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PERSONEN von Veronika Kramar
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Familientradition
Helgas Glasgeschichte Die moderne Welt der alten Meister
FOTO:VERONIKA KRAMAR
Seit dem Mittelalter war der Böhmerwald ein großes Zentlichen. Ich gehe in den Wald und te sind 1 Meter groß oder mehr rum der Glasherstellung - und dort suche ich nach Inspiration. und es soll der Originalgröße das war nicht nur im SudetenIch beobachte die Umwelt gerentsprechen. Danach wird die land, sondern auch weltweit ne und dann überlege ich, wie Schablone nach dieser Zeichbekannt. Die böhmische Tradiich meine Benung erstellt und tion wurde seit langer Zeit von obachtungen dann wird das Glas einer Generation auf die andein ein Objekt zugeschnitten, bere vererbt. „Als ich ein kleines einarbeiten malt und gebrannt. Mädchen war, habe ich von meioder darstellen Danach werden die nem Großvater vieles darüber kann“. ManchTeile auf dem Tisch gehört. Er war Glasmaler und mal sieht die ausgelegt und flach mein Vater auch. Es hat meiKünstlerin zuverbleit“. nen Berufswunsch und meinen künftige GlasHelga betont, dass Lebensweg bestimmt“, sagt die bilder oder man mit dem Glas 52-jährige Künstlerin. Nach dem Glasobjekte im entsprechend umZweiten Weltkrieg wurde das Schlaf, manchgehen muss, da es sudetendeutsche Territorium mal kommen ein einzigartiger, zu Tschechien. Der Großvater sie spontan. zarter Stoff ist: „Arder Glasmalerin und andere aus Einige ihre beit mit dem Glas dem Sudetenland vertriebene Glasobjekte braucht eine gewisGlasveredler haben sich in der haben wirklich se innere Ruhe und kleinen deutschen Stadt Rheinsurrealistische Klatschmohn: eine natürliche Zeit. Man kann das bach angesiedelt, die man seitFormen. Nicht Vereinbarung von Rot und Glas nicht hektisch dem „Glasstadt“ nennt. „Hier durch Zufall ist Schwarz schneiden, sonst haben sich meine Eltern kennen Surrealismus geht es zu Bruch. Es gelernt. In Rheinbach bin ich eine ihrer Lieblings-Kunstrichist wichtig, das Glas zu fühlen groß geworden, habe drei Jahre tungen und Max Ernst ihr Liebund akkurat mit den Fingern zu lang die Glasfachschule besucht lings-Künstler aus dieser Richarbeiten. Es kann herunterfalund dann die Meisterprüfung in tung. Dabei ist sie auch durch len oder im Brennofen platzen. Glas- und Porzellanmalerei gedas Schaffen des berühmten Wenn etwas schief geht, dann macht“, sagt Georg Meistermuss man alles neu anfangen“. die Malerin. mann und LudDie Galsmalerei ist Helgas ganSeit dem Jahr wig Schaffrath zes Leben. Jeden Tag bearbei1980 ist Helga Der G l a s k ü n s t l e r b e g e i s t e r t . ten die fleißigen Hände der selbstständig Helga arbeitet Künstlerin verschiedene bunte sieht die als Glaskünstsowohl mit den Glasstückchen, die sich in lelerin und hat alten Glastechbendige Glasbilder verwandeln We l t a n d e r s ihre eigene niken wie der werden. „Rot und Schwarz sind als die Werkstatt erBleiverglasung, öffnet. Sie lebt mit Schwarzlotmeisten Leute und arbeitet malerei, Hohlin ihrem weitglasmalerei, als räumigen hisauch mit den torischen Fachwerkhaus, wo neuen wie Fusing (Glasschmelzihre Werkstatt und Atelier austechnik). „Ich male mit dem gebaut wurden. Da hat sie eine Glas. Ich denke, dass das wichechte kleine Glaswelt geschaftigste für einen Glasmaler ist, fen, in der fantastische Tiere ein gewisses handwerkliches Geund Schöpfungen leben, einzigschick und künstlerische Ambitiartige Blumen wachsen und sich on zu haben. Dabei soll aber in andere Glasschätze befinden. jedem Werk ein Stückchen Herz bleiben.
