ Union Kino
ADAM UND EVELYN
EDIE
LIEBESFILM
¢ Krokodil
¢ Eva-Lichtspiele, Union Kino, Sputnik Kino
¢ Brotfabrik Kino
ALL MY LOVING ¢ Bundesplatz-Kino, City Kino Wedding, Union Kino
AYKA ¢ Krokodil
BALLON ¢ Union Kino
BERLIN BOUNCER ¢ City Kino Wedding, Sputnik Kino
BEUYS ¢ Bali Kino
B-MOVIE: LUST & SOUND IN WEST BERLIN
DAS ENDE DER WAHRHEIT ¢ Bundesplatz-Kino
DER FLOHMARKT DER MADAME CLAIRE ¢ Bundesplatz-Kino
DER FUNKTIONÄR ¢ Bali Kino, Krokodil
GLAM GIRLS ¢ Union Kino
GODZILLA 2 ¢ Union Kino
GRETA
¢ City Kino Wedding, Sputnik Kino
¢ Filmrauschpalast
DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN
HIGH LIFE
¢ fsk-Kino am Oranienplatz
BOHEMIAN RHAPSODY ¢ Union Kino
BORDER ¢ City Kino Wedding
CHRISTO– WALKING ON WATER ¢ Bali Kino
¢ City Kino Wedding, Union Kino, Wolf
THE HOLE IN THE GROUND ¢ Brotfabrik Kino
JOHN WICK: CHAPTER 3 ¢ Filmrauschpalast
DER JUNGE MUSS AN DIE FRISCHE LUFT ¢ Bali Kino, Union Kino
KLEINE GERMANEN ¢ Union Kino
D 50
D JUNI/JULI 2019
MACHT DAS ALLES EINEN SINN? – UND WENN JA – WARUM DAUERT ES SO LANGE? ¢ Bali Kino, Krokodil
MACKIE MESSER – BRECHTS DREIGROSCHENFILM
Deutschland 2018 D 119 min D R: Micha Schulze
REVOLUTION OF SOUND: TANGERINE DREAM ¢ Bali Kino
STAN & OLLIE ¢ Eva-Lichtspiele, Union Kino
A STAR IS BORN ¢ Union Kino
DER STEIN ZUM LEBEN ¢ Bali Kino, Eva-Lichtspiele
¢ Bali Kino
THE SUN IS ALSO A STAR
MIR IST ES EGAL, WENN WIR ALS BARBAREN IN DIE GESCHICHTE EINGEHEN
¢ Union Kino
¢ fsk-Kino am Oranienplatz, Filmrauschpalast, Krokodil
MIRAI – DAS MÄDCHEN AUS DER ZUKUNFT ¢ Il Kino, Sputnik Kino, Filmrauschpalast
MONSIEUR CLAUDE 2 ¢ City Kino Wedding
ONE CUT OF THE DEAD ¢ Brotfabrik Kino, Sputnik Kino
ORAY ¢ fsk-Kino am Oranienplatz
RENZO PIANO – ARCHITEKT DES LICHTS ¢ Bali Kino
SUNSET OVER HOLLYWOOD ¢ Union Kino, Sputnik Kino
TRAUTMANN ¢ Bali Kino
VAN GOGH – AN DER SCHWELLE ZUR EWIGKEIT ¢ Union Kino
WEIL DU NUR EINMAL LEBST ¢ Union Kino
WIE ICH LERNTE, BEI MIR SELBST KIND ZU SEIN ¢ Bali Kino
THE WILD BOYS ¢ Filmrauschpalast
HANDVERLESENES KINO STREAMEN
mubi.com/berlin
Images: Pierrot le Fou (1965) Director, Jean-Luc Godard | Cinematography, Raoul Coutard
INDIEKINDER Originaltitel: Uzly a pomerance D Tschechische Republik/Slowakische Republik/Deutschland 2019 D 90 min D R: Ivan Pokorný D B: Iva Procházková D D: Tomás Dalecký, Emilie Neumeister, Hana Bartonova, Stanislav Majer, Leos Noha, Ewa Farna D V: Barnsteiner Film
KINDERFILME A–Z
ALFONS ZITTERBACKE – DAS CHAOS KEHRT ZURÜCK
DER KÖNIG DER LÖWEN ¢ Union Kino
¢ Acud Kino, Bali Kino
ORANGENTAGE Sommerträume
Es ist Sommer, und der vierzehnjährige Darek (wunderbar gespielt von Tomas Daleck), der in einem kleinen tschechischen Dorf nahe der Grenze zu Deutschland lebt, will eigentlich nur zwei Dinge: Fußball spielen und Zeit mit Hanna verbringen, die so herrlich nach Orangen riecht. Doch seitdem seine Mutter vor wenigen Monaten an Krebs gestorben ist, hat sich vieles Zuhause verändert. Wo Leichtigkeit und Sorglosigkeit waren, ist nun die Angst vor der Zukunft allzu spürbar. Dareks Vater versucht, für