Diana. Gefangen zwischen digital und analog

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Laura Handler 2012


GEFANGEN ZWISCHEN DIGITAL UND ANALOG


Einleitung Das Wort »Diana« ist vielen Leute bekannt, nur unterscheidet sich die Interpretation des Begriffes bestimmt. In erster Linie kann Diana als ein Frauenname gelten, auch war »Diana« in der römischen Mythologie die Göttin der Jagd, des Mondes und der Geburt, Beschützerin der Frauen und Mädchen. Varianten des Frauennamens sind »Lana«, »Deana« und »Diviana«. »Diana« steht ebenfalls für den Namen einer Mittelformatkamera aus einem Plastikgehäuse für 120 mm Rollfilme. Entwickelt wurde sie in den 1960er-Jahren in Hong Kong, die Firma hieß »Great Wall Plastics Factory«. Vor allem war sie aufgrund der günstigen Erzeugung ein Hit. Sie wurde jedoch durch die 35 mm Kleinbildkamera verdrängt. Die Lomografische Gesellschaft stellte in den 1990er-Jahren eine leicht modifizierte Kopie der ursprünglichen Diana her, weil die Nachfrage an Lomo-Kameras in dieser Zeit stieg. Das Modell wurde »Diana+« genannt. Drittens ist »DIANA Mayer & Grammelspacher GmbH & Co.KG« ein deutscher Hersteller von Druckluftwaffen. In meinem Fall, oder besser gesagt, im Fall dieses Buches sieht es so aus, dass »Diana« eine Zusammensetzung aus zwei Wörtern ist, die Formel lautet:

So haben wir also nun klargestellt, wie ich auf die Betitelung meiner Bachelorarbeit gekommen bin. Warum ich die zwei Adjektive überhaupt miteinander verbinde, geht aus folgenden Gründen hervor: Ich bin in den 1980er-Jahren geboren. Das bedeutet, ich war ungefähr 13 Jahre als, als das sogenannte »digitale Zeitalter« anbrach. So habe ich meine erste Kamera – es war übrigens eine knallgelbe Kodak 35 mm Kompaktkamera und ein unglaublicher Batterienfresser – noch nach den Regeln der analogen Fotografie bedient. Das bedeutet, Film einspulen, Batterien einlegen, den Film ausknipsen, diesen zurück in den Drogeriemarkt bringen und mindestens eine Woche Wartezeit totschlagen, bis


man im selbigen Markt das Kuvert mit den entwickelten Fotos sowie den zerschnittenen Negativen für etwaige Nachentwicklungen abholen kann. Diese Geschichte war schon spannend, die Funktion, ein Foto unmittelbar nach der Aufnahme zu löschen, gab es nicht, der Überraschungseffekt war um einiges höher und somit war die Spannung des gesamten Prozesses ein vielfaches des heutigen Fotografierens. Nichtsdestotrotz freundete ich mich sehr schnell mit den neuen Medien an, führte Konkurrenzkämpfe mit meinen Freunden, wer schneller das neueste Zeug hatte und so weiter. Die gute Kodak geriet sehr schnell in Vergessenheit, als ich bald im Besitz einer digitalen Kompaktkamera war. Erst in der Fotoschule Wien, welche ich mit 19 Jahren startete, brachte mich wieder zurück zur ursprünglichen Technik des Fotografierens. Ich lernte sogar, mit Groß- und Mittelformatkameras umzugehen. So begann allmählich der innere Konflikt zwischen Analogkamera und Digitalkamera, welchen ich eigentlich immer meiner momentanen Laune nach regelte. Doch das war erst der Beginn des Gefangenseins zwischen digitaler und analoger Welt, denn dieses Gefühl des »in-der-Mitte-zweier-Medien-stehen« breitete sich auf weitere Bereiche des täglichen Lebens aus, wie beispielsweise das Medium Schrift. Schreibt man im Unterricht nun mit der Hand, oder schleppt man den schweren Lap Top mit, nimmt Schulterschmerzen in Kauf, um sich die Anstrengungen beim Handschreiben zu ersparen? Überträgt man seine bestehenden Brieffreundschaften auf E-Mails? Mir war die Ernstheit des Zwispaltes nie wirklich bewusst, bis eines Tages, im Jahr 2011, als ich eines Samstags durch den KettenbrückengassenFlohmarkt spazierte und in schmudeligen Bananenkisten und Schuhkartons die wundervollsten, alten Dinge fand, wie Fotos, Briefe, Postkarten, Filmzeitungen, alte Wecker bei denen die Klingeln wirklich noch Klingeln waren und vieles mehr. So kam ich zu dem Entschluss, sämtliche über Monate gesammelte/gefundene/gekaufte Dokumente, in einer für mich angemessenen Form zu konservieren. Willkommen in meiner Schuhkiste voller Schätze!


