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Patientenhandbuch

für neu diagnostizierte Patienten

Ausgabe Februar 2022 | Von Brian G.M. Durie

Die International Myeloma Foundation (IMF, Internationale Myelom-Stiftung) wurde im Jahr 1990 gegründet und ist die erste und größte Organisation der Welt, die sich ausschließlich mit dem multiplen Myelom befasst. Die Reichweite der IMF erstreckt sich über mehr als 525.000 Mitglieder in 140 Ländern weltweit. Die IMF bemüht sich, die Lebensqualität von Myelompatienten zu verbessern, und arbeitet, basierend auf unseren vier Grundprinzipien, gleichzeitig an der Vorbeugung und Heilung: Forschung, Bildung, Hilfestellung und Interessenvertretung.

FORSCHUNG Die IMF widmet sich der Myelom-Behandlung und Heilung und hat für dieses Ziel eine Reihe von Initiativen im Einsatz. Unsere internationale Arbeitsgruppe, die International Myeloma Working Group, ist aus dem im Jahr 1995 gegründeten wissenschaftlichen Beirat des IWF hervorgegangen. In dieser hochkarätigen, renommierten Organisation sind mehr als 200 Myelom-Experten tätig, die sich gemeinsam der Forschung widmen, um Ergebnisse für Patienten zu verbessern und gleichzeitig kritisch bewertete Konsensrichtlinien zu erstellen, die weltweit befolgt werden. Unsere Black Swan Research Initiative® schließt die Lücke zwischen langfristiger Remission und vollständiger Heilung. Unser jährliches Brian D. Novis Forschungsstipendium unterstützt die vielversprechendsten Projekte von Junior- und Senior-Wissenschaftlern. Das Nurse Leadership Board, das sich aus Krankenschwestern und Pflegern führender Myelom-Behandlungszentren zusammensetzt, entwickelt Empfehlungen für die Pflege von Myelompatienten.

BILDUNG In den Webinaren, Seminaren und Workshops der IMF informieren führende Myelom-Experten und Kliniker Patienten und Familienangehörige direkt über die neuesten Entwicklungen. Wir verfügen über eine Bibliothek mit mehr als 100 Publikationen für Patienten, Pflegekräfte und medizinisches Fachpersonal. IMF-Publikationen stehen in englischer und in ausgewählten anderen Sprachen stets kostenlos zur Verfügung.

HILFESTELLUNG Über die IMF-InfoLine werden Ihre Fragen zum Myelom telefonisch oder per E-Mail beantwortet. Wir bemühen uns, präzise Informationen mit Empathie und Einfühlungsvermögen zu vermitteln. Wir unterhalten ein Netzwerk mit Selbsthilfegruppen und schulen Hunderte von engagierten Patienten, Betreuungspersonen und Pflegekräften, die sich freiwillig zur Leitung dieser Gruppen in ihren jeweiligen Gemeinden bereit erklären.

INTERESSENVERTRETUNG Wir unterstützen Tausende von Menschen, die sich jedes Jahr für die spezifischen Interessen der Myelom-Community einsetzen. In den USA haben wir Interessensverbände und Koalitionen im Einsatz, die die Belange der Myelom-Community sowohl auf nationaler als auch auf bundesstaatlicher Ebene vertreten. Außerhalb der USA setzt sich das Global Myeloma Action Network dafür ein, Patienten den Zugang zu Therapien zu ermöglichen.

Erfahren Sie mehr darüber, wie die IMF die Lebensqualität von Myelompatienten verbessert und gleichzeitig an der Vorbeugung und Heilung dieser Erkrankung arbeitet. Kontaktieren Sie uns unter +1.818.487.7455 oder besuchen Sie myeloma.org.

Sie sind nicht allein.

Die International Myeloma Foundation (IMF) ist hier, um Ihnen zu helfen. Wir engagieren uns dafür, dass Myelompatienten und Betreuer sowie deren Freunde und Familienmitglieder stets nützliche Informationen und die erforderliche Unterstützung erhalten. Dies setzen wir um, indem wir auf unserer Website myeloma.org oder myeloma.org/DE, uber unsere IMF-InfoLine sowie mit Seminaren, Webinaren, Workshops und anderen Programmen und Dienstleistungen eine breite Palette von Ressourcen zur Verfügung stellen. Alle Veröffentlichungen der IMF sind kostenlos erhältlich unter publications.myeloma.org.

Als neu diagnostizierter Patient stoßen Sie auf zahlreiche medizinische Begriffe und Konzepte, die Sie möglicherweise nicht kennen. Erläuterungen zu den fett+blau gedruckten Begriffen finden Sie im Abschnitt „Fachbegriffe und Definitionen“ am Ende dieser Broschüre. Einen umfassenderen Leitfaden zu Myelom-Begriffen, das Glossar zu Myelom-Begriffen und zugehörige Definitionen finden Sie auf glossary.myeloma.org. Wenn Sie diese Broschüre in elektronischer Form lesen, gelangen Sie über die blauen, nicht fett gedruckten Hyperlinks zu den entsprechenden Ressourcen.

Das Patientenhandbuch des IMF für Neudiagnosen soll Ihnen helfen, das Multiple Myelom (das wir hier einfach als „Myelom“ bezeichnen) besser zu verstehen. Das Myelom wird „multipel“ genannt, weil es häufig mehrere Bereiche des Körpers betrifft. Myelom gilt nur dann nicht als „multipel“, wenn der seltene Fall eines solitären Plasmazytoms aufritt.

