Band 21 Nummer 3
Sommer 2021
Myeloma Today
Herausgegeben von der International Myeloma Foundation
12. JÄHRLICHER
IMWG-Gipfel 2021
öhepunkte der Myelom}H
Präsentationen bei den Jahreskongressen 2021 von ASCO und EHA SEITE 2
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International Myeloma Working Group 2021 SEITE 3
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Venetoclax-Studien zeigen Wirksamkeit bei multiplen Myelomen mit Translokation t(11;14) PAGE 6
Diese Ausgabe von Myeloma Today wird unterstützt von AbbVie • Amgen • Bristol Myers Squibb • Karyopharm Therapeutics • Sanofi Genzyme • Takeda Oncology
Wissenschaft und Klinik
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ASCO- und EHAKongress 2021 - Überblick
Von Dr. Joseph Mikhael, Chief Medical Officer der IMF
Der jährliche Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) fand vom 4. bis 8. Juni 2021 statt. Es gab viele Vorträge und Präsentationen mit Myelomabezug, und ich möchte Ihnen hier einigen Themen vorstellen, die sich auf der diesjährigen Tagung herauskristallisiert haben.
Induktionstherapie Die Induktion ist die erste Behandlung, die Patienten mit neu diagnostiziertem Myelom erhalten. Immer mehr klinische Studien, in denen eine Kombinationstherapie mit vier (Quadrupletts) bzw. mit drei (Tripletts) Medikamenten verglichen wird, zeigen den Vorteil der Quadrupletts, mit denen ein sehr starkes Ansprechen erreicht werden kann. Im Allgemeinen bedeutet dies, dass Darzalex (Daratumumab) oder Sarclisa (Isatuximab) zu einer Kombination wie VRd (Velcade [Bortezomib] + Revlimid [Lenalidomid] + Dexamethason) oder KRd (Kyprolis [Carfilzomib] + Rd) hinzugefügt wird. Dies gilt insbesondere bei Patienten, für die eine autologe Stammzelltransplantation (ASCT) vorgesehen ist.
Transplantation Die ASCT ist nach wie vor die Standardtherapie beim Myelom, und immer mehr Daten scheinen den Nutzen der ASCT zu belegen. Die FORTE-Studie hat gezeigt, dass die Induktionstherapie mit KRd, gefolgt von einer Konsolidierungstherapie mit ASCT, der alleinigen Behandlung mit KRd überlegen ist.
Erhaltungstherapie In der FORTE-Studie wurden die Patienten nach der Erstbehandlung per Zufallsprinzip entweder der Erhaltungstherapie mit R (Revlimid) oder KR (Kyprolis + Revlimid) zugeteilt. Patienten, die mit KR behandelt wurden, profitierten eindeutig, da sie deutlich länger in Remission blieben; die 3-Jahres-Rate des progressionsfreien Überlebens (PFS) lag bei Patienten mit üblichem Risiko bei 90 %. Außerdem schien die KR auch Hochrisikopatienten zu nutzen. Die Nachuntersuchung der CASSIOPEIA-Studie, in der DaraVTd (Darzalex + Velcade + Thalidomid + Dexamethason) mit VTd verglichen wurde, zeigte, dass Darzalex in der Erhaltungstherapie besser war als Placebo. Bei Patienten, die Darzalex zusammen mit VTd zur Induktion/Konsolidierung erhielten, zeigte die zusätzliche Erhaltungstherapie mit Darzalex jedoch keinen zusätzlichen Nutzen und führte zu
keiner Verlängerung der Remissionen. Zur Evaluierung des Zeitraums, für den ein Vierfachpräparat während der Induktion benötigt wird, sind weitere Studiendaten erforderlich.
Hochrisiko-Myelom In vielen klinischen Studien werden Patienten mit einem Hochrisiko-Myelom mit Chromosomenanomalien sorgfältig evaluiert. Es werden intensivere Ansätze erforscht, da Hochrisikokrankheiten schlechtere Ergebnisse aufweisen.
