Lucie Pietsch und ihr Mann Rolf kurz vor seinem Tod 1994
Alzheimer, einer dner vielen Formen vo Demenz heilbare • Alzheimer ist eine un n lle Ze Gehirnerkrankung. on gi en bestimmter Gehirnre st nicht funktionieren zunäch hließlich ab. mehr und sterben sc menzfälle Zwei Drittel aller De sind Alzheimer llen • Unter den demenzie eimer bei zh Erkrankungen ist Al . Nicht in weitem die häufigste jedoch allen Fällen lässt sich lche Form genau feststellen, we vorliegt. e • Die durchschnittlich gt sieben trä be er Krankheitsdau Jahre ab Diagnose bte Einwohner • 2050 dürfte jeder sie er mehr Jahre in Deutschland 80 od Anzahl der alt sein und sich die n dadurch Demenzerkrankunge verdoppeln enzkranken • 70 Prozent der Dem t mit sind Frauen. Das häng erwartung ihrer höheren Lebens zusammen gen können • Demenzerkrankun . Die nicht geheilt werden jetzt noch Wissenschaft hat bis nden die keine Substanz gefu tzt und an den Wurzeln anse ankung so die manifeste Erkr er sogar zurückdrängt, heilt od irkung hat eine vorbeugende W
Gelöschte Vergan
Ein Leben ohne Erinnerungen? Manche können sich kei man nicht mehr weiß, mit wem man verheiratet war od Lucie Pietsch, eine Oma, die trotz ihres Alzheimers, wie
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ie hat früher gerne gebacken, trieb viel Sport und ihre Enkelkinder beschreiben sie als eine liebevolle und großzügige Oma, die gerne plaudert und spannende Geschichten aus der Vergangenheit erzählt. Heute fällt ihr das jedoch immer schwerer. Ich begegne Lucie Pietsch zum ersten Mal in Begleitung ihrer jüngsten Enkelin, Julia, die ihre Oma gelegentlich im Schloss Merten besucht. Das alte Kloster in Eitorf an der Sieg fungiert heute als Alten- und Pflegeheim. Als wir durch die Aufzugstür erscheinen, braucht sie einige Sekunden um die rothaarige junge Dame zu erkennen, die ich (an dem Tag) bei ihrem Besuch begleite. “Julia!“, strahlen ihre dunklen Augen auf,„das ist aber eine Überraschung, ich wusste ja gar nicht, dass du kommst!” Ich stelle mich kurz vor und merke, dass sie nicht sicher ist, ob wir uns schon einmal begegnet sind.„Schön Sie endlich kennen zu lernen“ sage ich und schüttele ihre Hand, „Julia hat mir viel von Ihnen erzählt“. Sie guckt sich um, als hätte sie plötzlich vergessen wo sie ist. Lucie Pietsch hat Alzheimer, seit etwa anderthalb Jahren. Vor dem Aufzug, im Flur, sitzt sie neben zwei Hausmitbewohnerinnen in einem großen Sessel, der sie kleiner erscheinen lässt, als sie eigentlich ist. Sie zieht ihre sehr dichten Augenbrauen, die trotz weißem Haar auf
dem Kopf noch dunkel geblieben sind, zusammen und scheint besorgt: „Wenn ich gewusst hätte, dass ihr kommt, hätte ja was vorbereiten können, jetzt habe ich aber nichts anzubieten”. Wir versichern ihr, auf dem Weg bereits gegessen zu haben, doch die fromme Katholikin legt viel Wert auf Manieren: Etwas auf dem Tisch zu haben, wenn Besuch kommt, gehört sich eben. Eigentlich wusste sie schon lange über unseren Besuch bescheid, hat es aber längst vergessen. Sie lädt uns in ihr Zimmer ein. Beim Aufstehen greift sie nach ihrem Stock und sagt, noch bevor ich ihr die Hand zur Hilfe anbieten kann: “Ich brauche zwar mein drittes Bein, kann aber noch alleine aufstehen”. Man könnte wirkLucie wohnt seit 6 Monaten lich kaum erahnen, im Schloss Merten dass Lucie bereits 92 ist. Die schlanke Dame hat sich noch vor einigen Wochen ihre erste Jeans gewünscht, und auch direkt getragen. Morgens macht sie Gymnastik, mindestens einmal am Tag geht sie spazieren. Im Heim gehört sie zur Gruppe 8. Diese besteht aus jenen Patienten,
Ab 80 steigt das Erkrankungsrisiko steil an
ngenheit
n