seine beiden Kinder stark zu bleiben, doch die Trauer um seine große Liebe und die reale Angst, den Job in der Glasfabrik zu verlieren, treiben ihn abends immer öfter in die Dorfkneipe. Also ist es Darek, der sich hauptsächlich um seine kleine Schwester Ema kümmert. Ema ist mit einer geistigen Behinderung zur Welt gekommen und der Sonnenschein der Familie. Und auch wenn durch Ema die Unbeschwertheit der vergangenen Tage manchmal wieder zu spüren ist, lastet das Gefühl, die Verantwortung für die Familie allein tragen zu müssen, schwer auf ihm. Da ist die Frau vom Jugendamt, die Ema bei einer Pflegefamilie unterbringen will und einfach nicht lockerlässt. Und dann taucht dauernd dieser Angeber aus Hannas Klasse auf, der ein neues Motorrad hat und ihr schöne Augen macht. Doch als sein Vater und dessen Freund Uli (vom Berliner Schauspieler Steffen Groth gespielt) beschließen, verletzte Pferde zu kaufen, um sie aufzupäppeln und schließlich an Rennen teilnehmen zu lassen, entdeckt Darek seine Liebe zu den Tieren. Er träumt nun nicht mehr von einer Karriere als Profifußballer, sondern davon, ein richtiges Pferdegestüt zu führen. Die tschechische Kinder- und Jugendbuchautorin Iva Prochazkova, die auch das Drehbuch für die Verfilmung ihres Buches schrieb, schenkt uns mit ORANGENTAGE einen Sommer voller Liebe und Enttäuschungen, Abschieden und Mut, der tief berührt. D Karla Kabot
Start am 30.5.2019 ¢ Krokodil
D 52
D JUNI/JULI 2019
14year old Darek who lives in a Czech village close to the German border wants to pass the summer like always, playing football and spending time with Hanna. But since his mum died from cancer a lot has changed.
IMMENHOF – DAS ABENTEUER EINES SOMMERS
MISTER LINK – EIN FELLIG VERRÜCKTES ABENTEUER ¢ Sputnik Kino, Union Kino
¢ Bali Kino
PETS 2 ¢ Eva-Lichtspiele, Union Kino
KINDERFILM DES MONATS: PÜNKTCHEN UND ANTON ¢ Bali Kino, Bundesplatz Kino. Eva Lichtspiele, Kino Intimes, Sputnik Kino, Union Filmtheater, Xenon Kino alle Termine unter kinderkinobuero.de Vorbestellungen unter 030/235 562 51
ROYAL CORGI – DER LIEBLING DER QUEEN ¢ Union Kino
DER KLEINE MAULWURF ¢ b-ware!ladenkino
DIE SAGENHAFTEN VIER ¢ Bali Kino
INDIEKINDER
SPATZENKINO: REISE UM DIE WELT
DIE WIESE – EIN PARADIES NEBENAN
¢ Bali Kino, Eva Lichtspiele, Kino Intimes, Union Filmtheater, Xenon Kino alle Termine unter spatzenkino.de, Vorbestellungen unter 030/449 47 50
¢ Bali Kino
WILLKOMMEN IM WUNDERPARK STAND BY ME ¢ Union Kino
MIRAI – DAS MÄDCHEN AUS DER ZUKUNFT. Eigentlich hatte sich der vierjährige Kun auf die Geburt seines Schwesterchens gefreut. Er hatte sich schon vorgestellt, wie sie zusammen mit seiner Zug-Sammlung spielen. Aber die Schwester ist ganz anders als gedacht. Sie schreit und schläft, man darf nicht richtig mit ihr spielen, und auf einmal ist Kun nicht mehr die wichtigste Person im Haus. Traurig flüchtet er in den kleinen Garten. Dort findet er eine magische Welt, in der er Mitgliedern seiner Familie zu verschiedenen Zeiten ihres Lebens begegnet und mit ihnen Abenteuer erlebt.
