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ippnw forum
das magazin der ippnw nr141 märz2015 3,50€ internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung
- Ukraine: Kooperation statt Konfrontation - Besessen von Atomwaffen? Konferenz in Wien - Best Practice for Young Refugees
Kein sicherer Grenzwert: Die Gefahren ionisierender Strahlung
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EDITORIAL Ewald Feige arbeitet in der Berliner IPPNWGeschäftsstelle und ist für Atomausstieg und Bündnisarbeit zuständig.
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eit dem Super-GAU in Fukushima sind inzwischen vier Jahre vergangen. In der öffentlichen Diskussion spielt das Thema keine Rolle mehr. In vielen Köpfen weltweit ist diese Katastrophe in Vergessenheit geraten – wir haben scheinbar noch einmal Glück gehabt. Dazu trägt auch die japanische Regierung mit aller Kraft bei, indem sie nun ein umstrittenes Gesetz in Kraft gesetzt hat, in dem Verrat von Staatsgeheimnissen hart bestraft wird. So sehen sich jetzt Berichterstatter, die kritisch über den geplanten Neustart von Atomkraftwerken berichten wollen, erheblich unter Druck gesetzt. Mit dem Gesetz wird der Ermessensspielraum der Exekutive, in dem sie definieren kann, was ein Staatsgeheimnis ist, erheblich ausgeweitet. Eine Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit, vor der gegen Entscheidungen geklagt werden könnte, gibt es nicht. Die Weitergabe „bestimmter Geheimnisse“ zum Schutz der nationalen Sicherheit durch Beamte, Abgeordnete oder andere Personen wird künftig mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. Das ist eine bekannte Strategie: Statt die Probleme lösen zu wollen, sollen die Kritiker mundtot gemacht werden. Dabei wird aber immer deutlicher: Die Katastrophe und die Folgen sind keineswegs ausgestanden – ganz im Gegenteil. So bleibt zum Beispiel jegliches Fischen entlang der Küste südlich von Fukushima verboten. Die Fänge kommen nicht auf den Tisch, sondern ins Labor und danach auf den Sondermüll. Die Werte der radioaktiven Verseuchung nehmen nicht mehr ab, auch im offenen Ozean werden zunehmend hohe Werte bei Fischen gemessen. Es kann bis heute nicht verhindert werden, dass aus der Atomruine kontaminiertes Wasser ins Meer sickert... In diesem Schwerpunkt beschreibt Alex Rosen die gesundheitlichen Folgen der Katastrophe in Japan und versucht die derzeitige Datenlage zu bewerten. Weiterhin berichtet er über neue Erkenntnisse zu den Gefahren ionisierender Strahlung. Henrik Paulitz gibt in seinem Artikel eine Übersicht über die Auswirkungen Tschernobyls und Fukushimas auf die Tierwelt. Er greift in einem weiteren Beitrag das Thema Freimessung beim AKWRückbau auf, ein noch nicht sehr beachtetes Problem, das aber erhebliche Folgen für die Bevölkerung haben kann – und das noch lange nach der Abschaltung des letzten AKW. Angelika Claußen berichtet über aktuelle politische Geschehnisse und medizinische Hintergründe zur Uranmunition – diese ist von der chemischen Wirkung her hochgiftig und verursacht als Alphastrahler radioaktive Schäden. 3
INHALT Ukraine: Kooperation statt Konfrontation
08
THEMEN Ukraine: Kooperation statt Konfrontation..............................................8 Büchel 65: Siebzig Jahre sind genug ... .................................................9 Kein Frieden mit der NATO!........................................................................10 Besessen von Atomwaffen? Konferenz in Wien............................... 12 30 Jahre Friedensfilmpreis...........................................................................14
Foto: © Oleksandr Maksymenko
Friedensarbeit per Internet: Medical Peace Work...........................15 Außer Kontrolle: Das AKW Fukushima Dai-ichi................................16 Fachkonferenz: Best Practice for Young Refugees........................ 19
SERIE Ionisierende Strahlung: Kein sicherer Grenzwert
20
Die Nukleare Kette: Uranmunition in Basra..................................... 18
SCHWERPUNKT Mutationen bei Tieren und Pflanzen..................................................... 20 Gefahren ionisierender Strahlung............................................................ 22 Uranmunition schädigt Umwelt und Gesundheit........................... 23
Foto: © Timothy Mousseau
Fukushima: Vier Jahre später......................................................................24 Auswirkungen von Tschernobyl und Fukushima auf die Tierwelt......................................................................... 26 „Freimessen“ beim AKW-Rückbau......................................................... 28
Medical Peace Work: Friedensarbeit per Internet
15
WELT Das Treffen der Friedensnobelpreisträger in Rom......................... 30
RUBRIKEN Editorial.......................................................................................................................3 Meinung......................................................................................................................5 Nachrichten..............................................................................................................6 Aktion........................................................................................................................31 Gelesen, Gesehen.............................................................................................. 32 Gedruckt, Geplant, Termine........................................................................ 33 Gefragt..................................................................................................................... 34 Impressum/Bildnachweis.............................................................................. 33
MEINUNG
Dr. Sabine Schiffer ist Sprachwissenschaftlerin und beschäftigt sich mit dem Islambild in deutschen Medien.
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rabische Namen genügen, um die Einordnung voranzutreiben. Der Moslem wars und er ist gegen Presse- und Meinungsfreiheit! Jeder weitergehende Kontext der abscheulichen Morde an Karikaturisten, Journalisten, Polizisten und Juden und einem Muslim bleibt ausgeblendet.
Die Berichterstattung zu den Anschlägen in Paris gerierte sich als großer Reflex. Noch bevor man einen Personalausweis fand, der sich den Killern der „Charlie Hebdo“Redaktion zuordnen ließ, waren die Schubladen schon geklärt.
Der schreckliche Jahresauftakt in Paris löste ein überbordendes Politik- und Medienecho aus – im Gegensatz zum Mord an kurdischen Politikerinnen in einer Redaktion in Paris vor genau zwei Jahren oder zum NATO-Bombardement auf den serbischen Sender Radio Televizija Srbije am 23. April 1999. Zugespitzt formuliert kann man feststellen: Die Vertrauenskrise der Medien wurde mit einem Streich überwunden. Dazu passt die Erklärung des Begriffs „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres, so sehr dies historisch auch begründet ist. Die Idealisierung unserer Medien im Umkehrschluss ist reine Selbstbeweihräucherung und überdeckt sowohl interne Kritik an sich verschlechternden Arbeitsbedingungen als auch seriöse Medienkritik etwa an der Ukraineberichterstattung – wie sie das Gutachten des ARD-Programmbeirats bestätigte.
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lötzlich fühlen sich gar die „Lügenpresse“-Rufer von Pegida & Co. dazu bemüßigt, die Medienfreiheit zu proklamieren – alles, solange es gegen Muslime und andere Minderheiten gerichtet ist. Und wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Vertrauenskrise befeuert, lässt sich an der Reaktion von „Tagesschau“-Chef Kai Gniffke auf die Kritik an manipulativer Bildverwendung bei der Solidaritätskundgebung in Paris ablesen. Die Berichterstattung suggerierte, dass die Politiker mit dem Volk marschierten. Das taten sie jedoch nur mit einigem Sicherheitsabstand. Vielleicht ist es an der Zeit, das Wort „Verschwörungstheorie“ zum Unwort des Jahres zu wählen – zumindest dann, wenn es verwendet wird, um Recherche zu verhindern und Medienkritik und damit die Glaubwürdigkeitskrise der Medien noch zu verschärfen.
Der Artikel erschien im Neuen Deutschland vom 16. Januar 2015. Abdruck mit freundlicher Genehmigung. 5
N ACHRICHTEN
Projekte in Palästina und Israel
Anonymer Krankenschein in Düsseldorf eingeführt
Yasuyoshi Komizo zu Besuch in Frankfurt
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m August findet zum zwölften Mal das Refugee Camp Project (ReCap) zur Gesundheit von Flüchtlingen in Palästina statt. Interessierte Medizinstudierende reisen vom 3.-30. August 2015 nach Bethlehem und machen sich vor Ort ein Bild vom Leben der palästinensischen Flüchtlingsfamilien. Das Projekt wurde 2003 von der IPPNW Deutschland und der IPPNW Palästina gegründet. Interessierte zwischen 25 und 70 Jahren können sich außerdem bis zum 30. April 2015 für das ökumenische Begleitprogramm EAPPI in Palästina/Israel bewerben. EAPPI bringt internationale Begleitpersonen nach Palästina und Israel, wo die Freiwilligen für drei Monate in internationalen Teams in der Westbank oder Jerusalem leben und arbeiten und den Alltag unter Besatzung erleben. Sie gewähren schützende Präsenz in gefährdeten Gemeinden, auf Schulwegen und an Checkpoints. Sie beobachten Menschenrechtsverletzungen und reichen ihre Berichte an lokale und internationale Partner weiter. Nach ihrer Rückkehr berichten die Freiwilligen von ihren Erlebnissen und beteiligen sich an der Lobby- und Advocacy-Arbeit für einen gerechten Frieden für Palästinenser und Israelis. EAPPI wird durch den Weltkirchenrat koordiniert und ist die Antwort auf den Aufruf der palästinensischen Christen in Jerusalem, internationale Beobachter in die Westbank zu bringen. Informationen zu Recap: www.ippnw.eu/en/preventionof-war/recap Informationen zu EAPPI: http://eappi.org
ute Nachrichten für papierlose Flüchtlinge in Düsseldorf: Der Rat der Stadt hat beschlossen, das von der IPPNW Gruppe 2008 gegründete MediNetz Düsseldorf mit einem Personal- und Sachkostenzuschuss in Höhe von 35.000,- Euro zu unterstützen und langfristig an der Einführung eines anonymen Krankenscheins zu arbeiten. Bis zum 31. März 2015 soll die Verwaltung dem Ausschuss für Gesundheit und Soziales ein Konzept vorlegen. Damit erkennt Düsseldorf nicht nur offiziell die Existenz papierloser Flüchtlinge an, sondern auch ihre eigene Verantwortung für deren Leben und Gesundheit. Dr. med. Alex Rosen, stellvertretender Vorsitzender der deutschen IPPNW, Gründungsmitglied des Düsseldorfer MediNetzes und ehemaliges Vorstandsmitglied von STAY e.V., sieht die Ankündigung als wichtiges Signal auch über die Grenzen von Nordrhein-Westfalen hinaus: In vielen deutschen Großstädten leben papierlose MigrantInnen, die oft keine Möglichkeit haben, ärztliche Hilfe aufzusuchen. Sie sind abhängig von ehrenamtlichem Engagement und Organisationen wie STAY!, medizinischen Flüchtlingshilfen und kirchlichen Hilfsorganisationen. Dabei haben sie, genau wie alle anderen Menschen, das Recht auf eine reguläre ärztliche Betreuung. Informationen zu STAY: www.stay-duesseldorf.de
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m 12. Februar 2015 hat der Frankfurter Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler den Generalsekretär der Organisation „Mayors for Peace“ aus Hiroshima, Yasuyoshi Komizo, sowie seinen Stellvertreter, Masatoshi Nosaka, im Römer empfangen. Begleitet wurden sie von Ulrich Gottstein, dem Ehrenvorsitzenden der IPPNW. Die internationale Organisation „Mayors for Peace“ wurde 1982 in Hiroshima gegründet. Sie setzt sich für die Abschaffung von Atomwaffen und einen internationalen Verbotsvertrag ein. Dem Netzwerk gehören derzeit 6.538 Bürgermeister in 160 Ländern an, in Deutschland sind es etwa 430 Städte. Das Netzwerk „Mayors for Peace“ kooperiert mit dem Trägerkreis „Atomwaffen abschaffen“, bei dem auch die IPPNW Mitglied ist. Die Frankfurter Sektion der IPPNW hatte im Dezember 2013 Oberbürgermeister Peter Feldmann die Flagge überreicht, die am 8. Juli 2014 erstmals an der Paulskirche gehisst wurde – zur Erinnerung an das Urteil des Internationalen Gerichtshofes vom 8. Juli 1996, wonach der Einsatz von Nuklearwaffen sowie die Androhung ihres Einsatzes gegen internationales Recht und gegen Prinzipien des humanitären Völkerrechts verstoßen. Zur Seite der Bürgermeister für Frieden: www.mayorsforpeace.de
N ACHRICHTEN
Petition „Keine Waffen nach Nahost!“
AKW und Brennelementefabrik Lingen stilllegen
Social-Media-Kampagne zur Ukraine-Krise
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m Dezember 2014 hat die deutsche IPPNW gemeinsam mit einer Reihe wichtiger Friedens- und Menschenrechtsorganisationen eine Kampagne gestartet, die von der deutschen Bundesregierung den Stopp aller Rüstungslieferungen in die Nahost-Region verlangt. Die zentrale Forderung an den deutschen Bundestag lautet: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, den Handel mit Waffen, Rüstungsgütern und „Dual-use“-Produkten mit allen Ländern des Nahen Ostens einzustellen, die am israelisch-palästinensischen Konflikt direkt beteiligt sind. Dies gilt ebenso für Rüstungslieferungen, die für die Empfänger unentgeltlich sind oder anders kompensiert werden. Ebenso muss die Zusammenarbeit mit den Streitkräften dieser Staaten beendet werden, etwa zum Zweck der Ausbildung. Dies bezieht sich auf die Staaten Israel, Ägypten, Libanon, Syrien, Jordanien sowie auf Palästina.“ Diese Kampagne schließt an die Forderungen des „Aufschrei“-Bündnisses an, an dem die IPPNW aktiv beteiligt ist. Wir wollen zunächst breite öffentliche Unterstützung mobilisieren, und die Petition dann offiziell im Bundestag einbringen. Die Onlinepetition finden Sie unter: tiny.cc/nahost. Unterschriftenlisten können Sie auf der Website von pax christi herunterladen: tiny.cc/pax-christi Presseerklärung zu Gaza vom 22. Januar: tiny.cc/presseerklaerung
ie Ende November 2014 von AntiAtomkraft-Initiativen, Umweltverbänden und der Ärzteorganisation IPPNW auf den Weg gebrachte Resolution zur sofortigen Stilllegung des Atomkraftwerks Lingen II sowie der benachbarten Brennelementefabrik wird inzwischen von 120 Organisationen und Verbänden unterstützt. In der Resolution beklagen die UnterzeichnerInnen, dass das von RWE betriebene Atomkraftwerk noch bis 2022 weiterlaufen darf, die benachbarte Brennelementefabrik sogar zeitlich unbefristet. Anfang des Jahres war es in der Brennelementefabrik der Areva-Tochter ANF erneut zu einem meldepflichtigen Zwischenfall gekommen. Bereits im November 2014 musste die Brennelementefabrik wegen Materialermüdung teilweise stillgelegt werden. Bereits damals hatten AtomkraftgegnerInnen vor weiteren Pannen gewarnt, doch offensichtlich wurden die Befürchtungen seitens der Atomaufsicht nicht ernst genommen. Dr. Angelika Claußen (IPPNW) weist auf die Konsequenzen hin, die sich aus dem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Atommüll-Zwischenlager in Brunsbüttel ergeben: „Nach dem Urteil ist klar, dass es keine sichere Entsorgung des produzierten Atommülls gibt, weder in Brunsbüttel noch in Lingen. Ohne den Entsorgungsnachweis ist jedoch auch die Betriebsgenehmigung für das AKW Lingen hinfällig.“
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ie IPPNW sieht in dem Minsker Abkommen II eine Chance, einer friedlichen Lösung im Ukraine-Konflikt näher zu kommen. Die Vorsitzende Susanne Grabenhorst warnte, dass Forderungen nach weiteren Sanktionen, Waffenexporten oder sonstiger Militärhilfe den fragilen Weg einer Deeskalation gefährden und das Leid der Menschen in der Ukraine vergrößern würden. Der Umgang mit dem Konflikt habe die Beziehungen im eurasischen Raum schon jetzt schwer beschädigt. Die USA und Russland stellen zunehmend bestehende Rüstungskontrollabkommen in Frage, zuletzt den Vertrag zur Beseitigung von nuklearen Mittelstreckenraketen. Beide Atommächte investieren in die Modernisierung ihrer nuklearen Arsenale. Im Februar hat die IPPNW unter dem Motto „Wir weigern uns, Feinde zu sein“ eine Social-Media-Kampagne gestartet. Damit soll der Forderung nach friedlichen Lösungen der Ukraine-Krise ein Gesicht gegeben werden. Auf Facebook und Twitter laden Menschen u.a. Fotos mit dem Schild „We refuse to be enemies“. Allein in der ersten Woche haben mehr als 1.200 Menschen aus über 30 Ländern mitgemacht und damit Hunderttausende Menschen erreicht – auch in Russland, der Ukraine und den NATO-Staaten. Die Kampagne, die aus Gesprächen mit russischen und ukrainischen IPPNW-KollegInnen hervorging, gibt vor allem in diesen Ländern vielen Menschen die Möglichkeit, mit ihren Bekannten niederschwellig über Friedensthemen zu kommunizieren.
