Teatro Oficina weitergedacht

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TEATRO OFICINA WEITERGEDACHT



„Nur die Existenz eines öffentlichen Raumes in der Welt und die in ihm erfolgende Verwandlung von Objekten in eine Dingwelt die Menschen versammelt und miteinander verbindet, ist auf Dauerhaftigkeit angewiesen.”1

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Hanna Arendt, S.12



TEATRO OFICINA WEITERGEDACHT

Jannis Nicolai Renner | Masterthesis | HTWG Konstanz | Fakultät Architektur und Gestaltung | Fachbereich Architektur | Prof. Myriam Gautschi | Sommersemester 2015


Inhalt

01 02 03 04


Prolog. prólogo. Ein Brückenschlag. uma aproximação. 01 Ein Land im Aufbruch 02 Semana de Arte Moderna 1922 03 Das Anthropophagische Manifest 04 Die Escola Carioca 05 Die Stadt São Paulo 06 Die Escola Paulista 07 Brasilien und der Tropicalismo

Das Land Brasilien

Eine Stadt die überwältigt Teatro Oficina - ein Theater der anderen Art Samba und Maracatú

60 62 73 79 92

Eine Reflexion. uma reflexão. 01 Der öffentliche Raum in São Paulo 02 Das Viertel Bixiga 03 Lina Bo Bardi wird 100 04 Die Welt des Teatro Oficina

Ein Tauchgang. uma imersão. 01 Vor Ort

weitergedacht. refleti. 01 Das Ankommen 02 Espaço das Culturas - Ort der Kulturen Epilog. epílogo.

12 15 21 25 29 38 46 54

Praça Vitor Civita MASP Parque Ibirapuera Casa das Pedras Minhocão Bixiga SESC Pompeia Centro Cultural São Paulo Feira do Pinheiros Teatro Oficina Praça das Artes O Banquete Basilica da Nossa Senhora do Carmo

104 106

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Prolog

„Der Unterschied zwischen dem privaten und dem öffentlichen Bereich läuft letztlich auf einen Unterschied zwischen Dingen, die für die Öffentlichkeit, und denen, die für die Verborgenheit bestimmt sind, hinaus.”2

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Arendt 2015, S.22

Warum Brasilien? Warum ein Land in Lateinamerika, so fern ab der Heimat? Die Antwort darauf fällt mir leicht. Vor zwei Jahren hatte ich durch Frau Prof. Myriam Gautschi mit der SummerSchool São Paulo 2012 die Möglichkeit, das erste Mal nach Brasilien zu reisen. Das Land, seine Kultur, seine unvergleichliche Lebensfreude, der espirito brasileiro faszinierte mich sofort, zog mich in seinen Bann und ließ mich seither nicht mehr los. Eine erste Annäherung, das Betrachten von außen, war schon unsere Vorarbeit der SummerSchool São Paulo 2012, in der wir das Land, die Kultur und Architektur analysierten,verglichen und aufarbeiteten. Die Auseinandersetzung mit dem Wesen des Brasilianers, der Kultur, Architektur gaben mir von vorneherein einen tieferen Einstieg als das bloße Bereisen des Landes als Tourist. Die sechs Wochen in Brasilien gaben mir aber natürlich nur punktuelle und flüchtige Einblicke. Durch mein gesamtes Masterstudium beschäftigte ich mich in Kursen auf verschiedenste Art

und Weise mit dem Land. Die Faszination Brasiliens führte mich im Sommersemester 2014 für acht Monate in die Weltmetropole São Paulo zurück. Dieser mehrmonatige Auslandsaufenthalt in São Paulo, der Alltag in Brasilien, ließ mich das Land von innen heraus erleben und verstehen. Ich hatte die Möglichkeit, nicht nur die Stadt und ihre Umgebung, sondern auf vielen Reisen auch einen großen Teil des Landes kennenzulernen. Die kulturellen Einflüsse und Unterschiede zwischen Süden und Norden, die atemberaubende Natur vom Urwald bis zur Wüste, all das zeigte mir die Vielschichtigkeit Brasiliens und seiner Kultur. Eine Faszination, die mich in meinem letzten Jahr prägte und mich noch viele Male in dieses wundervolle Land zurückführen wird. Das Eintauchen, Leben und Erleben führte mich ein in eine neue Kultur, die durch ihre Gegensätze geprägt ist. Die Angst vor der Kriminalität, die Abschottung der Reichen mit Zäunen und Mauern, die Obdachlosen auf der Straße,


der Samba in den Bars, eine Vielfalt an Gegensätzen, an Missständen und gleichzeitiger Lebensfreude, die aufeinanderprallt und kaum in Worte zu fassen ist. Escola da Cidade. Die „Schule der Stadt“. Die Schule inmitten der Stadt: nicht gesichert durch hohe Mauern oder Zäune vor der Armut, Abfall, Alkohol und Drogen. Der Name der Schule ist Programm. An dieser Schule in Sao Paulo studierte ich. Das Programm dieser Schule für Architektur steht im Gegensatz zur Realität: in der Stadt wird der Aufenthalt auf der Straße vermieden. Der öffentliche Raum scheint nicht zu existieren, wird zurückgedrängt in Einrichtungen, die Straße bleibt Verkehrszone, die Plätze werden nicht genutzt. Im Gegensatz dazu ist das Konzept der Escola da Cidade, die öffentlichen Räume zu transformieren, diese „NichtOrte“ wahrzunehmen, woran ich durch mein Studium teilhaben konnte. Diese Auseinandersetzung mit öffentlichem Raum in einer Stadt der Gegensätze, eine tägliche unbewusste Analyse des Vorhandenen prägte meine Wahrnehmung und mein Verständnis für die Stadt: Unorte wie der Praça Republica, die nicht funktionieren, das Aufleben des Minhocão, der sonst vielbefahrenen Hochstraße, am Wochenende, zeigt das ungenutzte Potential der öffentlichen Räume der Stadt. Der Besuch vielerlei kultureller Einrichtungen und Zentren, wie des SESC Pompéia und des CCSP, erweiterten den Horizont des Erlebten. Das Teatro Oficina. Früh wurde ich auf diesen herausstechenden Ort und seine Geschichte aufmerksam. Die Bedeutung des Teatro Oficina für Brasilien und die aktuelle Problematik des Ortes und des Theaters fesselten mich: mitten im Zentrum gelegen, hat auch das Theater mit

den Problematiken des öffentlichen Raumes, der Kriminalität und Abschottung zu kämpfen. Als kulturelle Instanz in der Entwicklung Brasiliens spielt das Teatro Oficina auch politisch eine wichtige Rolle in der Stadt. Umgeben von Brachflächen erscheint das Teatro isoliert in seiner Umgebung. Die nie gänzlich umgesetzten Entwurfsgedanken von Lina Bo Bardi für das Teatro Éstadio und die Überlegungen von Paulo Mendes da Rocha für diesen Ort, möchte ich aufgreifen, weiterdenken - weiterentwickeln. Ich möchte die Möglichkeit ergreifen, auf die Bedürfnisse der Anwohner einzugehen, zu reagieren und einen Ort der Verbindung zu schaffen. Mir die Frage stellen, was dieser Ort im heutigen São Paulo bedeutet, wie eine Annäherung über die geographischen und geschichtlichen Hintergründe des Ortes und des Teatro Oficina, den öffentlichen Raum und die Entwurfsfindung einer kulturellen Einrichtung unterstützen und beeinflussen kann und wie öffentlicher Raum in São Paulo neu gedacht werden kann. Entstehen soll ein neues Bewusstsein für den Ort, für das Viertel, für die Kultur: für das Miteinander. Für mich als Europäer bedeutet das gleichzeitig eine Annäherung an brasilianische Wurzeln und Traditionen. Ein Wechselspiel zwischen dem Eintauchen in die brasilianische Kultur und Geschichte und meiner Prägung durch den europäischen Hintergrund. Dieses Wechselspiel spiegelt sich auch im Aufbau meines Buches wieder: Ein Brückenschlag in das für mich neue Land Brasilien, im weiteren die Reflexion des Gelernten in Deutschland, dann ein Tauchgang in die einzigartige und faszinierende Kultur und schließlich das Weiterdenken der konzeptionellen Ideen des Teatro Oficina. 11


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01 02 03 04 05 06 07

Ein Brückenschlag.

Ein Land im Aufbruch Semana de Arte Moderna 1922 Das Anthropophagische Manifest Die Escola Carioca Die Stadt São Paulo Die Escola Paulista Brasilien und der Tropicalismo

Das Land Brasilien

aproximação.

Eine Stadt die überwältigt Teatro Oficina - ein Theater der anderen Art Samba und Maracatú



BELEM

*

MANAUS

*

*

SÂO LUIS

*

FORTALEZA NATAL

* *

RECIFE

SALVADOR DA BAHIA

*

BRASILIA

BELO HORIZONTE

SÂO PAULO

*

*

* *

RIO DE JANEIRO


01 Ein Land im Aufbruch

„Man bemüht sich, nicht dem technischen Wahn zu verfallen. Das sieht man an den Städten. Sie haben eine eigene brasilianische Schönheit. Nicht die Schönheit des Organischen, und nicht die Schönheit des Historischen wie die europäischen Städte. Sondern die Schönheit des Geistes der seine Grenzen zu erkennen beginnt, denn er ist durch die Rückschläge anderswo bescheidener geworden.”3

3

3

15

Vilém Flusser 1994, S.57


16


Ein Land im Aufbruch. Die Kolonialherrschaft der Portugiesen in Brasilien ist ein Zeitalter der Unterdrückung, Versklavung und der Ursprung der sozialen Ungleichheit, die im heutigen Brasilien so deutlich ist. Auch wenn heute Kolonialstädtchen wie Ouro Preto (Minas Gerais), Paraty (Rio de Janeiro) oder Olinda (Pernambuco) mit ihrer Kolonialarchitektur beliebte touristische Ziele sind und die positiven Seiten der Kolonialisierung zeigen. Als Terra Incognita4 wird Brasilien früher auf Landkarten benannt. Ein völlig unbekanntes Land, dass scheinbar mit keiner eigenen „Kultur “ aufwarten kann. So ist zumindest der Eindruck der ersten portugiesischen Siedler, die [003] Terra Incognita [004] Das indigene Dorf Yawalapíti

4 zu deutsch: „das unbekannte Land“

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Brasilien lange mit ihrer europäischen Kultur überschwemmen ohne auf örtliche, völlig neue und unbekannte Begebenheiten Rücksicht zu nehmen. 1500 entdeckt, bleibt Brasilien, das seinen Namen dem viel exportierten Pau Brasil, dem rötlichen Brasilholz, verdankt, bis 1822 als Kolonie bestehen.

Da die Kulturen der indigenen Bevölkerung häufig ihre Standorte wechseln, spiegelt sich dies auch in ihrer Baukultur wieder. Hier lassen sich nicht wie in Peru Jahrtausend alte Bauten der Inkas auffinden. Meist aus Holz und Blättern gebaut, sind die erbauten Strukturen vergänglich und finden auch in der Entwicklung der Architekturmoderne in Brasilien kaum Berücksichtigung. Lediglich das Gemeinschaftsgefühl, das im öffentlichen Raum der heutigen Zeit so enorm wichtig ist, lässt sich schon dort finden, da die indigenen Hütten bis zu 140 Personen beherbergen können. Die ältesten noch existierenden Gebäude in Brasilien sind die ersten Kolonialbauten, die reine Exporte der portugiesischen Kultur sind. Erst im 18. Jahrhundert entwickelt sich eine Andeutung von eigener Architektursprache im brasilianischen Barock, der jedoch eine Ausnahme bleibt.5 Der Namensgeber, das Brasilholz, wurde erstes Exportgut der Kolonie. Sofort wurde zudem Rohrzucker angebaut. Da die indigene Bevölkerung als Sklavenarbeiter nicht ausreichen und die Menschen früh verstarben, wurden bald auch afrikanische Sklaven „importiert“. Diese brachten die bis heute im Nordosten Brasiliens so wichtige afrikanische Kultur und Religionen mit in die Kolonie.6 [005] Der Namensgeber Brasiliens, Pau-Brasil. [006] Eine der gemeinschaftlichen indigenen Dorfhütten.

5 6

vgl. Becker 2012, S.39 - 45 vgl. Rüdiger 2012, S.509

18


Das Land Brasilien. Ich komme an, reise durch das Land. Wo ich hinkomme, werde ich mit offenen Armen empfangen: ein Dorfbewohner, der den Strand entlang eilt, mir den Weg zeigt, und, als er bemerkt, dass ich ihn nicht verstehe, kehrt macht und mit mir geht, um mich zu meinem Ziel zu bringen; ein Fischer, der mich zum Übernachten in sein abgelegenes Dorf mitnimmt, oder ein Angestellter, der mir im Chaos der Großstadt aus der Patsche hilft. Ein reizvolles Land, mit atemberaubender Natur, faszinierenden Städten und einer einzigartigen Kultur. Die Gegensätze von Natur und Stadt sind extrem. Die einsame Idylle spüre ich an weiten Stränden und in endlosen Naturparks, das Chaos und die Geschäftigkeit in der rasanten Großstadt mit einem Hochhäusermeer bis an den Horizont.

Durch jede in Brasilien geborene Generation löst sich das Land weiter von seinem Mutterland. Die wirtschaftliche Entwicklung führt gleichzeitig zu der Entwicklung einer eigenen Identität als Brasilianer. Die Unabhängigkeit anderer Kolonien wie die USA und auch die Französische Revolution bestärkt die Einheimischen in ihrem Wunsch, auch unabhängig zu werden. Wegen der Flucht des gesamten Königshauses nach Brasilien, wird das Land nach seiner Unabhängigkeit 1822 zu einem Königreich und später, bis zur Gründung der Republik 1889, von einem Kaiser regiert.

[007] Ein indigener Stamm im Amazonas bei einem traditionellen Dorffest. [008 ] Rio de Janeiro um 1900.

7

19

vgl. Becker 2012, S.39 - 45

Eine weitere Einwanderungswelle schwemmt aktuelle europäische Einflüsse und Kulturen mit über den Atlantik und führt dazu, dass die Kolonie weiterhin eng mit Europa verbunden bleibt.7 In den Folgejahren führt ein Aufstand von Getúlio Vargas 1930 zu dessen Machtübernahme. 1954 beginnt er wegen Kritik an seiner Politik, und dem dadurch entstehenden Druck der Rechten und der Militärs, Selbstmord. Juscelino Kubitschek wird sein Nachfolger. Unter seiner Führung entsteht wenig später die neue Hauptstadt Brasilia. Doch auch seine Zeit im Amt bleibt begrenzt, er wird schon 1960 abgelöst. Und auch seine beiden Nachfolger halten sich nicht lange.


Am 1. April 1964 kommt es schließlich zum Militärputsch, der das Militär für die nächsten 21 Jahre an die Macht bringt und eine langjährige repressive Politik einleitet. Zwar entstehen Protestbewegungen, die kulturelle und politische Freiheit einfordern. Aber die meisten ihrer Protagonisten, sowie viele politisch engagierte Bürger werden gezwungen, ins

Exil zu gehen. Erst Ende der 1970er Jahre lockert sich die Unterdrückung und über weitere 20 Jahre öffnet sich das Land immer mehr, 1993 wird durch ein Volksreferendum schließlich eine demokratische Republik ausgerufen.8

[009] Blick auf die Kolonialstadt Ouro Preto. [010] Die Bahnstation Estação da Luz im Zentrum von São Paulo um 1900.

8

vgl. Koch 2008, S.48-49

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02 Semana de Arte Moderna 1922

„Wir werden erst dann eine Nation sein, wenn wir die Menschheit durch 9 einen eigenständigen und nationalen Kulturbeitrag bereichert haben."9

9 MĂĄrio de Andrade 1920 in Briesemeister 1994, S.382

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22


Semana de Arte Moderna 1922. Anfang des 20. Jahrhunderts wird die Ablehnung der europäischen Einflüsse immer größer. Der „Export“ europäischer Architektur in andere klimatische und kulturelle Bedingungen, ohne jegliche landesspezifische Änderungen, stößt zunehmend auf Widerstand. Die Suche nach einer eigenen Kultur, nach dem Brasilianischen beginnt. Zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Brasiliens findet im Februar

[011] Eines der Plakate zur Semana de Arte Moderna 1922 (siehe Seite zuvor). [012] Antropofagia von Tarsila do Amaral, 1929. [013] Das Teatro Municipal in São Paulo. Hier finden die Veranstaltungen der Semana de Arte Moderna statt.

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1922 die berühmte Semana de Arte Moderna 10 statt. Eine Kunstwoche, veranstaltet von einer Gruppe von Künstlern, Schriftstellern, Musikern und Architekten.11 Die brasilianischen Intellektuellen sind auf der Suche nach einer neuen Identität, einer brasilianischen Kultur, fernab jeglicher europäischer Einflüsse.12 Neben den bedeutenden Schriftstellern Oswaldo de Andrade und Mário de Andrade nehmen auch der Komponist Heitor Villa-Lobos, die Künstler Emilio Di Cavalcanti und Anita Malfatti, die Dichter Menotti del Piccia und Guilherme de Almeida, sowie die Architekten Garcia Moya und Georg Przyrembel teil. Diese Kerngruppe organisiert Lesungen, Musikaufführungen und Kunstausstellungen, um die Auseinandersetzung mit der brasilianischen Realität anzuregen. In der Musik greift Villa-Lobos auf Volksmusikarten Brasiliens zurück. Die Malerei beruft sich auf den Expressionismus, Kubismus und Futurismus, alle sind in der brasilianischen Gesellschaft noch immer umstritten.

Sozialkritische Themen, wie die soziale Ungleichheit, Armut, Rassendiskriminierung, Sklaverei und die afrobrasilianische und indigene Kultur werden thematisiert. Einzig die Architekturbeiträge schaffen es nicht, sich von den kolonialistischen Einflüssen zu lösen.13 Diese Veranstaltung stellt den Bruch mit der Vergangenheit, eine Abrechnung mit dem Kolonialismus und gleichzeitig den symbolischen Beginn der brasilianischen Moderne dar. In Literatur, Kunst, Musik, aber auch in der Architektur kommt es zu einem Umdenken.14

[014] Abaporu von Tarsila do Amaral, 1928. [015] Die Modernistas. Die Teilnehmer der wegweisenden Semana de Arte Moderna 1922.

10 11 12 13 14

die Woche der modernen Kunst vgl. Becker 2012, S.45-47 vgl. Gautschi 2013, S.82 vgl. Becker 2012, S.45-47 vgl. Wangerin 2007, S.5

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03 Das anthropophagische Manifest

„Nur die Anthropophagie vereinigt uns. Sozial. Wirtschaftlich. Philosophisch. Einziges Gesetz der Welt. Maskierter Ausdruck aller Individualismen, aller Kollektivismen. Aller Religionen. Aller Friedensverträge. Tupi or not Tupi: that is the question. Gegen alle Katechesen. Und gegen die Mutter der Gracchen. Mich interessiert nur, was mir nicht gehört. Gesetz des Menschen. Gesetz des Anthropophagen. [...] Das erschaffene Ziel reagiert wie der Gefallene Engel. Später schweifte Moses umher. Was geht uns das an? Bevor die Portugiesen Brasilien entdeckten, hatte Brasilien die Glückseligkeit entdeckt. [...] Der Kampf zwischen dem, was man das Ungeschaffene nennen könnte und der Schöpfung - verantschaulicht durc hden ständigen Widerspruch zwischen dem Menschen und seinem Tabu. Die alltägliche Liebe und der kapitalistische modus vivendi. Anthropophagie. Einverleibung des heiligen Feindes. Um ihn in ein Totem zu verwandeln. Das menschliche Abenteuer. Die irdische Zielsetzung. Dennoch ist es nur den reinen Eliten gelungen, die fleischliche Anthropophagie zu vollziehen, die den höchsten Lebenssin in sich trägt und alle von Freud ausgemachten Leiden sich erspart, katechetische Leiden. Was geschiet, ist nicht eine Sublimation des Geschlechtstriebes. Es ist die Wärmeskala des anthropophagischen Triebes. Erst fleischlich, wird er wählerisch und schafft die Freundschaft. Affektiv, schaft er die Liebe. Spekulativ, die Wissenschaft. Er weicht ab und überträgt sich. Wir kommen zu seiner Herabwürdigung. Die nieder Anthropophagie, angehäuft in den Sünden des Katechismus - Neid, Wucher, Verleumdung, Mord. Die Seuche der so genannten gebildeten und christianisierten Völker ist es, wogegen wir vorgehen. Die Anthropophagen. [...]“15

15 15 Auszüge aus dem anthropophagischen Manifest von Oswald de Andrade. vgl. Wangerin 2007, S.XIV

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Kultur ihres eigenen Landes mit der europäischen Avantgarde und Expressionismus vereinen.18

„A descida antropofágica não é uma revolução literária. Nem social. Nem polîtica. Nem religiosa. Ele é tudo isso ao mesmo tempo.“16

16 Das Manifesto Antropófago. Oswald de Andrade ist schon bei der Semana de Arte Moderna 1922 rege beteiligt und verfasst zu der Zeit das Manifesto Pau-Brasil.17 Gleichnamig zu einer Künstlerbewegung, als Nachfolge der Semana de Arte Moderna, die ebenfalls aus Schriftstellern, Künstlern und Musikern besteht. Sie unternimmt den Versuch einer regionalen hybriden Ausdrucksform. Die Intellektuellen wollen die Exotik und indigene

[016] Bild des anthropophagischen Manifests von Oswald de Andrade von 1928 (siehe Seite zuvor). [017] Oswald de Andrade 1920. 16 Zu deutsch: „Das Niedergehen der Anthropophagie ist keine literarische Revolution. Auch keine politische, keine religiöse. Sie ist all das zur gleichen Zeit.“ De Campos 1978, S.113 17 Der Name bezieht sich auf das „Brasilholz“, das erste brasilianische Exportgut 18 vgl. Gautschi 2013, S.84-85 19 Das anthropophagische Manifest 20 vgl. Wangerin 2007, S.2-9 21 vgl. Becker 2012, S.48 22 Wangerin 2007, S.14 23 vgl. Wangerin 2007, S.2-21

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1928 entwickelt Andrade schließlich das Manifesto Antropófago 19 Hierin bezieht er sich auf einen indigenen Stamm, der als Stammesritual seine Feinde aufaß, um deren Mut, Kraft und Stärke einzuverleiben. In ebenso kannibalistischer Manier sollen die wertvollsten und bereicherndsten Teile europäischer Kultur angeeignet werden.20 Die fremden Elemente sollen verschlungen, verdaut und transformiert werden. Etwas Neues soll entstehen.21 Ziel Andrades ist es, eine soziokulturelle Revolution einzuleiten. Er will den schöpferischen Geist Brasiliens umformen, ein neues Bewusstsein für das eigene Land und die eigene Kultur schaffen. Der kulturelle Kannibalismus, das Einverleiben der kolonialistischen Kulturen verfolgte klare Ziele. So wollten die Antropophagen eine nationale Kultur entwickeln, eine Basis für eine neue Gesellschaft, neue Umgangsformen, gegen die „falsche Kultur und die falsche Moral“22 des Westens kämpfen und nicht zuletzt eine Revolution auf allen Ebenen beginnen. Doch ist der Begriff der kulturellen Einverleibung, keineswegs als ein bloßes „Aufessen“ einer fremden Kultur zu sehen, sondern Ziel ist, festgefahrene Grundsätze und Dogmen abzulehnen und offen und interaktiv mit anderen Kulturen und Zivilisationen in den Dialog zu treten, im Sinne des transkulturellen Austauschs, der ständigen Transformation.23 Diese Herangehensweise erlaubt Oswaldo de Andrade einen radikalen Schnitt gegenüber dem europäischen Einfluss, und schafft die Möglichkeit einer Identität und eigenständigen Kultur und ihren dazugehörigen Ausdrucksfor-


men. So soll sie weiterhin aus Europa inspiriert, aber transformiert und vor dem Hintergrund der brasilianischen Kultur neu gedacht werden.24 In der weiteren Zeit wird das Manifest und seine Stellungnahme noch öfters aufgenommen, transformiert und weiterentwickelt. So überträgt Flávio Carvalho, berühmter Architekt und Bühnenbildner, 1930 auf dem Pan-Amerikanischen Kongress die Idee der Anthropophagie auf die Architektur. Mit einer konzeptionellen Arbeit entwickelt er die Stadt des nackten Menschen, die eher als politischer Aufruf als als architektonischer Entwurf gesehen werden darf. In den 1960er Jahren, während der Militärdiktatur, greifen mehrere Musiker, unter ihnen Caetano Veloso und Gilberto Gil ebenfalls auf das Manifest zurück und leiten damit eine kulturelle

Revolution in Brasilien ein, den Tropicalismo. Hierauf wird zu einem späteren Zeitpunkt noch näher eingegangen. Auch auf den Einfluss des Teatro Oficina, das parallel zum Tropicalismo als anthropophagisches Theater wiedergeboren wird.25

[018] Logo der Pau Brasil Bewegung.

