«Heute Nacht habe ich zehn Stunden geschlafen» Lona Klaus

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Heute Nacht habe ich zehn Stunden geschlafen

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Heute Nacht habe ich zehn Stunden geschlafen und viel und kompliziert geträumt, am Morgen waren meine Gedanken auf einmal ganz klar. Ich war wieder fähig meine Arbeit aus einer gewissen Distanz zu betrachten und habe erkannt, dass ich seit Jahren der gleichen Frage nachgehe: Wie kann ich aus dem Dilemma ausbrechen, dass ich nur auf dem Papier wirklich lebe? Ich habe jede Arbeit als Experiment angelgt, um herauszufinden, ob ich so ein Stück näher an dieses Problem herankomme. Ich habe versucht, meinen Körper aus Fleisch und Blut in meine Arbeit einzubinden. Ich habe versucht einem Impuls nicht in einen abstrakten, sondern in einen realen Raum Ausdruck zu geben. 24.8.2013

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Im Moment tendiere ich dazu, diese Versuche als gescheitert anzusehen. Kämpfe ich da nicht gegen etwas an, was unumstösslich ist? Sobald die Arbeiten in der Ausstellung sind verwandeln sie sich in etwas anderes. Also könnte mein nächstes Experiment davon ausgehen, dass es zwei getrennte Welten sind, ohne das als Problem anzusehen. Ich merke aber, wie ich hier gerade anstehe und sich die Klarheit verflüchtigt hat. Was kann ich tun um meinen Gedanken zu helfen? Wieder einschlafen? 24.8.2013

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Ich lege meinen m체den, schweren, gedankenleeren Kopf auf den Boden. Wenn ich ihn hin und herrolle, f체hle ich, wie die schwabbelige Masse darin der Schwerkraft folgt und dabei sanft durchgemischt wird. Ich lasse den Kopf h채ngen, damit die Masse der Schwerkraft nach unten folgen kann. 24.8.2013

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In meinem Traum haben sich meine Arbeiten zuerst in Papiere verwandelt, die ich in riesigen Stapeln suchen musste. Gleichzeitig waren sie Kinder von mir, eine Mischung aus Mensch und Tier, im Traum war dieser Unterschied weder wichtig noch gross. Eine Arbeit war ein kleiner Mann, etwa so gross wie ein A4 Blatt. Aber er hatte die Proportionen und das Aussehen eines ausgewachsenen Mannes. Ich wusste, dass ich ihn brauche, aber dass ich ihn zuerst grossziehen muss. Nur wie? Er hat sich mit den Händen an einem Zaun hochgezogen, um grÜsser zu wirken. 24.8.2013

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Heute fällt es mir schwer zu meiner Arbeit zu stehen, am liebsten würde ich sie verstossen, warum? Es tut weh, es fühlt sich an wie Liebeskummer. Als würde ich am eigenen Körper fühlen, wie es meiner Arbeit gehen muss, wenn ich sie so behandle. Eine Müdigkeit und Schwäche in meinem ganzen Körper und in der Brust, wo der Schmerz sitzt ein Loch. Was war zuerst, die Erschöpfung oder der Zweifel? Ich mache mir Vorwürfe. Ich fühle mich alleine, stelle mir vor, dass ich mir mit meiner Arbeit mehr Feinde als Freunde schaffe. Am liebsten würde ich dem schweren, traurigen Gefühl nachgeben, mich sinken lassen und nicht dagegen wehren. Dadurch wird es weicher in meiner Brust, zwar fühle ich noch immer die Muskelversoannung um mein Brustbein. Sie kommt davon, dass ich mich in den letzten Tagen so sehr aufgeregt habe über die viele Arbeit am Computer, die die Kunst mit sich bringt. Ich muss seufzen und schon fühlt es sich etwas weiter an in meiner Brust und kurz blitzt der Gedanke auf, dass ich Freude habe an meiner Arbeit. 27.8.2013

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Jede Arbeit ist ein neuer Versuch mich der Umwelt anzun채hern, indem ich mich einbringe anstatt innerlich abzuhauen. Ich frage mich, was ich wirklich gerne tun w체rde und tue es dann. Ich mag es, wenn mir die Kunst Anlass gibt etwas zu tun, was ich sonst nicht tun w체rde. 29.8.2013

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Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich noch immer schreibe, als w채re das ein Tagebuch und ich nicht sehe, ob ich einer Antwort irgendwie n채her komme. Gehe ich noch immer der Reflexion aus dem Weg? 31.8.2013

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