Mehr Optionen beim rezidivierten Myelom Im Einklang mit dem Trend zur Einführung neuer Wirkmechanismen durch neuartige Therapien beim rezidivierten Myelom wurden weitere Daten zum Einsatz von Xpovio (Selinexor) in Kombination mit anderen Wirkstoffen vorgestellt. In der STOMP-Studie wurde die ausschließlich orale Kombination von XPd (Xpovio + Pomalyst [Pomalidomid] + Dexamethason) in einer niedrigeren Dosis von 60 mg pro Woche besser vertragen. (Die FDA hat Xpovio in einer Dosierung von 100 mg einmal pro Woche zugelassen.) XPd ist ein wichtiges Regime für Patienten, die eine Dreifachtherapie durchlaufen. Während die Dosierung in der XKd-Kombination mit Kyprolis noch optimiert wird, ist dieses Regime eine wichtige Kombination bei Rückfällen, da es eine Option darstellt, wenn Velcade nicht bevorzugt wird. XPd und XKd zeigen beide Wirksamkeit bei Patienten, die zuvor mit Darzalex oder Sarclisa behandelt wurden. Die wöchentliche Xpovio-Behandlung erleichtert das Übelkeitsmanagement, insbesondere wenn zwei Antiemetika eingesetzt werden. Für das von der FDA zugelassene XVdSchema aus der BOSTON-Studie wurden außerdem weitere Analysen durchgeführt, die zeigen, dass es bei Patienten, die einen Rückfall unter Revlimid erleiden, bei über 65-jährigen Patienten und bei Patienten mit Hochrisikokrankheit weiterhin wirksam ist.
Neu aufkommende Therapien Die CAR-T-Zell-Therapie „cilta-cel“ hat bei rezidiviertem und refraktärem Myelom eine noch nie dagewesene Gesamtansprechrate (ORR) von 98 % gezeigt. Nach 18 Monaten waren noch 66 % der Patienten in Remission, und die Gesamtüberlebensrate (OS) lag bei 81 %. Derartige Ansprechraten können die Landschaft der Myelombehandlung in Zukunft verändern. Mehrere andere CAR-T-Zell-Behandlungsansätze werden derzeit erforscht. (Fortsetzung auf Seite 8)
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Höhepunkte vom Gipfel der International Myeloma Working Group 2021 Dr. Brian G.M. Durie Vorsitzender der IMF
12. JÄHRLICHER
Das 12. jährliche Gipfeltreffen der Internationalen MyelomArbeitsgruppe (IMWG) des IWF fand am 22. und 23. Juni 2021 statt. Die IMWG ist die weltweit renommierteste Organisation für Myelom-Forscher. Die Begründung, Unterstützung und Beherbergung der wichtigen Arbeit der IMWG und ihrer Mitglieder ist ein entscheidendes Element des Auftrags der IMF, die Myelomforschung zu erweitern und Myelompatienten auf globaler Ebene aufzuklären. Der IMWG-Gipfel ist eine der wichtigsten jährlichen Aktivitäten für viele der weltweit führenden Myelom-Experten, die das ganze Jahr über an wichtigen Projekten zusammenarbeiten. Der Gipfel ist der Identifizierung, der Unterstützung und der Implementierung der vielversprechendsten Forschungsarbeiten gewidmet, um das Ausbrechen einer aktiven Erkrankung zu verhindern, die Behandlung zu verbessern und eine Heilung zu finden. 2021 fand der IMWGGipfel zum zweiten Mal in Folge im virtuellen Format statt. Mehr als 100 IMWG-Mitglieder wurden zur Teilnahme über eine Online-Plattform eingeladen, die auch Diskussionen über die wichtigsten aktuellen Themen des Myeloms optimal ermöglichte. Die Vorsitzenden des IMWG-Gipfels sind Dr. Brian G.M. Durie und Dr. S. Vincent Rajkumar. Die Co-Leiter sind Dr. Jesús San-Miguel, Dr. Philippe Moreau und Dr. Nikhil Munshi. Die Tagesordnung dieses für zwei Tage angesetzten Events umfasste die Plenarsitzung am ersten Tag und die IMWG-Preisverleihung am zweiten Tag, gefolgt von Berichten der Arbeitsgruppenausschüsse. Der Gipfel wurde mit Begrüßungsworten der IWF-Präsidentin Susie Durie und den Gipfelvorsitzenden Dr. Durie und Dr. Rajkumar eröffnet.