24 vgl. Becker 2012, S.48 25 vgl. Wangerin 2007, S.34-45

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04 Die Escola Carioca

„Es ist nicht der rechte Winkel, der mich anzieht, noch die harte, unflexible gerade Linie, die vom Menschen geschaffen wurde. Es ist die freue und sinnliche Kurve, die mich verführt, die Wölbungen, die ich sehen kann in den Bergen meines Landes, in den gewundenen Biegungen seiner Flüsse, auf den Wellen des Meeres, am Körper einer Frau, die mir gefällt.“26

26

26 Niemeyer, in: Andreas 2003, S.74

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Die Escola Carioca. Das Interesse an der europäischen Kultur führt in der Folge der Semana de Arte Moderna 1922 nicht nur in Kunst, Musik und Literatur, sondern auch in der Architektur zu einem Umdenken und zur Entwicklung der brasilianischen Moderne. Wie die Semana de Arte Moderna für die Kunst als symbolisches Datum für den Beginn der Moderne in Brasilien gilt, so gibt es neben deren Einfluss noch die beiden Wohnhäuser Casa Rua Santa Cruz (1927-28) und die Casa Modernista (1930) des russischstämmigen Architekten Gregori Warchavchik, beide in São Paulo, die den Selbstfindungsprozess nach einer eigenen Identität, nach einer brasiliansichen Moderne einleiten.27 Diese Entwürfe gelten zwar als Beginn der Architekturmoderne in Brasilien, unterliegt aber formal noch immer einem großen europäischen Einfluss. Die ersten richtungsweisenden Gebäude der brasilianischen Moderne entstehen jedoch in der damaligen Hauptstadt Rio de Janeiro.28

[019] Blick auf das Erziehungs- und Gesundheitsministerium. (siehe Seite zuvor) [020] Cover der Brazil Builds Ausstellung in New York 1943 [021] Das freie Erdgeschoss des Ministerums mit seinen Piloti. 27 vgl. Becker 2012, S.14-16 28 vgl. Becker 2012, S.49 29 vgl. Becker 2012, S.56 30 Carioca bezeichnet die Bewohner der Region Rio de Janeiros. Der Begriff Escola ist allerdings nicht als eine schulische Ausbildung gemeint, sondern beschreibt viel mehr eine regionale Bewegung in der Architektur. 31 vgl. Gautschi 2012, S.34

31

Die Machtübernahme von Gétulio Vargas 1930 und seine Ernennung zum Präsidenten 1934 mit der Gründung des Estado Novo trägt entscheidend zum Erfolg der Architekturmoderne bei. In neuen, modernen Bauten soll die Fortschrittlichkeit des Landes demonstriert werden. Lucio Costa bekommt die Möglichkeit, die Architekturausbildung Rio de Janeiros zu revolutionieren. Auch wenn er wenig später als Direktor der ENBA wieder abgesetzt wird, prägt er eine ganze Generation von Architekten.29 Mit der Ausstellung Brazil Builds in New York City im Jahre 1943 rückten öffentliche Projekte, wie das Erziehungs- und Gesundheitsministerium, in den internationalen Fokus und machten die brasilianische Moderne weltweit bekannt. Lucio Costa gilt als führender Charakter der Escola Carioca.30 Er lädt 1937 Le Corbusier ein, an seinem Projekt des Erziehungs- und Gesundheitsministeriums mitzuwirken. Neben Le Corbusier sind auch Oscar Niemeyer, Jorge Moreira, Ernani Vasconcellos, Affonso Eduardo Reidy und Carlos Leão an dem Projekt beteiligt, das zum Aushängeschild der Moderne wird.31 Durch die Beteiligung des renommierten Le Corbusier als Berater erhofft sich Costa eine höhere Akzeptanz der modernen Formensprache


in einem noch immer Neokolonialistisch geprägten Brasilien.32 Dies ist allerdings nicht der erste Besuch Le Corbusiers in Brasilien. Schon 1929 begibt er sich auf eine Lateinamerikareise und prägt schon damals durch seine revolutionären und radikalen Visionen die brasilianische Architektenschaft.33 Die anthropophagische Transformation der europäischen Architektur zeichnet die Escola Carioca fortan aus. So entsteht eine neue brasilianische Architek-

tursprache mit der charakteristischen Offenheit und Aufständerung des Gebäudes, sowie brisesoleils oder muxarabis als Sonnenschutz.34 Oscar Niemeyer wird zu einem der größten Bewunderer Corbusiers und transformiert dessen Ansätze auf seine ganz eigene spielerische Art und Weise. Seine Bauten in Pampulha avancieren 1940-43 zu einem Vorbild für die brasilianischen Moderne und für viele spätere Bauvorhaben. Die geschwungenen Formen werden zu Niemeyers Markenzeichen.35 [022] Am Ufer des künstlich angelegten Sees steht die Kirche Igreja de São Francisco de Assis, auch Igrejinha da Pampulha (Kirchlein von Pampulha) genannt. [023] Das geschwungene Dach des Casa do Baile, dem Tanzsaal, ist ein weiteres Gebäude in dem Ensemble am See von Pampulha.

32 33 34 35

vgl. Becker 2012, S.54 vgl. Becker 2012, S.53-54 vgl. Becker 2012, S.76 vgl. Becker 2012, S.60-62

32


Doch die vollendete Linienführung und geschwungene Formensprache trifft bald nicht nur auf Lob. Internationale Kritik macht sich in den 1950er Jahren breit. Der Verlust der Funktionalität und der sozialen Aufgabe der Architektur wird Niemeyer von Internationalen Architekten vorgeworfen. So wurde das Gebäudearrangement von Pampulha nie seiner ursprünglich gedachten Nutzung zugeführt. Und auch die unter Juscelino Kubitschek als Präsidenten neu gebaute Hauptstadt Brasilia (1957-60) zeigt, wie weit die brasilianische Elite von ihrem Weg der sozialen Ver-

antwortung abgekommen ist.36 Kubitschek hatte schon die Gebäude von Pampulha als Bürgermeister von Belo Horizonte in Minas Gerais unterstützt und will nun die, schon vor Jahren in der Verfassung festgelegte, neue Hauptstadt umsetzen. Mit Lucio Costas' Masterplan und Niemeyers Entwürfen für die Regierungsachse, wird Brasilia in nur drei Jahren realisiert. Auch hier entsteht eine klare zweigeteilte Gesellschaft, da die Stadt nur ihren Regierungsbeamten vorbehalten sein soll, das „einfache“ Volk siedelt sich gezwungener Maßen in den Vorstädten an.37 Brasília gilt als „gebaute Utopie“ und bildet den

[024] Die ersten Skizzen zum Masterplan der neuen Hauptstadt. Der berühmte plano piloto. [025] Das erst in 2006 fertiggestellte Museum gliedert sich in die Gebäude der Regierungsachse ein. [026] Blick von der Brücke des Busbahnhofs auf die Regierungsachse Eixo Monumental. [027] Das freie Erdgeschoss von Pedregulho. [028] Der Wohnkomplex schlängelt sich entlang des Hangs.

36 ebenda. 37 vgl. Costa 2013, S.190-201

33


Hochpunkt der brasilianischen Architekturentwicklung, bedeutet aber gleichzeitig auch das Aus des internationalen Interesses an der Architektur Brasiliens fßr die nächsten Jahrzehnte.38 Abseits der Escola Carioca hat sich Affonso Eduardo Reidy von Anfang an dem sozialen Auf-

trag der Architektur verschrieben und schafft mit Projekten wie dem sozialen Wohnungsbaukomplex Pedregulho (1947-52), aber auch mit dem Museu de Arte Moderna (1953-68) von Rio de Janeiro wegweisende Projekte. Auch Roberto Burle-Marx, ein Landschaftsarchitekt, wirkt bei vielen der bedeutenden Pro-

38 vgl. Becker 2012, S.62-63

34


jekten bei der Landschaftsgestaltung mit. So gestaltet er die Strandpromenade Copacabana bis hin zum Parque Aterro do Flamengo, in Rio de Janeiro und auch den Dachgarten des Erziehungs- und Gesundheitsministerium ist sein Werk. Vor allem der Entwurf des Museu de Arte Moderna, kann fast als Abwendung von den Idealen der Escola Carioca gesehen werden und prägt die folgende Bewegung der Escola Paulista stark.39 Die Kritik an den fehlenden sozialen und funktionellen Aspekte vieler Projekte der Escola Carioca, aber nicht zuletzt auch die zunehmenden Repressionen der Militärdiktatur seit den 1960er Jahren führen zu einer weitgehenden Isolation, Verlust von internationalen Kontakten und zu einer politischen wie auch kulturellen Abschottung Brasiliens. In den Folgejahren wird die Escola Carioca als leitende brasilianische Archikteturbewegung von der Escola Paulista abgelöst.40

[029] Auch das Museu de Arte Moderna lebt durch sein freies Erdgeschoss. [030] Der Aterro do Flamengo Park erstreckt sich bis hin zur Copacabana und integriert auch das Museum von Reidy. [031] Die Promenade von Burle Marx erstreckt sich durch das ganze Viertel Copacabana den Strand entlang.

39 vgl. Becker 2012, S.70-76 40 ebenda.

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36



*

BELA VISTA {| BIXIGA


05 Die Stadt São Paulo

„In völliger Verachtung der sich endlos ausbreitenden Hochebene, so, als ob sie einfach nicht da wäre, ragt dort ein Hochgebirge aus Stahl, Glas und Lichtreklamen auf. Die Stadt hat nichts mehr mit ihrer Natur gemeinsam. Sie pfeift auf sie mit tausend Sirenen. Und wenn sie auf einen der vielen Hügel stößt, in ihrer gewaltigen Expansion, dann verschluckt sie ihn, und er verschwindet.”41

41

41 Vilém Flusser S.56

38


[032] Die gewachsene Metropolregion São Paulo, eine einzige Masse aus Hochhäusern. [033] Die staatliche Region Grande São Paulo. zu deutsch: großes São Paulo. Wegen ihrer Form wird sie auch der Hundekopf genannt. Aus der Überlagerung werden die Unterschiede zwischen gewachsener und staatlich kontrollierter Metropolregion bewusst.

39


[034] Panorama der Stadt mit Blick Richtung Avenida Paulista. Scheinbar endlos erstrecken sich die Hochhäuser. [035] Gemälde der Gründungszeremonie der Jesuiten der Stadt São Paulo im Jahre 1554.

42 vgl. Demographia 2015, S.20 43 Kleist 2013, S.68

40

Die Stadt São Paulo. Mit seinen über zwanzig Millionen Einwohnern gehört die Metropolregion São Paulos zu den größten der Welt.42 Mit über elf Millionen Bewohnern ist São Paulo die wohl größte Stadt der südlichen Hemisphere und gleichzeitig das wichtigste wirtschaftliche, finanzielle und kulturelle Zentrum Brasiliens.

Die Bebauung der Stadt mit ihren vielen, endlos erscheinenden Hochhäusern verdeckt das eigentlich hügelige Territorium, auf dem sie einst gebaut wurde.43 1554 vom Jesuitenorden gegründet, ist die Stadt zunächst lange Zeit unbedeutend. Noch im 17. Jahrhundert diente die Siedlung lediglich


als Stützpunkt für Expeditionen, sogenannte entradas e bandeiras, in das umliegende Interior, um Indianer zu versklaven, nach Rohstoffen zu suchen und das Land in Beschlag zu nehmen.44 Erst im Jahre 1710 erhält São Paulo sein Stadtrecht und rund 150 Jahre später, Mitte des 19. Jahrhunderts, gewinnt die Stadt durch den Kaffeeanbau schlagartig an Bedeutung.45 Das passende Klima, die Nähe zu der Hafenstadt Santos und der infrastrukturelle Ausbau sowie das wachsende Interesse aus Europa führt zu einem regelrechten Kaffeeboom. Die Abschaffung der Sklaverei 1888 führt im weiteren zu einer gezielten Immigrationspolitik, um billige Lohnarbeiter zu sichern und die Industrialisierung voranzutreiben.46 Es kommt zu einer großen Einwanderungswelle, insbesondere von Italienern, aber auch Deutschen, Japanern, Portugiesen und Spanier, um nur einige zu nennen.47 Die Kaffeeindustrie bestimmt die städtische und regionale Politik und bewirkt schon hier eine klare Trennung der Wohnorte je nach Beschäftigung und sozialer Bevölkerungsgruppe. Während die Reichen sich qualitativ hochwertige Stadträume schaffen, z.B. an der Avenida Paulista oder Higienópolis, werden die Arbeiterviertel von einer Mixtur aus Fabriken und Massenwohnbauten bestimmt.48

[036] Luftbild der Avenida Paulista um 1935. [037] Bild des Monumento das Bandeirantes. Das Denkmal steht an einem der Eingänge des berühmten Ibirapuera Parks. Es steht als Mahnmal für eben diese Expeditionen ins Interior.

44 45 46 47 48

vgl. Rolnik 2008, S.12 vgl. Koppenwallner 2012 vgl. Rolnik 2008, S.12 vgl. Koppenwallner 2012 vgl. Rolnik 2008, S.13

41


In der weiteren Entwicklung der Stadt scheint die Geografie und Topografie mit seinen Hügeln und Flussläufen völlig ignoriert zu werden. Schon Le Corbusier ist auf seiner ersten Brasilienreise von dem Kontrast der Stadt zur Natur beeindruckt, den er auch in seinen Skizzen für São Paulo betont.49 In den 1930er Jahren wird eine neue Infrastruktur des Verkehrssystem umgesetzt. Die bis dahin berücksichtigte dreieckige Topographie der Hügel, wird im folgenden von dem neuen Konzept des Plano de Avenidas überlagert. Ganz nach dem Vorbild der USA, konzentriert sich auch São Paulo auf den Ausbau des motorisierten Verkehrs und weniger der Bahninfrastruktur. Der Avenue-Plan sieht eine radialkonzentrische Struktur der Stadt vor, die später, nach dem zweiten Weltkrieg, von amerikanischen Städteplanern mit Highways nach amerikanischem Vorbild umgesetzt wird. Allerdings werden die Avenues, des ursprünglichen Planes zu hochgelegten Expressways, die die geplante Stadtstruktur zerstören und zu einer klaren Trennung von Straßen und Stadtgefüge führen und somit die weitere Trennung zwischen arm und reich fördern.50

[038] Der Plano de Avenidas. [039] Verkehrswege zwischen den Plantagen Ende des 19. Jahrhunderts.

49 vgl. Becker 2012, S.85 50 Anelli 2008, S.16-19

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Trotz der Machtergreifung des Militärs im Jahre 1964 durchläuft die Stadt bis zur Befreiung von der Militärdiktatur 1985 eine enorme ökonomische Entwicklung.51 Allerdings kommt es gleichzeitig auch zu einer Steigerung der sozialen Trennung und der Schere zwischen arm und reich. Die urbane Ausbreitung der Stadt führt zum Zusammenwachsen zur heutigen Metropolregion. Da die Ausbreitung nicht genehmigt wird, entstehen viele illegale Siedlungen: die Favelas. Der staatliche Wohnungsbau fördert die Ausgrenzung sozialer Unterschichten weiter. Eine extreme Vertikalisierung der Stadt nimmt ihren Lauf. 52

Seit Beginn der Stadtausbreitung und -verdichtung wird wenig Rücksicht auf historische Bestände genommen. Die Vertikalisierung führt dies nach gleichem Schema weiter. Historische Gebäude werden zu Gunsten von Neubauten und Hochhäusern abgerissen. Die Stadt befindet sich in einem ständigen Wandel. Die architektonische Historie der Stadt lässt sich daher auch nur noch an verschwindet wenigen Gebäuden ablesen.53

Eine Stadt, die überwältigt. Ich komme an in Brasilien. Anflug auf São Paulo. Eintauchen in ein Meer aus Beton. Die ersten Tage ist an Schlaf nicht zu denken, die Stadt schläft nicht. Es ist laut, hektisch. Ein Durcheinander, ein Aufeinanderprallen von Arm und Reich, von Chaos und Ordnung. Und all dies scheinbar endlos. Es fällt mir zunächst schwer, mich in einer solchen Megacity zurechtzufinden. Ich bin überfordert, bewege mich in kleinen Bezirken, lerne so die Stadt kennen und bin fasziniert. Mittags „schlendere“ ich durch das Zentrum um die Schule: Hochhäuser stehen neben ein- oder zweigeschossigen Gebäuden, eine Collage, die willkürlich zusammengewürfelt erscheint. Abends bin ich in meiner Nachbarschaft unterwegs, ein eher ruhiges Viertel, ich fühle mich als ginge ich durch ein kleines europäisches Städtchen. Ich bin von Grün umgeben, zweigeschossige Bebauung und Einfamilienhäuser, das São Paulo vom Mittag scheint weit weg. Lediglich die Zäune, die Gitter, die Abschottung, der Rückzug in die private Festung ruft mir in Erinnerung, wo ich gerade bin. Diese Gegensätze sind allgegenwärtig. Bus Helikopter. Luxussuiten mit Privatpools auf den Balkonen - Favelas. Hoch - niedrig. Arm - reich. Schnell - langsam. Alles trifft aufeinander und bildet eine einzigartige Collage an Bildern. Eine Atmosphäre, die man nur erleben kann, nicht lesen, nicht recherchieren.

Die explodierende Gewalt in den 1990er Jahren ist mit Sicherheit auch auf die desolate Stadtstruktur zurückzuführen, die durch öffentliche Verkehrsnetze zwar ergänzt wird, der motorisierte Verkehr aber immer noch die

[040] Le Corbusiers Skizzen für São Paulo. Zwei langgestreckte Viadukte, die die Hügel verbinden, zur Wohnfläche werden und die Täler als Parkflächen freihalten. [041] Luftbild der Favela Paraisopolis

51 vgl. Koppenwallner 2012 52 vgl. Somekh 2014, S.149-165 53 ebenda.

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Die soziale Trennung wird immer klarer, gibt es einerseits bis zu 200 Kilometer Stau am Tag, stehen andererseits für die Elite der Stadt hunderte von Helikoptern zur Verfügung, um sicher und pünktlich an ihr Ziel zu kommen. Eine Abgrenzung durch Mauern, Gitter und Wachmänner entsteht.55 Dem großen Wohnungsmangel steht ein noch viel größerer Leerstand an Immobilien gegenüber. Neuer vertikaler Wohnraum wird an den Grenzen der Stadt geschaffen, da der Leerstand im Zentrum für die Bedürftigen unbezahlbar ist. Doch die Politik scheint in den letzten Jahren den Missstand zu registrieren und es entstehen immer mehr Initiativen, die den öffentlichen Raum fördern, der Isolierung den Kampf ansagen, das geisterhafte Zentrum beleben und eine neue Qualität der Stadtlandschaft schaffen wollen.56 Oberhand behält. Die Reichen verlassen immer mehr das Zentrum und lassen sich in ihren bewachten Siedlungen am Rande der Stadt nieder. Je nach sozialem Stand findet das Leben nun in Shopping Centern und privaten Wohnsiedlungen oder in den labilen Territorien mit einer schnell wachsenden Anzahl an Favelas statt.54 [042] Blick vom Dach des Edifício Martinelli in den Hochhausurwald der Stadt. [043] Durch die gesamte Metropole zieht sich ein unendlich scheinendes Netz aus Straßen und Autobahnen. [044] In der innerstädtischen Favela Paraisopolis (zu deutsch: Paradiesstadt) treffen zwei Welten aufeinander. Teure Luxuswohntürme sind nur durch eine Mauer getrennt zweitgrößten Favela São Paulos.

54 vgl. Rolnik 2008, S.13-15 55 vgl. Anelli 2008, S.17 56 vgl. Rolnik 2008, S.15

44


45


06 Die Escola Paulista

„Du musst Architektur nach deinen Visionen der Welt entwerfen. Das ist Artigas [...]“57

57

57 Mendes da Rocha, in: Milheiro 2001, S.242

46


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[045] Blick in das Atrium der FAU USP von Vilanova Artigas. (siehe Seite zuvor) [046] Die Casa Modernista von Warchavchik. [047] Die Casa da Rua Santa Cruz. [048] Die Fassade des Wohnkomplexes Edifíçio Copan von Oscar Niemeyer.

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Die Escola Paulista. Den Beginn der Moderne in der Architektur initiert, wie bereits erwähnt, Gregori Warchavchik mit seinen Wohnhäuser Casa Rua Santa Cruz (1927-28) und der Casa Modernista (1930) in São Paulo. Die Casa Modernista wurde zum Symbol des Aufbruchs ähnlich der Semana de Arte Moderna 1922 in der Kunst. Ein weiterer Pionier ist Rino Levi, der durch ein Manifest Arquitetura e Estética das Cidades die Vertikalisierung von São Paulo vorantreibt und sich mit seiner Architektursprache von vorne herein von der Escola Carioca abhebt. Durch die internationale Bekanntheit der Escola Carioca durch die Ausstellung Brazil Builds setzt sich dieser Stil in den Folgejahren auch in São Paulo durch. Auch Oscar Niemeyer realisiert mit dem Edifíçio Copan (1951-66) und weiteren Projekten wie zum Beispiel dem Parque Ibirapuera (1951-54) viele Bauten in der Millionenstadt. Erst in den 1950er Jahren entwickelt sich lang-


sam eine Bewegung, unter der Leitung von Vilanova Artigas, die bewusst eine neue Richtung in der Architektur einschlägt58:die Escola Paulista.59 Durch das extreme Wachstum der Stadt São Paulo, von einer Millionen Anfang der 1930er auf das Doppelte in den folgenden fünfzehn Jahren, bricht ein Bauboom aus, der den Paulista - Architekten unzählige Aufträge liefert. Vilanova Artigas durchläuft in seiner frühen Zeit viele Phasen und Einflüsse, von Frank Lloyd Wright bis Le Corbusier, aber auch Oscar Niemeyer. Doch schon früh kristallisieren sich einzelne Entwurfsmerkmale heraus, wie die Betonung der Horizontalität, die fließenden Übergänge des freien Grundrisses, die zur Idee des Raumkontinuum avancieren und nicht zuletzt das Thema der Rampe.60 Artigas großes Engagement in Politik und Lehre und seine gesellschaftspolitische Haltung haben wie bei Costa in Rio de Janeiro einen prägenden Einfluss auf die Escola Paulista und

ihre Bauten. Über Reisen in die USA, Auseinandersetzung mit der dortigen Politik und Gesellschaft, entwickelt Artigas eine ganz eigene Sprache in der Architektur. Die brasilianische Lebensweise wird für ihn entwurfsbildend. Der gemeinschaftliche Raum, der fließende Übergang und die Verbindung über mehrere Level werden zu grundlegenden Themen in Artigas zukünftigen Entwürfen. Die soziale Architektur, die sich auch in einer Interpretation der klassenlosen Gesellschaft mit nicht hierarchischer Anordnung der Funktionen und offenen Räumen widerspiegelt, wird zu seinem Credo. Die zunehmende soziale Divergenz in Brasilien, führt zu einer stärkeren Thematisierung der politischen Themen in jeglichen kulturellen Bereichen. In der Kunst, Musik, Literatur und Film werden die politischen Missstände aufgegriffen, was sich in Bewegungen wie dem Tropicalismo zeigt und zur Kritik an der Architektur fern jeglicher sozialer Probleme führt.61

[049] Blick zwischen den Brisoleis hindurch entlang des Copan. [050] Luftbild des Parque Ibirapuera.

58 vgl. Becker 2012, S.86-93 59 wie schon bei der Escola Carioca, ist dies auch als Bewegung zu verstehen. Paulistanos bezeichnet die Bewohner der Metropolregion São Paulos 60 vgl. Becker 2012, S.85-102 61 vgl. Becker 2012, S.96-112

49


Über vielerlei öffentliche Bauten, wie zum Beispiel dem Ginásio de Itanhaém, Ginásio de Guarulhos, aber auch verschiedene Clubbauten, näherte sich Artigas immer weiter an sein wohl berühmtestes Bauwerk an, das Gebäude für die Faculdade de Arquitetura e Urbanismo der Universidade de São Paulo (1961-68), die er 1948 als Fakultät gegründet hatte.62 Das „[...]Gebaute Manifest der Escola Paulista“63 wie es Margret Becker in ihrer Dissertation über die Architekturbewegung nennt.64 „Es geht nicht nur um das Besetzen eines Grundstücks, es geht um die Transformation eines Ortes.“64

In der folgenden Zeit tritt ein weiterer Protagonist der Escola Paulista auf den Plan: Paulo Mendes da Rocha. Durch einen überraschenden Wettbewerbsgewinn für eine Sporthalle, das Ginásio do Clube Atlético Paulistano, beginnt die noch heute anhaltende Schaffensphase des damaligen Artigas‘ Anhänger da Rocha. Die fortan immer wieder gemeinsame Arbeit an Projekten und in der Lehre führt zu einer starken gegenseitigen Beeinflussung.

[051] Das Ginásio de Itanhaém von Artigas. [052] Der Wettbewerbsgewinn von Mendes da Rocha. Das Ginásio do Clube Atlético Paulistano. [053] Eine Studentenprotestveranstaltung in der FAU USP. [054] Aus der Bibliothek der Fakultät für Architektur schaut man ins Grüne. [055] Die fast gänzlich geschlossene Aussenhülle des Fakultätsgebäudes.

