TORFL ANDschaft Projektplattform baltic.eu Johann-Christian Hannemann
LAREG . Fachgebiet für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume Fakultät für Architektur . Technische Universität München Prof. Dr. Sören Schöbel-Rutschmann
TORFLANDschaft Projektplattform baltic.eu Bachelorthesis zur Kulturlandschaft Kaliningrad . Die Landschaft der russischen Exklave Oblast Kaliningrad . Entwurf am Beispiel der Region Tschernjachowsk . LAREG . Fachgebiet für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume Fakultät für Architektur . Technische Universität München Prof. Dr. Sören Schöbel-Rutschmann In Kooperation mit Prof. Dr. Stefanie Hennecke (TUM) Prof. Jürgen Wenzel (Berlin) Prof. Friedrich Kuhlmann (Tartu, Estland) Assistenten Dipl.-Ing. Daniel Czechowski Dipl.-Ing. Andreas R. Dittrich lareg.wzw.tum.de Tel.: +49.8161.71.4152 Emil-Ramann-Straße 6 85350 Freising
Eidesstattliche Erklärung Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne unerlaubte Hilfe angefertigt, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Freising, den 24.08.2011
Inhalt
Inhaltsverzeichnis 1
Einführung 11
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Lage und Ausgangsituation Oblast Kaliningrad 12
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12
Lage, Größe 12 Siedlungsstruktur 12 Geschichte und Politische Lage 12 Soziale und demographische Struktur 16 Verkehr und Mobilität 16 Wirtschaft 18 Landwirtschaftliche Nutzung und Kulturlandschaft 20 Klima 21 Oberflächengewässer 21 Moore 22 Landschaft und Vegetation 26 Umweltschutz und -probleme 26
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Projektraum Tschernjachowsk 30
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Problemformulierung 34
5
Zielformulierung 36
Inhalt
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Wissenschaftlicher Exkurs: Nutzung von Moorstandorten 39
6.1 Folgen bisheriger Moornutzungsmethoden 39 6.1.1 Auswirkungen von konventioneller Nutzung von Moorstandorten 39 6.1.2 Folgen des Brachfallens auf ehemaligen Moorstandorten 39 6.2 Paludikultur und naturschutzgerechte Grünlandnutzung auf Moorstandorten bei hohen Grundwasserständen 40 6.2.1 Vorraussetzungen Wiedervernässung 42 6.2.2 Vorraussetzungen Hoch- und Niedermoor-Renaturierung 42 6.2.3 Vorraussetzungen Paludikultur 43 6.2.4 Formen 45 6.2.4.1 Röhrichte und Riede (Schilf, Rohrkolben, Seggen) als Streu, Zellulose, Biomasse, Dämmmaterialien 45 6.2.4.2 Erlenwertholz auf Niedermoor 48 6.2.4.3 Weitere Nutzungen 50 6.2.4.4 Arznei- und Aroma-Pflanzen 52 6.3 Fazit: Nachhaltige Nutzung von Nass- und Moorstandorten 57 7 7.1 7.2 8 8.1 8.2
Wahl der Bewirtschaftungsformen für die Oblast Kaliningrad 58 Kriterien zur Wahl der Bewirtschaftungsformen 58 Wahl der Bewirtschaftungsformen 63 Entwicklungsprogramm für die Region Tschernjachowsk 65 Lokale Potentiale 65 Strategie: Moorgenossenschaft 66
Inhalt
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Entwurf für die Umgebung von Tschernjachowsk 68
9.1 Verortung der Produktionskreisläufe im Projektgebiet 68 9.2 Entwurf Gesamtraum 74 9.3 Entwurf für den Talraum der Instrutsch und des Pregolja 77 9.4 Angermoor 87 9.4.1 Torfstich und Moorhöfe 88 9.4.2 Strukturplan 89 9.4.3 Strukturplan Entwurf 91 9.4.4 Oberflächengewässer und Topographie 92 9.4.5 Oberflächengewässer Entwurf 93 9.4.6 Wegestruktur 94 9.4.7 Wegestruktur Entwurf 95 9.4.8 Baumreihen 96 9.4.9 Baumreihen Entwurf 97 9.4.10 Wald 98 9.4.11 Wald Entwurf 99 9.4.12 Siedlungen und Bausubstanz 100 9.4.13 Siedlungen und Bausubstanz Entwurf 101 10
Fazit und Ausblick 107
Anhang 110 Literaturverzeichnis 113 Abbildungsverzeichnis 117
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Einführung
Eine Einladung durch die Organisatoren des wissenschaftlichen und kulturellen Projekts insterGOD / insterJAHR an einem internationalen Workshop in Tschernjachowsk (Oblast Kaliningrad, Russische Föderation) mit Landschaftsarchitekturstudenten der Universität Tartu (Estland) teilzunehmen, wurde zur Grundlage für die Projektplattform „baltic.eu“,im Rahmen derer diese Bachelorthesis entstand. Durch einen sensiblen Umgang mit historischen wie neueren Freiraum- und Stadtstrukturen, durch eine Auseinandersetzung mit alten und neuen Bau- und Denkweisen sowie mit den historischen Kulturlandschaften sollte ein Konzept für eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung der Region Tschernjachowsk und/oder der Oblast Kaliningrad ausgearbeitet werden.
Einführung
Daraus entstand die Idee, eine sozial, ökologisch und ökonomisch angepasste Landnutzungsform auf mehr oder weniger entwässerten Torfgebieten zu entwickeln, durch die die landschaftlichen und historischen Qualitäten der Region herausgearbeitet und angereichert werden können. So soll eine attraktive und nützliche Kulturlandschaft heutigen wie künftigen Generationen des Kaliningrader Gebiets eine Verwurzelung mit dem Gebiet vereinfachen und auf die Möglichkeiten hinweisen, die in der Region stecken. Diese eröffnen sich sowohl in den Bereichen Landwirtschaft, Energieproduktion, Naturschutz, Tourismus sowie Naherholung und haben ihre Grundlagen im Kulturerbe des Landes.
Dabei sollte untersucht werden, welchen Mehrwert eine an historische Strukturen anknüpfende Kulturlandschaftsentwicklung für die ökonomische und soziale Entwicklung entlegener ländlicher Regionen einnehmen kann. (Projektaushang baltic.eu 2011) Eine hohe landschaftliche Präsenz der Oberflächengewässer, der Moor- und Sumpfländer in der Oblast Kaliningrad, sowie eine große Anzahl vernässter wie brachliegender landwirtschaftlicher Nutzflächen führte zur Auseinandersetzung mit den Hintergründen und der Problematik, die durch die derzeitige Nutzung bzw. Nichtnutzung entsteht.
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Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
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2 Lage und Ausgangsituation Oblast Kaliningrad 2.1 Lage, Größe Die Oblast Kaliningrad1 ist die westlichste der Russischen Föderation. Sie besitzt neben der Newabucht am Ostende des Finnischen Meerbusens, in der St. Petersburg liegt, die einzigen Zugänge Russlands zur Ostsee. Die Oblast Kaliningrad spielte vor allem zur Zeit des Kalten Krieges aufgrund des dortigen Sitzes der Baltischen Flotte für Russland eine wichtige Rolle. Sie bildet heute eine Exklave in der Europäischen Union und wird von den baltischen Staaten Polen und Litauen umgeben. In Russland wird das Gebiet aufgrund seines Reichtums an Bernstein auch „Bernsteinland“ genannt. Mit einer Größe von 15.125 km2 ist sie etwas kleiner als das Land Schleswig-Holstein (15.799 km²).
Abseits des Einzugsgebietes der Hauptstadt Kaliningrad und der Städte und in den Grenzregionen liegt diese jedoch bedeutend niedriger.3 Mehr als 70 % der Bevölkerung leben in den 21 Städten des Gebiets, welches in 13 Kreise aufgeteilt ist.
2.2 Siedlungsstruktur Mit knapp 940.000 Einwohnern (Föderales Statistikamt für Gebiet Kaliningrad 2008 zit n. Blehm 2009: 20f.) zählt die Oblast Kaliningrad zu den am dichtest besiedelten Gebieten Russlands.2 Seine Bevölkerungsdichte von 62 Einwohnern/km², weit unter der deutscher Bundesländer, ist vergleichbar mit den ländlichen österreichischen Bundesländern Kärnten (59) und Tirol (56). (Statistik Austria 2011)
Die Hauptstadt Kaliningrad (das ehemalige Königsberg) mit einer Einwohnerzahl von ca. 422.000 Einwohnern zählt in der Hierarchie der Städte als einzige Großstadt – Tschernjachowsk, Sowjetsk, Baltijsk und Gussew sind Mittelzentren. (Kaliningradskaja oblast w zifrach 2002 zit. n. Knappe 2004: 21f.) Neben der Hauptstadt gibt es noch 11 weitere Städte mit über 10.000 Einwohnern, deren größte Sowjetsk (Tilsit) und Tschernjachowsk (Insterburg) mit über 40.000 Ew. sind. Die meisten der fast 1000 ländlichen Siedlungen haben durchschnittlich 150 bis 200 Einwohner. (Blehm 2009: 20)
1 Oblast (russisch; wörtlich „Gebiet“) ist die Bezeichnung für einen größeren Verwaltungsbezirks. 2 Der Gesamtdurchschnitt der Russische Föderation beträgt 26,3 Ew./km2. (Knappe 2004: 21) 3 12
Vgl. Graphik 84 im Anhang
Abb. 1:
Baltisches Meer und Oblast Kaliningrad
Als wichtig ist zudem die asymmetrische Lage von Kaliningrad im Gebiet anzusehen, sowie eine „dünne Besiedlung der Ortschaften und […] Unvollkommenheit der Verteilung von Stützzentren lokaler Siedlungen.“ (Blehm 2009: 21) 2.3
Geschichte und Politische Lage
Die Landschaft der Oblast Kaliningrad wurde bereits seit dem späten Neolithikum durch Ackerbau und Viehzucht kultiviert. Um 1000 n. Chr. wurde das Volk der Prußen das erste Mal erwähnt. Im Gegensatz zu den germanischen Stämmen waren sie sesshaft. Die Prußen waren ein Volk von Bauern, Fischern und Jägern, welche in dörflichen Gemeinschaften oder Einzelhöfen aus Schilf und Holz lebten. Für den Handel mit „Europa“ mit Bernstein, Fellen und anderen Waren legten sie Handelsplätze an.
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Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
kämen, um schönsten Boden, weiten Raum, reich an Früchten, überreich an Fischen und Fleisch und einladend durch üppige Weiden“. (Der Spiegel 2011: 22) Durch Ansiedlung in Anger- und Straßendörfern4 sowie in noch zu erschließenden Gebieten (Moor- und Waldgebiete) in Reihendörfern5 wurden Wohnraum und Ackerland an die Siedler verteilt. Der wirtschaftliche Aufschwung kam daher durch die kolonisatorische Kraft der einwandernden Siedler und deren Kultivierungsformen, welche denen der heidnischen Slaven überlegen waren.6 Kämpfe im 14. bis 17. Jh. mit Polen und Litauen führten durch die Niederlage zur Schutzherrschaft unter polnischer Krone (Polnisch-Litauische Adelsrepublik 1569-1795). Dies hatte jedoch keine Änderung der Bevölkerung zur Folge, die mehrheitlich deutsch blieb. Mitte des 17. Jh. wurde Preußen schwedisch, die Deutsche Aristokratie schaffte es jedoch durch Bündnisse mit den jeweiligen Siegern sowohl ihren Landbesitz als auch ihre Kultur und Sprache unter den wechselnden territorialen Verhältnissen zu bewahren.
Abb. 2:
Siedlungsstruktur Oblast Kaliningrad
Die seit 1000 n. Chr. anhaltenden Versuche von Polen und Russen das Prußenland aus strategischen Gründen (Seezugang und Reichtum des Landes) zu christianisieren und in Besitz zu nehmen konnten bis ins 13. Jahrhundert abgewehrt werden. Unter Zuhilfenahme deutscher Ordensritter wurden die Prußen
jedoch besiegt und eine Anzahl von Burgen des Deutschen Ordens installiert. Die neuen Landesherren übernahmen den Namen Preußen für den mehrethnischen Staat. Durch gelenkte Ostbesiedlung wurde nun versucht das Erworbene zu sichern und einen Staat aufzubauen – „auf dass alle die von der Landnot bedrückt wurden, mit ihren Hausgenossen
Unter die Verwaltung der preußischen Hohenzollern wurde der verweltlichte Ordensritterstaat 1722 durch die Niederlage Schwedens im Großen Nordischen Krieg gestellt. Die Herrschaft lag bei dem siegreichen russischen Zarenreich, jedoch erhielt Ostpreußen Verwaltungs- & Kulturautonomie. Die folgende 4 Angerdorf: Gehöfte gruppieren sich um einen länglichen Dorfplatz Straßendorf: Gehöfte liegen nebeneinander zu beiden Seiten entlang einer Straße 5 Reihendorf: Der zu einem Hof gehörige Besitz schließt direkt in einem Stück an den Hof an 6 Drei-Felder-Wirtschaft mit Wintergetreide, Sommergetreide und Brache, Entwässerungsmaßnahmen, Dammbauten, Beetpflug für schwere Böden, Wasser- und Windmühlen, sowie die Kulturpflanzen Gerste und Hafer, Weinreben.
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Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
Regierung des Sohnes von Friedrich Wilhelm I. war für die weitere Entwicklung Brandenburg-Preußens von entscheidender Bedeutung: Sie sorgte auch dafür, dass Ostpreußen von früheren Kriegsschäden wiederhergestellt und dessen Ackerbau und Landeskultur nachhaltig durch weitere Ansiedelung von Kolonisten (Salzburger, Holländer, Deutsche und andere) gefördert wurden. Im Zuge der polnischen Teilung 1772 setzten sich die Provinznamen Ostpreußen und Westpreußen als amtliche Bezeichnungen durch. Mangels großer Handelszentren, Schwerindustrie oder Bodenschätzen war Ostpreußen zwar eine vorrangig ländlich, land- und forstwirtschaftlich geprägte Provinz, die jedoch durch die Agrarrevolution floriert.7
den Angriff auf die Sowjetunion befahl, gelang es der russischen Seite, bis an die deutsche Ostgrenze vorzudringen. Im Oktober 1944 stieß die Rote Armee über die Goldap bis zur Angerapp vor. Zu spät eingeleitete Evakuierungsmaßnahmen der deutschen Behörden bewirkten, dass die Bevölkerung von der Roten Armee maßlosen Grausamkeiten ausgesetzt wurde. Im Sommer 1945 setzte die erste Vertreibungswelle der Bevölkerung aus den von der Roten Armee besetzten deutschen Ostgebieten ein. Damit war die 700-jährige Geschichte der Provinz Ostpreußen beendet. (Analyse „Kulturlandschaften & Identität Kaliningrads“ Christenn & Walker 2011)
Während des Ersten Weltkrieges wurde durch den Einmarsch der Russen Ostpreußen zeitweilig Kriegsgebiet. Russische Truppen besetzten die Gebiete um Tilsit, Insterburg, Gumbinnen und Lötzen. Durch die Schlachten von Tannenberg, an den Masurischen Seen und im Winterfeldzug in den Masuren wurde Ostpreußen durch das Deutschen Reich erobert. Die Niederlage im I. Weltkrieg hatte jedoch schließlich die Abtrennung von großen Teilen Westpreußens, Danzigs, der ostpreußischen Stadt Soldau und des Memelgebiets zur Folge. Durch eine Volksabstimmung 1920 bekannten sich diese Gebiete zum Deutschen Reich, die Stadt Danzig wurde Freie Reichststadt unter Aufsicht des Völkerbundes.
Die Oblast Kaliningrad ist heute der nördlichste Teil der damaligen preußischen Provinz Ostpreußen, also ohne das Memelland (Litauen), das Ermland (Polen), die Masuren (Polen) und das Oberland (Polen).
Im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der Politik der „Lebensraumerweiterung“ im Osten unter Hitler wurde Ostpreußen zwischen 1937 und 1945 zur Befehlszentrale für den Ostfeldzug. Drei Jahre nachdem Hitler im Sommer 1941 7 Weitere Informationen finden sich dazu unter dem Kapitel „Landwirtschaft“ 14
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Sie wurde als Ergebnis der Berliner Konferenz der Siegermächte des II. Weltkrieges an die UdSSR (Sowjetunion) verteilt. Offiziell wurde sie am 07. April 1946 gegründet und erhielt den Status einer Oblast in der Russischen Föderativen Sowjetrepublik. Bis zum Jahr 1948 wurden die letzten Deutschen aus dem Gebiet ausgesiedelt, eine Neubesiedelung durch Bürger aus kriegszerstörten Gebieten der ehemaligen Sowjetunion und durch Angehörige des Militärs wurde initiiert. Durch finanzielle (Steuerfreiheit, Geldzahlungen, etc.) und materielle (Bereitstellung von Land, Wohnraum, Vieh, etc.) Anreize wurde die Zuwanderung unterstützt. (Knappe 2004: 21) Als Konsequenz der neuen Machtverhältnisse wurde zerstörte Bausubstanz nicht wieder aufgebaut sowie bestehende „bewusst dem
Abb. 3:
Altpreußische Landschaften (13. Jh.)
Abb. 4:
Deutsches Ordensland im 14. Jahrhundert
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Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
Nach der Auflösung der UdSSR am 21. Dezember 1991 wurde das Gebiet wieder allgemein zugänglich. Es entstand jedoch durch die Unabhängigkeit der baltischen Staaten eine Exklavensituation, die zu einer Abhängigkeit der Oblast von Importen führte. Um die Außenhandelsbeziehungen Russlands zu verwerten, wurde 1996 das Gebiet zur Sonderwirtschaftszone „Jantar“ erklärt, wodurch mit finanziellen Vergünstigungen und Rechts- bzw. Zollsonderkonditionen ausländische Investoren ins Land gelockt werden sollen. (ebd.: 41) Infolge des EU-Beitrittes der beiden Nachbarstaaten Polen und Litauen besteht seit dem Jahr 2004 für eine Einreise in die Oblast Kaliningrad Visumpflicht. Sowohl die EU als auch
Abb. 5:
Deutsches Reich (1919-1937)
Russland deklarierten in ihrer aktuellen Strategie, die Oblast als „Pilotregion“ für Zusammenarbeit in Politik, Wirtschaft, Soziales, Wissenschaft, Kultur und Naturschutz deklariert. (Köln 1999 & Moskau 2000 zit n. Blehm 2009: 22)
Verfall preisgegeben.“ (ebd.: 14) Stattdessen wurden neue landwirtschaftliche Musterstädte der kollektiven Bewirtschaftung mit vorwiegend Plattenbauten entwickelt. (ebd.)
Vereinzelt gibt es Bestrebungen zu einer größeren Autonomie gegenüber dem Mutterland Russland. (Welt.de 2002: Der Westen steht vor der Tür)
Viele der Neuansiedler konnten sich damals nicht mit ihrem neuen Wohnort identifizieren, ein Abwandern wurde jedoch oftmals verhindert. Durch die militärische Nutzung wurde die Oblast von der Außenwelt abgeschlossen und war bis Ende der 1980er Jahre für Bürger der UdSSR nur mit Genehmigung, für Ausländer in der Regel gar nicht zugänglich. Dies führte zu einem Verfall der verkehrlich überregionalen Anbindungen. (ebd.: 14f.)
Gerade die jüngere Generation, wie die Eltern in der Oblast geboren, ist verstärkt an der Geschichte ihres Heimatlandes interessiert und versucht nun ihre eigene Identität zu finden.
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Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
2.4 Soziale und demographische Struktur Die Bevölkerung des Kaliningrader Gebietes setzt sich wie folgt zusammen aus: 78,3 % Russen, 7,5 % Weißrussen, 7,5 % Ukrainern und 1,8 % Litauern, 0,8 Armeniern, 0,7 % Deutschen und 3,4 % sonstiger ethnischer Herkunft. (Knappe 2004: 24) Der Niedergang des Ostblocks (und die Perestroika unter Michail Gorbatschow) hatte für die soziale Struktur erhebliche Auswirkungen: So wurde die militärische Präsenz auf 10 % verringert (Analyse: Politik Wassermann & Braun 2011), viele Bewohner klinkten sich aus dem gesellschaftlichen und politischen Leben aus.8 Seit den 1990er Jahren steigt der Zuzug aus ehemaligen Unionsrepubliken der vormaligen UdSSR nach Kaliningrad. Gründe hierfür sind ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zur Russischen Föderation und eine hohe Perspektivenlosigkeit in den Nachfolgestaaten der UdSSR. Spezielle Förderprogramme unterstützen den Zuzug aus Regionen der ehemaligen Sowjetunion, darunter vor allem Bewohner der kaukasischen Krisengebiete und Kasachen, sowie Russlanddeutsche. (Knappe 2004: 23) Die Altersstruktur ist wie in den meisten osteuropäischen Transformationsstaaten durch demographische Alterungsprozesse gekennzeichnet, was vor allem auf einen starken Geburtenrückgang zurückzuführen ist.9 (ebd.: 23f.)
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russischer Männer nieder. Sie lag 2009 mit durchschnittlichen 62 Jahren 12 Jahre unter den Lebenserwartungen russischer Frauen und insgesamt noch unter dem Standard der ehemaligen Sowjetunion. (Lindner 2007: 19ff., WHO 2011) Großen Teilen der russischen Bevölkerung fehlt es an sozialer und gesundheitlicher Absicherung, was sich in einer allgemein erhöhten Sterberate und einer großen Anzahl von Kindern mit chronischen Leiden niederschlägt. Vor allem die ländlichen Gegenden leiden unter einer hohen Arbeitslosenrate, darunter am meisten die Grenzregionen. Die Hauptstadt Kaliningrad weist mit ihrem breiteren Spektrum an Arbeitsmöglichkeiten die niedrigste Quote der Region auf. Die offizielle Quote der Oblast betrug 2000 15,6 %.10 Aufgrund niedriger Familieneinkommen und fehlenden Wohnraumes gibt es eine hohe Zahl an Wohnungssuchenden. Das Bildungswesen ist nur teilweise den Anforderungen aus Wirtschaft, Technik und Gesellschaft gewachsen. Dies schlägt sich auch im Handwerk und bei den landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsformen nieder, da gut ausgebildete Fachkräfte fehlen. (Knappe 2004: 56ff.)