HR SMM Dr. Shaji Kumar leitete die erste Sitzung, in der das 2/20/20-Risikostratifizierungsmodell für das HochrisikoSmoldering-Myelom (HR SMM) diskutiert wurde. Dieser wichtige Fortschritt wurde als Ergebnis eines IMWGForschungsprojekts entwickelt und im Oktober 2020 im Blood Cancer Journal veröffentlicht. Zur Bewertung, ob bei Patienten mit SMM die Erkrankung fortgeschritten ist, oder nicht, wurden Daten von zahlreichen internationalen Standorten gesammelt. Das 2/20/20-System wurde in Zusammenarbeit von Dr. Kumar und Dr. Durie mit dem spanischen Team unter Leitung von Dr. Jesús San-Miguel und María-Victoria Mateos entwickelt. Eine Kohorte von 1 996 Patienten mit SMM wurde analysiert, und es wurden drei Faktoren identifiziert, die das Risiko einer Progression nach 2 Jahren vorhersagen: M-Protein im Serum >2 g/dL, Verhältnis von beteiligten zu unbeteiligten
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freien Leichtketten >20 und Plasmazellinfiltration im Knochenmark >20 %. Das 2/20/20-Risikostratifizierungsmodell ist allgemein anwendbar und kann Vorhersagen zur Progression von HR SMM zum aktiven Myelom treffen. Die IMWG hat auch ein Punktesystem und eine OnlineRechner-App entwickelt, um SMM mit extrem hohem Risiko zu identifizieren, eine Gruppe, für die eine sofortige Behandlung dringend in Betracht gezogen werden kann. Patienten, die 12 oder mehr Punkte erreichen, haben eine SMM mit extrem hohem Risiko und kommen für eine Behandlung in Frage. Bei der Planung einer randomisierten klinischen Phase-III-Studie wird Revlimid® (Lenalidomid) als Kontrollgruppe empfohlen. In Phase-II-Studien wird untersucht, ob aggressivere Ansätze bei einigen Patienten eine Heilung bewirken können. Dr. Mateos präsentierte die aktuellen Daten zur HR SMMBehandlung. Die multizentrische, offene, randomisierte klinische Phase-III-Studie QuiRedex zu Revlimid + Dexamethason (Rd) im Vergleich zu keiner Behandlung zeigte, dass eine frühe Behandlung nicht zu mehr resistenten Schüben führt. Die E3A06-Studie zu Revlimid im Vergleich zu einer Beobachtung bei Patienten mit asymptomatischer SMM zeigte, dass die Behandlung mit Revlimid das Fortschreiten der aktiven Erkrankung signifikant verhinderte, insbesondere bei HR-SMM. Diese beiden Studien unterstützen eine frühzeitige Behandlung von HR-SMM, und derzeit laufen zahlreiche klinische Studien. Die IMWG evaluiert weiterhin kurative Strategien in den klinischen Studien CESAR und ASCENT, wobei die ASCENT-Studie kurz vor dem Abschluss steht. Die Wirksamkeit von Therapien, die Revlimid + Dexamethason zusammen mit anderen Wirkstoffen enthalten, scheint bei SMM-Patienten mit mittlerem und hohem Risiko besser zu sein als bei MM. Die Studien laufen noch.
Quadruplet vs. Triplett-Regime Dr. Moreau leitete die Diskussion über Therapien mit vier (Quadruplet) bzw. drei Medikamenten (Triplet). Die CASSIOPEIA-Studie zu D-VTd vs. VTd und auch die (Fortsetzung auf der nächsten Seite)
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Wissenschaft und Klinik IMWG-GIPFEL 2021 – HÖHEPUNKTE – FORTSETZUNG VON DER VORHERGEHENDEN SEITE GRIFFIN-Studie zu D-VRd vs. VRd haben es gezeigt – die hervorragenden Quadruplet-Ergebnisse sprechen eine klare Sprache: die Therapie mit vier Medikamenten ist jener mit dreien jedenfalls überlegen.
noch höhere MRD-Sensitivität, z. B. 10-8 (null Myelomzellen auf 100 Millionen Zellen).
Dr. Rajkumar referierte über die frühe vs. verzögerte autologe Stammzelltransplantation (ASCT). Obwohl die Remissionen bei einer frühzeitigen ASCT länger sind, wie die französische IFMStudie zu VRd mit/ohne Transplantation gezeigt hat, ist das Gesamtüberleben weiterhin gleich wie bei Patienten mit einer verzögerten ASCT. Patienten, die eine spätere Transplantation oder andere Therapien erhalten, können aufholen. Daher ist es vielleicht an der Zeit, die Rolle der ASCT beim Myelom neu zu bewerten, insbesondere im Hinblick auf den frühzeitigen Einsatz der CAR-T-Zell-Therapie oder anderer Immuntherapien als Konsolidierungsansatz.