62 vgl. Becker 2012, S.116-135 63 Becker 2012, S.134 64 Mendes da Rocha 2003

50

Das Gebäude vereint alle Ideale Artigas‘ Architektur und die der Escola Paulista: Die Horizontalität, die Offenheit und den Ort der Kommunikation und schafft gleichzeitig eine einzigartige Atmosphäre mit Licht- und Farbeinsatz. Auch politisch ist das Gebäude ein klares Statement. So wird der Bau von dem Beginn der repressiven Militärdiktatur überschattet, die von 1964 bis 1985 andauern wird. Erst durch diesen Machtwechsel wird das Gebäude, mit seiner großen offenen zentralen Halle, zum Inbegriff einer demokratischen Haltung, ein gebautes


Manifest gegen die repressive Politik von Zensur und Überwachung. Dies zeigt sich am deutlichsten auf den Bildern der großen Studentenversammlungen. Die Militärdiktatur zwingt im folgenden auch die großen Architekten, wie Artigas, ins Exil oder zum Verlassen ihrer öffentlichen Ämter oder gar zum Berufsverbot. Politische Verfolgung prägte die gesamte kulturelle Entwicklung

51


der Kurs allmählich, ein Kurs der Öffnung wird eingeschlagen. Jedoch erst 1979 können da Rocha und Artigas das erste Mal nach über zehn Jahren wieder an die Universität zurückkehren, doch die Stimmung dort hat sich stark geändert. Das Ideal der Escola Paulista in Lehre und Architektur existiert nicht mehr. Noch lange wird es von denselben Lehrkräften wie während der Militärdiktatur weitergeführt.67 In den Folgejahren des Regimes schafft es Mendes da Rocha, seine Ideen weiterzuentwickeln. Mit dem Bau des Skulpturenmuseums MuBE (1987-95) gelingt ihm, zusammen mit Roberto Burle Marx, eine Verbindung aus Landschaft und Architektur, die den öffentlichen Raum als Platz oberhalb des eingegrabenen Museums definiert. Das Konzept des öffentlichen Raumes, der offenen Architektur zieht sich durch das gesamte Werk von da Rocha und manifestiert sich

65 Becker 2012, S.150 66 vgl. Becker 2012, S.136-152 67 vgl. Becker 2012, S.173-177

52

der Militärdiktatur, die nicht zuletzt auch großen Einfluss auf die Arbeit der Architekten hatte. Es wird versucht die „[...]gesellschaftlichen Ideale und politischen Überzeugungen[...]“65 in gebauter Form umzusetzen.66 Die Militärdiktatur führt ein Terrorregime aus Unterdrückung, Zensur und Folter bis hin zum Tod ein. Erst Mitte der 1970er Jahre ändert sich


auch in weiteren Projekten wie dem Umbau des FIESP (1996) oder dem Bau des Poupatempo (1998-99).68

Ähnlich wie Affonso Eduardo Reidy in der Escola Carioca, bewegt sich auch Lina Bo Bardi abseits der großen Architekturbewegungen. Sie wird zwar durch die Denkweise von Artigas und Mendes beeinflusst und in ihrer Radikalität bestärkt, geht aber immer ihre ganz eigenen Wege. Auch sie schafft Architektur der Gemeinschaft, bietet öffentlichen Raum und gibt so ein politisches Statement in gebauter Form.69 Auf das Leben und das Werk Lina Bo Bardis, ihre verschiedene Schaffensphasen und als Architektin des Teatro Oficina, wird später nochmals näher eingegangen.

[056] Das Skulpturenmuseum MuBE von Mendes da Rocha. [057] Das Museum befindet sich unter dem Platz und sticht hier durch einen Grünhof nach oben. [058] Die Umbaumaßnahmen von Mendes da Rocha am FIESP. Eine weiße Stahlkonstruktion, die sich losgelöst vom Rest des Gebäudes durch das Erdgeschoss zieht. [059] Luftbild des FIESP. [060] Der Verwaltungsbau Poupatempo. Zu deutsch bedeutet dies "Zeit sparen".

68 vgl. Becker 2012, S.178-192 69 vgl. Becker 2012, S.200-205

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07 Brasilien und der Tropicalismo

„Der Tropicalismo war nie ein bestimmter Stil, wie Bossa Nova, sondern eine Lebenshaltung, eine kulturelle Einstellung, ein Konzept. Wir wollten nur einige Aspekte der traditionellen Musik Brasiliens hervorheben, der ländlichen und der urbanen Folklore, und gleichzeitig die Türe offen halten für Einflüsse aus Amerika und Europa, all diese Dinge vermischen und daraus eine neue Musik entwickeln.“70 70

70 Gil, in: Peschke 2013, S.32

54


55


Brasilien und der Tropicalismo. In den 1950er Jahren war die Metapher des anthropophagischen Manifestes von Oswald de Andrade fast in Vergessenheit geraten. Erst durch die poesia concreta 71, wird durch Augusto de Campos in einer besonderen Form der Literatur das Manifest programmatisch wieder aufgenommen. Die Sprache dient nicht mehr zur Beschreibung eines Sachverhalts, sondern löst sich auf in Wörter, Buchstaben oder Satzzeichen, die für sich selbst, „konkret“, gegenüberstehen.72

[061] Das Logo der Dokumentation Tropicália Bewegung von Marcelo Machada. (siehe Seite zuvor) [062] Die Protagonisten der Bewegung Jorge Ben, Caetano Veloso, Gilberto GIl, Gal Costa und Os Mutantes. [063] Das Cover des Albums Tropicália or Panis et Circensis.

71 zu deutsch: "konkrete Poesie" 72 vgl. Wangerin 2007, S.35-38 73 Zu deutsch: Der Kerzenkönig

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Teatro Oficina - ein Theater der anderen Art. Das Teatro ist eine Welt für sich. Die erste Aufführung überfordert mich. Ich habe schon viel gehört, hätte aber niemals erwartet was ich dort tatsächlich erlebe. Das Konzept der Anthropophagie wird gelebt. Der Zuschauer wird Teil des Theaters. Der Ort, das Theater, umgebaut von Lina Bo Bardi, wird bis ins kleinste Detail integriert. Politik, Sexualität, Kultur und vieles mehr wird thematisiert.

Die Militärdiktatur kommt in den 1960er Jahren zu ihrem Höhepunkt. Die unterdrückende Politik stößt immer mehr auf Widerstand. In der Sorge um Einschnitte in politische Rechte und Unterdrückung entsteht die Bewegung des Tropicalismo, auch Tropicália genannt. Über Augusto de Campos war das Werk Andrades‘, das anthropophagische Manifest in die Hände junger Musiker gefallen. Caetano Veloso kommt durch eine Neuinszenierung von Andrades‘ O Rei da Vela 73 durch Zé Celso erstmals mit dem Manifest in Kontakt. Veloso und Gilberto Gil leiten so, mit anderen


schen Widerstands und man sagt, die Bewegung des Tropicalismo sei sogar dort geboren.74 Den Namen nimmt die Bewegung von der gleichnamigen Ausstellung von Hélio Oiticica in Rio de Janeiro. Veloso und Gil veröffentlichen wenig später ihr gemeinsames Album Tropicália or Panis et Circensis was zur Hymne der Bewegung avanciert.75 „Was ich wirklich mit „Tropicália“ wollte, war, den Mythos der genetischen Vermischung zu erfinden - wir sind Schwarze, Indianer, und Weiße, alles zur gleichen Zeit. Unsere Kultur hatte nie etwas mit der europäischen zu tun, obwohl sie ihr bis heute unterworfen ist. [...] Wenn wir eine wahre brasilianische Kultur schaffen wollen, die unverwechselbar, stark und ausdrucksvoll auftritt, müssen sich die Schwarzen und Indianer unseres Landes die verfluchten europäischen und amerikanischen Einflüsse einverleiben - wie die Menschenfresser. Nur auf sie kommt es in Wirklichkeit an - denn die meisten heutigen brasilianischen Kunstwerke sind Hybride, bis zum Äußersten intellektualisiert, inhaltsleer und bar jeder eigenständigen Bedeutung.“76

Vertretern wie Tom Zé, Chico Buarque oder Os Mutantes, eine der bedeutendsten kulturellen und politischen Revolutionen in Brasilien ein. Das Teatro Oficina, wird zum Zentrum politi-

76 Der Tropicalismo vereinte traditionelle brasilianische Rhythmen wie den Samba, den Maracatú und den Bossa Nova mit elektrischen Instrumenten und Rockelementen. Die bra-

[064] Gilberto Gil [065] Die zwei wichtigsten Wortführer des Tropicalismo, Caetano Veloso und Gilberto Gil.

74 vgl. Teatro Oficina 2013, S.238 75 vgl. Wangerin 2007, S.40-41 76 Oiticica, in: Basualdo 2005, S.240-241

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Samba und Maracatú. Ich erlebe ihn live. Den Samba auf den Straßen von Rio und São Paulo. Nicht nur ein Tanz, sondern eine Lebensweise, die aus Brasilien nicht wegzudenken ist. Natürlich an Carneval, aber nicht nur da. An einem normalen Tag auf der Straße, abends in einer Bar, es gibt überall Musik, die Menschen tanzen. Die Musik dazu ist unter anderem Maracatu. Die traditionelle afrikanisch beeinflusste Trommelmusik. Mittwoch Abend stehe ich vor der Escola da Cidade um den Maracatu zu hören, zu sehen und vielleicht sogar mit der Gruppe um den Block zu laufen. Unbekümmert trotz Gefahr durch Kriminalität, die im Zentrum nicht zu unterschätzen ist, gehen sie musizierend durch die Straßen. Die Leute tanzen mit, begleiten sie, feiern: leben das Leben. Eine lebensbejahende Art durch den Alltag zu schreiten. Sogar die Obdachlosen in der Straße, in der sich die Schule befindet, tanzen mit, bewegen sich zu der Musik und vergessen alles um sich herum. Dies gibt es dort jede Woche. Genauso wie die „Treppenkonzerte“ um die Ecke. Nicht weit von der Schule befindet sich der Praça Roosevelt, auch hier finden an den Treppenstufen regelmäßige Straßenkonzerte einer Jazzund Blueskombo statt. Aus ihrem VW-Bus heraus spielen sie die ganze Nacht.

[066] Caetano Veloso während eines Konzerts ende der 1960er Jahre. [067] Das Logo der Cinema Novo Bewegung. [068] Cover des Films Mr. Bongo über den Tropicalismo.

77 vgl. Machado 2012

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silianische Populärmusik, Música Popular Brasileira, entsteht. Doch wie Gilberto Gil in seinem Eingangszitat bestätigt, ging es nicht nur darum, einen neuen Musikstil zu finden. Es war vielmehr ein Widerstand gegen die Unterdrückung der autoritären brasilianischen Regierung und die soziale Ungleichheit. Eine Bewegung, die durch die Música Popular Brasileira weltweit verbreitet werden soll. Wie auch in den architektonischen Bewegungen der Escola Carioca oder Escola Paulista, ging es den Tropikalisten darum, eine nationale Musik, eine eigene Identität, eine brasilianische Identität zu schaffen. Durch ihre internationale Einstellung wollten sie sich durch Einflüsse anderer Kulturen bereichern, diese sich

einverleiben und frei nach der Idee des kulturellen Kannibalismus transformieren.77

Die transformative Kraft der Tropicália Bewegung beschränkt sich aber keineswegs nur auf die Musik. Mit dem Teatro Oficina, weitet sich die Revolution der Populärkultur ebenfalls auf das Theater, mit Glauber Rocha und dem Cinema Novo auf das Kino und nicht zuletzt auch auf die bildende Kunst aus, die ebenfalls auf die Mode, Werbung und das Fernsehen großen Einfluss nehmen. Die Unterdrückung der Militärdiktatur führte dazu, dass die Protagonisten des Tropicalismo


wegen ihrer Auflehnung ins Exil gehen müssen.78

geprägt und verändert.

Der Tropicalismo als Bewegung, als kulturelle Revolution, als politischer Widerstand gegen die repressive Militärdiktatur ist ein großer und wichtiger Teil der kulturellen Entwicklung Brasiliens. Der jeitinho brasileiro79, ihre Kultur und dadurch nicht zuletzt die Architektur wurden von dieser Zeit und seinen Bewegungen beeinflusst,

78 vgl. Wangerin 2007, S.39-43 79 zu deutsch: "die brasilianische Art"

59


02


01 02 03 04

Der öffentliche Raum in São Paulo Das Viertel Bixiga Lina Bo Bardi wird 100 Die Welt des Teatro Oficina

Eine Reflexion.

reflexão.


01 Der öffentliche Raum in São Pauo

„Der öffentliche Raum, wie die uns gemeinsame Welt versammelt Menschen und verhindert gleichzeitig, dass sie gleichsam über- und ineinanderfallen. [...] Die Gegenwart anderer, die sehen, was wir sehen, und hören, was wir hören, versichert uns der Realität der Welt und unserer Selbst.”80

80 Der öffentliche Raum São Paulo. Öffentliche Räume sind für die Gestaltung und Funktion eines Stadtgefüges unverzichtbar, sie gestalten das soziale Leben der Bevölkerung und bestimmen das Miteinander. Doch was ist öffentlicher Raum? Das Verständnis dieses Begriffs ist sehr unterschiedlich. Von Parks, Plätzen, Straßenräumen bis hin zu kulturellen Einrichtungen wird alles diskutiert. Manche Definitionen beschränken sich auf Ausschnitte, doch sollte die ganzheitliche Betrachtung, gerade bei dem Bezug auf den öffentlichen Raum in São Paulo, als Grundlage genommen werden.81

80 81 82 83 84 85

62

Hanna Arendt 2007, S.66 vgl. Selle 2008, S.1-2 vgl. Dal Co 2000 vgl. Selle 2008, S.2-6 vgl. Becker 2012, S.174 vgl. Iwamizu 2015

Schon Gianbattista Nolli bezieht sich 1748 mit seinem berühmten Nolli-Plan auf das Verständnis von Öffentlichkeit. Er bezieht all diejenigen Flächen mit ein, die prinzipiell zugänglich und nicht durch Mauern abgesperrt sind, demnach auch frei zugängliche Innenhöfe, Passagen oder Kirchen.82 Demnach stellen sich sowohl Brachflächen, Resträume oder Straßenzüge als öffentlicher Raum im weitesten Sinne dar. Die Bedeutung der öffentlichen Räume für eine Stadt sind immens, sie beeinflussen und charakterisieren die

Kultur und Identität, die soziale Gemeinschaft, aber auch die Politik einer Stadt.83 Durch die wirtschaftliche Entwicklung während der Zeit des Militärregimes, ohne Rücksicht auf soziale Gerechtigkeit, entsteht eine gewaltige Schere zwischen arm und reich in São Paulo.84 Diese soziale Ungleichheit der Gesellschaft prägt bis heute das gesellschaftliche Verhalten. Die Elite und obere Schicht der Bevölkerung schottet sich, aus Angst vor Kriminalität, immer weiter von der ärmeren Bevölkerung ab. Das Leben zwischen bewachten Siedlungen, Shopping Centern und Arbeit führt zu einer krassen Trennung der verschiedenen Bevölkerungsschichten und dadurch zu kaum existierender Vermischung im Alltag. Der öffentliche Raum verlagert sich in kontrollierte Gebäude, wird bewacht, abgesperrt oder nur bestimmten sozialen Gruppen zugänglich und somit als öffentlicher Raum zunichte gemacht. Dieser Tendenz wollen viele Architekten in den letzten Jahren entgegenzuwirken, um einen sozial durchmischten öffentlichen Raum zu schaffen.85


[069] Der Nolli Plan von Rom.

63


Immer wieder versuchen Architekten, wie zum Beispiel Mendes da Rocha mit seinem Entwurf für das Skulpturenmuseum MuBE oder dem Umbau des Kulturzentrums FIESP, öffentlich zugängliche Räume zu schaffen.86 Doch leider endet der Versuch oft, wie auch in diesem Beispiel, in der Konstruktion einer Absperrung, eines Zauns oder sogar einer Mauer, die die Zugänglichkeit kontrolliert und den offenen Platz zerstört. Parks und Plätze als öffentlicher Raum funktionieren nur begrenzt. Räume, die von der Bevölkerung tatsächlich als öffentliche Räume angenommen werden, sind fast immer kontrolliert und durch Sicherheitsvorschriften beschränkt. So wird der Straßen- und Stadtraum, wie er in Deutschland oder in sonstigen Ländern Europas oft funktioniert, als öffentlicher Raum nicht angenommen; zu groß ist die Angst vor der Kriminalität. Der größte Grünraum São Paulos ist der Parque Ibirapuera, der als öffentlicher Raum von der

[070] Blick durch die Gitterstäbe auf den Platz um das MuBE von Paulo Mendes da Rocha.

86 vgl. Becker 2012, S.179 87 vgl. Iwamizu 2015

64

gesamten Bevölkerung angenommen wird. Hier gibt es Konzerte, Veranstaltungen und Flächen, Raum, der von den Besuchern in Beschlag genommen werden kann. Doch auch hier funktioniert das Konzept nur durch die komplette Umzäunung, Kontrolle der Polizei und komplette Sperrung in der Nacht.87 Auch Lina Bo Bardi stellt sich schon in den 1960er Jahren diesem Problem. Durch den Bau des Kunstmuseums MASP, generiert sie öffentlichen Raum. In drei Teile getrennt, wird ein Teil des Museums eingegraben, auf dessen Dach ein Belvedere erhalten bleibt, und der dritte Teil hebt sich in einem abgehängten Kubus auf spektakuläre Weise über den Belvedere. Ein faszinierender Entwurf, auf den in dem folgenden Kapitel über Lina Bo Bardi nochmals eingegangen werden soll. Für die Stadt am wichtigsten ist aber wohl der Zwischenraum des Museums auf dem Niveau der Straße, also eine Erweiterung des Straßenraumes. Diese schafft einen öffentlichen Raum,


ein Raum für Veranstaltungen, Ausstellung, Märkte und Demonstrationen, einen unkontrollierten frei zugänglichen Raum.88 Aber auch dies soll sich bald ändern. Schon heute von der Polizei kontrolliert, will die Museumsleitung den Platz absperren lassen und so

die Nutzung kontrollieren. Doch diese Erweiterung des Straßenraumes stellt eine Ausnahme in der Stadt dar, Plätze in der Nähe des Zentrums werden meist gemieden. Orte wie der Praça República oder der

[071] Das große Dach des Parque Ibirapuera ist am Wochenende voll von Jugendlichen. [072] Der Straßenraum der Avenida Paulista erweitert sich unter das MASP.

88 vgl. Becker 2012, S.200-203

65


[073] Der Praça Roosevelt liegt völlig ausgestorben da. Nur vereinzelte Skateboarder verbringen hier ihre Zeit.

89 vgl. Iwamizu 2015

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Praça Roosevelt sind selbst tagsüber kein attraktiver öffentlicher Raum für die gehobenere Schicht. Zu groß ist auch hier die Angst vor der Kriminalität. Lediglich an Markttagen auf dem Praça República ändert sich das Bild. Der Praça Roosevelt wird dagegen nur von den jugendlichen Skateboardern angenommen.89 Als weitere Ausnahme ist hier der Minhocão zu erwähnen, eine Hochstraße, die sich wie ein Wurm durch die Stadt schlängelt. Diese Straße ist jeden Abend und sonntags gesperrt und wird so zum öffentlichen Raum. Die Bevölkerung eignet sich den Ort an, belegt ihn mit Nutzungen und schafft eine einzigartige Atmosphäre. Der Minhocão ist tagsüber Hauptverkehrsachse und wird am Sonntag zum Kino, Markt, Sportplatz oder sogar Schwimmbad. Somit beschränkt sich, neben den erwähnten Ausnahmen, der öffentliche Raum, wenn man ihn als solchen bezeichnen darf, hauptsächlich

auf kulturelle Einrichtungen. Auf Einrichtungen, die bestimmte Nutzungen anbieten, einen Ort der Gemeinschaft bilden und ein Freizeitangebot schaffen: das Kulturzentrum. Im Alltag wird der Zugang zu Kultur und Bildung durch finanzielle Einschränkungen oft schwer oder sogar unmöglich. Eintritte für Museen oder hohe Kosten für einen Bildungszugang separarieren von Anfang an die verschiedenen Schichten in ihrem Alltag, zumal aufgrund der persönlichen Bedingungen auch unterschiedliche Bedürfnisse bestehen. Das Kulturzentrum versucht diese Barrieren zu verringern und durch vielseitige Angebote möglichst allen Schichten einen Zugang zu verschaffen. Die Herausforderung der brasilianischen Gesellschaft, gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Kultur für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen, ist enorm. Um den Weg zu einer gerechteren und gleichberechtigten Gesellschaft


[074] Am Sonntag wird der MinhocĂŁo zum Ăśffentlichen Raum.

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zu ebnen, indem sie allen Bürgern Räume für Freizeit, Bildung, Sport und Kultur bietet, wurden der SESC (Sozialdienst des handelnden Gewerbes), das Centro Cultural, das CEU (Schulund Gemeinschaftszentrum) und viele weitere erfolgreiche Beispiele sozialer Integration ins Leben gerufen. Sie bieten einen Anlaufpunkt, einen Ort der Begegnung und bieten gleichzeitig Raum für Diskussion und Weiterbildung.90 Diese Zentren finden sich in der Peripherie, aber auch im Zentrum der Stadt. Die kulturellen Einrichtungen können natürlich nur bedingt als öffentlicher Raum per se bezeichnet werden, sind sie doch kontrolliert und an genaue Öffnungszeiten gebunden. Doch gleichzeitig bieten sie ein enormes kulturelles Angebot, Aufenthaltsflächen und die Möglichkeit zum Austausch. Neben Orten, wie den bereits erwähnten MuBE, MASP oder Minhocão, gibt es größere und klei-

[075] Vielerlei Nutzungen findet die geschlossene Hochstraße am Wochenende. Ob Friseur, Markt, Grillparty oder Schwimmbad, jeder kommt hier auf seinen Geschmack.

90 vgl. Iwamizu 2015

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nere Einrichtungen die sich der sozialen Förderung annehmen, wie das CCBB (Centro Cultural Banco do Brasil), SESC Consolação, SESC Pinheiros oder die zwei wohl berühmtesten Beispiele kultureller Einrichtungen, das CCSP (Centro Cultural São Paulo) und das SESC Pompéia. Die zwei letzteren Einrichtungen sind nicht zuletzt wegen ihrer Architektur und Konzeption besonders herausstechend. Von Eurico Prado Lopes und Luiz Benedito de Castro Telles wird das CCSP (1975-82) noch während der Militärdiktatur gebaut und verkörpert das Konzept der offenen Architektur, das bis heute funktioniert. Ursprünglich nur als Bibliothek geplant, wird das Raumprogramm zu einem Kulturzentrum erweitert. Als langer, flacher Baukörper drückt sich das Gebäude an einen Hang und überbrückt so den Höhenunterschied von fast 20 Metern.


[076] Das Sonnendeck des SESC PompĂŠia liegt nach einem kurzen Regenschauer verlassen da. Normalerweise tummelt es hier von Besuchern. [077] In der groĂ&#x;en Halle des Kulturzentrums von Lina Bo Bardi treffen sich Herren zum Schach spielen.

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Der offene Zugang, der den Belag des Gehwegs in das Gebäudeinnere zieht, mündet in einer frei nutzbaren Fläche. Über Niveausprünge, Patios oder abgesenkte Bereiche gliedert sich der Raum in seiner Längsrichtung. Ein großes offenes Atrium bildet den Hauptraum und durch flache Rampen werden die einzelnen Ebenen miteinander verbunden, ein Raumkontinuum entsteht. Das oberste Geschoss des Atriums führt gleichzeitig auf einen immensen Dachgarten. Ein Großteil des Zentrums ist keiner genauen Funktion untergeordnet und kann so spontan von jedermann angeeignet werden.91 Auch das SESC Pompéia folgt diesem Beispiel. Integriert in ein altes Fabrikgelände, bietet es vielerlei Flächen und Orte ohne genaue Funktion, die der Besucher erobert und durch seine Nutzung definieren kann. Mehr zum SESC

[078] Aus dem Innenhof des CCSP führt eine Treppe auf den Dachgarten hinauf.

91 vgl. Becker 2012, S.209 - 214

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Pompéia wird im späteren Verlauf zum Thema der Architektin Lina Bo Bardi erläutert. Einerseits sind die Kulturzentren in der Stadtlandschaft São Paulos nicht wegzudenken, fördern sie doch die kulturelle und soziale Vermischung, doch beschränken sie gleichzeitig den öffentlichen Raum auf kontrollierte Orte. Momentan findet ein Wandel im Verständnis und der Akzeptanz der öffentlichen Räume statt. Immer öfter versuchen Initiativen sich Plätze, Straßenzüge oder Brachflächen als öffentlichen Raum anzueignen und so das Prinzip der Abschottung positiv zu beeinflussen. Orte wie der Minhocão, für den sogar eine Stilllegung überlegt wird , fördern die Aufenthaltsqualität im Zentrum, geben einen Eindruck, wie São Paulos kulturelles Leben ergänzt durch solche öffentlichen Räume gestärkt werden kann.


[079] Die Rampen durchkreuzen das groĂ&#x;e Atrium des CCSP.

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CASA YAYÁ

* *

*

TEATRO RENAULT

TEATRO OFICINA ESCOLA DE SAMBA VAI-VAI

*

**

TEATRO SERGIO CARDOSO

CANTINA C.. QUE SABE!