Alkoholismus wird von vielen als Ausweg aus der Perspektivenlosigkeit und mangelnden sozialen Absicherung angesehen. Dies schlägt sich auch in den Statistiken der Lebenserwartung 8 Zitat aus einem Gespräch mit Dipl. Ing. Dimitri Suchin, (Rotterdam), einem Organisator des Projektes „insterGOD / insterJAHR“ in München im Juni 2011. 9 Dieser sank zwischen 2001 und 1990 um 0,75 Lebendgeborene pro Frau auf 1,12. (Knappe 2004: 23f.) 16
10 Dies entspricht ungefähr der Quote von 2007 von Thüringen, Sachsen und Brandenburg (2007). Die tatsächliche Quote der Oblast dürfte jedoch weit über der offiziellen Rate liegen. (Knappe 2004: 56)
Abb. 6:
Ethnische Struktur
2.5 Verkehr und Mobilität Die relativ gute verkehrliche Erschließung des Gebiets basiert hauptsächlich auf Strukturen der preußischen Vergangenheit. Die wichtigste Verkehrsachse stellt sowohl für die Schiene als auch für die Straße die Ost-West-Achse dar, die zu großen Teilen in der Flussaue des Pregolja verlaufen. Nord-Süd-Verbindungen wurden nach dem II. Weltkrieg deutlich reduziert. Dies betrifft vor allem die ehemals gut ausgebauten Schienenverbindungen in Richtung Polen und
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Abb. 7:
Verkehrsinfrastruktur
Deutschland. Die wichtigste Landverbindung zum russischen Kernland verläuft durch Litauen und Weißrussland. Im Zuge finanzieller Engpässe wurden 1990 weitere Linien gestrichen. Das Straßenverkehrsnetz weist im Vergleich zum Mutterland Russland eine sehr hohe Dichte auf, viele der Straßen vor allem zwischen kleineren Orten sind allerdings stark reparaturbedürftig. Buslinien internationaler und regionaler Art nehmen den größten Teil des Personenverkehrs auf. Sie verkehren häufiger als die Eisenbahnen und weisen ein dichteres, wenn auch mittlerweile
Abb. 8:
Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
Internationale Fernstraßen
sich verringerndes Netz auf. Durch die Ausdünnung öffentlicher Personennahverkehrsnetze gewinnt der Individualverkehr mit PKW an Bedeutung. So besitzt inzwischen jeder fünfte Bewohner ein eigenes Fahrzeug. Vor allem den ärmeren Bevölkerungsschichten aus dem ländlichen Raum fehlt es an Mobilitätsmöglichkeit.11 Die Grenzübergänge stellen Engpässe der Verkehrsinfrastruktur dar, da sie unterdimensioniert sind und die Grenzabfertigung äußerst langsam verläuft. Durch die langen Wartezeiten kann daher die Oblast den Anspruch 11 Die reelle Zahl dürfte geringer sein, „da viele der in Kaliningrad registrierten Autos faktisch von Bürgern anderer Regionen Russlands genutzt werden“ (Fjodorow 1999 zit. n. Knappe 2004: 36f.).
als Knotenpunkt europäischen Transithandels nicht erfüllen. Der kleine Grenzverkehr wurde durch den EU-Beitritt Polens und Litauens ebenfalls erschwert und nahm stark ab. Die wichtige internationale Nord-Süd-Trasse der „Via Baltica“ umgeht die Oblast. Die Arbeiten an der geplanten „Via Hanseatica“, welche Kaliningrad an die internationalen Fernstraßen anbinden würde, verlaufen ebenfalls sehr schleppend. Über das Eisenbahnnetz sind alle größeren Städte der Region zu erreichen. Wichtige Knotenpunkte bilden dabei Kaliningrad und Tschernjachowsk aus. Von beiden besteht Anschluss an 17
Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
das europäische Netz in Richtung Polen. Die Strecke Kaliningrad – Berlin wird jedoch nur temporär durch Sonderzüge (in der Sommersaison) befahren. Die Breitspurtrasse Kaliningrad – Tschernjachowsk – Nesterow besitzt aufgrund ihrer direkten Verbindung über Kaunas (Litauen) und Minsk (Weißrussland) mit dem russischen Hinterland regionale, nationale und internationale Bedeutung – vor allem für den Güterverkehr. Sowohl die Linie Kaliningrad – Sowjetsk – Siauliai (Litauen) – Riga (Lettland) – St. Petersburg, als auch die Trassen in Richtung Polen werden nicht für den Güterverkehr genutzt. Sowohl Netz als auch Bahnhöfe sind dringend sanierungsbedürftig. Transitzüge fahren ohne Halt von Kaliningrad bis ins russische Kernland. Diese ermöglichen mit einem Transitdokument kurzfristige (Visum-freie) Reisen ins Kernland. Die zivile Luftfahrt nimmt nur eine sehr unbedeutende Stellung ein, da das dichte vorhandene Flughafennetz der Region dem Militär untersteht. Chrabrowo nahe Kaliningrad ist der einzige zivile und internationale Flughafen – er ist jedoch sanierungsbedürftig. Die Verbindungen bestehen vor allem nach Russland, im Charterflugbetrieb auch in andere internationale Destinationen. Auch am Güteraufkommen nimmt die Luftfracht nur einen geringen Stellenwert ein. Die Schifffahrt spielt vor allem beim Gütertransport eine wichtige Rolle, da Kaliningrad einen der drei ganzjährig eisfreien, russischen Ostseehäfen stellt. Fehlende Spezialisierung und Modernisierung sind bremsende
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Faktoren bei der internationalen Nutzung. Weitere Häfen (z.T.. Fischereihäfen) bestehen in Pionerski, Swetly, Baltijsk, Ishewskoe und Sowetsk. (Knappe 2004: 35ff.) Die zu preußischen Zeiten ausgebauten Binnenschifffahrtswege „Großer und Kleiner Friedrichsgraben“, sowie das daran anschließende Wasserstraßennetz sind heute nicht mehr wirtschaftlich nutzbar. 2.6 Wirtschaft Knappe definiert das Problem der wirtschaftlichen Lage der Oblast Kaliningrad so: „Bis heute besteht das Kernproblem der wirtschaftlichen Entwicklung […] darin, dass es einerseits sehr eng mit der russischen Wirtschaft verflochten ist und andererseits , bedingt durch seine Exklavenlage und den damit verbundenen Sonderstatus, nach einer eigenständigen Entwicklung strebt.“ (Knappe 2004: 40)
Abb. 9:
Kanal Tschernjachowsk
Abb. 10:
Ölförderung Gebiet Kaliningrad
Durch eine schlechte Haushaltslage ist das Gebiet jedoch auf staatliche Zuschüsse angewiesen und hängt von den wirtschaftlichen Interessen der Föderation ab. Diese beschränken sich auf ausgewählte Wirtschaftszweige, wie die Elektronik und Militär. Die Anteile der Wirtschaftszweige am Bruttoregionalprodukt (2001) stellen sich folgendermaßen dar: Dienstleistungen 44%, Industrie 42 %, Landwirtschaft 7 %, Baugewerbe 6 % und sonstige 1 %. Dies entspricht durchaus modernen Verhältnissen, auch wenn der landwirtschaftliche Anteil immer noch relativ hoch ist. Nach Wirtschaftszweigen teilen sich die Unternehmen auf in: Dienstleistungen 60 %, davon Handel und Service 34 %,
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Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
Industrie 14 %, Landwirtschaft 12 %, Baugewerbe 9 % sowie Transport und Kommunikation 5 %. (2002) Die Baubranche leidet unter der finanziellen Misslage, die Transportbranche unter der Exklavensituation des kleinen Gebietes. Weiter Probleme ergaben sich durch eine unzureichende Umstrukturierung der Wirtschaft nach dem Zusammenbruch der UdSSR. Zumeist wurden Eigentumsanteile an Betriebsangehörige versteigert und das Management nicht grundlegend geändert. Förderung erhielten Kleinunternehmer verschiedenster Branchen, wodurch sich zunehmend mittlere und kleinere Unternehmensgrößen durchsetzen.12 (ebd.: 40f.) Traditionell sind im Kaliningrader Gebiet der Maschinenbau, sowie die Fisch-, Zellulose- und Papierindustrie verankert. Bauwirtschaft, Handel und Verkehrswesen sind in erfolgreicher Entwicklung. Eine breite Varianz am Arbeitsmarkt bietet sich jedoch fast ausschließlich in Kaliningrad und in einigen wenigen Mittelzentren. Das Handwerk ist wegen geringer Wertbeimessung zu Zeiten der Sowjetunion und fehlender Qualität bei der Ausbildung im Boden. (D. Suchin, München, Juni 2011) Die Touristik- und Erholungswirtschaft spielt bisher fast ausschließlich in den Kurorten an der Ostseeküste eine Rolle, jedoch wird dem ländlichen Tourismus eine gute Chance eingeräumt und zu einem der Spezialisierungsbereiche des Gebiets gezählt. (Blehm 2009: 22) Abb. 11:
Industriestandorte
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Einzelhandel, Gastronomie, Landwirtschaft, Industrie und Bauwirtschaft 19
Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
2.7 Landwirtschaftliche Nutzung und Kulturlandschaft Mit Hilfe von offenen Grabensystemen wurde bereits im 18. Jahrhundert unter Wilhelm I. begonnen, für die bessere Nutzbarkeit die vernässten landwirtschaftlichen Flächen zu entwässern.13 Durch die Umstrukturierung der Landwirtschaft nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in der Oblast Kaliningrad die Flächen neu aufgeteilt: Anbauflächen wurden zu Kollektivbetrieben (vorwiegend Sowchosen14) zusammengefasst, welche „in der Regel zwei bis drei Gemeinden [umfassten] und 2 bis 5.000 ha Nutzfläche [umfassten]“ (Knappe 2004: 46). Die entstehenden Dimensionierungs- und Verteilungskonflikte mit den alten Entwässerungssystemen, fehlende Kenntnis standortspezifischer Bewirtschaftungsformen, das Fehlen adäquater technischer Ausstattung und unzureichende Wartung der Pumpen- und Grabensysteme führten in weiten Teilen der Oblast zur Schädigung der Entwässerungssysteme und Wiedervernässung landwirtschaftlicher Flächen. (Knappe 2004: 46) Heute liegen ca. 640.100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche brach. Die Anzahl unbewirtschafteter Flächen steigt seit Ende der UdSSR, insbesondere seit der Wirtschaftskrise 1998.15 Oftmals 13 Bei der „Agrarrevolution“ wurde Ostpreußen durch neue Maschinen (Dresch- und Sämaschinen) und Meliorationsmaßnahmen (Düngung, Entwässerung) zur „Kornkammer Deutschlands“ entwickelt. Ebenso wurde die Kartoffel-Kultur, Stalltierhaltung und Pferdezucht vorangetrieben. Durch die Verlegung unterirdischer Drainagesysteme vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden die Feldgrößen größer und konnten die Erträge gesteigert werden. (Walker und Christenn 2011: Analyse Kulturlandschaften& Identität Kaliningrads) 14 Sowchosen sind landwirtschaftliche (Groß-)Betriebe im Staatsbesitz mit angestellten Lohnarbeitern. In der Oblast waren diese aufgrund des Bevölkerungsaustausches nach 1945 und dem Mangel an landwirtschaftlichen Gerätschaften in der Überzahl gegenüber den Kolchosen (kollektive Landwirtschaftsbetriebe, an denen die Mitglieder Anteile an der Produktion besaßen und formal Eigentümer der Produktionsmittel waren). 15 Die landwirtschaftlich genutzte Fläche hat sich seit 1991 um 17,6 % reduziert. (Blehm 2009: 23) 20
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fehlt der Zugang zu Krediten für Saatgut, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und neuer Technik. Eine Dominanz der Tierhaltung und Futtermittelproduktion ist zu erkennen. (Knappe 2004: 46f.) Bei der Bewirtschaftungsform ist ebenfalls ein Wandel zu erkennen: Die Produktion in Kollektivwirtschaften16 gab zugunsten einzelbäuerlicher Wirtschaft und privater Subsistenzwirtschaft nach. Ihr Anteil betrug 2001 nur 43,5 %.(Kaliningradskaja oblast w zifrach 2002 zit. n. Knappe 2004: 49). Die Konzentration der Produktion in diesen Großbetrieben liegt auf Futterkulturen und Getreide, ein weiterer Teil entfällt auf Fleisch- und Milchprodukte. Nur unter 10 % entfallen auf arbeitsintensiven Gemüse- und Kartoffelanbau. Dieser wird zu über 80 % durch private Produktion als Nebenerwerbstätigkeit bereitgestellt. Ebenso werden über 50 % Milch und über 30 % Fleisch in Subsistenzwirtschaft auf individuellen Hauswirtschaften, Kleingärten oder Datschengrundstücken produziert.
Abb. 12:
Getreidefeld bei Tschernjachowsk
Abb. 13:
Subsistenzwirtschaft in Tschernjachowsk
Die Selbstversorgung und Eigenvermarktung der Bevölkerung nimmt daher einen wichtigen Part in der Landwirtschaft ein: 50,4 % der landwirtschaftlichen Produktion entfallen auf diese Nebenwirtschaften, welche auf nur 7,5 % der Landesfläche betreiben wird. (Kaliningradskaja oblast w zifrach 2002 zit. n. Knappe 2004: 49 und Knappe 2004: 49) Der Anteil von Bauernwirtschaften an der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist aufgrund der russischen Vorgeschichte äußerst gering.17 (Kaliningradskaja oblast w zifrach 2002 zit. n. Knappe 2004: 49). Ihre Betriebsgrößen sind meist als klein 16 Sowchosen und Kolchosen wurden nach Auflösung der Sowjetunion privatisiert und in Aktiengesellschaften und GmbHs umgewandelt, indem die Fläche und das Vermögen auf die Landarbeiter verteilt wurde. Jedoch wurde ein freier Bodenmarkt erst 2002 durch eine Agrarreform festgesetzt. (Knappe 2004:50) 17 Private Bauernwirtschaften entstanden in der Oblast Kaliningrad ab erst ab 1992, viele wirtschaften auf Flächen von 5 ha und weniger. (Blehm 2009: 23)
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und unwirtschaftlich einzuordnen.18 (Knappe 2004: 49) Zudem mangelt es ihnen an bäuerlichen Kooperationen, Genossenschaften und fachlicher Ausbildung. (Blehm 2009: 23) Billigere Importware aus Russland oder dem Ausland stellt in dem Gebiet ein weiteres Problem dar, das den extrem hohen Kosten für Betriebsmittel ein Absatzproblem hinzufügt. Die Wirtschaftskrise schwächte dieses Phänomen jedoch zeitweise ab, da Importe mangels Kapital stark abnahmen und auf regionale Produkte zurückgegriffen wurde. Laut Knappe (2004: 49) wurde „die Grundproblematik der Landwirtschaft […] dadurch nicht gelöst. Diese besteht darin, dass es keine durchgreifende Privatisierung […] gab bzw. gibt.“ Abb. 14:
Klimadiagramm
Abb. 15:
Gewässerstruktur Kaliningrader Gebiet
Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
2.9 Oberflächengewässer Ähnlich wie seine baltischen Nachbarländer ist die Oblast Kaliningrad von einem dichten und stark verzweigen Gewässernetz durchzogen. Pregolja und Neman sind die größten Flüsse. Der Pregolja mündet bei Kaliningrad in das Frische Haff, während der Neman an der litauischen Grenze in das Kurische Haff fließt. Zu ihrem Einzugsgebiet gehören Instrutsch, Pissa und Angrapa, welche bei Tschernjachowsk den Pregolja bilden, die Deima, welche bei Gwardeisk vom Pregolja abzweigt und bei Polessk in das Kurische Haff mündet, sowie die Scheschupe, die in den Neman mündet. Wie sie gehören die meisten der ca. 4600 Fließgewässer der Region zu ihrem Einflussgebiet. (Knappe 2004: 19)
2.8 Klima Das Klima der Oblast steht sowohl unter kontinentalem, als auch unter maritimem Einfluss. Durch den kontinentalen Einfluss treten vor allem frühe und späte Frostperioden auf, und die Winter fallen kalt aus. Die mittlere Vegetationsperiode beträgt circa 190 Tage (Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur 2008: 9) Die mittlere Jahrestemperatur liegt bei 8°C, der langjährige Durchschnitt im Juli liegt bei 17°C, im Januar bei -3°C. Die mittlere Jahres-Niederschlagsmenge beträgt ca. 600 mm (Knappe 2004: 17). Die geringste Niederschlagsmenge tritt zwischen Februar und April auf, die meisten Niederschläge fallen im August, September und im November.(Bernhard Mühr 2007) Durchgängig niedrige Verdunstungswerte führen zu einem hohen Feuchtigkeitsüberschuss. Ein hoher Grundwasserspiegel und viel Oberflächenwasser führt zu einer Vernässung der Böden.
18 Vgl. Durchschnittsgröße eines Hofes in Deutschland: 48 ha (Kampagne Meine Landwirtschaft 2011) 21
Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
02
2.10 Moore Durch die klimatischen und geomorphologischen Gegebenheiten, wie z. B. Toteislöcher sind Moore und Sumpfgebiete weit verbreitet. (Knappe 2004: 19) So ist circa 7 % der Gebietsfläche mit Sumpfland bedeckt (also ein Gebiet größer als 1000 km2), rund 3,5 % der Fläche weisen Torflagerstätten auf, was einer Ausdehnung von 530 km2 entspricht19. Mengenmäßig wird der auf circa 300 Mio. Tonnen (Deutsch-Russische Auslandshandelskammer 2011). Diese befinden sich größtenteils in den Einzugsgebieten der Wasserschutzzonen und -einzugsgebiete des Pregolja, Neman und anderer Flüsse. Die größten Moore sind das „Große Moosbruch“ (Bolschoje Mochowoje Boloto)20 und daran nördlich angrenzend die Elchniederung (Losinaja Dolina), ein spärlich besiedeltes und kultiviertes Gebiet von Hochmoor-durchsetzten Niedermoorwäldern mit Erlenbruch, Sümpfen und Flüssen am östlichen Ufer des Kurischen Haffs. Landflucht führt auch hier zur Wiederversumpfung. Ein weiteres bedeutendes Hochmoor ist das Zehlaubruch (Boloto Zelau). Als eines der ehemals ältesten deutschen Naturschutzgebiete hat das Zehlaumoor kulturhistorische Bedeutung. Gleichzeitig leidet das Gebiet in den letzten Jahrzehnten unter Moorbränden, Abholzung und Ölförderung. Ein Schutzgebietsstatus wurde in den letzten Jahren geplant, aber nicht umgesetzt. Michael Succow Stiftung (2009). Nicht zuletzt weist die Gegend um Krasnoznamensk eine Vielzahl flächenmäßig großer Hochmoorstandorte auf. In der näheren Umgebung von Tschernjachowsk sind weitere kleinere 19 Eigene Berechnung und Daten aus Kaliningrad aktuell (Knappe 2004: 19) 20 Das Hochmoor ist ein Rückzugsgebiet für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten (u.a. Schreiadler, Schwarzstörche, Elche). Trotz der Nutzung ab dem 18. Jh. für den bäuerlichen Torfstich blieb der Zentralteil nahezu unberührt. Das Ende der landwirtschaftlichen Nutzung (nach Auflösung der UdSSR) führte zu einer Wiedervernässung und Wiederbewaldung. Es steht seit 1994 unter Naturschutz. 22
Abb. 16:
Moorstruktur Oblast Kaliningrad (mit angrenzenden Wald-, Weg- und Flussstrukturen)
Hochmoore zu finden. Die Hochmoore sind zumeist von mehr oder weniger groß ausgeprägten Moorrandwäldern umgeben. In vielen der Flussniederungen gibt es Niedermoorvorkommen, so vor allem im Talraum der Instrutsch, Deima und des Pregolja. [Es wird darauf hingewiesen, dass im Folgenden für Moorstandorte mangels russischer Literatur und Daten nur der ehemalige deutsche Geographische Name aufgeführt wird.]
Moorkultivierung In vielen Bereichen der Moorgebiete des damaligen Ostpreußen wurden Kolonistendörfer entlang der Kanäle oder Straßen angelegt, je nachdem, wie der Transport von Torf und ackerbaulichen Produkten am einfachsten bewerkstelligt werden konnte.
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Abb. 17:
Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
Zehlaumoor
Von den Reihendörfern der Moorkolonien und ihrer typischen Struktur der Aufstreckfluren21 ausgehend wurden bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts große Moorgebiete trockengelegt. Der Torf wurde, im Handtorfstichverfahren gewonnen, in vielen Gegenden mangels anderer Heizmaterialien seit der Bronzezeit zur Energiegewinnung genutzt.22 (Ellenberg & Leuschner 2010: 589)
Im weiteren Verlauf des technischen Fortschrittes wurden ab 1892 mit der „Deutschen Hochmoorkultur“ unterirdische Drainagerohre zur Entwässerung verlegt und Tiefenumbruch der wasserstauenden Schichten durch Pflügen bewirkt. Diese Maßnahmen ermöglichten profitablen Ackerbau, welcher in Ostpreußen vor allem zum Kartoffelanbau genutzt wurde.. (Küster 1999: 285ff.)
21 Die zugewiesenen wirtschaftlichen Parzellen wurden nur in ihrer Breite gemessen, sodass eine ausbreitende Kultivierung vom Moorrand in Richtung Kerngebiet der Moore ohne finanzielle Auswirkungen für den Besteller möglich war. Mit dem verwendeten Grabenentwässerungssystem bildete sich so die Struktur der Aufstreckfluren heraus – langer streifenförmiger landwirtschaftlicher Flächen, die in unterschiedlicher Länge in die Hoch- und Niedermoore hineinragen. (Küster 1999: 279) 22 Der Brennwert von Schwarztorf liegt dabei höher als der von Holz. Er liegt jedoch unter den Werten von Braunkohle und benötigt lange Trockenzeiten. 23
Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
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und für die lokale und regionale Strom- und Wärmegewinnung in Heizkraftwerken verwendet. (Knappe 2004: 19) Der Weltenergierat WEC konstatiert die Vorteile von Torfgewinnung vor allem „rurale[n] Gegenden, die unter der Migration junger Leute, einem hohen Durchschnittsalter der Arbeitskräfte sowie relativ niedrigen Einkommensniveaus [leiden].“ Diesen verhilft Torf zu zusätzlichem Einkommen. Zusätzlich spielt er eine wichtige Rolle bei der Sicherung kurz- und langfristiger Energieversorgung. (World Energy Council 2010: 341)
Abb. 18:
Abgetorftes Hochmoor mit Sukzessionsvegetation, Zentral Russland
Der industrielle Torfabbau erhielt im 20. Jahrhundert Einzug durch die Einführung von Bulkmaschinen (zum Entfernen des ca. 50 cm dicken Akrotelms bzw. der Bunkerde23) und Torfbagger zur Förderung der energetisch wertvollen Schwarztorfschicht. Nach der Exploitation wurden die Flächen durch Tiefumpflügen der Torfreste mit Sand kultivierbar gemacht. Die Flächen konnten für einige Jahre genutzt werden, bis sie durch Sackung des Torfkörpers zu nass wurden für Ackerbau und entweder weiter entwässert oder in Wiesen und Weiden umgewandelt werden mussten. (Küster 1999: 285ff.) Heute wird vor allem im maschinellen Sodenstichverfahren und Fräsverfahren großflächig abgetorft. Der Frästorf wird vor Ort in der Sonne getrocknet und später zum Teil zu Briketts gepresst 23 Vegetationsschicht und obere Weißtorfschicht aus schwach zersetzten Torfmoosen
24
Zudem wird ein nicht unerheblicher Teil des Torfs gärtnerisch und landwirtschaftlich z. B. als bisher in seinen Eigenschaften nicht ersetzbares Substrat und Bodenverbesserer, Kompostbestandteil oder als Stalleinstreu genutzt. (World Energy Council 2010: 339). Das Kultursubstrat wird hauptsächlich in die EU und nach Deutschland vertrieben.24 Die Fördermengen der Oblast Kaliningrad variieren stark innerhalb der verfügbaren Daten.25 Die größten Abbaugebiete liegen in den Kreisen Polessk in der Elchniederung und Nesterow mit drei großen Abbaugebieten: „Agilskoje“, „Tarasowskoje“ und „Nesterowskoje“.(Knappe 2004: 19)
24 Auskunft Torfarbeiter Tschernjachowsk 25 So lag die jährliche Förderleistung zwischen 1985 und 1990 bei rund 600 bis 650 Tausend Tonnen, im Zeitraum 1998 (Finanzkrise) bis 2000 schwankt sie zwischen 16 und 115 Tausend Tonnen (Kaliningradskaja oblast w zifrach 2001 zit. n. Knappe 2004: 43) „Die offiziellen Zahlen berücksichtigen […] nicht die Schattenwirtschaft, die laut Expertenschätzungen im Gebiet Kaliningrad ein erheblich höheres Ausmaß annimmt als in den anderen russischen Regionen und ca. 40 bis 55 % des Bruttoregionalproduktes ausmacht.“ (Königsberger Express 11/2002 zit. n. Knappe 2004: 44)
Im Vergleich mit den baltischen und nordischen Nachbarstaaten weist die Oblast eine ähnliche Dimensionierung der Torflagerstätten auf.26 Ebenso ist die Fördermenge von Torf zur Energiegewinnung vergleichbar mit den Nachbarstaaten.27 Um das Energieversorgungsdefizit der Region abzubauen28, plant die OAO „Jantarenergo“29 jedoch zusätzlich zum Bau des „Baltischen Atomkraftwerks“ unter anderem den Ausbau der Torfnutzung für dezentrale Energie- und Wärmegewinnung in Städten mit Fernwärmenetz. Diese Heizkraftwerke sollen auch durch Fremdkapitale (auch aus der EU) finanziert werden. Hierzu sieht sie den Bau von sieben HKWs bis 2013 vor. Fünf davon sind Torfkraftwerke, die in Gussew, Mamonowo, Neman, Sowetsk und Tschernjachowsk liegen. (Ministry of Economy of the Kaliningrad region 2011) So soll bereits 2012 mehr Elektroenergie produziert werden, als verbraucht wird und damit die Möglichkeit eröffnet werden, diese in die Stromnetze der EU zu exportieren. (Baltische Rundschau 2010) 26 So sind in Polen 4,0 % der Landesfläche Torfland (entspricht 12.500 km2), in Litauen 5,4 % (3.520 km2). Die gesamte Russische Föderation weist eine Rate von 8,1 % auf (1.390.000 km2), seine größten Torfvorkommen liegen jedoch in Sibirien. In Lettland sind 10,0 % Torfland, in Weißrussland 11,3 %, in Schweden 14,7 % und in Estland 20,0 %. Finnland hat mit 26,3 % die höchste Torfland-Rate der Welt. (Immirzi et al. 1992; Joosten and Clarke 2002; www.carbopeat.org zit. n. World Energy Council 2010: 345ff.) 27 Während Lettland nur rund 10 Tsd. Tonnen fördert, gewinnt Litauen 70 Tsd. t, Estland 210 Tsd. t, die gesamte Russische Föderation 760 Tsd. t, Schweden 830 Tsd. t, Weißrussland 2.400 Tsd. t und Finnland 5.000 Tsd. t zur Energiegewinnung. (Paappanen et al. 2006 zit. n. World Energy Council 2010: 350) 28 Der Energieverbrauch der Region Kaliningrad lag im Jahr 2008 bei ca. 4,0 Mrd. kWh, produziert wurden hingegen nur ca. 2,9 Mrd. kWh Elektroenergie, dessen größten Anteil mit 95% das Kaliningrader Heizkraftwerk 2 stellt. Die fehlende Energie wird derzeit vom Heizkraftwerk Ignalina in Litauen importiert. (Ministry of Economy of the Kaliningrad region 2011) 29 Offene Aktiengesellschaft, welche die Energieversorgung in der Region Kaliningrad sichert.