Die Doktoren Nikhil Munshi, Tom Martin und Yi Lin leiteten Diskussion über CAR-T-Zell-Therapie von heute und morgen, sowie auch zu anderen Zelltherapien. Die CAR-T-Zell-Therapie liefert mit dem CARTITUDE-Protokoll einen hohen Prozentsatz von tiefem Ansprechen – ein Anstieg auf mehr als 90 %! – mit anhaltendem Ansprechen bei denjenigen mit tiefstem Ansprechen. Es gibt immer noch Bedenken hinsichtlich des frühen Zytokinfreisetzungssyndroms (CRS) und, bei einigen Patienten in der Studie, hinsichtlich der Neurotoxizität. Die andere wichtige Frage ist, wie die CAR-T-Zell-Therapie den Patienten in der Bevölkerung zugänglich gemacht werden kann. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht klar, wie die Patienten Zugang zu spezialisierten Zentren haben werden.
Das seltsame Paradoxon besteht darin, dass der Nutzen von Dreier- oder Viererkombinationen oder aggressiveren Ansätzen zur Erreichung einer langfristigen krankheitsfreien Remission oder Heilung wahrscheinlich erst in mehr als 20 Jahre bestätigt werden kann.
Minimale Resterkankung (MRD) Dr. Bruno Paiva sprach über die Standardisierung von MRD-Tests in klinischen Studien. Eine anhaltende MRDNegativität während der Remission ist ein hervorragender Indikator für einen langfristigen Nutzen, und es bestehen kaum Zweifel an der hohen prognostischen Bedeutung der MRD. Welches Protokoll sich ideal zur Bewertung und zum Nachweis dafür eignet, dass die MRD-Negativität ein echter Surrogatindikator für den Behandlungsnutzen ist, der anstelle des progressionsfreien Überlebens (PFS) herangezogen werden kann, wird laufend diskutiert. Im Rahmen der Black Swan Research Initiative® der IMF untersuchen wir derzeit eine
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Immuntherapien
Eine ausführliche Debatte über die Rolle bi-spezifischer Antikörper befasste sich mit spannenden Daten, die bei mehreren bi-spezifischen Antikörpern starke Aktivität zeigten. Es gibt Bedenken hinsichtlich der Toxizität, und einige bi-spezifische Produkte wurden aufgrund von Neurotoxizität aus klinischen Studien zurückgezogen. Mehrere Studien, insbesondere mit Teclistamab, einem bispezifischen Antikörper, der sowohl auf BCMA als auch auf CD3 abzielt, kommen jedoch mit hervorragenden Ergebnissen voran. Der große Unterschied besteht darin, dass die Therapie mit bi-spezifischen Antikörpern im Gegensatz zur „einmaligen“ CAR-T-Zell-Therapie fortlaufend und mit hoher Intensität durchgeführt wird, was für die Patienten sehr belastend sein kann. Aktuell wird eine Begrenzung von Bi-SpezifikaBehandlungen auf bspw. sechs Monate diskutiert. Es gibt
Brian G.M. Durie
S. Vincent Rajkumar
Philippe Moreau
Nikhil Munshi
Jesús San Miguel
María-Victoria Mateos
Thomas Martin
Bruno Paiva
Sagar Lonial
Shaji K. Kumar
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Massenspektrometrie
auch Diskussionen über neuere Produkte und Produkte der nächsten Generation, die nicht auf BCMA abzielen.
Immuntherapie-Register Dr. Tom Martin und Dr. Yi Lin legten einen Bericht über den IMWG-Immuntherapie-Ausschuss vor und teilten spannende Neuigkeiten über wichtige Projekte mit. Der Ausschuss hat einen Rahmen für das neue IMWG-Immuntherapien-Register geschaffen, das an der UCSF (University of California, San Francisco) angesiedelt werden soll. Es wird Daten über Patienten sammeln, die mit den neuen, nacheinander eingesetzten Immuntherapien behandelt werden, einschließlich der Therapien mit BCMA als Ziel (z. B. Blenrep®), der Anti-BCMA-CAR-T-Zell-Therapien (z. B. Abecma® und cilta-cel) und der bi-spezifischen Antikörper, die derzeit in klinischen Studien getestet werden. Wir wissen bereits, dass bi-spezifische Antikörper nach anderen BCMA-gerichteten Therapien wirksam sein können. Das ImmuntherapieRegister wird in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen, da immer mehr Wirkstoffe die FDAZulassung erhalten.