**

TEATRO BRIGADEIRO

TEATRO BIBI FERREIRA

**

TEATRO RUTH ESCOBAR PRAÇA DOM ORIONE

*

MASP

FIESP

* CENTRO CULTURAL SÂO PAULO

*


02 Das Viertel Bixiga 92

„Domingo nós fumo num samba no bexiga Na rua major, na casa do nicola À mezza notte o‘clock Saiu uma baita duma briga Era só pizza que avuava junto com as braxola Nóis era estranho no lugar E não quisemo se meter Não fumos lá pra briga, nós fumo lá pra come Na hora „h“ se enfiemo de baixo da mesa Fiquemo ali, que beleza vendo a nicola briga Dali a pouco escutemo a patrulha chegá E o sargento oliveira falá Num tem importância Foi chamada as ambulância Carma pessoal, A situação aqui está muito cínica Os mais pior vai pras clínica“92

92 sinngemäß ins Englische übersetzt: Sunday we went to Samba at Bixiga / On major street, Nicola’s house / There was a big fight at midnight / we could only see the pizza and brachola flying around / We were strangers there / so we didn’t want to meddle / we didn’t go there to fight, but to eat / In the nick of time we ran under the table / We stood there, oh my, watching Nicola fighting / A couple of minutes later we heard the police coming / And Sargeant Oliveira speaking / There is no importance / The ambulance was already called / Easy fellows / The situation here is really cynical / The ones in worse condition can go straight to the clinic. das Lied um Samba do Bixiga von Adoniran Barbosa, in: Barbosa, 1956) 93 vgl. Haru 2015 94 vgl. Correa 2015 95 Der Jabuticabaum, zu deutsch brasilianischer Traubenbaum mit seiner Frucht der Baumstammkirsche, ist ein typischer Baum für die Staaten Minas Gerais und São Paulo. vgl. Veiga 2010 96 vgl. Haru 2015

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Das Viertel Bixiga. Bixiga ist eines der traditionsreichsten und ältesten Viertel São Paulos und liegt in dessen Zentrum. Es ist die umgangsprachliche Bezeichnung für den offiziellen Bezirk Bela Vista.93 Der Name Bela Vista, zu deutsch schöner Blick, lässt sich auf den ehemals wunderschönen Blick von dem Plateau der Avenida Paulista in das Anhangabaú-Tal zurückführen. Zwischen der Avenida und dem Tal erstreckt sich das Viertel. Heute ist dieser Ausblick jedoch völlig durch Hochhäuser verbaut.94 Die ersten Aufzeichnungen des Viertels Bixiga gehen auf das Jahr 1559 zurück. Damals hat der Grundbesitzer Antônio Pinto in diesem Gebiet eine Farm für Kapaunen, die später in eine Jabutica Plantage umgewandelt wird.95 1820 kauft Antônio José Leite Braga die gesamten Ländereien auf und entscheidet sich in den

1870er Jahren dazu, die Farm in kleine Parzellen aufzuteilen. Die offizielle Aufteilung wird auf den 1. Oktober 1878 datiert und stellt die Gründung des Viertels dar. Der Landbesitzer Braga ist auch unter dem Spitznamen Antônio Bexiga bekannt. Bexiga ist in der Umgangssprache der Begriff für ein durch Pockennarben entstelltes Gesicht. Er wird dadurch zum Namensgeber des Viertels. Später wird der Name Bexiga in Bixiga umgeändert. Zu den Gründen gibt es verschiedene Mutmaßungen: eine ist die Abwendung der Bewohner des Viertels von dem negativ vorbelasteten Spitznamen für Pockennarben. Eine andere die Adaption des Wortes an die Umgangssprache, die letztendlich aus dem „e“ ein „i“ werden lässt.96


[080] Die wichtigsten kulturellen Einrichtungen in Bixiga und seiner nächsten Umgebung. [081] Das Viertel Bixiga.

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[082] Der Jabutica-Baum, im Deutschen trägt er den Namen Traubenbaum. [083] Der Besitzer der Cantina C... Que Sabe!

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Die kleinen und billigen Parzellen sind Ende des 19. Jahrhunderts vor allem für die armen und zu dieser Zeit neu ankommenden italienischen Einwanderer interessant. Die zumeist aus Calabrien stammenden italienischen Immigranten hatten zumeist kein Interesse daran auf den im Inneren liegenden Kaffeeplantagen zu arbeiten. Mit ihren erlernten Berufen oder neu gefundenen Tätigkeiten charakterisieren sie Bixiga lange Zeit als Schuster, Quitandeiros (Obst- und Gemüsehändler), Bäcker, Handwerker und Schneider und auch ihr katholischer Glaube prägt das Viertel. Heute ist Bixiga berühmt für seine alten traditionellen italienischen Cantinas, (wie die Cantina C...Que Sabe! eines der ältesten Restaurants in ganz São Paulo), die vielen kleinen Bars und das älteste Volksfest der Stadt, das Festa de Nossa Senhora Achiropita, dass jedes Jahr zweihunderttausend Besucher anzieht.97

Doch nicht nur das traditionsreiche Essen und die vielen italienischen Bars bringen dem KleinItalien São Paulos seinen Ruhm. Der stadtbekannte Antiquitätenmarkt am Praça Dom Orione mit der angrenzenden Escadaria do Bixiga 98 die Sambaschule Vai-Vai, sowie eine enorme Dichte an Theatern tragen zur immer größer werdenden Popularität des Viertels bei.99 Die Sambaschule Vai-Vai ist eine der besten, größten und berühmtesten Sambaschulen Brasiliens, sie wurde 1930 in Bixiga gegründet. Jedes Jahr tritt diese bei der großen Carnavalparade in Rio de Janeiro auf und probt dafür das ganze Jahr, häufig in den Straßen von Bixiga. Der Samba der Schule prägt zusätzlich zu den italienischen Traditionen nachhaltig das Viertel.100 Die italienischen Cantinas und Bars, der Samba und die vielen Theater tragen zu einem florie-

[084] Das Festa de Nossa Senhora Achiropita.

97 vgl. Veiga 2010 98 zu deutsch: Treppen von Bixiga, sie verbinden das untere mit dem oberen Viertel. 99 vgl. Haru 2015 100 vgl. Vai-Vai 2014

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renden Nachtleben bei. Die engen Gassen des traditionsreichen Viertel und seine Kultur macht Bixiga heute zu einem Treffpunkt für Künstler, Intellektuelle und Kulturliebhaber.101 Doch leider steht dieser Popularität die Angst vor der Kriminalität im Weg. So ist Bixiga ein typisches Viertel des Zentrums, das von vielen wegen seiner Kriminalität noch immer gemieden wird.102 Viele Projekte und Initiativen versuchen, wie auch im restlichen Zentrum, diesen Problemen entgegen zu wirken. Eine führende Rolle nimmt hierbei das Teatro Oficina ein. Es ist eines der vielen Theater in Bixiga, wohl das berühmteste und kontroverseste,. Es trägt einen großen Teil zu der Geschichte des Viertels bei. In den 1960er Jahren wurde es während der Militärdiktatur durch den Bau des Minhocão vom restli-

[085] Der Antiquitätenmarkt am Praça Dom Orione.

101 vgl. Varity 2013 102 vgl. Correa 2015 103 vgl. Teatro Oficina 2013, S.238

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chen Viertel „getrennt“ und steht heute am Rande, abseits der Restaurants und Bars.103 Die genaueren Rolle des Theaters, seine Geschichte und Verortung werden im weiteren Verlauf nochmals genauer thematisiert.


[086] Eine der typischen StraĂ&#x;en im Viertel mit seinen bunten Häusern.

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03 Lina Bo Bardi wird 100

104

„Architettura povera - eine arme Architektur, aber nicht in dem Sinne, dass sie verarmt ist, sondern in einem handwerklichen Verständnis, ein Maximum an Kommunikation und Würde mit einem Minimum an bescheidenen Mitteln."104

Lina Bo Bardi 100. München. Pinakothek der Moderne. Eine Ausstellung über eine italienisch-stämmige, nach Brasilien ausgewanderte Architektin. In Deutschland, eigentlich in ganz Europa ist sie nur wenigen bekannt. Doch jetzt ist ihr Schaffen aktueller als je zuvor. Die Ausstellung soll mit einem Symposium, mit einigen bekannten brasilianischen Rednern, eröffnet werden.105

104 Lina Bo Bardi, in: Ausstellung Lina Bo Bardi 100 in der Pinakothek der Moderne in München, 2014 105 Architekturmuseum TU München 2014 106 vgl. Lepik 2014, S.17 107 vgl. Wisnik 2014, S.39; vgl. auch Lepik 2014, S18 108 vgl. Bader 2014, S.355-356

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Rolle als Frau und Migrantin der damaligen Zeit.107 Ein Symposium gibt einen Einblick hinter die Kulissen, vor allem der Vortrag des Architekten Marcelo Ferraz, der selber mit Lina Bo Bardi arbeitete, und seine Geschichten über die gemeinsame Arbeit, faszinieren. Die Ausstellung ist eröffnet. Lina Bo Bardi geleitet „persönlich“ durch die Ausstellung. Mit Hilfe eines Audioführers erzählt sie Geschichten aus ihrem Leben und zu den jeweiligen Projekten. Ein einzigartiger Einstieg in ihre Welt, in ihr neu gewonnenes Land Brasilien.

Lina Bo Bardi wäre im Dezember 2014 einhundert Jahre alt geworden. Sie zählt zu den wohl wichtigsten Designern des 20. Jahrhundert, denn sie ist nicht nur bekannt für ihre Architektur, sondern auch für einzigartige Möbelentwürfe, theoretische Schriften, Bühnenentwürfe und Ausstellungskonzepte. Doch wurde die in den 1950er und 60er Jahren in Brasilien tätige Architektin bisher verkannt. Erst in den letzten Jahren wird ihre Bedeutung bewusst.106

1914 in Rom geboren, studiert sie an der Facoltà di Architettura ebenfalls in Rom Architektur und beginnt wenig später in Mailand als Autorin und Illustratorin von Artikeln der Fachzeitschriften Domus und Lo Stile.

Es gibt wohl mehrere Faktoren, warum sich ihre Arbeit gerade jetzt solch einer Aufmerksamkeit erfreut: Brasiliens wachsende geopolitische Bedeutung, Ausrichtung von Sportereignissen mit großer Medienwirkung, die derzeitige „Krise“ der Architektur und nicht zuletzt ihre eigene

Diese Zeit sollte ihr späteres Schaffen nachhaltig beeinflussen. Über ihre Arbeit lernt sie auch ihren späteren Ehemann und einflussreichen Geschäftsmann Pietro Maria Bardi kennen. 1946 wandert das Ehepaar nach Brasilien aus.108 Von vorne herein geht sie ihre eigenen Wege


[087] Lina Bo Bardi in der Casa de Vidro in SĂŁo Paulo, 1951.

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und schließt sich nicht den Architekturbewegungen der sich entwickelnden Moderne wie der bereits erwähnten Escola Paulista an.109 Während die Architekten der Escola Paulista sich primär in die Transformation ihrer politischen Ideale in Raum vertiefen, schafft Bo Bardi eine Verbindung aller künstlerischen Bereiche. Ihr umfangreiches Œuvre findet in den verschiedensten künstlerischen Sparten seine Inspiration und auch seinen Einfluss. So bestätigt Caetano Veloso, einer der führenden Musiker und Mitbegründer des Tropicalismo, den Einfluss von „senhora Dona Lina“110 auf seine Musik und Arbeit.111

[088] Zeichnung von Lina Bo für einen Artikel von Gio Ponti , in: Domus, 152, 1940

109 vgl. Lepik 2014, S.17 110 Veloso in Tropicália 2012 111 vgl. Machado 2012 112 vgl. Bader 2014, S.87 113 Meissner 2014, S.195 114 Oliveira 2014, S.24

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Sie orientiert sich zwar an gegenwärtigen Ideen, wie bei ihrem Wohnhaus, Casa de Vidro (1951), geht aber auch ganz eigene Wege, wie man an dem Einfamilienhaus Chame-Chame sehen kann.112 Mit ihrem eigenen Wohnhaus, der Casa de Vidro ,lehnt sie sich an Le Corbusier an, verknüpft den Typus allerdings mit regionalen Elementen.113 Sie schafft ihre ganz eigene Herangehensweise und entwickelt so eine einzigartige Architektur. Die Beziehung zwischen Innen und Außen, zwischen Wohnraum und Natur, steht hier im Mittelpunkt.114 Der Bau erhebt sich über einen Hang, mitten in der Natur, und wird nur von wenigen dünnen Stahlstützen getragen. Über eine filigrane


[089] Blick aus dem Wohnbereich der Casa de Vidro in den inzwischen vรถllig zugewachsenen Garten. [090] Die Casa de Vidro mit ihrem offenen Wohnbereich

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[091] Das Einfamilienhaus ChameChame wurde leider schon früh wieder abgerissen.

115 Meissner 2014, S.195 - 196. 116 vgl. Lepik 2014, S.17 117 vgl. Bader 2014, S.356 118 Cosentino 2014, S.62 119 vgl. Wisnik 2014, S.37 auch vgl. Cosentino 2014, S.62

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Stahltreppe wird das Gebäude erschlossen. In einem Innenhof wächst ein Baum. Die Natur ist allgegenwärtig. Im Kontrast zu dem offenen und verglasten Wohnbereich, steht der Privatbereich. Hier findet verwendet Bo Bardi eine geschlossenen Ausdruck mit einer herkömmlichen Lochfassade.115 Mit der Casa de Vidro, dem Entwurf für das neue Museumsgebäude des MASP (Museu de Arte São Paulo, 1957), dessen Gründung Pietro Maria Bardi zum Museumsdirektor macht, setzt die italienische Architektin schnell Zeichen.116 Durch diese einflussreiche Position ihres Mannes erhalten beide zudem schnell Zugang zu den intellektuellen Kreisen der Stadt São Paulo.117

Mit der Herausgabe der Zeitschrift Habitat, ursprünglich als Zeitschrift des MASP geplant, zeigt sich ihre Auseinandersetzung mit der brasilianischen Kultur, zudem sollte sich diese auch als „ [...] modernes Bildungs- und Kulturinstrument etablieren.“118 Hier arbeitet Bo Bardi auch an den Schlüsselthemen ihres Werkes. Die Beziehung und Verbindung von moderner Architektur mit den Traditionen des Landes. Es entwickelt sich zudem ihr starkes Interesse an der Volkskultur und Handwerkskunst, mit einem wachsenden Fokus auf natürliche Materialien und traditionelle Techniken, gemischt mit der vernakulären Bauweise (regionale Formen).119 Mit dem MASP gelingt ihr ein außergewöhn-


[092] Das Deckblatt der ersten Ausgabe der Zeitschrift Habitat.

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licher Bau, der nicht nur architektonisch und konstruktiv neue Wege geht. Leider kann Lina Bo Bardi dieses Gebäude aus finanziellen und politischen Gründen erst Jahre später (1968) fertigstellen. Auch hier will sie ursprünglich auf ihre Idee einer aus Steinen und Pflanzen bestehenden Fassadengestaltung zurückgreifen, die sie schon bei dem Haus Chame-Chame einsetzte.

[093] Collage von Lina Bo Bardi zu einer Variante der ursprünglich geplanten Fassade des MASP.

120 vgl. Bader 2014, S.87 121 vgl. von Fischer 2014, S.103-107 122 vgl. von Fischer 2014, S.103 123 vgl. Lima 2014 S.69 124 Bo Bardi in: Lima 2014, S.74

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Es zeigt sich wiederum die Auseinandersetzung mit der Tradition. Bo Bardi will mit der so gestalteten Fassade in den Dialog mit dem gegenüberliegenden Park treten. Der Trianon-Park behütet, die ursprüngliche Vegetation Brasiliens an diesem Ort.120 Gebaut wurde die Fassade, nicht zuletzt aus statischen Gründen, jedoch als Glasfassade. Der abgehängte Baukörper, die Transparenz des Innenraumes durch die Glasfassade und das freie Erdgeschoss bedeuten einen Meilenstein in der modernen Architektur.121 Der Raum, frei von Stützen, erlaubt über ein Belvedere einen freien Ausblick über die Stadt. Als öffentlicher Raum kann der Platz von der

Stadt zurückerobert werden und bietet eine Plattform für vielerlei Veranstaltungen: Ausstellungen, Demonstrationen, Konzerte. John Cage soll das MASP, als „[...] die Archiktetur der Freiheit“ bezeichnet haben.122 Die Nutzung des Museums ist auf zwei Geschosse unter dem erwähnten Belvedere und in dem abgehängten zweigeschossigen Kubus darüber aufgeteilt. Lina Bo Bardi entwickelte, zusammen mit ihrem Ehemann Pietro Maria Bardi, zudem neue revolutionäre Ausstellungsformen für das MASP (siehe Bild); das Museum sollte nicht nur Ausstellungsfläche sein, sondern auch ein pädagogisches und kulturelles Ziel verfolgen.123 Die Ausstellung der Gemälde auf gläsernen Staffeleien, zeigte Bo Bardis Wunsch „das Kunstwerk als Arbeit und als Prophezeiung darzustellen, die sich innerhalb der Reichweite aller befinden.“124 Auch in ihren Ausstellungen im Nordosten Brasiliens, während ihrer Zeit als Direktorin des Museu de Arte Moderna da Bahia (MAM BA) in Salvador, wo sie bis zum Militärputsch 1964


[094] Das MASP wie es sich heute präsentiert, mit der realisierten abgehängten Glasfassade.

hauptsächlich wirkt, reduziert sie alles auf das Wesentliche. Sie verzichtet auf jegliche Zusatzinformationen. Die wirkliche Bedeutung der zumeist ausgestellten Volkskunst und ihr Bestandteil der brasilianischen Kultur soll hervorgehoben werden. So stellt sie vermehrt regionale Besonderheiten, wie Alltagsgegenstände aus. Im Alltag verbirgt

sich ihrer Meinung nach die Kunst.125 Während den härtesten Jahren der Militärdiktatur kehrt Lina Bo Bardi nach São Paulo zurück und radikalisiert durch ihre experimentellen Theaterproduktionen ihre Entwurfsweise weiter. Sie strebt nach „[...] einer Synthese von Architektur als Ort der Inszenierung des alltäglichen

[095] auf gläsernen Staffeleien präsentiert, verlieren die Gemälde ihre Hierarchie und ästhetischen Kategorien. In den 1990er Jahren wurde diese Ausstellungsform von der neuen Verwaltung allerdings aufgelöst.

125 vgl. Bader 2014,S.95

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[096] Blick auf das SESC Pompeia von oben. Im Vordergrund die zwei Betontürme mit Sporthallen und Schwimmbad sowie der dazugehörigen Erschließung. Im Hintergrund die umgebauten Fabrikhallen, die Bibliothek, Theater und viele weitere Nutzungen beinhalten.

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Lebens [...]“126, was ihr schließlich in verschiedenen Kultureinrichtungen, wie z.B. dem Kulturzentrum SESC Pompeia (1986) und auch dem Teatro Oficina (1989) gelingt.127 Das Kulturzentrum SESC Pompeia ist das größte und wohl auch eines der bedeutendsten Projekte von Lina Bo Bardi. Hier vereint sie Architektur, Innenausstattung, Möbeldesign, Landschafts- und Gartenplanung sowie Grafik- und Ausstellungsdesign und schafft so ein komplexes Projekt, das alle ihre sozialen und kulturellen Ziele beinhaltet.128 Die ehemalige Industriebrache wird von Lina Bo Bardi saniert, umgebaut und ergänzt und ist gleichzeitig ein weiteres Beispiel ihrer Arbeitsweise, das vorhandene zu nutzen und so eine Verbindung und Verschmelzung mit der Vergangenheit herzustellen.

Die alten Lagerhallen des ehemaligen Fabrikgeländes sollen umgenutzt und durch Sporteinrichtungen ergänzt werden. 129 „Hier waren haufenweise glckliche Kinder, Mütter, Väter, ältere Menschen, die von einem Pavillon zum nächsten gingen. Der Regen tröpfelte durch die gerissenen Dächer, aber die Kinder rannten herum und die Jugnen spielten Fußball und lachten, als der Ball durch die Pfützen sprang. [...] Ich dachte nur: All das soll so weiterbestehen, wie es jetzt ist, mit all dieser Freude."129

Nachdem Bo Bardi den Ort besuchte, beschließt sie die „...außergewöhnliche Lebendigkeit des Ortes..."130 zu erhalten. Sie installiert ihr Büro auf der Baustelle und so ein ganz neues Arbeitsklima. Ideen werden vor Ort am Objekt entwickelt und entschieden. Sie will einen Ort schaffen, an dem sich die Menschen heimisch fühlen.131

[097] Innenraum, einer der Fabrikhallen. Ein amorpher Flussarm sucht sich seinen Weg durch den Aufenthaltsbereich mit eigens entworfenen Möbeln.

126 Lima 2014, S.68 127 vgl. Lepik 2014, S.17 128 vgl. Veikos 2014, S.119 129 Bo Bardi 1986, S.97 130 Bader 2014, S.265 131 vgl. Bader 2014, S.265-267

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Das Teatro Oficina, der Umbau eines Theaters wird später nochmals ausführlicher behandelt, steht diese Institution doch im Fokus meiner Arbeit. Hier arbeitete Bo Bardi in enger Zusammenarbeit mit dem dortigen Direktor José Celso Martinez Corrêa, es entstand ein einzigartiges Theaterprojekt: eine Theaterstraße, die ursprünglich mit einem Amphitheater und weiteren großzügigen Aussenanlagen geplant war. Aus Geldmangel konnte jedoch nur das Theatergebäude umgesetzt werden.132 Schon Ende der 1960er Jahre hatte Lina Bo Bardi das erste Mal mit dem Direktor bei einer Inszenierung des Dramas Im Dickicht der Städte von Bertolt Brecht zusammengearbeitet und hierfür die Bühnengestaltung übernommen. Schon dies war eine für beide Seiten immens wichtige Zeit. José Celso lehrte Bo Bardi die Idee des armen Theaters des polnischen Regisseur Jerzy Grotowksi, die eine Reduktion auf das Wesentliche und eine Verschmelzung mit dem Publikum sucht. Worauf Lina Bo Bardi einen Boxring als Interpretation einer Bühne, und so die Grundlage für ihr späteres Projekt der

[098] Blick auf das Teatro Oficina.

132 vgl. Cosentino 2014, S.299-300 133 Lima 2014, S.75 134 Lima 2014, S.83

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Theaterstraße, schafft.133 Gegen Ende ihrer Karriere nahm sie an der Ausschreibung für den brasilianischen Pavillon der Weltausstellung 1992 in Sevilla teil. Ihr bemerkenswerter Einfall blieb von der Jury jedoch unbeachtet. Ihr Entwurf bildete ein Mahnmal zum Gedenken an die amerikanischen Völker vor der europäischen Eroberung. Bo Bardi schafft eine Verbindung von Gegenwart mit Geschichte, Tradition und Artefakten mit dem heutigen, alltäglichen Leben.134 Durch ihr gesamtes Leben hindurch bleibt Lina Bo Bardi ihrem eigenen Weg treu. Beeinflusst, aber doch immer losgelöst, schafft sie ganz eigene Grundlagen und Methoden, Raum, Inszenierungen und Design zu denken und zu sehen. Die immer wiederkehrende Berufung auf die Geschichte, Kultur und Tradition ihrer Wahlheimat, die Verschmelzung aus vernakulärer und moderner Architektur, eine theaterähnliche Inszenierung ihrer Architektur und Ausstellungen, zeigt den Facettenreichtum ihres Werkes.


[099] Blick in die TheaterstraĂ&#x;e des Teatro Oficina.

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TEATRO OFICINA

*


04 Die Welt des Teatro Oficina 135

„CANTADA 28/10/1958, terça-feira, 21h BZT2 +3:00 São Paulo, Brazyl 23°S32‘046°W37‘ Nascimento do Grupo Oficina na Faculdade de direito Largo São Francisco grupo amador | estreia - vento forte pra um Papagaio subir“135

135 Associação Teatro Oficina 2013, S.10. Übersetzt: Gesungen. 28/10/1958, Dienstag, 21.00 Uhr UTC/ GMT -3:00 São Paulo, Brasilien 23°S32‘046°W37‘. Geburt der Gruppe Oficina an der juristischen Fakultät, Largo São Francisco. Amateur-Gruppe | Debüt - starker Wind, um einen Drachen steigen zu lassen. 136 ein Begriff aus der Theaterwissenschaft, der sich auf das materiale Verkörpern von Bedeutungen und kulturellen Handlungen bezieht. vgl. Wangerin 2007, S.49 137 Wangerin 2007, S.49 138 vgl. Wangerin 2007, S.43-49 139 Wangerin 2007,S.43 145 vgl. Teatro Oficina 2013, S.214 140 zu deutsch: das Getriebe, Originaltitel: L‘Engrenage. vgl. Teatro Oficina 2013, S.244 141 vgl. Teatro Oficina 2013, S.238 142 zu deutsch: kommunistisches Jagdkommando 143 vgl. Teatro Oficina 2013, S.238 144 Im Original: „O Teatro Oficina é incendiado pelo terrorismo dos grupos para-militares [...]“,Teatro Oficina 2013, S.238

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Die Welt des Teatro Oficina. Das brasilianische Theater der postkolonialen Zeit steht im Zeichen der Veränderung. Im 20. Jahrhundert versucht es sich von der kulturellen Vormachtstellung Europas und auch der USA zu lösen. Um eine Selbstständigkeit zu entwickeln widmet es sich vermehrt dem Verhältnis von Kunst und Gesellschaft. Die Performativität136 steht im Vordergrund. Das Teatro Oficina kann als Zentrum dieser Bewegung verstanden werden. Die Kulturaneignung nach der Idee des anthropophagischen Manifestes über „[...] den Akt des Verschlingens, des Verdauens und des Schöpfens.“137, das Konzept der kulturellen Einverleibung steht hier im Mittelpunkt. Das Ensemble lebt nach dem anthropophagischen Weltbild, das de Andrade schon immer als seine gesellschaftliche Vision wahrgenommen hat.138 Das Teatro vereint „[...] eine Mischung aus Fest und Manifest, aus Mysterienspiel und Karneval, aus ungebremstem Kollektivgefühl und eklektizistischem Emotions- und Mitmachtheater [...] eine skrupellose Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Missständen.“139 1958 gründet eine Gruppe Studenten der ju-

ristischen Fakultät der Universität von São Paulo, unter ihnen der heutige Direktor José Celso Martinez Corréa, sowie Amir Haddad und Carlos Queiroz Telles, die Amateurgruppe Companhia Teatro Oficina, die nur wenig später mit eigenen Theaterstücken debütiert. Schon von vorneherein hat die Künstlergruppe mit Zensur und Verbot zu kämpfen. Bereits zwei Jahre nach Gründung wird die Aufführung des Stückes A Engrenagem140, des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre verboten.141 Von Anfang an im Zeichen des politischen Widerstandes, wandelt sich die Amateurgruppe schon 1961 in eine professionelle Theatergruppe, die sich in der Rua Jaceguay 520, ihrem heutigen Standort, im Viertel Bixiga niederlässt. Immer wieder hat das Theater mit Zensur und Verboten durch das Comando de Caça aos Comunistas142, kurz CCC, zu kämpfen.143 Am 31. Mai 1966 wird das „Teatro Oficina [...] durch den Terror paramilitärischer Gruppen in Brand gesetzt [...]“144 Das Theater brennt komplett nieder.145 Der


[100] Die Umrisse des brachliegenden GrundstĂźckes um das Teatro Oficina. [101] Das GrundstĂźck mit dem Teatro Oficina von oben.