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Abb. 19:
Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
Torfabbau Angermoor, Region Tschernjachowsk 25
Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
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2.11 Landschaft und Vegetation Das Landschaftsbild des nördlichen Ostpreußen wird von leicht gewelltem Flachland mit Moränenhügeln, größtenteils versteppten Wiesen und Feldern sowie viel Wald bestimmt, der von breiten Flussniederungen und Moorgebieten unterbrochen wird. So sind ca. 30 % der Oblast Kaliningrad mit vorwiegend hemiborealen Laubholz-Fichten-FöhrenMischwäldern bedeckt, bestehend aus Kiefern, Fichten und Birken, aber auch Linden, Erlen, Ahorn und Eichen. „In den weiten [im Winter überfluteten] Flussniederungen mit ihren früheren Röhrichten, Seggenriedern, Weiden und Erlenbrüchern gibt es heute ausgeprägte Rohrglanzwiesen.“ Die in großer Anzahl vorkommenden Störche sind ein Zeichen für die Kultivierung von Bruchland, da sie als Kulturfolger auf die froschreichen Gräben und Nasswiesen ehemaliger Moorgebiete angewiesen sind. (Küster 1999: 285ff.) Die ausgedehnten bewaldeten Sumpf- und Moorgebiete bieten Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten, wie z. B. Elche. Der Süden und Westen von Kaliningrad wird von großen Heidelandschaften geprägt. Im Südosten dominiert die Rominter Heide (einer der letzten Urwälder Europas) mit dem Wystiter See und dem Wystiter Hügelland. Die Dünen der Nehrungen bieten ein Refugium vor allem für Vogelzüge, da besonders kleine Vogelarten den Flug über große, offene Wasserflächen meiden.
26
Abb. 20: Vorhandene und potentielle Naturschutzgebiete Kaliningrader Gebiet (Dunkelgrün: besonders schützenswert, vorhanden; schraffiertes Grün: vorgeschlagene Schutzgebiete; hellgrün: schützenswert, vorhanden)
2.12 Umweltschutz und -probleme In der Kaliningrader Oblast gibt es mehrere ausgewiesene Naturschutzgebiete. Der Nationalpark „Kurische Nehrung“ stellt mit seinem Listenplatz im UNESCO-Welt-
kulturerbe unter ihnen das wichtigste. Es wurde 1987 ausgewiesen. Seine einzigartige Dünenlandschaft wird in enger Kooperation mit Litauen streng geschützt.
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Lage und Ausgangssituation Oblast Kaliningrad
Die bedeutendsten Umweltprobleme liegen wohl in der Wasserverschmutzung im Gebiet Kaliningrad, da eine Mehrheit der Industriebetriebe, Landwirtschaftsbetriebe und Kommunen ihre Abwässer ungeklärt in die Gewässer einleiten. Dabei nehmen vor allem die Zellstoff- und Papierfabriken, Seehäfen und Fischkombinate als Hauptverursacher eine große Rolle ein. Landwirtschaftsbetriebe führen durch unsachgemäße Dunglagerung ebenso wie nicht ordnungsgemäße Mülldeponien zu gebietsweiser Gefährdung des Grundwassers. Aufgrund eines sehr geringen Einsatzes von Mineraldünger und Pestiziden ist die Belastung durch die Landwirtschaft insgesamt eher niedrig. Luftverunreinigung durch fehlende Filteranlagen der Gewerbebetriebe bilden zusammen mit der Abgasbelastung durch den Straßenverkehr ein weiteres Problemfeld. Besonders hoch sind die Schadstoffwerte in Kaliningrad und Sowjetsk. Neben diesen gibt es jedoch weitere Probleme, wie eine bisweilen unzureichende Trinkwasserversorgung oder Bodenbelastung in militärischen Gebieten. (ebd.: 62f.) Abb. 21:
Naturschutzgebiete und Geomorphologie Kaliningrad
Zudem gibt es sieben staatliche Naturschutzgebiete von regionaler Bedeutung. Sie beinhalten weite Moorgebiete, die Pregoljaniederung, das Memeldelta, die Frische Nehrung und die Rominter Heide. Der Fluss Rominte (russ. Krasnaja) steht mit seiner Sumpf- und Wasservegetation ebenfalls unter Schutz.
Zudem gibt es 15 Wasserschutzzonen mit einer Fläche von 20.000 ha. Unter ihnen sind einige durch Entwässerungsmaßnahmen des Torfabbaus stark bedroht. (Knappe 2004: 63f.)
In einem Projekt der Deutschen Bundesstiftung für Umwelt (DBU) wurde 2004/2005 unter Durchführung der TU Berlin eine gebietsübergreifende „Landschaftsplanung für das Kaliningrader Gebiet“ erarbeitet. Eine detailliertere Planung für das Selenogradsker Gebiet wurde jedoch abgebrochen.30
30
Mündliche Information von Wera Wojtkiewicz, TU Berlin 27
Projektraum Tschernjachowsk
Abb. 22: 28
Region Tschernjachowsk
03
03
Projektraum Tschernjachowsk
29
Projektraum Tschernjachowsk
3
Projektraum Tschernjachowsk
Als zweitgrößte Stadt der Oblast Kaliningrad nimmt Tschernjachowsk die Rolle eines logistischen und wirtschaftlichen Knotenpunktes ein. Ein hohe Dichte an kleineren Moor- und großflächigen Nassstandorten durchzieht die leicht hügelige Landschaft der Umgebung der Stadt. Flächenmäßig gehört die Stadt nicht unbedingt zu den moorreichsten Gegenden der Oblast Kaliningrad. Durch die gute verkehrliche Anbindung an das regionale, nationale und internationale Verkehrsnetz (vor allem durch die Eisenbahn) gewinnen jedoch auch die Moore im Umkreis der Stadt an Bedeutung. Tschernjachowsk ist ein Mittelpunkt für Torfabbau und - umsatz: viele kleinere Abbaugebiete in der näheren Umgebung wie auch der Neubau eines torfbetriebenen Heizkraftwerkes eröffnen ein weites Möglichkeitsspektrum für den entwerferischen Umgang mit nachhaltigen Nutzungen von Moor- und Feuchtstandorten. Diesem Projekt liegen neben objektiver Analysedaten auch Erkenntnisse zugrunde, die der Autor während eines Aufenthaltes in der Region Tschernjachowsk gewann. Sowohl durch die subjektive Erfahrung des Landschaftsraumes als auch durch die Kommunikation mit den Bürgern der Stadt eröffnen sich wertvolle Möglichkeiten, die Problematik des Projektes zu verstehen, zu vertiefen und zu bewerten.31 Die durch Ortsbegehungen von Moorbereichen erlangte
31 30
Im Rahmen der Projekt-Exkursion Anfang Juli 2011
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Kenntnis über räumliche Ausprägungen und deren Qualitäten lassen (auch) in vegetations- und ingenieurökologischer Hinsicht ernstzunehmende Planungen zu.32
Moore und Oberflächengewässer im Projektraum Die Gesamtstruktur dominieren die Flusstäler der Instrutsch, Pissa und Angrapa, welche sich bei Tschernjachowsk zum Pregolja vereinigen. Der weite Flussraum der Instrutsch und des Pregolja (das Urstromtal des Pregolja) ist durch Niedermoor33 und Aue geprägt. Bestimmt wird das Niederungssystem durch saisonale Überflutung in den Wintermonaten. Zudem ist die leicht hügelige Gegend ist durch Senken und ehemalige Toteislöcher geprägt, in denen die Böden stark vernässt oder vermoort sind. Dadurch ergibt sich ein relativ kleinteiliges Netz aus kleineren und größeren Nassstandorten und Hochmoorkörpern. In ihrem Einflussgebiet in der näheren Umgebung der Stadt (in einem Umkreis von ca. 20 Kilometern) finden sich mehrere größere Moorstandorte, die heute zum Teil stark anthropogen überprägt sind.
32 Diese bleiben ökologisch betrachtet aufgrund fehlender wissenschaftlicher Ortsanalysen und fehlendem Expertenwissen auf konzeptueller und struktureller Ebene. Mehr dazu siehe Fazit. 33 Hier: Nährstoffreiche Verlandungsmoore in Altwasserarmen, evtl. Versumpfungsmoore bei Grundwasseranstieg in den Talniederungen sowie Überflutungsmoore im Kontakt zur Flussaue (Pfadenhauer 1997:188ff.)
Abb. 23:
Angrapa bei Tschernjachowsk
Nördlich der Stadt liegen im ehemaligen Staatsforst Horstenau das relativ kleine Schunkerer Moor sowie das Pageliener Moor. Beide sind heute bewaldet. Nordwestlich von Tschernjachowsk befinden sich das Fuchs-, Teufelsmoor und die Mupiau. Letzteres war bereits 1928 in forstwirtschaftlicher Nutzung und bewaldet. Im Fuchs- und Teufelsmoor wurde im kleinen Stil Torfstich betrieben. Südwestlich befinden sich der kleine Bisse-Bruch, der Milchbuder-Bruch, der ehemalige Staatsforst Brödlauken, in welchem zwei größere Hochmoore mit Torfstichen lagen. Die heutige Nutzung ist als Sendestation des russischen Militärs angegeben (Google Earth). Das Skungirrer Moor und das Stagutscher Moor im ehemaligen Staatsforst Kranichbruch gelegen hingegen wurden 1928 nicht zur Torfgewinnung genutzt. Heute wird in beiden industrieller Torfabbau betrieben.
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Projektraum Tschernjachowsk
Im Westen der Stadt – auf einer Anhöhe zwischen den Flüssen Pissa und Angrapa liegt das Angermoor, ein ehemaliges Hochmoor in dessen Randgebieten früher Torfstich von den umliegenden Moorhöfen betrieben wurde. Heute findet dort Torfabbau hauptsächlich für gärtnerische und landwirtschaftliche Zwecke im Fräsverfahren statt.
Landschaftsräumliche Eingrenzung Entwurfsgebiet Das Entwurfsgebiet in der Umgebung von Tschernjachowsk orientiert sich an den topographischen Gegebenheiten, die durch die Eiszeit geprägt wurden. Die Flüsse Instrutsch, Pissa und Angrapa gliedern den Raum auf natürliche Weise. Die Siedlungen und Gehöfte orientieren sich ebenso an dieser Gliederung durch die Talräume, wie auch die Hauptverkehrsachsen, welche die Funktionen Transport und Erschließung in der Landschaft übernehmen. Abb. 24:
Hinzu kommt die Entscheidung, ein Konzept der nachhaltigen Nutzung von Nieder- und Hochmoorstandorten zu erarbeiten, da diese bisher auf rein ökonomischer Grundlage ausgebeutet werden. Dies ist mit extrem negativen Auswirkungen verbunden.34 Tschernjachowsk bildet in diesem System ein Zentrum, an dem sich die drei genannten Flüsse zum Pregolja vereinigen. Aufgrund dieser markanten geographischen Lage nimmt die Stadt seit jeher eine wichtige strategische und wirtschaftliche Rolle in der Region ein.
34
Schema Entwurfsgebiet
Aus diesem Grund bildet Tschernjachowsk im vorliegenden Entwurf das regionale Zentrum, in dem ein Großteil der vorgeschlagenen Produkte und Marken gegebenenfalls durch die angesiedelte Industrie ihre finale Veredelung erhalten und zunächst regional, später auch überregional vermarktet werden. Das Potential dafür findet sich in der Substanz der Stadt selbst, aber auch in der Landschaft der näheren Umgebung.
Zur Abgrenzung der räumlichen Gliederung wurden in der Landschaft raumgliedernde Elemente wie Hangkanten, Wälder, Baumreihen und Alleen, sowie siedlungsbedingtes Barrieren wie größere Straßen oder Schienenwege herausgearbeitet. Gegebenenfalls werden diese im Entwurf vervollständigt und neue hinzugefügt um die Lesbarkeit der Landschaft zu fördern.
Vgl. dazu Kapitel 6 – Wissenschaftlicher Exkurs. 31
Projektraum Tschernjachowsk
Abb. 25: Strukturen Projektraum Tschernjachowsk (Hellblau: vernässte Standorte; Dunkelblau: Hoch- und Niedermoorstandorte; Grün: Wald 32
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Projektraum Tschernjachowsk
33
Problemformulierung
4
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Problemformulierung
Wie aus Teilen der Einleitung hervorgeht, sind die Probleme vielfältiger Art. Diese Arbeit konzentriert sich überwiegend auf landschaftsräumliche und ökologische Fragestellungen unter Berücksichtigung der sozialen Verträglichkeit von Änderungs- und Entwicklungsvorschlägen in dem Gebiet in und um Tschernjachowsk. So liegen einerseits große landwirtschaftliche Flächen brach und andererseits werden ökosystemisch wertvolle Moor- und Nassstandorte intensiv genutzt. Der Torfabbau in erheblichem Umfang wie er in der Oblast Kaliningrad betrieben wird, ist als nicht nachhaltige Wirtschaftsform anzusehen (Egger 2005:1). Dies liegt daran, dass ein Wiederherstellen des Ökosystems Moor nur in gewissem Umfang (hoher Verlust bei der Diversität der Arten) und in menschlichen Maßstäben gemessen nur extrem langsam gelingen kann.35 Und schließlich wird beim Abbau und dem damit verbundenen Trockenvorgang ein Großteil des über Jahrhunderte gespeicherten CO2 freigesetzt. Die landschaftlichen Auswirkungen in den Torfabbaugebieten sind vergleichbar mit anderen Tagebaugebieten. Konzepte auf landschaftsgestalterischer Basis für deren Nachnutzung durch nachhaltige landwirtschaftliche Kultivierung, Umweltschutz, Freizeitnutzung und nachhaltigen Tourismus gibt es bislang wenige. 35 Der Zuwachs des Torfs und damit die Kohlenstoffspeicherung durch Torfmoosakkumulation liegt – wenn es gelingt diese wieder zu etablieren – bei gerade einmal ca. 1 mm/Jahr. (Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern 2009: 15) 34
Abb. 26:
Kaliningrad
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Die Auswirkungen sind sowohl angesichts des Klimawandels, als auch in Bezug auf landschaftsökologische Kreisläufe, auf die Einzigartigkeit und Endlichkeit der Ressourcen des Ökosystems und dessen Nutzen für den Menschen nicht in vollem Maße abzusehen.37 Die frühzeitige gestalterische Organisation einer geregelten Nachnutzung bestehender Torfabbaugebiete, sowie das Aufzeigen anderer wirtschaftlicher Nutzungsformen auf Nassstandorten werden daher gerade auch in der Oblast Kaliningrad als dringlich erachtet.
Abb. 27:
Suche nach einer gemienschaftlichen Identiät in der Oblast Kaliningrad
Beispiele durchdachter Konzepte sind überwiegend in wirtschaftlich gut situierten Staaten zu finden, in denen sich ein Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften herausgebildet hat, wie in Deutschland und in den Niederlanden. Aus rein wirtschaftlichen Überlegungen stellt der Torfabbau eine relativ einfache und kostengünstige Energiequelle (Strom- und Wärmeversorgung) in der Oblast. Zusätzlich ist der mitteleuropäische Markt eine sicherer Abnehmer für Torf als Gartensubstrat.36 36 Am Beispiel Deutschland wird deutlich, dass die europäische Torf- und Humuswirtschaft von Weißtorflieferungen aus den baltischen Staaten stark abhängig ist, nachdem die Ausweisung neuer Abbaugebiete aus Gründen des Naturschutzes stark reduziert ist. (Priem, DIW Wochenbericht 41/99 zit. n. Neumann 2005: 1)
Wie unter Punkt 2 erläutert, steht die Oblast aufgrund fehlender gewachsener sozialer Strukturen vor großen Problemen: Einerseits führten Umsiedelungsprogramme zu einem stark durchmischten sozialen Gefüge aus allen Teilen der ehemaligen Sowjetunion als auch der Niedergang des Ostblocks zu „einer Vereinzelung der Bewohner“ (D. Suchin, München, Juni 2011). Ein relativ großer Teil der Bevölkerung der Oblast kann sich nicht mit dem Land und dessen (Kultur-)Landschaft als Heimat identifizieren. Fehlende Kenntnis und Wertschätzung der Bewirtschaftungs- und Handwerkstechniken führt zu Misswirtschaft und verstärkt Vernachlässigung großer Teile der Region. (D. Suchin, München, Juni 2011)
Problemformulierung
demographischen Entwicklung, welche die Möglichkeiten Tschernjachowsks als urbanes Kleinzentrum wohl in Zukunft immer mehr in seiner ökonomischen Macht einschränkt. Heute pendelt täglich ca. ein Drittel der Erwerbstätigen - mangels anderer Möglichkeiten häufig mit dem Bus - nach Kaliningrad. Ein großer Anteil der Bevölkerung sichert seine Existenz mehr schlecht als recht auf der Basis von Subsistenzwirtschaft. Der weit verbreitete Mangel an Perspektiven und sozialen Absicherungen lässt so vor allem Männer im Alkoholkonsum einen vermeintlichen Ausweg suchen. Sie ziehen sich oftmals aus vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zurück.
Aufgrund fehlender qualifizierter Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Gewerbe und Dienstleistungssektor wandern Ausbildungswillige nach Kaliningrad oder in andere große Städte im Kernland Russland ab. So kommt es zu einer schwierigen 37 So wurden durch die kultivierenden Tätigkeiten des Menschen in Europa 60 Prozent der natürlichen Moore vernichtet. (Succow und Joosten 2001 zit. n. Neumann 2005: 1) 35
Zielformulierung
5
Zielformulierung
Diese Arbeit verfolgt das übergeordnete Ziel, Methoden und Potentiale einer nachhaltigen Inwertsetzung der Landschaft in der Oblast Kaliningrad am Beispiel der Moor- und Torflandschaft von Tschernjachowsk aufzuzeigen. Bei erfolgversprechender Entwicklung könnte das im Folgenden aufgezeigte Entwicklungsprogramm38 gegebenenfalls auf andere strukturschwache Gegenden übertragen werden. Vorrangig sind, aufgrund der aufgezeigten sozialen Defizite in den ländlichen Gebieten außerhalb der Hauptstadt Kaliningrad, zunächst die Verbesserung der Lebensqualität und damit einhergehend die Gewährleistung einer verbesserten Grundversorgung in urbanen Kleinzentren anzustreben. Damit sollen Alternativen zur Minimalexistenz durch Subsistenzwirtschaft, zur fehlenden sozialen Absicherung und zur Perspektivlosigkeit geschaffen werden. Um dies zu erreichen, sollten bevorzugt die lokale Ökonomie gestärkt und soziale Bildungs- und Absicherungsnetzwerke ausgebaut werden. Maßnahmen wie die Erzeugung von Nischenprodukten und -technologien und die Schaffung von Produktionskreisläufen mit kurzen Transportwegen können als Initiatoren für eine wirtschaftliche Entwicklung fungieren. Die Entwicklung von Förderprogrammen zum Ausbau und zur Sicherung vielfältiger Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Region steht an vorderer Stelle. Auf Basis örtlicher
38 36
Siehe dazu Kapitel 8.