Virtuelle Gewebebank Im Rahmen des Asian Myeloma Network (AMN), einer IMFForschungsabteilung und Gruppe für klinische Studien, wird derzeit eine virtuelle Gewebebank entwickelt. Dr. Wee Joo Chng hat ein System zur Standardisierung der Gewebesammlung eingerichtet, bei dem alle teilnehmenden Zentren Gewebeproben an ihren Standorten aufbewahren können. Der Austausch von Informationen und Analysen wird die Zusammenarbeit verbessern, und es ist äußerst wichtig, die Wirksamkeit und Toxizität von Immuntherapien messen zu können.
Dr. David Murray und Dr. Brian Durie repräsentierten das Massenspektrometrie- Komitee. Es besteht die Hoffnung, dass die Massenspektrometrie oder andere innovative Tests als zuverlässige Indikatoren eines möglichen frühen Rückfalls fungieren können. Mit der Massenspektrometrie lassen sich winzige monoklonale Proteine zu einem sehr frühen Zeitpunkt nachweisen. Bis zu 30 % dieser winzigen „Spikes“ können, ausgelöst durch eine Infektion oder eine andere Immunreaktion, im Laufe der Zeit verschwinden. Ebenfalls erörtert wurde, wie die Massenspektrometrie am besten eingesetzt und routinemäßig zur Verfügung gestellt werden kann, wie die Ergebnisse zu interpretieren sind und wie ein Rückfall frühzeitig erkannt werden kann.
Die Covid-19-Impfung und MM Dr. Evangelos Terpos hielt den Hauptvortrag des Gipfels über die Rolle der COVID-19-Impfung für Myelompatienten. Leider führt die Impfung nicht zu der Menge an neutralisierenden Antikörpern, die wir uns wünschen würden. Die Enttäuschung war groß, als sich herausstellte, dass einige der neueren Immuntherapien wie Anti-CD38- und Anti-BCMA-Produkte die für die Immunität gegen COVID-19 erforderlichen neutralisierenden Antikörperreaktionen beeinträchtigen. Es wurde darüber diskutiert, ob bei Risikopatienten, die solche Therapien erhalten bzw. niedrige Lymphozytenwerte im Blut haben, was ein weiterer Risikofaktor ist, eine dritte Impfung zur „Auffrischung“ in Erwägung zu ziehen ist. In Griechenland startet in Kürze eine Studie zur Bewertung von Auffrischungsimpfungen. Eine weitere potenzielle Studie wird ein frühzeitiges Eingreifen mit monoklonalen Antikörpern gegen COVID-19, wie bspw. ein in den USA erhältliches Produkt von Regeneron, oder sogar einen präventiven Ansatz (Fortsetzung auf Seite 7)
Paul G. Richardson
Evangelos Terpos
Morie A. Gertz
Kenneth C. Anderson
Sigurður Y. Kristinsson
Yi Lin
Irene M. Ghobrial
David Murray
Pieter Sonneveld
Saad Usmani
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Venetoclax-Studien zeigen Wirksamkeit bei t(11;14) MM Dr. Shaji K. Kumar von der Mayo Clinic, Rochester (Minnesota), USA
Venetoclax ist ein von der US-Arzneimittelbehörde (Food and Drug Administration, FDA) zugelassener B-Zellen-Lymphom-2 (BCL-2-)Hemmer zur Lymphom- und Leukämie-Behandlung. Er wird aktuell bei Myelom-Patienten mit bestimmten genetischen Krankheitsmerkmalen untersucht. BCL-2 ist ein Protein, das in großen Mengen in Krebszellen vorhanden ist und dazu beiträgt, dass die Krebszellen überleben und gegen die Behandlung resistent werden. Venetoclax heftet sich an das BCL-2 und blockiert dessen Wirkung, was zum Absterben der Krebszellen führt. Myelomzellen sind zu ihrem Überleben auf das BCL-2 angewiesen, und diese Abhängigkeit wird teilweise durch das Vorhandensein genetischer Anomalien wie der t(11;14)-Translokation beeinflusst, die bei 15-20 % der Myelompatienten auftritt. Klinische Studien haben die Wirksamkeit von Venetoclax beim Myelom gezeigt, insbesondere bei Patienten, die positiv auf den Biomarker t(11;14)-Translokation getestet wurden.