FRIEDEN
Kooperation statt Konfrontation
Foto: Nickolay Vinokurov
Ukraine – Brücke zwischen West und Ost
FRIEDENSDEMONSTRANTEN IN MOSKAU, MÄRZ 2015
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as Minsker Abkommen bietet die Hoffnung auf ein Ende des Blutvergießens und auf Friedensverhandlungen. Ob die Beschlüsse allerdings zum dauerhaften Schweigen der Waffen führen werden, ist unsicher.
Die gegenseitigen Sanktionen haben die Beziehungen im eurasischen Raum schon jetzt schwer beschädigt. Ebenso können wechselseitige Beschuldigungen Anlass zu unfriedlichen Eskalationen geben. Deshalb bedarf es einer beständigen gesellschaftlichen Unterstützung, um Konfrontation in Kooperation zu wandeln. Die Ukraine darf nicht länger Zankapfel bleiben, sondern muss zur Brücke zwischen West und Ost werden.
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ür den Ukraine-Konflikt boten die Heterogenität der Bevölkerung, die große Macht der reichen Oligarchen, die unterschiedlichen historischen, religiösen, kulturellen und ethnischen Bindungen einen hervorragenden Nährboden. Doch sie waren nicht die Ursache für die blutigen
Kämpfe in der Gegenwart. Wer glaubte, der West-Ost-Konflikt sei mit dem Zerfall der UdSSR beendet, der irrte. Nach wie vor stehen sich zwei atomare Großmächte mit Overkill-Potentialen gegenüber. Der Westen, angeführt von den USA, hatte bislang in jeder Hinsicht eine unipolare Machtstellung, die er in Kriegen in Afghanistan und im Irak und in Bemühungen um einen Regime-Wechsel im Iran auszunutzen versuchte. Was den Kontrahenten Russland betraf, kündigten die USA Verträge der Stabilisierung auf, nahmen ehemalige Ostblockstaaten in die NATO auf und erweiterten ihre Fähigkeiten zur Raketenabwehr. Russland empfand dies sicher als bedrohlich und suchte Rückhalt in Kooperationen mit den aufsteigenden Staaten, die dabei sind, aus der unipolaren eine multipolare Welt zu machen.
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ladimir Putin wollte die Expansion der NATO stoppen. Eine erste Lektion in dieser Hinsicht war der Konflikt zwischen Georgien und Russland um Abchasien und Süd-Ossetien im Jahr 2008. Ein Warnsignal, das im Westen anscheinend nicht genügend ernst genommen wurde. Als nun die westliche Staatengemeinschaft versuchte, die Ukraine zu einer wirtschaftlichen Kooperation zu bewegen, dem höchstwahrscheinlich ein NATO-Beitritt folgen sollte, ging es Russland ans Eingemachte. Sewastopol auf der Krim ist der zentrale Stützpunkt der russischen Flotte. Würde er militärisch umzingelt, würde aus russischer Sicht auch der Mittelmeerstützpunkt Tartus an der syrischen Küste wertlos werden. Daraufhin übernahm Russland völkerrechtswidrig mit Soldaten ohne Abzeichen die Macht – fast ohne Blutvergießen. Mit der Übernahme der Krim war für Russland das Vordringen der NATO jedoch noch nicht gestoppt. Mit wohl massiver russischer Hilfe übernahmen in der Ostukraine separatistische Rebellen in den Gebieten um Donezk und Luhansk im Donezbecken die militärische und politische Herrschaft. Sie lieferten der ukrainischen Armee heftige Gefechte ohne Rücksicht auf die zivile Gesellschaft. 8
In der Friedensbewegung geht die Formel um: Ukraine – Brücke zwischen West und Ost. Diese Brücke muss auf zwei Pfeilern aufliegen: Auf gleichberechtigten wirtschaftlichen Beziehungen der Ukraine nach Ost und West und auf dem zweiten Pfeiler der Neutralität der Ukraine. Diese soll keinem Militärpakt angehören dürfen. Die USA sind an keinem der Brückenpfeiler sonderlich interessiert. Sie sind wirtschaftlich mit Russland wenig verbunden und möchten den Handel mit der EU auf Dollarbasis verstärken.
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ach der zweiten Minsker Konferenz ist jedoch deutlich geworden: Die EU und Deutschland haben kein Interesse an der Eskalation des Konflikts. Die Aufgabe der deutschen Friedensbewegung ist es, diejenigen Kräfte anzusprechen und zu mobilisieren, die sich für eine kooperative Lösung mit zwei Brückenpfeilern einsetzen. Als eine Leitlinie könnte die Roadmap für den Frieden dienen, die ich gemeinsam mit Karl Grobe-Hagel in dem Dossier „Der Ukraine-Konflikt – Kooperation statt Konfrontation“ vorgeschlagen habe. Wichtige Punkte sind die Ausarbeitung einer föderativen Verfassung, die der Heterogenität der Ukraine gerecht wird, die Anerkennung und Respektierung der ukrainischen Neutralität und die tatsächliche Implementierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
Prof. Dr. Andreas Buro ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft und Mitglied des IPPNW-Beirates.
Büchel 65 Gewaltfreie Blockaden 70 Jahre atomare Bedrohung der Menschheit sind genug!
Mit Büchel 65 soll der Normalbetrieb auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel 65 Tage lang durch gewaltfreie Blockaden gestört werden. Gruppen aus der Friedens-, Antiatom- und Umweltbewegung sind eingeladen, sich am Widerstand zu beteiligen.
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Jahre seit dem atomaren Inferno von Hiroshima und Nagasaki. 45 Jahre seit der Verabschiedung des Atomwaffensperrvertrags. Darin verpflichteten sich die fünf größten atomaren Mächte, „redliche Verhandlungen“ zur Abschaffung aller Atomwaffen zu führen. Diese sind allerdings bisher nicht zustande gekommen. Es existieren immer noch über 16.000 Atomwaffen.
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Millionen Menschen sind durch die Atom(waffen)industrie weltweit verstrahlt worden, erkrankt, gestorben, nicht nur durch Unfälle und Katastrophen, sondern auch durch den tagtäglichen Normalbetrieb. Viele wurden zu Flüchtlingen, weil ihre Heimat unbewohnbar geworden ist. 1996 erklärte der Internationale Gerichtshof in Den Haag die Androhung, Atomwaffen einzusetzen und ihren Einsatz für völkerrechtswidrig. Trotzdem ist die atomare Erstschlagsoption durch die NATO bisher nicht aufgehoben.
„Unser Eid auf das Leben verpflichtet uns zum Widerstand“: Dieser ärztliche Aufruf aus den 80er Jahren ist heute aktueller denn je.
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or fünf Jahren forderte eine große Mehrheit im deutschen Bundestag mit Stimmen aus allen Fraktionen den Abzug aller Atomwaffen von deutschem Boden. Bis heute bedrohen sie mit einem Vielfachen der Zerstörungskraft von Hiroshima und Nagasaki einen nicht genannten Gegner. Im Augenblick könnte es wieder Russland sein. Die Atomwaffen sollen mit Milliardenaufwand durch neue flexiblere, zielgenauere und damit einfacher einsetzbare Nuklearwaffen ersetzt werden. Damit droht eine neue atomare Aufrüstungsspirale. Was nur wenige wissen: Deutsche Soldaten üben mit deutschen Tornados täglich den Abwurf und Einsatz dieser völkerrechtswidrigen Massenvernichtungswaffen.
it der Ukraine-Krise machen wir erneut die Erfahrung, wie leicht und wie schnell es selbst in Europa zu einer erneuten atomaren Konfrontation kommen kann. Proteste, Eingaben, Lobbygespräche, Aufklärungsaktionen und Demonstrationen sind wichtig, aber offensichtlich nicht ausreichend, um den notwendigen Druck auf die Bundesregierung zur Kehrtwende in ihrer militärischen atomaren Großmachtpolitik zu erzeugen.
Mit Büchel 65 soll zwischen dem 26. März (dem fünften Jahrestag des Bundestagsbeschlusses) und dem 29. Mai 2015 (dem Ende der NPT-Konferenz in New York) der Normalbetrieb auf dem Fliegerhort Büchel in der Eifel an möglichst vielen Tagen durch gewaltfreie Blockaden empfindlich gestört werden. Eingeladen sind Freundeskreise, politische Nachbarschafts- und Basisgruppen, Regionalgruppen, eine solche Blockade jeweils für mindestens einen Tag zu übernehmen.
Foto: Samantha Staudte / atomwaffenfrei.jetzt
nächsten Morgen die Blockade durchführen. Vorbild dieses Konzeptes sind Faslane 365 in Schottland und Gorleben 365 in Deutschland, wo die atomaren Standorte durch gewaltfreie Blockaden jeweils ein Jahr lang empfindlich gestört wurden.
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urzfristiges Ziel ist, Druck auf die Bundesregierung aufzubauen. Indem wir zivilen Ungehorsam leisten, sollen neue Lern- und Erfahrungsprozesse angestoßen werden. Wir hoffen, dass Büchel zu einem Lernort für den gewaltfreien Widerstand wird, der die Antiatomwaffenbewegung in Deutschland langfristig festigt. Mehr Informationen finden Sie unter: buechel-atomwaffenfrei.de/buechel65 Ansprechpartner für IPPNW-Mitglieder ist Ernst-Ludwig Iskenius. Er arbeitet in der Organisationsgruppe mit und wird zeitweilig vor Ort leben. Kontakt: iskenius@ippnw.de
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s gibt eine Begleitung durch Personen vor Ort, die dort in dieser Zeit in einer Dauerpräsenz leben. Gruppen, die teilnehmen möchten, sollten sich mindestens zwei Tage frei nehmen, bis zum Nachmittag vor der Aktion anreisen, ihre Aktion selbstständig vorbereiten und am 9
Ernst-Ludwig Iskenius ist Arzt und IPPNW-Mitglied.
FRIEDEN
DEMONSTRATION GEGEN DIE MÜNCHNER SICHERHEITSKONFERENZ AM 7. FEBRUAR 2015
Kein Frieden mit der NATO Friedenskonferenz und Demonstration gegen Münchner Sicherheitskonferenz in München
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Sigmund Freud postuliert? Freud hatte Albert Einstein in einem Brief mitgeteilt: „Wir glauben an die Existenz eines Triebes zum Hassen und Vernichten“. Krieg erscheint hier also als eine biologische Bedingung. „Der Krieg ist nicht wider die menschliche Natur, sondern er entspringt ihr,“ schrieb Eckhard Fuhr in „Die Welt“ am 7. Juni 2014. Das hatten schon Konrad Lorenz und sogar Erich Fromm gelehrt. Neurobiologische Forschungen dagegen kommen zu anderen Ergebnissen. Dr. Bauer klärte darüber auf, dass unsere Handlungen und Motive durch ein neuronales Belohnungssystem gesteuert werden, das zu guten Gefühlen führt. Aktiviert werde dieses Motivationssystem durch soziale Erfahrungen mit Akzeptanz durch Zuwendungen. Nur das erzeuge gute Gefühle. Wir seien süchtig nach Zuwendung, nach sozialer Verbundenheit und gegenseitiger Hilfe. Weitere Systemaktivierungen gebe es durch Bewegung (man beobachte nur die Bewegungsfreude der Kinder!) und durch Musik, hier besonders durch Singen. Für 95- 97 Prozent der Menschen sei Aggressivität nicht lohnend. Männliche Gewalttätigkeit sei eine psychische Krankheit.
arallel zur jährlichen sogennannten „Sicherheitskonferenz“ in München veranstaltete ein breites Bündnis von Gruppen aus der Friedensbewegung eine Friedenskonferenz, die nach alternativen Konfliktlösungsmöglichkeiten suchte und mit 300 TeilnehmerInnen recht gut besucht war. Der IPPNW-Arbeitskreis Süd-Nord hatte sein Arbeitstreffen aus diesem Grund von Kassel nach München verlegt, um an der 13. Internationalen Friedenskonferenz und der Demonstration gegen die Siko teilzunehmen. Die Aufrufe lauteten „Kein Frieden mit der NATO“; „Stoppt den Konfrontationskurs und die neue NATO-Aufrüstung“. Eingeleitet wurde das Konferenzprogramm durch eine Diskussionsveranstaltung mit Dr. Uwe Krüger zum Thema „Warum spielt die Friedensbewegung keine Rolle in den Leitmedien?“. Der Autor des Buches „Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten“ stellte die Verquickung der Leitmedien untereinander und mit der herrschenden Politik dar. Das internationale Forum im Alten Rathaus am nächsten Tag begann mit einem Vortrag von Dr. Susanne Luithlen vom Forum Ziviler Friedensdienst. Sie stellte die Studie „Gewaltfreier Widerstand ist erfolgreich“ von Erica Chenoweth, USA vor. Die Studie belegt, dass gewaltfreie Konfliktlösungen doppelt so erfolgreich sind wie mit Gewalt durchgeführte. Untersucht wurden alle Aufstände zwischen 1900 und 2006, an denen sich mindestens 1.000 Menschen beteiligt haben, insgesamt mehrere hundert Fälle. Es ging nicht um normative Fragen von Gewaltfreiheit, sondern ausschließlich um die Erfolgsaussichten.
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brigens sei auch für Charles Darwin Aggression kein Trieb. Doch es gebe eine Kehrseite dieser positiven Hirnfunktion: Böses zu tun, um zugehörig zu sein. Die suchtartige Abhängigkeit von oberflächlicher Anerkennung im Internet sei noch ein relativ harmloses, so gesteuertes Verhalten. Outgroups contra Ingroups-Erlebnisse erzeugten ein Gemeinschaftsgefühl zum Beispiel durch Hass auf Juden, Linke oder Schwule. So bestätige auch die Hirnforschung, wie wichtig gerade für Jugendliche die Erfahrungen von Zugehörigkeit seien. Ein zuverlässiger Stimulus für Aggression sei Schmerz. Seine Zufügung mache wütend. Bei Demütigung und sozialer Ausgrenzung reagiere im Gehirn die identische Schmerzmatrix. Das erkläre sich aus unserer Stam-
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er nächste Referent beeindruckte mit Humor und Klarheit. Prof. Dr. Joachim Bauer sprach über „Gewalt ist kein Naturgesetz – menschliche Aggression und Friedenskompetenz aus der Sicht der Hirnforschung“. Gibt es den Aggressionstrieb, den 10
Fotos: Helmut Lohrer/IPPNW
FRIEDEN
13. INTERNATIONALE FRIEDENSKONFERENZ IN MÜNCHEN
mesgeschichte, da einst soziale Ausgrenzung zum Tod führte. Empathiesysteme reagierten auch beim Zusehen, wenn anderen Schmerzen zugefügt werden. Auf weltweit verbreitete Folterungen wie in Abu Graib oder in Guantanamo ging Bauer nur kurz ein. Verwiesen sei auf seine Bücher „Schmerzgrenze“ und „Prinzip Menschlichkeit“. Auch wer in Armut unter Reichen lebe, sei ausgegrenzt. Angesichts der globalen Ungerechtigkeit zeige sich eine gewisse Toleranz. Doch wenn eine Grenze überschritten werde, wachse auch gesellschaftliche Gewalt. Mit dem Gini-Index der Ungleichverteilungen würden sich diese Zusammenhänge darstellen lassen. Wie erzeugt man also Kriegsbereitschaft? Durch Dehumanisierung des Widersachers.
sitz an Immobilien vor 1917 zurück. Unbedingt nachlesenswert in der Broschüre (zu bestellen bei info@koop-frieden.de) sind die Vorschläge für eine zivile Lösung des Konflikts mit weitreichender Perspektive für Vertrauensbildung und Kooperation.
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n der Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz vom Marienplatz durch die Innenstadt am folgenden Tag beteiligten sich etwa 4.000-5.000 Menschen. Mit dabei waren nicht nur die Mitglieder des Arbeitskreises Süd-Nord. Insgesamt beteiligten sich etwa 20 IPPNW-Ärztinnen und -Ärzte und Medizinstudierende. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger hatte sich im Vorfeld der Konferenz für mögliche Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen, um Russland zu mehr Einflussnahme auf die Separatisten zu drängen. „Mit Waffen kann man keinen Frieden erzwingen“, kritisierte daraufhin die IPPNW-Vorsitzende Susanne Grabenhorst. Stattdessen seien friedenspolitische Antworten, wie sie zum Beispiel bei der alternativen „Friedenskonferenz“ in München diskutiert würden, dringend notwendig. Wie zu erwarten dominierten die Auseinandersetzungen in der Ukraine dann auch die Konferenz. Der Forderung der US-Falken nach Waffenlieferungen für die Ukraine erteilten sowohl Angela Merkel als auch Frank-Walter Steinmeier eine klare Absage. Leisten wir weiterhin unseren Beitrag dafür, dass das so bleibt.