Myelom ist eine Krebsform, die den meisten Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose nichts sagt. Es ist wichtig, dass Sie so viel wie möglich über das Myelom und seine Behandlungsmöglichkeiten erfahren, damit Sie eine aktive Rolle in Ihrer eigenen medizinischen Versorgung spielen und mit Ihrem Arzt gute Behandlungsentscheidungen treffen können. Die Informationen in dieser Broschüre sollen Ihnen in Gesprächen mit Ihrem medizinischen Team nützen.

Myelom ist ein Krebs, der die Plasmazellen betrifft; dies sind weiße Blutkörperchen im Knochenmark. Plasmazellen sind verantwortlich für die Herstellung von Antikörpern, auch Immunglobuline (Ig) genannt. Gesunde Plasmazellen sind ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems. Myelomzellen sind maligne Plasmazellen, die keine funktionierenden Antikörper bilden, sondern stattdessen ein abnormales monoklonales Protein (Myelomprotein, M-Protein) produzieren.

Das Myelom wächst oft im Mark der Knochen der Wirbelsäule, des Schädels, des Beckens, des Brustkorbs, der Schultern und der Hüften. Normalerweise sind die Knochen der Hände, Füße und der unteren Teile der Arme und Beine nicht betroffen. Myelom kann sich als Tumor und/oder als ein Bereich mit Knochenschwund zeigen. In beiden Fällen spricht man von einer Läsion. Das Vorhandensein von Myelomzellen im Knochenmark kann zu vielen weiteren medizinischen Problemen innerhalb und außerhalb des Mikromilieus des Knochenmarks führen.

Viele hochwirksame Therapien sind von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA), der Europäischen ArzneimittelAgentur (EMA) und anderen Aufsichtsbehörden für die Behandlung des Myeloms zugelassen. Zahlreiche klinische Studien finden derzeit auf der ganzen Welt statt und erweitern die wachsende Liste der Behandlungsmöglichkeiten um weitere vielversprechende Therapien.

Viele Patienten führen nach der Diagnosestellung jahrelang, manchmal sogar jahrzehntelang, ein normales Leben. Sowohl das Überleben als auch die Lebensqualität von Myelom-Patienten verbessern sich ständig. Zu erfahren, was das Myelom ist und wie es behandelt wird, kann dazu beitragen, dass bei Patienten und Familienangehörigen die erste Angst vnachlässt, ein Gefühl der Kontrolle entsteht und man sich mit der Diagnose arrangiert.

Vorstufen des Myeloms

Das früheste Stadium des Myeloms ist eine gutartige Erkrankung namens monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS). Menschen mit MGUS müssen ihren Krankheitsstatus sorgfältig auf mögliche Veränderungen überwachen. Wenn der M-Proteinspiegel stabil bleibt und es keine weiteren gesundheitlichen Veränderungen gibt, können Sie die Zeiträume zwischen den Besuchen bei Ihrem Hämatologen und/oder Onkologen verlängern.

Alle Myelompatienten haben MGUS, bevor sich ein Myelom entwickelt, jedoch werden nur 20 % aller Menschen mit einer MGUS-Diagnose später an einem Myelom erkranken. Das Risiko des Übergangs von MGUS zum Myelom beträgt 1 % jährlich.

Das Stadium zwischen MGUS und aktivem Myelom nennen wir schwelendes multiples Myelom (SMM). Dabei ist der M-Proteinspiegel zwar höher als bei MGUS, aber es liegen keine Anzeichen eines aktiven Myeloms vor. Bei SMM mit Standardrisiko beträgt das Risiko einer Progression zum aktiven Myelom in den ersten fünf Jahren 10 % pro Jahr, in den nächsten fünf Jahren 3 % pro Jahr und in den nächsten 10 Jahren 1 % bis 2 % pro Jahr. Weitere Informationen finden Sie in der IMFPublikation Understanding MGUS and Smoldering Multiple Myeloma.

Tabelle 1. Definition der MGUS und des Myeloms

Name Definition

MGUS

• Monoklonales Protein liegt vor, aber normalerweise < 3,0 g/dL

• Keine CRAB-Merkmale oder anderen Indikatoren eines aktiven Myeloms

• Monoklonale Plasmazellen im Knochenmark < 10 %

SMM

• Höheres Ausmaß der Erkrankung als MGUS: Serum-M-Komponente > 3,0 g/dL und/oder Plasmazellen im Knochenmark zwischen 10 und 60 %, aber

• Keine CRAB-Merkmale oder anderen Indikatoren eines aktiven Myeloms

Statistiken über das Myelom

In den Vereinigten Staaten gab es nach Angaben des SEER-Programms (Surveillance, Epidemiology and End Results) des National Cancer Institute im Jahr 2021 etwa 34.920 neue Fälle von Myelom; das sind 1,8 % aller neuen Krebsfälle. Nach den neuesten verfügbaren SEER-Daten lebten in den USA im Jahr 2018 schätzungsweise 149.956 Menschen mit Myelom.

Wie in der Zeitschrift Oncologist im Jahr 2020 veröffentlicht, weist die globale Inzidenz des Myeloms signifikante regionale Unterschiede auf, was darauf hindeutet, dass die Erkrankung in vielen Teilen der Welt unzureichend diagnostiziert und in weiterer Folge suboptimal behandelt wird. Der Artikel unterstreicht nicht nur die Bedeutung wirtschaftlicher Ressourcen, sondern auch, wie wichtig der Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung und Patientenaufklärung ist, sodass sowohl die Diagnosestellung als auch die Überlebensraten für MyelomPatienten weltweit verbessert werden können.