05
Standortfaktoren und Infrastruktur wie auch nach dem Prinzip „Not macht erfinderisch“ soll eine lokale bzw. regionale Wertschöpfungskette geschaffen werden. Multifunktionale Landnutzungsformen können in Zukunft die Grundlage bilden für Optionenvielfalt und Sicherheit gegenüber Rückschlägen wie z. B. geänderter Marktnachfrage bietet. Damit verknüpft sich die Hoffnung, dass urbane Kleinzentren wie Tschernjachowsk eine starke regionale Ökonomie etablieren, um besser auf demographische Entwicklungen reagieren zu können. Dabei liegt eine wesentliche Aufgabe in der Optimierung der regionalen, dezentralen und nachhaltigen Energieversorgung. Als langfristiges Ziel ist der Export von Nischenprodukten und Technologien anzusehen, um ökonomisch mehr Handlungsspielraum zu gewinnen und den Weg für externe Fördermittel zu ebnen. Dies kann einen Garant für eine Weiterentwicklung des Primären, Sekundären und Tertiären (Dienstleistungs-) Sektors, wie auch für die finanzielle Unterstützung von Projekten des Ressouren-, Natur- und Kulturerbeschutzes sein. Als langfristiges Ziel nimmt der Ressourcen- und Klimaschutz beim Reaktivieren ehemaliger landwirtschaftlicher Flächen eine wichtige Rolle ein. Bei den neuen Kulturformen ist möglichst eine aktive Reduzierung des starken Energie- und Stofftransportes in den Oberflächengewässern anzustreben, um einen kleinen aber wichtigen Beitrag zur Verbesserung der heute oftmals schlechten Wasserqualität der Gewässer zu leisten. Da gerade Moor- und Auenstandorte eine Schlüsselfunktion in der Wasserretention und -filtration einnehmen, gilt es in Zukunft - durch Kenntnis und gezielte Nutzung dieser Funktionen für den Abb. 28:
05
Zielformulierung
Naturschutz - Landschaften mit hoher Biodiversität zu schaffen und dies mit den ökonomischen Aspekten zu verknüpfen. Nicht zu vernachlässigen ist dabei der ästhetische Aspekt der Landschaft. Die Kultivierung der Landschaft (und damit die Transformation von „nutzlosem“ Brachland zu „wertvollem“ Nutzland) sollte bei der Bevölkerung zu mehr Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihrer Landschaft führen.39 Gleichermaßen gilt dies für brachgefallenes Bauerbe, das durch die Belegung mit neuen Funktionen und in Kombination mit einer innovativen regionalen Baukultur zu neuem Wert gelangen und die Landschaft aufwerten kann. Die Nutzbarkeit dieser Landschaft für Naherholung und Tourismus muss daher in alle Überlegungen miteinbezogen und spezifische Merkmale Pflege herausgearbeitet werden. Es wird ein notwendiger Bestandteil für die Realisierung einer Verbesserung der Lebensqualität in der Region sein, „die Bürger zum Bürger-Sein zu erziehen“ (Diskussion mit Dimitry B. Suchin, Juni 2011), also den Bürgern die Verantwortung für ihre direkte Umgebung, architektonisch, landschaftlich, sozial, politisch und wirtschaftlich vor Augen zu führen. Dies kann durch partizipative Integration, internationalen Austausch, sowie Bildungsförderung und Schaffung neuer Arbeitsplätze erfolgen.
Abb. 29:
Landflucht und (urbane)Brache
39 Eine für Freizeitnutzung attraktive Landschaft wäre daher als Grundvoraussetzung für einen in der Bevölkerung verankerten Natur- und Landschaftsschutz anzusehen. 37
38
06
6 Wissenschaftlicher Exkurs: Nutzung von Moorstandorten 6.1 Folgen bisheriger Moornutzungsmethoden 6.1.1 Auswirkungen von konventioneller Nutzung von Moorstandorten Die notwendigen Entwässerungs- und Meliorationsmaßnahmen von Moorstandorten führen zu einer Vielfalt an Problemfeldern mit unterschiedlicher Gewichtigkeit: Der entwässerte Torfkörper verliert seine Funktion als Klimaregulator und Wasserretentionsraum.40 Niederschlagswasser wird daher ohne zeitliche Verzögerung an die Oberflächengewässer abgegeben – es kommt einerseits vermehrt zu Hochwassersituationen mit extremen Pegelständen, andererseits zu Niedrigwasserständen und Wasserdefiziten in Trockenperioden. Besonders stark davon betroffen sind die Regionen und Siedlungen der Niederungen, die in diesem Fall im Talraum des Pregolja liegen. Auch Tschernjachowsk ist durch seine Lage am Zusammenfluss dreier großer Flusssysteme durch die Hochwasser betroffen. Zudem führt der Verlust der Funktion der Wasserfiltration zu einem verstärkten Eintrag freiwerdender Nährstoffe in Grund- und Oberflächenwasser. Eine hohe Belastung der Gewässer stellt bereits heute ein großes Problem bei der Sicherung der Wasserqualität in der Oblast Kaliningrad dar.41
40 Die hohe Verdunstungsleistung des Torfkörpers bewirkt einen Kühleffekt, von dem die Umgebung vor allem in heißen Perioden profitieren kann. 41 „[Moore] halten im Mittel etwa 100 kg Stickstoff je Hektar und Jahr vorwiegend durch Denitrifikation zurück.“ und dienen dadurch der stoffliche Entlastung von Grund- und Oberflächenwässern (Vorpommern Initiative für Paludikultur 2009: 8)
Die Trockenlegung von Torfkörpern führt zu einer raschen Torfzersetzung unter Sauerstoffeinfluss (Mineralisierung)42. Dieser zieht den Verlust der Stoffsenkenfunktion nach sich und hat das Freisetzen der über Jahrhunderte im Torfkörper eingelagerten Treibhausgase (Lachgas, Kohlenstoffdioxid, Methan) zur Folge, was zu einer extrem negativen Stoff- und Klimabilanz der genutzten Standorte führt. So degradiert der Boden bei landwirtschaftlicher Nutzung sehr rasch und sackt wieder in den Bereich des Moor- bzw. Grundwasserspiegels ab, woraufhin erneute Entwässerungsmaßnahmen notwendig werden. Aufgrund einer herabgesetzten Wasserspeicherkapazität wird zudem teilweise eine Bewässerung der Flächen notwendig.43 (Succow & Joosten 2001 zit. n. Ellenberg & Leuschner & Leuschner 2010: 591) Zusätzlich muss zur Ertragssicherung regelmäßig Düngemittel aufgetragen werden. Laut Berechnungen des Landwirtschaftsministeriums von Mecklenburg-Vorpommern sind daher bereits heute eine Vielzahl intensiv genutzter Moor- und Niedermoorflächen wirtschaftlich nicht mehr rentabel.44 Zu diesen Problemen kommt durch Moornutzung eine Vielzahl an ökologischen Nachteilen, wie der Verlust von standorttypischer Artenvielfalt. Die Anzahl an Vegetationsformen und Pflanzenarten hat mit zunehmender Nutzungsintensivierung und Entwässerung abgenommen. (Succow 2001 zit. n. Universität
42 Unter Mineralisierung wird der Abbau der organischen Substanz bis hin zu niedermolekularen Verbindungen wie Kohlendioxid, Methan, Wasser oder mineralischen Salzen verstanden (Scheffer & Schachtschabel 2002). 43 Die Daten sind auf deutsche Moorgebiete bezogen, dürften jedoch vergleichbar sein. 44 Vgl. dazu Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern (2009): 49ff.
Wissenschaftlicher Exkurs
Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 12) So sind viele Tier- und Pflanzenarten, die ihre Vorkommen in Moorund Feuchtgebieten haben, stark in ihrer Existenz bedroht. Zusammenfassend kann man daher sagen, dass auf lange Sicht intensive Bewirtschaftungsformen von Moorstandorten nicht nachhaltig und deren negative Auswirkungen für die Zukunft nicht in vollem Maße abzusehen sind.45 6.1.2 Folgen des Brachfallens auf ehemaligen Moorstandorten Das Brachfallen ehemals intensiv genutzter landwirtschaftlicher Flächen ist bedenklich: Abhängig von sich einstellenden Wasserständen entwickeln sich eu- und polytrophe Röhrichte oder Großseggenreiche Staudenfluren. Im Verlauf der Sukzession gehen diese in Gehölzbestände über. (Ellenberg & Leuschner 2010: 589, Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 8f.) Eine natürliche Rückentwicklung zu Hoch- oder Niedermoorstandorten wird durch die Konkurrenzkraft genannter Arten unterbunden. Aus Klimaschutzgründen stellt das Brachfallen ehemals intensiv landwirtschaftlich genutzter Flächen ohne Rückbau der Entwässerungsanlagen ebenfalls keine Lösung dar, da die CO2-Freisetzung nicht unterbunden wird. (Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde 2005: 1)
45 Degradiertes Hochmoor entwickelt sich je nach zunehmender Nässe zu Moorheide, Pfeifengras-heide oder zu einem reinen Heidestadium. (Ellenberg & Leuschner 2010) 39
Wissenschaftlicher Exkurs
6.2 Paludikultur und naturschutzgerechte Grünlandnutzung auf Moorstandorten bei hohen Grundwasserständen Aufgrund ihrer natürlichen Potentiale nehmen Moore bereits eine bedeutende Rolle in der Diskussion um den Klimawandel ein. Es ist jedoch nötig, möglichst bald die Möglichkeiten neuer Bewirtschaftungsformen im Einklang mit der Landschaft auszunutzen und auch in strukturschwachen Gegenden wie der Oblast Kaliningrad zu etablieren. Als nachhaltige Bewirtschaftungsformen können nur Nutzungen angesehen werden, die auch bei höheren Wasserständen (über 20 cm unter Flur) praktikabel und kostendeckend sind. Die moorreiche Oblast könnte durch das Initiieren von gemeinschaftlichen Projekten, in denen Nutzungsformen der Paludikultur erprobt, erforscht und weiterentwickelt werden, für die gegenwärtige internationale Forschung interessant werden.46 Die vollhumiden Verhältnisse im Gebiet bieten dafür eine begünstigende Ausgangssituation. Unterstützt werden könnten diese neuen Kulturformen durch eine nachhaltige Grünlandnutzung zur Offenhaltung von gering degradierten (vererdeten) Moorböden. Darunter fallen zum Beispiel Bewirtschaftungsverfahren wie einschürige Feuchtwiesennutzung, die Beweidung mit domestizierten Bovidae (z. B. Rinder) in Dauerweidenutzung, sowie temporäre Beweidung mit herkömmlichen Fleischrassen. (Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern 2009: 56) Ein Kerninhalt ist daher die Wiedervernässung der Moorstandorte, wodurch die Freisetzung von Treibhausgasen sowie die Wasserverunreinigung und Biodiversitätsverlust aufgehalten 46 40
Der Begriff „Paludikultur“ wird im Folgenden erläutert.
06
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Wissenschaftlicher Exkurs
werden.47 (Vorpommern Initiative für Paludikultur 2009: 6 und Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern 2009: 74ff.) Neben möglichen Fördermaßnahmen durch Klimazertifikathandel liegt weiteres Potential in der Vielfalt an möglichen Nutzformen: So können moorschonende Nutzungen sowohl zu energetischer und vielfältiger stofflicher Produktion, wie auch zur Herstellung von Nahrungs- und Arzneimitteln genutzt werden. In mehr oder weniger komplexen Produktionskreisläufen werden durch nachhaltige Verarbeitungstechniken bei der Produktion anfallende Nebenprodukte stofflich und energetisch weiterverwertet. Die Nutzungsvielfalt der einzelnen Kulturen kann ein hoch effizientes Produktionssystem ausbilden.
Abb. 30:
Beurteilung der Nutzungsvarianten auf Niedermoor anhand ausgewählter Parameter (++ sehr positiv, + positiv, 0 neutral, - negativ, -- extrem negativ)
werden können. (Vorpommern Initiative für Paludikultur 2009: 3) Die landwirtschaftliche Kulturform „Paludikultur“ baut auf dem Prinzip der Nutzung vernässter Standorte auf: „[Bei] Paludikultur („palus“ – lat. „Sumpf, Morast“) […] [handelt es sich um] die nasse Bewirtschaftung von Mooren. Sie schließt traditionelle Verfahren der Moorbewirtschaftung (Rohrmahd, Streunutzung) ein, beinhaltet aber auch neue Verfahren wie die energetische Verwertung von Moor-Biomasse. Dabei ist der Torferhalt oberstes Ziel. In vielen Fällen kommt es sogar zu Torfneubildung wie z. B. bei Schilfnutzung, bei der die oberirdische Biomasse abgeschöpft wird und die für
die Torfbildung gebrauchte unterirdische Biomasse neuen Torf akkumuliert.“ (Vorpommern Initiative für Paludikultur 2009: 5) Sie ist „als nasse Nutzung degradierter Moore klimaund umweltentlastend, erzeugt nachwachsende Rohstoffe ohne Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und schafft Einkommensalternativen für strukturschwache Räume.“ (Vorpommern Initiative für Paludikultur 2010: Paludikultur) Aufgrund dieser Grundlagen bestünde in Zukunft die Möglichkeit, dass neben natürlichen Mooren auch moorschonende Nutzungen im Handel mit Kohlenstoffzertifikaten eine wichtige Rolle einnehmen und zu einer effizienten Investitionsmöglichkeit
Zusammen mit der nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion stellen Paludikulturen eine sehr kostenextensive Maßnahme des Klima-, Gewässer- und Naturschutzes dar. So kann durch die Nutzung der Filterwirkung bestimmter Pflanzenarten aktiv die Wasserqualität verbessert werden.48 Die Ausnutzung der natürlichen Wasserspeicher-Funktion kann ein Beitrag zum Hochwasserschutz und zur Verhinderung eines stetigen Absinkens des Grundwasserspiegels leisten. Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern bilanziert nachhaltigen Bewirtschaftungsformen nasser Standorte„[…] perspektivisch das größte Potential […], [um] Moor- und Klimaschutz mit ökonomischer Wertschöpfung zu verbinden […].“ (2009: 56) 47 Diese Annahme geht von einer erfolgreichen künftige Zertifizierung von Mooren und moorschonenden Nutzungen aus. 48 Beispielsweise können auf vernässten Niedermooren durch die nährstoffentziehende Eigenschaft von Schilf kommunale Abwässer gereinigt werden. Die Phytomasse Pflanzen kann zusätzlich energetisch oder stofflich verwertet werden. 41
Wissenschaftlicher Exkurs
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6.2.1
Vorraussetzungen Wiedervernässung
Das Ziel der Wiedervernässung liegt zu allererst in der Wiederherstellung des mooreigenen Wasserhaushalts. Dieser bietet die Vorraussetzungen für die Ökosysteme Hoch- und Niedermoor und deren spezifische Vegetation49, sowie für die Nutzung durch nachhaltige Bewirtschaftungsformen nasser Standorte. Die Grundlagen hierfür können durch Verfüllung oder Grabenanstau der Entwässerungssysteme gelegt werden. So kann eine weitere Entwässerung unterbunden werden und mit Niederschlagswasser ein direktes Anheben des Moorwasserspiegels erreicht werden. Bei stark entwässerten Flächen wie intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen und stark degradierten Moorböden wird jedoch eine zusätzliche externe Wasserzufuhr notwendig, um ganzjährigen Überstau z. B. durch Überrieselung zu gewährleisten. Diese notwendige Vorgehensweise geht auf die geringe Wasserleitfähigkeit der stark gesackten und entwässerten Torfkörper zurück, durch die eine tiefreichende Vernässung des gesamten Torfkörpers verhindert wird. (Ellenberg & Leuschner: 593ff.) 6.2.2 Vorraussetzungen Hoch- und Niedermoor-Renaturierung Abb. 31: Landschaftsbilder der verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten durch Paludikultur auf Moorstandorten
Eine gängige Methode zur Restitution von Hochmoorvegetation ist die Ausweisung von Handtorfstichen (bzw. geschlossenen Stichsysteme im Klumpentorfverfahren). Dabei muss bis in den Moor- oder Grundwasserspiegel hinein ausgebaggert werden, 49 Für Hochmoore charakteristischen Sphagnum-Arten können ihren Wasserverlust nicht kontrollieren. Wiederansiedelung und Wachstum kann daher nur unter Bult- und Schlenken-Bedingungen mit einer dauerhaft gesicherten Wasserverfügbarkeit erfolgen. (Hayward & Clymo 1982 zit. n. Gaudig 2002: 229f.)
42
damit eine Überstauung von ca. 20 bis 30 cm erreicht werden kann. (Pfadenhauer 1997: 345) Durch das Abbaggern des Torfkörpers in den Moor- oder Grundwasserspiegel hinein und das Abschirmen der einzelnen Abbauflächen durch Torfrücken wird eine Überstauung möglich. Dieses Verfahren simuliert das Handtorfstichverfahren und fördert bei zusätzlicher Pflanzung von Rhizomstücken von Pionier-Phanerogamen, wie Carex rostrata die Etablierung von schnellwüchsigen Torfmoosen.50 Um eine optimale Wasserretention und -ausnutzung zu gewährleisten, sollten die überstauten Felder in Anlehnung an die Topographie (des Torfkörpers) terrassiert angelegt werden. Hierbei wird die abgetragene Bunkerde als Matrix in den Torfstich eingebracht.51 Generell ist jedoch darauf zu achten, dass ein Minimum von ca. einem halben Meter der wasserrückstauenden Schicht aus Schwarztorf bestehen bleibt, um eine Entwässerung über die oftmals unter dem Moorkörper befindlichen Sandschichten zu verhindern. Beim Überstau mit externer Wasserzufuhr ist (je nach Zielformulierung) auf den Nährstoffgehalt zu achten: So hat diese für eine erfolgreiche Renaturierung – im Sinne einer Wiederherstellung der Lebensräume Hoch- und Niedermoor – nur durch nährstoffarmes Wasser zu erfolgen. Das Zuleiten von nährstoffreichem Wasser führt zu einer (weiteren) Eutrophierung, 50 Carex rostrata ist in Hochmooren besonders geeignet, da sie relativ schnell dichte Bestände bildet und in ihrem Halbschatten den Aufwuchs von Torfmoosen fördert. Bei rein ombrogenen Verhältnissen, von denen im Angermoor auszugehen kann eine zusätzliche PK-Startdüngung zur Etablierung der Sphagnen notwendig sein (Sliva 1997 zit. n. Pfadenhauer 1997: 345) 51 Bunkerde ist die oberste Weißtorfschicht, bestehend aus schwach zersetzten Sphagnum-Torf. Sie wird zu Beginn des Torfabbaus abgeräumt, kann auf der Wasseroberfläche aufschwimmen und bildet als „persistente Diasporenbank“ unverzichtbare Grundvoraussetzungen für eine Wiederansiedlung von Torfmoosen. (Schouwenaars 1982; Poschlod & Pfadenhauer 1989 zit. n. Pfadenhauer 1997: 314) Forschungen haben ergeben, dass Sphagnum-Reste auch nach über 30 Jahren wieder austreiben können. (Ellenberg & Leuschner 2010: 593f.)
06
Wissenschaftlicher Exkurs
welche das Einwandern eutraphenter Röhrichtarten begünstigt. Daher ist im Umgriff eines Renaturierungsprojektes auf eine düngungsfreie Pufferzone zu angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen und im Bereich des Grundwasserbildungsgebiets zu achten. Auf vormals intensiv genutzten Niedermoorstandorten ist eine Wiedervernässung und Renaturierung schwieriger zu erreichen. So ist eine Verarmung meist nur durch einen Abraum des Oberbodens52 und eine anschließende Nährstoffverringerung (Phosphat-Aushagerung) durch Heu- bzw. Biomassegewinnung zu erreichen. (Ellenberg & Leuschner: 593ff.) 6.2.3
Vorraussetzungen Paludikultur
Während für eine moorschonende Nutzung die Anforderungen nicht so hoch liegen, ist für eine Reduktion der Klimagasemissionen eine Vernässung und damit ein „mehr oder weniger starker Eingriff in den Wasserhaushalt des Standortes [nötig].“ (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. (2008): 10)53 Zudem basiert jegliche Bewirtschaftung auf einer Offenhaltung der Landschaftsräume. So kann eine Sukzession zu Grauweidengebüschen und Wäldern verhindert werden. Diese Vegetationsformen würden eine größere Wasserversorgung benötigen und den Torfschwund beschleunigen. (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. (2008): 10) Nasse Standorte erfordern zudem an die Standortbedingungen angepasste Spezialtechnik, damit der Boden bzw. die Vegetationsschicht nicht geschädigt wird.
Abb. 32:
Sommer- und Wintermahdflächen auf der Insel Schadefähre (Unteres Peeneta)
52 Dieser führt zu einer Verringerung des Stickstoffvorrats und zieht ein kleinteiliges Standortmosaik nach sich. 53 Hierbei sind für die verschiedenen Alternativen unterschiedliche Zielgrundwasserstände notwendig. Vgl. dazu Abbildung 85 im Anhang. 43
44
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Wissenschaftlicher Exkurs
6.2.4
Formen
Im Folgenden werden die bisher gängigsten Formen nachhaltiger Nutzformen auf Nassstandorten porträtiert. Eine schematische Skizze soll dabei die Vielfalt der möglichen Verwertbarkeit des jeweiligen Ausgangsrohstoffes aufzeigen. Sie erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 6.2.4.1 Röhrichte und Riede (Schilf, Rohrkolben, Seggen) als Streu, Zellulose, Biomasse, Dämmmaterialien „Sowohl eine aktive Nutzungsumstellung auf den gezielten Anbau solcher Röhrichte als auch die Nutzung von sich in natürlicher Sukzession entwickelnder Dominanzbestände ermöglicht eine standortgerechte Bewirtschaftung dieser nassen Flächen“ (Wichtmann & Schäfer 2004). Die als Dauerkulturen angelegten Bestände bieten die Möglichkeit der stofflichen (z. B. traditionell und heimatverbunden als Schilf für Reetdächer) oder energetischen (thermischen) Verwertung. Versuche zu den Potentialen der Biomassenutzung und Rentabilität von Schilfanbau auf Niedermoor werden an der Universität Greifswald seit über 10 Jahren durchgeführt. Neben Röhrichten kann auch die erntbare Biomasse von Großseggen in wieder vernässten Niedermooren als Energierohstoff Verwendung finden. Hierzu ist sowohl eine Etablierung sukzessive, als auch eine aktive Etablierung möglich. (Roth et al. 2001, Timmermann 1999 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 8f.)
Abb. 33:
Verwertungsmöglichkeiten Röhrichte und Riede 45
Wissenschaftlicher Exkurs
Schilfröhrichte Schilf (Phragmites australis) bildet natürliche stabile Bestände und ist in der Lage hohe Biomasseproduktion zu betreiben. Neben der Reet-Gewinnung zur Dachdeckung und anderen stofflichen Verwertungsoptionen kommt die energetische Verwertung der Röhrichtbiomasse in Frage. „Im Winter gemähtes Schilf kann bei Wassergehalten um 15 % direkt verbrannt werden“ (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. (2008): 8). Wasserhaushalt Schilf weist ein relativ breites Verträglichkeitsspektrum gegenüber dem Wasserstand auf. Im Sommer liegt der minimale Grenzwert bei einem Wasserstand von ca. 120 cm unter Flur, im Winter bei 35 cm. In den Wintermonaten gibt es eine Nässetoleranz bis zu einer Überstauung von 150 cm über Flur. Jedoch ist erst ab einem Nässegrad von Wasserstufe 4+ eine umweltverträgliche Nutzung mit Torfbildung oder Torferhaltung möglich. (Timmermann 2003 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 22) Für optimale Wuchsbedingungen benötigen die Schilfröhrichten nährstoffreiche Oberflächenwasser bzw. Böden. Treibhausgas-Emission Trotz hoher Methan-Ausgasung54 durch Schilfröhrichte ist bei der Umstellung eines Niedermoorstandortes von intensiver, entwässerter Bewirtschaftung auf nasse Schilfwirtschaft von einer deutlichen Reduktion der Emission von Klimagasen auszugehen. Einen Beitrag dazu leistet die mögliche Torfakkumulation, durch die der Standort als Stoffsenke fungiert. (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 23) 54 46
Vgl. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. (2008): 23
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Naturschutz Im natürlichen Vorkommen sind Schilfröhrichte als Biotope geschützt, da sie Lebensraum für unterschiedliche, mehr oder weniger stark bedrohte Arten wie Rohrdommel, Schilf-, Teich-, Seggenrohrsänger bieten. Außerdem bieten sie weiteren Säugetierarten Nahrungsrevier und Rückzugsgebiete.55 (OAMV 2001 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 22f.) Aufgrund negativer Folgen für verschiedene Arten durch die Ernte müssen Artenschutzaspekte bei einer Nutzung von Röhrichten berücksichtigt werden. Zusätzlich sind Teilflächen des Gebiets möglichst von der Nutzung auszulassen. (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 22f.) Andererseits gibt es auch Beispiele, bei denen gerade die Kultivierung der Röhrichte sich positiv auf den Naturschutz auswirkt. So fördert die kommerzielle Reetgewinnung in Nordwestpolen den Schutz des Seggenrohrsängers durch den Erhalt seiner Bruthabitate.56 (Tanneberger et al. 2008 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 22f.)