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eitere Gewaltquellen seien soziale Polarisierungen durch Moral und durch Patriarchat. Den Religionen, die Andersgläubige unmoralisch aussehen lassen, stünden allgemein anerkannte ethische Normen entgegen. Gegenpole bilden laut Bauer Bindung und Bildung, eine Erziehung zur Einhaltung sozialer Regeln sowie Gerechtigkeit. Über „Zivile Alternativen im Ukraine-Konflikt“ sprach Dr. Karl Grobe-Hagel, viele Jahre Redakteur bei der Frankfurter Rundschau. Seine Ausführungen sind in der Broschüre des Monitoring-Projekts VII „Der Ukraine-Konflikt“, verfasst von ihm und Andreas Buro, nachzulesen. Bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen habe der US-Außenminister James Baker der damaligen UdSSR zugesichert, die „NATO keinen Zoll nach Osten“ zu erweitern. 2004 sei die „orangene Revolution“ gescheitert, weil eine Gruppe von Oligarchen durch andere Oligarchen ersetzt worden sei. 2014 „zwang das Volk Janukowytsch zur Flucht“. Die NATO-Basen in den Baltischen Staaten seien eine Bedrohung Russlands vergleichbar mit der Kuba-Krise 1962. Die Ukraine ist erst seit 1991 ein unabhängiger Staat. Lemberg, heute Lwiw, war die viertgrößte Stadt Österreichs. Klar getrennt sei die Ukraine durch Sprachen: im Westen ukrainisch und im Osten und Süden russisch. Vier orthodoxe Kirchen, darunter die beiden größten unter Moskauer und Kiewer Patriarchat, seien zerstritten und forderten ihren Be-
Manfred Lotze ist Mitglied im IPPNW-Arbeitskreis Süd-Nord. 11
FRIEDEN
Besessen von Atomwaffen? Die Wiener Konferenz zu den Folgen von Atomwaffen am 8. und 9. Dezember 2014
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er Besitz von Atomwaffen verhindert keine internationalen Konflikte, sondern macht sie gefährlicher. Atom-Streitkräfte in Alarmbereitschaft zu halten, bietet keine Sicherheit, sondern erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation. Das Aufrechterhalten von Doktrinen zur nuklearen Abschreckung verhindert nicht die Verbreitung der Atomwaffen, sondern es macht sie im Gegenteil noch begehrenswerter, erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon.
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ast tausend Personen drängten sich in die Konferenzhalle der majestätischen Hofburg in Wien. Zwei volle Tage lang sollte das Unaussprechliche, Unvorstellbare debattiert werden: die humanitären Folgen eines Atomwaffeneinsatzes. Es war nach Norwegen und Mexiko die dritte Konferenz, zu der außerhalb der UN von einer Regierung eingeladen wurde. Die zunehmende Zahl der Teilnehmerstaaten zeigt, dass es den Konferenzen gelingt, einerseits für das Thema Atomwaffen zu sensibilisieren und andererseits Druck
in Richtung nukleare Abrüstung auszuüben. Repräsentanten aus fast 160 Staaten waren vor Ort, darunter diesmal auch die USA und das Vereinigte Königreich. Sie nahmen erstmalig teil, zum Ärger von Russland und Frankreich, die der Konferenz standhaft fernblieben.
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m Ende der Konferenz erklärte Österreich seine Selbstverpflichtung, an der Schließung der Rechtslücke zu arbeiten, die momentan das Verbot und die Abschaffung von Atomwaffen behindert. Österreich lud andere ein, sich dieser Selbstverpflichtung anzuschließen. Das österreichische Außenministerium hatte für die Konferenz alle Hebel in Bewegung gesetzt und bei der Eröffnungszeremonie forderte der junge Außenminister Sebastian Kurz neue Impulse für konkrete Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung. Hochrangige Botschaften des UN-Generalsekretärs und des Papstes bestimmten den Ton der Konferenz. Papst Franziskus ermutigte die Opfer nuklearer Waffen, ihre Stimmen mahnend zu erheben. 12
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ine lange Liste prominenter Personen hatte dem österreichischen Außenministerium per Grußbotschaft ihre Überzeugung mitgeteilt, dass die Risiken nuklearer Waffen unterschätzt werden und dringend reduziert werden müssen. Peter Maurer, der Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, wies darauf hin, dass neue Studien die bereits zuvor vertretene Position bekräftigen, dass im Falle einer Atomexplosion die Mittel zur Hilfe und Unterstützung keineswegs ausreichen würden. Als die Hibakusha Setsuko Thurlow aus Hiroshima ihre persönliche Geschichte erzählte, litt der ganze Saal mit ihr.
A is for atom, B is for bomb. C is for cancer, D is for death. So leitete die Eröffnungszeremonie in die Hauptthemen der Konferenz ein, die im weiteren Verlauf durch die Besprechung der Folgen von Atomexplosionen, Atomversuchen sowie der Risiken und Szenarien des Einsatzes intensiv behandelt wurden.
die USA nicht von ihrer geplanten „Schrittfür-Schritt“-Strategie bezüglich der atomaren Abrüstung abrücken würden.
rand zu schauen und sich stattdessen einer verbalen Attacke gegen Russland hingab.
Atomwaffen sind zu grausam, um toleriert werden zu können.
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Am zweiten Tag der Konferenz kam ein Podium für Internationales Humanitäres Völkerrecht zum Ergebnis, dass die Verwendung von Atomwaffen das geltende Humanitäre Völker- und Umweltrecht verletzt, auch wenn noch kein offizielles Verbot existiert. Eine beeindruckende Rede von Nobuo Hayashi (Universität Oslo) betonte die ethischen und moralischen Dimensionen und folgerte, dass Atomwaffen genau wie Folter – der US-Senatsbericht dazu war gerade veröffentlicht worden – zu grausam sind, um sie tolerieren zu können. Nun, „da wir nicht länger in einer Zeit leben, in der die Menschheit sich gezwungen fühlt, sich selbst als Geisel für das eigene Überleben zu nehmen“, sei ein günstiger Moment, sich von diesem Leiden zu befreien.
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issenschaftliche Präsentationen wechselten sich mit Berichten von „Downwinders“ ab, den Opfern des nuklearen Fallouts. Die an den Rollstuhl gefesselte Michelle Thomas von HEAL in Utah berichtete auf beeindruckende Weise über das Aufwachsen in einem Gebiet, das durch über 100 oberirdische Atomtests verstrahlt ist und über die Bewohner, die in Folge der Tests von Krebs und anderen Krankheiten heimgesucht wurden. Sie habe sich immer für den Aktivismus ihrer Mutter geschämt, bis sie verstanden hätte, dass nicht der Feind, sondern ihr eigenes Land sie „zu Tode bombte“. Während der Fragephase, nach drei Berichten von Frauen über die Zerstörung ihres Landes, ihrer Existenz und Gesundheit, beging der Regierungsvertreter der USA einen schweren Fehler. Statt eine Frage zu stellen, hielt er eine Rede, obwohl der Vorsitzende den Ländern dies am Vortag eindeutig untersagt hatte. Der US-Repräsentant versäumte es, sich bei den „Downwinders“ für ihr schweres Leid zu entschuldigen. Er beharrte darauf, dass
ie Phase der politischen Erklärungen dauerte fünf Stunden – ohne Mittagspause und zeitweise ohne Übersetzung. Vertreter/innen von 100 Staten ergriffen das Wort, um ihre Gedanken und Ergebnisse miteinander zu teilen. Hin und wieder wurde die Langeweile durch zivilgesellschaftliche Stellungnahmen unterbrochen, besonders hervorzuheben die von Richard Lelanne (Wildfire), der an die atomwaffenfreien Staten plädierte, mit dem Jammern aufzuhören und umgehend anzufangen, Atomwaffen unter Strafe zu stellen.
as Vereingte Königreich behauptete, die humanitären Folgen seien bereits 1968 offensichtlich gewesen und ein Verbot oder ein Zeitplan zur Abschaffung würde die strategische Sicherheit gefährden. Dementsprechend würde Großbritannien seine Sprengkörper „so lange wie notwendig“ behalten. Haupterfolg der Konferenz war die österreichische Selbstverpflichtung. Damit ist der Weg für andere Staaten offen, die ihre Bereitschaft zum Einstieg in den Verbotsund Abschaffungsprozess signalisieren.
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s ist unwahrscheinlich, dass vor der Überprüfungskonferenz des NichtVerbreitungs-Vertrages im Frühjahr 2015 mehr erreicht werden kann. Viele halten es für unwahrscheinlich, dass auf der Atomwaffensperrvertrags-Konferenz in New York eine Einigung erzielt wird. Trotzdem könnte Österreich die Unterstützung für die Selbstverpflichtung nutzen, um Verhandlungen über einen neuen Vertrag anzukurbeln – mit oder ohne die Atomwaffenstaaten. Angesichts der Tatsache, dass 2015 der 70. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki begangen wird, könnte dies ein geeigneter Zeitpunkt sein, Gespräche über ein Verbot zu beginnen.
Die von Wildfire benannten Wieselstaaten, also die Staten unter dem „nuklearen Schirm“ der USA wurden von einem riesigen Wiesel begrüßt, das im Foyer auftauchte. Lelanne verglich die Atomwaffenstaten mit Alkoholikern, besessen von ihren Waffen, und drängte die atomwaffenfreien Staaten, dieses Verhalten nicht zu unterstützen. Die ICAN-Stellungnahme wurde von der jungen Direktorin von ICAN Österreich, Nadja Schmidt präsentiert, die einen Prozess „offen für alle und blockierbar von niemandem“ forderte, der zum Verbot von Atomwaffen führen müsse. Die Ukraine war jedoch so gefangen in ihrem aktuellen Konflikt mit Russland, dass sie nicht fähig war, über den Teller13
Xanthe Hall ist Abrüstungsexpertin der IPPNW.
FRIEDEN
30 Jahre Friedensfilmpreis Joshua Oppenheimer ist frischgebackener Preisträger
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nfang Februar wurde der Friedensfilmpreis 2015 auf der IPPNW-Homepage angekündigt – mit den strahlend-bunten Augen seines Logos und mit einer fröhlichen Grafik aus der Werkstatt von Otmar Alt. Eine kleine, optimistische und hoffnungsvolle Botschaft von einer Kultur des Friedens – in auffälligem Kontrast zur Nachbarmeldung „Weltuntergangsuhr: Es ist drei Minuten vor Zwölf“.
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er jetzt glaubt, der „Friedensfilmpreis“ sei ein entspanntes Wohlfühl-Projekt, der irrt. Unzählige Konflikte und Kriege, soziale Kämpfe und Umweltprobleme waren Thema in den bislang 30 ausgezeichneten Filmen. Es wurden Geschichten erzählt und Bilder gezeigt, die beunruhigen, verstören, berühren. „Durch Herzensbildung“ so der Regisseur Andreas Dresen, „realisiert der Friedensfilm seinen friedlichen Anspruch, er beschreibt den Zustand dieser Welt mit künstlerischen Mitteln, ohne falsches Pathos oder Didaktik.“
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riedensfilme leiten von einer Antikriegsarbeit zur Friedensarbeit. Sie wirken mit an einer Kultur des Friedens. Sie bieten selten Lösungen an, zumindest nicht die einfachen. Aber sie lehren uns Neues über den Zustand unserer Welt, sie lehren uns genau hinzusehen. Sie ermöglichen uns Begegnung mit Leben, welches anders ist und zugleich ähnlich und ebenbürtig. Die Kernbotschaft von Friedensfilmen ist: Es ist an mir und dir diese Welt zu ändern. Und: Eine andere Welt ist möglich. Die Mitglieder der Initiative Friedensfilmpreis bewiesen von Anfang an Zähigkeit
und langen Atem. Wie der lachende Estragon in „Warten auf Godot“ hatten sie verstanden: Politik ist das langsame Bohren harter Bretter“. Marianne Wündrich-Brosien erinnert sich: „Es war nicht einfach, diesen Preis zu gründen, damals 1986. Es war das UNO-Jahr des Friedens, und die bezirklichen Friedensgruppen in West-Berlin wollten etwas machen, was über die üblichen Friedensaktivitäten hinaus ging. West-Berlin war ja eine Insel, Frontstadt. Wir wollten zeigen, dass es auch in West-Berlin friedensbewegte Leute gibt, die gegen Atomwaffen sind, gegen die „Nachrüstung“ und gegen Atomenergie. Von der damaligen Berlinale-Leitung als unabhängige Jury akzeptiert zu werden, war sehr schwierig.“
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s ist ein kleines, großes Wunder, dass es den Friedensfilmpreis seit nunmehr 30 Jahren gibt. Es gab Finanzsorgen, Kontroversen und auch Streit. Aber niemals Mutlosigkeit. Dass die Idee Friedensfilmpreis im Kern richtig war, beflügelte das Engagement der Gruppe in den wechselnden Zusammensetzungen. Die unterschiedlichen Aktiven in Trägerkreis und Jury einte das Unbehagen am Zustand der Welt und der Glaube an die Wirkungsmacht von Filmen. „Ich glaube nicht, dass Filme Kriege verhindern können. Aber ich glaube, dass sie als Seismographen für gesellschaftliche Zustände fungieren können. Dafür braucht man Leute, die solche Filme stark machen und genau hinschauen. Und solche Filme auch erklären, sie anderen Leuten zugänglich machen. Dafür steht für mich der Friedensfilmpreis“. (Robert Thalheim, Regisseur)
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Die IPPNW wünscht dem Projekt viele – mindestens 30 – weitere erfolgreiche Jahre. Mit konstruktiver und kreativer Zusammenarbeit der Träger und mit lebhaften, debattierfreudigen Jurys.
Das Urteil der Jury: „Mehr als eine Million Menschen wurden in Indonesien nach dem Militärputsch von 1965 grausam und willkürlich umgebracht. Verbrechen die nie aufgearbeitet noch geahndet wurden. Über die Täter drehte Joshua Oppenheimer bereits den preisgekrönten Dokumentarfilm „The Act of Killing“. In seinem neuen Film „The Look of Silence“ wechselt er die Perspektive. Adi, der Bruder eines der Ermordeten, sucht den Kontakt mit den Tätern und befragt sie zu ihren Taten. Oppenheimer gelingt es auf ergreifende Weise ein gesellschaftliches Tabu aufzubrechen. Daraus entstand ein Film über die Abgründe menschlicher Grausamkeit und über die hoffentlich ebenso große Fähigkeit zur Versöhnung. Die tödliche Stille lässt sich durch Nachfragen überwinden. Das öffnet Opfern und Tätern die Chance zum Weiterleben in einer versöhnten Welt. Das ist eine einfache, aber so sehr wichtige Botschaft des Films.“ Weitere Infos: www.friedensfilm.de
Ulla Gorges vertritt die IPPNW im Trägerkreis des Friedensfilmpreises und managte die Jury.
INTERNATIONALES
Friedensarbeit via Internet Das Projekt „Medical Peace Work“
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as Projekt „Medical Peace Work “ startet in die dritte Runde. Die sieben Internetkurse für medizinische Friedensarbeit sind ein kostenloses Qualifizierungsangebot für Ärztinnen und Ärzte, MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen und Medizinstudierende und seit 2011 online. Die Kurse, bestehend aus E-Book, E-Case und dazugehörigen Testfragen vermitteln Wissen über die Rolle von GesundheitsarbeiterInnen in Friedensarbeit. Sie decken nicht nur klassische IPPNW-Themen wie Abrüstungsarbeit und (Atom-) Kriegsverhütung ab, sondern auch Menschenrechte, strukturelle Gewalt, friedensfördernde Arbeit während und nach Kriegssituationen, sowie Gewaltvorbeugung auf zwischenmenschlichem und persönlichem Niveau. Die TeilnehmerInnen sollen in die Lage versetzt werden, gewaltvorbeugend zu handeln und in ihrem Berufsumfeld, ob im Inland oder Ausland, friedensfördernd zu wirken. Dir Kurse werden in der dritten Phase von zehn Partnern aus Norwegen, Deutschland, Italien, Österreich und Großbritannien weiterentwickelt und erhalten eine finanzielle Förderung durch das EU-Programm Erasmus+. In den nächsten zwei Jahren sollen die Kurse weiter in der institutionellen und nicht-institutionellen Bildung verankert werden. Dafür werden die Online-Kurse aktualisiert und neue pädagogische Ansätze gewählt, um die Zahl der UserInnen zu erhöhen, die die Online-Kurse absolvieren.