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Brand kann als Wendepunkt in der Arbeit des Theaters und seines Mitbegründers und Direktors Zé Celso146 gesehen werden. Er entdeckt das anthropophagische Manifest für sich und schlägt mit der Inszenierung des Stückes O Rei da Vela147, dem kontroversesten und wahrscheinlich wichtigsten brasilianischen Theaterstück von Oswald de Andrade die Richtung des anthropophagischen Theaters ein.148 Die Transformation der Aufführung in ein Ritual, die Erfahrung des Körperlichen und die Einbeziehung, „Einverleibung“ des Zuschauers sind die zentralen Leitideen. Der Zuschauer wird zum Schauspieler. Er erlebt die Aufführung nicht als passiver Betrachter, sondern wird Teil des ganzen.149 Der Ato Institucional Número Cinco150 läutete Ende 1968 den Höhepunkt politischer und kultureller Unterdrückung und wohl auch die blutigste Phase der Militärdiktatur ein.151 Dieser Akt löste das Parlament auf, gab dem

[102] Collage des Protestes des Teatro Oficina aus dem Buch Oficina 50+. [103] Die Oficina Gruppe zur Zeit der Gründung 1958.

146 José Celso Martinez Corréa benutzt als Synonym den Namen Zé Celso 147 zu deutsch: Der König der Kerzen 148 vgl. Wangerin 2007, S.43-44 149 vgl. Wangerin 2007, S.50-69 150 zu deutsch: institutionelle Akt Nr. 5. (AI-5) 151 vgl. Teatro Oficina 2013, S.239

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Präsidenten die Macht, den Bürgern jegliche politische Rechte zu nehmen und gleichzeitig auch Musik, Filme, Theater und Fernsehen zu zensieren. Kurz, er hob die Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung auf.152 „Começamos a entender que a Cultura cria Cosmos - não grupos. Cria maneiras de ler, interpretar, viver a Vida no Mundo.“153

Die Ensembles, die bisher getrennt im Namen des Teatro Oficina Stücke aufgeführt hatten, vereinen sich, um gemeinsam die Philosophie der Anthropophagie zu verbreiten.154 Im Viertel Bixiga verändert sich viel, es wird „[...] begonnen, das Viertel Bixiga zu zerstören, um den Minhocão zu bauen.“155 Der Minhocão ist die schon mehrfach erwähn-

[104] Das Teatro nach dem Brand 1966. Bis auf die Grundmauern niedergebrannt.

152 vgl. Ato Institucional N°5 1968 153 zu deutsch: „Wir begannen zu verstehen, dass die Kultur einen Kosmos erschafft - keine Gruppen. Sie schafft Möglichkeiten, zu lesen, zu interpretieren, das Leben in der Welt zu leben.“ Teatro Oficina 2013, S.239 154 vgl. Teatro Oficina 2013, S.239 155 Original: „Começa a destruição do bairro do Bixiga, para a construção do Minhocão.“ Teatro Oficina 2014, S.239

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[105] Eine Szene aus dem Stück Im Dickicht der Städte in der Kulisse des Boxrings von Lina Bo Bardi.

156 vgl. Teatro Oficina 2013, S.239 157 zu deutsch: „Waldwerkstatt“, vgl. Teatro Oficina 2013, S.239 158 Anhangabaú ist ein ehemaliger Flusslauf, heute ein Tal und Stadtbereich São Paulos. Zu deutsch: Anhangabaú der glücklichen Stadt 159 sinngemäß „ich verbinde dich (mit etwas) 160 Wangerin 2007, S.66 161 vgl. Teatro Oficina 2013, S.239

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te, vielbefahrene Straße, die sich als Brücke in einer zweiten Ebene quer durch das Zentrum São Paulos zieht. In diese Zeit fällt der erste Kontakt von Lina Bo Bardi mit Zé Celso und dem Teatro Oficina. In den Jahren seit der Gründung werden verschiedene Bühnenarten und Wege der Aufführungspraxis umgesetzt. Lina Bo Bardi gestaltet das Theater erneut um und schafft eine zentrale Bühne in Form eines Boxringes. Dies charakterisiert fortan die Inszenierungen der Theaterstücke.156 Wegen dieses Bühnenboxrings, konstruiert aus alten Bäumen, die für den Bau des Minhocão gefällt werden, soll Caetano Veloso, Mitbegründer des Tropicalismo, die Einrichtung Oficina de Florestas157 genannt haben und so das bis heute aktive, vom Teatro Oficina betriebene Sozialprojekt für Grünflächen Anhangabaú da feliz cidade158 im ganzen Viertel Bixiga angestossen haben. Das Theater versucht weiterhin seinen Drang

nach kultureller Verwirklichung, den kulturellen Kannibalismus, auszuleben und zu verbreiten, was ihr unter der starren Diktatur mit ihren extremen Restriktionen immer schwerer fällt. Eine Art Selbstfindung tritt ein, das Theater will sich neu orientieren, auf neue Weise Stellung zu beziehen. Der Puls der kulturellen Revolution soll neu belebt werden, ein Weg gefunden werden, den aktiven Protest weiterzuführen. Der bisherige Name Teatro Oficina, Theaterwerkstatt, wird weitergeformt. Die portugiesischen Wörter Te ato159, führen zu einer neuen Namensgebung: Teat(r)o.160 Immer mehr engagiert sich das Teat(r)o Oficina politisch und sozial und verbreitet auf Reisen diese Botschaft. Zeitgleich betritt die Organisation einen neuen Weg der Verwaltung. Die Philosophie schreit nach einer Loslösung der herkömmlichen hierarchischen Strukturen: eine Kommune wird gebildet.161 Die Tage des Teat(r)o Oficina sind jedoch ge-


[106] Eine Szene während eines Theaterstßckes, in dem die Schauspieler aktiv den Boden aufgraben.

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zählt. Die Militärdiktatur beschränkt das Theater immer weiter in seinen Möglichkeiten und schließlich muss die Gruppe wegen der politischen Repressionen und auch den daraus folgenden finanziellen Problemen erkennen, dass sie in eine Sackgasse geraten ist.162

Mosambik verändert sich die Zusammensetzung des Teatros. Es avanciert zu einem Internationalen Ensemble mit europäischen, afrikanischen, amerikanischen und natürlich brasilianischen Schauspielern und Mitwirkenden.

1974 wird das Teat(r)o Oficina von der Polizei gestürmt, Zé Celso und der Filmemacher Celso Lucas werden verhaftet und gefoltert. Nur durch ein gefälschtes Telegramm kommen die beiden durch Glück wieder frei, haben allerdings jegliche Sicherheit und auch das Arbeitsrecht verloren. Vom Terrorregime der Militärdiktatur dominiert bleibt dem Ensemble Oficina daraufhin nichts anderes übrig als freiwillig ins Exil nach Portugal zu gehen, um dort die Philosophie und Ideen ihres Schaffens weiterverfolgen zu können.163

Nach der Rückkehr des Ensembles im Jahre 1978 geht der Kampf um die Daseinsberechtigung des Theaters weiter. Schon wenige Jahre später steht das Theater wiederum vor dem Existenz aus, die Silvio Santos Group164 will das Grundstück samt Bebauung kaufen.165

Während des vierjährigen Exils in Portugal und

162 vgl. Teatro Oficina 2013, S.239 163 vgl. ebenda. 164 hinter der Investorenfirma Grupo Silvio Santos verbirgt sich der Milliardär und Fernsehmagnat Silvio Santos. Er gilt als einer der einflussreichsten Persönlichkeiten Brasiliens. Dies ist der erste Auftritt von Silvio Santos in einem bis heute andauernden Konflikt mit dem Teatro Oficina. vgl. Silvio Santose2015 und 168 Patrimônio Histórico Cultural vgl. Teatro Oficina 2013,de S.240 do Governo do Estado São 165 vgl. Oficina 2013, S.240 Paulo zuTeatro deutsch: historisches und 166 Original: kulturelles Erbe „[...] der uma Regierung rua quedes atravessa osSão Staates arcos Paulo. romanos vgl. Secretaria do Oficinada e instaura Cultura 2015 o Teat(r)o de Estádio no entorno.“ 167 vgl. Teatro Oficina 2013, S.240

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Noch im gleichen Jahr entwerfen Lina Bo Bardi und der Architekt Marcelo Suzuki für das Teat(r) o Oficina „[...] eine Straße, die die römischen Bögen des Oficina durchqueren und schaffen in der Umgebung das Teat(r)o do Estádio.“166 Das Teat(r)o do Estádio, zu deutsch Theaterstadion, geht auf den Literaten Oswald de Andrade zurück. Gemeint ist ein Amphitheater, ein Freilufttheater, dass öffentlichen Raum schafft und jedem zugänglich ist. Für Andrade ist es Teil des Manifesto da Anthropofágia. Der Entwurf von Lina Bo Bardi hierzu wird allerdings nie umgesetzt, da die Silvio Santos Group ihre Besitztümer nicht aufgeben will.167 Das Teat(r)o Oficina hatte sich in der Zeit seines Bestehens immer wieder neu erfunden und auch seinen Namen geändert, zuletzt gibt sich das Theater den bis heute gültigen Namen: Associação Teat(r)o Oficina Uzyna Uzona. Noch immer, ob mit altem oder neuem Namen wird das Ensemble hin und wieder Opfer der Zensur der Militärdiktatur, schafft es aber gleichzeitig, seinen Standpunkt und die Akzeptanz durch die Obrigkeit zu verbessern. Das Gebäude wird 1982 vom CONDEPHAT168,


unter Denkmalschutz gestellt. Es ist eine neue revolutionäre Art des Denkmalschutzes. Die äußere Hülle des Gebäudes ist von nun an denkmalgeschützt, das Innere jedoch steht zum Abriss frei. Die Regierung kauft 1984 das Theater und tritt es an das Teatro Oficina ab und ebnet so den Weg für den Umbau nach der Projektidee einer Theaterstraße, die von Lina Bo Bardi und ihrem Kollegen Edson Elito stammt.169 Die Adaption des Stückes Im Dickicht der Städte von Bertolt Brecht führt zu dem Konzept der Theaterstraße. Ähnlich den typischen kleinen Straßen für Bixiga, sollte eine Straße durch das Gebäude geschaffen werden. Die Theaterstraße vermittelt zwischen den verschiedenen Geländehöhen, die auf der Eingangs- und der Ausgangsseite bestehen. Im Zentrum verläuft ein 1,5 Meter breiter Holzsteg, unter welchem sich das Gebäude bis zum Gelände öffnet.

[107] Collage des Theaters über ihr Exil in Europa und Afrika. [108] Der Konflikt zwischen dem Teatro Oficina und der Grupo Silvio Santos wird häufig thematisiert und kollagiert. [109] Erste Entwurfsskizze von Lina Bo Bardi für das Straßentheater.

169 vgl. Teatro Oficina 2013, S.240 und S.241

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[110] Blick in das Theater vor dem Umbau nach Lina Bo Bardi's Entwurf.

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Die Geschoss- und Tribünenkonstruktion besteht aus einfachen Baugerüsten, die verschiedene Ebenen entstehen lassen und flexibel bleiben.170 Vergangenheit und Gegenwart, Schauspieler und Zuschauer, alles vereint sich. Der Zuschauer wird, wie bereits erwähnt, Teil der Aufführung.171 Es ist kein Platz für Zuschauer, es gibt nur Schauspieler, alles ist im wortwörtlichen Sinne Teil der Bühne und Teil des Schauspiels. Das Teatro wird als terreiro aufgefasst, dem heiligen Schauplatz, an dem der Candomblé celebriert wird. Die Integration eines Brunnens und der Natur durch ein Beet und einen Baum unterstützt die Idee des terreiro weiter.172 Im Verlauf der Umsetzung wird das Projekt jedoch immer wieder abgewandelt und Bo Bardi distanziert sich zunehmend von dem Projekt, das 1989 fertiggestellt wird.173

„TERREIRO 03/10/1993, domingo, 21h BZT2 +3:00 São Paulo, Brazyl 23°S32‘046°W37‘ Nascimento do terreiro eletronyko de Lina Bo Bardi e Edson Elito cia. de Teatro Comum Uzyna Uzona | estreia - Ham-let“174

In diese Zeit fällt auch der Beginn des Konfliktes zwischen dem Teatro Oficina und der Grupo Silvio Santos, die auf den umliegenden Grundstücken ein Einkaufszentrum planen will.174 Das Teat(r)o Oficina wehrt sich aktiv, es will weiterhin die Vision des Teat(r)o do Estádio mit einer angegliederten kulturellen Einrichtung für Tanz, Theater und Musik realisieren und gründet die Bewegung Movimento Bixigão, deren Ziel es ist, den Bau des Einkaufszentrums zu verhindern und die dafür angesetzten finanziellen Mittel in den Bau ihrer kulturellen Einrichtung umzuleiten.175

[111] Das Theater 2012 mit den Umbauten von Bo Bardi und golden gestrichener Gerüstkonstruktion.

170 vgl. Oliveira 2014, S.185 171 vgl. Wangerin 2007, S.69 172 vgl. Oliveira 2014, S.185-186 173 vgl. Cosentino 2014, S.300 174 Associação Teatro Oficina 2013, S.12. Übersetzt: Ort. 03/10/1993, Sonntag, 21.00 Uhr UTC/ GMT -3:00 São Paulo, Brasilien 23°S32‘046°W37‘. Geburt des elektrischen Ortes von Lina Bo Bardi und Edson Elito cia. Teatro Comum Uzyna Uzona | Debüt - Ham-let. 175 vgl. Teatro Oficina 2013, S.242

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Über 20 Jahre nach der offiziellen Übergabe des Theaters durch die Regierung an das Teat(r)o Oficina garantiert der Staat São Paulo dem Ensemble 2006 schriftlich die weitere Nutzung des Gebäudes für die nächsten 99 Jahre. In den nächsten Jahren arbeitet das Teatro Oficina immer weiter an der Umsetzung ihrer Ideen und Idealen. Die Weiterführung der Projekte wie Anhangabaú da feliz cidade, sowie der Zusammenschluss mit anderen Kunstbewegungen in São Paulo, um den Bau des Teatro do Estádio, der staatlichen Universität für Antropophagie und nicht zuletzt des Oficina de Florestas voranzutreiben, ist weiterhin ein zentraler Punkt der Arbeit der Einrichtung. Der Konflikt mit der Investorengruppe Grupo Silvio Santos hält weiterhin an und scheint kein Ende zu finden. Von beiden Seiten entstehen immer wieder Projekte für Einkaufszentren oder

[112] Luftbild auf das brachliegende Grundstück mit dem Theater links von dem mittleren Hochhaus.

176 vgl. Celso 2005

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eine Erweiterung des Theaters. So werden auch Architekten wie Paulo Mendes da Rocha oder Marcelo Ferraz um Projektbeiträge gebeten.176 Scheint im November 2014 eine Einigung absehbar, die den Austausch des Grundstückes für die Grupo Silvio Santos vorsieht, zeigt mein eigener wiederholter Besuch im April 2015, dass der Konflikt weiterhin besteht. Der Konflikt wird zudem auch immer wieder vom Teatro Oficina geschürt und liegt wohl auch in dessen Interesse. Die Aufmerksamkeit und das Schaffen eines gemeinsamen „Feindes“ unterstützt die provokante Arbeitsweise und Philosophie des Theaters.


[113] Der ursprüngliche Entwurf von Lina Bo Bardi und Edson Elito mit dem angegliederten Teatro Éstadio [114] Die Studie von Paulo Mendes da Rocha in den 1980er Jahren. [115] Schließlich ein Entwurf von Brasil Arquitetura unter der Leitung von Marcelo Ferraz für ein Shopping Center in Auftrag gegeben von der Grupo Silvio Santos. Diese Projekte sind einige Beispiele vieler weiterer Beiträge zu Shopping Centern, aber auch Entwürfen die von dem Teatro Oficina in Auftrag gegeben wurden. Der Letzte offizielle Entwurf stammt aus dem Jahre 2006 von JBMC, dem Bruder von Zé Celso, für eine Universität der Anthropophagie

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03


01 Vor Ort

Ein Tauchgang. Praça Vitor Civita MASP Parque Ibirapuera Casa das Pedras Minhocão Bixiga SESC Pompeia Centro Cultural São Paulo Feira do Pinheiros Teatro Oficina Praça das Artes O Banquete Basilica da Nossa Senhora do Carmo

imersão.


05 Vor Ort.

[116] Maracatú auf der Straße vor der Escola da Cidade. [117] Das traditionelle bahianische Essen Moqueca. [118] Capoeira auf der Straße. Überall im Land treffen sich die Capoeira Gruppen und führen solche Schaukämpfe auf der Straße auf.

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spiegelt sich die Vielschichtigkeit und Überlagerung der Stadt in ihrer Nutzung wieder. Ein Versuch über drei Hauptthemen, die Stadt neu zu verstehen, die Kultur zu verinnerlichen und das Leben vor Ort zu veranschaulichen.

Vor Ort. Zurück in Brasilien, besuche ich charakteristische Orte, versuche die Kultur, das Leben, den "espirito brasileiro" aufzusaugen. Während der drei Wochen im April 2015 finde ich zurück in die Stadt, die mich acht Monate beherbergt hatte. Ich tauche wieder in den Alltag des Brasilianers, seine Kultur und werde wieder Teil der Stadt. Ein Tauchgang in die öffentlichen Räume, eine eigene Annäherung und Analyse. Es ist ein Versuch, die Charakteristika der Orte herauszufiltern, zu verstehen und zu analysieren. Wie bewegen sich die Paulista in ihrer Stadt, wie nehmen sie öffentlichen Raum an, wie

Der brasilianische Rhythmus. Samba und Maracatú sind aus Brasilien nicht wegzudenken. Sie sind nicht nur Musik, sondern eine Lebenseinstellung, Teil des "espirito brasileiro". Auf der Straße oder in Bars, überall trifft man auf ihn. Ein jeder wird Teil der Musik und des Rhythmus. Spontanes Musizieren und Tanzen in einer Bar oder auf der Straße gehören zum Alltag. Der brasilianische Rhythmus ist nicht nur der musikalische Rhythmus des Sambas oder der Trommeln, er ist der Lebensrhythmus der Kultur und nicht zuletzt der Stadt São Paulo. Der Körperkult Brasilien. Die Wertschätzung des Sports in Brasilien ist unvergleichlich. In Rio de Janeiro trifft man am Strand auf öffentliche Gymnastik- und Kraftsportgeräte, in São Paulo sind sie in jedem Park vorhanden. Die Brasilianer treiben Sport nicht nur um fit zu bleiben, sie wollen gesehen werden, sich präsentieren. Sie haben ein ganz eigenes Körperbewusstsein, ein Bedürfnis, sich zur Schau stellen, was sich auch jedes Jahr beim Carnaval zeigt. Sei es im Tanz zu Sambarhythmen oder im Kleidungsstil, die Präsentation ihres Körpers ist tief in der Kultur des Landes verankert.


Kulinarische Vielfalt in São Paulo. Die Stadt lebt von ihrer Durchmischung der verschiedenen Kulturen. Durch die Einwanderer aus aller Welt, aber auch durch die brasilianischen Spezialitäten hat sich ein unvergleichliches kulinarisches Potpourri entwickelt. Ob traditionell brasilianisch im Zentrum, japanisch in Liberdade, italienisch in Bixiga, peruanisch, afrikanisch, marokkanisch, sirisch etc., Essen aus aller Welt ist überall zu finden. Schon die brasilianische Küche kann mit ihren Spezialitäten mit einer unbeschreiblichen Vielfalt aufwarten. Feijoada, Vatapá, Acarajé, Moqueca, Pão de Queijo, Pastel, Cotinha oder Churrasco etc., die Vielfalt kennt keine Grenzen. An jeder Ecke finden sich Bars und kleine Restaurants, in denen kleine oder große Leckerbissen auf jeden warten. Der Reichtum an tropischen Früchten, wie Açai, Guaranã, Ananas, Banane, Baumstammkirsche, um nur einige wenige zu nennen, führt zu einer Masse an Süßspeisen und Säften. Wie der Sport oder der Rhythmus ist auch das Essen aus der brasilianischen Kultur nicht wegzudenken.

Eine Auszeit in der Stadt. São Paulo schläft nie. Hektik, Chaos, Dichte, Lärm und Geschwindigkeit und doch gleichzeitig Ruhe, Weite und Gelassenheit. Distanz bekommt hier eine völlig neue Bedeutung. Ein jeder Paulista versucht, von Zeit zu Zeit diesem Alltag zu entfliehen, einen Rückzug zu finden. Die Mittelschicht und Reichen fahren aus der Stadt hinaus auf ihre sítios auf dem Land. Wer diese Möglichkeit nicht hat, sucht Zuflucht in den wenigen Parks oder sonstigen Rückzugsorten der Stadt. Aber der brasilianische Rhythmus, der Körperkult und das kulinarische Potpourri, alle drei tragen auch dazu bei, sich loszureißen, inmitten der Stadt eine Auszeit zu nehmen, Ruhe zu finden und sich zu entspannen.

[119] Eine Auswahl an tropischen Früchten auf einem Wochenmarkt. Im Vordergrund die Cashewfrucht mit der Nuss als Stil. [120] Straßenmusik am Praça Roosevelt in São Paulo. [121] Trainingsplatz am Strand von Rio.

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FREITAG. 10.APRIL.2015 Praรงa Vitor Civita.

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SCHON MIT WENIGEN GERÄTEN KANN EIN INTAKTES SPORTANGEBOT GESCHAFFEN WERDEN !!!

RÜCKZUGSORT ! TREFFPUNKT ! ZUFLUCHT VOR DEM ALLTAG ! ORT DER BESINNUNG ! MITTEN IN DER STADT UND DOCH RUHE !!!

FBK FNK ES REICHT EIN HOLZDECK. NATUR UND PLATZ ! MEHR IST NICHT NÖTIG UM ÖFFENTLICHEN RAUM ZU ERSCHAFFEN !

O VR KBFR


FRETAG.10.APRIL.2015 Praça Vitor Civita. Viele habe ich vorab gefragt, fast niemand kannte diesen Ort. Kaum einer wusste, wo er ist. Von einer der großen Verkehrsachsen São Paulos, der Avenida Faria Lima, gehe ich los. Vorbei am Lago de Batata, wo sich viele Menschen tummeln, bin ich mir lange nicht sicher, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Ich gehe eine Einbahnstraße entlang, auf der linken Seite mit zweigeschossigen Wohnhäusern, rechts Parkplätze, Feuerwehr und andere niedrige Bebauungen. Es ist ein ruhigeres Viertel, ab und zu rauscht ein Bus an mir vorbei.

[122] Rampe auf den Praça Vitor Civita (siehe Seite zuvor). [123] Blick zurück über den leeren Platz bis hin zum Eingang. [124] Hinter einem der Beete sieht man die zwei kleinen Überdachungen des Parks. [125] Jugendliche üben Tanzschritte im schützenden Schatten eines Baumes. [126] Durch die Sportgeräte unter dem vorderen Dach hindurch erkennt man dahinter das Freilufttheater mit seinen zwei großen Dächern. Im Hintergrund baut sich die vertikale Stadt auf (sie folgende Seite).

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Dann sehe ich den „Park“, etwas versteckt erstreckt sich dieser öffentliche Raum, wie so oft von einem Zaun umgeben. Fast wäre ich vorbeigegangen. Über eine Rampe gelange ich auf ein großes Holzdeck, das von Bäumen und Beeten umgeben ist, mit Sitzmöglichkeiten, kleinen Überdachungen, Trainingsanlagen und einem Freilufttheater. Ein paar Jugendliche üben Tanzschritte, andere sitzen in Gruppen zusammen oder lesen im Schatten. Es herrscht idyllische Ruhe, nur ab und zu erinnert ein vorbeifahrender Bus oder der Blick auf die weiter entfernten Hochhäuser an die große Stadt, in der ich mich befinde. Neben dem Holzdeck steht eine alte Müllraffinerie, ein alter Backsteinbau mit Schornstein. Hier erfahre ich mehr über die Einrichtung. Das

gesamte Gelände war eine alte Mülldeponie, der kontaminierte Boden wurde ausgetauscht und bepflanzt. Es soll ein Bewusstsein für Pflanzen geschaffen werden, es gibt Zuchtpflanzen in Beeten, Kurse werden gegeben, immer wieder finden auch Kinovorführungen oder andere Aufführungen in dem kleinen Freilufttheater statt, und das obere Geschoss der alten Raffinerie ist für Ausstellungen vorgesehen. Es scheint der ideale Ort zu sein, um für kurze Zeit dem Alltag zu entfliehen. Aber bis auf die wenigen Jugendlichen ist der Praça Vitor Civita wie ausgestorben.

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SAMSTAG. 11.APRIL.2015 MASP.

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FEHLENDER SCHATTEN AUF NICHT ÜBERDACHTEM BEREICH !

KÖNNEN PLÄTZE, ÖFFENTLICHE RÄUME OHNE ABSPERRUNGEN, POLIZEIKONTROLLE ETC. IN SÂO PAULO ÜBERHAUPT FUNKTIONIEREN ? BRAUCHT ES DIE KONTROLLE ?

BEI SONNE FAST NICHT AUSZUHALTEN !!! DER PLATZ WIRD ZWAR GENUTZT, ABER WÄRE EVTL. SOGAR NOCH BESSERER ANLAUFPUNKT, WENN INFRASTRUKTUR STIMMT !!!


[127] Blick auf den abgehängten Museumskörper von der anderen Straßenseite. Hier ohne den im Bericht erwähnten Markt (siehe Seite zuvor). [128] Unter dem Dach findet der wöchentliche Markt statt. [129] Der Platz erstreckt sich weiter und eröffnet den Blick ins Anhangabaùtal.