Einleitung

digital (20. Jahrhundert) aus lat. digitalis »zum Finger gehörig« zu digitus »Finger«, eigentl. »Zeiger«, über

dicitus aus dicere »zeigen«. Meist mit dem Finger (mit Maschinen: mit den Ziffern)

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Einleitung

analog aus griech. analogos »übereinstimmend«, eigentlich »der Vernunft entsprechend« aus ana »auf, hinauf, längs, entlang, gemäß, entsprechend« und

logos »Vernunft«, »Ähnlich, entsprechend«


Fotografie


Teil eins // Abt. Fotografie // Diana erzählt » Früher Verfahren der Bildherstellung » Analoge Fotografie » Digitale Fotografie » Kameras und Filme » Digitalisierung der Fotografie » Die Auswirkungen der Digitalisierung der Fotografie » Das (Un)Bewusste in einem Foto

Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt


TEIL EINS


Abt. Fotografie//Von Geschichte und Digitalisierung, Diana erzählt.

Wir schreiben das Jahr 2012, ständig gibt es Neuerungen im Bereich der Digitalen Fotografie. Doch auch auf der Anderen, der Analogen Seite fängt sich der erschlaffende Herzschlag, um seine Vorzüge gegenüber der Ditialen Welt zu zeigen. Ich befinde mich – wie zu erwarten – wieder einmal in der Mitte. Vergleiche man die zwei Themenbereiche mit Pralinenschachteln, würde ich sagen, ich nasche bei jeder Schachtel mit und picke mir mit höchstem Vergnügen meine Lieblinge heraus. Eine Eigenschaft, die ich von meinem lieben Vater übernommen habe, ist jedoch, dass ich nicht wohlschmeckende, halb-angenagte Pralinen wieder zurück in ihre Verpackung gebe, in der Hoffnung, niemanden fällt es auf. Tja, so passierte mir bereits die ein oder andere Fehlentscheidung im Fegefeuer zwischen digital und analog. Gott sei dank bin ich der Meinung, dass man aus Fehlern lernen kann.


Teil eins // Abt. Fotografie // Diana erzählt

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Frühe Verfahren der Bildherstellung Die Anfänge der Fotografie gehen bis in das späte 18. Jahrhundert zurück. Die ersten fotografischen Experimente wurden mit Lochkameras durchgeführt. Der Folgende Text ist eine komplexe Mischung aus eigenem Wissen, Schulskripten ohne Quellen und diversen Fotografie-Websites sowie Blogs.

CAMERA OBSCURA Bild: Wikipedia


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Teil eins // Abt. Fotografie // Diana erzählt

Camera Obscura / Lochkamera Das Prinzip der Lochkamera beziehungsweise der Camera Obscura, dass, wenn ein Lichtstrahl durch eine kleine Öffnung von außen in einen völlig abgedunkelten Raum und auf der gegenüberliegenden Wand des Raumes alles zeigt, was sich außerhalb befindet, war schon Aristoteles bekannt. So war mit der Lochkamera der erste Schritt in der Fotografie getan. Die Lochkamera funktioniert folgendermaßen: Eine Lochkamera ist im Grunde eine dunkle Kiste mit einer winzigen Öffnung, man braucht dafür auch keine optische Linse – die dunkle Zelle mit einer kleinen, verschließbaren Öffnung in der Frontwand reicht aus. Weil das Loch meist mit einer Nähnadel gestochen wird, heißt der englische Terminus »pinhole camera«. Das auf der gegenüberliegenden Innenseite der Kammer entstehende reelle Bild dessen, was von der Außenwelt durch die kleine Öffnung hineinprojiziert wird, lässt sich auf lichtempfindlichem Material wie Fotopapier oder Film, oder über einen elektronischen Bildwandler, einen Bildsensor festhalten. Durch die Lochblende werden nahezu alle Lichtstrahlen, bis auf ein möglichst kleines Bündel in gerader Verbindung zwischen Objekt- und Bildpunkt, ausgeblendet. Der kleine Durchmesser der Blende bestimmt die Bildschärfe, je kleiner das Loch ist, desto schärfer ist das Bild. In den physikalischen Grenzen der Strahlenoptik erzeugt ein unendlich kleines Loch eine unendlich scharfe Abbildung, die jedoch unendlich lichtschwach ist. Man setzte der Lochkamera dort, wo das Loch angebracht war, eine Sammellinse ein. Die Sammellinse macht aus einem parallelen Lichtstrahlenbündel ein konvergentes, wodurch sie ein reelles Abbild der Umgebung erlaubt. Man kennt bestimmt das Bild aus alten Filmen oder auch aus eigener Erfahrung, dass Fotografen mit Großformatkamera ein Tuch über den Kopf legen, wenn sie im Begriff sind, durch die Kamera so schauen, das wird auch bei der Camera Obscura zur Abdunkelungshilfe beim hineinschauen angewandt. Anfangs war die Camera Obscura eine begehbare, verdunkelte