¢ Union Kino ¢ City Kino Wedding, Il Kino, Sputnik Kino, Union Kino
Originaltitel: Mirai no Mirai D Japan 2018 D 98 min D R: Mamoru Hosoda
KINDERKINO IM INDIEKINO ACUD KINO
TÄGLICH 17 Uhr
TKKG
Sa+So auch 15+16 Uhr
¢ Eva-Lichtspiele, Union Kino
B-WARE! LADENKINO
DO, FR, SA, SO 16 Uhr
BUNDESPLATZ KINO
DO, FR, SA, SO 13.30 Uhr
EVA-LICHTSPIELE
URFIN, DER ZAUBERER VON OZ ¢ Krokodil
TÄGLICH ab 12 Uhr
BALI KINO
DO, FSA, SO 13.15 Uhr
R,
FILMKUNST66
DO, FR, SA, SO 15 Uhr
IL KINO
DO, FR, SA, SO Sa 14 Uhr/So 12 Uhr
KINO INTIMES
DO, FR, SA, SO
KLICK KINO
DO, FR, SA, SO
SPUTNIK KINO
DO, FR, SA, SO
TILSITER LICHTSPIELE DO, FR, SA, SO wechselnde Zeiten UNION FILMTHEATER
DO, TÄGLICH 15 Uhr
Sa+So 13 Uhr WOLF KINO
DSA, SO
XENON KINO wechselnde Termine
WENN DU KÖNIG WÄRST ¢ Union Kino
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
Eine aktuelle Programmübersicht über alle KinderfilmTermine finden Sie auf www.indiekino.de
JUNI/JULI 2019 D
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INDIEKINOHIGHLIGHTS
BROTFABRIK KINO BOULI LANNERS WERKSCHAU
D 54
D JUNI/JULI 2019
Das Brotfabrik-Kino widmet dem belgischen Schauspieler und Regisseur Bouli Lanners eine Werkschau mit sieben seiner besten Filme. Es geht los mit LOUSIE HIRES A CONTRACT KILLER (2008), in dem Yolande Moreau gemeinsam mit ihren Kolleginnen, deren Fabrik gerade geschlossen wurde, Bouli Lanners als Killer engagieren, der ihren Chef umbringen soll. Sehr kompetent ist der Killer allerdings nicht. In ELDORADO (2008) führt Lanners selbst Regie und spielt einen freundlichen Autohändler in Finanznöten, der sich mit einem Junkie auf die Reise durch belgische Einöden begibt, zur Musik von Jesse Sykes and the Sweet Hereafter. LES GÉANTS
INDIEKINOHIGHLIGHTS
Eldorado
(2011), bei dem Bouli Lanners auch Regie führte, läuft als deutsche Erstaufführung. Der Film erzählt von zwei Brüdern, die in den Sommerferien sich selbst überlassen bleiben, und deren Haus von Drogenhändlern in Beschlag genommen wird. Der Film wurde für in zwölf Kategorien für den belgischen Filmpreis „Magritte“ nominiert. Der Episodenfilm J’AI TOUJOUR RÊVÉ D’ÊTRE UN GANGSTER (2007) ist ebenfalls eine deutsche Uraufführung und erzählt in vier Episoden von Möchtegern-Gangstern. ULTRANOVA (2005) ist ein weiteres von Lanners Roadmovies: Der Makler Dimitri und sein Kollege fahren durch die belgische Provinz, und
begegnen zwei Freundinnen, die in einem Möbellager arbeiten. ICH BIN TOT, MACHT WAS DRAUS (2005) erzählt von drei älteren Rockern, die endlich die Chance auf eine USA-Tournee haben, als ihr Sänger stirbt. Mit der Asche im Gepäck reisen sie trotzdem los. In DAS ENDE IST ERST DER ANFANG (2016) sollen zwei depressive Gangster das Mobiltelefon ihres Bosses wiederbeschaffen. Sie folgen dem Diebespaar, das gerade aus der Psychiatrie geflohen ist, in die Provinz. brotfabrik-berlin.de 13.–26.6., immer um 20 Uhr
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SPUTNIK-KINO THE DRAGS OF OZ Am Freitag den 28. Juni begeht das Sputnik gleichzeitig den achtzigsten Jahrestag der US-Premiere von THE WIZARD OF OZ, den fünzigsten Todestag Judy Garlands und den fünfzigsten Jahrestag des Beginns der Stonewall Riots in der New Yorker Christopher Street! Das wird mit einem sehr bunten Abend gefeiert: Ab 21 Uhr gibt es die Drag Show “Somedrag under the Rainbow“ präsentiert von Gaby „the Wiz“ Tupper, mit Kaey „Dotty Gale“, Gerôme „The Cowardly Lioness“ Castell, Liliana „The Scared Crow“ Velasquez & Helen „The Tindame“ de Nore”. Ab 22 Uhr reist Judy Garland dann als Dorothy in THE WIZARD OF OZ aus dem schwarzweißen Kansas ins kunterbunte Land der Munchkins, wo im ängstlichen Löwen, dem Zinnmann ohne Herz und der Vogelscheuche ohne Verstand neue Freunde findet und der „wicked witch of the West“ ein Schnäppchen schlagen muss. 28.6. um 21 Uhr
Rabbit à la Berlin
B-WARE! LADENKINO KODEX DOKUMENTARFILMFESTIVAL
BROTFABRIK KINO BERLIN FILM-KATALOG: DAS SIEBENTE JAHR
Das Dokumentarfilmfestival Kodex will „liminale Räume“ erkunden, es findet im Ladenkino und im Central statt und zeigt Filme über Trainingsmethoden im russischen Leistungssport (OVER THE LIMIT, R: Maria Prus), Passanten in Harlem (FIELD NIGGAS, R. Khalik Allah) und über einen Voodoo-Priester im Theater von Jerzy Grotowski (THE ART OF DISAPPEARING). Zwei Filme des Regieduos Piotr Rosolowski und Elwira Niewiera erzählen die Lebensgeschichte des Filmproduzenten Michal Waszynski (THE PRINCE AND THE DYBBUK) und von den bizarren Umständen der Domino-Weltmeisterschaft in Abchasien (DOMINO EFFECT). Schließlich läuft noch einmal die schöne Doku über Kaninchen, die früher auf dem Mauerstreifen in Berlin lebten: RABBIT À LA BERLIN von 2009, die Piotr Rosolowski mit Bartosz Konopka drehte. ladenkino.de/kodex
Mit seinem kulturpolitischen Kahlschlag beendete das berüchtigte 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 die interessanteste und gesellschaftskritischste Phase der DEFA-Spielfilmproduktion. Während der westdeutsche Film künstlerisch wie kommerziell in seiner tiefsten Krise steckte, hatte sich das DDR-Kino experimentierfreudig und modern gezeigt. Frank Vogel, dessen DENK BLOSS NICHT, ICH HEULE zu den 1965/1966 verbotenen Filmen gehört hatte, demonstrierte 1968 mit DAS SIEBENTE JAHR, dass die Entwicklung nicht ganz totgetrampelt worden war. Im Film verarbeitete der Regisseur auch seine eigene Ehekrise: Eine junge Herzchirurgin an der Berliner Charité hadert mit ihrem Beruf ebenso wie mit ihrer Ehe. Diese wird, da ihr Mann ein gefragter Schauspieler ist, auch durch unterschiedliche Arbeitszeiten belastet. Im Alltagsstress droht nicht zuletzt die kleine Tochter dauernd zu kurz zu kommen.