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m Dezember 2014 fand ein Kick-OffTreffen im Missionsärztlichen Institut in Würzburg statt, wo das sogenannte Casebasierte Lernen Thema eines Workshops war. Beim Case-basierten Lernen müssen die TeilnehmerInnen ein Thema oder eine Frage analysieren, geeignete Informationsquellen finden und nutzen, und schließlich Lösungen vergleichen, auswählen und umsetzen. Der Stoff wird von den Lernenden in strukturierten Case-Studien präsentiert. IPPNW Deutschland steuert zwei CaseStudien zu den Themen „Humanitäre Folgen von Atomwaffen“ und „Ungesunde Arbeitsbedingungen – Der Fall der Rohr-
zuckerarbeiter in Nicaragua“ bei. In letzterem Fallbeispiel geht es beispielsweise um Todesfälle durch chronische Nierenerkrankungen. So sind im Jahr 2005 in Nicaragua jeden Monat vier bis sechs Menschen an dieser Erkrankung gestorben. Chronisches Nierenleiden wird durch Arbeit bei hohen Temperaturen und Flüssigkeitsmangel hervorgerufen. Dies betrifft vorrangig junge Männer unter 30 Jahren. In Regionen wie Chinandega in Nicaragua ist die Erkrankung aufgrund von unzureichenden Möglichkeiten zur Dialyse und Nierentransplantation häufig ein Todesurteil. Die Studierenden sollen bei diesem Fallbeispiel lernen, wie soziale Determinanten und strukturelle Gewalt die Gesundheit beeinflussen. Neben den zwölf narrativen Case-Studien sollen in einer zweiten Runde sechs Audio-Videos erstellt werden, die die Case-Studien in Ton und Bild illustrieren. Diese Audio-Videos werden in einen neuen Internetkurs eingearbeitet.
Veranstaltungen sind ein Workshop „Krieg, Gewalt und Gesundheit“ in Bergen, Norwegen sowie eine Konferenz „Gesundheit durch Frieden“ vom 13. bis 14. November 2015 in London, Großbritannien.
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ür den Herbst 2016 schließlich ist der fünfte IPPNW-Kongress „Medizin und Gewissen“ in Nürnberg oder Erlangen vorgesehen, bei dem „Medical Peace Work“ einen Themenstrang bilden soll. In diesem Rahmen wird der zweite Preis für medizinische Friedensarbeit verliehen. Er ging 2011 an die mutige Gerichtsmedizinerin, Hochschullehrerin und Präsidentin der Menschenrechtsstiftung Türkei Prof. Dr. Sebnem Korur Financi für ihre Arbeit gegen Folter und Menschenrechtsverletzungen.
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uf Kongressen und Konferenzen soll das Projekt „Medical Peace Work“ weiter bekannt gemacht werden – auch in Deutschland. So ist „Medical Peace Work“ zum Beispiel auch in diesem Jahr ein fester Bestandteil der Global Health Summer School, die vom 13. bis 19. September 2015 in Berlin stattfindet. Weitere geplante 15
Angelika Wilmen ist Pressesprecherin der deutschen IPPNW.
ATOMENERGIE
Außer Kontrolle Die Situation des havarierten AKW Fukushima Dai-ichi
Die japanische Journalistin Mako Oshidori berichtet von ihren Recherchen rund um das Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi. Sie hat mit den Werksarbeitern gesprochen, die unter Einsatz ihres Lebens Reaktor 4 demontierten. Sie befragte PolitikerInnen, ÄrztInnen und BürgerrechtlerInnen zu den Vorgängen rund um das AKW.
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as größte Problem des AKW Fukushima Dai-ichi bleibt derzeit die Wasserkontamination. Im Erdreich unter den Reaktorgebäuden befinden sich hochgradig verstrahlte Wassermengen. Dort dringen täglich 400 Tonnen Grundwasser ein. Mit anderen Worten: Täglich entsteht eine Menge von 400 Tonnen hochgradig verseuchten Wassers. Maßnahmen, die Menge auch nur etwas zu vermindern, sind nahezu alle missglückt. Im August 2014 veröffentlichte Tepco die radioaktive Menge, die ins Meer floss – getrennt nach Strahlenelementen. 2014 Strontium 90: 5 Milliarden Bq/Tag Caesium 137: 2 Milliarden Bq/Tag Tritium: 15 Milliarden Bq/Tag Der Stromkonzern gab damit zu, dass täglich eine Strahlenmenge von 22 Milliarden Becquerel ins Meer fließt. Ich füge die Daten bei, die der Konzern zudem für das Jahr 2013 veröffentlichte. 2013 Strontium 90: 14 Milliarden Bq/Tag Caesisum 137: 22,5 Milliarden Bq/Tag Tritium: 24 Milliarden Bq/Tag Damit gab Tepco im August 2014 bekannt, dass im Jahr 2013 eine Strahlenmenge von 60,5 Milliarden Becquerel pro Tag ins Meer geflossen war.
2013 war das Jahr, als Ministerpräsident Shinzo Abe der Welt verkündete, das kontaminierte Wasser sei gestoppt, und Tokio zur künftigen Olympiastätte bestimmte.
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on einem Stopp der Kontamination kann also keine Rede sein: Seit 2011 fließt fortgesetzt kontaminiertes Wasser ins Meer. Der Stromkonzern gab an, dass die Verminderung des ins Meer fließenden Becquerel-Menge von täglich 60,5 Milliarden Bq im Jahr 2013 auf 22 Milliarden Bq im Jahr 2014 auf dem Erfolg der Notmaßnahmen zurückzuführen sei. Doch ab Herbst 2014 nahm die Kontaminierung des Grund- und Meerwassers in erschreckendem Ausmaß zu. Das Grundund Meerwasser, das im Bereich des AKW Fukushima Dai-ichi an verschiedenen Orten gemessen wurde, weist an einigen Stellen seit Oktober 2014 Höchstwerte auf – auch für Januar und Februar 2015 sind Höchstwerte gemeldet. Dies bedeutet, dass die Grund- und Meerwasserverschmutzung sich ausweitet und der Grad der radioaktiven Kontamination zunimmt.
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epco nimmt zudem bei Fischen in der Nähe des AKW Messungen vor. Nach den letzten im Januar 2015 veröffentlichten Daten hatte eine am 18. Dezember 2014 gefangene Art des Stachelkopffisches (Sebastes oblongus) folgende Werte:
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Caesium 134: 53.000 Bq/kg Caesium 137: 170.000 Bq/kg Caesium insgesamt: 223.000 Bq/kg. Folglich gibt es bis heute Fische mit einer verheerenden Kontamination.
Die Situation der Werksanlage Die Entfernung der Brennstäbe aus dem Abkühlbecken des Reaktorblock 4 wurde im Dezember 2014 abgeschlossen. Das Projekt war der erste Schritt auf dem Weg zur Reaktordemontage und Fehler durften nicht unterlaufen. Daher hatte man für das Team erfahrene Veteranen zusammengestellt, die das Vorhaben sicher durchführten. Ich befragte am Projekt beteiligte Werkarbeiter. Einer antwortete mir: „Zu den Arbeiten an Reaktor 4 hatte man erfahrene Arbeiter gerufen. Nahezu alle von ihnen haben das zulässige Maximum der Strahlung erreicht und werden nicht länger am Fukushima AKW Dai-ichi tätig sein können. Bei kommenden Vorhaben werden zunehmend unerfahrene Arbeiter eingesetzt werden. Das macht Angst.“
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n Zukunft werden die verbrauchten Brennstäbe aus den Reaktorblöcken in der Reihenfolge Block 3, 1 und 2 entfernt. Zur Zeit wird der Schutt im Umfeld des Abkühlbeckens von Block 3 beiseite geräumt.
Foto: © Tepco
DIE HEIKLE BERGUNG DER BRENNELEMENTE AUS REAKTORBLOCK 4 IM AKW FUKUSHIMA.
Im Abkühlbecken des Reaktorblocks 1 lagern 70 Brennstäbe in zerstörtem Zustand. Ein Zustand, der bereits seit 25 Jahren besteht. Es ist dabei geblieben, da es keine Technik gibt, um die zerstörten Brennstäbe zu entfernen. Ich befragte Tepco in der Angelegenheit und erhielt die optimistische Antwort: „Es gibt noch keine Technik, um die zerstörten Brennstäbe aus dem Reaktorblock 1 zu entfernen, doch sie wird in den kommenden Jahren wohl entwickelt werden.“
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lso besteht zurzeit keine Aussicht, die im Reaktor geschmolzenen Brennstäbe zu entfernen. Derzeit entwickelt man Techniken, die es zumindest ermöglichen, festzustellen, wo und in welchem Zustand sich die Brennstäbe im Reaktor befinden. Am 12. Februar 2015 wurden die Ergebnisse der Gesundheitsuntersuchung der Präfektur Fukushima bekanntgegeben. Bei der Schilddrüsenkrebsuntersuchung bei Jugendlichen unter 18 Jahren wurden 117 „bösartige“ Befunde festgestellt bzw. liegt ein entsprechender Verdacht vor. Bis jetzt sind etwa 300.000 Kinder und Jugendliche untersucht worden.
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ei den Kindern, die bei der ersten Untersuchung mit dem Ergebnis „ohne besonderen Befund“ entlassen worden waren, wurden in der zweiten Untersu-
chung bei acht Kindern ein „bösartiger“ Schilddrüsenkrebs bzw. ein entsprechender Verdacht diagnostiziert.
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n radioaktiv kontaminierten Regionen außerhalb der Präfektur Fukushima werden entsprechende Gesundheitsuntersuchungen nicht vorgenommen. Weite Bevölkerungskreise fordern diese Untersuchungen. Vereinzelte Bürgerinitiativen in den genannten Regionen führen selber Schilddrüsenuntersuchungen durch, doch ihre Zahl ist sehr gering.
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ndlich ist zudem mit Gesundheitsuntersuchungen der AKW-Arbeiter begonnen worden, die 2011 beim Atomkraftwerk Fukushima Dai-ichi im Noteinsatz waren. Bei einem mir persönlich bekannten Werkarbeiter sind nach langem Warten im Januar 2015 die Untersuchungsformulare für AKW-Arbeiter eingetroffen. Viele der Werksarbeiter haben nach der Aufgabe der AKW-Tätigkeit gesundheitliche Schäden erlitten bzw. sind gestorben. Als ich 2014 Regierungsstellen fragte, wie viele der AKW-Werksarbeiter nach ihrem Noteinsatz gestorben seien, war die Antwort, diese Zahl sei nicht exakt erfasst. Mit entsprechenden Untersuchungen würde man gerade erst beginnen.
Übersetzt von Detlev Schauwecker
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„Das jüngste Kind war ein Mädchen, das zum Zeitpunkt des AKWUnfalls sechs Jahre alt war und bei dem im achten Lebensjahr Schilddrüsenkrebs diagnostiziert wurde.“
Mako Oshidori ist Journalistin und Anti-AtomAktivistin. Sie ist in diesem und letzten Jahr Referentin auf dem Kongress in Arnoldshain.
SERIE: DIE NUKLEARE KETTE
Basra Die Auswirkungen des DU-Einsatzes kommen nur langsam zutage
Hintergrund
gig eine Quelle von Alpha-Strahlung ist, können seine Spaltprodukte auch Beta- und Gamma-Strahlung emittieren. Die innere Verstrahlung führt zu Mutationen, Krebs und angeborenen Fehlbildungen. In Tierversuchen wurden teratogene und genetische DU-Effekte nachgewiesen. Mit epidemiologischen Studien wurden gesteigerte Fehlbildungsraten bei Neugeborenen festgestellt, deren Väter oder Mütter DU ausgesetzt waren.
Basra, eine Stadt mit 1,6 Millionen Einwohnern, wurde während des Golfkrieges heftigen Bombardements mit abgereichertem Uran (Depleted Uranium, DU) ausgesetzt. Zudem wurden Panzer, die von DU-Munition getroffen wurden, auf dem Schlachtfeld am Rande der Stadt zurückgelassen. Nach dem Ende der Kämpfe wurden diese Panzerfriedhöfe von Schrotthändlern und Souvenirjägern geplündert und von Kindern als „Abenteuerspielplatz“ benutzt. So kamen selbst lange nach Ende der Kampfhandlungen zahlreiche Menschen, vor allem Zivilisten, mit radioaktivem Material in Kontakt.
Nach dem Golfkrieg stieg die Rate von Krebserkrankungen und kindlichen Missbildungen nahe der Schlachtfelder, auf denen DU-Munition verwendet wurde, an. Eine umfassende Studie aus Basra fand einen signifikanten Anstieg angeborener Anomalien bei Kindern: 7,76 pro 1.000 Geburten im Jahr 1998 statt 3,04 pro 1.000 Geburten im Jahr 1990. Neben angeborenen Herzfehlern und Chromosomenveränderungen wurden auch schwere Missbildungen wie Anenzephalie (fehlendes Gehirn), Zyklopie (Einäugigkeit) oder Gastroschisis (fehlender Bauchdeckenschluss) sowie Spina bifida (offener Rücken), fehlende Extremitäten, Fischhaut, Gaumenspalten und Gedeihstörungen beobachtet. Eine Studie der Universität von Basra fand bei Kindern eine Verdopplung der Leukämierate und eine Verdreifachung der Rate aller Kinderkrebserkrankungen zwischen 1990 und 1999. Im Rahmen einer Feldstudie wurden zahlreiche Orte mit erhöhten Strahlenwerten gefunden – vor allem in der Nähe der Panzerfriedhöfe.
Folgen für Umwelt und Gesundheit Abgereichertes Uran kann durch Inhalation, Ingestion mit der Nahrung oder durch offene Wunden in den Körper gelangen. Ein Teil wird mit dem Urin ausgeschieden. Dabei werden die Nieren stark belastet. Bei starker Uranvergiftung kann akutes, tödliches Nierenversagen entstehen. Der Rest des Urans verbleibt im Körper, wo es insbesondere in Knochen eingebaut wird und von dort aus das umliegende Gewebe verstrahlt. Während Uran vorran-
Basra, Irak
Ausblick
Einsatz von Uranmunition Durch den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran während des Golfkriegs 1991 wurde die Lokalbevölkerung nachhaltig erhöhten Strahlenwerten ausgesetzt. Dies könnte möglicherweise den signifikanten Anstieg von Krebserkrankungen und angeborenen Missbildungen erklären, der nach 1991 in der südirakischen Stadt Basra dokumentiert wurde.
Die Konsequenzen des militärischen Einsatzes von DU-Munition auf die Zivilbevölkerung kommen erst langsam zutage. Dem UN Umwelt-Programm zufolge hat „der intensive Gebrauch von Waffen mit abgereichertem Uran wahrscheinlich zu einer Kontaminierung der Umwelt geführt, deren Ausmaß oder Folgen noch unbekannt sind.“
Hintergrund
Basra, eine Stadt mit 1,6 Millionen Einwohnern, wurde während des Golfkrieges Bombardements mit DU ausgesetzt. Studien fanden einen Anstieg angeborener Anomalien im Jahr 1998 sowie eine Verdopplung der Leukämierate und Verdreifachung der Rate aller Kinderkrebserkrankungen zwischen 1990 und 1999. Foto: s1lang / creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0
Abgereichertes Uran oder „DU“ (engl. „depleted uranium“) besteht überwiegend aus dem Isotop Uran-238 und ist ein Abfallprodukt des Anreicherungsprozesses zur Herstellung von reaktor- und waffenfähigem Uran. Im Golfkrieg von 1991 setzten die USA und Großbritannien DU-Munition ein. Die britische Royal Society of Medicine schätzt, dass 340 Tonnen abgereichertes Uran im Irak verschossen wurden.1 Wegen seiner hohen Dichte und der Fähigkeit, Panzerwände zu durchschlagen, wird vermutet, dass auch andere Länder DU-Munition verwenden. Da es sich bei abgereichertem Uran um radioaktiven Abfall handelt, ist der Stoff in allen Ländern mit einer Atomindustrie in großen Mengen verfügbar. In panzerbrechender Munition eingesetzt, wird das Uran beim Aufprall pulverisiert und entzündet sich spontan im Inneren des Fahrzeugs. Das entstehende Uranoxid-Aerosol mit Partikelgrößen im Nanobereich verhält sich wie ein Gas und kann mit dem Wind Hunderte von Kilometern transportiert werden. Mit einer physikalischen Halbwertzeit von etwa 4,5 Milliarden Jahren stellt der Uranstaub ein permanentes Gesundheitsrisiko nach bewaffneten Konflikten dar.2,3 Basra, eine Stadt mit 1,6 Millionen Einwohnern, wurde während des Golfkrieges heftigen Bombardements mit abgereichertem Uran ausgesetzt. Zudem wurden Panzer, die von DU-Munition getroffen wurden, auf dem Schlachtfeld am Rande der Stadt zurückgelassen. Nach dem Ende der Kämpfe wurden diese Panzerfriedhöfe von Schrotthändlern und Souvenirjägern geplündert und von Kindern als „Abenteuerspielplatz“ benutzt. So kamen selbst lange nach Ende der Kampfhandlungen zahlreiche Menschen, vor allem Zivilisten, mit radioaktivem Material in Kontakt.