Die Erkrankung wird am häufigsten bei Personen im Alter von 65 bis 74 Jahren diagnostiziert, jedoch mittlerweile auch bei unter 50-Jährigen. Nur 5 bis 10 % der Patienten sind jünger als 40 Jahre. Myelom bei Kindern ist extrem selten.

Männer entwickeln mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Myelom als Frauen. Personen mit afrikanischen Wurzeln sind doppelt so häufig vom Myelom betroffen. Es scheint, dass die Inzidenz des Myeloms in einigen Teilen der Welt ansteigt, besonders in Asien.

Etwa 5 bis 7 % aller Myelomdiagnosen betreffen Personen, die eine(n) nahe(n) Verwandte(n) mit MGUS-, SMM- oder Myelom-Diagnose in der Familie haben. Wenn Sie eine(n) nahe(n) Verwandte(n) mit einer dieser Diagnosen in der Familie haben, informieren Sie Ihren Hausarzt, um diese Informationen in Ihre Krankenakte aufzunehmen. Das gilt natürlich auch umgekehrt: Teilen Sie Ihren Familienangehörigen mit, wenn Sie mit MGUS, SMM oder Myelom diagnostiziert wurden, sodass auch diese Personen ihre Ärzte entsprechend informieren können.

Ursachen oder Auslöser eines Myeloms

Die Exposition gegenüber Stoffen, die das Immunsystem unterdrücken oder stören, sowie Infektionen mit krebsverursachenden Viren wurden bislang als Ursachen oder Auslöser eines Myeloms identifiziert. Zu identifizierten giftigen Chemikalien zählen:

¡ Benzol.

¡ Dioxine (wie z. B. in Agent Orange).

¡ Landwirtschaftliche Chemikalien (z. B. Entlaubungsmittel und Pestizide).

¡ Lösungsmittel.

¡ Brennstoffe.

¡ Motorabgase.

¡ Reinigungsmittel.

Zu den auslösenden Viren, die potenziell mit dem Myelom in Verbindung stehen, gehören HIV (das AIDS-Virus), Hepatitis, einige Herpesviren und das Simian-Virus 40 (SV40, eine Verunreinigung in Sabin-PolioImpfstoffpräparaten, die zwischen 1955 und 1963 verwendet wurden).

Erhalten Sie die richtige Diagnose

Das Myelom ist eine sehr individuell verlaufende Erkrankung. Oft schreitet es nur langsam voran. In anderen Fällen kann es sehr aggressiv verlaufen. Ein erfahrener Hämatologe-Onkologe, der sich auf Myelom und andere Erkrankungen der Plasmazellen spezialisiert hat, kann die richtige Diagnose stellen und einen Behandlungsansatz wählen, der optimal auf Ihre individuelle Situation zugeschnitten ist.

Ein Onkologe vor Ort arbeitet pro Jahr möglicherweise nur mit sehr wenigen oder gar keinen Myelompatienten. Myelom-Spezialisten in großen Behandlungszentren mit hohem Patientenvolumen und akademischen Einrichtungen sehen Hunderte von Myelompatienten, führen klinische Studien mit neuen Medikamenten und neuen Kombinationstherapien durch und entwickeln das Fachwissen, das

Tabelle 2. Mit dem Myelom verbundene medizinische Probleme

AUSWIRKUNGEN DER VERMEHRUNG DER MYELOMZELLEN IM KNOCHENMARK

CRAB -Kriterien

C – Erhöhung des Kalziumwerts im Blut

Freisetzung von Kalzium aus den geschädigten Knochen in die Blutbahn.

• Verwirrtheit

• Dehydration

• Verstopfung

• Müdigkeit und Erschöpfung

• Schwäche

• Renale Probleme bzw. Nierenschäden

R – Renale Probleme –Nierenschäden/versagen

Die durch die Myelomzellen produzierten abnormen monoklonalen Proteine werden in den Blutstrom freigesetzt und können in den Urin gelangen und Nierenschäden verursachen. Ein hoher Kalziumwert im Blut, Infektionen und andere Faktoren können ebenfalls einen Nierenschaden verursachen oder dessen Schwere steigern.

A – Anämie Verminderung der Anzahl und Aktivität der rote Blutkörperchen produzierenden Zellen im Knochenmark.

B – Knochenschäden

• Ausdünnung (Osteoporose) oder

• Areale mit schweren Schädigungen (als lytische Läsionen bezeichnet), Brüche oder Einbrüche eines/ mehrerer Wirbelkörper

Zusätzliche Typen einer Organdysfunktion

Die Myelomzellen aktivieren Osteoklastenzellen, die den Knochen zerstören, und hemmen Osteoblastenzellen, die normalerweise den geschädigten Knochen reparieren.

• Träger Blutkreislauf

• Müdigkeit und Erschöpfung

• Verwirrtheit

Abnorme

Immunfunktion

Lokale oder systemische Auswirkungen des Myeloms, die nicht den CRAB-Merkmalen entsprechen.

Die Myelomzellen reduzieren die Anzahl und Aktivität normaler Plasmazellen, die in der Lage sind, Antikörper gegen Infektionen zu produzieren.