Abb. 34:
Röhricht-Vollernter
Abb. 35:
Drahtgebundene Reet-Dämmplatten
Wirtschaftlichkeit Die Wirtschaftlichkeit der Biomassemasseproduktion aus nassen Mooren hängt von den erzielbaren Biomasseerträgen und von der Effizienz der einsetzbaren Technik ab. „Schäfer (1999) führte Berechnungen durch, die auf Erhebungen bei Reetwerbern im Peenetal basierten. Die Ergebnisse […] zeigen auch unter Berücksichtigung der
55 Darunter befinden sich Rothirsch, Wildschwein, Fischotter, Iltis, Waschbär, Fledermausarten, Zwergmaus etc. . 56 Dieser brütet nahezu ausschließlich in niedrigen Schilfröhrichten.
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Anpflanzungskosten und Investitionen in die Erntetechnik […] die Möglichkeit der Erzielung von Gewinnen.“ (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 24) Für die Verwertung der Biomasse im energetischen Bereich oder als Rohstoff z. B. für Dämmstoffe zeichnet sich ab, „dass sich die Bereitstellung von Schilfbiomasse […] ohne Förderung auf der Schwelle der Wirtschaftlichkeit befindet.57 Sind Direktzahlungen auch für Schilfflächen generierbar, wird das Verfahren attraktiver gegenüber anderen Grünlandnutzungen.“ (ebd.: 24f.)
Rohrkolbenröhrichte
Abb. 36:
Reet-Lagerung
Der Anbau von Rohrkolben (Typha latifolia und Typha angustifolia) wurde von der TU München überprüft. Ihre Kultivierung von Rohrkolben erfordert jedoch aufgrund einer langsameren natürlichen Entwicklung hin zu dichten Beständen eine gezielte Pflanzung. Bei der Verwertung des Rohrkolbens wird das Hauptaugenmerk auf die Produktion von Dämmstoffen aus den Rohrkolbenblättern gelegt. (Wild et al. 2001 & Schätzl et al. 2006 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 8f.) Wasserhaushalt Für eine Entwicklungsförderung muss eine Wasserüberstauung zwischen 10 und 40 cm mit hohem Nährstoffreichtum und kostantem Wasserdurchfluss bestehen. (Schätzl et al. 2006 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 25).
Abb. 37:
Reet als Dachdeckung
57 Berücksichtigt wurde hierbei derzeitig möglichen Preise für halmgutartige Bioenergieträger von 40 € je Tonne Trockensubstanz.
Wissenschaftlicher Exkurs
Naturschutz Rohrkolben bilden unter Kulturbedingungen und jährlicher Ernte Reinbestände aus. Aus vegetationskundlicher Sicht sind sie daher wenig relevant. In der Fauna begünstigen sie jedoch eine Artenzunahme, z. B. von Vögeln, Amphibien und Libellen, etc. gegenüber der vorherigen, intensiven Nutzung. (Pfadenhauer et al. 2001 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 26). Treibhausgas-Emission Überflutete Rohrkolbenröhrichte wirken ähnlich wie Schilfröhrichte als „deutliche Methanquellen“ unterschiedlicher Intensität. Degradierte Moorstandorte weisen im Vergleich dazu jedoch eine um das vielfache höhere atmosphärische Belastung durch Lachgas-Ausgasung auf. (Kamp et al. 1999, Wild et al. 2001, Wild et al. 2002 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 25) Die dauerhafte Überstauung bewirkt einen Stopp des Torfabbaus. Fehlende Nachweise von Typha in analysierten Moorsubstraten lassen jedoch die Annahme zu, dass Typha nicht torfbildend wirkt. (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 25) Wirtschaftlichkeit Am Anfang einer Nutzungsumstellung auf Rohrkolben-Röhrichte ist mit relativ hohen Startkosten zu rechnen, die je nach Geländebeschaffenheit und den notwendigen Maßnahmen vor Beginn der Pflanzung variieren. So können Planierungsarbeiten, Dammaufschüttungen, sowie Wasserzu- und Ableitungen erforderlich sein. Zusätzlich sind jährliche mehr oder weniger hohe Pflege-, Ernteund Nutzungskosten notwenig. 47
Wissenschaftlicher Exkurs
Um sämtliche Kosten langfristig gewinnbringend umlegen zu können, müssen entsprechend hohe Abnahmepreise für Rohrkolbenblätter durch die Dämmstoffindustrie gezahlt werden. Daher ist besonders bei dieser Wirtschaftsform eine langfristig gesicherte Nachfrage für die Rentabilität ausschlaggebend (Schätzl et al. 2006 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 26).
6.2.4.2 Erlenwertholz auf Niedermoor Untersuchungen im ALNUS-Projekt der Universität Greifswald konstatieren wiedervernässten, nährstoffreichen Niedermoorstandorten gute Wachstumsbedingungen für Schwarzerlen (Alnus glutinosa) zur Gewinnung von hochwertigem Furnier- und Stammholz. Wasserhaushalt Da die Erle Luft an der Stammbasis aufnimmt und so die Wurzeln mit dieser versorgt, kann sie trotz hoher Nässe ausgedehnt und tief wurzeln. Darin liegt jedoch auch ihre Empfindlichkeit gegenüber lang anhaltenden und hohen Überflutungen in der Vegetationsperiode begründet. (Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde 2005: 3) Der Wasserhaushalt nimmt daher die entscheidende Rolle ein: Für optimale Wuchsbedingungen sind daher nährstoffreiche, feuchte bis mäßig feuchte Standorte der Wasserstufen 3+ bis 2+ notwendig. Auf halbnassen Standorten ist gutes Erlenwachstum nur bei durchziehendem Grundwasser (insbesondere auf Quellmoorstandorten) möglich. Andernfalls ist es durch geringe Erträge von Wertholz wirtschaftlich nicht rentabel. Auf nassen Standorten (Wasserstufe 5+) mit langanhaltenden 48
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ganzjährigen Überstauungen genügen die Zuwachsleistungen nicht mehr den Standards für Wertholzanbau. (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 26f.)58 Naturschutz Aufgrund ihrer geringen Verbreitung sind natürliche Erlenwälder (Erlen-Eschen-Wälder) wie auch deren Kulturformen aus der Sicht des Arten- und Biotopschutzes deutlich wertvoller anzusehen, als genutzte oder auch ungenutzte entwässerte Moorflächen.59 Für störungsempfindliche Arten wie Kranich, Schreiadler oder Schwarzstorch könnte durch die Kultivierung von Erlenwertholzanbau in Moorniederungen Lebensraum entwickelt werden, da die Bewirtschaftung zudem nicht in der Brutzeit geschieht. (ebd.: 27) Treibhausgas-Emission Erlenanbau auf feuchten bis mäßig feuchten Standorten hat Emissionen klimarelevanter Treibhausgase durch Torfmineralisation zur Folge. Diese entsprechen ungefähr der Größenordnung von Grasland-Niedermoorstandorten. Dem gegenüber steht aber die temporäre Kohlenstoff-Festsetzung in Erlenwäldern.
58 Jedoch können durch rabattenähnliche Kulturen bzw. durch kostengünstiges Auffräsen erhöhter Pflanzstreifen gute Wuchsbedingungen bei hohen Grundwasserständen bzw. langen in die Vegetationsperiode hineinreichende Vernässungsperioden erreicht werden. (Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde 2005: 42f.) 59 Dies stützt sich auf der Annahme, dass wiedervernässte Erlenforste wie natürliche Erlenwälder gleichermaßen Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten bieten.
Abb. 38:
Erlenwald
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Bei halbnassen Standorten (Wasserstufe 4+) werden geringfügige Mengen an CO2 freigesetzt, ein Erhalt der Torfkörper kann jedoch weitgehend gewährleistet werden.60 (ebd.: 27f.) Wirtschaftlichkeit Die Wirtschaftlichkeit der Wertholzbestände über einen Wachstumszeitraum von ca. 65 Jahren bis zur Ernte ist stark abhängig von den Standortverhältnissen, von der Gunst der Standortverhältnisse, möglichen Subventionen, der aufgewendeten waldbaulichen Pflege (Durchforstungen, etc.), sowie vom Absatzanteil von Furnier, welches bei entsprechender Qualität hohe Einnahmen verspricht.61 Ein weiterer Absatzmarkt für Erlenmassivhölzer liegt im Wasserbau (aufgrund ausgezeichneter Haltbarkeit unter Wasser) sowie in der Möbelherstellung. (Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde 2005: 8) Durch energetische Nutzung von minderwertigem Holz aus Durchforstungen eröffnet sich eine zusätzliche Möglichkeit, die Rentabilität zu verbessern. (Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde 2005: 15ff.)
Abb. 39:
Verwertungsmöglichkeiten Erlenforst
60 Auf Nassstandorten der Kategorie 5+ oder höher kann der Torfkörper erhalten werden. 61 Durch Beizung lässt sich dieses veredeln und als Tropenholz-Imitat verwenden. (Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde 2005: 8) 49
Wissenschaftlicher Exkurs
6.2.4.3 Weitere Nutzungen
Anbau von Amerikanischer Heidelbeere (Vaccinium corymbosum) und Großfruchtiger Moosbeere (Cranberry) (Vaccinium macrocarpon) Naturschutz Der Anbau der als Neophyten zu bezeichnenden KulturHeidelbeere wird als problematisch betrachtet, da die Gefahr der Ausbreitung in andere Moorgebiete besteht. (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 29f.) Treibhausgas-Emission Durch intensive Überstauung und eine große Wasserstandsdynamik sind hohe Torfmineralisierungsraten zu erwarten, weshalb von sehr hohen Treibhausgasemissionen (v.a. von Methan) auszugehen ist. (ebd.) Wirtschaftlichkeit Hohe Anfangsinvestitionen vor allem für die Regulierfähigkeit des Wasserstandes, sowie kostenintensive Erntemethoden62 führen dazu, dass erst nach über zehn Jahren Gewinne erzielt werden können. „Eine pessimistische Berechnungsvariante mit […] einer Lebensdauer der Anlage von 20 Jahren kommt zu dem Ergebnis, dass unter diesen Bedingungen kein rentabler Heidelbeeranbau möglich ist. Grundvoraussetzung für die Wirtschaftlichkeit dieser Spezialkultur ist ein geeigneter Standort und entsprechendes Management“ (Görges & Entrup 2000 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 29f.) 62 50
Vgl. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 29f.
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Torfmoos-Anbau Anlässlich des stetigen Raubbaus an noch vorhandenen Hochmoorkörpern aufgrund der gärtnerisch genutzten Weißtorfvorräte wird aktuell an der Universität Greifswald die Möglichkeit der Kultivierung von Torfmoos-Frischmasse geforscht.63 Diese wird als potentielle nachhaltige und sinnvolle Lösung zum Schutz noch intakter Hochmoore vor der wirtschaftlichen Ausbeutung angesehen. (Gaudig 2002: 227) Eine Kultivierung von Torf entfällt aufgrund minimaler Wachstumsraten. Als für die Kultivierung von Torfmoosen geeignete Flächen werden Teile von Seen von Bergbaufolgelandschaften, abgetorfte oder als extensives Grünland genutzte Hochmoore angeführt. (ebd. 2002: 236)
Abb. 40:
Torfmoose
Abb. 41:
Torfmoos-Ernter
Wasserhaushalt Torfmoose haben keine Kontrolle über ihren Wasserhaushalt und sind daher gegenüber Trockenheit tolerant. (Clymo 1973 und Hayward & Clymo 1982 zit. n. Gaudig 2002: 229f.) Ihr Wachstum hängt daher von einem ganzjährig ausgeglichen, hohen Wasserstand ab. Die Anforderungen entsprechen in etwa denen unter „Methode zur Restitution der Hochmoorvegetation“ angeführten. (Kapitel 6.2.2)
63 Bislang fehlen Alternativen für Weißtorf als Rohstoff im Gartenbau, die die gleichen Eigenschaften aufweisen. (Gaudig 2002: 227) Bereits heute werden größere Mengen lebender Torfmoose in Nord- und Südamerika, Neuseeland, Australien und China geerntet, die sich nicht nur zu Kultursubstraten (z. B. für Orchideen- und Bromelien- Zucht), sondern auch als Dämmstoffe u.a.m. verarbeiten lassen. (ebd. 2002: 236)
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Naturschutz und Treibhausgas-Emission Da diese Form der Paludikultur vor allem als Nachnutzung bzw. Revitalisierung für stark gestörte bzw. zerstörte Lebensräume vorgesehen ist, die eine extrem negative Klimabilanz aufgrund rascher Torfzersetzung aufweisen, ist von der Entwicklung eines hochmoorähnlichen Lebensraumes auszugehen. Dieser wird jedoch durch den Erntevorgang von Teilen der bodennahen Sphagnen zumindest temporär gestört werden. Daher sind anlehnend an die Röhrichtnutzung Teilflächen von der Aberntung auszulassen. Die Notwendigkeit, bei der Produktion die Torfzersetzung zu unterbinden (und die darauf ausgerichteten Bewirtschaftungs- und Meliorationsweisen) zieht außerdem eine Verringerung klimarelevanter Emissionen nach sich. (Universität Greifswald 2011: Torfmoos als nachwachsender Rohstoff) Wirtschaftlichkeit Kalkulationen zur Wirtschaftlichkeit liegen bisher noch nicht vor. (Universität Greifswald 2011: Torfmoos als nachwachsender Rohstoff)
Abb. 42:
Verwertungsmöglichkeiten Torfmoos 51
Wissenschaftlicher Exkurs
6.2.4.4 Arznei- und Aroma-Pflanzen Zu den bisher aufgeführten Nutzungen gehört auch die erfolgversprechende, umweltfreundliche Kultivierung und Verarbeitung von Arzneipflanzen, für die an dieser Stelle beispielhaft zwei herausgegriffen werden. Der Fieberklee (Menyanthes trifoliata) und das Duftende Mariengras (Hierochloe odorata), das ebenfalls seine natürlichen Vorkommen in Bruchwäldern, nassen Staudenfluren und Nass- und Riedwiesen hat. (Bayerisches Landesamt für Umweltschutz 2003: 151) Das Gras wird aufgrund seines Waldmeister-Aromas zur Herstellung von Parfums, zur Aromatisierung von Tabak, als Räucherwerk sowie zur Veredelung von Wodka (Büffelgras-Wodka) verwendet. Eine Nutzung zur Aromatisierung von Erfrischungsgetränken ist ebenfalls denkbar. (Vorpommern Initiative für Paludikultur 2009: 13)
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Die Produktionskosten dürften um ein Vielfaches unter den Vermarktungspreisen liegen und daher die zuvor genannten Kulturen als Nebenerwerbsform erweitern.
Abb. 43:
Fieberklee
Abb. 44:
Duftendes Mariengras
Naturschutz Viele Arten, deren natürliches Vorkommen auf Feuchtstandorten, Hoch- und Niedermooren liegt, sind gefährdet. Ein gezielter, kleinflächiger Anbau zur Herstellung von regionalen Genussmitteln oder Arzneien dürfte daher im Sinne einer höheren Artenvielfalt durchaus erstrebenswert sein. Wirtschaftlichkeit Die Möglichkeit, standorttypische Aroma- und Arzneipflanzen zur Produktion von Genussmitteln, zur Veredelung regionaler Produkte oder zu medizinischen Zwecken zu nutzen, dürfte ein großes Wertschöpfungspotential bieten.
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Abb. 45:
Wissenschaftlicher Exkurs
Verwertungsmöglichkeiten Duftendes Mariengras 53
Wissenschaftlicher Exkurs
6.2.4.5 Extensive Beweidung durch resistente und leichte Rassen Wasserhaushalt Für extensiv als Weide genutze Niedermoorflächen ist artenabhängig ein Grundwasserstand zwischen 20 und 60 cm unter Flur notwendig. (Scholz und Hennings 1995 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 19f.) Natur- und Artenschutz Die Nutzung von ursprünglicheren, resistenteren und leichteren Rassen kann als Ausweg aus der Verdrängungszucht in der Landwirtschaft gesehen werden. Zudem verursachen leichtere Rassen auf labilen (Moor-)Standorten geringere Trittschäden an der Vegetation. Zusätzlich ist die positive Wirkung extensiver Nutzung zur Steigerung von Strukturdiversität im Aufwuchs zu erwähnen, die z. B. aufgrund selektiven Fraßverhaltens bei der Beweidung entsteht. Eine Ansiedlung standorttypischer Fauna wird dadurch ermöglicht. (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 19f.) Eine partielle Verdichtung von Standweiden kann jedoch zu artreichen, krautreichen und bodendichten Wiesen führen.64 Treibhausgas-Emissionen Die Emissionen wiedervernässter, extensiv beweideter Flächen befinden sich unter den Vergleichswerten von intensiver Grünlandnutzung. Torfverluste durch Mineralisierung sind ab einem Grundwasserstand unter 20 cm unter Flur festzustellen. Diese sind jedoch ebenfalls im Vergleich zu intensiver Nutzung reduziert. (ebd.: 20) 64 Zum Einsatz des Heckrindes in der Landschaftspflege gibt es in Deutschland verschiedenste Beweidungsprojekte des Naturschutzes. (Bund Naturschutz 2011: Heckrind) 54
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Wirtschaftlichkeit Im Vergleich zu intensiver Tierhaltung ist die extensive Haltung resistenter Rassen ganzjährig auf einer Standweide kostenextensiv und verlangt erheblich niedrigeren Arbeitseinsatz.65 So ist eine „zusätzliche Betätigung u.a. in einem handwerklichen Bereich […] [möglich], ohne dass 60 und mehr Arbeitsstunden pro Woche anfallen.“ (Verein zur Förderung des Auerochsen 2011) Ein weiterer Vorteil gegenüber der intensiven Viehhaltung liegt darin begründet, dass Grenzertragsland in die Bewirtschaftung mit einbezogen werden kann. Zudem entsteht die Chance, die Exklusivität seltener Rassen unter Berücksichtigung von Marktnischen zur Vermarktung von Folgeprodukten (Fleisch, Wurst, Käse, Milch, etc.) zu nutzen. Dadurch können gegebenenfalls höhere Anschaffungspreise ausgeglichen werden und die „Regionalprodukte“ zu höheren Marktpreisen vertrieben werden.
Abb. 46:
Heckrind
Abb. 47:
Schaf
Heckrind (Bos Primigenius Heck) Bei dem Heckrind handelt es sich um eine widerstandsfähige Rückzüchtung des ausgestorbenen Auerochsen (der Urform aller Hausrinderrassen). Jener wurde vor über 300 Jahren durch den Menschen ausgerottet. Die letzten Exemplare sollen in den Wäldern von Masowien in direkter Nachbarschaft der heutigen Oblast zu finden gewesen sein. (Aueroxen.de 2011)
65 Stetige Expansion der Betriebsgröße mit Massentierhaltung und hochgezüchteten, ertragreiche Rassen erfordert eine sehr kosten- und pflegeintensive Haltung, da diese krankheitsanfälliger sind und kürzere Lebenserwartungen haben. Zudem kann auf bauliche Investitionen und den Zukauf von Kraftfutter verzichtet werden
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Wissenschaftlicher Exkurs
Im Vergleich zu Hausrindern heutiger Nutzung haben Heckenrinder eine geringere Größe und ein geringeres Gewicht. Sie werden jedoch auch beträchtlich älter und sind fruchtbarer als Zuchtrassen.66 Sie sind anspruchslose Vegetarier, deren Nahrung sich vor allem aus Süß- und Sauergräsern sowie Gehölzen bis etwa Daumendicke zusammensetzt. (Aueroxen.de 2011, Bund Naturschutz 2011: Heckrind) Ein langes, dichtes Winterfell bietet dem Heckrind Schutz bis zu unter - 25° C und macht es daher auch zu einem geeigneten Nutztier in den langen und kalten Wintern der Oblast Kaliningrad. So gibt es selbst bei Kälbern, die bei Minustemperaturen im Freien geboren wurden keine Nachteile bei der Entwicklung. Für die ganzjährige Haltung im Freien sollte jedoch natürlicher Witterungsschutz (z. B. Jung- oder Mischwald und Hecken) und ganzjährig wirksame Unterstände (vorzugsweise Fichten und Tannen) zum Schutz vor Schneefall oder Regen vorhanden sein. Im Nachbarland Lettland werden die Heckrinder bereits erfolgreich zur ganzjährigen Beweidung und Pflege von Landschaftsschutz- und Naturschutzgebieten eingesetzt. (Aueroxen.de 2011) Schaf Zur Erweiterung des Produktspektrums in der Oblast Kaliningrad wird zusätzlich zur Verwendung von Heckrindern die Beweidung durch Schafe oder Heidschnucken vorgeschlagen.
66 Heckrinder werden bis zu 20 Jahre alt und haben bis zu 18 oder mehr Kalbungen. Im Vergleich dazu beträgt das Durchschnittsalter einer normalen Milchkuh nur 5,5 Jahre. Sie hat zwei bis drei Kalbungen. 55
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6.3 Fazit: Nachhaltige Nutzung von Nass- und Moorstandorten „Es bleibt festzuhalten, dass ein deutlicher Beitrag zur Reduzierung der negativen Klimawirkungen von entwässerten Mooren durch eine Wiedervernässung der Moore mit anschließender nasser Bewirtschaftung („Paludikultur“) oder Naturentwicklung ohne Bewirtschaftung geleistet werden kann. Aus naturschutzfachlicher Sicht entstehen eindrucksvolle, neue Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten mit hohem Naturschutzwert. Darüberhinaus können beachtliche Biomasseerträge erzielt werden. Eine Aufwertung ist in jedem Fall gegenüber der intensiven Grünlandwirtschaft oder dem Ackerbau auf entwässerten Mooren erreicht.“ (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008:: 51)
Wissenschaftlicher Exkurs
Für den Torfmoosanbau fehlen zum jetzigen Zeitpunkt noch großflächige Feldversuche. Ackerbauliche Nutzung und die Erzeugung von Beerenobst sind aus ökonomischer Sicht am ertragsreichsten, jedoch sind die ökologischen Auswirkungen deutlich negativer Art.67 Fördermöglichkeiten in Form von Klimazertifikaten oder anderen Klimaanleihen68 würden die Wirtschaftlichkeit von Paludikulturen verbessern.
Eine präzise Formulierung der Klimawirksamkeit aller genannten Nutzungen kann nur unter genauer Kenntnis der örtlichen Standort- und Nutzungsbedingungen in der Oblast Kaliningrad erreicht werden. Nur mit den nasseren Formen des Röhricht-, Seggen- und Erlenanbaus kann die aktive Festsetzung von Treibhausgasen (in Form einer Stoffsenke) erreicht werden. Zudem stellen auch die halbnassen Produktionsweisen sowie die extensive Beweidung (auf ganzjähriger Standweide) eine Verbesserung der Klimabilanz gegenüber (ehemals) intensiv genutztem Dauergrünland oder Ackerbau dar. (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 31ff.)
