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KATJA KULLMANN
WIE EIN Coming out
ENDLICH! WEIBLICHES Single-Sein aus einer erfrischend unkonventionellen Perspektive: Katja Kullmann weiß, wovon sie schreibt –aus eigener Erfahrung als überzeugte Solistin und durch eine Fülle erstaunlicher Begegnungen und Lektüren bei ihren ausgedehnten Recherchen. Ungeschminkt und klischeebefreit schildert sie, was sie selbst und viele weitere Alleinstehende bewegt: Unterschiedlichste Persönlichkeiten, Lebensphilosophien und Alltagsrealitäten – die ganze Vielfalt einzigartiger Frauen, die auf eigenen Beinen stehen. „Die Singuläre Frau“, eine inspirierende Hommage an die wahre Heldin der Moderne, der die Zukunft gehört!
Katja Kullmann: Die Singuläre Frau Hanser Berlin, 24,– € 240 Lesepunkte Auch als eBook | Hörbuch
EXKLUSIV | INTERVIEW
LANGZEIT-SINGLE! Diese Selbsterkenntnis war für Katja Kullmann kurz vor ihrem 50. Geburtstag ein kleiner Schock. Aber warum eigentlich? Die Bestsellerautorin („Generation Ally“), Journalistin und „taz“-Themenchefin vermisste doch gar nichts – erst recht keinen Mann an ihrer Seite. Fühlte sich ihr Leben etwa nicht gut an? Höchste Zeit für eine schonungslose Selbsterkundung und für die Spurensuche nach weiblichen Alleinstehenden in Geschichte und Gegenwart: „Die Singuläre Frau“ führt zu einer radikalen Neubewertung – und zur Befreiung!
T Auf Ihrer Homepage ver-
raten Sie Ihre Lebensmaxime: „Euphorie im Alltag“. Was versetzt Sie in Hochstimmung?
In der Pandemie fehlt mir natürlich einiges, z.B. das Ausgehen und das Reisen. Aber ich sorge auch für euphorische Momente. Ich genieße es, als Flaneurin die Umwelt ganz in Ruhe zu beobachten. Außerdem steckt eine leidenschaftliche Tänzerin in mir. Hochgefühle kann ich da jederzeit erleben – in meiner Wohnzimmerdisco: Jalousien runter, Licht dimmen, Sixties Soul, meine Lieblingsmusik, auflegen und einfach vor mich hintanzen – solo.
T Während viele Bücher von
und für Frauen um die Suche nach Mr. Right kreisen, scheint Sie „das um einen Mann zentrierte Leben“ nicht zu locken ...
Ich blicke weder auf Paare noch auf Männer per se herab. Bis heute bin ich mit den drei Lieben meines Lebens noch lose befreundet. Es ist nur leider so, dass ich in all meinen Beziehungen früher oder später an den Punkt kam, bestimmte Erwartungen nicht mehr erfüllen zu können oder wollen. Ich war früh schon unabhängig, vielleicht auch eigensinnig …
T Welche Konsequenz haben
Sie gezogen?
Mit Mitte dreißig nahm ich mir vor, erst einmal ein Päuschen von diesem Zirkus zu machen –für eine Übergangszeit. Zu meinem eigenen Erstaunen war das allerdings wie ein Coming-out für mich. Quasi aus Versehen stellte ich fest, dass ich mich als Einzelperson auf Dauer sehr viel wohler fühle – weniger allein oder unverstanden oder angegriffen als vorher. Ich war nun nicht mehr eine Frau an irgendjemandes Seite, sondern wurde nach und nach ein kompletter Mensch.
T Was macht Ihnen die Ab-
lösung der Single-Frau durch „Die Singuläre Frau“ wichtig?
„Single“ kam in den 1960er Jahren auf und hatte zum Milleniumswechsel noch einmal Hochkonjunktur: durch TVFiguren wie Bridget Jones, Ally McBeal oder Carrie Bradshaw. Seither verbinden viele – auch Frauen – das „Single“-Wort mit einer irgendwie etwas kindischen, mehr oder minder verzweifelt nach „dem Richtigen“ suchenden Person. Das entspricht aber nicht unbedingt der Selbstauffassung von Solistinnen.
T Welches Lebensgefühl ver-
bindet Singuläre Frauen?
Es gibt Studien darüber, wie allergisch viele Solo-Frauen auf das „Single“-Wort reagieren, denn sie suchen nichts, sondern sind ganz zufrieden mit ihrem Leben, wie es ist. „Singulär“ klingt etwas großspuriger, auch stolzer – es bedeutet so viel wie „einzigartig“:
Jede bringt ja ihre ganz eigene Geschichte mit. Tatsächlich existiert eine große Masse von Einzelfällen – die Einzigartigkeit der Vielen.
T Was inspirierte Sie besonders? Mir fiel auf, da scheint etwas Größeres im Gange zu sein. Offensichtlich bin ich mit meinem kleinen krummen Leben ein Teil davon. Und das wollte ich untersuchen.
T Was hat Sie bei der Recherche am
meisten fasziniert?
Ich habe an die hundert Bücher über die Frau ohne Begleitung gelesen – so viel Verschiedenheit existiert da! Die erste Politikerin, die je im deutschen Parlament eine Rede hielt, war eine Alleinerziehende: Marie Juchacz. Die erste Frau im Vorstand eines Dax-Unternehmens, Ellen SchneiderLenné, war solo. Auch die Obdachlose, die durch mein Viertel zieht, ist eine Solistin – lange hatte ich sie gar nicht so betrachtet. Meine geliebte Oma, früh verwitwet, war es ebenfalls: alleinstehend. Genau wie die Pop-Ikone Kylie Minogue.
T Ihr Buch verstehen Sie als Neubewer-
tung der alleinstehenden Frau. Was sind Ihre Hauptargumente?
Nicht alle alleinlebenden Frauen haben sich in ihrer Zeit als Revolutionärinnen oder Pionierinnen gesehen, auch nicht unbedingt als Feministinnen. Und doch waren sie immer ganz vorne dran mit ihrer Art zu leben. Ob aus Not oder Freigeist: Sie haben neue Lebensweisen erschlossen – nie nur für sich selbst. Sie haben das Spielfeld, die Möglichkeiten und Selbstverständlichkeiten für Frauen erweitert. Die singuläre Frau ist stets eine Agentin der Moderne gewesen, eine Vorreiterin einer letztlich freieren Gesellschaft.
© Christian Werner
Katja Kullmann