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Die Spürnasen der Transportpolizei

Claus Luterbacher wurde als Kind von einem Schäferhund gebissen – und hielt Hunde lange «für die unnützesten Tiere der Welt». Weshalb er heute dennoch als vollamtlicher Hundeführer bei der TPO arbeitet, gleich zwei Diensthunde hat und sich keinen besseren Job vorstellen kann, hat er uns erzählt.

Nein, Claus Luterbacher ist kein Hundemensch der ersten Stunde. «Als Kind wurde ich von einem Schäferhund attackiert. Er riss mir die Wange auf und hinterliess mich mit Schmerzen, Wut und einer tiefen Abneigung gegen Hunde», erzählt er. Entsprechend konnte sich der heute 52­Jährige bis vor 20 Jahren nicht vorstellen, jemals selbst einen Hund zu halten – oder einen solchen gar ins Zentrum seines beruflichen Handelns zu stellen und mit diesem ein Hundeleben lang sein Zuhause zu teilen.

Claus Luterbacher mit seinem Diensthund Kiwi bei der Kontrolle eines Lkw.
© zVg

Vom Bissopfer zum Hundehalter

Doch bekanntlich kommt vieles anders, als man denkt. In Claus Luterbachers Fall «schuld» an dieser Veränderung war ein Hund der Rasse Australian Sheperd. «Als ich erstmals einen solchen Hund erblickte und sah, wie dieser mit seinem Besitzer interagierte, war ich fasziniert», erzählt Claus Luterbacher. Die Faszination überwog seine Aversion – und so kam es, dass Claus Luterbacher einige Zeit später mit einem selbst ausgebildeten Personensuchhund der Rasse Australian Sheperd beim Deutschen Roten Kreuz aktiv wurde. «Der Hund kam auch in der Schweiz zum Einsatz», erinnert er sich. «Eine Person war aus einem Demenzheim abgängig, an einem bitterkalten Februartag, bei Temperaturen tief unter dem Gefrierpunkt. Da kein anderer Suchhund sofort verfügbar war, rief man mich zu Hilfe. Mein Hund konnte die Spur der Person bis zu einer Bushaltestelle verfolgen – und wenig später wurde die vermisste Person in einem Bus aufgefunden.»

Vollamtlicher Hundeführer bei der TPO

Seit mehreren Jahren schon ist Claus Luterbacher einer von gut einem Dutzend vollamtlicher Hundeführer bei der TPO. In dieser Funktion lebt er mit gleich zwei Hunden zusammen: mit Kiwi, siebeneinhalb Jahre, und Oryx, drei Jahre jung. Beide sind Labradore, einer schwarz und einer braun. Beide kamen, wie alle Hunde der TPO, als Welpen zu Claus Luterbacher – und leben bei diesem zu Hause, bis zu ihrem letzten Tag, was für alle Diensthunde gilt.

Die Ausbildung der beiden Sprengstoffspürhunde (wobei Kiwi zuerst auf die Personensuche spezialisiert war) erfolgte in den Reihen der TPO. «Wir bilden alle unsere Hunde selbst aus», sagt Claus Luterbacher. «Das dauert rund anderthalb bis zwei Jahre und endet mit der SPV­P rüfung. Wobei mit erfolgreicher Ablegung dieser Minimalprüfung alles erst beginnt. Denn wie der Mensch wird auch der Hund erst mit zunehmender Erfahrung gut und immer besser.»

So sei, erzählt Claus Luterbacher, der dreijährige Oryx aktuell noch sehr auf ihn fixiert. «Er orientiert sich eng an mir, sucht bisweilen meine Anleitung, wenn er noch unsicher ist», erzählt Claus Luterbacher. Demgegenüber sei der siebeneinhalb Jahre alte Kiwi, der schon mehrfach Erfolge feiern konnte, deutlich abgeklärter, selbstbewusster und eigenständiger. «Als ehemaliger Personenspürhund ist Kiwi selbstständiges Suchen einfach gewohnt. Zudem hat er schon viel Erfahrung im Dienst gesammelt – und spart daher, wann immer es ihm möglich ist – seine Energie. So kann er im Ernstfall länger besser bei der Sache bleiben.»

Vielfältige Aufgaben

Der Ernstfall für Kiwi und Claus Luterbacher sind, abgesehen von VIP­Besuchen oder Bombendrohungen, insbesondere präventive Erstabklärungen, beispielsweise von herrenlosen Gegenständen im Bahnhofsbereich. Aber auch das regelmässige «Scannen» der Schliessfächer sowie anderer als potenzielle Verstecke geeigneter Einrichtungen und Dinge im Bahnhof gehört zum täglichen Brot der Sprengstoffspürhunde. «Bei der sogenannten Aktivsuche, etwa an den Schliessfächern, leite ich den Hund konkret an, zeige ihm, wo genau er suchen soll», erklärt Claus Luterbacher. «Demgegenüber steht die wesentlich häufigere Passivsuche, bei der ich dem Hund nur den örtlichen Rahmen – etwa die Bahnhofshaupthalle inklusive der Perrons – vorgebe, ihm die Sucharbeit in diesem Sektor dann aber grundsätzlich selbst überantworte.»