Kammer, die den Künstlern als Zeichenhilfe diente, im 17. Jahr hundert baute man schließlich kleine, kastenförmige Kameras mit Linsen. Im Vergleich zu einer Fokuskamera sind die Bilder einer Lochkamera in der Regel unschärfer, da das Loch wegen der Lichtstärke und wegen der Lichtstreuung nicht beliebig klein gewählt werden kann. Bei starken Vergrößerungen lässt sich mit einer Lochkamera jedoch ein besseres Auflösungsvermögen erreichen als mit einer fokussierenden Kamera mit kurzer Brennweite. Außerdem sind ihre Bilder frei von Verzeichnungen und Farbsäumen. Schließlich ist zu beachten, dass bei einer fokussierenden Kamera bei einer gegebenen Fokussierung immer nur die Gegenstände in einer bestimmten Gegenstandsweite scharf abgebildet werden. Je nach der Blendenzahl nimmt die Schärfentiefe für davor oder dahinter liegende Gegenstände rasch ab. Die deutlich bessere Schärfentiefe der Lochkamera ist jedoch nicht auf die Eigenschaften einer linsenlosen Kamera oder einer linsenbehafteten Kamera zurückzuführen, sondern auf die unterschiedlichen Zerstreuungskreise, die sich ergeben. Laterna magica Eine Lichtquelle, beispielsweise ein Petroliumbrenner oder Kerzenlicht, wirft das Licht, welches durch einen Spiegel reflektiert und somit verstärkt wird, durch die Öffnung eines Kastens und dort davorgeschobene bemalte Glasstreifen. Diese Bilder werden mittels Linsen auf die Wand projiziert. Man versteht die Laterna magica als Vorläufer des Diaprojektors, jedoch wurden ihre Bilder abgemalt. Physionotrace Als Zeichenhilfe, sowie als Graviergerät wurden Silhouetten nachgezeichnet und verkleinert, welche im Anschluss auf Metallplatten aufgetragen werden konnten. Die Platten wurden im Folgenden gedruckt.


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Erste fixierte Bilder Ab dem 16. Jahrhundert wurden auch bikonvexe, anders gesagt nach beiden Seiten nach außenhin gewölbte Linsen eingesetzt. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um einen Kasten, an welchem an einer Wand ein kleines Loch angebracht ist. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kastens projizierte sich umgekehrt dann das durch das Loch einfallende Licht an die Wand. Zum einen diente sie als Zeichenhilfe, sie war andererseits aber auch aufgrund ihrer ausgefallenen physikalischen Funktionsweise eine Attraktion. In England baute man sogar begehbare Modelle der »Camera obscura«. Schon 1798 experimentieren die Brüder Niépce mit Möglichkeiten, deren Bilder festzuhalten, die erste Fotografie entstand tatsächlich erst 1816, also 18 Jahre später. Joseph Nicéphore Nièpce gelang es dann erstmals mit Hilfe der camera obscura ein Bild festzuhalten und auf Chlorsilberpapier zu bannen. Problem war leider, dass er noch nicht wusste, wie er das Bild fixieren könne. Aber schon 1826 präsentierte er das erste Foto der Welt: Ein Blick aus seinem Arbeitszimmer, im Format 20 x 16,5 cm. Die Belichtungszeit betrug satte 8 Stunden (siehe Abb. rechts). Die heute unendlich erscheinende Belichtungszeit kann man an dem Sonnenlicht in der Fotografie erkennen, da es sowohl an die linken Hausfasaden, als auch an die rechten trifft.