• Müdigkeit und Erschöpfung

• Schwäche

• Knochenschmerzen

• Fraktur oder Kollaps eines Knochens

• Knochenauftreibungen

• Schädigung von Nerven oder Rückenmark

• Neuropathie

• Häufige Infektionen

• Blutungsprobleme

• Andere individuelle Probleme

• Anfälligkeit für Infektionen

• Langwierige Erholung von Infektionen erforderlich ist, um geeignete Entscheidungen zu treffen. Erfahrene Myelom-Spezialisten sind in der Lage, sich bereits im Vorfeld auf behandlungsbedingte Probleme einzustellen und diesen vorzubeugen.

Auch wenn es keinen Spezialisten in Ihrer Nähe gibt, empfehlen wir Ihnen, in jedem Fall eine zweite Expertenmeinung einzuholen, entweder im Rahmen eines Arztbesuchs oder telefonisch bzw. per Videokonferenz. Ihr Hausarzt kann ebenfalls eine Beratung mit einem Myelom-Spezialisten organisieren, um Ihren konkreten Fall zu besprechen und anschließend für Ihre Behandlung mit ihm zusammenzuarbeiten.

Eine im Jahr 2016 veröffentlichte breitangelegte Studie zeigt, dass die Gesamtüberlebensrate (OS) von Patienten, die in großen Behandlungszentren bzw. großen Universitätskliniken betreut werden, höher ist als bei Patienten, die in kleineren Arztpraxen behandelt werden. Aus diesem Grund empfehlen wir Ihnen dringend, einen MyelomSpezialisten zu konsultieren.

Kriterien für die Myelom-Diagnose

Die sogenannten „CRAB“-Kriterien umfassen die häufigsten medizinischen Probleme, die durch ein Myelom verursacht werden:

¡ Erhöhter Calcium-Spiegel im Blut

¡ Nierenschäden (im medizinischen Fachjargon als Renale Schädigung bezeichnet)

¡ Niedrige Zahlen von Blutkörperchen (besonders der roten Blutzellen, auch Anämie genannt)

¡ Skelettkomplikationen (Bone damage)

Über lange Zeit waren die CRAB-Kriterien die einzige Grundlage für die Diagnose des aktiven Myeloms. Wenn diese Anzeichen, die darauf hindeuteten, dass das Myelom bereits eine sogenannte „EndorganSchädigung“ verursacht hatte, nicht vorlagen, wurden die Patienten zwar regelmäßig untersucht, aber nicht behandelt.

Innerhalb der letzten Jahre bewirkten effektivere Behandlungsmöglichkeiten des Myeloms und bessere Methoden zur Erkennung früher Krankheitsstadien jedoch eine Änderung des Behandlungsparadigmas.

Mitglieder der International Myeloma Working Group (IMWG), des Forschungsarms der IMF, untersuchten Patienten mit asymptomatischem SMM auf biologische Marker, die die Vorhersage ermöglichen, dass eine Endorgan-Schädigung innerhalb von 18 Monaten bis 2 Jahren eintreten würde. Nach Abschluss und Veröffentlichung dieser Forschungsarbeiten verfasste die IMWG neue Leitlinien für die MyelomDiagnose, die nun drei neue „Myelom-definierende Ereignisse“ umfassen (MDEKriterien). Die folgenden MDE-Kriterien weisen unabhängig voneinander auf die Notwendigkeit einer Behandlung hin:

1. ≥ 60%ige Infiltration von Plasmazellen im Knochenmark.

2. Quotient involvierter und nicht-involvierter freier Leichtketten beträgt ≥ 100. (nichtinvolvierte Leichtketten sind jene, die nicht von Myelomzellen gebildet werden)

3. Vorhandensein von mehr als einer fokalen Läsion, festgestellt mittels Magnetresonanztomographie (MRT).

Diese drei MDE-Kriterien können durch Tests erkannt werden, die Teil der Myelom-Bestimmung bei jedem neu diagnostizierten Patienten sein sollten:

¡ Knochenmark-Biopsie.

¡ Freelite®-Test (Leichtketten-Assay im Serum).

¡ MRT-Scan.

Stadiumeinteilung des Myeloms

Das Erkrankungsstadium ist bei jedem diagnostizierten Myelompatienten unterschiedlich.

Es wurde 1975 eine Stadieneinteilung nach Durie und Salmon eingeführt (Durie-Salmon Staging System; DSS). Das DSS zeigt die Korrelation zwischen der Menge der Myelomzellen und dem dadurch verursachten Schaden. Bei einigen Patienten, die eine große Menge an M-Protein erzeugen, kann die Anzahl der Myelomzellen ziemlich niedrig sein. Umgekehrt kann bei Patienten mit niedriger M-Proteinproduktion die Anzahl der Myelomzellen sehr hoch sein.

Abbildung 3. Definitionen von Myelom und frühem Myelom

CRAB-Kriterien

Myelom-de nierende Ereignisse (MDE)

 Plasmazellen im Knochenmark ≥ 60%

 Verhältnis monoklonaler zu normalen Leichtketten ≥100

 >1 fokale Läsion in der MRT

Spanische Kriterien

Mayo-Kriterien

MM Multiples Myelom

Frühes aktives Myelom Schwelendes Myelom mit extrem hohem Risiko (Ultra-High-Risk Smoldering Myeloma)

HR SMM Schwelendes multiples Myelom mit hohem Risiko (High-Risk Smoldering Multiple Myeloma)

LR SMM Schwelendes multiples Myelom mit geringem Risiko (Low-Risk Smoldering Multiple Myeloma)

