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Wir müssen den Militarismus anprangern!

Interview mit Edwick Madzimure von WILPF Simbabwe

Edwick, Sie haben in Simbabwe eine Sektion der Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF) gegründet. Sie setzen sich für Frauenrechte, Klimagerechtigkeit, Frieden und nukleare Abrüstung ein. Was hat Sie dazu gebracht hat, sich als Friedensaktivistin zu engagieren?

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Edwick: Das liegt an den gelebten Realitäten, den Situationen, mit denen ich schon als Kind konfrontiert war. Ich bin in einer ländlichen Region aufgewachsen, mein Vater hat im Bergbau gearbeitet. Ich habe auch die Folgen des Klimawandels hautnah miterlebt, denn wir mussten lange Wege zurücklegen, um Wasser zu holen. Es gab Probleme mit der Ernährungssicherheit. Meine Großmutter war auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Und es war nicht immer so, dass man die Hilfe bekam.

Das ist also ein Teil meines Lebens, und das ist auch der Grund, warum ich mich so sehr für Klimagerechtigkeit und Frieden engagiere. Konflikte und der Zugang zu Ressourcen sind eng miteinander verknüpft, vor allem, wenn es um grassroots communities geht. In meinem Umfeld gibt es Konflikte zwischen Bauern und Bergleuten. Die Menschen leben traditionell von der Landwirtschaft aber der Mangel an Regen beeinträchtigt sie. Und dann kommen Bergleute in die Gemeinde und sagen: „Okay, gut, der Regenfeldbau funktioniert nicht mehr. Wir müssen Bergbau be - treiben.“ Aber inwieweit beeinträchtigen diese Bergbauaktivitäten zusätzlich die Umwelt? Sie fällen Bäume, hinterlassen überall Abflussrinnen, und am Ende des Tages kommt es zu gewalttätigen Konflikten, zu schweren gewalttätigen Konflikten.

Die Klimakrise verstärkt auch häusliche Konflikte. Die Frauen müssen inzwischen fünf bis sechs Kilometer weit laufen, um Wasser zu holen. In unserem afrikanischen Kontext ist es ihre Aufgabe, das zu tun. Und wenn man zu spät vom Fluss kommt, droht zu Hause häusliche Gewalt. In den meisten registrierten Fällen von häuslicher Gewalt, ist das Problem, wenn man sich umhört, entweder, dass es im Haus zu wenig zu essen gab oder dass die Frau zum Fluss ging und nicht rechtzeitig zurückkam. Dann kam der Ehemann zurück und fragte: „Warum hast du kein Essen für mich zubereitet?“ Dies sind also Gemeinschaften, die unter den Auswirkungen des Klimawandels wie Ernährungsunsicherheit und Wasserknappheit leiden, was zu häuslicher Gewalt führt, die wiederum zu Gewalt auf Gemeinschaftsebene führt.

Diese Realitäten sind es, die meine Leidenschaft für die Friedensarbeit begründen. Wir haben in unsere Arbeit eine Komponente zur ökologischen Friedensförderung eingeführt, weil wir erkannt haben, dass wir die Gemeinden über Klimaschutz und Klimaanpassung aufklären können, aber auch eine friedensfördernde Komponente brauchen, weil viele Konflikte aufgrund der Klimakrise entstehen.

Sie sind auch eine Anti-Atomwaffen-Aktivistin. Wie verknüpfen Sie das mit den eben beschriebenen Problemen an der Basis? Wie bringen Sie die mit der Bedrohung durch Atomwaffen in Verbindung?

Edwick: Tatsächlich sind wir dahin gekommen, weil wir in unserer Lobbyarbeit auf Herausforderungen gestoßen sind. Es war sehr schwierig für uns, die Abgeordneten für das Thema Abrüstung zu gewinnen. Wir mussten diskutieren und begründen, dass Simbabwe Verträge wie den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet und ratifiziert. Ich habe mich hingesetzt und musste mir wirklich Gedanken darübermachen, wie ich die Mitglieder des Parlaments und auch die lokale Bevölkerung dazu bringen kann, diese Themen ernst zu nehmen.