Folgen für Umwelt und Gesundheit
Panzer, die von DU-Munition getroffen wurden, wurden auf dem Schlachtfeld am Rande der Stadt zurück gelassen. Nach dem Ende der Kämpfe wurden diese Panzerfriedhöfe von Schrotthändlern und Souvenirjägern geplündert und von Kindern als „Abenteuerspielplatz“ benutzt. Foto: Wim Zwijnenburg
Abgereichertes Uran kann durch Inhalation, Ingestion mit der Nahrung oder durch offene Wunden in den Körper gelangen. Ein Teil wird mit dem Urin ausgeschieden. Dabei werden die Nieren stark belastet. Bei starker Uranvergiftung kann akutes, tödliches Nierenversagen entstehen. Der Rest des Urans verbleibt im Körper, wo es insbesondere in Knochen eingebaut wird und von dort aus das umliegende Gewebe verstrahlt.2 Während Uran vorrangig eine Quelle von Alpha-Strahlung ist, können seine Spaltprodukte auch Beta- und Gamma-Strahlung emittieren. Die innere Verstrahlung führt zu Mutationen, Krebs und angeborenen Fehlbildungen. In Tierversuchen wurden teratogene und genetische DU-Effekte nachgewiesen. Mit epidemiologischen Studien wurden gesteigerte Fehlbildungsraten bei Neugeborenen festgestellt, deren Väter oder Mütter DU ausgesetzt waren.2
wurde, an. Eine umfassende Studie aus Basra fand einen signifikanten Anstieg angeborener Anomalien bei Kindern: 7,76 pro 1.000 Geburten im Jahr 1998 statt 3,04 pro 1.000 Geburten im Jahr 1990. Neben angeborenen Herzfehlern und Chromosomenveränderungen wurden auch schwere Missbildungen wie Anenzephalie (fehlendes Gehirn), Zyklopie (Einäugigkeit) oder Gastroschisis (fehlender Bauchdeckenschluss) sowie Spina bifida (offener Rücken), fehlende Extremitäten, Fischhaut, Gaumenspalten und Gedeihstörungen beobachtet.4 Eine Studie der Universität von Basra fand bei Kindern eine Verdopplung der Leukämierate und eine Verdreifachung der Rate aller Kinderkrebserkrankungen zwischen 1990 und 1999.5 Im Rahmen einer Feldstudie wurden zahlreiche Orte mit erhöhten Strahlenwerten gefunden – vor allem in der Nähe der Panzerfriedhöfe.5
Ebenfalls betroffen sind die Bewohner des Kosovo und Serbiens, wo DU-Munition während des Krieges von 1999 eingesetzt wurde, die Einwohner von Falludscha, deren Stadt 2004 mit DU-Munition beschossen wurde sowie britische und US-amerikanische SoldatInnen. Sie alle sind Hibakusha, denn ihre Gesundheit wurde durch Uranwaffen nachhaltig geschädigt – Waffen, die nicht existieren würden, wenn die Atomindustrie nicht Uran für Reaktoren und Atomwaffen anreichern würde.
Ausblick Die Konsequenzen des militärischen Einsatzes von DU-Munition auf die Zivilbevölkerung kommen erst langsam zutage. Dem UN Umwelt-Programm zufolge hat „der intensive Gebrauch von Waffen mit abgereichertem Uran wahrscheinlich zu einer Kontaminierung der Umwelt geführt, deren Ausmaß oder Folgen noch unbekannt sind“.1 Ebenfalls betroffen sind die Bewohner des Kosovo und Serbiens, wo DU-Munition während des Kriegs von 1999 eingesetzt wurde, die Einwohner von Falludscha, deren Stadt 2004 mit DU-Munition beschossen wurde sowie britische und US-amerikanische SoldatInnen. Sie alle sind Hibakusha, denn ihre Gesundheit wurde durch Uranwaffen nachhaltig geschädigt – Waffen, die nicht existieren würden, wenn die Atomindustrie nicht Uran für Reaktoren und Atomwaffen anreichern würde.
Weiterführende Literatur Report „Die gesundheitlichen Folgen von Uranmunition“ von IPPNW und ICBUW: http://issuu.com/ippnw/docs/ippnw_icbuw_report_ depleted-uranium_2012
Dieser Text ist ein Ausschnitt aus der IPPNW-Posterausstellung „Hibakusha Weltweit“. Die Ausstellung zeigt die Zusammenhänge der unterschiedlichen Aspekte der Nuklearen Kette: vom Uranbergbau über die Urananreicherung, zivile Atomunglücke, Atomfabriken, Atomwaffentests, militärische Atomunfälle, Atombombenangriffe bis hin zum Atommüll und abgereicherter Uranmunition. Sie kann ausgeliehen werden. Weitere Infos unter: www.hibakusha-weltweit.de
Broschüre „Uranmunition – Strahlende Geschosse“: issuu.com/ippnw/docs/ippnw_uranmunition_web
Nach dem Golfkrieg stieg die Rate von Krebserkrankungen und kindlichen Missbildungen nahe der Schlachtfelder, auf denen DU-Munition verwendet
Quellen
Wegen seiner großen Dichte wird abgereichertes Uran für panzer- und bunkerbrechende Munition verwendet. Beim Aufprall wird das abgereicherte Uran pulverisiert und entzündet sich spontan. Das entstehende Uran-Aerosol mit Partikelgrößen im Nanobereich wird mit dem Wind weit verteilt. Foto: Wim Zwijnenburg
1 Moszynski P. „Royal Society warns of risks from depleted uranium“. BMJ. 2003 May 3;326(7396):952. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1125878/ 2 Hindin et al. „Teratogenicity of depleted uranium aerosols: A review from an epidemiological perspective“. Environ. Health, 4:17, 2005. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1242351/ 3 Briner WE. „The evolution of depleted uranium as an environmental risk factor“. Int J Environ Res Public Health. 2006 Jun;3(2):129-35. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16823086 4 Yacoub et al. „Depleted uranium and health of people in Basrah: epidemidogical perspective. Incidence and pattern of malignent cases among children in Basrah“. Medical Journal of Basrah University 1999; 17:17-25. 5 Yacoub et al. „Further evidence on the relation between depleted uranium and the incidence of malignancies (with specific reference to leukaemias) among children in Basrah, southern Iraq“. Medical Journal of Basrah University 2000; 18:3-6.
Hibakusha weltweit
Eine Ausstellung der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW) Körtestr. 10 | 10967 Berlin ippnw@ippnw.de | www.ippnw.de V.i.S.d.P.: Dr. Alex Rosen
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SOZIALE VERANTWORTUNG
Best Practice for Young Refugees Interdisziplinäre Konferenz an der Charité vom 6. bis 7. Juni 2015
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ie Deutsche Sektion der IPPNW, die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DAKJ) und die Kliniken der Kinder- und Jugendmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin laden ein zu einer internationalen Fachkonferenz zur Einschätzung des Alters, Entwicklungsstandes und Hilfebedarfs von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen am 6. und 7. Juni 2015 in Berlin. Immer mehr Kinder und Jugendliche sind gezwungen, ohne ihre Eltern nach Europa zu flüchten. Nach Deutschland kamen 2013 über 5.500 dieser unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. UN-Kinderrechtskonvention und nationales Recht verpflichten die Verantwortlichen zu einem besonderen Schutz von Minderjährigen. Diese Kinder und Jugendlichen aus unterschiedlichen Regionen und Kulturkreisen brauchen Beratungs- und Hilfsangebote, die ihnen die Integration in dem neuen Lebensraum erleichtern.
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rtikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention, die für alle Menschen unter 18 Jahren in Deutschland uneingeschränkt gültig ist, gewährleistet deren Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit. Darüber hinaus liegt ihr gesundheitliches Wohlergehen auch im Interesse des Einwanderungslandes.
Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin hat 2013 Empfehlungen zu medizinischen Maßnahmen bei immigrierenden Kindern und Jugendlichen veröffentlicht, die in der Praxis bislang noch nicht überall beachtet werden. Hier liegt die Chance, durch eine frühzeitige umfassende Untersuchung medizinische und psychosoziale Probleme zu erkennen und zu behandeln.
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liche Altersdiagnostik ohne Röntgen. Bei der Entwicklung von Standards sind europaweite Erfahrungen und Positionen zu berücksichtigen.
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ie Zeit ist reif, eine dem gesundheitlichen Wohlergehen der Jugendlichen verpflichtende Vorsorge in die Praxis umzusetzen. Die Konferenz ist dazu ein wichtiger Schritt.
önnen junge Flüchtlinge ihr Alter nicht durch entsprechende Dokumente nachweisen, muss das zuständige Jugendamt eine Altersschätzung vornehmen. Erklärt das Jugendamt den Flüchtling für volljährig und ist dieser damit nicht einverstanden, wird nach gegenwärtiger Rechtsprechung eine ärztliche Untersuchung angefordert.
Wir laden Sie zu einer interdisziplinären, internationalen Konferenz ein, um mit uns die dringenden Fragen der Altersdiagnostik und der ärztlichen Versorgung minderjähriger Flüchtlinge zu diskutieren.
Die Methoden der medizinischen Altersdiagnostik sind umstritten. Aus der biologischen Reife, wie der Skelettreife, kann nur begrenzt und unsicher auf das tatsächliche Lebensalter geschlossen werden. Die Anwendung ionisierender Strahlen (Röntgenuntersuchung) ist rechtlich und ethisch fragwürdig. Ethische Bedenken werden auch gegenüber der körperlichen Untersuchung zur Feststellung des Pubertätsstadiums geäußert. Beispiele aus Schweden und Großbritannien zeigen uns, dass eine andere Praxis möglich ist – eine ganzheit-
Winfrid Eisenberg, Thomas Nowotny, Frank Uhe
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Das Programm der Konferenz und die Anmeldung finden Sie unter: kurzlink.de/young-refugees
IONISIERENDE STRAHLUNG
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nzeichen für Mutationen bei den untersuchten Vögeln und anderen Tieren aus der Gegend um Tschernobyl sind weiße Federn oder Flecken, Tumore und Missbildungen. Fotos von Timothy Mousseau und Anders Pape Møller.
Mehr Informationen über die Arbeit von Timothy A. Mousseau finden Sie unter cricket.biol.sc.edu/mousseau/mousseau.html
Mutationen bei Tieren und Pflanzen Timothy A. Mousseau ist auf Forschungsreise in verstrahlten Regionen unterwegs. Die Bilder auf diesen Seiten zeigen Tiere und Pflanzen, die der Biologieprofessor Timothy A. Mousseau von der Universität North Carolina und seine Kollegen – besonders Dr. Anders Pape Møller vom CNRS Paris – in den Regionen um Tschernobyl und später um Fukushima untersucht haben. Mousseau erforscht seit 1999 die ökologischen und evolutionären Auswirkungen der Verstrahlung auf Tiere, Mensch und Pflanzen in den betroffenen Gebieten. Durch die Exposition mit Radionukliden sind sie direkter Toxizität und erhöhtem Mutationsdruck ausgesetzt. Beobachtet werden Farb- und Formvarianten, Fehlbildungen, Unfruchtbarkeit, bei Vögeln auch Katarakte und Krebsgeschwüre sowie eine Minderung der Lebensdauer.
Fotos: © Timothy Mousseau, Anders Pape Møller
Bei vielen Arten, wie etwa der Rauchschwalbe, hat die Belastung des Erbguts dramatische Konsequenzen für Entwicklung, Fortpflanzung und Überleben der Tiere. Derzeit untersucht Mousseau die unterschiedliche Sensibilität verschiedener Arten in ihrer Reaktion auf die Strahlung.
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IONISIERENDE STRAHLUNG
Gefahren ionisierender Strahlung Studien der letzten 15 Jahre beweisen erhöhtes Krankheitsrisiko
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m Oktober 2014 informierte die IPPNW auf einer Fachtagung mit Politikern und Wissenschaftsjournalisten in Berlin über die gesundheitlichen Folgen ionisierender Strahlung. Groß angelegte epidemiologische Studien der letzten 15 Jahre haben das Verständnis von biologischen Effekten durch Radioaktivität, Röntgenstrahlen und anderen Formen ionisierender Strahlung grundlegend verändert.
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eben natürlicher Hintergrundstrahlung sind vor allem zwei Faktoren für die Strahlenexposition der Bevölkerung verantwortlich: die radiologische Diagnostik der Medizin und die Atomindustrie. In der Medizin werden die neueren epidemiologischen Daten sehr ernst genommen; der Trend geht zu einem deutlich sparsameren Einsatz ionisierender Strahlung. Vor allem Computertomographie (CT) wird mehr und mehr durch Low-Dose-Anwendungen, Magnetresonanztomographie (MRT) und Sonographie ersetzt. In der Atomindustrie scheinen die wissenschaftlichen Erkenntnisse jedoch noch nicht angekommen zu sein. Sowohl in der Diskussion um die gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima als auch in den Debatten hierzulande um die langfristige Lagerung von Atommüll, den Rückbau von Atomkraftwerken oder die Liberalisierung der Freigaberegelungen für radioaktiv kontaminierte Abfälle – immer wieder werden von Seiten der Atomindustrie überholte Grenzwerte herangezogen und realitätsfremde Strahlenschutzvorstellungen aufrechterhalten.
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abei ist die Datenlage erdrückend: 2013 veröffentlichten australische Forscher im British Medical Journal eine Analyse von über zehn Millionen Patienten, die eine Erhöhung des Krebsrisikos um ca. 24 Prozent durch eine einzige CTUntersuchung (durchschnittlich 4,5 mSv) zeigte. Jede weitere CT-Aufnahme ließ das Risiko um zusätzliche 16 Prozent steigen, bei Kindern war der Effekt noch ausgeprägter. Erst im Vorjahr hatten britische
ENTNAHME VON PFLANZENPROBEN IN DER REGION FUKUSHIMA. FOTO: TIMOTHY MOUSSEAU Wissenschaftler ähnliche Ergebnisse im Lancet veröffentlicht. Zudem ist bereits seit den 1950er Jahren bekannt, dass vor allem Säuglinge und Föten eine erhöhte Strahlensensibilität besitzen. Schon ein einzelnes Röntgenbild während der Schwangerschaft führt zu einer messbaren Erhöhung des späteren Leukämierisikos. Neue Studien zeigen zudem Dosis-Wirkungs-Beziehungen zwischen natürlicher Hintergrundstrahlung oder beruflicher Exposition mit ionisierender Strahlung und dem Risiko für Krebs und Herzkreislauferkrankungen. Ein Schwellenwert ist in keiner dieser Studien erkennbar.
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udem wurden auch ohne massive Katastrophen rund um deutsche, englische, französische und Schweizer AKWs erhöhte Krebsraten bei Kindern festgestellt. Hinzu kommt die Belastung zukünftiger Generationen durch tausende Tonnen von radioaktivem Abfall durch abgenutzte Brennstäbe, ausrangierte Atomsprengköpfe und stillgelegte Atommeiler. Wie eng die unterschiedlichen Aspekte der Atomindustrie miteinander verzahnt sind, wird an internationalen Konzernen wie AREVA deutlich, die vom Uranbergbau über den Transport und die industrielle Aufbereitung spaltbarer Materialien, der zivilen Atomenergie, der Produktion von 22
Atomwaffen bis hin zur Atommüllaufbereitung und -lagerung alle Abschnitte der sogenannten „Nuklearen Kette“ bedienen – und damit verdienen.
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issenschaftler und Ärzte fordern seit langem eine Anpassung des Strahlenschutzes an den Stand der Wissenschaft, eine konsequente Minimierung der Strahlenexposition der Bevölkerung und eine evidenzbasierte öffentliche Diskussion. Welches gesundheitliche Risiko durch ionisierende Strahlung als akzeptabel und zumutbar angesehen wird, bedarf einer gesellschaftspolitischen Entscheidung mit Einbeziehung der Betroffenen. Download „Gefahren ionisierender Strahlung“ – Ergebnisse des Ulmer Expertentreffens unter tiny.cc/ulmer-papier
Dr. Alex Rosen ist Kinderarzt und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Sektion der IPPNW.
IONISIERENDE STRAHLUNG
Gefährlicher Staub Uranmunition schädigt Umwelt und Gesundheit
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m 31. Oktober 2014 wurde im Ersten Komitee der Vereinten Nationen über die fünfte Resolution zu den gesundheitlichen Folgen von Uranmunition (Depleted Uranium, DU) abgestimmt. 143 Staaten stimmten für die Resolution, 26 enthielten sich. Großbritannien, die USA, Frankreich und Israel stimmten dagegen. Nachdem Deutschland in den vergangenen Jahren zugestimmt hatte, kam die diesjährige Enthaltung der Bundesregierung überraschend. Deutschland erklärte bei der Abstimmung, die UNEP-Studie von 2010 habe keine Beweise zutage gefördert, dass der Einsatz von Uranmunition gesundheitsschädigende Folgen habe. Für uns Ärzte ist dies völlig unverständlich, denn die Beweise für langfristige und schwerwiegende Gesundheitsschäden durch den Einsatz sind inzwischen erdrückend.
Was wissen wir bereits über die Auswirkungen von DU?