30.5.–5.6.
10.–12.6., immer um 18 Uhr
D 56
D JUNI/JULI 2019
UNION KINO HAPPY BIRTHDAY, LEANDER HAUSSMANN
INDIEKINOHIGHLIGHTS WOLF AUSBLICK: RETROSPEKTIVE ROLAND KLICK
Leander Haußmann wird 60! Weil nicht alle Gäste aufs Sofa passen, und weil er um die Ecke wohnt, feiert er im Kino Union. An vier Terminen wird erst einer seiner bekannteren Film gezeigt, gefolgt von einem weniger bekannten. Dazu gibt es ein Begrüßungsgetränk, sowie Kommentare von Leander Haußmann und jeweils einem Überraschungsgast. Am 9.6. zeigt HERR LEHMANN, wie man vor 30 Jahren in Kreuzberg 30 wurde, und am 16.6. gewinnt NVA dem Militär(Ost) komische Seiten ab. ROBERT ZIMMERMANN WUNDERT SICH ÜBER DIE LIEBE, wenn am 5.7. sein hippes Leben durcheinander kommt, und am 6.7. ist dann wirklich Haußmanns Geburtstag, an dem es auf die SONNENALLEE geht.
„Kein anderer Regisseur in Deutschland hat so geradliniges, physisches Kino gemacht wie er, kein anderer hat sich zugleich so kompromisslos auf die Seite seiner Protagonisten geschlagen. Niemals wurden Schauspieler – bei Klick waren es immer entweder Stars oder Laien – von ihm zu Illustrationen irgendwelcher Thesen degradiert. Stets ging es Klick um ihre Individualtität, die immer spürbar in den Rollen aufging. An Intensität und Wahrhaftigkeit suchen seine Filme darum hierzulande ihresgleichen.“ (SZENE HAMBURG, 12/97, Jörg Schöning). Zum 80sten Geburtstag von Roland Klick richtet das Wolf eine kleine Retrospektive aus. Das Programm steht noch nicht fest. wolfberlin.org
9. & 16. Juni und 5. & 6. Juli, immer um 18 Uhr
4.–7.7. Herr Lehmann
Deadlock
Jackie Brown
FILMRAUSCHPALAST QUENTIN TARANTINO WERKSCHAU
ACUD KINO, BROTFABRIK KINO, SPUTNIK KINO RUSSISCH DOK: MIKHAIL ZHELEZNIKOV
Ob Quentin Tarantino nach der europäischen Geschichte nun mit ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD auch die amerikanische umschreibt, wird sich Mitte August zeigen. Im Juli blickt der Filmrauschpalast zurück auf drei ältere Werke des großen Zitatesammlers des Films. Mit seinem nonlinear erzählten PULP FICTION gelang Tarantino 1994 der ganz große Durchbruch, bevor er 1997 mit JACKIE BROWN dem Blaxploitation Cinema und seiner Ikone Pam Grier eine Liebeserklärung machte – und senem Dialoglehrmeister Elmore Leonard. In DEATH PROOF taucht mit Kurt Russell zwar auch eine alternde Filmlegende auf, ansonsten ist Tarantinos Motor-Slasher aber eine durch und durch jugendliche Hommage an Filme wie FASTER PUSSYCAT! KILL KILL!
Im Juni zeigt Russisch Dok sechs Kurzfilme des 1972 geborenen Dokumentarregisseurs Mikhail Zheleznikov, dessen Videoarbeiten u.a. im Museum of the Moving Image New York, National Art Center Tokio und Museum of Modern Art Erarta Petersburg gezeigt wurden. Es geht um das Aufwachsen im Sozialismus: Als ein Kind von der Geschichte St. Petersburgs erzählt, kommen Wahrheiten zu Tage, an die sich ein Erwachsener nicht trauen würde. Die Erwachsenen sinnieren über transzendentales Gras und die merkwürdige Situation, am Flughafen nirgendwo hinfliegen zu können. In einem Gemischtwarenladen treffen sich Menschen aller Klassen und Altersstufen.