So haben wir die Militärausgaben in den Vordergrund gerückt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: 2021 wurden 2,1 Billionen US-Dollar für Militärausgaben verwendet. Und wie viel wurde Afrika für Klimaanpassung zugesagt? 100 Milliarden US-Dollar. Die wurden aber nicht gezahlt. Und dann sind wir in Gemeinden, die drin- gend humanitäre Hilfe benötigen. Unsere Regierung sagt, dass wir kein Geld haben, den Klimawandel abzumildern oder Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen. Also haben wir angefangen, diese Argumente miteinander zu verknüpfen und zu sagen: Wir haben keine Mittel für A, B, C, D? Dann seht euch an, wie viel für das Militär ausgegeben wird. Geht auf die internationalen Bühnen und prangert den Militarismus an – das Geld, das für den Militarismus verwendet wird, statt die Klimakrise zu bekämpfen. Das statt friedlicher Lösungen mehr Gewalt und mehr Konflikte schafft.

In dem Moment, als wir damit anfingen, begannen die Gemeinden zu erkennen, dass unsere Arbeit notwendig ist. Dass wir uns bei den Abgeordneten für Abrüstung einsetzen müssen, denn der Militarismus betrifft uns alle auf diese Art und Weise. Ich habe auch festgestellt, dass es auf unserem Kontinent viel Unwissenheit über die Themen gibt, die mit Militarismus und Atomwaffen zu tun haben. Und diese Unwissenheit rührt daher, dass Afrika keine Atomwaffen hat und wir (bis auf Südafrika) keine Atomkraftwerke besitzen.

Unsere Regierungen sagen uns, dass wir den Vertrag von Pelindaba unterzeichnet haben. Das reicht, wir brauchen nicht mehr zu tun. Wenn man mit den Mitgliedern des Parlaments spricht, wissen sie nicht einmal, wie sie diese Themen auf den Tisch bringen können. Wenn sie bilaterale Abkommen schließen oder auf internationalen Konferenzen wie etwa beim Klimagipfel COP27 verhandeln, erwähnen sie die Militärausgaben, Atomwaffen oder Atomenergie normalerweise nicht einmal. Wir müssen die Themen für sie aufschlüsseln, damit sie ihrerseits aktiv werden können.

Als Vertreterin von WILPF nähern Sie sich diesen Themen aus einer feministischen Perspektive. Wie würden feministische Lösungen aussehen? Was würde das bedeuten, sowohl auf der Ebene der internationalen Politik, als auch auf lokaler Ebene?

Edwick: Wenn wir uns mit feministischem Frieden befassen, geht es normalerweise um Gleichberechtigung. Wir können fragen, warum bei der Diskussion über die Klimakrise die großen Verschmutzer diejenigen sind, die die Entscheidungen treffen? Es ist seltsam zu glauben, dass die Verursacher Entscheidungen treffen, die für alle sinnvoll sind. Es geht also um Gleichheit. Wir brauchen die gleiche Macht, den gleichen Raum, um etwas sagen zu können und angehört zu werden. Nicht nur international, auch auf unserer nationalen Ebene, denn der Mangel an Gleichberechtigung hat auch Auswirkungen auf unsere lokalen Lösungen für die Klimakrise. Wir erleben oft, dass in unseren Ländern die Prioritäten falsch gesetzt werden, es profitiert die Elite. Wenn wir gleichberechtigten Zugang haben, wenn wir Entscheidungen treffen können und an der Erarbeitung von Lösungen beteiligt sind, kann das meiner Meinung nach helfen.

Eine letzte Frage: Was ist es, das Ihnen Hoffnung gibt?

Edwick: Ich denke, diese Diskussionen, die wir führen, geben mir Hoffnung. Letztes Jahr, als ich am Klimagipfel COP27 teilgenommen habe, war mein Hauptziel, von anderen Aktivist*innen zu lernen, was sie tun und welche praktischen Lösungen sie vor Ort umsetzen. Es gibt mir Hoffnung, wenn wir das Wissen, das umgesetzt wird und hilfreich ist, teilen.

Das Interview wurde am Rande des 23. IPPNW-Weltkongresses in Mombasa, Kenia aufgezeichnet. Edwick Madzimure war als Referentin eingeladen und sprach über die Folgen der Klimakrise und gewaltsamer Konflikte für Frauen in ländlichen Gemeinden in Simbabwe. Im Rahmen eines Workshops vernetzte sie sich außerdem mit Aktivist*innen gegen Uranbergbau, ein wichtiger Schritt, um der gesamten nuklearen Kette und ihren Folgen – vom Uranbergbau über Atomenergie bis hin zur Atomwaffe – in Afrika entgegenzutreten (siehe auch S. 26f.). Das Interview führte Laura Wunder.

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