MGUS Monoklonale Gammopathie unbestimmter Signi kanz

Im Jahr 2005 entwickelte die IMWG das International Staging System (ISS), das prognostische Faktoren und erwartete Überlebensraten heranzieht. Das ISS bewertet Krankheitsmuster mit hoher prognostischer Aussagekraft für aggressives Myelom. Das ISS basiert auf vier hochprädiktiven Markern für aggressive Erkrankungen:

1. beta2-Mikroglobulin im Serum (S β2M),

2. Serum-Albumin (S ALB),

3. C-reaktives Protein (CRP) und

4. Serum-Lactatdehydrogenase (LDH).

Im Jahr 2015 veröffentlichte die IMWG das Revised International Staging System (R-ISS), das das ISS mit zwei Tests auf Chromosomenanomalien kombiniert. Wir empfehlen dringend, diese chromosomalen

Untersuchungen an einer Knochenmarkprobe vorzunehmen, die zum Zeitpunkt der Diagnose entnommen wurde.

¡ Zytogenetik (Karyotypisierung),

¡ FISH-Test (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung).

Notwendige Untersuchungen

Ein Laborbluttest kann die Proteine im Blut, S β2M, S ALB, CRP und LDH, auswerten.

STADIUM KRITERIEN GEMESSENE MYELOM-ZELLMASSE (Myelomzellen im ganzen Körper)

STADIUM I (geringe Zellmasse)

Jedes der folgenden Kriterien:

• Hämoglobinwert > 10 g/dL

• Serum-Kalzium-Spiegel normal oder < 10,5 mg/dL

• Röntgenuntersuchung der Knochen, normale Knochenstruktur (Stufe 0) oder nur solitäres Knochenplasmozytom

• Niedrige M-Komponenten-Produktion IgG-Wert < 5 g/dL; IgA-Wert < 3 g/dL

• Leichtketten-M-Komponente im Urin bei Elektrophorese < 4 g/24 Std

600 Milliarden/m2

STADIUM II (mittlere Zellmasse)

STADIUM III (große Zellmasse)

Entspricht weder den Kriterien für Stadium I noch für Stadium III

Mindestens eines der folgenden Kriterien:

• Hämoglobinwert < 8,5 g/dL

• Serum-Kalzium-Spiegel > 12 mg/dL

• Fortgeschrittene lytische Knochenläsionen (Stufe 3)

• Hohe M-Komponenten-Produktion IgG-Wert > 7 g/dL; IgA-Wert > 5 g/dL

• Leichtketten-M-Komponente im Urin < 12 g/24 Std

600 bis 1200 Milliarden/m2

> 1200 Milliarden/m2

UNTERGRUPPIERUNG (entweder A oder B)

Tabelle

• A: relativ normale Nierenfunktion (Serumkreatinin-Wert) < 2,0 mg/dL

• B: abnorme Nierenfunktion (Serumkreatininwert) > 2,0 mg/dL

PROGNOSTISCHE FAKTOREN

ISSStadium I

KRITERIEN

Serum-β2-Mikroglobulin < 3,5 mg/L, Serumalbumin ≥ 3,5 g/dl

II weder ISS Stadium I noch III

III

CA nach FISH Hohes Risiko

Serum β2-Mikroglobulin ≥ 5,5 mg/L

Vorhandensein von del(17p) und/oder Translokation t(4;14) und/oder Translokation t(14;16)

Standardrisiko Keine Risiko-CA

LDH Normal Serum LDH < oberer Grenzwert des Normalbereichs

Hoch Serum LDH > oberer Grenzwert des Normalbereichs

Ein neues Modell zur Risikostratifizierung für das multiple Myelom

R-ISSStadium I

II

III

ISS-Stadium I und Standard-Risiko-CA nach FISH und normale LDH

R-ISS-Stadium weder I noch III

ISS-Stadium III und entweder Hochrisiko-CA nach FISH oder hohe LDH

Abkürzungen: CA, Chromosomenanomalien; FISH, Interphasen-Fluoreszenz- in-situ- Hybridisierung; ISS, Internationales Staging-System; LDH, Lactatdehydrogenase; R-ISS, Revised International Staging System.

Tabelle 5. Prognostische Faktoren TEST SIGNIFIKANZ

Serum-ß2-Mikroglobulin (S β2M)

Je höher der Spiegel ist, desto fortgeschrittener ist das Stadium

Serum-Albumin (S-ALB) Je niedriger der Spiegel ist, desto fortgeschrittener ist das Stadium

C-reaktives Protein (CRP) Bei aktiver Erkrankung erhöht.

Laktatdehydrogenase (LDH) im Serum Bei aktiver Erkrankung erhöht.

Abnorme Chromosomen bei Zytogenetik des Knochenmarks und Fluoreszenz-insitu-Hybridisierung (FISH)

Mehrere Chromosomen-Deletionen und -Translokationen werden als hohes Risiko betrachtet; sie können mit einer kürzeren Remission assoziiert sein

Zytogenetik ist eine labortechnische Beurteilung von Chromosomen in sich teilenden Myelomzellen. Die aktive Wachstumsrate von Myelomzellen ist in der Regel sehr niedrig. Weniger als 3 % und oft weniger als 1 % der Zellen vermehren sich. Dies ermöglicht eine nur unvollständige Beurteilung der vorhandenen Chromosomenveränderungen. Nichtsdestotrotz sind Anomalien, wenn sie bemerkt werden, wichtig, vor allem deswegen, weil sie in den wenigen Zellen auftreten, die tatsächlich wachsen.