Louis Jacques Mandé Daguerre, ein Partner von Nicéphore Nièpce verwendete Jahre später ein noch besseres Verfahren, die sogenannte »Daguerreotypie«. Dabei wurden spiegelglatt polierte Metallplatten – meist wurden versilberte Kupferplatten verwendet – mittels Joddampf lichtempfindlich gemacht. Durch die Bedampfung bildete sich an der Oberfläche der Silberschicht Silberiodid beziehungsweise Silberbromid. Die Platte musste danach im Dunkeln aufbewahrt und möglichst bald verwendet werden, weil sie nur kurzfristig haltbar war. Beim Belichten setzte man sie an der Rückseite eines Fotoapparates dem durch das Objektiv der Kamera einfallenden Licht aus. Auf ihre Oberfläche wurde ein kopfüber stehendes und zudem seitenverkehrtes Bild projiziert. Wegen der geringen Empfindlichkeit des Jodsilbers dauerte eine Belichtung an der Sonne anfangs zehn bis fünfzehn Minuten. Entwickelt wurde mit Quecksilberdämpfen, fixiert mit Salzlösung. Da der Quecksilberniederschlag sehr berührungsempfindlich war, wurden die Bilder meistens mit einem Passepartout hinter einer Glasscheibe luftdicht gerahmt. Die Gefährlichkeit der Dämpfe ist ein Nachteil des Verfahrens. Das Verfahren wurde mit der Zeit verbessert, auch die Objektive wurde lichtstärker und so wurde die Belichtungszeit erheblich verkürzt, somit waren fortan auch Porträtaufnahmen möglich. Die auf die Metalloberflächen gebannten Bilder waren allesamt Unikate. Schon von Anfang an hatte die Daguerreotypie einen hohen Stellenwert in der Fotografie erlangt, die Bilder waren auch unter der Lupe sehr detailreich. Eine besondere und sehr charakteristische Einschränkung gibt es beim Betrachten der Bilder: Die Schattenpartien der Aufnahmen werden durch blankes Silber repräsentiert. Je nachdem, ob sich darin Licht oder Dunkelheit spiegelt, sieht man eine Daguerreotypie negativ oder positiv. Daguerra wurde aufgrund der Erfindung der


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Daguerreotypie geadelt. Anfangs waren die Fotografien von einer grau-bläulichen Farbtönung beherrscht. Das änderte sich 1840, als die Goldtonung von Hippolyte Fizeau eingeführt wurde und die Fotografien somit eine weit natürlichere Wirkung erzielten. Die »Talbotypie«, welche nach William Henry Fox Talbot benannt wurde, machte es dann wenig später möglich, Negative mittels Kontaktkopierverfahren herzustellen, um im Anschluss Positive daraus zu entwickeln. Das machte es schließlich leicht, Fotos zu vervielfältigen, denn bis zu diesem Zeitpunkt war jedes Bild lediglich ein Unikat. Damit war der Siegeszug der Fotografie praktisch eingeleitet: Das aufstrebende Bürgertum und die Möglichkeit der massenhaften Vervielfältigung ebneten dafür den Weg. Porträtaufnahmen erfreuten sich nun zunehmend auch außerhalb adeliger Schichten wachsender Beliebtheit. Die immer noch langen Belichtungszeiten forderten jedoch von Fotografen und Fotografierten äußerste Disziplin ab. Ende des 19. Jahrhunderts machte die Fotografie große Schritte in ihrer Entwicklung. 1887 wurde der Zelluloidfilm erfunden und bessere Linsen machten bessere Fotos mit kürzerer Belichtungszeit möglich. Bereits 1907 entwickelten die Gebrüder Lumières den ersten Farbfilm. Leica führte 1925 schließlich den 35 mm Kleinbildfilm ein. Dieser bestand aus einem normalen Kinofilm, lediglich mit einer Kamera rundherum.

J. Nièpce L. J. M. Daguerre W. H. T. Talbot


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das erste Lichtbeständige Foto der Welt