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SAMSTAG.11.APRIL.2015 MASP. Der Weg entlang der Avenida Paulista ist mir wohlbekannt. Die Bankenstraße der Stadt ist eine der wenigen mit unterirdischen Stromleitungen. Die Straßen sind voll, es ist Samstag, links und rechts des Gehwegs sitzen Straßenhändler auf dem Boden, in der Mitte lärmt der sechsspurige Verkehr. Die roten Pfeiler des MASP zeichnen sich schon von weitem ab, obwohl das Museum, an seiner Umgebung gemessen, recht niedrig erscheint. Heute herrscht viel Trubel auf dem großen Platz unter dem abgehängten Baukörper. Der Sonntagsmarkt wurde vorverlegt, da hier morgen eine große Demonstration gegen die Regie-


rung geplant ist, 300 000 Menschen werden erwartet. Der öffentliche Raum erstreckt sich „zwischen“ dem Museum: überdacht von einem zweigeschossigen Baukörper des Museums befinden sich unter dem Platz in den Hang eingegraben drei weitere Geschosse mit Ausstellungsräumen. Ich schlendere durch den Markt auf die andere Seite, wo sich die Plattform weiter erstreckt und einen Blick in das Anhangabaùtal ermöglicht. Dieser Ausblick muss einst phänomenal gewesen sein, wird heute allerdings von vielen Hochhäusern gestört und immer wieder versperrt.

Viele Touristen, aber auch Einheimische sitzen hier in der Sonne und ruhen sich aus oder warten auf Freunde, Polizisten patrouillieren. Eine Maracatugruppe baut sich neben mir auf und fängt an zu spielen. Passanten werden durch den Markt gelockt, bleiben stehen, tanzen, fotografieren oder filmen. Dieser Platz zeigt schon bei einem Besuch alle seine Qualitäten und an diesem Wochenende viele seiner Nutzungen: Märkte, Musik, Demonstrationen, vieles findet hier statt. Er ist einer der wenigen wirklich öffentlichen Plätze, hier gibt es keine Zäune, es ist wirklich eine Erweiterung des Straßenraumes. 119


Im Zentrum Sao Paulos werden solche Plätze meistens gemieden, aber durch die besondere Lage dieses Platzes hat hier noch keine Kriminalität Einzug gehalten. Und trotzdem soll sich die Offenheit bald ändern, die Museumsleitung plant, einen Zaum zu errichten und en Einlass zu kontrollieren. Das hat schon viele öffentliche Plätze zerstört. Die unglaubliche Hitze in der Sonne treibt mich in den gegenüberliegenden Trianon Park, offiziell auch Parque Tenente Siqueira Campos. Ein Blick zurück über die Straße: normalerweise rahmt der Museumsbau den bereits erwähnten Blick ins Anhangabaùtal ein, dieser freie Blick war Vorgabe der Stadt und Intention der Architektin Lina Bo Bardi. Heute allerdings versperren die vielen Marktstände die Aussicht. Im Park finden sich dicht gewachsene tropische Pflanzen und Bäume. Auf kleinen Wegen suche

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ich mir meinen Weg durch die schattige Kühle. Tagsüber schlendern hier hauptsächlich Rentner, Familien oder Pärchen die Wege entlang, spielen, sitzen auf Parkbänken und genießen die Natur. Durch die dichte Vegetation wird die so nah gelegene Avenida Paulista ausgeblendet, nur ab und zu hört man die umliegenden Straßen.

[130] Im Schatten des Daches findet das rege Treiben des Marktes statt. [131] Im Trianon Park suchen am Wochenende viele Zuflucht ins Grüne. [132] Auf dem großen Platz des MASP unterhält eine Maracatugruppe die Marktbesucher mit ihren Rhythmen und Gesängen. [133] Unter der Woche bietet der leere Platz unter dem Museumskörper einen gänzlich anderen Anblick. [134] Nur aus dem Tal heraufgeblickt erkennt man das gesamte Gebäude mit seinen Geschossen unter dem öffentlichen Platz (siehe folgende Seite).

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SONNTAG. 12.APRIL.2015 Parque Ibirapuera. Konzert der russischen Staatsphilharmonie.

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EINZIGER GROSSE GRÜNRAUM IN DER STADT. GROSSES KULTURELLES UND FREIZEITANGEBOT!!! KOSTENLOSE KONZERTE, SPORT, ÖFFENTLICHER RAUM ZUR FREIEN VERFÜGUNG UND NUTZUNG!!!

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MENSCHEN NEHMEN FREIRAUM IN BESCHLAG, SCHAFFEN EIGENE NUTZUNGEN !!

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SONNTAG.12.APRIL.2015 Parque Ibirapuera. Konzert der russischen Staatsphilharmonie. Parque Ibirapuera, die Oase der Paulistanos. Einer der größten Stadtparks Südamerikas. Ich sitze im Bus, der Weg aus dem Zentrum in das angelegte Grün ist weit. Mit dem Auto über die großen Avenidas recht schnell zu erreichen,

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dauert die Fahrt mit dem Bus fast eine Stunde. Sonntag Morgen. Als wir dem Park näher kommen, bekomme ich das Gefühl, ganz São Paulo sei auf dem Weg in den Park. Von überall strömen Menschen im Joggingoutfit oder in sommerlicher Kleidung mit Grill, Stühlen, Essen, Getränken und vielem mehr im Gepäck. Ich mische mich unter sie und folge dem Strom zu einem der vielen Eingänge. Mein Ziel heute ist das Auditório Ibirapuera von Oscar Niemeyer. Vorbei an einem der angelegten Seen, durchkreuze ich das ebenfalls von Niemeyer gebaute riesige Dach, das sich zwischen den Biennale Pavillons und dem Museu de Arte Moderna aufspannt.

Unter der Woche ist hier wenig los, doch heute wimmelt es nur so von Jugendlichen, die unter dem Dach skaten und nebenan auf der Wiese Fußball spielen, von Familien, die grillen oder einfach nur rasten, von Pärchen, die eng umschlungen auf der Wiese liegen und von Sportlern aller Art, die trainieren. Schon von weitem sehe ich das Auditório, die Rückseite des großen Dreiecks ist geöffnet, die Bühne für ein Open-Air Konzert vorbereitet. Vor der Bühne sind Stühle für die betagteren Zuschauer aufgestellt und dahinter sitzen schon jetzt Tausende auf dem Rasen. Die Wiese füllt sich immer mehr, manche haben etwas zum Essen mitgebracht, andere kommen eher spontan

[135] Unter dem langen, von Niemeyer entworfenen Dach tummeln sich die Skater und Jugendlichen (siehe Seite zuvor). [136] Mitten im Park befindet sich das Auditorium mit seinem auffällig geschwungenen Dach [137] Der Blick durch den Park auf das Dach zeigt das Leben des Sonntagnachmittags. [138] Auf der Rückseite des Auditorium sitzen Tausende und warten auf den Beginn des Konzertes.

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und sitzen neben ihrem Fahrrad oder in Sportkleidung auf dem Boden. Und dann geht es los, die russische Staatsphilharmonie betritt die Bühne, in ihren schwarzen Abendroben und Fracks bilden die Musiker einen krassen Kontrast zum kunterbunten Publikum. Es ist eines der vielen kostenlosen Open-Air Konzerte, die hier Sonntags immer wieder stattfinden. Mal am Nachmittag mit jazzigen Tönen von Bobby McFerrin oder wie heute am Morgen mit klassischer Musik. Der Dirigent betritt die Bühne, verhaltener Applaus. Der Beifall schafft es kaum, ihn zum Podium zu geleiten. Die ersten zarten Töne erklingen und sofort wird es ruhig. Ein langsamer Satz beginnt, eine Solo-Violine, die schnell vom gesamten Orchester eingeholt und aufgenommen wird. Das 129


Publikum lauscht gebannt den langsamen Solopassagen und den virtuosen und lautstarken Tuttiteilen. Die Umgebung scheint vergessen, der Verkehrslärm und die Rufe der Skater und spielenden Kinder treten in den Hintergrund. Trotz nicht idealer Tonabnahme und Verstärkung fasziniert die Musik. Die Zeit verfliegt und die immer größer werdende Hitze spüre ich kaum. Applaus brandet auf, alle springen auf, Jubel, Pfiffe, Beifallrufe. Fünf Zugaben werden gespielt, jedes Mal wird der Applaus lauter und scheint nicht mehr aufzuhören. Der Dirigent schnappt sich eine brasilianische Flagge und der Beifall wird tosend. Am Schluss ein Walzer: ein Mann bahnt sich seinen Weg durch die Massen, auf der Suche nach seinen Begleitern, auf einer kleinen Lücke fängt er an zu tanzen, eine Frau stimmt mit ein und sie

tanzen einen Reigen inmitten der Menge. Nach dem Konzert verläuft sich das Publikum im Park. Die Sportler joggen und fahren davon, andere bleiben sitzen und setzen ihr Picknick fort. Auch ich mache mich auf den Weg, das nächste Erlebnis wartet. [139] In einer Pirouette springt ein Mann mitten in der Menge in die Höhe. [140] Der Dirigent nimmt bei anhaltendem Applaus eine Brasilienflagge entgegen. [141] Tanzend bahnt sich der Mann seinen Weg durch das Publikum. [142] Die geöffnete Bühne auf der Rückseite des Auditoriums während des Konzertes der russischen Staatsphilharmonie (siehe folgende Seite).

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DIENSTAG. 14.APRIL.2015 Casa das Pedras.

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R F DER KÖRPERKULT DER BRASILIANER ZIEHT SICH DURCH JEGLICHE SPORTARTEN ! EIN GANZ SPEZIELLES KÖRPERBEWUSSTSEIN IST ENTSTANDEN ! DIE TRAINIERENDEN WOLLEN ZUSCHAUER, SICH ZEIGEN, SICH PROFILIEREN !

FJK

GERADE DAS KLETTERN FÖRDERT JEDOCH DIE SEGREGATION DER SCHICHTEN ! WENIGE KÖNNEN ES SICH LEISTEN KOSTSPIELIGEN SPORT ZU BETREIBEN ! ZIEL MÜSSTE SEIN , DEN SPORT NEU ZU DENKEN UND EINEN WEG DER DURSCHMISCHUNG UND INTEGRATION ZU FINDEN !!!


[143] Ein Kletterer sucht sich an der Kletterwand seinen Weg um einen Vorsprung herum (siehe Seite zuvor). [144] Von der Boulderwand sieht man die Kletterpaare in der Halle verteilt. [145] Ein junger Mann stürmt motiviert auf die Boulderwand zu, um ungesichert zu klettern. [146] An verschiedenen Schwierigkeitsgraden versuchen sich die Sportler, zum Teil mit Seilsicherung von oben, oder gar ohne Seilführung, wie der Sportler links. [147] Die Sicherer stehen etwas gelangweilt umher und warten darauf selber klettern zu dürfen. [148] Eine Frau überholt ihre zwei Gegner bei einem spontanen Wettklettern. [149] Verschiedene Farben leiten den Weg und bedeuten unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. [150] Ein Blick in die gesamte Halle mit ihren verschiedenen Niveaus (siehe folgende Seite).

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DIENSTAG.14.APRIL.2015 Casa das Pedras. Klettern. Ich bin unterwegs, zu einer der zwei Kletterhallen in ganz São Paulo. Mit dem Auto bahnen wir uns unseren Weg durch den Abendverkehr. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man nur sehr schwer in dieses Viertel. Angekommen, umgezogen und los geht‘s. Es ist das erste Mal für mich. Ich betrete die große Halle, alle Wände sind mit Klettergriffen versehen, farbige Markierungen zeigen die jeweilige Schwierigkeitsstufe. Einige der Wände haben Überhänge. Von der einfachen Kletterwand bis zur unmöglichen „Klippe“ ist alles dabei. Es ist voll. Laute Musik schallt durch den Raum. Die Klimaanlage summt. Leute rufen ihren Freunden, die sechs Meter über dem Boden an


der Wand kleben, Tipps zu. Es herrscht ein heilloses Durcheinander und doch hat hier alles seine Ordnung. Immer zu zweit, der eine sichert, der andere klettert. Ich lege Gurt und Schuhe an und entscheide mich für eine einfache Wand. Bei jedem Kletterversuch steigere ich den Schwierigkeitsgrad und wage mich an die größeren Kletterwände. Ich hänge circa fünf Meter über dem Boden, die Kraft lässt nach, die Finger verkrampfen, der nächste Griff scheint außer Reichweite. Ich springe, vorbei! Zum Glück bin ich gesichert. Die nächsten Stunden sichere und klettere ich, oder schaue den Boulderern zu. Kopfüber hängen sie ungesichert an einer überhängenden Wand und versuchen mit Verrenkungen, Sprüngen etc. an ihr Ziel zu kommen. Es erfordert eine immense Körperkontrolle. Ich versuche es

auch und scheitere schon nach wenigen Sekunden kläglich. Das Licht geht aus, ich habe gar nicht gemerkt wie sich die Halle allmählich geleert hat. Es wird Zeit zu gehen, meine Arme und Beine zittern, Müdigkeit überkommt mich, heute Nacht schlafe ich gut.

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DONNERSTAG. 16.APRIL. 2015 Minhocão.

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WIE AUCH DER PARQUE IBIRAPUERA WIRD DER FREIRAUM IN BESCHLAG GENOMMEN !!! EINE STRASSE WIRD ZUM ÖFFENTLICHEN RAUM !! STATT DEM VERKEHR ZU DIENEN WIRD DIE STRASSE ZUM TREFFPUNKT!!! WO RAUM IST, WO MÖGLICHKEITEN GEGEBEN WERDEN, SCHAFFEN SICH MENSCHEN IHRE GANZ PRIVATEN NUTZUNGEN NACH IHREN EIGENEN BEDÜRFNISSEN !!!

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DONNERSTAG.16.APRIL.2015 Minhocão. Abend. Dunkelheit. Spontan mache ich mich auf, noch etwas Sport zu treiben. Noch wohne ich im Zentrum und daher bietet sich ein Ort besonders an: der Minhocão. Die vielbefahrene Hochstraße schlängelt sich durch die Hochhäuser und schafft eine zweite Verkehrsebene. Doch am Wochenende und abends ab zehn Uhr, wird diese Straße zum Treffpunkt und Marktplatz, zum Park und Sportplatz oder sogar Schwimmbad. Die Straße wird für den Verkehr geschlossen und zum öffentlichen Raum umfunktioniert.

[151] Abends nutzen viele den Minhocão zum Joggen (siehe Seite zuvor). [152] Ob Fahrradfahren, Joggen oder Spazieren, am Sonntag wird die Straße zum öffentlichen Raum. [153] Familien veranstalten auch Grillfeste. [154] Kinder planschen in einem kleinen, aus Planen aufgebautem Wasserbecken.

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Vor allem sonntags findet hier tagsüber alles mögliche statt. Im Sommer wird mit Planen ein Planschbecken für die Kinder gebaut, Familien treffen sich zum Grillen, Kinder und Erwachsene spielen Fussball, gehen spazieren, fahren Rad oder joggen. Es gibt hin und wieder auch einen Markt. Kulinarische Köstlichkeiten oder gebrauchte Klamotten. Hier drängeln sich die Leute durch die Standreihen, die Autobahn wirkt auf einmal wie eine ganz normale Fußgängerzone im Zentrum, nur eben zwölf Meter über dem Boden. Ich jogge durch die dunklen Straßen, an Obdachlosen vorbei auf dem Weg zum Minhocão. Als ich ihn betrete ist er menschenleer. Ich bin früh dran, schon nach wenigen hundert Metern füllt er sich. Fahrradfahrer rauschen an mir vorbei, Gruppen treffen sich zum Joggen oder Spazieren, Jugendliche skaten oder sitzen nur auf der Mittelplanke. Die Straße wird in kürzes-

ter Zeit belebt. Um mich herum leuchtet die Stadt in der Nacht, der Verkehrslärm schallt herauf. Ich wurde schon oft gewarnt, nachts die Straßen unter dem Min-

hocão zu meiden, aber hier fühle ich mich sicher, erst beim Verlassen der Hochstraße tauche ich wieder in die normale Nacht im Zentrum São Paulos ein. Auch von meiner Wohnung im Copan sehe ich noch Stunden später Sportler auf dem Minhocão ihre Runden drehen.

[155] Am Sonntag kehre ich zurück und treffe auf einen Flohmarkt. [156] Der Minhocão am Sonntag mit dem Copan im Hintergrund. [157] Auch aus meiner Wohnung sieht man die Hochstraße. [158] Die Straße lässt den Gebäuden nur wenig Platz. Sonne kommt kaum nach unten (siehe folgende Seite).

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SONNTAG. 19.APRIL.2015 Bixiga.

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ITALIENISCHES VIERTEL !!! GROSSE ANSAMMLUNG VON THEATERN, RESTAURANT, BARS, MÄRKTEN UND ITALO-BRASILIANISCHER KULTUR !! UNTYPISCHE BEBAUUNG FÜR DIE STADT. SEHR GRÜN UND NIEDRIGE PRIMÄR ZWEIGESCHOSSIGE GEBÄUDE !!!

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DIE ESSENSKULTUR, SPIELT HIER EINE GROSSE ROLLE !! AUCH DIE ANZAHL DER THEATER UND DER BERÜHMTE FEIRA DO BIXIGA MACHT DAS VIERTEL IN DER GANZEN STADT BEKANNT !!! TROTZ SEINER TOLLEN ATMOSPHÄRE WIRD DAS VIERTEL NOCH VON VIELEN GEMIEDEN !! ZU GROSS IST DIE ANGST VOR DER KRIMINALITÄT 1 1


[159] Das Café do Bexiga ist eines der ältesten im ganzen Viertel (siehe Seite zuvor). [160] Die Rua do Bixiga, eine typische Straße für das Viertel Bixiga, befindet sich direkt hinter meinem Grundstück. [161] Die Treppen von Bixiga verbinden den unteren mit dem oberen Teil des Viertels.

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SONNTAG.12.APRIL.2015 Bixiga. Quer durch die Stadt in das Viertel Bixiga. Ich habe die Möglichkeit mit dem Großvater meiner ehemaligen Mitbewohnerin das Viertel zu erleben. Als ehemaliger Schauspieler und Institutsleiter und kulturell engagierter Paulistano kennt er sich hier bestens aus. Schon der Hinweg in das Viertel gestaltet sich schwer, durch Demonstrationen auf der Avenida Paulista, liegt in diesem Bereich der gesamte Busverkehr lahm. Doch über Umwege und größtenteils zu Fuß gelangen wir nach Bixiga. Wir tauchen ein in die italienische Welt São Paulos. Alte besetzte Häuser wechseln sich mit restaurierten Gebäuden ab. Zunächst scheint es wie eines von vielen Vierteln in São Paulo. Doch je weiter wir in die Nachbarschaft vordringen stoßen wir auch mehr typische Ele-


mente für Bixiga. Viele Theater, italienische Restaurants und auch Kirchen. Die Namen wechseln zum Teil aus dem Brasilianischen in das Italienische. Immer wieder erfahre ich von Fernando Hintergründe und Geschichten über das Viertel und die Gebäude und Straßen. Wir kommen an der Kirche Basílica de Nossa Senhora do Carmo Frades Carmelitas vorbei, die schon seit dem 16. Jahrhundert existiert, mehrmals abgebrannt steht nun leider eine neuere Version an ihrer Stelle. Ich nehme mir vor, nochmals zurückzukehren, um hier einer Messe beizuwohnen. Mittag. Natürlich gehen wir in ein italienisches Restaurant. Die Cantina Capuano, das wohl älteste Restaurant der Stadt São Paulo. Es gibt Pasta, typisch für Brasilien wird das Essen geteilt. Während wir Essen und uns dem Genuss der italienischen Küche hingeben, spielen zwei Musiker mit ihren Gitarren italienische und brasilianische Lieder. Weiter geht es durch die Straßen, immer wieder trifft man auf die Einflüsse der calabresischen Einwanderer. Es ist Sonntag, Fußballspieltag, überall werden die Spiele geschaut und den Italienischen Mannschaften zugejubelt. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung auf den Straßen und so gelangen wir schließlich zu der Feira do Bixiga, einem berühmten Markt São Paulos. Wir sind leider spät dran, viele Stände sind schon abgebaut, andere Packen zusammen, aber trotzdem gewinne ich einen Eindruck wie das Markttreiben am Morgen wohl

ausgesehen haben muss. Über die vielen kleinen Straßen laufen wir bis hin zu meinem Grundstück am Teatro Oficina. Als ich nach nunmehr sechs Monaten wieder um das Baufeld laufe und nochmals genauer anschaue beginnt mein Kopf direkt Verbindungen zu ziehen. Der Minhocão, die Casa da Dona Yayá. In meinem Kopf bilden sich die ersten Formen und Ideen, unterstützt von den Anekdoten von Fernando.

[162] Die Feira do Bixiga (Markt von Bixiga) ist in der ganzen Stadt berühmt. [163] Der Weg führte mich durch idyllische Sträßchen, recht untypisch für São Paulo. [164] Die vielen Eckkneipen sind gut besucht, am Sonntag wird dort Fussball geschaut. [165] Die Straße, mit ihren kleinen Häuschen und großen Bäumen könnte sich auch in Europa befinden (siehe folgende Seite).

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DIENSTAG. 21.APRIL.2015 SESC Pompéia.

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B K F FJK O FJK

DIE MARKANTEN ELEMENTE DER STRASSE ZWISCHEN DEN FABRIKHALLEN UND DIE ZWEI TÜRME MIT IHREN STEGEN CHARAKTERISIEREN DAS SESC.

DIE HALLEN BIETEN RAUM, FREI DEFINIERBAREN RAUM.. . ER KANN VON DEN BESUCHERN SELBST EINER NUTZUNG ZUGEFÜHRT WERDEN !!! JEDER KREIERT SEINE EIGENE DEFINITION VON FREIZEIT UND ÖFFENTLICHEM RAUM !!!!! AUCH DIE SPORTTÜRME BIETEN RÄUME MIT SPORTHALLEN IN DENEN SELBST ENTSCHIEDEN WERDEN KANN, WIE SIE GENUTZT WERDEN !!!


DIENSTAG.21.APRIL.2015 SESC Pompeia. Heute steht das SESC Pompeia von Lina Bo Bardi auf dem Programm. Feiertag. Freizeit. Leider befindet sich das SESC etwas weiter weg, mit U-Bahn und Bus erreiche ich die ehemalige Fabrik. Schon von weitem erkenne ich die drei markanten Türme aus Stahlbeton. Ein Schornstein hinter zwei großen, hohen Kisten. In der einen verbirgt sich im Erdgeschoss ein Schwimmbad und darüber stapeln sich 4 Sporthallen. Der andere dient zur Erschließung und beherbergt Umkleide- und Betreuungsräume. Durch Brücken werden die beiden verbunden. Ich war schon oft hier, doch jedes Mal fasziniert mich dieser Komplex aufs Neue. Ich trete ein, komme an, und direkt tauche ich in eine andere Welt ein. Die Stadt São Paulo ist ausgeblendet. Kinder springen und rennen herum, Erwachsene lachen, unterhalten sich, stehen in der Schlange, um zu essen oder bewegen sich durch die Anlage. Ich betrete die erste große, umgebaute Fabrik157


halle. In der Halle verteilt stehen Tisch- und Sitzensembles, eigens für diesen Ort entworfen. Die Halle ist voll, die Bibliothek gut besucht, in den Sitzbereichen spielen Rentner Schach, andere lesen, reden. Ich bin irritiert, normalerweise erstreckt sich der Hauptraum über die gesamte Fläche der Halle, heute ist eine Ausstellung von Marina Ibramović. Wände wurden eingestellt, Führungen durch die Ausstellung finden statt, ein Teil der Arbeit der Performance Künstlerin ist auch so einzusehen. Der Ort platzt vor Leben fast aus seinen Nähten. Überall, drinnen und draußen, tummeln sich die Menschen. Plötzlich bricht es aus allen Wolken. Regen. Viele Kinder lassen sich dennoch nicht davon abhalten zu spielen und rennen draußen im Regen umher. So schnell wie er anfing, ist der Regen wieder vorbei. Es hat dem Leben in dem

Kulturzentrum keinerlei Abbruch getan. Menschen sitzen draußen, drinnen, machen Sport, nur das Sonnendeck liegt verlassen da. Nach einem Rundgang durch die Anlage suche auch ich mir meinen Platz in dem Getümmel und beobachte weiter, fange an zu arbeiten, werde Teil des Feiertags im SESC Pompeia. [166] Blick in die berühmte Gasse des SESC Pompeia (siehe Seite zuvor). [167] Hinter dem verregneten Sonnendeck sieht man die 3 charakteristischen Türme des Kulturzentrums. [168] Eine Nahaufnahme der Brückenverbindung des Sporthallenturms. [169] Für das Theater hat Lina Bo Bardi eigene Möbel entwickelt. [170] In der großen Halle verbringen die Menschen ihren Feiertag. [171] die betonierten Bereiche dienen vielen zum Schachspielen oder Lesen. [172] Blick von oben auf die sich überkreuzenden Verbindungsstege der Türme (siehe folgende Seite).

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MITTWOCH. 22.APRIL.2015 CCSP.

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WIE AUCH IM SESC BIETET SICH HIER VIEL RAUM ZUR FREIEN VERFÜGUNG !!! ES ENTSTEHEN ORTE DER MÖGLICHKEITEN !!! OB JUGENDLICHE TANZEN, LERNEN, DIE SONNE GENIESSEN ODER TATSÄCHLICH DIE ANGEBOTENEN NUTZUNGEN WAHRNEHMEN ! ALLES IST MÖGLICH !!! EIN GARTEN MITTEN IN DER STADT !!! GRÜN ANGEBOT IST ENORM WICHTIG FÜR DIE BEWOHNER DER STADT !!!


