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#2 cojonna
Ausgangspunkt
Cojonna Was passiert, wenn sich eine Schrift auf ein Formmerkmal reduziert und dieses konsquent und extrem auffällig anwendet? Wenn ein schmuckvolles Element wie die Tropfenserife auch an unkonventionellen Stellen überzogen eingesetzt wird? Nicht Zeichen mit Tropfenserifen, sondern Tropfenserifen mit Buchstaben entstehen – kann das noch einer lesen? Ihren Namen verdankt die Cojonna ihren ausgeprägten Tropfenserifen. Die im Englischen als ballterminals bezeichneten Strichenden erinnern an die umgangssprachliche Formulierung: »girl, you have got balls!« beziehungsweise dessen spanischamerikanische Variante »you have cojones!« – Cojonna ist eine weibliche Schrift die Mumm hat, die sich etwas traut.
Ausgangspunkt für diese Schrift ist eine Didot mit klassizistischen Serifen, hohem Strichstärkenkontrast und ausladenden Ober- und Unterlängen. Ligaturen, gerade für ungewöhnliche Buchstabenübergänge, könnten für mehr Dynamik und Rhythmus sorgen und das Element der Tropfenserife auf die Nachbarbuchstaben übertragen.
Dezente Tropfenserifen und statische Schattenachse einer Didot
Ausgeprägte Tropfenserifen und organische, leicht geneigte Achse
#2 cojonna
#2 Cojonna
Glyphen-entwicklung
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01 Erste Skizzen mit hauchdünnen Glyphen, extrem betonten Tropfenserifen und teils 02 sehr verspieltern Formen.
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03 leblose, vertikale Schattenachse. 04 Trotz Betonung optisch angenehm lesbare Tropfengröße.
04 04 Optimalerweise bilden auch die Punzen eine Tropfenform.
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05 Um die schwungvolle Anmutung der Tropfen auch auf tropfenlose Zeichen zu übertragen, orientieren sich die Serifen an einer aufrechten Kursive.
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06 Zu wenig Dynamik in der aus der Kursiven entspringenden Form.
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07 Ungewöhnliche Richtung des Ohrs, mit gewöhnlicher 08 unterer Schleife.
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09 Überarbeitung einer Didot mit geneigter Achse, verstärktem Tropfen und möglichem Übergang bei einer Ligatur. 10 Ähnlich zu 01, die gefüllte Punze lässt die Glyphe ausschließlich aus Tropfen und Linie bestehen. 08
11 Ungewöhnliche, aber interessante Position der Tropfens an der stärksten Stelle des Schwungs statt am Strichende. 12 Kritischer Überhang in der Nachbreite – evtl. als Alternativ-Zeichen zu verwenden. 13 Zu verspielte Formen und häufig wechselnde Richtungen der Schwünge stören den Fluss des Schriftbildes.
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Glyphen-entwicklung
#2 cojonna
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14 Ligaturen sorgen für die Fortführung der Dynamik der Schrift und übertragen den Schwung der Tropfen auf benachbarte Zeichen. 15 Zu ungewohnte Richtung in der Form des Tropfens.
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16 Verstärkter Schwung in die obere Diagonale, auch im Hinblick auf die Ligaturen, dafür ein 17 geometrischer, gerader Abschluss durch die untere Diagonale.
18 18 Verkehrte Richtung im Bogen des Schwunges zum i-Punkt.
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19 Idee zu einer eckigen Punze als möglichen Kontrast zur geschwungenen Tropfenserife. 20 Um ein Gegengewicht zum Tropfen des unter Schweifs zu setzen ist die -Form um 180° gedreht.
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24 21 Rechtsgeneigtes Ohr als möglicher Übergang zum nachfolgenden Zeichen.
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22 Ungewöhnliche Position des Tropfens wie bei 11. 23 Symbiose aus geradlinigen Formen der tropfenfreien Zeichen und dynamischen Schwüngen.
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24 Überlegung zu einer extrem weitlaufenden Cojonna.