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bgereichertes Uran (DU) schädigt die DNA auf zweifache Weise: Als Schwermetall ist es ein chemisches Zellgift, als Alphastrahler verursacht es radioaktive Schäden. Sowohl für den erst kürzlich erschienen Bericht der International Coaliti-
on to Ban Uranium Weapons (ICBUW) als auch in der IPPNW-Studie wurden zahlreiche zell- und tierexperimentelle Studien ausgewertet, die die Genotoxizität und die Radiotoxizität des DU eindeutig bestätigen.
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as fehlt, sind großangelegte Bevölkerungsstudien, vor allem in Einsatzländern wie dem Irak, aber auch in den Balkanländern, die ein genaues DosisWirkungsprofil aufzeigen könnten. Daran sind die Staaten, die DU eingesetzt haben, jedoch nicht interessiert. Bis heute verweigern die USA Angaben über die Menge des eingesetzten DU sowie die genauen geografischen Koordinaten der Einsätze, so dass keine klare Abschätzung der Exposition möglich ist. Berichte aus der irakischen Bevölkerung sowie von unabhängigen Journalisten zeigen, dass DU 2003 besonders in stark besiedelten Stadtgebieten eingesetzt wurde.
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n unserer IPPNW-Studie haben wir gezeigt, dass abgereichertes Uran, das in den Körper gelangt, viele Krankheiten verursachen kann, z.B. Veränderungen des Erbguts, Fehlbildungen, Störungen der Fruchtbarkeit, Krebs fast aller Organe, Nierenversagen und neurologische Schäden. Labortests und Untersuchungen von Sol-
daten und Zivilpersonen, die Uranmunition ausgesetzt waren, haben ergeben, dass die Chromosomen geschädigt werden. Diese Chromosomenveränderungen gelten als Krebsvorstufen und Auslöser von Erbkrankheiten. Der Kontakt von Eltern oder auch nur eines Elternteils mit Uranmunition führt zu einer deutlich erhöhten Fehlbildungsrate bei Neugeborenen. Kinder von Golfkriegsveteranen, in dessen Verlauf Uranmunition eingesetzt wurde, weisen besonders häufig schwere Fehlbildungen zum Beispiel des Gehirns und Rückenmarks, des Herzens, der Harnorgane, des Gesichts und der Gliedmaßen auf. Bei Kindern in den irakischen Regionen Basra und Falludscha haben Ärzte identische Beobachtungen gemacht. Ob alle diese Erkrankungen auf Depleted Uranium zurückzuführen sind oder ob, was eher wahrscheinlich ist, DU in der Wechselwirkung mit anderen toxischen Stoffen Verursacher ist, ist aus medizinischer Sicht bisher nicht ausreichend geklärt.
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nde November 2014 gab das USVerteidigungsministerium zu, dass in Kuwait A10-Kampffluzeuge für den Krieg gegen den IS in der Region eingetroffen sind, die uranhaltige Geschhosse abfeuern können. Gleichzeitig hat die Bundeswehr 30 Milan-Panzerabwehrraketen in den Nordirak geschickt. Jede Rakete enthält in dem Infrarotstrahler ihres Lenkflugkörpers 2,4 Gramm Thorium 232 mit einer extrem langen Halbwertszeit von 14 Milliarden Jahren. Thorium ist besonders durch die in seiner Zerfallsreihe gebildeten Radionuklide gefährlich. Nach dem Aufprall der Rakete entsteht ein feiner, radioaktiv und toxisch wirkender Staub, der über Nahrung, Atmung und Trinkwasser in den menschlichen Körper gelangen kann. Die ICBUW-Studie finden Sie unter tiny.cc/icbuw-studie, den IPPNWReport unter tiny.cc/DU-report
Dr. Angelika Claußen ist seit 2014 Europäische IPPNWPräsidentin. Foto: IKV Pax Christi 23
IONISIERENDE STRAHLUNG
Fukushima: Vier Jahre später Die Strahlenfolgen werden weiterhin schöngerechnet
Knapp vier Jahre ist es nun her, dass wir alle in Schockstarre vor den Bildschirmen standen und hilflos zusehen mussten, wie die explodierenden Reaktorblöcke und brennenden Abklingbecken des Atomkraftwerks Fukushima Dai-ichi riesige Mengen radioaktiver Partikel in die Atmosphäre schleuderten. In drei Reaktoren trat der befürchtete Super-GAU ein. Wochenlang hing das Schicksal Japans von der Windrichtung ab.
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ie meiste Zeit hatten die Menschen Glück im Unglück: Der Wind blies den radioaktiven Niederschlag weit hinaus auf den Pazifik. Ein einziger Tag mit Wind aus Südwest allerdings reichte aus, um große Teile der Präfektur Fukushima für unabsehbare Zeit radioaktiv zu verseuchen. Tokio blieb glücklicherweise weitestgehend verschont. Eine Evakuierung der 38 Millionen Einwohner hätte alle Katastrophenszenarien der japanischen Atomindustrie um ein Vielfaches übertroffen.
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llein die Evakuierung der rund 300.000 Menschen, die auf Grund erhöhter Strahlenwerte ihre Heimat verlassen mussten, brachte den Katastrophenschutz an seine Grenzen. So wurden zum Teil Menschen aus gering verseuchten Ortschaften in stärker verstrahlte Gegenden gebracht, die vorgesehene Verteilung von Jodtabletten durch gezielte Desinformation verhindert und die Menschen im schwer verstrahlten Iitate beispielsweise erst sechs Wochen nach Beginn der Katastrophe evakuiert. Während dieser Zeit waren sie dauerhaft erhöhter Strahlung ausgesetzt. Auch starben offiziellen Angaben zu Folge mehr als 1.500 Menschen an den Auswirkungen der Evakuierungen, darunter viele kranke oder alte Menschen, die die Evakuierung von Krankenhäusern und
Altersheimen und die anstrengende Flucht nicht verkrafteten.
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ie radioaktive Verseuchung machte an den Grenzen der Evakuierungszonen nicht Halt. Die Präfektur Fukushima und große Teile der Nachbarpräfekturen wurden mit strahlendem Jod-131, Cäsium-137 und mehr als zwei Dutzend weiterer Radioisotope kontaminiert. Zahlreiche epidemiologische Studien belegen mittlerweile, dass jede noch so geringe Menge an ionisierender Strahlung zu einem erhöhten Risiko für Krebs und andere Erkrankungen führt. Die Menschen in den kontaminierten Gebieten stehen seit der Atomkatastrophe vor der schwierigen Wahl: Bleiben und das erhöhte Krankheitsrisiko in Kauf nehmen oder in eine weniger belastete Region umziehen und dafür ihre Heimat aufgeben? Kinder mit Dosimetern um den Hals, abgesteckte radioaktive Hotspots, CäsiumAnzeigetafeln an Spielplätzen und die allgegenwärtigen blauen Behälter mit abgetragener radioaktiver Erde gehören in Fukushima zum Alltagsbild. Familien müssen entscheiden, ob sie alles aufgeben wollen, was sie über Jahrzehnte aufgebaut haben, um so die Gesundheit ihrer Kinder zu schützen. Nicht wenige Familien zerreißen an dieser Entscheidung, Freundschaften und Beziehungen zerbrechen daran. 24
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iele Politiker in Japan versuchen die Probleme mit kaltschnäuzigem Pragmatismus anzugehen: Man ist bereit, einige zehntausend Krebserkrankungen in Kauf zu nehmen, um den Auswanderungsstrom zu stoppen. Denn während die Alten bleiben, zieht es viele junge Familien aus Sorge um die Gesundheit ihrer Kinder fort. Um diesen Trend aufzuhalten, werden den Menschen falsche Versprechungen gemacht: Die Strahlung sei nicht so gefährlich, wenn man nur lächeln würde, ihre Grundstücke würden dekontaminiert, die havarierten Atomkraftwerke seien unter Kontrolle. Um diese Thesen zu untermauern, werden Wissenschaftler bezahlt, die die Strahlenfolgen schönrechnen sollen, wird Druck auf internationale Organisationen gemacht, keine kritischen Berichte zu veröffentlichen, werden staatlich subventionierte Informationsveranstaltungen abgehalten, die die fragwürdigen Verharmlosungen der Atomindustrie ins Volk tragen sollen. Auch finanziell versucht man Anreize für die Familien in Fukushima zu schaffen. Wer bleibt, erhält Zuwendungen, wer geht wird allein gelassen.
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abei ist jetzt schon klar, dass die Atomkatastrophe von Fukushima relevante gesundheitliche Folgen haben wird. Allein auf Basis der Zahlen des UNSCEAR-Berichts geht hervor, dass durch
Foto: © Alexander Tetsch
EINE MUTTER UND IHRE TOCHTER DEMONSTRIEREN FÜR DAS RECHT DER KINDER VON KORIYAMA, IN EINER MÖGLICHST STRAHLENARMEN UMGEBUNG AUFWACHSEN ZU KÖNNEN
die radioaktive Verseuchung bis zu 16.000 zusätzliche Krebserkrankungen und bis zu 9.000 zusätzliche Krebstodesfälle entstehen werden. Die tatsächliche Zahl der Krankheiten liegt vermutlich noch weitaus höher. Aufgrund früherer Erfahrungen mit Atomunglücken werden unter anderem erhöhte Raten an Leukämien, Lymphomen, soliden Tumoren, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hormonellen, neurologischen und psychiatrischen Störungen erwartet.
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ie Atomindustrie behauptet derweil, es seien keine messbaren gesundheitlichen Folgen zu erwarten. Die Tatsache, dass sich eine Krebserkrankung nie eindeutig auf eine einzelne Ursache zurückführen lässt, wird genutzt, um jegliche Kausalität abzustreiten. Um Krankheitsfälle mit erhöhten Strahlenwerten korrelieren zu können, bedarf es groß angelegter epidemiologischer Studien und Screeningprogramme für die Bevölkerung. Das einzige Screeningprogramm, das derzeit durchgeführt wird, untersucht Schilddrüsenkrebs bei Kindern. Knapp 360.000 Probanden unter 18 Jahren aus der Präfektur Fukushima werden regelmäßig untersucht. Die Leiter der Studie begründeten das Screening mit dem Wunsch, der Bevölkerung die Angst vor der Strahlung nehmen zu wollen. Für sie stand bereits zu Beginn fest, dass die Screenings keine erhöhten Krebsraten finden würden.
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eute, knapp vier Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe, sieht die Situation leider anders aus. Im Rahmen der ersten Runde von Schilddrüsenuntersuchungen wurde bei insgesamt 117 Kindern histologisch Schilddrüsenkrebs festgestellt. 84 Kinder wurden mittlerweile operiert. Diese unerwarteten Fälle wurden von der Studienleitung bislang auf den „Screeningeffekt“ geschoben, also die Beobachtung, dass Krankheitsfälle gefunden werden, die klinisch erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgefallen wären. Seit Dezember 2014 liegen allerdings die ersten Zahlen der Nachuntersuchung vor. Bei 57,8 Prozent der Kinder wurden Knoten oder Zysten gefunden. Im Erst-Screening lag diese Rate noch bei 48,5 Prozent. Das bedeutet, dass bei mehr als 12.000 Kindern, bei denen im ersten Screening noch keine Anomalien gefunden wurden, nun Zysten oder Knoten festgestellt wurden. Elf Kinder wurden bereits per Feinnadelbiopsie untersucht, bei vier von ihnen ergab die Diagnostik einen akuten Krebsverdacht. Diese Krebsfälle, die sich im Laufe der letzten beiden Jahren entwickelt haben müssen, lassen sich nicht mehr mit dem Screeningeffekt erklären.
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s ist wichtig, sich dabei vor Augen zu führen, dass bislang nur ein Bruchteil der Ergebnisse der Nachuntersuchungen 25
vorliegt. Basierend auf den Erfahrungen aus Tschernobyl werde die Zahl der Schilddrüsenkrebserkrankungen noch über viele Jahre ansteigen. Gleichzeitig stellt Schilddrüsenkrebs nur einen kleinen Teil der gesundheitlichen Folgen der radioaktiven Kontamination der Bevölkerung dar. Die Menschen in den verstrahlten Regionen benötigen eine umfassende medizinische Beratung und ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes, transparentes Angebot an Vorsorgeuntersuchungen, mit dem Krankheiten frühzeitig erkannt und behandelt werden können und auf dessen Ergebnisse die Patienten Zugriff haben. All das ist in Japan derzeit nicht gewährleistet. Den vollständigen Artikel finden Sie auf unserem Blog unter tiny.cc /4-jahre Den Fotoband Fukushima 360° von Alexander Tetsch (ehemals Neureuter) können Sie im IPPNW-Shop bestellen.
Dr. Alex Rosen ist Kinderarzt und stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Sektion der IPPNW.
IONISIERENDE STRAHLUNG
Auswirkungen von Tschernobyl und Fukushima auf die Tierwelt Bei Tieren beobachtete Effekte lassen auf die Gesundheitsfolgen beim Menschen schließen
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ie Atomkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima waren mit massiven Freisetzungen von Radioaktivität verbunden. Dies hatte neben den Gesundheitsschäden bei Menschen auch nachteilige Auswirkungen auf wild lebende Tiere sowie auf „Nutztiere“. Sowohl hohe als auch relativ niedrige Strahlendosen führten zu massiven Beeinträchtigungen der Gesundheit der Tiere bzw. zum Tod. Insbesondere die bei Säugetieren beobachteten Effekte bieten Anhaltspunkte für vergleichbare Gesundheitsfolgen bei Menschen.
des Embryos in die Gebärmutter („preimplantation deaths“) zweibis dreifach gegenüber weniger stark kontaminierten „Kontrollgebieten“. Ebenso nahm der Verlust von Embryonen stark zu.
Chromosomenaberrationen in Knochenmarkzellen bei Mäusen An fünf Standorten in Belarus wurde bei Waldwühlmäusen (Myodes glareolus) eine Korrelation zwischen der Konzentration von Radionukliden und Veränderungen von Chromosomen in Knochenmarkzellen festgestellt. Die Rate der Chromosomenaberrationen schien von 1986 bis 1996 über rund 22 Mäusegenerationen relativ konstant zu bleiben, obwohl die geschätzte Körperdosis mit einer Halbwertszeit von 2,5 bis 3 Jahren zurückging.
Säugetiere reagieren am empfindlichsten Die biologische Wirkung ionisierender Strahlung ist bei allen Lebewesen ähnlich: Temperaturerhöhung, Ionisierung von Atomen, Aufbrechen von chemischen Verbindungen und Bildung freier Radikale, Veränderung der DNA mit nachfolgenden Reparaturmechanismen. Die akute, tödliche Dosis unterscheidet sich jedoch je nach Tierart um Größenordnungen. Auch innerhalb einer Population gibt es Unterschiede hinsichtlich der Strahlensensitivität. Der Entwicklungsstand zum Zeitpunkt der Bestrahlung spielt ebenfalls eine große Rolle. Im Allgemeinen reagieren Säugetiere am empfindlichsten auf ionisierende Strahlung, während wirbellose Tiere und einfache Organismen entsprechend ihrer weniger komplexen Biologie unempfindlicher sind. Wegen der Frage der Übertragbarkeit auf den Menschen sollen hier in erster Linie die Effekte bei Säugetieren dargestellt werden.
Schwere Schädigungen bei Rindern Obwohl nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl der Großteil des Viehbestandes evakuiert worden war, verblieben mehrere hundert Rinder noch für zwei oder vier Monate in stärker kontaminierten Gebieten der Kontrollzone. Im Herbst 1986 wiesen viele dieser Rinder ein stark geschwächtes Immunsystem, eine verringerte Körpertemperatur und eine Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems auf oder waren bereits gestorben. Zudem wurden eine drastisch verringerte Schilddrüsenfunktion sowie reduzierte Schilddrüsenhormone im Blut festgestellt. Histologische Untersuchungen zeigten radiologische Schäden an den Schilddrüsen. In der Ukraine fand man Tiere praktisch ohne Schilddrüsengewebe. Vergleichbare Befunde wurden in Belarus festgestellt.
Symptome der Strahlenkrankheit bei Hunden und Hühnern
Bis 1989 war die Fortpflanzung der Tierpopulationen stark reduziert, was auf die andauernde Schilddrüsenunterfunktion zurückgeführt wird. Bei den Nachkommen der betroffenen Rinder wurden ein geringes Geburtsgewicht, geringe Gewichtszunahme und Kleinwüchsigkeit festgestellt.
Wenige Monate nach Tschernobyl wurden in der Umgebung des havarierten Atomkraftwerks im August und September 1986 Hunde und Hühner erschossen und obduziert. Die Tiere zeigten Symptome der chronischen Strahlenkrankheit: geringes Gewicht, reduzierte Fettreserven, ein Anschwellen von Lymphknoten, Leber und Milz, Leber- und Milzblutungen und Darmwandverdickung. Bei Hühnern wurden zudem weder in den Nestern noch in den Ovarien Eier gefunden.