die im Obergeschoss wohnen, weil sie am wenigsten pflegebedürftig sind. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer bleibt Lucie auf einmal stehen. Sie überlegt kurz und greift nach dem langen grünen Band an ihrem Hals: dort hängt der Schlüssel, den hat sie früher immer wieder verloren. Das 20 Quadratmeter große Zimmer sei genug für sie, meint Lucie. Sie hätte zwar vor ein paar Jahren noch ein ganzes Haus für sich alleine gehabt, „heute reichen mir die Fotos und die Bücher, die ich bald alle wieder nach meiner Augenoperation lesen werde“. Lucie setzt sich in ihren Lieblingsledersessel und bietet uns die zwei übrigen Stühle am Tisch an. Da fällt ihr Blick auf ein angefangenes Stück Kuchen. Ihre Enkelin, Julia, erzählt mir später, dass sie sich vor allem um Lucies Sicherheit Sorgen machten und ihre Pflegebedürfnisse immer mehr wurden. „Nach ihrem Schlaganfall vor etwa mehr als einem Jahr hatte sie abends immer Panikattacken. Sie rannte durchs Haus um alle Türen zu schließen und entsorgte ihre Inkontinenz-Windeln im Blumentopf oder in der Küche.“ Als die Familie einen Neurologen aufsuchte, um die erahnte Demenz von Lucie bestätigen zu lassen, war diese im Gespräch so überzeugend und erzählte so strukturiert, dass der Arzt sie für vollkommen geistig fit er-
klärte. Beim Gespräch mit Lucie wird mir auch klar, warum. Sie hat eine energische Stimme und klingt vollkommen überzeugend, egal was sie erzählt Wenn sie merkt, dass ihr ein Thema entkommt oder die Antworten auf eine bestimmte Frage in ihrem Kopf eine Grauzone erwischen, versucht sie die Unterhaltung auf ein anderes Thema zu lenken. Sie erzählt mir, wie sie ihren verstorbenen Mann zu Kriegszeiten kennengelernt hat, als sie Rot-KreuzSchwester. war Sie schrieben sich sechs Monate lang, lernten sich dann kennen, mussten aber daraufhin 6 Jahre warten, ehe sie ihre 46-jährige Ehe beginnen konnten. Als ich nach dem Jahr der Hochzeit frage, gerät Lucie in Verlegenheit und kann mir nicht antworten. „Haben wir eigentlich Silberhochzeit gefeiert?“ fragt sie Julia und diese nickt.„Es tut mir leid“ entschuldigt sie sich bei mir, „Mir ist nun schon einiges entfallen in so vielen Jahren, das Köpfchen arbeitet nicht mehr so wie früher. Es ist ja alles immerhin Jahre, Jahrzehnte weit entfernt“. Ich bin mir nie ganz sicher, ob sie sich ihrer Krankheit bewusst ist. In Lucies Alter ist Alzheimer nichts Außergewöhnliches. Nach Angaben des DemenzReport des Berlin-Institut für Bevölkerung
“Das Köpfchen arbeitet halt nicht mehr so wie früher”
Männer Frauen Prozent Prozent
30 bis 59 Jahre 60 bis 64 Jahre 65 bis 69 Jahre 70 bis 74 Jahre 75 bis 79 Jahre 80 bis 84 Jahre 85 bis 89 Jahre 90 bis 94 Jahre 95 bis 99 Jahre
0,16 1,58 2,17 4,61 5,04 12,12 18,45 32,10 31,58
0,09 0,47 1,10 3,86 6,67 13,50 22,76 32,25 36,00
Quelle: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Photo:XXXXxx
inen schlimmeren Alptraum vorstellen. Was passiert, wenn der wie die eigenen Kinder heißen? Eine Begegnung mit fast jede andere ist. Von Ofelia Harms
Altersgruppe
und Entwicklung In Deutschland leiden heutzutage rund 1.3 Millionen Menschen an den verschiedensten Arten von Demenz, und diejenigen, die sich in Lucies Altersgruppe befinden, machen über 60 Prozent davon aus. Wie gut oder wie schlecht es ihr von Monat zu Monat gehen wird, kann leider keiner sagen.„Das ist das Schlimme an dieser Krankheit, man weiß nie, was einen erwartet“, sagt ihre Enkelin Julia und ihre Stimme bricht, als sie mir von den Vorfällen zur Weihnachtszeit erzählt. „Sie hat uns alle zum ersten Mal nicht erkannt“, erklärt die 27-jährige, „die ersten zwei Weihnachtstage ist sie sehr gut im Haus zurecht gekommen, am dritten ist sie aber auf einmal völlig ausgeflippt und wusste nicht mehr, wo sie war und wer wir sind, es war schon ziemlich traurig.“ Auch im Heim wollte sie einmal trotz Schnee mit ihrem Kopfkissen draußen „auf der grünen Wiese liegen“, wie sie ihre Enkelin zitiert. Sowohl Pflegepersonal wie auch die gesamte Familie sind sich jedoch sicher, dass sie dort, wo sie ist, am Besten aufgehoben ist. „Da kann sie auch weiterhin behandelt werden, wenn es mit der Krankheit schlimmer wird.. Zu Hause würde ihr irgendwann etwas Schlimmeres zugestoßen“, ist Julia überzeugt. Beim Abschied ist Lucie traurig und erzählt, dass sie manchmal nach den Besuchen ein bisschen weinen muss, wenn sie wieder allein ist. Trotzdem lässt sie sich die Traurigkeit vor uns nicht anmerken. Wir versprechen, bald wiederzukommen und sie freut sich, obwohl sie sich wahrscheinlich morgen früh nicht mehr daran erinnern werden kann.
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