Der FISH-Test ist die Bewertung der Chromosomen aller Myelomzellen in einer Knochenmarkprobe. Unabhängig davon, ob Myelomzellen wachsen oder nicht, ermöglicht FISH die Erkennung von Veränderungen. Spezielle fluoreszierende (leuchtende) Genproben werden der Knochenmarkprobe hinzugefügt. Diese Proben folgen dem genetischen Material nach der Zellteilung und zeigen das Vorliegen oder Fehlen von Chromosomenanomalien an, von denen man weiß, dass sie bei einem Myelom auftreten. Jedem Chromosom wird eine Probe in einer anderen Farbe zugewiesen. Wenn z. B. genetisches Material von Chromosom 4 falsch mit Chromosom 14 verbunden ist, erscheinen die verschiedenfarbigen Punkte des genetischen Materials dieser Chromosomen zusammen und zeigen die Hochrisiko-Anomalie t(4;14) an, die für „Translokation von genetischem Material zwischen den Chromosomen 4 und 14“ steht. Weitere Hochrisiko-Anomalien sind t(14;16), t(14;20), 17p-, was so viel bedeutet wie „Verlust des kurzen Arms (oberen Teils) von Chromosom 17” sowie 1q+, die Kurzform für „ein zusätzlicher langer Arm (unterer Teil) an Chromosom 1“. Das Vorliegen von Translokationen, fehlenden Stücken, zusätzlichen Stücken und einem Verlust von Chromosomen kann durch den FISH-Test erkannt werden.

Das Vorhandensein von anormalen Chromosomen ist in der Regel mit einer schlechten Prognose verbunden – wobei es sich hier um eine Tendenz, keinen garantierten Verlauf handelt. So kann es zum Beispiel

Abbildung 4. Karyotyp-Analyse von menschlichen Chromosomen

Abbildung 5. Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) einer Myelomzelle

Abbildung 6. Chromosomenanomalien beim Hochrisiko-Myelom Löschung

Translokation rund einem Drittel der Patienten mit sogenannten Hochrisiko-Anomalien gut gehen, und es zeigen sich gute Ergebnisse mit den aktuellen Standardtherapieansätzen, etwa der Induktionstherapie gefolgt von einer autologen Stammzellentransplantation.

Grundlegende Untersuchungen

Knochenmarkbiopsie:

Anhand dieses entscheidenden Tests werden sowohl das Vorliegen als auch der Prozentsatz der Myelomzellen im Knochenmark bestimmt. In Stadium I der Erkrankung oder beim solitären Plasmozytom ist unter Umständen eine direkte Biopsie der Tumormasse notwendig. Die zytogenetische Untersuchung, für die eine frische Knochenmarkprobe erforderlich ist, kann gute oder schlechte Chromosomenmerkmale identifizieren.

Blutuntersuchungen:

Abbildung 7. Zusammensetzung des Blutes

Plasma

Blutplättchen (Thrombozyten)

Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) Weiße Blutkörperchen (Leukozyten)

¡ Ein großes Blutbild wird verwendet, um das Vorliegen und den Schweregrad einer Anämie, einer niedrigen Anzahl weißer Blutkörperchen und einer niedrigen Thrombozytenzahl zu beurteilen.

¡ Mit einem Blutchemieprofil werden Nierenfunktion (Kreatinin und BUN) und Leberfunktion sowie Albumin, Kalziumspiegel und LDH ausgewertet.

¡ Die Serumproteinelektrophorese (SPEP) misst die Menge des abnormen Myelom-Schwerkettenproteins und zeigt das Vorhandensein einer abnormalen M-Erhöhung (Spike).

¡ Mittels Immunfixationselektrophorese können die Typen der Schwerketten (G, A, D, E und M) und Leichtketten (Kappa [κ], Lambda [λ]) des Myelomproteins nachgewiesen werden.

¡ Mittels Freelite-Assay® können die Anzahl der freien Kappa- oder Lambda-Leichtketten sowie das Kappa-zu-Lambda-Verhältnis bestimmt werden, wenn mit SPEP (Serumproteinelektrophorese) oder UPEP (Eiweiß-Elektrophorese im Urin) keine Anomalien festgestellt wurden.

¡ Ein Hevylite®-Assay kann verwendet werden, um den normalen und anormalen Wert intakter Immunglobuline zu bestimmen.

Urintests:

Abbildung 8. SPEP-Testergebnisse

Abnormales Ergebnis mit Myelomzellen, die das M-Protein produzieren, wodurch ein M-Spike in der Beta-2-Zone entsteht

Mittels Eiweiß-Elektrophorese im Urin (UPEP) kann die M-Proteinmenge im Urin nachgewiesen werden. Mittels Immunfixation kann die Art des M-Proteins nahgewiesen werden.

Knochenuntersuchungen: Präsenz, Schweregrad und Position einer Knochenschädigung können anhand der folgenden Faktoren beurteilt werden:

¡ Röntgenaufnahmen weisen zwar bei der Mehrheit aller MyelomPatienten eine charakteristische Knochenerkrankung nach, können aber bei etwa 25 % der Patienten mit aktivem Myelom einen negativen Befund liefern. Eine weitere Bildgebung mit GanzkörperMRT, Ganzkörper-Niedrigdosis-CT oder PET/CT ist erforderlich, um eine mögliche Knochenbeteiligung auszuschließen. Benötigt wird eine komplette Aufnahme des Skeletts mittels einer Reihe von Röntgenuntersuchungen, um ein Myelom zu identifizieren und den myelombedingten Verlust oder die Ausdünnung von Knochen (Osteoporose oder Osteopenie) sowie lytische Läsionen und/oder Brüche oder Einbrüche des Knochens aufzuzeigen.