Termine unter: filmrausch.de
Acud Kino: 12.6. um 20 Uhr Sputnik Kino: 17.6. um 19 Uhr Brotfabrik Kino: 27.6. um 18 Uhr, OmeU
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INDIEKINOHIGHLIGHTS
ACUD KINO SHORTS ATTACK
CITY KINO WEDDING PSYCHOLOGIE UND KINO: CALL ME BY YOUR NAME
Im Juni folgen die Kurzfilme im „Shorts Attack“ Programm dem Ruf der Wildnis. Es gibt Tierbegegnungen, Gespenster, Naturkreisläufe, Poesie und jede Menge Zwischenfälle zwischen Fauna und Flora. Im Juli haben dann alle schon wieder genug von den gemeinsamen Expeditionen und das Motto lautet „Familienkoller“. 19.6. und 17.7. um 21 Uhr
Im City Kino Wedding analysiert Dr. Dipl. Psych. Bernd Heimerl die Blicke und Berührungen zwischen Elio und Oliver in CALL ME BY YOUR NAME aus psychoanalytischer Perspektive. Immerhin seien „Beschauen- und Berührenwollen: für Sigmund Freud die Grundlage der „normalen Sexualbefriedigung“ und der Liebe“. 27.6. um 20 Uhr
Birthplace
Herr Zwilling und Frau Zuckermann
WOLF KINO FESTIVAL: HOWLING WOLF
KROKODIL WERKSCHAU VOLKER KOEPP
Vom 1.6 bis 31.7. stehen das Wolf Kino und der nahe Guttempler-Raum ganz im Zeichen der Symbiosenforschung zwischen Bild und Ton. Eine Woche Zeit haben Klangkünstler*innen wie F.M. Einheit, Stella Chiweshe und Phoebe Killdeer, um sich durch einen Film zu einem Musikstück inspirieren zu lassen. FM Einheit (Einstürzende Neubauten) macht Musik zu Dziga Vertovs DER MANN MIT DER KAMERA (1929), das Solistenensemble Kaleidoskop vertont Chantal Akkermans Film D’EST (1993), die Mbira-Meisterin Stella Chiweshe spielt zu James Bennings Experimentalfilm 11x14, der schwedische Komponist und Saxophonist Otis Sandsjö zu den Bidern von Nikolaus Geyrhalters HOMO SAPIENS (2016). Die Ex-Nouvelle Vague Sängerin Phoebe Killdeer und Ex-Party Diktator Ole Wulfers arbeiten bereits längere Zeit zusammen und vertonen im Wolf Michelangelo Frammartinos Essayfilm LE QUATTRO VOLTE, und schließlich spielt Paul Frick zu den Bildern von Véréna Paravel und Lucien Castaing-Taylors LEVIATHAN. Neben der abschließenden Performance findet für jedes Projekt eine öffentliche Work-in-Progress-Probe statt, sowie Vorträge und Workshops. wolfberlin.org/de/howling/festival 1.6.–31.7.
„Autorenhaltung und Standpunkt, das muss im Material stecken. Das kann nicht irgendwie hinterher draufgesetzt werden. Und wenn man das nicht im Material hat und man benötigt einen Kommentar, um das alles zu erklären, dann hat man, glaub ich, seine Arbeit nicht richtig gemacht.“ (Volker Koepp) Zum 75sten Geburtstag von Volker Koepp veranstaltet das Krokodil eine Werkschau mit Arbeiten aus dem umfangreichen Werk des besonnenen Dokumentarfilmers. Zum Auftakt am 29.5. zeigt das Kino die restaurierte Fassung von KURISCHE NEHRUNG (2001) in Anwesenheit des Regisseurs. Das nördliche Ostpreußen erkunden auch die Filme KALTE HEIMAT (1995) und FREMDE UFER (1996). Zu den schönsten und erfolgreichsten Filmen, die Koepp je gedreht hat, gehört das warmherzige Porträt der alten Freunde HERR ZWILLING UND FRAU ZUCKERMANN (1999), die zu den letzten in Czernowitz lebenden Juden gehören. Und schließlich bietet die Werkschau, die seltene Gelegenheit, den kompletten WITTSTOCK-ZYKLUS zu sehen. Über 22 Jahre hinweg hat Volker Koep drei Frauen immer wieder porträtiert – von ihrem Berufseinstieg im VEB Obertrikotagenbetreib „Ernst Lück“ im Jahr 1974 bis über den Untergang der DDR hinweg. kino-krokodil.de 29.5.–19.6.