Abb. 48:
Kultivierte Niedermoorstandorte
67 „Die notwendigen Eingriffe in den Standort sind noch intensiver als bei Ackerkulten auf Mooren. Aus diesem Grund sollte der Anbau von Cranberries und Heidelbeeren für Niedermoore nicht in Erwägung gezogen werden.“ (Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008: 36) 68 Vgl. Konzept „Mooranleihe“ im Moorschutzkonzept MecklenburgVorpommern (Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern 2009: 74f.) 57
Wahl der Bewirtschaftungsformen
7 Wahl der Bewirtschaftungsformen für die Oblast Kaliningrad 7.1 Kriterien zur Wahl der Bewirtschaftungsformen Ist eine Indizierung der verwendeten Kulturform auch mit geringeren finanziellen und materiellen Mitteln (z. B. im kleineren Ausmaß oder durch Vielfalt möglicher Ernteeinbringung) möglich? Inwieweit ist hierfür externe Betreuung durch Spezialisten notwendig? Röhrichte und Riede Die Ernte von Röhrichten und Rieden erfolgt aufgrund der hohen Gefahr der Oberbodenschädigung durch Spezialgeräte, wie z. B. Vollernter aus in Eigenleistung umgebauten Schneepistenraupen. Andere Umrüstungen zur Vergrößerung der Auflagefläche der Erntemaschinen sind ebenso möglich und einfach realisierbar. Röhrichtanbau dürfte für die Oblast eine relativ gute und kostenarme und pflegeextensive Produktionsform sein. Erhöhter Investitionsbedarf ist jedoch bei den Veredelungstechniken zur Energieproduktion aufgrund hoher technischer Vorraussetzungen zu kalkulieren. Erle Die Ernte und Bestandspflege der Erle wird durch den Einsatz von mobilen Seilkrananlagen oder Raupenharvestern mit überbreitem Kettenlaufwerk bewerkstelligt. Dadurch entstehen relativ hohe Betriebskosten. (Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde – DUENE e.V. 2005: 48)
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Zudem ist ein langfristiges Monitoring der Feuchte- und Nährkraftentwicklung zur Erfolgsgarantie unabdingbar. Dieses erfordert die Integration von Spezialisten. Folglich handelt es sich bei Erlenwertholzanbau um eine investitionsintensive Wirtschaftsform, deren Erfolg nur durch stetige Überwachung der Standortverhältnisse gesichert ist. Daher dürfte die Etablierung dieser Bewirtschaftungsform in der Oblast zu Beginn eher schwierig sein. Torfmoosanbau Nach bisherigen Erkenntnissen nimmt eine gesicherte Wasserversorgung bei der Anlegung der Torfmoorrasen wohl den größten Teil der Investitionen ein. Sowohl in der Planung dieser, als auch in der Betreuung und Weiterentwicklung der Kulturform ist Spezialwissen und Monitoring erforderlich. Seitens der Entwicklung von Erntemaschinen besteht höchstwahrscheinlich noch Bedarf. Sollten die weiteren Forschungen ökonomische Zuwachsraten ergeben, könnte es sich um eine auf Dauer kosten- und pflegeextensive Anlage handeln. Arznei- und Aroma-Pflanzen Beide Kulturformen erfordern wenig Unterhalts- und Erntekosten, da mit konventionellen Techniken (z. B. mit der Hand) geerntet werden kann. Spezielle Kenntnisse sind nur bei der Initiation notwendig.
Extensive Beweidung von Niedermoorund Auenstandorten Bei der extensiven Beweidung handelt es sich um eine kosten- und arbeitsextensive Bewirtschaftungsweise. Somit ist diese gut als Ergänzung zu anderen Kulturformen in der Gegend zu etablieren. Fazit für Anwendung Zur Umstellung der Bewirtschaftungsform werden soweit wie möglich kapitalerwirtschaftende Techniken in Form von Renaturierung oder Kulturen vernässter Standorte genutzt. Dieser Prozess muss jedoch durch umwelt- und ingenieurökologische Experten betreut werden, um Fehlentwicklungen und nachhaltige Schädigungen der Lebensräume und Produktionsräume zu unterbinden. Dies ist am ausgeprägtesten bei der Wiedervernässung von Hochmooren notwendig. Auf extrem anfällige Produktionsformen wird verzichtet. Der Einsatz von Arten, die hohe Ansprüche an ihre Standorte aufweisen (z. B. Erlenforste und Sphagnum- und RohrkolbenAnbau) ist nur bei genauer Kenntnis der Standortfaktoren zu empfehlen. Daher ist eine intensive Kooperation mit Experten und Wissenschaftlern zu führen. Um die vielversprechenden Möglichkeiten der Landnutzung durch Erlen aufzuzeigen, kann ein Forst im niedermoorreichen Auenraum des Pregolja angedacht werden. Die genaue Verortung muss vor der Anlegung jedoch durch exakte Prüfung der Wuchsbedingungen am Standort überprüft werden, um Fehlinvestitionen auszuschließen.
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Wahl der Bewirtschaftungsformen
Wie viel Potential bietet die Kulturform zur Entwicklung hochwertiger Endprodukte, um eine langfristige Entwicklung von „Existenzsicherung“ hin zu ökonomischer Unabhängigkeit zu ermöglichen? Ist diese Kulturform auf ein Endprodukt spezialisiert oder weist sie ein breites Spektrum an möglichen Endprodukten auf? Alle vorgestellten Arten weisen eine vielfältige Nutzbarkeit auf. Nur die Rohrkolbenkultivierung scheint durch hohe Produktionskosten stark auf die Abnahme durch die Dämmstoffindustrie eingegrenzt sein. Alle anderen können sowohl als Rohstoffe zur direkten Energiegewinnung, zur Dämmung, als Baumaterial, Nahrungs- und Arzneimittel, Aromastoffe oder als Saatgut genutzt werden. Durch eine weitere Verarbeitung können sie veredelt werden und bieten eine große Bandbreite an Endprodukten (Dämmplatten, Möbel, Fertighäuser, Schwarzerde, Weißtorfersatz, Biogas, Textilien, Zellulose, etc.). Einige bilden Potentiale beim Lösen von Problemen anderer Art, wie das Fehlen einer Abwässerklärung.69 Durch wirtschaftliche Produktion und das Ausnutzen der Bandbreite an Möglichkeiten kann so eine ökonomisch günstige Perspektive geboten werden.
Abb. 49:
Ehemaliger Gutshof nahe Tschernjachowsk
69 So werden zur Herstellung von Schwarzerde organische Abfälle jeglicher Art benötigt. Diese werden mit Holzkohle und Mikroorganismen angeimpft. Unter warmen Bedingungen entsteht sehr schnell ein extrem fruchtbares Bodensubstrat, welches günstigste Aussichten besitzt, hohe Erlöse zu erwirtschaften. 59
Wahl der Bewirtschaftungsformen
Weist die Kulturform für die Landschaft relevante strukturelle Ausprägungsformen auf? Kann sie das Landschaftsbild durch die Nutzung, Restauration oder Verstärkung bestehender Raumqualitäten in seinem Bild stärken und diesem durch das Hinzufügen eigener Strukturen zu einer neuen Wahrnehmbarkeit verhelfen, welche durch historische Strukturen gestützt wird?
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Röhrichte und Riede Der flächendeckende Anbau von Schilf und anderen Röhrichtarten bietet ein hohes gestalterisches Potential aufgrund der zyklischen Ausprägung von Wachstum und Ernte. Die Forderung des Naturschutzes zum Artenschutz Teilflächen von der Mahd auszunehmen, sowie unterschiedliche Erntezeitpunkte je nach späterer Nutzung des Ausgangsmaterials70 ermöglichen eine hohe strukturelle Vielfalt. Die unterschiedlichen Vegetationshöhen führen somit zu einer sich ganzjährig wandelnden Kammerung der Kulturlandschaft mit wechselnden Sichtbeziehungen. Eine feste Grundstruktur kann durch die durch Grabenstau mit Wasser gefüllten Entwässerungsgräben erreicht werden: Sie werden durch ausbreitende Sukzession von den Wirtschaftsflächen aus mit Röhrichten und Großseggen besiedelt. Durch ihre Barrierenwirkung und daraus folgenden Ausnahme von der Mahd werden sie auch in Zukunft die Feinstrukturierung der vernässten Felder garantieren, welche typisch für die Kulturlandschaft des Pregolja-Talraumes ist. Sichtbar wird diese Struktur jedoch erst bei der jährlichen Mahd der Nutzflächen. Daher sind die Gräben zeitweise nur durch aufgewachsene Weidengebüsche entlang dieser zu erahnen. Die ausgeprägte Konkurrenzkraft von Röhrichtarten verhindert eine weitere Sukzession größtenteils. Die historische Funktion der Entwässerung wird hiermit durch eine neue (als Refugium geschützter Arten) ersetzt, ihre räumliche Ausprägung bleibt jedoch in der Landschaft präsent.
70 Zur Gewinnung von Frisch- bzw. Biomasse zur Vergasung kann unter Rücksichtnahme der Brutzeiten während der Vegetationsperiode geerntet werden, zur Gewinnung des trockenen Halmguts z. B. zur Nutzung als Dämmstoff erfolgt die Mahd im Winter. 60
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Wahl der Bewirtschaftungsformen
Entlang der Flüsse Pissa und Angrapa zieht sich dichtes Waldvorkommen entlang der Uferkanten bis ins Tal des Pregolja, dort endet es abrupt. (Dies könnte auf lange historische Kultivierung zurückgehen). Ein Forst könnte diese naturräumliche Folge auch in das Tal des Pregolja ausdehnen und dadurch Strukturvielfalt schaffen. Die Kultivierung der Fläche bleibt durch das Pflanzraster ersichtlich.71 Durch gleichmäßige Selektion während der Jungbestandspflege bis 25 Jahre nach der Anpflanzung bleibt das Raster direkt sichtbar, erst danach wird der Kronenschluss unterbrochen – ein lichter, lockerer Erlenwald entsteht. (Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde 2005: 42ff.)
Erle Die Wälder der Umgebung von Tschernjachowsk weisen auch alle die Merkmale (ehemaliger) Forste mit orthogonaler Wegestruktur auf. Von Strauchvegetation freigehaltene Forste bilden andere ästhetische Qualitäten, als vegetative undurchdringbare Urwälder.
Torfmoosanbau Torfmoosanbau lehnt sich von seiner ästhetischen Wirkung an den Landschaftstypus „Hochmoorweite“ an und sichert diese aktiv durch Pflege. Dadurch kann die Verbindung zwischen dem ehemals natürlichen und dem neuen Landschaftsbild des Tagebaus vermittelt werden. Aus wirtschaftlichen Gründen fehlt jedoch eine kleinteilige Kammerung im Relief (Bluten und Schlenken) und die daraus resultierenden vegetativen Patchworks. Das zeitlich uneinheitliche Ernten von Teilflächen kann durch die verschiedene Höherentwicklungen der Torfmooskörper ein neues Bild der genutzten Hochmoorweite ausbilden, welches im Jahresverlauf unterschiedlich stark durch die Färbung der Vegetation variieren kann.
71 Dieses beträgt zu Beginn 2,4 - 2,8 m auf 1,2 m auf Rabatten um einen schnellen und geraden Längenzuwachs zu bewirken. 61
Wahl der Bewirtschaftungsformen
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Arznei- und Aroma-Pflanzen Streifenförmiger Anbau in Massenaussaat entlang von Wegeverbindungen kann eine Fein-Strukturierung der Landschaft herausbilden, welche durch die Physiognomie der gewählten Art und deren Blüte die Wegeverbindungen temporär aus der Umgebung heraushebt. Extensive Beweidung Die Beweidung dient aus ästhetischer Sicht der Offenhaltung ehemalig bewirtschafteter Landschaften gegenüber einer sukzessiven Verbuschung und Bewaldung und dadurch dem Erhalt von Strukturreichtum. Ebenso kann durch die starke Wechselwirkung zwischen Großsäugern und Gehölzen ein Erhalt offener Landschaften wie der Hochmoore bewirkt werden, sofern diese nicht renaturierbar sind. Partielle Bodenverdichtungen durch diese Tiere fördern arten- und blütenreiche Staudenfluren. Wie auch bei der Röhricht- und Riednutzung wird auf den extensiven Weiden die Struktur der Entwässerungswege durch Grabenanstau erhalten. Diese können als Trinkstellen Verwendung finden und durch Sukzession mit Röhrichten bewachsen werden, welche von bereits bestehenden Weidengebüschen durchsetzt sind. Dadurch werden sie in der Umkehrung ihrer eigentlichen Ausprägung als Vertiefung in Zukunft nun als (Sicht-) Barrieren in der Kulturlandschaft stärker denn je zu erkennen sein und diese gliedern. Die historische Funktion dabei wird von einer neuen Funktion (Refugium für geschützte Arten) überlagert und bleibt dadurch erhalten. Gegebenenfalls bietet die Mahd in Teilabschnitten des Grabensystems die Möglichkeiten, neue Sichtbezüge aufzuzeigen. Zusätzlich dazu kann das anfallende Schnittgut im Anschluss zur stofflichen Verwertung genutzt werden. 62
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Wahl der Bewirtschaftungsformen
7.2 Wahl der Bewirtschaftungsformen Im Entwurf werden die Kulturformen Schilf- und Großseggenanbau, Erlen-Wertholzanbau, extensive Beweidung sowie Aroma- und Arzneipflanzenanbau weiterverfolgt. Aufgrund der geringen potentiellen Entwicklungsfläche im gewählten Projektgebiet und einer zum derzeitigen Stand der Forschung höchst wahrscheinlichen Unwirtschaftlichkeit wird auf Torfmoos-Anbau verzichtet. Anstatt dessen werden im Angermoor Hochmoor-Renaturierungsmaßnahmen in Kombination mit Paludikulturen verfolgt. Teilflächen können jedoch als Versuchsflächen für wissenschaftliche Forschungen zu Durchführbarkeit, Ertragsreichtum und Rentabilität des kommerziellen Torfmoosanbaus, sowie deren Auswirkungen auf den Lebensraum verwendet werden. Zusätzlich wird mit spontaner Entwicklung von Wald- und Alleebäumen gearbeitet, die kurzfristig durch Pflegemaßnahmen zur Gewinnung von organischer Masse, langfristig zur Gewinnung von Nutzholz dienen.
Abb. 50:
Strukturen Schilfröhricht 63
Entwicklungsprogramm
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Abb. 51: 64
Lücken in der Bausubstanz, Tschernjachowsk
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8 Entwicklungsprogramm für die Region Tschernjachowsk 8.1 Lokale Potentiale Am Beispiel der Initiative „InsterGod“/„InsterJahr“ ist zu erkennen, dass nicht nur die öffentliche Hand (hier in Gestalt der Kommune Tschernjachowsk) auf Eigeninitiativen durch eine gezielte Förderung reagiert, sondern auch die lokale Wirtschaft und die Bevölkerung an Projekten wie diesen interessiert sind. Geld- und Materialspenden durch Unternehmen und Privatleute belegen dies. Aufgrund fehlender finanzieller Möglichkeiten ist in der Region viel „Bastel-Kreativität“ vorhanden. Mit großem Einfallsreichtum werden zurzeit motorisierte Fahrzeuge umgerüstet und „auffrisiert“ (beispielsweise zu Eis-Trucks, die im Winter auf zugefrorenen Seen genutzt werden). Diese Kreativität bietet große Potentiale im Hinblick auf die Entwicklung neuer (landwirtschaftlicher) Spezialmaschinen, die für die Bewirtschaftung von Extremstandorten benötigt werden. In Feuchtgebieten beispielsweise können damit negative Einwirkungen wie Oberbodenzerstörung bedingt durch eine zu hohe Last der Erntemaschinen vermieden werden. Noch sind viele Bewirtschaftungsformen auf Nassstandorten in den Kinderschuhen, und es fehlt an entsprechender Technologie, für die es auch einen internationalen Absatzmarkt gäbe. Ein weiteres Potential bietet sich durch niedrigere Standards , wodurch auf Grundlage von halb-industriellen Fertigungsmethoden rentabel produziert werden kann. Dies bietet Vorteile vor allem bei der Gewinnung von sensiblen Rohstoffen oder Ausgangsmaterialien wie zum Beispiel Reet zur
Dachdeckung oder Gebäudedämmung. Werden diese Materialien vor Ort weiterverarbeitet, eröffnet sich ein großes Wertschöpfungspotential. Einen ökologisch wie finanziell interessanten Bedeutungswandel gewinnen ehemalige Moorstandorte durch ihre Wiedervernässung. Dieser liegt zum Beispiel im Emissionsrechtehandel mit CO2-Zertifikaten im Zuge des Klimaschutzes. Derzeit sind nachhaltige Kultivierungen auf ehemals intensiv genutzten Moorstandorten zwar noch nicht zur Zertifizierung freigegeben, jedoch ist zu erwarten, dass dies aufgrund des Wertes dieser Flächen für den Klimaschutz geschehen wird. (Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern 2009: 74ff.)
Entwicklungsprogramm
aller Wandlungsfähigkeit eine Lesbarkeit der Landschaft in ihrer Ganzheit, im Zusammenhang ihrer Elemente nicht zu verlieren. (Van Bodegraven 1952 zit. n. Weilacher 2011b: 4) Durch eine Reaktivierung der landwirtschaftlichen Kultivierung und eine gezielte Stärkung einzelner Grundstrukturen ist mit relativ geringen Maßnahmen ein großer Zugewinn an Attraktivität in der Kulturlandschaft von Tschernjachowsk zu erlangen.
Viele der heute brach liegenden, ehemals landwirtschaftlich benutzten Flächen der Nassstandorte bieten potentielle Chancen. Die klimatischen Bedingungen für gute Erträge durch Paludikulturen sind gegeben. Allerdings erschweren immer noch ungeklärte Eigentumsrechte seit der Auflösung der Sowjetunion eine sinnvolle Nutzung dieser wertvollen Gebiete. (D. Suchin, München, Juni 2011) Die Landschaft in der Umgebung von Tschernjachowsk weist einen relativ hohen Strukturreichtum aus verschiedenen (kulturellen) Epochen auf: Wegenetze, Alleen, Grabensysteme, Blickbeziehungen, etc. . Dieser bildet das stabile Grundgerüst für eine vielfältige Nutzbarkeit. Durch eine ausreichend hohe Komplexität sind persönliche Interpretationsspielräume vorhanden, der öffentliche Raum bleibt dadurch anreicherungsfähig, interessant und aneignungsfähig. Die Grundstrukturen müssen jedoch als tragfähige Ordnungssysteme in Stand gehalten werden, um trotz 65
Entwicklungsprogramm
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8.2 Strategie: Moorgenossenschaft Das Konzept sieht die Bildung einer in Eigenorganisation bewirtschafteten „Moorgenossenschaft“ vor, deren Ziel es ist, ein Netzwerk zu bilden, durch das die Bevölkerung der Gegend für die Notwendigkeit sensibilisiert werden soll, die Moor- und Nassstandorte rund um Tschernjachowsk ressourcenschonend und nachhaltig zu kultivieren. Beispiele aus der Schweiz zeigen, dass in finanziell schwachen ländlichen Regionen genossenschaftliche Organisationen lokaler Kräfte in Kombination mit Ideenreichtum bei der Vermarktung dazu beitragen können, die lokale Wirtschaft zu stärken und soziale Absicherung zu gewährleisten.72 So vereinigt die Moorgenossenschaft in ihrem Netzwerk die Nachhaltigkeitsforderungen ökonomischer, sozialer und ökologischer Art gleichermaßen, indem sie (Aus-) Bildung, Arbeitsplätze und die Bereitstellung lebensnotwendiger Strukturen in allen drei Bereichen ermöglicht. Damit kann sie die Existenz ihrer Mitarbeiter sichern und diesen zugleich Perspektiven für die Zukunft eröffnen. Auf der Basis von „Sharing-Konzepten“ wird den Genossenschaftsmitgliedern Zugang zu (qualitativem) Wohnraum, zu Lebensmitteln und zu größerer Mobilität ermöglicht. Begleitend werden durch Ausbildungsprogramme neue Berufsmöglichkeiten geschaffen. Diese Verbindung zwischen Produktion und Ausbildung auf verschiedensten Produktionsund Verarbeitungsebenen bietet gute Vorraussetzungen, um die „kollektive Intelligenz“ für die Entwicklung innovativer,
72 66
Vgl. hierzu Genossenschaft montsuley/Mathon – Schweiz.
Abb. 52:
Konzept Moorgenossenschaft
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(regionaler) Nischentechnologien und -produkte zu nutzen. Außerdem gewinnt der intergenerationelle (Erfahrungs-) Austausch von Wissen und Praktiken an Bedeutung. Durch Bündelung der (vielfältigen) menschlichen Ressourcen (Kapital73) und durch vermehrtes Engagement jedes Einzelnen in der Genossenschaft könnte sich eine neue Bewirtschaftungsform in dieser speziellen ländlichen Umgebung etablieren und das regionale, ökonomische Netz der Stadt Tschernjachowsk zu stärken. Das Modell der Genossenschaft dürfte am praktikabelsten sein, um die begrenzten finanziellen Möglichkeiten von Privatpersonen und Kleinunternehmern zu nutzen. Langfristig gesehen können sich aus diesem Startkapital, zusammen mit dem Humankapital und dem aus diesem entwickelten Produktspektrum Optionen für gesteigerte Einkünfte eröffnen. Dieser Modellbetrieb könnte in Workshops entwickelt werden in enger Kooperation lokaler und externer Fachkräfte, sowie Vertretern der ortsansässigen Wirtschaftsbetriebe, ihren Auszubildenden wie auch Vertretern der Universitäten. Indem die Moorgenossenschaft mit ihren Produkten verschiedenste Bereiche abdeckt, so beispielsweise Energieversorgung, Abwasserentsorgung, Nahrungsmittelproduktion und andere Produktionssektoren wie Substratherstellung, Holz-, Reetund Wolle-Produktion wird eine schnelle Eingliederung in die Wirtschaftskreisläufe der Stadt Tschernjachowsk ermöglicht.
Dabei ist die Verarbeitung der Ausgangsprodukte mehr oder weniger räumlich gestaffelt: Die primäre Produktion und Vorverarbeitung findet in bestehender hochwertiger Infrastruktur wie z. B. auf landwirtschaftlichen Flächen in der näheren Umgebung von alten Gutshöfen statt, wo die Beschäftigten auch wohnen können. Die für Restaurierung alter Bausubstanz oder für modernen, aber regionalen Neubau zusätzlicher Gebäude benötigten Baustoffe werden im Idealfall von der Genossenschaft in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Gewerbe produziert. Gleiches gilt für neue Weiterverarbeitungs- und Lagerstätten, die an landschaftlich markanter Stelle, oftmals auf den Fundamenten ehemaliger Gehöfte erbaut, entlang der Transportwege nach Tschernjachowsk liegen. Durch die Kultivierung mit Paludikultur und extensiver Beweidung und das Management der entstehenden Renaturierungs- und Erholungsgebiete übernimmt die Genossenschaft auch die Verantwortung für die Pflege des Landschaftsbildes.