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FOTO:H.FEUSER-STRASDAS
Ein großer blauer Fisch, sowie kleine farbige Kreaturen treffen höflich jeden Gast vor diesem Haus. Sie sind in ein bezauberndes Königreich aus Glas von Helga Feuser-Strasdas geraten. Im gemütlichen Raum spielt leise Musik. „Ich höre gerne Klassik und langsame Melodien, besonders wenn ich ein bisschen hektisch oder nervös bin, aber wenn ich mich abreagieren will, wird Rock gespielt. Je nach Stimmung“, lächelt die gebürtige Glaskünstlerin. Die Geschichte ihrer Familie beginnt in der Tiefe des Zeitalters.
ga: „Wenn es durch das Fenster kommt und den ganzen Raum beeinflusst, dann wird er lebendig. Es wird eine bezaubernde Atmosphäre geschaffen“. Zuhause arbeitet Helga gewöhnlich alleine, aber die Unterstützung ihres Mannes ist sehr wichtig. „Mein Mann ist auch ein gelernter Kunstglaser und zurzeit unterrichtet in der Rheinbacher Glasfachschule. Er hilft mir mit den verschiedenen Arbeiten und besonders mit dem Computer“, lächelt Helga. Aber manchmal hat die Glaskünstlerin wirklich große Objekte und da braucht sie Hilfe von mehreren Leuten. Die Glaskünstlerin erinnert sich an ihren interessantesten Auftrag: „Ich habe für die Messe Essen ein Objekt im Jahre 2003 gemacht. Das war 24 Meter groß und es war für mich ein bisschen schwer in körperlicher Hinsicht“. Die Arbeit an dem größten Glasbild Europas dauerte vier Monate. Helga ist eine von denjenigen besonderen Menschen, die besondere Kenntnisse besitzen und die die alten Kunsttraditionen nicht sterben lassen. Aber selbst die Künstlerin ist ein bisschen pessimistisch meine Lieblingsfarben. Rot ist und erzählt, dass es heutzutage eine leuchtende positive Farbe nicht so leicht ist, eine private Glasund schwarz dient als Kontrast malereiwerkstatt zu haben: „Die dazu. Im allgemeinem gibt es Glaskunst bricht weg. In Deutschin der Malerei kein richtiges land gibt es nicht mehr so viele schönes leuchtendes Rot, das Unternehmen, die Glas herstellen. gibt es nur im Glas“, sagt die Die Nachfrage ist nicht mehr da. Künstlerin. Heutzutage gibt ImBayerischen Wald wurden viele es eine Auswahl zwischen vier Glaswerkstätten geschlossen. In Millionen verschiedenen FarbTschechien fängt das auch an und in Schweden, habe ich gehört, haben auch einige zugemacht“. Die Künstlerin erklärt, dass es einfach zu teuer ist. Es ist sehr energieintensiv - man muss eine Glasmasse ständig auf 1200 Grad halten, bis sie verarbeitet ist. Helga beschäftigt sich auch sehr viel mit der Restaurierung von Kirchen. „Ich lese gerade ein Buch von Ken Follett: `Die Säulen der Energie auf dem größten Glasbild Europas. Erde´. Darin geht Entwurf: Jörg Immendorf es um den Umbau Glasgestaltung: Helga Feuser-Strasdas einer Kathedrale. tönungen. Helga bestelt fertiDas beeindruckt mich sehr. Heute ges buntes Glas oder bemalt beobachte ich, dass viele Kirchen selbst. Die fantastische Wirkung verkauft werden, weil sie oft nicht von bunten Strahlen kann man mehr gebraucht werden“. nur am Tage genießen. „Ohne Helgas Geheimnisse Licht ist das Glas tot“, sagt HelFOTO:VERONIKA KRAMAR
nter den alten, weisen Eichen, unter den dichten Laubkronen, da, wo die Geheimnisse der hundertjährigen Geschichte aufbewahrt werden, kommen die Hüter des unschätzbaren Wissens her. Wer sind diese Hüter und welches Wissen besitzen sie?