Klinische Studien zum Myelom Auf clinicaltrials.gov finden Sie aktuelle Informationen zu den folgenden drei klinischen Studien. NCT03539744: Die klinische Studie CANOVA ist eine multizentrische, randomisierte, offene, internationale PhaseIII-Studie in der Venetoclax in Kombination mit dem Steroid Dexamethason (VenDex) mit der Kombination aus Pomalyst® (Pomalidomid) und Dexamethason (Pd) verglichen wird. Diese Studie umfasst 244 Patienten mit t(11;14)-positivem rezidiviertem oder refraktärem Myelom, die zuvor bereits mindestens zwei Therapielinien erhalten haben, darunter Revlimid® (Lenalidomid) und einen Proteasom-Inhibitor. Das übergeordnete Ziel dieser Studie ist die Bewertung der Sicherheit und Wirksamkeit von VenDex im Vergleich zu Pd. Nach der vollständigen Ausrollung wird jeder Studienarm etwa 122 erwachsene Patienten umfassen. In beiden Studienarmen erhalten die Patienten oral (durch den Mund) einzunehmende Medikamente und werden zu Hause versorgt. Die Patienten im VenDex-Arm erhalten Venetoclax, das einmal täglich oral eingenommen wird, sowie Dexamethason, das in jedem 28-Tage-Zyklus einmal wöchentlich oral eingenommen wird. Die Patienten in der Kontrollgruppe erhalten Venetoclax, das in jedem 28-Tage-Zyklus vom 1. bis zum 21. Tag einmal täglich oral eingenommen wird, und zusätzlich Dexamethason, das in jedem 28-Tage-Zyklus einmal wöchentlich oral eingenommen wird.
NCT02899052: In dieser multizentrischen, offenen, internationalen Phase-II-Studie wird Venetoclax in Kombination mit Kyprolis® (Carfilzomib) und Dexamethason (VenKd) mit der Kd-Standardbehandlung bei 120 erwachsenen Patienten mit t(11;14)-positivem rezidiviertem oder refraktärem Myelom verglichen, die zuvor mindestens eine Therapielinie erhalten haben. In dieser Studie werden die geeigneten Dosierungen für die VenKd-Kombination sowie die Sicherheit und Wirksamkeit von VenKd im Vergleich zu Kd ermittelt. Die Patienten erhalten die VenKd-Kombination oder die Standardbehandlung in unterschiedlichen Dosierungen. Die Behandlung besteht aus oralen und intravenösen (IV-, in die Vene) Medikamenten. NCT03314181: Dies ist eine internationale, multizentrische, aus drei eigenständigen Teilen bestehende Phase-III-Studie. Teil 1 ist nicht randomisiert und schließt Teilnehmer mit t(11;14)-positivem rezidiviertem/refraktärem Myelom ein, die steigende Dosen von Venetoclax mit fixen Dosen von Darzalex® (Daratumumab) und Dexamethason (VenDd) erhalten. Teil 2 ist nicht randomisiert und schließt Teilnehmer mit rezidiviertem/refraktärem Myelom ein, die steigende Dosen von Venetoclax mit fixen Dosen von Darzalex®, Velcade® (Bortezomib) und Dexamethason (VenDd) erhalten. Auf jede Dosis-Eskalationsphase folgt eine einarmige, offene Expansionsphase. Teil 3 umfasst eine randomisierte, offene Expansionsphase bei Teilnehmern mit t(11;14)-positivem rezidiviertem/refraktärem Myelom, die VenDd oder DVd (Darzalex, Velcade, Dexamethason) erhalten werden. Bei der Behandlung kann die Medikation oral, intravenös oder subkutan (unter die Haut) erfolgen. Das Gesamtziel besteht in der Evaluierung der Sicherheit und Wirksamkeit von VenDd in zwei Dosisstufen im Vergleich zu DVd.
Potenzielle Nebenwirkungen Bei der Behandlung von Leukämie und Lymphomen wurden als häufigste Nebenwirkungen Neutropenie (niedrige Anzahl von Neutrophilen - eine Art weißer Blutkörperchen), Anämie (niedrige Anzahl von roten Blutkörperchen), Thrombozytopenie (niedrige Anzahl von Blutplättchen), Durchfall, Übelkeit, Infektionen der oberen Atemwege und Müdigkeit beobachtet. Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen zählen das Tumorlyse-Syndrom (TLS, hervorgerufen durch die rasche Zerstörung von Krebszellen, was zu einer Anhäufung von Chemikalien im Blutkreislauf führt) und mögliche Fruchtbarkeitsprobleme bei Männern.