Strahlenschäden bei Schafen und Pferden Chronische Strahlenschäden zeigten sich eineinhalb Jahre nach dem Super-GAU auch bei über 2.000 Schafen und 300 Pferden im belarussischen Verwaltungsgebiet Rajon Choiniki. Bei den Schafen war der Allgemeinzustand stark beeinträchtigt. Hinzu kamen Abmagerung, Atemprobleme, eine verringerte Körpertemperatur, ein erhöhter Blutzuckerspiegel, eine Verringerung der Schilddrüsenhormone im Blut, eine reduzierte Zahl der Blutkörperchen (weiße Blutkörperchen, rote Blutkörperchen, Blutplättchen). Die Nachkommen der betroffenen Schafe wiesen ein verringertes Gewicht auf. Auch bei den Pferden war der Allge-
Sterben kleiner Nagetiere Im Herbst 1986 wurde festgestellt, dass auf hoch kontaminierten Untersuchungsflächen die Zahl kleiner Nagetiere um den Faktor zwei bis zehn dramatisch gesunken war. Der Tierbestand erholte sich offenbar ab Frühjahr 1987 durch die Zuwanderung von Tieren aus weniger stark kontaminierten Gebieten. In den Jahren 1986 und 1987 erhöhte sich in den hoch kontaminierten Gebieten bei Nagetieren zudem die Todesrate in der Phase vor der Einnistung 26
TSCHERNOBYL-STÖRCHE AUF DER STRASSE, IWANKIW BEI KIEW (2008) – FOTO: TIMOTHY MOUSSEAU
Schlussfolgerungen
meinzustand stark beeinträchtigt, sie hatten Ödeme, eine reduzierte Zahl an weißen Blutkörperchen und Blutplättchen und eine abnormal hohe Anzahl von Knochenmarkszellen im peripheren Blut. 70 Prozent der Pferde wiesen einen extrem reduzierten Schilddrüsenhormonspiegel auf.
Die Einwirkungen ionisierender Strahlung auf die Tierwelt sind drastisch. Tschernobyl und Fukushima führten zu schwersten Erkrankungen bis hin zum Tod. Insbesondere die bei Säugetieren festgestellten Auswirkungen u.a. auf die Schilddrüse, das HerzKreislauf-System, das Blutbild und das Immunsystem sowie die Chromosomenaberrationen zeigen Parallelen zu vergleichbaren Effekten bei Menschen. Die von der Atomlobby oft mit so genannter „Strahlenangst“ oder schlechten Lebensbedingungen begründeten Gesundheitsschäden von Tschernobylbetroffenen dürften daher tatsächlich auf die radioaktive Kontamination der Umwelt zurückzuführen sein. Es ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar, dass der jüngste UNSCEAR-Bericht zur Atomkatastrophe von Fukushima die Auswirkungen ionisierender Strahlung auf die Tierwelt, insbesondere auf Säugetiere, vollständig ausklammert.
Fukushima: Stark verändertes Blutbild bei Affen Im April 2012, nach der Atomkatastrophe in Japan, wurden auch bei wilden Affen aus den Wäldern der Stadt Fukushima Blutbildveränderungen festgestellt. Als Kontrollgruppe wurde eine Affenpopulation herangezogen, die ca. 400 km nördlich von Fukushima lebt. Während in den Muskeln der Affen aus Fukushima Cäsiumkonzentrationen zwischen 78 und 1778 Bq/kg festgestellt wurden, lagen die Cäsiumwerte der Kontrollgruppe unterhalb der Nachweisgrenze. Proportional zu der Höhe der Cäsiumkonzentration im Muskel wurde bei den Affen von Fukushima eine Reduktion von roten und weißen Blutkörperchen gemessen, so dass von einer Dosis-Wirkungsbeziehung auszugehen ist.
Es besteht weiterhin großer Forschungsbedarf, insbesondere hinsichtlich der Frage generationenübergreifender gesundheitlicher Auswirkungen. Breit angelegte Langzeitstudien der Ökosysteme der betroffenen Gebiete und Genanalysen von Flora und Fauna sind dringend notwendig, auch um die gesundheitlichen Folgen radioaktiver Verstrahlung von Menschen künftig besser verstehen zu können.
Auswirkungen auf Nicht-Säugetiere und genetische Schäden Auch bei Nicht-Säugetieren belegen zahlreiche Studien gesundheitliche Auswirkungen der Radioaktivität auf die Tierwelt. In Japan ging die Anzahl der Vögel, Schmetterlinge und Zikaden in kontaminierten Gebieten zurück. Studien an Fukushima-Schmetterlingen konnten, proportional zur radioaktiven Kontamination der Nahrung, eine Reduktion der Körper- und Flügelgröße, eine größere Zahl an morphologischen Mutationen und eine erhöhte Sterblichkeitsrate zeigen.
Henrik Paulitz ist Referent der IPPNW Deutschland für Atompolitik und Energiewende. 27
IONISIERENDE STRAHLUNG
ATOMMÜLL: DEMNÄCHST AUCH AUF SCHROTTPLÄTZEN UND HAUSMÜLLDEPONIEN ZU FINDEN?
Zerlegt, verbrannt, getrocknet, gepackt „Freimessen“ beim AKW-Rückbau
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anfallenden Mülls aufnehmen kann, wird jede Menge Strahlenmüll auf unbestimmte Zeit in den Zwischenlagern der Atomkraftwerke verbleiben.
eim Abriss stillgelegter Atomkraftwerke fallen neben stark strahlenden Komponenten auch große Mengen Stahl und Beton an, die nur geringfügig radioaktiv kontaminiert sind. Werden bestimmte Grenzwerte unterschritten, dann sollen die Materialien auf Hausmülldeponien gelagert oder sogar in den normalen Wirtschaftskreislauf eingespeist werden können. Es ist schwer zu beurteilen, in welchem quantitativen Ausmaß das so genannte „Freimessen“ in der Praxis zu Gesundheitsgefährdungen führen kann. Unbestreitbar aber handelt es sich um eine unsägliche Provokation unserer atomenergiekritischen Gesellschaft, dass Abrissmaterial aus Atomkraftwerken im ungünstigen Fall in Heizköpern neben schlafenden Kindern landen kann.
156.500 Tonnen Gebäudemasse Den mengenmäßig größten Teil beim Abriss eines Atomkraftwerks machen die Gebäudemassen aus. Während sich etwa für Biblis A die aktivierten Massen (Reaktordruckbehälter, biologischer Schild etc.) nach Angaben des Betreibers auf ungefähr 4.650 Tonnen und die kontaminierten Massen (Rohrleitungen, Wärmetauscher, Schleusen etc.) auf ca. 11.400 Tonnen summieren, geht es bei den Gebäudemassen diesen Angaben zufolge um rund 156.500 Tonnen (91 Prozent).
„Ein paar Meter weiter...“
Freigabe – Mülldeponien und Heizkörper
Mit der Stilllegung der Atomkraftwerke hört das Theater um die Atomenergie nicht auf. Die Konzerne hätten eigentlich die Möglichkeit, die hochradioaktiven Brennelemente und anderes zu entfernen und die Atomkraftwerke anschließend zu versiegeln. Stattdessen haben die Atomkraftwerksbetreiber den Rückbau beantragt. Das bedeutet, dass man mit viel Aufwand radioaktiv aktivierte bzw. kontaminierte Komponenten unnötigerweise zurückbaut, zerlegt, verbrennt, verpresst, trocknet, verfestigt und verpackt.
Bei diesen geschätzten 156.500 Tonnen handelt es sich um die Menge, die so gering kontaminiert ist, dass sie im rechtlichen Sinn nicht mehr als Atommüll gelten soll. Für diese Materialien ist eine „Freigabe“ nach § 29 der Strahlenschutzverordnung vorgesehen. Hierfür erfolgen gemäß § 29 Abs. 3 der Verordnung sogenannte „Freimessungen“. Die Möglichkeit der Freigabe hatten die Atomkonzerne schon vor etlichen Jahren gegenüber der rot-grünen Bundesregierung durchgesetzt. Mit der am 1. August 2001 in Kraft getretenen novellierten Strahlenschutzverordnung wurde das ermöglicht.
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en schließlich mit erheblichem Aufwand in Behälter verpackten schwach- und mittelaktiven Strahlenmüll verschiebt man auf dem jeweiligen Atomkraftwerksgelände „ein paar Meter“ weiter in ein Zwischenlager. Da das „Endlager“ für den schwach- und mittelaktiven Müll, Schacht Konrad, frühestens im Jahr 2022 in Betrieb gehen soll, aber selbst dann angeblich nur die Hälfte des
Freigemessene Materialien sollen beispielsweise auf Hausmülldeponien gelagert oder auch in den normalen Wirtschaftskreislauf eingespeist werden. So könnten sich beispielsweise freigemessene Metalle aus Atomkraftwerken in Heizkörpern wiederfinden. 28
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s ist hierbei insbesondere auch die Frage, ob dem ZehnMikrosievert-Konzept tatsächlich realitätstaugliche Annahmen zugrunde liegen. Deponiearbeiter beispielsweise könnten unter Umständen erhebliche Strahlendosen erhalten, wenn sie von Mehrfachbelastungen betroffen sind.
sind die so genannten Sekundärabfälle. Atomkraftgegner wie Erhard Renz gehen inzwischen davon aus, dass radioaktiv verseuchtes Wasser, das bei der Dekontamination in Biblis anfällt, in den Rhein geleitet werden soll. In diesem Zusammenhang ist vermutlich die geplante Verlängerung der Abwasserrohre in den Rhein zu sehen, die der Verdünnung des belasteten Wassers dienen dürfte.
„Strahlentürken“ Insbesondere aber gilt die Sorge den Arbeitern, die den Abriss der stillgelegten Atommeiler durchführen müssen. Innerhalb der Atomindustrie ist, wie man von Insidern hört, von „Strahlentürken“ die Rede, von Hilfskräften und Leiharbeitern, die bei den gefährlichsten Arbeiten in den kontaminierten Bereichen eingesetzt werden. Sie sind es, die beim Abriss der Atomkraftwerke die größten Strahlendosen kassieren werden. Sie tragen bei dem von den Atomkonzernen beschlossenen Projekt AKW-Rückbau mutmaßlich das größte Erkrankungsrisiko. Würde man auf den Abriss der Atomkraftwerke verzichten, dann wären weder Hilfskräfte und Leiharbeiter noch die sonstige Bevölkerung durch die Arbeiten und die Freigaben betroffen. Zudem könnten Milliardenbeträge für den Rückbau eingespart werden und stünden für die Entsorgung des hochradioaktiven Atommülls zur Verfügung.
Das Zehn-Mikrosievert-Konzept Die Freigabewerte der Abbruchmaterialien (Aktivität je Masse bzw. Fläche) wurden mit dem Ziel einer Dosisbelastung von maximal 10 Mikrosievert (μSv) pro Einzelperson und pro Jahr festgelegt. Für die staatlichen Strahlenschützer handelt es sich hierbei um eine „marginale“, also um eine unbedeutende zusätzliche Dosis. Sie verweisen auf die natürliche Strahlenexposition, die in Deutschland auf rund 2.400 μSv (2,4 mSv) beziffert wird. Angesichts anderer Risiken und anderer Noxen, „denen der Mensch in einer zivilisierten oder technisierten Gesellschaft“ ausgesetzt sei, komme es auf diese zusätzliche Strahlendosis von 10 μSv nicht an. Die Rede ist von einer „Marginalitätsschwelle“. Dies wird auch damit begründet, dass schließlich allgemeine Grenzwerte für die zusätzliche Strahlenbelastung in Höhe von 1 mSv (1000 μSv) für die Normalbevölkerung und 20 mSv (20.000 μSv) für den beruflichen Bereich zu akzeptieren seien.
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ie vielleicht wichtigsten Fragen rund um das Thema Rückbau und Freimessen lauten daher: Warum betreibt man diesen gigantischen Aufwand mit dem Atomkraftwerks-Rückbau überhaupt? Welchen Sinn hat es, schwach- und mittelaktiven Atommüll aus dem Kraftwerk in ein Zwischenlager gleich nebenan zu verschieben? Welchen Sinn hat es, Materialien zu dekontaminieren und die kontaminierten Abwässer im schlechtesten Fall in die Flüsse abzuleiten? Welchen Sinn hat es, den Stahl und Beton der Gebäude abzureißen, freizumessen, und anschließend auf eine Hausmülldeponie zu fahren? Warum lässt man dann die Gebäude nicht einfach stehen? Auch das wäre so etwas wie eine Deponie. Und vor allem: Warum wollen die Atomkonzerne in Deutschland den sehr schwach aktiven Atommüll überhaupt durch Freigabe „unters Volk streuen“, während man dies in Frankreich unterlässt?
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enn sehr viele Personen mit einer sehr geringen Strahlendosis belastet werden, verursacht das eine nennenswerte Kollektivdosis, die eine gewisse Zahl an Krebsfällen zur Folge hat. Es ist hierbei insbesondere auch die Frage, ob dem Zehn-Mikrosievert-Konzept tatsächlich realitätstaugliche Annahmen zugrunde liegen. Deponiearbeiter beispielsweise könnten unter Umständen erhebliche Strahlendosen erhalten, wenn sie von Mehrfachbelastungen betroffen sind. Der Physiker Wolfgang Neumann (INTAC Hannover) weist darauf hin, dass u.a. in den „Deponiemodellen“ rechnerisch nicht berücksichtigt worden sei, dass man 20 Atomkraftwerke nahezu gleichzeitig zurückbauen will.
Kontaminierte Chemieabwässer durch Freimessen Ein weiterer Aspekt ist, dass vor dem Freimessen oftmals Dekontaminationsmaßnahmen durchgeführt werden. In Biblis A rechnet RWE beispielsweise damit, dass 3.950 Tonnen der Gebäudestrukturen „mittels verschiedener Dekontaminationsverfahren gereinigt“ werden müssen, bevor sie freigegeben werden können. So aber werden für die Dekontamination zusätzliche Materialmengen (Chemikalien) in die Anlage eingebracht, die dadurch selbst zu flüssigem Strahlenmüll werden, der entsorgt werden muss. Das
Henrik Paulitz ist Referent der IPPNW Deutschland für Atompolitik und Energiewende. 29
WELT
Den Frieden leben Treffen der FriedensnobelpreisträgerInnen im Dezember 2014
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twa 20 IPPNW-Studierende nahmen die Chance wahr, auf dem Treffen der Friedensnobelpreisträger an Workshops und Diskussionen teilzunehmen und in Rom beeindruckenden Persönlichkeiten zu begegnen.
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rägend war der Auftritt von Dr. Ira Helfand, dem IPPNW-Ko-Präsidenten, der die Folgen eines Atomkrieges so anschaulich darzustellen vermochte, dass er mit Standing Ovations bedacht wurde. Im Angesicht eines neuen Vorstoßes der österreichischen Regierung, die zugesagt hat, einen bindenden Vertrag für die Abschaffung von Atomwaffen zu initiieren, scheint es tatsächlich möglich, diese Massenvernichtungswaffen aus den Arsenalen der Großmächte zu verbannen. Die Atommächte (und auch Deutschland) stehen hier allerdings noch für eine sehr regressive Politik, könnten aber durch nationalen und internationalen Druck nach und nach zum Umdenken gebracht werden.
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a die IPPNW 1985 den Friedensnobelpreis erhalten hatte, gab es für Studierende der IPPNW die Möglichkeit, an dem Treffen teilzunehmen und in Podiumsdiskussionen und Workshops mit den NobellaureatInnen über eine friedlichere Welt zu diskutieren. Der Kongress hätte ursprünglich in Südafrika stattfinden sollen, aber nachdem die südafrikanische Regierung dem Dalai Lama auf Drängen von China kein Visum erteilt hatte, wurde der Kongress nach Rom verlegt. Dort kamen mehrere hundert Menschen zusammen: Nobelpreisträger, Mitglieder der Preisträgerorganisationen, RegierungsvertreterInnen, Studierende, SchülerInnen und natürlich VertreterInnen der Presse.
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twa 20 IPPNW-Studierende, ein Großteil davon deutsche Mitglieder, nahmen die Chance wahr, an den Workshops und Diskussionen teilzunehmen und begegneten in Rom beeindruckenden Persönlichkeiten wie eben dem XIV. Dalai Lama, Leymah Gbowee, Tawakkol Karman oder Jody Williams – allesamt
FriedensstifterInnen, die die Welt verändert haben – die vorweg gehen, um die Welt auch weiterhin zum Positiven zu verändern – FriedensstifterInnen, die uns alle motivieren, ihrem Beispiel zu folgen und uns gegen gewaltsame Konflikte und für eine gerechtere und friedlichere Welt einzusetzen.