In diesem Fall profitiert Kiwi von seiner Erfahrung, seiner guten Nase und der Freiheit, die Claus Luterbacher ihm bei der Arbeit lässt. Er streckt die Nase in die Höhe, scannt die Luft nach verdächtigen Gerüchen und folgt, sobald er einen solchen wahrnimmt, dessen Spur bis zu seiner Quelle. «Das kann Aussenstehende bisweilen etwas skurril aussehen», schmunzelt Claus Luterbacher. «Denn bei der Passivsuche übernimmt der Hund den Lead – und ich folge ihm. Da kann es durchaus vorkommen, dass Kiwi plötzlich heftig an der Leine ruckt und schnurstracks in eine ganz andere als die von mir eigentlich eingeschlagene Richtung losmarschiert. Ich lasse mich dann von ihm an der Leine hinterherziehen –ganz so, wie ein Hundebesitzer sich von seinem schlecht erzogenen Hund durch die Gegend schleifen lässt.»

Die Sprengstoffspürhunde werden auch in den Zügen eingesetzt.
© zVg

Gute Spürhunde agieren selbstständig

Claus Luterbacher freilich käme es nie in den Sinn, Kiwi in einem solchen Augenblick zu massregeln. «Ich weiss, dass das, was ich jetzt sage, nicht bei allen auf Wohlgefallen stossen und mir auch Kritik einbringen wird», sagt er. «Aber eine erfolgreiche Passivsuche bedingt eine gewisse Selbstständigkeit des Hundes. Blinder Gehorsam und vor allem das unbedingte Orientieren an mir als Mensch ist dabei fehl am Platz! Ich als Hundeführer muss dem Hund den nötigen Raum, die Freiheit und das Vertrauen geben, dass er selbst entscheiden kann, was er für interessant hält und was nicht. , sage ich! Dabei hat Kiwi mich noch nie enttäuscht. Er behielt bisher in 99,995 Prozent der Fälle, in denen ich z weifelte, recht! Und er hat in sieben seiner bisher neun Sucherfolge auf eigene Initiative losgelegt – und mich absolut sicher zum Zielobjekt geführt.»

Ein solches «Zielobjekt» riecht immer nach irgendetwas, das mit Sprengmitteln zu tun hat – und die Suche danach ist für Kiwi nicht mehr als ein spannendes Spiel, an dessen Ende ihn eine Belohnung erwartet. «Wir trainieren die Hunde während der Ausbildung anhand diverser Proben, zu denen auch Vorläuferstoffe gehören, die unter anderem als Bindemittel oder Booster verwendet werden», erklärt Claus Luterbacher. Hier nutzen wir ihren angeborenen Such­ und Spieltrieb zur Motivation.» Dabei zeige sich schnell, ob diese Arbeit einem Welpen Spass bereitet. «In der Regel reagieren die Hunde topmotiviert. Was auch daran liegt, dass wir unsere Hunde von erfahrenen Zuchten beziehen, die ihre Tiere seit Generationen zielgerichtet auf die geforderten Leistungsmerkmale hin selektieren.»

Hundeführer wird man nicht sofort

Ebenso gründlich werden auch die Hundeführer der TPO selektiert und ausgebildet. «Als Hundeführer beginnt man nicht gleich nach der Ausbildung», verrät Claus Luterbacher. «Wie der Hund muss auch der Mensch zunächst Erfahrungen sammeln – und viel lernen.»

Dazu gehören neben dem Einführungskurs Sprengtechnik auch das Absolvieren des Sprengbrevets B und der Besuch des zweiteiligen Erstabklärerkurses. Erst nach dieser Ausbildung – und nach dem Sammeln von genügend Berufs­ und Lebenserfahrung – kann man Hundeführer bei der TPO werden. «Dafür bietet die TPO als einzige Polizei die Chance, vollamtlich Hundeführer zu sein, ohne, wie sonst üblich, parallel auch im Bereich Hundeausbildung tätig sein zu müssen», verrät Claus Luterbacher.

Um Hundeführer bei der TPO werden zu können, muss man eine mehrteilige Ausbildung absolvieren und genügend Berufs­ und Lebenserfahrung mitbringen.
© zVg

Rund ein Dutzend Diensthunde

Das gesamte «Diensthunde­Rudel» der TPO besteht aktuell aus neun Sprengstoffspürhunden, wovon einer aktuell in Ausbildung ist und ein weiterer erst kürzlich – im Welpenalter – in die TPO «eintrat». Sie alle sind Labradore – weil die Menschen an den Bahnhöfen auf diese Hunderasse weniger stark negativ reagieren als auf sogenannte «Spitzohren» wie Belgische oder Deutsche Schäferhunde. «Letztere setzen wir aber als kombinierte Schutz­ und Drogenspürhunde ein, derzeit insgesamt fünf an der Zahl», erläutert Claus Luterbacher.

Er selbst ist glücklich mit seinen beiden Labradoren Kiwi und Oryx – und gibt zu, dass er nie wieder sagen würde, Hunde seien unnütze Wesen. «Ich habe gelernt, dass Hunde wunderbare Tiere sind, die Dinge können, bei denen wir chancenlos sind», sagt er. «Ausserdem sind Hunde absolut loyal, immer ehrlich und sie machen nie mit Absicht oder bewusst etwas falsch, nur um uns zu ärgern oder zu verunsichern. Was mich aber am meisten fasziniert, ist die Tatsache, dass Hunde immer nur im Jetzt und Hier leben. Sie denken nicht daran, was gestern oder letzte Woche war – und sinnieren nicht darüber, was morgen sein könnte. Sie leben in der Gegenwart – und machen genau das, was jetzt, in diesem Moment, wichtig und nötig ist. Genau das macht sie zu den effizientesten Partnern, die man sich nur vorstellen kann.»

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