Potenzieller Nutzen bei Myelom Venetoclax hat bei Patienten mit rezidivierter/refraktärer Erkrankung, die die t(11;14)-Translokation aufweisen Aktivität gezeigt. Venetoclax könnte für diese Patientengruppe, die auf (Fortsetzung auf der nächsten Seite)
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VENETOCLAX-STUDIEN– FORTSETZUNG VON DER VORHERGEHENDEN SEITE andere Standardkombinationen nicht angesprochen hat, als Einzelwirkstoff oder als Teil einer Kombinationstherapie eine wirksame Behandlungsoption darstellen.
Dexamethason erhalten, und 45 % hatten eine Dreifachoder Vierfachkombinationstherapie. Bei keinem Patienten trat das TLS auf, und die Gesamtansprechrate (ORR, Overall Response Rate) lag bei 52 auswertbaren Patienten bei 44 %. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass Venetoclax bei t(11;14)-positivem rezidiviertem/refraktärem Myelom eine ermutigende Aktivität zeigt.
Wie im Juni 2021 im American Journal of Hematology veröffentlicht, untersuchten Forscher der Mayo Clinic (Rochester, MN) die Krankenakten von 56 Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Myelom, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Venetoclax zu untersuchen, das zwischen Dezember 2016 und März 2019 außerhalb von klinischen Studien an der Mayo Clinic eingesetzt wurde. Von diesen Patienten wiesen 75 % eine t(11;14)-Translokation auf, 95 % waren refraktär gegenüber einem immunmodulatorischen Wirkstoff und einem Proteasom-Hemmer, 55 % hatten Venetoclax als Monotherapie oder in Kombination mit
Das Myelom gehört zu einer Gruppe von Erkrankungen, die durch verschiedene zugrunde liegende genetische Anomalien gekennzeichnet sind. Mit Venetoclax bietet zum ersten Mal die Möglichkeit der Personalisierung der Behandlung einer Gruppe von Patienten auf der Grundlage ihrer Krankheitsmerkmale – ein erster Schritt in Richtung Präzisionsmedizin beim Myelom. MT
IMWG-GIPFEL 2021 – HÖHEPUNKTE – FORTSETZUNG VON DER SEITE 5 für Patienten mit dem höchsten Risiko im Hinblick auf COVIDKomplikationen untersuchen.
Zugang zu klinischen Studien Dr. Morie Gertz warf die Frage auf, wie mit schubförmig erkrankten Patienten in der Praxis umzugehen ist. Da zur Beurteilung potenzieller Toxizitäten von Arzneimitteln oder Arzneimittelkombinationen nur Patienten mit gutem Gesundheitszustand an klinischen Studien teilnehmen können, kann die Mehrheit der Patienten mit fortgeschrittener Krankheit an diesen nicht teilnehmen. Aus Sicherheitsgründen ist eine frühzeitige, sorgfältige Erprobung neuer Wirkstoffe erforderlich, aber in weiterführenden Studien können möglicherweise auch anspruchsvollere Situationen untersucht werden, bspw. auch Patienten mit sehr niedrigen Blutzellenwerten oder eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion.
FDA und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zu künftigen Sitzungen eingeladen werden sollten – eine Idee, die mit Begeisterung aufgenommen wurde. Wir werden auch vermehrt Analysen von Daten aus der Praxis einbeziehen, einschließlich von Bewertungen der Lebensqualität. Auf dieser Grundlage lassen sich die Prioritäten für die Auswahl von Arzneimitteln und die Entwicklung optimaler Dosierungen und Zeitpläne für neue Wirkstoffe und Kombinationen besser festgelegen. Der IMWG-Gipfel 2021 war eine in jeder Hinsicht wunderbare erfolgreiche und produktive Veranstaltung mit regem Austausch zwischen den Teilnehmern, die die Gelegenheit, Pläne für künftige Forschungskooperationen zu schmieden, voll ausnutzten. Es war jedoch klar, dass alle Beteiligten 2022 unbedingt zu einem persönlichen Programm zurückkehren wollen! MT
Die IMWG-Forscher bekundeten auch großes Interesse an der Beseitigung von Ungleichheiten beim Zugang zu und bei der Zulassung von klinischen Studien. Es wurde eingeräumt, dass es große soziale Ungleichheiten gibt, wodurch dieses Problem besonders schwer zu lösen ist. Allerdings wird intensiv an der Verbesserung des Zugangs für alle benachteiligten Gruppen gearbeitet.