Januar, 2011
Inspiration
In den alten Zeiten haben Helgas Ahnen nach der Inspiration im Böhmerwald gesucht, wo sie gelebt haben. Und so tut es Helga: „Meine Hauptinspiration ist die Natur. Der Künstler sieht die Welt anders als die meisten Leute. Manche Kunden wollen etwas machen, haben aber keine konkreten Vorstellungen vom zukünftigen Objekt. Dann versuche ich meine eigenen Ideen zu verwirk-
Alltägliche Routine? E-Mails lesen, die Kunden anrufen, den Arbeitsplatz vorbereiten, den Brennofen aufräumen – so beginnt jeder Tag von Helga. Das wichtigste ist jedoch die schöpferische Phase, in der die Künstlerin überlegt, wie sie das Thema darstellen kann: „Erstmal wird die Idee gezeichnet, dann mache ich den Entwurf und vergrößere mein Bild. Einige Objek-
Frau Feuser-Strasdas: „Der Hohlglasmaler gibt es eigentlich sehr wenig. Es gibt Glas und Porzellanmaler. „Hohl“ kommt von Hohlkörper – z.B. ein Trinkglas oder Vase. Es gibt so wenig, die es Lehren können. Man kann es noch im Bayerischen Wald ein bisschen lernen. Hier in Rheinbach lebt 85-jähriger Glasmaler, der besitzt noch die Kenntnisse der Hohlglasmale-
FOTO:VERONIKA KRAMAR
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Zurzeit arbeitet die Glaskünstlerin an einem Auftrag: „Ich muss einen Grabstein aus dem Glas machen. Das habe ich noch nie gemacht und ich muss mir überlegen, wie ich das verwirklichen kann. Ich weiß noch nicht, wieviel Glas ich brauche und auf welche Weise es besser ist, das Glas mit dem Metall zu kombinieren“. Helga plant auch andere Gartenobjekte auszuprobieren und wie man Glas mit Edelstahl kombinieren kann. Die Künstlerin arbeitet auch gerne mit ganz kleinen Glasobjekten, indem sie eigenen Glasschmuck entwirft. Helga hat viele Geheimnisse, aber sie denkt, dass es noch nicht die richtige Zeit ist, alles aufzuklären. Das wichtigste Geheimnis ist aber schon seit Langem aufgeklärt - das wissen alte Hüter... u
www.feuser-strasdas.de
Januar, 2011
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PERSONEN
In den bunten Strahlen Über Sakrales und Profanes einer der ältesten Künste von Veronika Kramar
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Die einzigartige Einwirkung des Lichtes, das durch das bunte Glas dringt, fördert eine besondere emotionale Empfindung. Die Glasmalerei nimmt einen besonderen Platz in der Kunstwelt ein. „Die katholischen und evangelischen Kirchen haben die größte Nachfrage nach Glasmalerei. Zur Zeit werden viele Kirchen, die während des Zweiten Weltkrieges zerstört wurden, wieder neu gebaut, restauriert und neugestaltet. Obwohl die Nachfrage im Unterschied zu früheren Zeiten zurückgegangen ist, bleibt die Glasmalerei immer noch aktuell“, erklärt der Leiter des Forschungszentrums für mittelalterliche Glasmalerei in Freiburg, Dr. Hartmut Scholz. In den europäischen Ländern sowie in den USA gibt es eine bestimmte Zahl von Glaswerkstätten und, wie der Experte erklärt, existieren die meisten von ihnen durch Restaurierungsmaßnahmen. Die Entwicklung der Glaskunst kommt aus den Tiefen der Geschichte. Die Frühkulturen haben gelernt, wie man das Glas durch die Kombination einiger Komponenten herstellen kann. Die Sumerer und andere Zivilisationen konnten verschiedene Gegenstände aus Glas herstellen. Im ersten Jahrhundert v. u. Z. wurde vermutlich in Syrien die Glasbläsertechnik erfunden. Mit der Glasmacherpfeife begann eine neue Epoche der Glasfabrikation. Die Römer haben die prächtigsten Häuser mit den Täfelchen des transparenten geblasenen Glases dekoriert. Alles, was wir heute als Glasfenster bezeichnen, entstand erst zur Zeit des frühen Christentums. Der Spieleffekt der ersten Son-
FOTO:ANDREA GÖSSEL
as Leben ist kurz, die Kunst ist ewig. Die Kentnisse, die durch die Jahrhunderte aufbewahrt werden, sind unschätzbar. Viele Darstellungstechniken und Verfahren sind leider verloren und vergessen. Einige leben aber bis heute.