¡ Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) kann festgestellt werden, ob und wie sich die Krankheit im Knochenmark ausgebreitet hat, falls eine Röntgenuntersuchung keine Knochenschäden zeigt, und es können bestimmte Bereiche wie Wirbelsäule und/oder Gehirn präzise getestet werden. Sie kann Erkrankungsareale außerhalb des Knochens aufzeigen, zum Beispiel Nervenkompressionen und/oder Auswirkungen auf das Rückenmark.

¡ Eine Computertomographie (CT) wird verwendet, wenn Röntgenuntersuchungen negativ ausfallen, und/oder für eine detaillierte Messung einzelner Bereiche. Dies ist besonders hilfreich für die detaillierte Bewertung kleiner Areale mit möglichen Knochenschäden oder Nervenkompressionen.

¡ Die Positronen-Emissionstomografie (PET) ist eine hochempfindliche Ganzkörper-Scantechnik. FDG/PET- oder PET/CT-Scans sind bei der Krankheitsüberwachung äußerst nützlich, insbesondere bei nichtsekretorischen Myelompatienten. Eine Computertomographie wird für eine Bewertung der Areale mit PET-positiver Erkrankung verwendet.

¡ Knochendichtemessungen bewerten bei Myelompatienten die Schwere des diffusen Knochenverlusts und die fortlaufende Verbesserung durch Bisphosphonat-Therapien.

¡ Nuklearmedizinische Scans sind bei Myelompatienten nicht sinnvoll und sollten nur durchgeführt werden, um andere Diagnosen auszuschließen.

Weitere Informationen zu Tests, die beim Myelom verwendet werden, finden Sie in der IMF-Publikation Understanding Your Test Results.

Mögliche dringende Probleme bei Diagnose

Da oft die Wirbel vom Myelom betroffen sind und das Knochenmark durch diese Wirbel verläuft, sind schmerzhafte Wirbelfrakturen, die die Nerven einklemmen, nicht selten. Ein Verlust der motorischen Nerven kann zu Lähmungen führen. Myelom-Tumore, die in den Wirbel wachsen, können auf die Nerven im Rückenmark drücken. Kalkabbau in den Knochen kann zu einem starken Anstieg der Kalziumwerte im Blut, einer Hyperkalzämie, führen. Sowohl die Hyperkalzämie als auch hohe Werte des monoklonalen Proteins im Blut können die Nieren schwer schädigen und zu einem Nierenversagen führen.

Wirbelkörperkompressionsfrakturen, Schädigung der Nerven des Rückenmarks, Infektionen und Nierenversagen sind medizinische Notfälle, die vor der systemischen Myelom-Therapie behandelt werden müssen. Wir empfehlen, dies mit einem Myelom-Spezialisten abzuklären, damit durch die Behandlung dieser dringenden Probleme die späteren, das Myelom betreffenden therapeutischen Möglichkeiten nicht eingeschränkt werden. Zum Beispiel ist die Bestrahlung zur Verkleinerung des Plasmozytoms, das auf Nervengewebe drückt, sorgfältig mit einem chirurgischen Eingriff abzuwägen: Die Bestrahlung kann das Knochenmark dauerhaft schädigen und je nach Lage des Tumors und Stärke der Bestrahlung die späteren Behandlungsoptionen einschränken.

Myelomtypen

Es gibt verschiedene Arten und Subtypen des Myeloms, die von der Art des Immunglobulins, das von den Myelomzellen produziert wird, abhängen. Die fünf Arten von normalen schwerkettigen Immunglobulinen – IgG, IgA, IgD, IgE und IgM – erfüllen jeweils unterschiedliche Funktionen im Körper.

Jedes Immunglobulin besteht aus zwei schweren und zwei leichten Ketten Die zwei Arten von Leichtketten sind Kappa (κ) und Lambda (λ). Die Typisierung des Myeloms erfolgt mittels Immunfixationselektrophorese (IFE).

Myelomzellen produzieren nur eine einzige Art von monoklonalem Protein, eine Gruppe identischer Zellen aus einer gemeinsamen Vorläuferzelle. Rund 65 % der Myelompatienten haben ein IgG-Myelom mit entweder Kappa- oder Lambda-Leichtketten. Am nächsthäufigsten tritt das IgA-Myelom auf, ebenfalls entweder mit Kappa- oder LambdaLeichtketten. IgM-, IgD- und IgE-Myelome treten hingegen sehr selten auf.

Circa ein Drittel der Myelompatienten produzieren zusätzlich zur gesamten Molekülverbindung aus an Schwerketten gebundenen Leichtketten freie Leichtketten. Bei etwa 15 – 20 % der Patienten produzieren die Myelomzellen nur Leichtketten, aber keine Schwerketten. Dies wird als Leichtketten- oder Bence-Jones Myelom bezeichnet, das nach dem englischen Arzt benannt ist, der 1848 Leichtketten erstmals identifizierte und seine Erkenntnisse veröffentlichte. Monoklonale Leichtkettenproteine sind kleiner und wiegen weniger als Schwerketten, sodass sie durch die winzigen Kapillaren passen, die das Blut zu den Nieren leiten. Die Ablagerung von Leichtketten, die über das Blut zu den Nieren gelangen, kann dazu führen, dass die Nierenkanälchen blockiert werden, was zu einer verminderten Nierenfunktion führt.