Entwicklungsprogramm
So kann einerseits ein vielfältiger für Ortsansässige wie auch für Touristen attraktiver Einzelhandel mit angeschlossenem Dienstleistungssektor entwickelt werden. Dieser kann – in einem weiteren Schritt (und bei wirtschaftlichem Erfolg) in neuer, qualitativ hochwertiger und lokal angepasster Architektur verortet – einen Teil der städtebaulichen Lücken im Stadtbild schließen. Diese Niederlassungen der Moorgenossenschaft in der Stadt verbinden durch ihre Integration der neuen regionalen Bauart und den Vertrieb der „Tschernjachowsker Moorprodukte“ die Moorgenossenschaft mit der Stadt und lässt sie so zu einem System verschmelzen, in welchem das gesteckte Ziel einer ganzheitlich nachhaltigen, regionalen Wirtschaft baulich realisiert wird.
Mit dem Zunahme des Grades der Weiterverarbeitung verlagern sich die Produktionsstätten immer weiter in Richtung Stadt, in der die industrielle Verarbeitung und Endfertigung in bestehender und neu integrierter Infrastruktur stattfindet. Die Vermarktung der Produkte ist ebenfalls in Tschernjachowsk verortet. Ein bestehender regionaler Lebensmittelmarkt, Ausstellungsflächen, Möbelhäuser und andere Absatzmärkte können entsprechend erweitert werden.
73 Der Begriff „Kapital“ wird hier umfassend gebraucht im Sinne von: : ökonomisches Kapital (Geld, Produktionsmittel oder Immobilien), die verfügbare Arbeitskraft sowie inkorporiertes Kapital (Wissen und Erfahrung). 67
Entwurf Tschernjachowsk
9 Entwurf für die Umgebung von Tschernjachowsk 9.1 Verortung der Produktionskreisläufe im Projektgebiet Die möglichen Produktionskreisläufe aus Kapitel 5.4 (Röhricht und Seggen, Erlenwertholz, Holz, und Extensive Viehhaltung) werden im Folgenden mit den Wirtschaftsstrukturen der Stadt Tschernjachowsk verknüpft und im Projektgebiet verortet. Dabei werden sowohl bereits vorhandene, als auch neu vorgesehene Betriebe aufgeführt. Schematisch werden die Transportwege und Weiterverarbeitungsstufen der Rohstoffe dargestellt, sowie deren für die Verarbeitung nötige Input (rot) und der produzierte Output (blau).
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Hafens von Tschernjachowsk bieten Platz für die Ansiedelung von neuer potentieller Industrie - Baulücken schaffen Raum für die Niederlassung neuer Handwerksbetriebe. Eine zentrale Rolle in den jeweiligen Kreisläufen nehmen das Holz- und Biogaskraftwerk am Hafengelände von Tschernjachowsk, sowie die zwei kleineren, dezentralen Holzgasanlagen in Krasnopolyanskoe und Zeleniy Bor ein. Diese sollen einen Teil der Energieversorgung ersetzen, der durch den im Konzept vorgesehenen langfristigen Abbaustopp der Torfkörper in der Region entfallen wird.74 Die beim Verheizen anfallende Holzkohle kann durch Ansetzen mit organischen Abfällen und Fäkalien zur Herstellung des reichhaltigen Kultursubstrates Schwarzerde weiterverwendet werden.75
Eine Sonderstellung nimmt dabei das „Moorzentrum“ am Angermoor ein, als Kernzentrum der landwirtschaftlichen Produktion der Moorgenossenschaft, welches zudem Wohnraum für die Arbeiter und Anlaufpunkt für Freizeitaktivitäten und Forschung darstellt. Parallel dazu liegt ein zweiter Entwicklungsraum im Pregolja-Tal bei Maevka (Georgenburg). Lagerstandorte und Weiterverarbeitungsstätten werden an vorhandene bauliche Struktur angegliedert oder bestehende Fundamente durch Neubauten wieder mit Wert und Nutzen belegt. Das Stadtzentrum nimmt, wie in der Strategie aufgeführt, die Funktion der Weitervermarktung und des Absatzmarktes ein. Die (unbebauten) Industrieflächen nahe des ehemaligen 68
74 Die Tatsache, dass durch den Bau des „Baltischen Atomkraftwerks“ in Kaliningrad im Gebiet mehr Energie produziert werden wird, als verbraucht werden wird, entbindet das Gestaltungskonzept von konkret erforderlichen Produktionsmengen an Biomasse zur Energiegewinnung. Diese könnten auch bei flächendeckender Nutzung im Projektgebiet und ausschließlich energetischer Verwertung (aufgrund niedrigerer Brennwerte von Biomasse gegenüber Torf) nicht erwirtschaftet werden. Es kann jedoch ein Beitrag z. B. zur lokalen Wärmeversorgung geleistet werden. 75 Vgl. Kapitel 7.1
Abb. 53: Entwicklungszentren Pregoljatal und Angermoor und ausbreitende Kultivierung der Region Tschernjachowsk
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Entwurf Tschernjachowsk
Abb. 54: Röhricht- und Riedanbau: Die Nutzung der Ausgangsstoffe erfolgt vielfältig – Reet wird zum Teil in seiner Grundform zur Dachdeckung oder Herstellung bzw. Veredelung von Möbeln belassen, zum Teil in einer Außenstelle des Moorzentrums in Zeleniy Bor zu drahtgebundenen Reet-Dämmplatten weiterverarbeitet. Durch Biomassenutzung tragen sie zur Energieversorgung bei. 69
Entwurf Tschernjachowsk
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Abb. 55: Erlenwertholzanbau und Holzanbau: Erlenwertholzanbau und Holzanbau: In einem Erlenforst auf wiedervernässten kanalnahen Freiflächen wächst die wirtschaftliche Zukunft der örtlichen Möbelindustrie heran. Die sukzessive Ausweitung des Randwaldes am Angermoor durch landwirtschaftliche Nutzungsaufgabe sowie Alleepflege und Neuanpflanzung bildet Kapital für eine zukünftige Bauindustrie. 70
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Entwurf Tschernjachowsk
Abb. 56: Extensive Beweidung: Das Hauptaugenmerk liegt auf der Produktion von Nahrungsmitteln, welche über den regionalen Markt vertrieben werden. Der Schlachthof der Stadt Tschernjachowsk wird in den Produktionskreislauf integriert. Zwei dezentrale Käsereien eröffnen die Möglichkeit einer weidenahen Weiterverarbeitung und des Direktvertriebs. 71
Entwurf Tschernjachowsk
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Abb. 57: 72
Strukturen Bestand
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Entwurf Tschernjachowsk
73
Entwurf Tschernjachowsk
9.2 Entwurf Gesamtraum Im Entwurf für das Projektgebiet werden die bestehenden Strukturen behutsam weiterentwickelt. Dies sieht zunächst das Schaffen neuer Wegeverbindungen, soweit dies nötig sein wird, sowie das Schließen der ausgedünnten Alleen und Baumreihen der Landschaft entlang der Straßen vor. Auf den zu bewirtschaftenden Flächen werden die Entwässerungsgräben angestaut, um die Kultivierung von Paludikulturen zu ermöglichen und die Landschaft zu strukturieren.
09
Je nach der vorgeschlagenen Nutzungsform werden weitere (bauliche) Elemente hinzugefügt. Konkretere Planungen werden für die Initialbereiche Pregoljatal und Angermoor entworfen. Dabei wird letzteres einer detaillierten Strukturebenenanalyse unterzogen, auf deren Grundlage in der Folge geplant wird. Die erlangten Erkenntnisse wurden mit den Erfahrungen in der Region angereichert und auf die Umgebung übertragen. Im Folgenden werden die einzelnen Entwurfsräume dargestellt. Dabei wird versucht durch schematische „Idealbilder“ die entstehenden Qualitäten zu formulieren und räumlich zu verorten. Beigefügt werden ihnen jeweils Skizzen zu den strukturellen Veränderungen und Variationen sowie teilweise eine Handskizze der derzeitigen Ausgangssituation. So werden auf einer Doppelseite dem Ist-Zustand die Auswirkungen des Entwurfes gegenübergestellt.
Abb. 58: 74
Strukturen Entwurf
09
Entwurf Tschernjachowsk
75
Entwurf Tschernjachowsk
Abb. 59: 76
Blick von Maevka (Georgenburg) über das Pregolja-Tal in Richtung Insterburg
09
09
Entwurf Tschernjachowsk
9.3 Entwurf für den Talraum der Instrutsch und des Pregolja Das zweite Entwicklungszentrum ist zwischen dem Nordende von Tschernjachowsk und Maevka (Georgenburg) im Tal des Pregolja verortet. Grund hierfür ist die Nähe zu den weiterverarbeitenden Gewerben, die im Norden von Tschernjachowsk angesiedelt sind und die tragfähige Bausubstanz für landwirtschaftliche Betriebe in Maevka. Der ehemalige Hafen am Kanal bietet Raum für die Installation des Heizkraftwerks, der Holzweiterverarbeitung, usw. Die bisher nicht genutzten Auen und Niedermoore der Instrutschund Pregoljaniederung werden durch Schilfanbau und extensive Beweidung mit Heckrindern und Schafen reaktiviert. So soll der offene, weite Charakter der Niederung mit ihren mäandrierenden Flüssen gewahrt werden. Grabenanstau bildet einerseits eine konstante Struktur durch die sich ansiedelnden Röhrichte und Riede, andererseits werden durch die Wasserspeicherfunktion Hochwasser abgeschwächt. Einen wichtigen Part nimmt hierzu auch der Erlenforst ein. Dieser wird durch ein Abgraben des Norddammes des Kanals vernässt. Die Dammfunktion an der Pregolja bleibt bestehen. Stichkanäle ermöglichen eine Pflege und Ernte über den Wasserweg. Über die Jahre entsteht ein sekundärer Auwald, der für wasserliebende Fauna und Flora Lebensraum schafft. Zudem wird in Stadtnähe Raum für Freizeitnutzungen wie Angeln und Bootfahren geschaffen – der brachgefallene Kanal erfährt neue Belebung.
Abb. 60:
Entwurf für das Pregolja- und Instrutschtal bei Maevka 77
Entwurf Tschernjachowsk
In direkter Nähe des Schlosses wird eine Ausstellungsfläche für die neue Bauweise von Tschernjachowsk auf einer Baulücke errichtet. Die lokal produzierten Möbel werden im benachbarten Möbelhaus vertrieben. Die Allee am Nordrand des Talraumes ermöglicht ein reizvolles Erfahren des Umlandes von Tschernjachowsk. Geringes Verkehrsaufkommen macht sie für die Freizeitnutzung mit Rad oder Auto attraktiv.
78
09
09
Abb. 61:
Entwurf Tschernjachowsk
Extensive Beweidung durch Heckrinder 79
Entwurf Tschernjachowsk
Abb. 62: 80
09
Erlenwertholzanbau (rechts) und Holzverarbeitung am Kanal von Tschernjachowsk
09
Abb. 63:
Erlenforst ca. 30 bis 40 Jahre nach der Anlegung
Abb. 64:
Wuchsstadien Erle
Entwurf Tschernjachowsk
81
Entwurf Tschernjachowsk
09
Abb. 65:
82
Phragmites-Anbau im Pregoljatal (Sommer)
09
Abb. 66:
Entwurf Tschernjachowsk
Phragmitesernte im Pregoljatal (Herbst) 83
Entwurf Tschernjachowsk
Abb. 67: 84
09
Angermoor: Ehemalige Hochmoorweite und Moorrandwald, Torfgewinnung im Frästorfverfahren
09
Entwurf Tschernjachowsk
85
Entwurf Tschernjachowsk
Abb. 68: 86
Umgebung des Angermoors und Schemaschnitt (Hochmoorweite – Angrapa)
09
09
9.4 Angermoor Das Angermoor liegt ca. 15 km östlich der Stadt Tschernjachowsk auf halbem Weg zur Stadt Gussew. Wie dem Kartenmaterial von 1938 und 1942 entnommen werden kann, wies zu dieser Zeit der Zentralbereich eine baumfreie Hochmoorweite mit Torfmoosrasen auf, der Moorrandwald war aufgrund der wachstumsbegrenzenden Nässe nicht in das Zentralmoor vorgedrungen. Im Umkreis des Moores war eine Vielzahl von Moorhöfen angesiedelt, von denen aus im Randbereich der Hochmoorweite Torfstich betrieben wurde. Heute wird durch die Firma „OOO Krasnaja Gorka“ auf der ehemaligen Hochmoorweite Torf für gärtnerische Zwecke abgefräst. Für die regionale Energiegewinnung entspricht der abgebaute Torf nicht den Qualitätsansprüchen. Der Torf wird per LKW direkt nach Kaliningrad transportiert, von wo er in die EU und nach Deutschland exportiert wird. Dadurch ist ein relativ gutes Einkommen gesichert, es mangelt jedoch an zeitgemäßer Abbautechnik. Neben dem Angermoor betreibt „Krasnaja Gorka“ weitere Abbaugebiete in der Oblast.76
Entwurf Tschernjachowsk
Diesen entschlüsselten Schichten wird jeweils der Entwurf der jeweiligen Schicht gegenübergestellt. Zuletzt wird das Landschaftsgefüge in seiner Überlagerung der Schichten betrachtet, sowie der Entwurf. Zur Vorgehensweise muss angemerkt werden, dass nur die für diesen Entwurf am relevantesten erscheinenden Layer untersucht wurden: Topographie, Oberflächengewässer und Nassstandorte, Wegenetz, Baumreihen in der Landschaft, Wälder, sowie das Siedlungsnetz bzw. die Bausubstanz. Nach Corboz 1983 sind diese jedoch bereits durch das Kartenmaterial stark gefiltert, abstrahiert und verallgemeinert. Für den Entwurf waren daher vor allem die Eindrücke am Ort und in dessen Umgebung prägend, welche dem tatsächlichen Erleben der Landschaft aus der Perspektive des Fußgängers entsprechen. Dadurch werden die quantitativen, objektiven Analyseergebnisse der Schichtenuntersuchungen mit einem qualitativen, subjektive Blickwinkel auf die örtlichen Qualitäten angereichert. (Weilacher, 2011a: 9)
Um Einblicke in das komplexe Landschaftsgefüge des Angermoors mit Umgebung zu erhalten, wird im Folgenden dieses „Palimpsest“ in einigen einzelnen Strukturschichten betrachtet.77
76 Aussagen eines Mitarbeiters am 06.07.2011, Tschernjachowsk 77 „Die meisten dieser Schichten sind sehr dünn und zugleich voller Lücken.“ Denn „in den Gegenden, in denen der Mensch seit Generationen, ja mehr noch, seit Jahrtausenden ansässig ist, hat jede Zufälligkeit des Landes eine Bedeutung.“ (Corboz 1983 zit .n. Schöbel 2009: Präsentation: dialogLANDSCHAFT: Dialogverfahren Repowering, Oldenburg, 21.4.09) 87
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.1
09
Torfstich und Moorhöfe
Ein dichtes Netz an Erschließungswegen vernetzte vor dem Zweiten Weltkrieg die vereinzelten Moorhöfe im Umkreis des Angermoores. Der Torfstich fand in den Randbereichen der Hochmoorweite statt. In diese Bereiche ist heute durch die Entwässerungsmaßnahmen der Moorrandwald vorgeschritten.
Abb. 82: 88
Moornutzung 1938 bzw. 1942
09
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.2
Strukturplan
Das Palimpsest der aktuellen Landschaft „Angermoor“ ist durch eine relikthafte Fragmentierung auf sehr vielen Betrachtungsebenen geprägt. Viele Strukturen lassen noch ehemalige Nutzungen erahnen. Die ehemals relativ dichte Besiedelung der direkten Umgebung des Angermoores ist jedoch nicht mehr erfahrbar. Zur besseren Lesbarkeit und dieses komplexen, strukturreichen Entwurfsgebietes wird versucht, charakteristische „Ebenen“ zu bilden und zu analysieren. Auf jeder dieser Ebenen wird entwerferisch eingegriffen, um ein auf lange Zeit tragfähiges Nutzungskonzept der Landschaft zu entwickeln. Daher wird nun zuerst der Entwurf als Strukturplan präsentiert und im Anschluss auf dessen einzelne Entwurfsebenen detailliert eingegangen.
Abb. 80:
Bestandsstruktur Angermoor 89
Entwurf Tschernjachowsk
90
09
09
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.3
Strukturplan Entwurf
Entlang der Verkehrswege Zeleniy Bor und Lermontovo startet die Moorgenossenschaft ihre Produktion (Riedgrasanbau und extensive Beweidung), um durch kultiviertes Land eine Brücke zwischen den Orten an der Pissa und Angrapa zu schlagen. Eine ausweitende Kultivierung der angrenzenden Flächen durch ausgeführte Kulturformen reaktiviert nach und nach die Landschaft des Hügellandes zwischen beiden Flüssen. Zudem wird ein Waldentwicklungsgebiet zur langfristigen Gewinnung von Bauholz vorgeschlagen. Zusätzlich sollen für Naherholung und Tourismus vielfältige Nutzungsmöglichkeiten geschaffen werden. Dabei soll verstärkt das Potential der zwei prägenden Fließgewässer Angrapa und Pissa genutzt werden. Entlang der Pissa bietet die Flusslandschaft eine Vielzahl an Qualitäten für Radtouren aus Tschernjachowsk, Kanu- oder Floßfahrten auf Pissa und Angrapa zeigen die (unbekannten) Eigenheiten auf. Anlegestellen südlich und nördlich des Angermoores ermöglichen eine vor allem touristisch interessante Rundtour von Tschernjachowsk mit Boot und Rad oder zu Fuß über das Angermoor wieder zurück in die Stadt. Das Moorzentrum der Genossenschaft kann für diese Nutzung für Unterkunft und Kost sorgen und zusätzlich als Vermittler von Informationen zu Mooren, Renaturierungen und der nachhaltigen Nutzung von Moorstandorten agieren.
Abb. 81:
Strukturen Entwurf 91
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.4
09
Oberflächengewässer und Topographie
Das Angermoor liegt auf einem Hügelrücken zwischen den beiden mehr oder weniger tief in die Landschaft eingeschnittenen mäandrierenden Zuflüssen des Pregolja. Er ist geprägt durch eine relativ kleingekammerte Topographie bestehend aus kleineren Senken (Toteislöchern) und Anhöhen. Deren Abfolge zeichnet die Struktur der Oberflächengewässer nach, welche ausgehend vom Hochmoor durch kleine Kesselmoore und vernässte Wiesen zur Pissa im Norden und zur Angrapa im Süden abfließen. Die meisten landwirtschaftlichen Flächen (mit Ausnahme der meist kleinen topographischen Erhöhungen) sind daher ausgesprochen nass. Hinzu kommt die Struktur der Entwässerungsgräben, die größtenteils aus der preußischen und deutschen Zeit stammen und deren Anzahl nur teilweise durch das Zusammenlegen von Feldern verringert wurde. In der Landschaft folgen sie den Straßenverläufen und den mehr oder weniger stark an der Topographie orientierten Feldgrenzen. Im Bereich des Angermoores sind zwei Systeme zu erkennen: Das kleingliedrigere Entwässerungssystem des alten Torfstichs in den Randzonen des Moorrandwaldes, sowie das neuere System, welches durch einen die Hochmoorweite umlaufenden Graben und zusätzliche, in weitem Raster gesetzte Gräben den Zentralbereich des Moores entwässert. Es bindet dabei an das weiter außerhalb liegende ältere System an und nutzt dieses partiell. Innerhalb der Hochmoorweite sind mehrere offene Wasserflächen (bereits abgetorfte Bereiche, mit Bulkerde gefüllt) vorhanden. Diese sind ein Anlaufpunkt vieler Wasservögel. Abb. 70: 92
Oberflächengewässer und Topographie, Bestand
09
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.5
Oberflächengewässer Entwurf
Der Entwurf für das Gebiet sieht nun vor das Angermoor, sowie große Teile der landwirtschaftlichen Umgebung zu vernässen. Dies soll durch eine Verfüllung der Entwässerungsgräben geschehen, welche die weitere Entwässerung zu unterbinden sowie einen langsameren Abfluss von Niederschlägen gewährleisten soll. Die natürlichen Abflüsse sind von dieser Maßnahme ebenso wenig betroffen wie die Gräben entlang der Straßen und größeren Wege. Die heute bisweilen unwirtschaftlich als stark vernässte Ackerböden oder Felder bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen werden zum Teil als Brachland der sukzessiven Versumpfung und Vermoorung ggf. mit Bewaldung überlassen, zum Teil werden sie durch Paludikulturen oder andere moorschonende Bewirtschaftungen genutzt. Im Inneren des Hochmoores ist vorgesehen, bereits vor der vollständigen Exploitation des rentabel abbaubaren Torfkörpers durch Abfräsen auf geschlossene Stichsysteme im Klumpentorfverfahren umzustellen. So können dauerhafte Überflutungsbereiche zur Wiederbesiedelung durch Hochmoorarten geschaffen werden. (Pfadenhauer 1997: 345) Durch verschieden tiefe Ausbaggerung soll ein Gradient zwischen rascher Neubesiedelung durch Hochmoorarten der Flora und Fauna auf Flachwasserstandorten und offenen Wasserflächen auf tieferen Standorten entstehen. So wird eine höhere Diversität gesucht und vielfältigere Möglichkeiten für die Freizeitnutzung geschaffen. Abb. 71:
Oberflächengewässer, Entwurf: Wiedervernässung 93
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.6
09
Wegestruktur
Die ehemals zentrale Einbindung des Angermoors in das dichte Netz von Erschließungsstraßen und Wegen seiner Umgebung ging aufgrund der Schleifung umgebender Siedlungen und Moorhöfe verloren. Heute ist die Umgebung des Moores durch eine kleinere Straße von Tschernjachowsk über Zeleniy Bor und die A 229/E 28 von Tschernjachowsk nach Gussew erschlossen. Diese vereinigen sich zwischen und Krasnopolyanskoe und Lermontovo. Stichstraßen binden die häufig ackerbaulich genutzten Wirtschaftsflächen und die wenigen noch vorhandenen Höfe an. Bisher wird der abgebaute Torf mit LKWs über Tschernjachowsk direkt weiter nach Kaliningrad transportiert. Innerhalb des Moores wird der Torfabbau durch im Raster angelegte Wege vorangetrieben. Diese wechseln sich in regelmäßigem Abstand mit Entwässerungsgräben ab. Eine ehemals vorhandene direkte Anbindung an Lermontovo fehlt heute ebenso, wie die Pissa überschreitende Wegeverbindungen. Abseits der Hauptstraße nach Gussew sind die Straßen zum Teil dringend reparaturbedürftig – ganz besonders zwischen Zeleniy Bor und Lermontovo. (Feld-)Wege werden nur noch bedingt benutzt und sind deshalb meist überwachsen.