Prophet der Wurzel Jesse Ulm, Münster, Kramerfenster Straßburger Werkstattgemeinschaft, um 1480/81
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ie Glasmacherkunst ist eine der schönsten und edelsten unten der Künsten; und die Wunder die sie in ihrer Materie und Struktur
einschließt, ebenso wie in den verschiedenen Farben, die man bei ihr verwenden kann, erscheinen uns so schön und so seltsam, dass sie in uns das Verlangen weckten, ihre Grundlagen zu studieren und ihrer verborgensten Geheimnisse zu ergründen Handicquer de Blancourt
nenstrahlen in den Fenstern der alten Kirchen wurde von vielen Dichtern besungen. Es wurde aber kein Exemplar aus dieser Zeit bis heute erhalten. Im vierten bis fünften Jahrhundert erschienen die Prototypen der mittelalterlichen Glasfenster zu erst in Gallien, dann in Deutschland und England. Gemäß den Theoretikern des frühen Christentums sei ein Glasfenster die Widerspiegelung der Verbindung zwischen Licht und Geist. Das Glasfenster wurde als Vermittler zwischen den Menschen und der Gotteswelt wahrgenommen. Die reichen, bunten Strahlen wurden als Gottesmacht und Liebe interpretiert. Die ältesten erhaltenen Glasfenster stammen aus dem Ende des elften Jahrhunderts. In der Renaissance war die Glasmalerei sehr populär. „Bis zum Spätmittelalter kamen die Aufträge ausschließlich von Seiten der Kirche. Danach kam langsam der Bedarf an Glasmalerei von den Bürgerhäusern oder öffentlichen Gebäuden“, sagt der Experte Dr. Scholz. Während des Barock und der Rokoko-Epoche wurde es still in der Entwicklung der Glasmalerei. Erst im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstand wieder ein großes Interesse an dieser Kunst, besonders mit der Entwicklung des Jugendstils. „Heute arbeiten die Glasmaler sowohl mit alten Techniken, wie der Bleiverglasung, als auch mit neuen, wie dem Fusing. Im profanen Bereich, in den Privathäusern, ist alles möglich - es gibt die Fensterverglasungen, Familienwappen, Türfüllungen mit ganz banalen Darstellungen des Alltags, abstrakte Glasobjekte, und so weiter,“ sagt Dr. Scholz. In der Kirche wird in der Regel heilgeschichtliche Natur dargestellt, d.h. entweder die biblische Geschichte oder Heiligen-Darstellungen oder etwas, was mit den christlichen Weltanschauungen zusammenhängt, aber auch abstrakte Kompositionen aus bunten Quadraten, die der Raumstimmung dienen. u
www.cvma-freiburg.de
FOTO:ROTRAUD HARLING
FOTO: H.FEUSER-STRASDAS
Heutzutage gibt es viele Tech- Echt-Antik-Glas, werden nach niken der Glasmalerei. Darun- diesen Schablonen zugeschnitter ist die Bleiverglasung die ten. Danach werden die Glasälteste. Die stücke mit Glasfarben Hauptmatebemalt und bei ca. 620 rialien sind Grad eingebrannt. Mit Glas, Blei, LötBleiruten verbunden zinn und Kitt. entsteht nach dem Der Entwurf Verlöten und Verkitten wird vergrödie fertige Glasmalerei. ßert, d.h. es Diese Technik eignet wird ein Karsich gut für die Verarton gefertigt, beitung von größeren dieser wird Glasteilen. schabloniert Die ältesten Fenster in und die Gläser, dieser Technik befinmeist mund- Ulm, Münster, Bessererden sich im Augsburger g e b l a s e n e s Kapelle Dom und stammen aus
dem 11. Jahrhundert. Nach vielen Jahrhunderten können wir heute über ganz neue Glastechniken sprechen. Fusing oder die Glasschmelztechnik ist Mitte der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts aus den USA in die europäischen Länder gekommen. Fusing ist das Verschmelzen von Gläsern verschiedener Farben und Formen in einem speziellen Brennofen bei ca. 800 Grad. Dabei wird das Glas so weit erweicht, dass sich einzelne Teile dauerhaft verbinden. Die Schmelztemperatur ist von der Zusammensetzung
und Dicke der Gläser abhängig. Der Brennvorgang dauert etwa 18 bis 22 Stunden. Diese Schmelztechnik ist auch mit der „klassischen Glasmalerei“ zu verbinden. M a n k a n n d a s G l a s n o c h Glasschmuck von H. Feuserverfor- Strasdas. Fusing. m e n . Schleifen und Polieren erweitern die Gestaltungsmöglichkeiten.
FOTO:VERONIKA KRAMAR
Etwas über die Techniken In dieser Technik kann mann verschiedene Elemente fertigen. Darunter sind Tür, Tische, Schmuck, Fensterelemente, Vasen und andere interessante Sachen. Das wichtigste ist aber, dass jeder, der sich in diese Kunstart verliebt hat und selbst verschiedene Techniken ausbrobieren möchte, kann das machen. Es gibt zahlreiche Glasmalkurse. Mehr informationen unter: u www.glasmalerei.fusing-
technik.de uwww.glasmagie.wordpress.