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eymah Gbowee zum Beispiel ist eine liberianische Aktivistin, die das Leiden vor allem der Kinder ihres Landes während des zweiten liberianischen Bürgerkrieges nicht mehr aushielt und sich entschloss, weitere Frauen zusammenzutrommeln und friedlich gegen den Krieg und die unglaublichen Gräueltaten zu demonstrieren. Mit ihrer Willensstärke und ihrer Durchsetzungsfähigkeit trug sie maßgeblich zum Friedensprozess bei und strahlt auch heute noch bei ihren Reden eine immense Kraft aus. Diese Kraft und der Wille, auch schwierige Situationen zu meistern und durchzustehen, ist etwas, was sich jeder in seiner Welt zu Herzen nehmen kann und wovon er profitiert.
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in ganz besonderer Moment, der jedem Teilnehmer in Erinnerung bleiben wird, war schließlich auch die symbolische Versöhnung von Schiiten und Sunniten in Person der iranischen Menschrechtsanwältin Dr. Shirin Ebadi und der jemenitischen Journalistin Tawakkol Karman: „Schiiten und Sunniten, wir sind alle nur Menschen, da machen wir keine Unterschiede. Und Frieden und Freiheit sind universelle Menschenrechte!“, proklamierten die beiden Frauen unisono unter Tränen und Standing Ovations des Publikums. Während der Reden wurden die Nobelpreisträger auch nicht müde, die Jugend einzubeziehen und zu betonen, dass jede Arbeit, die zum Frieden beiträgt, und sei sie auch noch so klein, nicht unbedeutend ist und es wert ist, sie zu verfolgen. „Seid der Wandel, den ihr in der Welt sehen wollt“ – so das von Mahatma Gandhi geprägte und am Wochenende häufig zitierte Credo des Kongresses.
Vincent Gaertner ist Studierendensprecher der deutschen Sektion der IPPNW.
AKTION
BOCHUM
Friedenswinter Aktionswoche im Dezember 2014 Die IPPNW hat bei einer Aktionskonferenz im Oktober 2014 gemeinsam mit vielen weiteren Friedensorganisationen den „Friedenswinter 2014/15“ beschlossen. Neben Repräsentanten der traditionellen Friedensbewegung waren auch Menschen von den Montagsmahnwachen für den Frieden beteiligt. Voraussetzung dafür war ihr klares Bekenntnis zu Antifaschismus und eine Ablehnung von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Diese Kooperation führte im Dezember 2014 zu einer Aktionswoche mit vielfältigen Veranstaltungen am Tag der Menschenrechte und fünf Demonstrationen in Hamburg, Heidelberg, Bochum, Leipzig und Berlin. Allein in Berlin demonstrierten über 4.000 Friedensbewegte unter dem Motto „Verantwortung für unser Land heißt: Nein zu Krieg und Konfrontation“ für Frieden, Abrüstung, zivile Konfliktlösungen und gegen die Militarisierung der deutschen Außenpolitik.
BOCHUM
BERLIN 31
G ELESEN
Gefahr ohne Schatten
Extreme Gewalt überleben
25 Jahre nach Tschernobyl und 28 Tage nach Fukushima wird ein IPPNW-Kongress zu den Folgen atomarer Verseuchung Schauplatz eines Verbrechens.
Interviews mit traumatisierten Menschen in der Türkei, Südamerika und Ruanda
M
arlene Pfaffenzeller, IPPNW-Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, begab sich nach 30 Jahren intensiver therapeutischer Arbeit mit schwer traumatisierten Flüchtlingen selbst auf die Spuren der Vergangenheit ihrer PatientInnen. Sie bereiste Orte und Länder, in denen diese und zahllose andere Menschen unvorstellbare Qualen erleiden mussten. In ihrem Buch gibt sie den Opfern von Folter und Misshandlungen eine Stimme. Die Autorin stellt die Betroffenen „mit ihren persönlichen Geschichten in den Mittelpunkt“ – auch wenn sich zu allen dokumentierten Gesprächen aus analytischer und sozialpolitischer Sicht sicher noch vieles ergänzen ließe.
S
ebastian, Experte für erneuerbare Energien, wird von einem Auto überrollt – ein Mordanschlag – unmittelbar vor den Türen des Symposiums. Doch traf das Attentat den Richtigen? Oder sollte Jan, der im Zuge seiner Recherchen über die Machenschaften der Atomindustrie bereits in den Fokus der Atomlobby geraten ist, das Opfer sein? Jan beschließt unterzutauchen und gemeinsam mit seiner Verbündeten Rona nach Tätern und Wahrheit zu suchen. Die Flucht vor den Häschern und die Suche nach den Drahtziehern der Atomwirtschaft nimmt den Leser mit – quer durch die Republik.
„Die Gespräche mit den Menschen in Butare wühlten mich auf und lösten widersprüchliche und schmerzhafte Gefühle aus. Sie erschöpften mich körperlich, was ich auch bei den Menschen spürte, die ihre Geschichte erzählten. Einerseits zeigten sie Dankbarkeit, dass ihnen zugehört wurde, andererseits wurde in nicht verheilten Wunden gebohrt und über allem lag, obwohl gesprochen wurde, diese quälende Sprachlosigkeit des Grauens, für das es keine Worte gibt.“
Die Autorin Anika Limbach entspinnt in ihrem Roman „Gefahr ohne Schatten“ eine fiktive Geschichte über die Gefahren der Atomkraft, die Macht der Energiekonzerne und das gezielte Ausbremsen der Energiewende, zeitlich nah an der Gegenwart und mit starken Bezügen zur Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschland. Ein unterhaltsam und über weite Strecken dicht geschriebener Roman, der jedoch in Anbetracht des themeneigenen Anspruchs stellenweise oberflächlich bleibt und dem zum Ende hin etwas die Luft ausgeht.
Die dokumentierten Gespräche berichten vom Völkermord in Ruanda, dem türkisch-kurdischen Konflikt, kolumbianischen Todesschwadronen und zeichnen ein Bild des Schreckens der Vergangenheit und Gegenwart. Sie reißen den Leser mit sich in Lebenswelten geprägt von Leid, Angst und Gewalt, aber auch von Stärke, Widerstand und Glauben. Marlene Pfaffenzeller resümiert, dass „die Konfrontation mit existenzieller Bedrohung und extremem Leid bei Menschen zu Reaktionen führt, die zwar individuell unterschiedlich, aber wahrscheinlich überall auf der Welt vergleichbar sind.“ Ihr Buch ist auch ein Appell, ein Aufruf für mehr Mitgefühl und Verständnis für Menschen, die ihre Heimat unter oft grausamen Bedingungen verlassen mussten, und eine Politik, die durch ihre Handlungen und Gesetze einen wohlwollenden und menschlichen Umgang mit Flüchtlingen fördert.
Dennoch legt die Autorin mit ihrer Geschichte, angesiedelt in der komplexen Thematik von Atomkraft, Energiepolitik und Lobbyismus, ein Novum in der deutschen Spannungsliteratur vor, was den Roman trotz einiger erzählerischer Schwächen durchaus lesenswert macht. Anika Limbach: Gefahr ohne Schatten. Tredition Verlag 2014 284 S., 14,90 €, ISBN: 978-3-8495-8115-2 Nana Seidel
Marlene Pfaffenzeller: Todesangst und Überleben nach extremer Gewalt – Interviews mit traumatisierten Menschen in der Türkei, Südafrika und Ruanda. Kulturmaschinen Verlag 2014, 136 S., 15,30 €, ISBN 978-3 943977-55-4 Carla Wisselmann 32
GEDRUCKT
TERMINE
IPPNW-aktuell Irak Humanitäre Hilfe statt Waffen
MÄRZ 9.-20.3. „Lebenslang“, Ausstellung des Fotografen Rüdiger Lupricht, Dortmund
Im August 2014 flohen tausende Menschen vor dem IS in die kurdischen Städte Dohuk und Erbil. Die IPPNW-Ärztin Dr. Angelika Claußen hat mit den traumatisierten Flüchtlingen gesprochen, Krankenhäuser in der Region besucht und mit ÄrztInnen geredet. Informationen über die Situation vor Ort und die politischen Forderungen der IPPNW fasst das vierseitige Infoblatt „Irak: Humanitäre Hilfe statt Waffen“ zusammen.
14.3. Aktionskonferenz Friedenswinter, Frankfurt 19.3. Ausstellungseröffnung „Hibakusha Weltweit“, Mainz (bis 2.6.) 26.3. Start der Blockade „Büchel 65“ (bis 29.5.)
APRIL 3.-6.4. Ostermärsche
Ein Exemplar senden wir kostenfrei zu. 50 Exemplare kosten 10 Euro.
7.4. Vortrag „Die Klage der MarshallInseln", Mainz
Das Faltblatt könen Sie im Shop bestellen: www.shop.ippnw.de Online lesbar unter: issuu.com/ippnw
13.-16.4. World Uranium Symposium, Quebec 24.-26.4. IPPNW-Mitgliederversammlung, Berlin 26.4. Öffentliche Aktion „29 Jahre Tschernobyl – 4 Jahre Fukushima“
GEPLANT Das nächste Heft erscheint im Juni 2015. Das Schwerpunktthema ist:
70 Jahre Hiroshima und Nagasaki
MAI
Der Redaktionsschluss für die Ausgabe 142 / Juni 2015 ist der 30. April 2015. Das Forum lebt von Ihren Ideen und Beiträgen. Schreiben Sie uns: forum@ippnw.de
IMPRESSUM UND BILDNACHWEIS Herausgeber: Internationale Ärzte für die Verhü-
Gestaltungskonzept: www.buerobock.de, Layout:
tung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verant-
Regine Ratke; Druck: Clever24 GmbH Berlin;
wortung e. V. (IPPNW) Sektion Deutschland
Papier: Recystar Polar, Recycling & FSC.
Redaktion: Sabine Farrouh (V.i.S.d.P.), Angelika
Bildnachweise: Titelfoto: Tschernobyl-Maus mit
Wilmen, Regine Ratke, Samantha Staudte
Katarakt von Timothy Mousseau; S. 3 "21.04.13
Freie Mitarbeit: Carla Wisselmann
Tschernobyl-Jahrestag" (Bild geändert), Foto:
Anschrift der Redaktion: IPPNWforum, Körte-
Uwe Hiksch / creativecommons by-nc-sa/2.0; S.
straße 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 / 69 80
6 li. Foto: RECAP; S. 6 Mitte © Jakub Szypulka; S.
74 0, Fax 030 / 693 81 66, E-Mail: ippnw@
7 li. "Destroyed House in Gaza", Foto: Mohammed
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S. 7 Mitte "KKW Lingen 2010" Foto: ChNPP/crea-
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"Bujar and Alberto" (Bild geändert) Foto: Martin
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für
das
nächste
28.4. Vortrag „Die Nukleare Kette“, Mainz
Heft:
30. April 2015 33
8.-10.5. Europäisches IPPNWStudierendentreffen, Berlin 10.5. Friedensdemonstration zum 70. Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus, Berlin
JUNI 6.-7.6. Konferenz „Best Practice for Young Refugees“, Berlin
AUGUST 6.8. 70. Jahrestag von Hiroshima 9.8. 70. Jahrestag von Nagasaki
SEPTEMBER 13.-19.9. Global Health Summer School, Berlin
Informationen und Kontaktdaten: www.ippnw.de/aktiv-werden/termine
G EFRAGT
6 Fragen an … Michael Lüders
Politik- und Islamwissenschaftler aus Berlin – ist als Berater, Publizist und Autor tätig.
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Wie schätzen Sie die Aussicht auf einen Frieden in der Ukraine ein? Einen dauerhaften Frieden kann es in der Ukraine erst dann geben, wenn die Europäische Union und die USA bereit sind, die Sicherheitsinteressen Russlands zu respektieren. Die Eskalation des Konflikts war vollkommen unnötig und verdankt sich wesentlich dem westlichen Wunsch, die eigene Einflusssphäre immer weiter nach Osten auszuweiten. Aus russischer Sicht ist damit eine rote Linie überschritten worden – die Ukraine zahlt dafür den Preis.
Welche Handlungsoptionen bleiben der deutsche Diplomatie in dem sich verschärfenden Konflikt noch – nach bisher wenig erfolgreichen diplomatische Bemühungen? Letztlich geht es um die Frage, ob die EU bereit ist, gegenüber den amerikanischen Freunden Klartext zu reden, dass wir nicht gewillt sind, einen Krieg im Zentrum Europas entstehen zu lassen und auf eine Politik setzen, die versucht, eine Balance zu finden und auch einer tendenziösen Entwicklung in der Ukraine entgegenwirkt – angesichts des Auftritts von Herrn Jazenjuk, der hier in Berlin kürzlich erklärte, dass sowohl die Ukraine als auch Deutschland im zweiten Weltkrieg Opfer sowjetischer Aggression geworden seien. Das ist eine gefährliche Geschichtsklitterung und ich hoffe, dass sich in Berlin und in Brüssel die Einsicht durchsetzt, dass man natürlich mit Kiew eng kooperieren sollte und muss, aber nicht um jeden Preis.
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Es scheint eine Entfremdung zwischen Europa und den USA zu geben. Wird dort nicht mehr miteinander gesprochen? Ich glaube, dass die Europäer allmählich zu begreifen beginnen, dass die Interessen der USA in der Ukraine nicht notwendigerweise dieselben sind wie die eigenen. Die Verschärfung der Beziehungen zu Russland hat gravierende wirtschaftliche Folgen für Europa. Da die Amerikaner traditionell nur relativ geringen Handel mit Russland führen, sind vor allem Deutschland und andere europäische Staaten massiv betroffen. Und letztendlich bezahlen die Europäer einen Großteil der Wirtschaftshilfe für die Ukraine, die aufgrund fehlender Kontrollen aber ein Fass ohne Boden zu sein scheint, während die Regierung in Kiew für die eigene Bevölkerung im Osten des Landes alle Zahlungen eingestellt hat.
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Russland und der Iran haben ein Militärbündnis abgeschlossen. Ist das eine überraschende Entwicklung? Nein, das war eigentlich zu erwarten. Russland weiß, dass es einen Bruch gibt, der sich fortschreiben wird, und ist dabei, seine Wirtschafts- und Außenpolitik neu zu orientieren. Die großen Nutznießer dieser Entwicklung sind China, die Türkei, der Iran und Indien. Wir in Europa werden diejenigen sein, die das Nachsehen haben.
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Wie sollte die deutsche Regierung damit Ihrer Meinung nach umgehen? Eigentlich müsste eine vernunftorientierte Politik nicht nur Klartext mit Moskau reden, sondern auch gegenüber der Regierung in Kiew, dass sie an den Verhandlungstisch zurückfinden muss und nicht auf militärische Lösungen setzt, die es im Falle der Ostukraine nicht geben kann. Die Ukraine ist ein Land, das sowohl in Richtung Russland als auch in Richtung Europa ausgerichtet ist. Sie ist ein „Scharnierstaat“ – man kann nicht eine Seite gewissermaßen militärisch herausoperieren – bei aller berechtigten Kritik an der Politik Russlands.
Welche Faktoren spielen hier die maßgebliche Rolle? Der Iran hat sehr viel Öl zu verkaufen und ist bereit, eine strategische Allianz mit Russland einzugehen. Das ist natürlich auch ein Affront an die Adresse des Westens – damit verliert der Westen ein Druckmittel auf die iranische Regierung in Sachen Wirtschaftssanktionen, die nunmehr von Russland unterlaufen werden. Hier kann man beobachten, wie auch in der Geopolitik neue Konstellationen entstehen. Wir sind nicht mehr die stärksten Mächte auf der Welt, denn sie wird multipolarer – und Rechthaberei alleine ersetzt keine ergebnisorientierte Politik.
Ausgestrahlt in „Der Tag“ auf Phoenix am 20 Januar 2015. Weitere Veröffentlichungen von Michael Lüders unter www.michael-lueders.de 34
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Die beste Zukunftsanlage ist die soziale Gerechtigkeit. Übliche Geldanlagen ziehen ihre Rendite aus Ausbeutung und Ungerechtigkeit. Zerschlagung der sozialen Netze, Privatisierung der Daseinsfürsorge für die Profite der Ultra-Reichen. ProSolidar verzichtet auf Rendite. Und finanziert stattdessen Einsatz für Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und Frieden sowie für Konzernkritik.
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Fukushima 360° Das atomgespaltene Leben der Opfer vom 11. März 2011
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Im März jährt sich der Super-GAU von Fukushima. Wie sieht es heute in der Region aus? Wie hat die Atomkatastrophe den Alltag und das Leben der Menschen in Japan verändert? Der Umweltjournalist Alexander Neureuter begibt sich auf Spurensuche. Er begleitet 40 Menschen in Fukushima und erzählt davon, wie tief greifend und unumkehrbar der Atomunfall ihr Leben veränderte. Dabei entsteht ein ebenso verstörendes wie berührendes Panorama einer Region, um die es in den Medien still geworden ist.
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Unser Rezept für Frieden:
Prävention —Konferenz vom 2. bis 4. Oktober 2015 in Frankfurt am Main.