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D JUNI/JULI 2019
INDIEKINOHIGHLIGHTS
WOLF ASHISH AVIKUNTHAK RETROSPEKTIVE
ACUD KINO GRENZFÄLLE 1989-2019
Ashish Avikunthak dreht seit 24 Jahren Filme und hat in Yale Anthropologie und Film unterrichtet. 2014 schrieb Niru Atman in der Reihe „Future Greats“ des Kunstmagazins „Art Review“ über Avikunthak: „In einer Welt der Kunst, in der eine zunehmende Zahl von Kritikern argumentieren, dass die globalisierte Kunst die Form eines ausgehöhlten Esperantos annimmt, beharren Avikunthaks Werke auf einer indischen Erkenntnistheorie, wobei sie eine rigorose visuelle Sprache benutzen, die sich offensichtlich westlicher Avantgarde-Praxis bewusst ist, wie der von Andrej Tarkowski und Samuell Beckett.“ Das Wolf Kino zeigt fünf Filme von Ashish Avikunthak, der selbst einen Vortrag über „Cinema of Prayoga“ halten wird. wolfberlin.org
Die evangelische Kirchengemeinde am Weinberg präsentiert bereits seit April die Veranstaltungsreihe „Grenzfälle“. Die Reihe ist nach der Zeitung „grenzfall“ benannt, die während der Proteste 1989 in der Zionskirche, die damals Anlaufpunkt für die Ost-Berliner Oppositionsbewegung war, gedruckt wurde. Die Veranstaltungsreihe will „Grenzgänger“ in verschiedenen Künsten zeigen, und ab Juni wird auch eine Filmreihe im Acud Kino hinzukommen. Als Eröffnungsfilm ist Heike Misselwitz‘ WINTER ADÉ (1988) geplant, in dem die Regisseurin eine Eisenbahnreise durch die DDR unternimmt und mit Frauen aus verschiedenen Generationen und unterschiedlichen sozialen Schichten über ihr Leben spricht.
7.6.–12.6.
Termine unter acudkino.de und grenzfaelle2019.de Rati Chakravyoh
Robert Koch, Bekämpfer des Todes
EVA LICHTSPIELE DER ALTE DEUTSCHE FILM IM JUNI
BALI KINO KINO DER NACHBARN: DIE SINGENDEN VÖGEL VON KIGALI
In KARUSSEL (1937) betört Marika Rökk als arbeitslose Tänzerin solange einen überzeugten Junggesellen, bis sie seinen Neffen heiraten darf (5.6.). Am 12.6. streiten Emil Jannings und Werner Krauß als Koch und Virchow in ROBERT KOCH, BEKÄMPFER DES TODES (1933) über die Zukunft der Medizin. Damit sich das Personal möglichst auf die Arbeit konzentriert, stellt man am 19.6. als Sekretärin DAS HÄSSLICHE MÄDCHEN (1933) ein. Am 26.6. muss sich Otto Wernicke als DER SENIORCHEF (1942) entscheiden, ob sein Gestüt oder seine Familie wichtiger ist.
DIE SINGENDEN VÖGEL VON KIGALI erzählt, wie eine polnische Ornithologin bei Feldforschungen zu Geiern in Ruanda Zeugin des Mordes an einem Tutsi-Kollegen wird. Sie verhilft seiner Tochter zur Flucht nach Polen. Dort ist es für beide Frauen schwer, das Erlebte zu verarbeiten und sich mit dem europäischen Desinteresse an den Massakern abzufinden. Um Frieden zu finden, kehren sie nach Ruanda zurück. DIE SINGENDEN VÖGEL ist der letzte Film des Regieduos Krzysztof und Joanna Kos-Krauze. (PAPUSZA). 10.6. um 18 Uhr (OmeU)
Immer mittwochs um 15.45 Uhr.
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INDIEKINOHIGHLIGHTS
FILMRAUSCHPALAST MANGA MONDAY: ANIMERMA
IL KINO SCI-FI FILM FESTIVAL RE.RUN
Osamu Tezuka und Eichi Yamamoto produzierten von den späten 60ern bis in die Anfänge der 70er die erste erotische Anime-Trilogie: sehr kinky, sehr seltsam, und stilistisch sehr experimentell. Der Filmrauschpalast zeigt A THOUSAND & ONE NIGHTS (am 10.6.), CLEOPATRA (am 8.7.) und BELLADONNA OF SADNESS (am 12.8.) An CLEOPATRA war Manga-Großmeister Osamu Tezuka auch als Regisseur beteiligt, gemeinsam mit Eiichi Yamamoto, der bei allen Filmen Regie führte.
Der Berlin Sci-fi Filmfestival re.run zeigt am 11. Juni als Hauptfilm den Thriller BLOGGERS: Auf der Rückkehr vom Merkur wird eine Bergbauexpedition von einer unbekannten Macht getroffen. Das Schiff schwebt hilflos im All, während Luft und Wasser zur Neige gehen. Am 9. Juli erzählt der Dokumentarfilm CLOSER THAN WE THINK von Arthur Radebaugh, dessen technisch angehauchte Kunst teilweise nur unter Schwarzlicht voll zur Geltung kommt. Dazu gibt es jeweils Kurzfilme und Gespräche mit Filmschaffenden. 11.6. und 9.7. um 20 Uhr, OmeU
10.6. um 20.15 Uhr A THOUSAND & ONE NIGHTS 8.7. um 20 Uhr CLEOPATRA 12.8. BELLADONNA OF SADNESS Belladonna of Sadness
Bloggers
Leere Stadt
BUNDESPLATZ-KINO FORTSETZUNG: WERKSCHAU GISELA UHLEN
Z-INEMA DER BOXER, DIE STADT UND DIE UNTOTE
Die Gisela Uhlen-Werkschau wird im Juni mit dem Nachkriegs-Gerichtsfilm DER PROZESS WIRD VERTAGT (DDR 1958) und dem Krimi HOTEL DER TOTEN GÄSTE (BRD/Spanien 1965), der den Versuch darstelle, an die erfolgreichen Edgar-Wallace-Verfilmungen anzuknüpfen, fortgesetzt. Zum Abschluss der Reihe läuft der Fassbinder-Klassiker DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1978). Zu allen Vorführungen der Werkschau wird Uhlens Tochter Barbara Bertram-Uhlen erwartet, am letzten Termin am 23.6. gesellt sich auch Fassbinder-Veteran Harry Baer dazu.