Abb. 72: 94
Wegestruktur, Bestand
09
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.7
Wegestruktur Entwurf
Die vorhandene Wegestruktur wird ausgebaut, und wieder ergänzt. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf einer guten Anbindung der Wirtschaftsgebäude der Moorgenossenschaft an die sie umgebenden Ortschaften sowie an die Pissa und Angrapa. Neben rein wirtschaftlichen Gründen wird bezweckt, die Nähe zum Hochmoor ins Bewusstsein der ansässigen Bevölkerung zu rücken. Das Angermoor soll durch ein vielfältiges Wegenetz eine Dreh- und Angelfunktion zwischen den Siedlungen einnehmen und zur Freizeitnutzung einladen, indem sie die Wirtschaftsflächen und Landschaft strukturieren. Im Inneren des abgetorften Hochmoores zeichnet ein umlaufender Wirtschaftsweg auch in der zukünftigen Nutzung die strukturellen Auswirkungen des Torfabbaus nach. Zudem grenzt er mehr oder weniger die ehemalige Hochmoorweite zu den Moorrandwäldern ab. Die Rasterstruktur der neuen Dämme, welche die Wasserflächen voneinander abtrennen, greift in den Grundzügen die Entwässerungsgräben auf. Die auf den Dämmen verlaufenden Wege bilden die Grundstruktur für zukünftige Bewirtschaftung, Pflege und Freizeitnutzung. Unterschiedliche Dimensionierungen (Wirtschaftsweg – Pfad) nehmen bestimmte Zonen des Renaturierungsgebiets mehr von der Erschließung aus als andere. Ruhige Zonen entstehen, in welchen sich Rückzugsräume für die Tierwelt bilden können. Nur regelmäßig genutzte Pfade bleiben erhalten, bei Nichtbenutzung verwachsen die Pfade (gestrichelte Linie).
Abb. 73:
Wegestruktur, Entwurf 95
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.8
09
Baumreihen
Der Detailausschnitt weist eine relativ hohe Dichte an Alleebestand auf, welcher entlang bestehender und aufgegebener Straßen und Wege besteht. So verlaufen heute einige Alleen in der freien Landschaft und geben Hinweise auf historische Wegebeziehungen. Generell ist der Bestand stark ausgedünnt durch ausgefallene Bäume, die Alleen sind oftmals überaltert. Eine weitere Strukturierung der Landschaft geschieht durch Weidengebüsche entlang der Entwässerungsgräben, die mehr oder weniger geschlossene Baumreihen bilden.
Abb. 74: 96
Alleen und Baumreihen an Gräben, Bestand
09
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.9
Baumreihen Entwurf
Der Entwurf sieht vor, bestehende Alleen entlang des genutzten Wegesystems wieder aufzufüllen, um diese sehr regionaltypische Struktur zu festigen und auch in Zukunft als charakteristisches Orientierungssytem zu erhalten. Bisweilen werden gänzlich neue Alleen oder einseitige Baumreihen entlang der Straßen gesetzt, um den Blick gezielt auf charakteristische Orte oder Landschaftstypen zu lenken. Zum Teil werden auch die Gebüsch- oder Baumlinien entlang der (wiederverfüllten) Gräben gefördert und aufgepflanzt, um frühere und heute bestehende Feldstrukturen auch in der Zukunft lesbar zu machen, da sie einen wichtigen Part in der Geschichte der Kultivierung dieser Landschaft einnehmen. Sie werden durch die Moorgenossenschaft angepflanzt und langfristig bewirtschaftet. Das Schnittgut kann energetisch und organisch verwertet werden, der Alleebestand wird zur Holzgewinnung genutzt, bevor er überaltert und Risiken für die Straßen verursacht.
Abb. 75:
Alleen und Baumreihen an Gräben, Entwurf 97
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.10
09
Wald
Das Waldvorkommen vorwiegend bestehend aus Laubbäumen konzentriert sich auf die Flussränder und -hänge der Pissa und Angrapa und „wandert“ von dort entlang ihrer Zuflüsse und Gewässerlinien in das Hügelland. Neben diesen Hangwäldern weisen die versumpften und moorigen Gebiete in den Senken einen vielerorts dichten Baumbestand auf. Dieser ist meist erst in den letzten 50 bis 70 Jahren entstanden.78 Die größte Ausdehnung dieser Art stellt der Moorrandwald des Angermoors dar, welcher größtenteils aus Moorbirken besteht. Aus dem Vergleich der heutigen Ausbreitung des Moorrandwaldes mit dem Kartenmaterial von 1942 ist zu entnehmen, dass sich dessen Bestand ausweitet. Es ist davon auszugehen, dass das Wachstum dieses infolge der frühen Entwässerungsmaßnahmen für den Torfstich (auf Kosten der Torfmoose) in die entwässerten Bereiche des Hochmoores hinein gefördert wurde.79
78 Messtischblätter (TK 25) 1397, Luisenberg (1942) und 1398, Gerwen (1938), Institut für Geographie und Geologie, Uni Greifswald 79 Es entsteht in der Regel mehr oder weniger schnell ein relativ trockener Moorbirkenwald mit dominantem Pfeifengrasbeständen (Molinia caerulea) oder Zwergsträuchern (Vaccinium myrtillus, V. vitis-idaea, V. uliginosum). (Vgl. Pfadenhauer 1997: 204f. und Ellenberg & Leuschner 2010: 588) 98
Abb. 76:
Waldbestand
09
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.11
Wald Entwurf
In bestimmten Zonen des abgetorften Hochmoorkörpers wird auf das Ausbaggern in den Moorwasserspiegel hinein verzichtet, um die spontane Entwicklung und Ausbreitung des Moorrandwaldes zu ermöglichen. Dieses Vorgehen wird gewählt, um das Bild eines rundum verlaufenden Waldes zu stärken. Zusätzlich soll langfristig das oftmals vernässte Grün- und Ackerland in Richtung Norden der spontanen oder forstlichen Bewaldung zugeschlagen werden. Eine langfristige Entwicklung von Bauholz kann stattfinden. Sie wird durch die Moorgenossenschaft überwacht und vollzogen.
Abb. 77:
Wald, Entwurf mit Sukzession 99
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.12
09
Siedlungen und Bausubstanz
Die beiden Siedlungen Krasnopolyanskoe und Lermontovo, liegen an der A 229/E 28 von Tschernjachowsk nach Gussew. Auf der gegenüberliegenden Seite der Angrapa, durch eine Furt mit Krasnopolyanskoe verbunden, liegt Zarech‘e eine Ansiedlung bestehend aus drei bis vier Gehöften. Nachdem das Netz an Moorhöfen durch die russische Flurbereinigung größtenteils geschleift wurde, finden sich heute nur vereinzelt kleinere Siedlungen und Gehöfte in der Landschaft. Die direkt an der Zufahrt zum Torfabbaugebiet liegenden Wärter- und die Wirtschaftsgebäude der Firma „Krasnaja Gorka“ stellen eine weitere Ansammlung von Gebäuden dar. Vereinzelt sind Fundamente der ehemaligen, zumeist aufgrund der russischen Flurbereinigung geschleiften Moorhöfe entlang der Straße nach Zeleniy Bor zu finden. Zeleniy Bor ist neben Krasnopol‘e eine weitere größere Siedlung. Beide liegen an der Pissa und sind über eine Straße nördlich des Flusses mit Tschernjachowsk verbunden.
Abb. 78: 100
Siedlungsstruktur und Bausubstanz/Fundamente, Bestand
09
Entwurf Tschernjachowsk
9.4.13
Siedlungen und Bausubstanz Entwurf
Die vorhandenen Gehöfte in der Landschaft werden in den Produktions- und Stoffkreislauf der Moorgenossenschaft eingebunden. Zusätzlich werden – soweit dies für die Organisation des wirtschaftlichen Systems Nutzen verspricht – auf den noch bestehenden Fundamenten, neue Lager- und Wirtschaftsgebäude errichtet. Diese übernehmen Funktionen wie Lagerung (zur Trocknung, Vorratslagerung, etc. ) und Weiterverarbeitung der durch die Moorgenossenschaft produzierten Ausgangsmaterialien. Neben diesen schafft die Moorgenossenschaft Wohnraum für Arbeiterfamilien und Auszubildende, Gästezimmer für Moorliebhaber und -forscher, für Werkstätten und Klärsysteme (mit Phragmites). In neu entwickelter Bauweise80 gefertigt, werden für die neuen Gebäude regional und am Ort produzierte Baustoffe verwendet. Ein denkbares Beispiel wären in Holzbauweise gefertigte Gebäude, mit Reet gedeckte Dächer, mit drahtgebundenen Schilfplatten oder mit Dämmplatten aus Wolle, gehäckseltem Schilf bzw. anderen Fasermaterialien gedämmt. Im Bereich der Furt bei Zarech‘e an der Angrapa ist eine Floßlände zum Transport des Wert-/Bauholzes vorgesehen. Sowohl an der Angrapa, wie auch an der Pissa wird eine Anlegestelle mit Kanuverleih angeboten.
Abb. 79:
Siedlungsstruktur und Bausubstanz, Entwurf
80 Zur Entwicklung dieses Baustils ist eine Zusammenarbeit zwischen lokalen Fertigungsunternehmen, Architekten und (Aus-)Bildungseinrichtungen. Anhand der verwendeten Ausgangsmaterialien soll so eine regionaltypische, energieeffiziente und ökologische Baukultur erarbeitet werden, welche als Marke für die Region Tschernjachowsk wirken kann und durch die partizipative Mitarbeit Rückhalt in der Bevölkerung findet. Vgl. hierzu: Vorarlberger Bauschule (Kapfinger 2003 zit. n. Vorarlberger Architektur Institut) 101
Entwurf Tschernjachowsk
Abb. 69: 102
09
Angermoor: Vogelreiche Seenlandschaft mit Pioniervegetation (Wasserlilie, Froschlöffel, Kamille, Horstgräsern etc.)
09
Entwurf Tschernjachowsk
103
Entwurf Tschernjachowsk
104
09
09
Abb. 83:
Entwurf Tschernjachowsk
Renaturiertes Angermoor mit dem Wärter der Moorgenossenschaft 105
106
10
10
Fazit und Ausblick
Durch das wissenschaftliche und kulturelle Projekt „insterGOD/insterJAHR“ wurde in der Stadt Tschernjachowsk ein wichtiger Grundstein für partizipative Selbsthilfe gelegt. Das organisatorische Konzept, durch internationale Workshops Fachkräfte verschiedenster Bereiche aus Russland und Europa mit engagierten Bürgern der Stadt zusammenzubringen, erfährt lokales und überregionales Medieninteresse und sensibilisiert bereits Teile der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Politik für die bestehenden Probleme. Der Anspruch des Entwurfes besteht darin, einen Entwicklungsraum und dessen Nutzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dabei handelt es sich nicht so sehr um ein fest abgeschlossenes Konstrukt als eher um einen Leitfaden, der hauptsächlich versucht, neben ökonomischen und ökologischen Aspekten die raumbildenden Möglichkeiten der vorgeschlagenen Bewirtschaftungsformen zu verdeutlichen. So soll in der Bevölkerung und bei den örtlichen Behörden ein Bewusstsein für die landschaftlichen Qualitäten der Region geschaffen werden, um in Zukunft steuernd an deren (Weiter-)Entwicklung mitwirken zu können. Dafür müssen die grundlegenden Zusammenhänge geordnet und geknüpft werden. Zusammenhänge müssen den Menschen durch das Ordnen von Landschaftselementen und Strukturen erklärt werden und die Menschen der Region müssen eigene Erfahrungen in der Landschaft sammeln.
Aus diesem Blickwinkel sind die entworfenen Strukturebenen jede für sich ein System, das mehr oder weniger unabhängig von den anderen Ebenen verwirklicht werden kann, und dadurch einen Beitrag zur Verbesserung der Orientierung leisten kann. Der Bachelorthesis liegt das Verständnis zugrunde, dass erst durch das Zusammenspiel der landschaftlichen Strukturebenen - eine jede in konstanter Veränderung - eine Vielfalt entstehen kann, die auf lange Sicht zu einer anreicherungsund wandlungsfähigen Kulturlandschaft führen wird. Für die Weiterführung des aufgezeigten Entwurfes „TORFLANDschaft Tschernjachowsk“ bzw. von Teilen des Konzeptes liegt die größte Chance im Ausbau der durch „insterGOD/ insterJAHR“ initiierten, interdisziplinären und internationalen Kooperationen, sowie ein verstärktes Miteinbeziehen lokaler Wirtschaftsbetriebe in diesen Diskurs. Zudem müsste von Anfang an der ausbildende Part in die Projektentwicklung integriert werden, um die möglichen späteren Nutzer und Betreiber dieser nachhaltigen Landbewirtschaftung für die Sache zu gewinnen. Eine Zusammenarbeit mit Experten aus den Bereichen Umwelt- und Ingenieursökologie wäre bei der Ausarbeitung und Durchführung der detaillierten Vernässungs- und Renaturierungsmaßnahmen unabdingbar, um das Risiko von Fehlplanungen in diesen ökologisch sehr sensiblen Landschaftsräumen zu verringern. Nur so könnte das volle Potential genannter Landnutzungsformen in Hinblick auf Minimierung des Treibhausgasausstoßes und auf die Stoffsenkenfunktion intakter Moore ausgeschöpft werden.
Fazit und Ausblick
Dies hat insbesonders für eine detaillierte Ausarbeitung der vorgeschlagenen Nachnutzung des Angermoores als HochmoorRenaturierungsgebiet mit Erholungsfunktion und als Forschungsstation zu gelten. Hier wären tiefergehende Untersuchungen zum Wasserregime und anderen ökologischen Vorraussetzungen des Moorsystems und Abtorfunggebiets „Angermoor“ notwendig. Nicht zuletzt ist das Projekt von der Gunst der örtlichen, regionalen und nationalen Behörden, sowie teilweise von der internationalen Wirtschaft und deren Nachfrage an Produkten abhängig. Trotz dieser Risiken sollte versucht werden, eine vorwiegend genossenschaftliche Organisation, Finanzierung und Vermarktung zu erwirken, um entstehende Vorteile direkt der lokalen und regionalen Bevölkerung zukommen zu lassen. Zwar dürfte sich mit Hilfe einer Finanzierung durch wohlhabende Einzelinvestoren die Einführung der neuen Landnutzungstechniken sowie deren (anschließende) Vermarktung beschleunigen. Allerdings würde infolgedessen ein wesentlich geringerer Anteil des Reingewinns in die Verbesserung der Lebensqualität am Ort fließen. Das Eigenengagement aller Beteiligten führt letztendlich über dieses Projekt hinaus nicht nur zu größerem Verantwortungsbewusstsein für den öffentlichen Raum und die eigene Umwelt, sondern es nimmt eine wichtige Funktion bei der Förderung von Demokratie und von sozialer Verantwortung ein.
107
TORFLANDschaft
Abb. 84: 108
Nasses Land nahe Svoboda (Tschernjachowsk), Oblast Kaliningrad
TORFLANDschaft
109
Anhang
Anhang
Abb. 85: Siedlungsstruktur – Ländliche Bevölkerungsdichte nach Bezirken Kreise: Siedlungen; Hellblau: < 5 Ew./km2; Dunkelblau: 6-15 Ew./km2; Leichtes w: 16-25 Ew./km2; Mittleres Rot: 26-35 Ew./km2; Dunkelrot: > 36 Ew./km2; Grau: Urbane Haupt- und Mittelzentren 110
Anhang
Abb. 86: Ansprüche wichtiger Arten der Röhrichte und Riede an die Wasserversorgung Dunkelgrau: Umweltverträglich nutzbarer Feuchtebereiche mit Torfbildung oder Torferhaltung 111
112
Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis Literatur Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (2003): Leitfaden der Niedermoorrenaturierung in Bayern. Augsburg Ellenberg, Heinz & Leuschner, Christoph (2010): Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. 6. Auflage. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart Gaudig, Greta (2002): Das Forschungsprojekt: „Torfmoose (Sphagnum) als nachwachsender Rohstoff: Etablierung von Torfmoosen – Optimierung der Wuchsbedingungen“. In: TELMA, Band 32, November 2002, 227 - 242 Knappe, Elke (2004): Kaliningrad aktuell. Daten – Fakten – Literatur. Leibniz-Institut für Länderkunde. Selbstverlag. Leipzig Küster, Hansjörg (1999): Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa. Sonderausgabe: Von der Eiszeit bis zur Gegenwart. 1. Auflage. Verlag C.H.Beck. München Lindner, Rainer (2007): Defekte Großmacht: Die demographische Kriseals Zukunftsrisiko Russlands In: Russland in der internationalen Politik. Rückkehr einer Großmacht?. SWP. Berlin Michael Succow Stiftung zum Schutz der Natur (2008): DBU-Abschlussbericht-AZ-25584 zum Projekt: „MACHBARKEITSSTUDIE FÜR DIE ENTWICKLUNG EINES LÄNDERÜBERGREIFENDEN GROßSCHUTZGEBIETES ROMINTER HEIDE (KALININGRAD GEBIET/RUSSLAND UND POLEN)“. Institut für Botanik und Landschaftsökologie. EMAU Greifswald Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde – DUENE e.v. (2005): Erlenaufforstung auf wiedervernässten Niedermooren – ALNUS-Leitfaden. 2. unveränderte Auflage. Greifswald Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern (2009): Konzept zum Schutz und zur Nutzung der Moore – Fortschreibung des Konzeptes zur Bestandssicherung und zur Entwicklung der Moore in Mecklenburg-Vorpommern (Moorschutzkonzept). Landesamt für innere Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin Pfadenhauer, Jörg (1997): Vegetationsökologie – ein Skriptum –. 2. Auflage. IHW-Verlag. Eching 113
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114
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Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis Die alle Pläne wurden auf folgenden Kartengrundlagen ertellt: Messtischblätter (TK 25) Ostpreußen. Institut für Geographie und Geologie, Uni Greifswald 1: 25.000 Bilderzusammenstellung von Google Earth 2011
Abb. 1:
Baltisches Meer und Oblast Kaliningrad. Karte: NormanEinstein
Abb. 2:
Siedlungsstruktur Oblast Kaliningrad. Karte: Verteilung und Größe der Siedlungspunkte im Gebiet Kaliningrad, Dedkov, V. 2006
Abb. 3: Altpreußische Landschaften (13. Jh.). Karte: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c4/Altpreußische_Landschaften_im_13._Jahrhundert.png Abb. 4:
Deutsches Ordensland im 14. Jahrhundert. Karte: http://www.heimatkreis-neumark.de/Bilder-Karten/Ordensland-13-Jh.JPG
Abb. 5:
Deutsches Reich (1919-1937). Karte: http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:DR1919-1937.svg
Abb. 6:
Ethnische Struktur. Graphik: Knappe 2004
Abb. 7:
Verkehrsinfrastruktur. Karte: Knappe 2004
Abb. 8:
Internationale Fernstraßen. Karte: Knappe 2004
Abb. 9:
Kanal Tschernjachowsk. Photo: J.-P. Wassermann 2011
Abb. 11: Industriestandorte. Karte: Knappe 2004 Abb. 14: Klimadiagramm. Bernhard Mühr 2007 (www.klimadiagramme.de) Abb. 15: Gewässerstruktur Kaliningrader Gebiet. Karte: R. Enhuber 2011 117
Abbildungsverzeichnis
Abb. 17: Zehlaumoor. Photo: Michael Succow Stiftung 2009 (http://www.succow-stiftung.de/kaliningrad-zehlau-moor.57.html) Abb. 18: Abgetorftes Hochmoor mit Sukzessionsvegetation, Zentral Russland. Photo: Google Earth 2011 Abb. 20: Vorhandene und potentielle Naturschutzgebiete Kaliningrader Gebiet. Karte: Dedkov, V. 2006 Abb. 21: Naturschutzgebiete und Geomorphologie Kaliningrad. Karte: Knappe 2004 Abb. 22: Region Tschernjachowsk. Bilderzusammenstellung von Google Earth 2011 Abb. 23: Angrapa bei Tschernjachowsk. Photo: S. Wallerius 2011 Abb. 30: Beurteilung der Nutzungsvarianten auf Niedermoor anhand ausgewählter Parameter. Graphik: Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008 Abb. 32: Sommer- und Wintermahdflächen auf der Insel Schadefähre (Unteres Peeneta). Photo: G. Olsthoorn Abb. 34: Röhricht-Vollernter. Photo: W. Wichtmann Abb. 35: Drahtgebundene Reet-Dämmplatten. Photo: W. Wichtmann Abb. 36: Reet-Lagerung. Photo: http://www.verein-kulturlandschaft.de/reeternte-heute Abb. 37: Reet als Dachdeckung. Photo: F. Tanneberger Abb. 38: Erlenwald. Photo: M. Succow Abb. 40: Torfmoose. Photo: F. Gahlert Abb. 41: Torfmoos-Ernter. Photo: W. Wichtmann
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 43: Fieberklee. Photo: Jürgen Grensing (http://www.panoramio.com/photo/5848027) Abb. 44: Duftendes Mariengras. Photo: http://ionxchange.com/products/HIEROCHLOE-ODORATA-|-Sweet-Grass.html Abb. 46: Heckrind (Thomas Rasel, Zoonar, http://www.heim-und-haustiere.de/nutztiere/auerochsen.htm) Abb. 47: Schaf. Photo: Urheber leider unbekannt. Abb. 48: Kultivierte Niedermoorstandorte. Photo: Walter Thiel Abb. 50: Strukturen Schilfröhricht. Photo: David Wright (http://www.geograph.org.uk/photo/325464) Abb. 61: Extensive Beweidung durch Heckrinder. Photo: Tschernjachowsk: S. Wallerius 2011 Abb. 68: Umgebung des Angermoors und Schemaschnitt (Hochmoorweite – Angrapa). Bilderzusammenstellung von Google Earth 2011 Abb. 83: Renaturiertes Angermoor mit dem Wärter der Moorgenossenschaft. Photo: J.-P. Wassermann 2011 Abb. 85: Siedlungsstruktur – Ländliche Bevölkerungsdichte nach Bezirken. Dedkov, V. 2006 Abb. 86: Ansprüche wichtiger Arten der Röhrichte und Riede an die Wasserversorgung. Graphik: Timmermann 2003 zit. n. Universität Greifswald in Zusammenarbeit mit DUENE e.V. 2008
Die Urheberschaft aller oben nicht aufgeführten Abbildungen und Zeichnungen liegt bei dem Verfasser.
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Danksagung Mein Dank gilt meinen Betreuern, für die fachliche Unterstützung sowie die freundschaftliche, motivierende Art im Umgang mit uns Studenten: Prof. Dr. Sören Schöbel-Rutschmann Prof. Dr. Stefanie Hennecke Dipl.-Ing. Daniel Czechowski Dipl.-Ing. Andreas R. Dittrich M. Sc. Georg Hausladen (Projektintegration Ökologie) Dipl.-Ing. Norman Siebrecht (Projektintegration Ökologischer Landbau) Mein herzlicher Dank an meine Familie, die mir all diese wunderbaren Exkursionen ermöglicht, an Sophia für das immer wieder herzliche und spontane Beherbergen in Berlin, sowie an all die Freunde, welche ich in der Ferne kennenlernen darf und alle anderen, die zu Hause bleiben und mich immer wieder herzlichst empfangen! Bedanken möchte ich mich außerdem bei Frau Bücherl für die Milch zum Kaffee, bei der Landschaft der Oblast Kaliningrad und bei Felice und Kurt, die mit mir durch dick und dünn gehen, bei Silvia, Kathi und Regina, dafür dass ihr so herrlich seid, wie ihr seid, und bei Olga, die mir mit ihrer Geduld eine russische Verständigung am Ort ermöglichte und die Kommunikation auf der Exkursion sehr vereinfachte. Freund Maté und die anderen Energie- und Erfrischungsgetränke waren mir stets verlässliche Begleiter.
Spasibo! Danke!
Johann-Christian Hannemann Freising, im August 2011
TORFLANDschaft
Impressum Johann-Christian Hannemann MoosstraĂ&#x;e 36 85356 Freising Matrikelnummer: 3134774 johann-hannemann@freenet.de +49.151.17889663