DONNERSTAG.23.APRIL.2015 CCSP. Das Centro Cultural São Paulo erstreckt sich am Rande des Viertels Bixiga entlang einer Schnellstrasse. Unter einem Dach finden vielerlei Nutzungen statt, von einer Bibliothek über Seminarräume und Auditorien bis hin zu einem Restaurant und Freiflächen.

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Wie schon so oft, nähere ich mich zu Fuß von der Avenida Paulista kommend. Das Kulturzentrum duckt sich einladend unter seinem langgestreckten Dach. Ohne Absperrung oder klimatische Trennung gelange ich direkt in den Innenbereich, wo das Gebäude einen Garten umschließt. An Glasscheiben üben Jugendliche mit ihrem


Spiegelbild Tanzchoreographien. Andere sitzen herum und schauen zu. Eine Wendeltreppe führt mich auf das begrünte Dach. Ein Garten mitten in der Stadt. Im Gras sitzen und liegen Pärchen und Freunde, verbringen ihre Mittagspause oder sogar den ganzen Nachmittag in der Sonne, lernen, genießen den Blick über die Stadt. Vom Dachgarten gelange ich in den

Hauptraum. Über vier Geschosse, mit Rampen verbunden vereinen sich in einem Atrium Ausstellungsflächen, Bibliothek und Arbeitsplätze. Über die Rampen gelange ich von Geschoss zu Geschoss. Menschen sitzen an Tischen oder auf dem Boden und arbeiten, lesen oder hören Musik. An den öffentlichen Audioplätzen tanzen zwei Männer gemeinsam zu der Musik. Zurück auf dem Dach, suche auch ich mir ein Plätzchen auf dem Rasen und genieße den Ausblick, denke nach. Die Stadt verwandelt sich in Kollagen, Ideen prasseln auf mich herein. Das Gesehene von hier und den anderen Orten vereint sich zu einem großen Ganzen. Schnell zücke ich mein Skizzenbuch, um die Gedanken festzuhalten.

[173] Das Atrium des CCSP wird durchkreuzt von mehreren Rampen, die die veschiedenen Geschosse erschließen (siehe Seite zuvor). [174] und [175] Jugendliche üben choreographien vor den spiegelnden Glaswänden. [176] Die rote Wendeltreppe führt direkt, ohne Umwege, auf das begrünte Dach. [177] Von dem Dach hat man einen Blick in das Dickicht der Stadt. [178] In den öffentlichen Räumen wird gelernt oder gearbeitet. [179] Viele verbringen ihre Freizeit auf dem Dach, um etwas Grün um sich zu haben (siehe folgende Seite).

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DONNERSTAG. 23.APRIL.2015 Feira do Pinheiros.

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MARKT ALS TREFFPUNKT ! ALS ORT DES AUSTAUSCHS !!!

DER GANG ZUM MARKT IST HIER VIEL ALLTÄGLICHER ALS IN DEUTSCHLAND !!!

DER MARKTPLATZ, DIE MARKTHALLE ALS ORT DES ENTDECKENS !!! DIE KULINARISCHE VIELFALT IST ALLGEGENWÄRTIG !!!

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DONNERSTAG.23.APRIL.2015 Feira do Pinheiros. Markt. Schon von weitem höre ich sie: die Marktschreier. Ich bin auf dem Weg zum wöchentlichen Markt an der Rua dos Pinheiros. Kaum biege ich um die Ecke, bin ich mitten drin im Gedränge. Die Verkäufer preisen lauthals ihre Waren an, bieten einzigartige Angebote. Ich schlendere durch die Reihen, probiere hier und dort von dem frischen, saftigen Obst, erfrage Namen der mir unbekannten Obst- und Gemüsesorten. Endlose Reihen an Bananen, Maracujas, Ananas, Gewürzen, Gemüsesorten, Fisch und Fleisch: alles, was das Herz begehrt. Je später der Vormittag, desto billiger werden die Waren. Bald kostet ein Kilo Gemüse umgerechnet nur noch 50 Cents. Das Preisleistungsverhältnis ist 171


weit besser als im Supermarkt. Anders als in Deutschland haben die Waren auf dem Markt nicht nur eine bessere Qualität als im Supermarkt, sie sind auch noch billiger. Ich laufe zielstrebig auf das Ende des Marktes zu. Dort befinden sich die Essensstände. Wie immer tummeln sich massenhaft Menschen in ihrer Mittagspause um die Stände. Der Markt ist nicht nur ein Ort zum Einkaufen, sondern auch ein Treffpunkt, hier wird gegessen, getrun-

ken und man unterhält sich. Auch ich bestelle mir einen der typischen frisch gepressten Zuckerrohrsäfte mit Limette und ein Pastel, eine frittierte Teigtasche, die es mit verschiedenen Füllungen gibt. Gesättigt mache ich mich auf den Rückweg, um die letzten Einkäufe abzuwickeln, zu meiner Überraschung sind die Preise noch weiter gesunken.

[180] Maracujas und Limetten zum Verkauf drapiert (siehe Seite zuvor). [181], [183] und [184] Das Gemüse und die Früchte werden durch kunstvolle Arrangements präsentiert. [182] Ein Blick hinter die Kulissen, auf der Rückseite der Stände stapeln sich hunderte von Kisten. [185] Einer von vielen Bananenständen, hier gibt es Bananen in allen Größen und Reifegraden (siehe folgende Seite).

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FREITAG. 24.APRIL.2015 Teatro Oficina.

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Viertel Bixiga in Richtung Teatro Oficina. Vorbei an brachliegenden Flächen, verlassenen Gebäuden, Obdachlosen auf der Straße und unter der Brücke. Einige haben sich aus Kartons regelrechte Häuser unter die Brücke gebaut.

[186] Die Rua Lina Bardi führt in das Theater, ist das Teatro Oficina (siehe Seite zuvor). [187] Blick vorbei am Wärterhäusschen auf den Parkplatz, mein Grundstück, neben dem Theater. [188] Ein Pärchen sitzt auf einem kleinen Flecken grün unter dem Minhocão. [189] Der Eingang des Teatro Oficina. [190] Aus dem seitlichen großen Fenster des Theaters wächst der berühmte, von Lina Bo Bardi, gepflanzte Baum. [191] Blick entlang einer Zuschauergalerie.

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FREITAG.17.APRIL.2015 Teatro Oficina. Das Theatergebäude von Lina Bo Bardi liegt mitten in dem Viertel Bixiga. Heute geht es mir nicht darum, eine der Aufführungen des Theaters anzuschauen, eigentlich bin ich auch nicht nur wegen des Theaters selbst da, das Gebäude habe ich schon mehrfach besucht und besichtigt. Heute mache ich mich auf den Weg, um mein Grundstück, die Bereiche um das Teatro Oficina zu erkunden. Entlang des Minhocão, den ich am Tag zuvor bereits besuchte, bewege ich mich durch das


Mir ist etwas mulmig zumute, fühle mich etwas verunsichert, bahne mir aber doch meinen Weg über die kaputte Straßen. Unter der Hochstraße hindurch, ist es nicht mehr weit bis zu meinem Planungsgebiet. An einer Ecke sitzt ein Pärchen mit Decke auf einem kleinen Flecken Grün und picknickt. Ein befremdliches Bild zwischen den Straßen. Angekommen. Vor der offiziellen Besichtigung versuche ich, den benachbarten Parkplatz anzuschauen. Ich will einige Bilder schießen und das Grundstück genauer erkunden. In Brasilien sind solche Besichtigungen normalerweise durch eine nette Unterhaltung recht einfach zu erreichen. Bei dem Parkplatzwächter beiße ich auf Granit. Keine Chance. Weiter zum Theater. Ein Mitarbeiter des Ensembles Uzyna Uzona begrüßt mich, führt mich durch das Theater, weist mich auf mir bisher noch unbekannte Details hin, beantwortet mir viele Fragen, auch über die architektonische Geschichte, aber vor allem über den Konflikt mit der Silvio Santos Group. Hier erfahre ich auch Näheres über den aktuellen Stand des Streits. Er scheint beigelegt, die

Stadt sei für die Silvio Santos Group auf der Suche nach einem gleichwertigem Grundstück, um einen Austausch vorzunehmen, damit die kulturelle Mission des Teatros weitergeführt werden könne und die schon lange geplanten Einrichtungen des Teatro Estadio und Anhangabaú de Feliz Cidade umgesetzt werden können. Dem erwähnten Frieden der zwei Parteien, traue ich nicht ganz. Den Konflikt und auch die Lösungssversuche hatte ich schon aus Deutsch-

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DER AUSSENRAUM WIRD ZUM INNENRAUM !! DIE STRASSE ZUM THEATER. DIE THEATERSTRASSE ZELEBRIEREND WANDELT DAS ENSEMBLE DEN STRASSENRAUM MIT JEDEM STÜCK !!! DIE BAUSUBSTANZ WIRD TEIL DER KULISSE !!!

DER WEG WIRD ZUR NUTZUNG, DIE EINGÄNGE UND DIE STRASSE ZUM THEMA. DAS THEATER BREITET SICH AUS UND SCHLIESST IHRE GESAMTE UMGEBUNG UND DIE ZUSCHAUER MIT EIN !!

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DER KONFLIKT ZWISCHEN DER SILVIO SANTOS GROUP UND DEM TEATRO OFICINA IST ALLGEGENWÄRTIG !!!


land verfolgt. Zwar waren sich die zwei Parteien immer näher gekommen, doch die Beilegung des Streits und die damit verbundene Übergabe des Grundstückes ist meiner Meinung nach noch Jahre entfernt. Wenig später sollte ich Zeuge genau dieses Problems werden. Mit Pedro, dem Mitarbeiter, verlasse ich über den Hintereingang das Gebäude, ohne Probleme sei das umliegende Gelände zu besichtigen, betont er. Hier draußen erfahre ich noch mehr über die geplanten Shoppingcenter und Projekte, die dem Teatro Oficina entgegenstehen. Doch kaum sind wir die Treppenstufen hinab gestiegen, sehe ich ein altbekanntes Gesicht. Der Besitzer des Parkplatzes kommt mit stürmischen Armbewegungen auf uns zu gerannt. Ein Streit zwischen Pedro und dem Parkplatzbesitzer bricht aus. Das Teatro Oficina, habe keinerlei Recht, das umliegende Gelände auch nur zu betreten! Mit Polizei, Klage und drastischen Konsequenzen wird gedroht, wenn wir das Gelände nicht sofort verlassen. Ich stehe etwas betroffen daneben, anscheinend hat sich die Beziehung sogar noch

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verschlechtert, die kurz zuvor versicherte Harmonie scheint verflogen. Doch kaum ist der Streithahn zurück zu seinem Wachhäuschen, offenbart sich sofort wieder die brasilianische Lockerheit. Wenn ich den oberen Teil des Grundstückes besichtigen wolle, solle ich mich beeilen, sagt Pedro, er würde hier warten und mich gegebenenfalls durch Rufe warnen.

Dankbar schaue ich mir auch noch diesen Teil des Grundstücks an. „Renn, renn!“, schallt es mir hinterher. Ich beeile mich, schieße schnell ein paar Fotos und renne zurück ins Theater. Direkt danach spielt Pedro den beobachteten Konflikt herunter, doch scheint tatsächlich etwas aus dem Lot geraten zu sein.

[192] Von oben sieht man entlang der Straßenbühne Rua Lina Bardi bis hin zu den Torbögen am Ende, die wieder nach draußen leiten. [193] Der Parkplatzwächter wettert gegen Pedro, welcher zuerst verständnisvoll zuhört, dann aber dagegenhält. [194] und [195] Die zwei ehemaligen Straßenzugänge, die einst das Grundstück durchzogen. Die Oficina Gruppe bemalte sie, um an die ehemalige Verbindung zu erinnern. Hin und wieder werden sie für einzelne Aufführungen auch als Eingang benutzt. [196] Vom Minhocão sieht man das brachliegende Gelände, dass sich vor dem Theater erstreckt (siehe folgende Seite).

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SAMSTAG. 25.APRIL.2015 Praรงa das Artes.

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WER GEHT HIER DURCH ? DURCH DIE SACKGASSE WIRD DER PLATZ UNTER DEN RIEGELN WENIG GENUTZT !!! DIE VERBINDUNG WÜRDE DEM ORT GUT TUN ! ALS TEIL DER STRASSE WÄRE ER BELEBTER !!!

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ABGESPERRT, AUSGEGRENZT, BEWACHT !!! DER FLIESSENDE RAUM WIRD ABGEGRENZT UND NICHT MEHR ALS ÖFFENTLICH LESBAR ! DURCH DIE TOTALE KONTROLLE MIT ZÄUNEN WIRD DER ÖFFENTLICHE RAUM ZERSTÖRT !!! KANN MAN IHN PERSE NOCH ALS SOLCHEN ANSEHEN ? WIEDERUM DIE FRAGE, IST KONTROLLE NOTWENDIG ? WENN JA GIBT ES WEGE DEN CHARAKTER EINES ÖFFENTLICHEN RAUMES ZU WAREN ?


[197] Entlang eines schwebenden Riegels, spannt sich der Praça das Artes auf (siehe Seite zuvor). [198] und [200] Die Gebäudekonstellation schafft einen öffentlichen Platz zum verweilen. [199] Ob in der Sonne oder im Schatten, auf den Bänken ruhen sich Besucher aus. [201] Eine weitere Eingangsfassade zeichnet sich an einer anderen Seite des Blockes ab. [202] Auch hier verschließt ein Zaun den direkten und ständigen Zugang. [203] Als der Zaun geschlossen wird, brechen einige Besucher auf (siehe folgende Seite).

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SAMSTAG.25.APRIL.2015 Praça das Artes. Mitten im Zentrum, unweit der Fußgängerzone und den Galerien, befindet sich der Komplex. Das erste Mal fiel es mir schwer ihn zu finden, ich war schon so oft daran oder in der Nähe vorbeigegangen und kannte es nicht. Heute finde ich es schnell. Neben an steht ein besetztes Hochhaus, auch hier war ich schon einmal, erinnere ich mich. An einem der Eingänge zieht sich das Gebäude zurück, es wirkt einladend, ein schöner Platz,

wäre da nicht die Eingang zur Tiefgarage. In eine Baulücke, zwischen mehreren alten Bestandsgebäuden, erstreckt sich der Praça das Artes. An den Stellen, wo der Komplex an die Straße stößt, enstehen Zugänge. Wie so oft stehen auch hier mehrere Männer von der Security. Ich gehe direkt auf sie zu, denn schon öfters habe ich nun schlechte Erfahrungen gemacht, wenn ich versuche, mit Stativ zu fotografieren. Heute scheint es kein Problem zu sein. Ein paar wenige Menschen sitzen auf dem Vorplatz in der Sonne, andere im Schatten unter dem langgezogenen Dach. Unter der Woche ist es hier belebter. Der Komplex beherbergt unter anderem eine Tanzschule, die am Wochenende ausgestorben scheint. Das Gebäude zu betreten ist nur mit einer Voranmeldung unter der Woche möglich, wie ich jetzt erst erfahre. Die Zeit bleibt mir leider nicht mehr. Aber auch hier unter und zwischen den Gebäuden spürt man die Qualitäten des Entwurfs. Ich setze mich an eine der Rückwände und beobachte. Wenig passiert. Die einzelnen Besucher, die auf den Bänken sitzen, lesen oder unterhalten sich. Kaum einer geht vorbei. Anstatt an einem Ende in das Anhangabaùtal zu münden, endet der Platz hier mit einer Brüstung mehrere Meter über dem Boden. Die


Durchwegung wird unterbrochen. Ich stelle mir vor wie belebt es hier wohl wäre, wenn es die Verbindung gäbe. Der Platz würde zur Kreuzung mehrerer Wege, Teil der Straßen. Lautes Scheppern reißt mich aus meinen Gedanken.

An der einen Seite wird soeben ein Gitterzaun vor den Eingang gezogen, nur eine kleine Tür bleibt als Ausgang. Die „Straße“ wird gesperrt, der Platz also unerreichbar. Wie so oft sind die öffentlichen Räume nur Räume auf Zeit. Einige stehen auf, bewegen sich Richtung Gitter. Ich schließe mich an, gehe nach draußen, um meinen Weg durch das Zentrum fortzusetzen.

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SAMSTAG. 25.APRIL.2015 O Banquete.

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O J F R G L L D L D BEI JEDEM KONTAKT MIT DEM THEATER WIRD DER KONFLIKT THEMATISIERT !!!

DER ZUSCHAUER WIRD TEIL DER AUFFÜHRUNG, TEIL DER INSZENIERUNG UND DES THEATERS. ER WIRD SCHAUSPIELER UND KULISSE ZUGLEICH !!! DIE OFFENE ART DER ANTHROPOPHAGIE SOLLTE MAN DABEI VERINNERLICHT HABEN !!!

DAS GANZ EIGENE WESEN DES THEATERS, IHRE LEBENSPHILOSOPHIE UND IHR SCHAFFEN VERLANGT NACH EINER GANZ EIGENEN ANNÄHERUNG UND ARBEITSWEISE !!!! DIE INTEGRATION KANN AUF KEINE HERKÖMMLICHE ART UND WEISE GESCHEHEN !!!


SAMSTAG.25.APRIL.2015 O Banquete. Das Bankett. Teatro Oficina. Es ist wieder soweit. Ich möchte mir ein weiteres Mal eine Aufführung des Theaters anschauen. Pedro hatte mich während der Führung durch das Teatro eingeladen und mir erzählt, es sei um einiges besser als das von mir gesehene Cacilda. Cacilda, ein Drama, eine Hommage des Theaterdirektors [204] Eine Szene der "sexuellen Reinigung". Durch das Waschen, soll Sokrates seine Manneskraft zurückerlangen (siehe Seite zuvor). [205] In der Schlange vor dem Teatro. [206] Eine lange Tafel ist in der Mitte aufgebaut an dessen Seiten sich die Zuschauer setzen. [207] Die Band sitzt mittendrin, spielt, schauspielert und begleitet das gesamte Stück live. [208] Mit dem Sinnbild der sexuellen Manneskraft, dem goldenen Hammer, wird in dieser Szene geschmiedet.

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und Regisseurs Zé Celso an eine berühmte Schauspielerin. Und heute das Bankett. Premiere. Der Direktor des Theaters lädt zum Bankett mit Essen und Wein. Klassische Dialoge der griechischen Antike, Platon, Eros und Zeus. All das in die heutige Zeit, nach Brasilien, in die aktuellen Konflikte übersetzt. Ich kann mir recht wenig darunter vorstellen, kenne aber von meinen Recherchen und auch meinen Besuchen im vorigen Jahr die einzigartige Arbeitsweise der Oficina. In der Abenddämmerung mache ich mich auf den Weg zum Teatro. Ich beeile mich, ich habe


nur noch wenige Tage in São Paulo und will die Stadt, Bixiga, Brasilien genießen, nochmals alles sehen und erleben. Ich biege um die Ecke auf die Straße des Theaters und traue meinen Augen nicht, eine Schlange bis an die Straßenecke. Eine halbe Stunde vor Beginn scheint nicht früh genug zu sein. Schnell kaufe ich mir meine Karte, nehme die Plastiktüte und das Glas für Schuhe und Wein entgegen und stelle mich in die Schlange zum Einlass. Ich bin irritiert, ansonsten ist der Kartenverkauf und der Anfang der Aufführungen meistens hinter dem Theater, auf dem Grundstück der Silvio Santos Group. Ich erinnere mich an den Vorfall während meiner Besichtigung. War dies der Grund? Keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, es geht los. Die Schauspieler kommen aus dem Theater. Wie auch schon bei Cacilda, stimmen sie ein Lied an, ein Akkordeon und Trommeln begleiten. Sie springen hinaus auf die Straße, Autos rauschen vorbei, die kräftigen Stimmen übertönen den Verkehrslärm und geleiten in das Theater. Beim Eintreten packe ich schnell die Schuhe in die Tüte. Ein kurzes Fussbad, dann suche ich mir meinen Platz. Ich habe mich für einen Sitzplatz in den oberen Galeriegeschossen entschieden. Aus zwei Gründen. Ich will während der Auf-

führung filmen und fotografieren und ich weiß von den partizipatorischen Aktionen während des Stückes, die oft zu nackten Tatsachen führt. „Nein danke, kein Interesse!“, denke ich mir. Die Theaterstraße ist umgebaut. Eine riesige Ta-

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fel führt durch das gesamte Theater, hier nehmen die Besucher Platz. Es geht los. Brot und Obst wird in riesigen Körben durch die Reihen gegeben, Wein wird ausgeschenkt. Es ist wirklich ein Bankett. Die Band beginnt zu spielen. Immer werden die Stücke des Teatros mit oft selbst komponierter Musik live begleitet. Die griechische Mythologie, Zeus, Eros, Platon und Sokrates. Acht Jahrhunderte der griechischen Weisheit. Wie nicht anders zu erwarten werden die aktuellen Themen behandelt. Adaptiert in die heutige Zeit, geht es um Politik, Akzeptanz, Anerkennung, sogar die Silvio Santos Group wird erwähnt, aber vor allem wird, wie fast nicht anders zu erwarten, die Homosexualität thematisiert. Alles verbunden, miteinander verwoben, verworren. Schon nach wenigen Sekunden reißt sich die erste Schauspielerin die Kleider vom Leib, andere sind von vornherein nackt. Es ist vulgär, beinahe grenzenlos. Keine Tabus. Ich hatte bereits Stücke des Theaters gesehen,

aber dieses war extrem. Ein griechisches Bankett eben, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich lasse mich von dem Schauspiel packen, konzentriere mich auf die Geschichte. Greife zu, wenn Essen oder Wein angeboten wird. Tauche ein in die Welt des Teatro Oficina. Zuschauer werden eingebunden, ausgezogen, anzüglich berührt. Ein jeder weiß, worauf er sich eingelassen hat, als er hierher kam. Wer ahnungslos kam, weiß es spätestens jetzt. Ich bin froh, dass ich nicht unten in erster Reihe an der Tafel sitze. Der Zuschauer wird ein Teil des Stückes, interagiert, wird Schauspieler. Hier oben ist und bleibt es zumeist ein Schauspiel zum Anschauen. Ab und zu schrecke ich auf, wenn eine Szene besonders grotesk ist. Pause. Ich schaue auf die Uhr. 21.30 Uhr. Seit sechs sitze ich schon hier, die Zeit verging wie im Flug. Alles steht auf, geht an die frische Luft oder

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schaut sich das Theater an. Auch ich gehe umher, unterhalte mich mit Bekannten und beobachte. Weiter geht‘s. Alles sucht sich seinen Platz, die Obszönitäten nehmen ihren Lauf, steigern sich ins Unermessliche. Ich tauche wieder ein, werde Teil des ganzen Spektakels und plötzlich ist es vorbei. Die Abschlusspose. Alle vereint auf Zeus‘ Thron. Zuschauer gesellen sich dazu, plötzlich sitzt das ganze Theater beisammen, hält sich in den Armen und singt. Zé Celso der Mitbegründer, Direktor, Regisseur und Hauptdarsteller des Teatros hält eine Rede, alles jubelt, er wird gefeiert. Ich schaue abermals auf die Uhr. 23.30! Fünfeinhalb Stunden ging die Aufführung, die Feierei, das hemmungslose Schauspiel. Ich trete hinaus in die Nacht, alle stehen sie noch beisammen und sprechen über das Erlebte oder weitere Pläne. Langsam verläuft sich die Menge, auch ich mache mich auf den Weg durch die Nacht zurück nach Hause, noch immer über das Erlebte nachsinnend. Ich kann es noch nicht einordnen. Vielleicht wenn ich eine Nacht darüber schlafe.

[209] Die drei sexuellen Vorlieben, schwul, lesbisch und hetero finden zueinander. Hier im Bild das hetero Paar. [210] Die Salbung und Reinigung von wird auch von Zuschauern unterstützt. [211] Eine der Schlussszenen. Alle bewegen sich auf Zeus' Fallus, Eros voran, um sich mit Sokrates zu vereinen. [212] Am Ende singen alle in der gemeinsamen Schlussszene, auch die Zuschauer kommen hinzu. [213] Fortführung der Szene von Zeus und Sokrates. Befriedigt liegen alle auf dem Boden (siehe folgende Seite).

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SONNTAG. 26.APRIL.2015 Basilica da Nossa Senhora do Carmo.

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DER, AFRIKANISCH BEEINFLUSSTE, CONDOMBLÉ IST EINER DER WENIGEN GLAUBEN, DIE AUF VÖLLIG ANDERE ART UND WEISE ZELEBRIERT WERDEN !!! DER IN BIXIGA VERANKERTE KATHOLIZISMUS WEICHT KAUM VOM EUROPÄISCHEN AB !!!

DER GOTTESDIENST UNTERSCHEIDET SICH KAUM VON DER DEUTSCHEN VARIANTE !!! LEDIGLICH DER JEITINHOBRASILEIRO KOMMT ZUM TRAGEN !!! ALLES WIRD ETWAS GELASSENER GESEHEN, SEI ES ZU SPÄT KOMMEN, TELEFONIEREN, DIE KLEIDUNG ODER DIE MUSIK !!!!

DAS VEREINENDE ELEMENT IST IN DER BRASILIANISCHEN KULTUR MIT ANDEREN TÄTIGKEITEN VERANKERT !!!!

SEEFAFB DIE KIRCHE WIRD NICHT SO SEHR ZUM VEREINENDEN ELEMENT WIE GEDACHT !!! ES ERSCHEINT EINER PFLICHTERLEDIGUNG UM DANACH WIEDER NACH HAUSE ZU EILEN !!!