DER BOXER UND DER TOD (1964, DF) hatte einen schwierigen Weg auf die Leinwand. Manfred Krug spielt einen KZ-Kommandanten, der einen tschechischen Insassen hochpäppeln lässt, damit er zum Zeitvertreib gegen ihn boxen kann. Weil sich Fotograf Yasser nicht verkaufen will, schmeißt ihn seine Frau raus. Nun streift er durch Hammerbrook und fotografiert verliebt die LEERE STADT (2017). Aber auch dieses künstlerische Idyll steht kurz vor dem Verkauf. Jean Rollins LIVING DEAD GIRL (1982, OmeU) zeigt, dass Frauenfreundschaften es auch aushalten, wenn eine der Freundinnen eine blutdurstige Untote ist.
Immer sonntags um 15.30 Uhr: 2.6. DER PROZESS WIRD VERTAGT 16.6. HOTEL DER TOTEN GÄSTE 23.6. DIE EHE DER MARIA BRAUN
D 60
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4.6. LEERE STADT 18.6. THE LIVING DEAD GIRL 25.6. DER BOXER UND DER TOD, jeweils um 20 Uhr
INDIESERVICE
DIE INDIEKINOS
ACUD KINO MITTE
1
Veteranenstr. 21, 10119 Berlin www.acudkino.de 030/44 35 94 98
CITY KINO WEDDING FILMRAUSCHPALAST IM CENTRE FRANÇAIS MOABIT 8 Lehrter Str. 35, 10557 Berlin WEDDING 6 www.filmrausch.de 030/394 43 44
Müllerstraße 74, 13349 Berlin www.citykinowedding.de 01525/968 79 21
B-WARE! LADENKINO FRIEDRICHSHAIN 2 Gaertnerstr. 19, 10245 Berlin ladenkino.de, 030/63 41 31 15
SPUTNIK KINO AM SÜDSTERN KREUZBERG 12 Hasenheide 54, 10967 Berlin www.sputnik-kino.com 030/694 11 47
11
Greifenhagener Str. 32, 10437 Berlin www.kino-krokodil.de 030/44 04 92 98
Segitzdamm 2, 10969 Berlin www.fsk-kino.de 030/614 24 64
Blissestr. 18, 10713 Berlin www.eva-lichtspiele.de, 030/92 25 53 05
10
Nansenstr. 22, 12047 Berlin www.ilkino.de 030/81 89 88 99
KINO KROKODIL PRENZLAUER BERG
FSK-KINO AM ORANIENPLATZ KREUZBERG 9
EVA-LICHTSPIELE BERLIN WILMERSDORF 7
IL KINO NEUKÖLLN
UNION FILMTHEATER FRIEDRICHSHAGEN Bölschestr. 69, 12587 Berlin 14 www.kino-union.de 030/65 01 31 41
WOLF KINO TILSITER LICHTSPIELE NEUKÖLLN 15 FRIEDRICHSHAIN 13 Weserstraße 59, 12045, Berlin wolfberlin.org 030/921 03 93 33
R.-Sorge-Str. 25a, 10249 Berlin www.tilsiter-lichtspiele.de 030/426 81 29
BALI KINO ZEHLENDORF 3 Teltower Damm 33, 14169 Berlin www.balikino-berlin.de 030/811 46 78
REINICKENDORF
XENON KINO SCHÖNEBERG
PANKOW
16 Kolonnenstr. 5, 10827 Berlin www.xenon-kino.de 030/78 00 15 30
C 6 11 8 H 17 1
SPANDAU
MITTE
7
Caligariplatz 1, 13086 Berlin www.brotfabrik-berlin.de 030/471 40 01
13
9 A 16
5
LICHTENBERG
MARZAHNHELLERSDORF
B 2 FRIEDRICHSHAIN-
CHARLOTTENBURGWILMERSDORF
BROTFABRIKKINO WEISSENSEE 4
4
12 E
TEMPELHOFSCHÖNEBERG
STEGLITZZEHLENDORF
KREUZBERG
F 18 10 G 15 14 D
NEUKÖLLN
Z-INEMA MITTE
17
Bergstr. 2, 10115 Berlin www.z-bar.de 030/28 38 91 21
TREPTOWKÖPENICK
3
BUNDESPLATZ-KINO WILMERSDORF 5 Bundesplatz 14, 10715 Berlin www.bundesplatz-kino.de 030/85 40 60 85
B-WARE! OPEN AIR IM VOR WIEN BIERGARTEN KREUZBERG A IM FMP1 FRIEDRICHSHAIN B ladenkino.de
FREILICHTBÜHNE WEISSENSEE WEISSENSEE
C
freilichtbuehne-weissensee.de
FREILUFTKINO D FRIEDRICHSHAGEN FRIEDRICHSHAGEN
www.freiluftkino-friedrichshagen.de
FREILUFTKINO HASENHEIDE KREUZBERG E
FREILUFTKINO POMPEJI FRIEDRICHSHAIN
FREILUFTKINO INSEL ZU GAST IM CASSIOPEIA FRIEDRICHSHAIN F
WINDLICHT IM FILMRAUSCH PALAST: „UMSONST & DRAUSSEN“ MOABIT H
www.freiluftkino-hasenheide.de
www.freiluftkino-insel.de
G