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25 Schwierige Situation, da hier sowohl der mittlere Bogen, als auch die Tropfen betont werden müssen, der Grauwert des ganzen Zeichens aber nicht zu dunkel werden darf.
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26 Zu früher Einlauf des Bogens in den Tropfen lässt diesen nicht rund genug erscheinen. 27 Ligatur auch für ungewohnte Buchstabenkombinationen.
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Auswertung
es ist beinahe ausgeschlossen, etwas zugleich zu betrachten und zu lesen. es sind nun einmal unterschiedliche handlungen. Cojonna Light / 21 pt Gerard Unger
Die Cojonna vereint die Eleganz und statische Ruhe einer klassizistischen Antiqua mit der organischen Dynamik verspielter Schwünge und ausgeprägten, schmuckvollen Tropfen. Die zahlreichen Ligaturen sorgen für ein leidenschaftliches und rhythmisches Schriftbild. Verschmelzungen an weniger üblichen Verbindungen überragen den schwungvollen Charakter auf vorherige und folgende Zeichen. Der Fokus auf das gebräuchlicherweise dezente Schmuckelement setzt die Konzentration auf die zu lesenden, zurücktretenden Buchstabenformen voraus. In großen Schriftgraden und kurzen Textzeilen entfaltet sich der Charakter der Cojonna und lässt sich als Displayschrift für dekorative und verspielte Schriftzüge im Editorialdesign, der Gestaltung von Signets oder Verpackungen verwenden.
Partiell können noch tropfenlose Wörter entstehen für die weitere Ligaturen nötig wären, um das Gestaltungskonzept der Cojonna durchgehend zu verstärken. Die Ergänzung der noch fehlenden Versalien, stellt einen hohen Anspruch dar, da diese sich durch viele Geraden und wenige gebogene Strichenden kennzeichnen. Zu weiteren Vervollständigung des ganzen Zeichensatzes wären noch Textziffern mit ihrer harmonischen Integration in Fließtexte denkbar. Darüber hinaus könnte ein fetter Schnitt entstehen, in dem auch die teils tropfenförmigen Punzen verstärkt zum Ausdruck kommen würden.
Besonderheiten
#2 cojonna
Mögliche Verwendung im Packaging und der Signetentwicklung: Die Cojonna Light (115 pt) in Kombination mit der Univers Light Ultra Condensed (32pt).
Die Cojonna besitzt mehr Ligaturen, als einfache Buchstaben. Die 33 Doppelbuchstaben setzen sich per OpenType-Feature automatisch mit dem Gebrauch der Schrift ein. feature liga { sub c t by c_t; sub c k by c_k; sub c h by c_h; sub f f by f_f; sub f h by f_h; sub f t by f_t; sub f b by f_b; sub f l by f_l; sub f k by f_k; sub f v by f_v; sub f y by f_y; sub f w by f_y; sub f u by f_u; sub f i by f_i; sub f j by f_j; sub g n by g_n ; sub g t by g_t; sub g m by g_m; sub g u by g_u; sub g p by g_p; sub g i by g_i; sub g j by g_j; sub g‘ g by g.alt; sub g odieresis by g_odieresis; sub g adieresis by g_adieresis; sub g udieresis by g_udieresis; sub i t by i_t; sub i p by i_p; sub i y by i_y; sub i w by i_w; sub i v by i_v; sub k n by k_n; sub k m by k_m; sub k u by k_u; sub k p by k_p; sub k i by k_i; sub q u by q_u; sub r u by r_u; sub r i by r_i; sub s p by s_p; sub s h by s_h; sub s k by s_k; sub s s by s_s; sub s t by s_t; sub t y by t_y;
Cojonna Light
abcdefghij klmnopqrs tuvwxyz äöüß��.,@ � � � � ff � fi fj fk fl � � � fy gä � gj � � � � � � � � ip � � � kn � ki ku kp � ri sh sk sp ���� Schriftgestaltung am Rande, aber im Rahmen der Lesbarkeit Bachelorarbeit von Jakob Runge ( jakob@26plus-zeichen.de) 2010 Hochschule Würzburg-Schweinfurt