SONNTAG.26.APRIL.2015 Basilica da Nossa Senhora do Carmo Frades Carmelitas. Ich sitze in der Kirche Nossa Senhora do Carmo in Bixiga. Es ist 18.20 Uhr, die Sonntagsmesse beginnt in wenigen Minuten. Noch ist die Kirche

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fast ganz leer, auch die Straßen vor der Basilika waren ausgestorben. Vorne an der Apsis steht ein Gitarrist und spielt langsame Begleitmusik. Ich genieße die Musik und schaue mich in der Kirche um, auf einer Infotafel an der Wand erfahre ich die Geschichte der Basilika. Ende des 16. Jahrhunderts gegründet, mehrfach zerstört und abgebrannt, wurde der heutige Bau Anfang des 20. Jahrhunderts fertig gestellt. Der Gottesdienst beginnt, noch immer ist die Kirche nur spärlich besetzt. Die Messe beginnt mit liturgischen Handlungen des Pfarrers, gefolgt von gemeinsamen Gesängen, immer angeleitet und begleitet von dem Gitarristen. Aus den Liedern höre ich den brasilianischen Einfluss heraus, die Rhythmen sind gefälliger, lockerer als die deutschen Choräle. Nach und nach füllt sich die Kirche. Die lockere Art der Brasilianer, ihr Umgang mit Pünktlichkeit spiegelt sich auch hier beim Gottesdienst wieder. Bis zu einer halben Stunde später trudeln noch regelmäßig Gläubige in großer Zahl ein. Ihre Kleidung bildet in meinen Augen einen Kontrast, zum einen zum Gewand des Pfarrers, aber auch zur feierlichen Kleidung, die ich aus Gottesdiensten in Deutschland kenne. In Sommerkleidung und


zu klingeln, trotz der Hinweise der Lektorin zu Beginn der Messe, die Telefone abzuschalten. Kann ja jedem einmal passieren, denke ich mir und konzentriere mich wieder auf den Gottesdienst. Doch immer wieder klingelt der penetrante Ton einer Whatsapp-Nachricht hinter mir, der Mann schreibt fleißig mit seinem Smartphone, ihn scheinen die lauten Signaltöne gar nicht zu stören. Der weitere Ablauf mit Kommunion, Gesängen und Liturgien entspricht der mir bekannten deutschen katholischen Messe.

auch in Sportklamotten kommen die Besucher in die Kirche. Bei dem heißen Wetter hier in Brasilien ist dies verständlich, doch irritiert mich das Joggingoutfit eines Mannes durchaus. Da ich nicht getauft bin und auch in Deutschland selten in die Kirche gehe, ist dieser Gottesdienstbesuch in Brasilien eine besondere Erfahrung für mich. Ich versuche der Liturgie des Gottesdienstes zu folgen. Dabei helfen die ausgedruckten Texte, die exakt verwendet werden. Die gemeinsamen Rezitationen, das Knien und Aufstehen ziehen mich in ihren Bann. Es hat eine ganz eigene Faszination. Kindergeschrei schreckt mich auf, eine Familie ist mit ihren kleinen Kindern eingetroffen, gut 30 Minuten zu spät stoßen sie zu dem Gottesdienst hinzu. Dem Kind scheint die Stimmung in der Kirche befremdlich zu sein. Es fängt an zu schreien und zu weinen, erst nach einigen Minuten erbarmt sich die Mutter und geht mit dem Kind wieder hinaus. Schon wenig später schrecke ich erneut auf, ein Handy fängt an

Plötzlich ist es vorbei. Ich habe mich in diesen Rhythmus von Rede und Antwort, unterbrochen von Gesängen mit Gitarre, in den Bann ziehen lassen, so dass das Ende fast abrupt kommt. Die Menschen strömen nach draußen, zu ihren Autos, in ihre Häuser. Schon nach kürzester Zeit ist die Kirche leer. Als ich nach draußen trete, liegt die Straße verlassen da. Niemand verweilt oder unterhält sich mit anderen Gemeindemitgliedern. Auch ich trete meinen Heimweg an, zu Fuß durch das abendliche Viertel.

[214] Das Eingangsportal der Kirche (siehe Seite zuvor). [215] und [217] Die leeren Bankreihen wenige Minuten vor Beginn der Messe. [216] Die Kirche erhebt sich weit über die umliegenden Einfamilienhäuser. [218] Im laufe der Messe, hat sich die Kirche doch noch gefüllt. [219] Die heilige Kommunion, wird auch hier ganz traditionell wie in Deutschland zelebriert (siehe folgende Seite).

204


205


206


04


01 Das Ankommen 02 Espaรงo das Culturas - Ort der Kulturen

weitergedacht.

refleti.


01 Das Ankommen

„Alles ist öffentlich. [...] Privatheit haben wir nur in unserem Kopf.”177

177

177 im Original: "Everything is public. [...] Privacy we only have in our minds." Rocha, Mendes da, in: Becker 2012, S.219

209


[220] Schwarzplan des Viertel Bixigas mit dem Copan am äuĂ&#x;ersten Rand.

210


[221] Bestandstopographie auf dem GrundstĂźck [222] Eingriff mit klarer Form des Riegels.

211


[223] Lageplan

212


Riegel. Die Stadt ist geprägt durch die Vertikalität ihrer Gebäude. Die starke Topographie wird von eben dieser vertikalen Stadtstruktur überdeckt und ist fast nicht mehr lesbar. Auch mein Grundstück ist geprägt durch extreme topographische Unterschiede. Ein klarer langer horizontaler Riegel schafft den Kontrast zu der vertikalen Umgebung. Er entwickelt sich an der Grundstücksgrenze entlang einer Mauer als Pendant zur begleitenden Hochstraße Minhocão. Der Körper definiert und bespielt durch seine klare Positionierung und Formensprache das gesamte Grundstück. Die klare Horizontalität zeigt sich auch in den meisten analysierten öffentlichen Einrichtungen und wird hier als Thema aufgegriffen. Am westlichen Ende des Grundstückes gräbt er

213

sich in seiner gesamten Höhe in die Topographie und schiebt sich bis zur östlichen Grundstücksgrenze. Im Zusammenspiel mit dem Teatro Oficina entsteht so ein neu definierter Raum. Platzeinschub. Durch den Abriss der Bestandsbebauung und der Umnutzung in einen Parkplatz wurde die Straßenverbindung der Rua Japurá mit der Rua Jaceguai unterbrochen. Die Rua Japurá endet momentan als eine Sackgasse. Ein Platz schiebt sich in der Verlängerung dieser Straße durch den Riegel, parallel zum Teatro Oficina, und gräbt sich genauso wie der Riegel in die Topographie. Die Rua Japurá wird weitergeführt und mündet in dem neuen Marktplatz. Der Platz wird durch die Topographie klar ge-


[224] Die Verlängerung der Rua Japurá gräbt sich als Platz in das Grundstück. [225] Stadtschnitt

214


fasst und bietet die Möglichkeit, weitere Nutzungen unterirdisch unterzubringen. Teatro Oficina. Der Baukörper des Theaters wird durch zwei schwebende, raumhaltige Dächer, als Pendant zum Teatro, gestärkt. Zusammen mit dem Hauptkörper wird das Theater mit seinem angebauten Hochhaus eingefasst. Durch die Überlagerung der Körper entstehen wie selbstverständlich klar definierte städtebauliche Eingänge und Plätze. Die drei Volumen verbinden die umliegenden Straßen und bespielen so durch ihre gezielte Setzung gemeinsam mit dem Teatro Oficina das gesamte Grundstück.

[226] Als Pendant zum Teatro Oficina entstehen zwei weitere Körper, die den Eingriff und die Eingänge definieren.

215

Platz. Der Einschub des Platzes mit seinen unterirdischen Nutzungen schafft auch auf dem umliegenden Straßenniveau eine klare Raumdefinition. Der Straßenraum erweitert sich zu einem qualitativen öffentlichen Raum. Die Platzkanten definieren den bespielten Raum und nehmen das Thema der Topographie durch verschiedene Ebenen wieder auf. Im Gesamtensemble entsteht mit den Baukörpern und der Platzgestaltung ein neuer öffentlicher Raum. Das Teatro Oficina wird thematisch im Freiraum erweitert und eingebunden.


[227] Die WeiterfĂźhrung des Einschub eines Platzes fĂźhrt zu der Ausformulierung und Neudefinition des Freiraumes neben dem Teatro Oficina.

216



NK B CF E K


01 Espaço das Culturas - Ort der Kulturen

„Es geht nicht nur um das Besetzen eines Grundstücks, es geht um die Transformation eines Ortes.” 1788

178 Stadtparcour. Der öffentliche Raum in São Paulo beschränkt sich bis auf wenige Ausnahmen auf kontrollierte kulturelle Einrichtungen. Der Gedanke, den Stadtraum zu erweitern, öffentlichen Raum zu schaffen, den Einwohnern Qualitäten zu bieten liegt daher nahe. Die klare und harte Formensprache des geschlossene Riegels, wird „brasilianisiert“. Er wird eingeschnitten und modelliert. Städtebauliche Bezüge spiegeln sich wider, es definieren sich Eingänge und Grünräume. Der Innenraum wird zum Außenraum, die Raumgrenzen verschwimmen. Als Erweiterung des Straßenraumes wird das gesamte Gebäude zum öffentlichen Raum, es wird zur Stadt im Haus, zum Stadtparcour.

178 Rocha, Mendes da in Becker 2012, S.169

218

Der Besucher findet seinen Weg durch den Stadtparcour, durch „Straßen“ vorbei an „Plätzen“, eine Treppenlandschaft, die gleichzeitig zwischen den topographischen Höhenunterschieden vermittelt. Die Straßen um das Grundstück werden durch das Gebäude wieder verbunden und definieren die Eingänge. Die Topographie bestimmt die Höhe der Eingänge. Betritt der Besucher im Westen das Ge-

bäude über das Dach, wird es im Osten im 1. Obergeschoss, in der Mitte von Norden gar im Erdgeschoss erschlossen. Das Thema der Theaterstraße des Teatro Oficina wird aufgegriffen. Die Eingänge werden zum Straßenraum, der Weg durch das Gebäude zur Bühne. Auch das Theater schließt an, findet seine Verbindung und wird durch seine Theaterstraße zum vierten Eingang. Das brasilianische Klima bestärkt die konsequente Weiterführung des geschlossenen Riegels. Lediglich über die Einschnitte und die zusätzlichen Grünräume werden die Räume belichtet. Gleichzeitig bekommen die Nutzungen, neben der indirekten Belichtung einen ständigen Ausblick und Bezug zum Grün. Das Denken im Schnitt führt zu einer allgegenwärtigen Verbindung der verschiedenen Nutzungen, Überlagerung der Ebenen und Blickbeziehungen. Die herkömmlichen Nutzungen werden weitergedacht, neu interpretiert. Fließende Übergänge zwischen den Nutzungen führen zu Überlagerungen derselben. Eine neue Auffassung von Sport, Musik, Tanz und Essen und ihren Verbindungen entsteht. Ergänzt werden diese Hauptnutzungen durch


[228] Stadtparcour (siehe Seite zuvor) [229] Blick auf das GrundstĂźck.

219


[231] Städtbauliche Ausgangssituation mit Platz und 3 Riegeln. [232] Der klare Riegel wird geformt und nimmt wichtige städtebauliche Bezüge in Form von Einschnitten auf.

220


[233] Eine neue Verbindung der Straßenwege durch das Gebäude entsteht. Eine Vielzahl an Eingängen und Wegen. [234] Für die Belichtung entstehen weitere Einschnitte als Grünräume. Nach außen bleibt der Körper bis auf die Eingänge und Grünräume verschlossen. Nur über diese Einschnitte beziehen die Nutzungen ihr Licht.

221


dem Teatro Oficina zugeordnete Nutzungen. Die raumhaltigen Dächer, erweitern durch ihre Nutzung zusätzlich das Theater thematisch. Ein Archiv und eine kleine Ausstellungsfläche über das Teatro und sein Wirken binden mit dem Teatro Oficina den Platz zusammen. Der östliche Baukörper gräbt sich zusätzlich als Tiefgarage in den Boden und lässt in dem schwebenden Kubus Wohnungen für die Künstler und Schauspieler des Theaters entstehen. Materialität. grob geschalter Beton unterstreicht die Horizontalität des Entwurfes und knüpft an die brutalistische Architektursprache der Escola Paulista und seinen Nachfolgern an. Im Zusammenspiel hiermit sind die Lamellen in Cortenstahl gehalten.

222


[235] Durch die Zugänge auf drei verschiedenn Niveaus entsteht eine komplexe Durchwegung. Hier ist beispielhaft ein möglicher Weg durch das Gebäude mit seinen Verzweigungen dargestellt.

223


224


[230] Blick entlang des Teatros auf die neue Platzsituation mit begleitenden Gebäuden.

225



F ENH B CF K

EK


[236] Verteilungsdiagramm der Essensnutzung.

227


Kulinarische Vielfalt in São Paulo. Neben den vielen Bars und Restaurants in denen die unglaubliche kulinarische Vielfalt Brasiliens angetroffen werden kann, ist São Paulo geprägt durch seine Märkte. Hier wird Essen jeglicher Art feilgeboten. Der Markt beschränkt sich nicht auf das Einkaufen, sondern wird zum Treffpunkt für jedermann. Aus klimatischen Gründen ziehen sich die Märkte häufig in überdachte Flächen zurück. Die Hitze führt dazu, dass viele Märkte unter Brücken stattfinden. So gibt es auch gegenüber dem Teatro Oficina unter der Hochstraße Minhocão einen Obstmarkt.

Die Aufnahme der Topographie und das Einschieben des großen Platzes schafft unterirdische Räumlichkeiten, die unter anderem als Markthalle genutzt werden. Die kulinarische Vielfalt in São Paulo, aber auch im Viertel Bixiga soll weitergegeben werden. Eine populäre Kochschule und viele kleine Restaurants und Bars bieten mit dem Markt den Besuchern alles rund um das Essen.

Der Marktplatz, die Markthalle als Typologie wird im Entwurf konzeptionell aufgegriffen. Der Treffpunkt unter einem großen Dach, der Dorfplatz, umringt von Restaurants.

[237] Der Marktplatz steht als Konzeptidee der Essensnutzung. (siehe Seite zuvor) [238] Marktstand auf dem Feira do Pinheiros.

228



LD

L

L

D L B RO G


[239] Verteilungsdiagramm von Musik, Tanz und Theater.

230


Der brasilianische Rhythmus. Das Viertel Bixiga ist mit seiner Sambaschule Vai-Vai zum Zentrum des Sambas in São Paulo geworden. Die Musik, der Tanz werden verbunden mit der Theaternutzung, die in dem Viertel stark verbreitet ist. Auch die Casa da Dona Yayá, eine kleine kulturelle Einrichtung für Musik der Universität von São Paulo befindet sich in direkter Nachbarschaft zum Teatro Oficina. Diese Intensität brasilianischer, musischer Kultur in der Umgebung wird im Entwurf aufgenommen. Der Rhythmus wird hier gelebt, neben einem neuen Veranstaltungssaal entstehen Räumlichkeiten für Musik- und Tanzschulen, in denen dieses brasilianische Lebengefühl vermittelt und weitergegeben werden kann.

Das Weiterdenken des Teatro Oficina führt zu einer Verbindung des neuen klassischen Saals und der Theaterstraße. Der existierende unterirdische Bühnengang der Theaterstraße wird verlängert, führt hinaus. Über den Konzert- und Veranstaltungssaal erweitert sich der Bühnenraum bis hinaus auf die Straße. Das Gebäude wird zum Durchgang, zum Bühnenraum, zu einer neuen Theaterstraße für das Teatro Oficina, einer Weiterentwicklung des Gedankenguts des Teatro Éstadio von Lina Bo Bardi. Das Thema der Bühne zieht sich durch den gesamten Entwurf und die Musik-, Tanz- und Theaternutzung wird so allgegenwärtig. Treppen werden zu Tribünen, Plätze zu Bühnen. Die Theaterstraße des Teatro Oficina wird weitergedacht, weiterentwickelt und schafft neue Verbindungen.

[240] Musik, Tanz und Theater stellen sich im übertragenen Bild der Bühne dar. [241] Maracatú auf der Straße.

231



U I F E RUW

T AN V


[242] Verteilungsdiagramm des Sports.

233


Der Körperkult in Brasilien. Im Zentrum der Stadt gibt es einen Mangel an öffentlichen Sportnutzungen, zu sehr verteilen sich die Sporteinrichtungen in die Peripherie der Stadt. Auch das Klettern kann man in der Metropole kaum antreffen. Nur zwei Kletterhallen sind in der gesamten Stadt zu finden.

Klettern, die Blickbeziehung ist überall vorhanden. Eine Welt des Sports entsteht, die Faszination der einzelnen Sportarten wird nach Außen getragen, versteckt sich nicht hinter geschlossenen Wänden. Die Nutzung wird zur Bühne, der Sportler zum Akteur und Zuschauer.

Der Körperkult der Brasilianer lässt sich nicht in einer normalen Sportnutzung ausdrücken. Der Gedanke der Sportwelt, die Neuinterpretation, das Weiterdenken der allgemein bekannten Sportmöglichkeiten steht hier im Mittelpunkt. Verbindungen der verschiedenen Sportarten, eine gemeinsame körperliche Betätigung. Unter einem Dach vereint, auf verschiedenen Ebenen verteilt, wird jede Sportnutzung zur Bühne. Ob beim Gewichte Heben, auf dem Laufband, beim Fußballspiel, beim Capoeira oder beim

[243] Eine Sportwelt definiert die Nutzung des Sportes neu.(siehe Seite zuvor) [244] Fußballspieler am Strand von Rio de Janeiro.

234


D

C B

Garderobe

E

Künstleraufgang Lager

WC Herren

Bühne

Saal

WC Damen

+/- 0,00 m

Künstleraufgang

- 3,50 m

+/- 0,00 m

+/- 0,00 m

- 0,45 m

Kochschule

A Lager WC Herren WC Damen

WC Beh.

Markthalle

+/- 0,00 m

Lager

D 235

E


Sportinfo

Sportplatz

Bouldern

C + 2,40 m

Klettern

B

Geräteregal

A + 1,15 m

[245] Grundriss EG

Garagenparksystem 14 Level 378 Stellplätze

236


237


[246] Schnitt A-A

238


D

E

+ 5,34 m

Bar | Info | Kasse

C

+ 5,34 m + 2,94 m

B

Foyer Saal

B

Saal +/- 0,00 m

+/- 0,00 m

+ 3,49 m + 5,34 m + 5,00 m

Restaurant

A

Archiv Teatro Oficina

+ 5,34 m

+ 7,75 m

D 239

E


+ 7,70 m

+ 7,70 m

Capoeira | Joga

Fitness

+ 6,70 m

C

+ 2,40 m

Klettern

Bar

B Umkleiden Damen

Umkleiden Herren

Aufwärmbereich

+ 5,00 m

A Teatro Oficina

[247] Grundriss 1. OG

Garagenparksystem 14 Level 378 Stellplätze

+ 7,75 m

240


241


[248] Schnitt B-B

242


D

E

WC Damen

WC Damen

WC Herren

Proberaum 01 Büro | Info

WC Herren

Tanzstudio 01

Tanzstudio 02

C

+ 9,17 m

+ 9,17 m

B

Proberaum 02

+ 8,57 m

Bühne Bar | Restaurant

Archiv Teatro Oficina

A

Info | Büro

+ 9,17 m

Ausstellungsbereich

D 243

E


+ 7,70 m

Zugang 02 Wohnungen

C

+ 2,40 m

Sportinfo | Bar

B

+ 9,70 m

A

[249] Grundriss 2.OG und als seitlicher Einschub Grundriss 4.OG

244


245


[250] Schnitt C-C

246


247


[251] Grundriss UG [252] Schnitt D-D

248


249


[253] Schnitt E-E

250


251


[254] Ansicht Süd

252


253


[255] Ansicht Nord

254


255


[256] Ansicht Ost

256


257


[257] Platzsituation der Nutzungsüberlagerung des neuen Saals mit dem neu definierten Ausgang des Teatro Oficinas. Die Überlagerung führt zu einer Erweiterung des Teatros und dem Weiterdenken des Teatro Estádio. Der neue Saal öffnet sich bis auf die Straße und verbindet diese mit dem Gebäude und lässt alles zur Bühne werden.

258


Epilog

259


Die Auseinandersetzung mit dem Land Brasilien, das Eintauchen in die Kultur und die Lebensweise der Brasilianer zeigte mir wiederholt die krassen Unterschiede zwischen Europa und Brasilien auf. Gleichzeitig wurde mir dadurch auch die Wichtigkeit bewusst, sich mit fremden Kulturen und einem fremden Architekturdenken auseinanderzusetzen. Das Öffnen für diese Einflüsse, die Aufnahme des Neuen bereichert die eigene Arbeitsweise extrem. Die Stadt, die mich acht Monate faszinierte, konnte ich während meines Rechercheaufenthalts im April 2015 nochmals auf neue Weise kennenlernen. Nicht mehr nur als Bewohner der Stadt, sondern als Recherchierender, der die Architektur und die öffentlichen Räume analysiert. Eben diese Analyse der öffentlichen Räume, die Analyse der Missstände machte mich auf die Qualitäten europäischer öffentlicher Räume und Plätze aufmerksam, brachte mich zu dem Versuch, das europäische Denken zu transformieren und mit brasilianischen Einflüssen vor Ort zu verbinden. Die Wichtigkeit des öffentlichen Raums für den Alltag, die gesellschaftliche Problematik der Abschottung sind für Brasilien und im speziellen auch für São Paulo die Themen der Zukunft. Mein Ziel war es, einen öffentlichen Raum zu schaffen, der einerseits die europäische Offenheit suggeriert und erhält, ohne Abschottung durch Zäune und meterhohe Mauern, aber gleichzeitig die brasilianische Sicherheit aufrechterhält. Durch Blickbeziehungen, Überlagerungen und sich überschneidende Ebenen werden so natürliche Abgrenzungen geschaffen, ohne das Gefühl der Abschottung zu haben. Eine natürliche Erweiterung des Straßenraumes,

der jedermann offen steht, sich wie selbstverständlich eingliedert und gleichzeitig dem Theater ein Plus an Möglichkeiten gibt. Das Teatro Oficina, das durch seine gelebte Philosophie der Anthropophagie dazu anregt, neu zu denken, anders zu sehen und weiterzuentwickeln, sollte integriert werden. Die Idee, „anders zu denken“, führte zum Weiterdenken der einzelnen Nutzungen, zum Weiterentwickeln der herkömmlichen Ausformulierungen einer Sporthalle oder eines Konzertsaales. Die Verbindung der einzelnen Nutzungen über den Stadtparcour, die thematische Umsetzung der Bühne, der Sportwelt und der Markthalle als Leitgedanken für den gesamten Entwurf führte zu einer zusätzlichen Auseinandersetzung von Nutzungstypologien, schließlich zu der Frage: „Was ist wirklich notwendig, was ist das Essentielle einer jeden Nutzung?“ Auch die Einbindung des Theaters über die Fortführung des Kellergangs als neue Theaterstraße, die sich durch meinen Entwurf bis auf die Straße hinaus entwickelt, kann man als ein Weiterdenken des Teatro Oficina bezeichnen, ein Weiterentwickeln des Teatro Éstadio. Insgesamt war diese Arbeit eine Reise in ein anderes Land, eine andere Kultur, eine andere Welt. Eine Reise, die in vielen Gedanken und Auseinandersetzungen, aber auch körperlich in dem Land, um das es geht, stattfand: vor Ort in Brasilien. Dies führte zu einer großen Bereicherung meiner eigenen Denk- und Arbeitsweise. Ich bin sicher, dass ich in dieses packende Land zurückkehren werde, um noch tiefer einzutauchen, noch mehr zu lernen. Entstanden ist eine nachhaltige Verbindung zu einer anderen Kultur, die Einfluss auf mein weiteres Leben haben wird. 260


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Danke, danke, danke! Herzlich bedanken möchte ich mich bei meiner Professorin Myriam Gautschi. Seit meinem ersten Semester im Bachelorstudium kreuzten sich unsere Wege in vielen Projekten. Durch sie hatte ich die Möglichkeit, Brasilien kennenzulernen und in die Kultur einzutauchen. Ohne meine Erfahrungen mit und in Brasilien wäre meine Masterthesis wohl in eine ganz andere Richtung gegangen. Natürlich auch herzlichen Dank an sie für die konstruktive Betreuung meiner Masterthesis im vergangenen Semester. Meinen Eltern gilt ein ganz großer Dank. Sie waren es, die mich immer in meinen Wünschen bestärkten, mir das Architekturstudium an sich überhaupt erst ermöglichten und seit bald 27 Jahren immer hinter mir stehen.

Die Zeit mit ihnen hat mir durch mein gesamtes Studium Freude bereitet und mich geprägt. Für die schöne gemeinsame Zeit, die erlebten Abenteuer und die ständige Möglichkeit des Austausches möchte ich ihnen herzlichst danken!! E finalmente bei meinen Freunden und Professoren in Brasilien. Obrigado para tudo!!!! Sie halfen mir immer zuvorkommend, mich vor Ort zurechtzufinden, Zugang zu bekommen und nahmen mich von Beginn an herzlichst auf: Marilia Azevedo Correa, Ariel Somekh, Sebastian und Aline Beck, Mateus Tenuta, Marcelo Boni, Ricardo Justi, Ciro Pirondi, Shundi Iwamizu, Fabio Valentim, Fernando Correa und vielen mehr!!

Dank gilt auch meinen guten Freunden: Julia Borho, Haydar Dalci, Nilly Ruh, Sandra Duran, Roman Morschett, Jürgen Oswald, Veronika Ferdinand, Johanna Brandstetter, Sandra Römhild, Max Wester, Heiko Kern, Nikolai Hanke, Christoph Schlopschnat, Steffi Birkenmayer, Katharina Blümke und Armin Schleicher um nur einige zu nennen. 268


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