freiluftkino-pompeji.de
ZUKUNFT FRIEDRICHSHAIN
18
Laskerstr. 5, 10245 Berlin kino-zukunft.de 0176/57861079
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IMPRESSUM Herausgeber: INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) Rudolfstr. 11, 10245 Berlin Telefon: 030 – 209 897 24, info@indiekino.de, www.indiekino.de Geschäftsführung: Hendrike Bake
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Redaktion: Hendrike Bake, Thomas Dorow redaktion@indiekino.de Filmtexte: Hendrike Bake, Yorick Berta, Stefanie Borowsky, Tom Dorow, Katharina Franck, Anna Hantelmann, Pamela Jahn, Karla Kabot, Pauline Keller, Susanne Kim, Christian Klose, Luitgard Koch, Elinor Lewy, Sebastian Markt, Jens Mayer, Michael Meyns, Toni Ohms, John Peck, Hannes Stein, Susanne Stern, Lars Tunçay, Hardy Zaubitzer Texte Kinohighlights: INDIEKINO BERLIN und Kinos Grafik: Michael Zettler, Nora Wiesner (Zett Media) Akquise/Marketing: Michael Spiegel, spiegel@indiekino.de
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Druck: Bonifatius Druck, Paderborn
JUNI/JULI 2019 D
61 D
NACHBILD La meute Rebellinnen
Louise Hires a Contract Killer Séraphine
Yolande Moreau fällt auf. Zunächst dadurch – ist das nicht traurig! – dass sie nicht aussieht wie die Schauspierinnen, die man sonst betrachten darf. Sie ist nicht schlank, nicht langbeinig, nicht blond und verfügt auch über keine ausgeprägten Wangenknochen, die verhindern, dass ein Gesicht im Alter teigig wird. Jedesmal, wenn ich Yolande Moreau auf der Leinwand sehe, fällt mir auf, wie ungeheuer gleichförmig und langweilig das Angebot an Frauenbildern immer noch ist. Während es an alten Zauseln wahrlich nicht mangelt, ist an Zauselinen echt noch Bedarf. Bei längerer „Bekanntschaft“ prägt sich dann vor allem ein, wie nuanciert und mit welch physischer Präsenz Moreau spielt. Hinter jeder ihrer Rollen, mag sie noch so klein sein, scheint ein ganzes Leben zu stehen. Mit besonderer Verve allerdings spielt sie Zauselinen, von Louise in Bouli Lanners LOUISE HIRED A CONTRACT KILLER über die naive Künstlerin SÉRAPHINE bis hin zur Familienmutter-Gangsterbraut, die sie in REBELLINNEN gibt.
VORSCHAU INDIEKINO IM AUGUST
D ICH WAR ZUHAUSE, ABER … Irgendwie weitermachen D LATE NIGHT Frauenquote D DER UNVERHOFFTE CHARME DES GELDES Reich, und nun? D CARMINE STREET GUITARS Gitarrenladen D SO WIE DU MICH WILLST Falsches Profil D A GSCHICHT ÜBER D’LIEB Dorfgeschwister D ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD Der neue Tarantino D PARANZA – DER CLAN DER KINDER Jugend in Neapel D BLINDED BY THE LIGHT Javed loves Springsteen D ES GILT DAS GESPROCHENE WORT Ehe zum Schein? D UND WER NIMMT DEN HUND? Ehe am Ende? D ENDZEIT Nach der Zombie- Apokalypse D MORGEN SIND WIR FREI Aus der DDR in den Iran D MEMORY GAMES Sachen merken D CRAWL Wasser! Krokodile! D JUNI/JULI 2019 D 62
HAPPY EIN FILM VON ALEXANDER KLUGE
LAMENTO AB 20. JUNI IM KINO
FEAT. KHAVN
KAMIAS ROAD
KAIROS FILM
www.rapideyemovies.de
ACADEMY AWARD ® GEWINNERIN
VON REGISSEUR
TREVOR NUNN SHAKESPEARE IN LOVE
DEM PRODUZENTEN VON
I N S P I R I E R T VO N WA H R E N E R E I G N I S S E N
AB 4. JULI IM KINO W W W. G E H E I M N I S E I N E S L E B E N S - D E R F I L M . D E
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