Künftige Diskussionen Die IMWG-Forscher und unsere Branchenpartner haben vorgeschlagen, dass zur Klärung wichtiger Fragen im Zusammenhang mit klinischen Studien auch Vertreter der
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Bitte besuchen Sie videos.myeloma.org, wenn Sie die IMWGKonferenzserie: Making Sense of Treatment (Die Behandlung verstehen) und die hilfreichen „Ask Dr. Durie“-Videos ansehen möchten. Wenn Sie die Blog-Reihe „Week in Review“ von Dr. Brian G.M. Durie lesen möchten, besuchen Sie bitte blogs.myeloma.org.
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Wissenschaft und Klinik ASCO UND EHA 2021 – FORTSETZUNG VON SEITE 2 Wir haben auch Daten aus Studien zu bi-spezifischen Antikörpertherapien gesehen. Die aktualisierten Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit Teclistamab an 40 stark vorbehandelten Patienten zeigten, dass 58 % der Responder ein sehr gutes partielles Ansprechen (VGPR) und 30 % ein komplettes Ansprechen (CR) oder besser hatten. Mehrere andere bi-spezifische Therapien werden derzeit erforscht, einige mit BCMA als Zielstruktur, aber auch mit neuen Zielstrukturen wie GPRC5D und FCRH5. Iberdomid, ein neuartiger Cereblon-E3-Ligase-Modulator (CelMod), wird in Kombination mit Proteasom-Hemmern und auch mit CD38-gerichteten monoklonalen Antikörpern getestet, um die optimale Dosis und Sicherheit für Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Myelom zu ermitteln.
EHA-Tagung 2021 fand der jährliche Kongress der European Hematology Association (EHA) virtuell statt, und zwar vom 9. bis 17. Juni. Ein brandaktueller Vortrag am 12. Juni beleuchtete die Langzeitbehandlung des Myeloms. Unter den vielen wichtigen myelombezogenen Abstracts, die auf der EHA vorgestellt wurden, gibt es eines, das eigene Erörterung erforderte.
Verbesserung der Überlebenschancen von 66,3 % mit D-Rd gegenüber 53,1 % mit Rd nachgewiesen, was einer Verringerung des Sterberisikos um 32 % entspricht. Dies bedeutet, dass mehr als zwei Drittel der Patienten in der D-Rd-Gruppe nach 5 Jahren noch am Leben waren. Der signifikante PFS-Vorteil von D-Rd gegenüber Rd aus der primären Analyse blieb erhalten – nach 5 Jahren waren über 50 % der Patienten im D-Rd-Arm noch in Remission! Diese Ergebnisse und der in der ALCYONEStudie beobachtete OS-Vorteil sprechen für den Einsatz von Darzalex-basierten Erstlinien-Therapien, um optimale Langzeitergebnisse zu erzielen. Die ASCO- und EHA-Tagungen 2021 waren sehr aufregend. Ich empfehle Ihnen sehr, videos.myeloma.org zu besuchen und auf „ASCO/EHA“ zu klicken, um das Webinar von Dr. Brian G.M. Durie Das Beste von ASCO und EHA im Jahr 2021: What Patients & Caregivers Need to Know (Was Patienten und Pflegende wissen müssen), aber auch mehr als 40 weitere faszinierende Interviews mit den herausragendsten MyelomForschern zu sehen, die ihre Daten bei den ASCO- und EHATagungen 2021 präsentierten. MT
Follow-up zur klinischen Studie MAIA Die primären Analysen der klinischen Studien der Phase III – ALCYONE, MAIA, CASSIOPEIA – haben die überlegene Wirksamkeit von Darzalex in Kombination mit Standardtherapieschemata im Vergleich zu Standardtherapieschemata allein bei Patienten mit neu diagnostiziertem Myelom nachgewiesen. Nach einer langen Nachbeobachtungszeit zeigten die Daten der ALCYONE-Studie einen Vorteil für das Gesamtüberleben, wenn Darzalex mit Velcade + Melphalan + Prednison kombiniert wurde. In der primären Analyse der Daten aus der MAIA-Studie verringerte D-Rd (Darzalex + Revlimid + Dexamethason) das Risiko eines Fortschreitens der Erkrankung oder des Ablebens um 44 % im Vergleich zu Rd allein. Nach einer knapp fünfjährigen Nachbeobachtungszeit bei Patienten, die für eine Transplantation nicht in Frage kamen, wurde eine signifikante und klinisch bedeutsame
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