In seltenen Fällen (nur 1 – 2 % der Patienten) wird von den Myelomzellen entweder nur sehr wenig oder gar kein monoklonales Protein produziert.

Abbildung 9. Strukturen von Immunglobulinen

Hier spricht man vom asekretorischen Myelom. Allerdings kann der sogenannte Freelite®-Test kleinste Mengen von Leichtketten bei 70 % dieser kaum sekretierenden Patienten im Blut nachweisen. Eine von der Mayo Klinik mit 124 Patienten durchgeführte Studie, die 2015 veröffentlicht wurde, hat ergeben, dass das Überleben von Patienten mit asekretorischem Myelom höher zu sein scheint als das von Patienten mit einem sekretorischen Myelom.

Die Relevanz der richtigen Identifikation

Ihres Myelomtyps

Wenn Sie Ihre Art von Myelom kennen, können Sie Ihre Testergebnisse im Verlauf Ihrer Behandlung besser verstehen und nachverfolgen. Der Freelite-Test wird mit SPEP kombiniert, um die Konzentration der von den Myelomzellen produzierten Leichtketten- und Schwerketten-M-Proteine zu analysieren. Die Messung der Aktivität der Myelomzellen ist eine indirekte, aber effektive Möglichkeit, um die Krebsaktivität im Körper zu beurteilen. Die einzige Möglichkeit, Myelomzellen direkt zu analysieren, ist eine Knochenmarkbiopsie.

Um Ihr Ansprechen auf die Behandlung zu beurteilen und Ihren Status in einer Remissionsphase zu beobachten, werden regelmäßig Tests zur Überwachung Ihrer M-Proteinmenge und diverse andere Analysen durchgeführt. Wir empfehlen Ihnen dringend, Ihre Testergebnisse fortlaufend aufzuzeichnen und sich mit den beim Myelom verwendeten Tests vertraut zu machen. In diesem Sinne möchten wir Sie erneut dazu einladen, die IMF-Veröffentlichung Understanding Your Test Results zu lesen.

So verhalten sich die unterschiedlichen Myelom-Typen

¡ Das IgG-Myelom ist der häufigste Myelom-Typ und zeigt die üblichen CRAB-Merkmale.

¡ Das IgA-Myelom zeigt sich gelegentlich durch Tumore außerhalb des Knochenmarks.

¡ Das IgD-Myelom kann von einer Plasmazellleukämie begleitet sein und sich durch eine große Anzahl an Myelomzellen im Blut äußern. Das IgD-Myelom ist außerdem dafür bekannt, Nierenschäden zu verursachen.

¡ Das Leichtketten-Myelom führt am häufigsten zur Nierenschädigung und/oder zu Ablagerungen von Leichtketten in den Nieren und/ oder im Nervengewebe oder anderen Organen. Abhängig von den Merkmalen der Leichtkettenablagerungen spricht man entweder von einer Leichtketten-Amyloidose (AL-Amyloidose) oder einer Leichtkettenablagerungserkrankung (LCDD).

Zwei andere Erkrankungen der Plasmazellen sind der Morbus Waldenström (WM), der mit monoklonalem IgM-Protein assoziiert ist, und das POEMS-Syndrom, eine seltene Krankheit, die mit Neuropathie, vergrößerten Organen, endokrinen Störungen, monoklonalem Protein und Hautveränderungen einhergeht.

Die Auswirkungen des Myeloms im Knochenmark

Myelomzellen setzen verschiedene Proteine und andere Substanzen in das lokale Mikro-Milieu des Knochenmarks und direkt in das Blut frei. Alle Blutzellen – weiße Blutzellen, rote Blutzelle und Thrombozyten – werden im Knochenmark hergestellt. Wenn das Myelom im Knochenmark wächst, ist eine der Auswirkungen eine Reduzierung der Blutzellenproduktion. Die Anämie, eine niedrige Anzahl von roten Blutzellen, ist ein frühzeitiges und häufiges Symptom des Myeloms.

Die Zellen des gesunden Knochenmarks sorgen in unserem Skelett für einen dynamischen, ausgewogenen Prozess des Abbaus und Aufbaus von Knochen. Das Vorhandensein von Myelomzellen im Knochenmark regt die Zellen an, die Knochen abbauen (Osteoklasten) und hemmen die Zellen, die neuen Knochen bilden (Osteoblasten). Dadurch kommt das System aus dem Gleichgewicht, es entstehen Knochenschmerzen und Brüche und es wird Kalzium in das Blut freigesetzt.

Auswirkungen des Myeloms außerhalb des Knochenmarks

Wenn sich Myelomzellen im Knochenmark vermehren und aufbauen, wird M-Protein in das zirkulierende Blut freigesetzt. M-Protein kann in unterschiedlichen Körperregionen Gewebeschäden verursachen.

Recht häufig treten zum Beispiel Nierenschäden auf. Außerdem kann M-Protein die Blutgerinnung und/oder den Blutkreislauf beeinträchtigen und so weitere Organ- und Gewebeschäden verursachen, darunter

Schäden des Nervengewebes (periphere Neuropathie, PN).

Abbildung 10. Anatomie des Knochenaufbaus

Spongiosa mit rotem Knochenmark Knochenkompakta gelbes Knochenmark

Osteoklast (knochenabbauend)

Osteozyt

Osteoblast (knochenbildend)

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