POINT DE VUE DU GRAS, 1826 Joseph Nicéphore Nièpce

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Joseph Nicéphore Nièpce ist jener Mann, dem es 1826 gelang, das vermutlich erste lichtbeständige Foto der Welt zu entwickeln. Dem Willen, ein Abbild der Natur fotografisch zu fixieren,lag sein unzureichendes Zeichentalent zugrunde - danke hierfür! Die Lithografie war zu diesem Zeitpunkt schon erfunden, Niépce baute auf das schon vorhandene Wissen auf und versuchte, Lithografiesteine lichtempfindlich zu machen, um die Bilder zu fixieren, welche er mit seiner selbstgebauten Camera obscura aufnahm. Die Steine erwiesen sich als ungeeignet und schließlich – nach vielen fehlgeschlagenen Versuchen – wandte er sich an einen Pariser Optiker, welcher ihm eine fachmännisch hergestellte Camera obscura verkaufte. Zinnplatten erwiesen sich als geeignete Schichtträger. Entwickelt wurde sie mit Lavendelöl, das die nicht durch das Licht gehärteten Stellen des Asphalts von der Platte ablöste. Die Kamera stelle er in das Fenster seines Landhauses, belichtete die zuvor lichtempfindlich gemachte Platte ungefähr acht Stunden. Das Ergebnis war eine vollständige Aufnahme des Hofes seines Familienbesitzes »Le Gras« in Chalon-sur-Saône. Aufgrund der sehr langen Belichtungszeit ist die entstandene Fotografie zwar unscharf, weil der gewanderte Schatten in der Belichtungszeit gewandert ist, dennoch, die erste fotografische Aufnahme der Welt war geschaffen.

»Das höchste Werkzeug der Fotografie ist das Licht.«


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Analoge Fotografie Dass analoge Kameras mit Batterien und Filmen, digitale Kameras mit Speicherkarten und meist wiederaufladbaren Akkubatterien zu verwenden sind, ist fast jedem klar. Doch wie unterscheiden sich diese zwei Medien noch? Wird anders gearbeitet? Sind digitale Kameras simpel als die Nachfolger der analogen zu betrachten?

Die Diapositivfotografie Bei analoger Standardfotografie werden Negativfilme benutzt, welche in die Kameras eingesetzt werden. Sie werden belichtet und folglich, wenn der Film ausgeknipst ist, aus der Kamera genommen und entwickelt. Bei der Diafotografie ist der Prozess des Fotografierens zwar der selbe, jedoch werden nicht Negativfilme in die Kamera eingelegt, sondern Positivfilme. Als Positivfilm bezeichnet man einen fotografischen Film, der primär als Kopiermaterial für Filmkopien angewendet wird und dessen Farben und Grauwerte unmittelbar in ihren natürlichen Abstufungen sichtbar sind. Positivfilme haben als Kopiermaterial eine wesentlich niedrigere Lichtempfindlichkeit und sind feinkörniger. Der Positivfilm ergibt nach der Entwicklung ein projizierbares Diapositiv. Ein Dia ist ein spezieller fotografischer Film, bei dem Grauwerte oder Farben sofort in ihren natürlichen Abstufungen sichtbar gemacht werden; ein Diafilm – auch Umkehr- oder Diapositivfilm genannt – ist also das Gegenteil eines Negativfilms, bei dem die umgekehrten Abstufungen ersichtlich sind. Nach der Entwicklung ergibt ein Diafilm unmittelbar ein so genanntes Diapositiv. Vorteile von Dias findet man in erster Linie hinsichtlich der Farbtreue und hohen Schärfe, außerdem beim großen Tonwertumfang. Vor allem bei der Projektion treten diese Vorteile klar hervor. So ist die Qualität eines projizierten Kleinbilddias gegenüber eines mit Hilfe

des Beamers projizierten digitalen Bildes weit überlegen; dies gilt sowohl für die Auflösung als auch für den Kontrastumfang. Man erhält bei projizierten Diapositiven in der Regel immer die originale Farbe, was bei Bildern vom Negativ nicht immer der Fall ist, da hier die Farbgebung von der Kompatibilität des Fotopapiers und des Negativfilms und auch von der Farbe des Lichts bei der Belichtung abhängig ist. Ein klarer Nachteil von einem Dia auf der Basis des Umkehrfilms ist, dass es hier um ein Unikat handelt, das einem relativ hohen Beschädigungsrisiko ausgesetzt ist: Staub, Kratzer, Licht, Fingerabdrücke und Feuchtigkeit. Diapositive weisen eine Gelatineschicht auf und sind somit gegen Pilze und Bakterien anfällig, dadurch kann es im Laufe der Zeit zur Bildung von Löchern kommen, die das Dia zerstören. Die Abkürzung DIA steht für »Diapositiv-Film« und wird des öfteren auch als Umkehrfilm bezeichnet. Ein DIA ist technisch gesehen nichts anderes, als eine fotografische Emulsion, die auf einen transparenten Träger aufgebracht wurde. Durch eine entsprechende Projektion (z.B. durch einen Dia-Projektor oder Leuchtkästen) kann das Bild betrachtet werden und glänzt dabei, im Vergleich zum Foto, mit leuchtenderen Farben. DIA-Filme benötigen in der Regel eine niedrigere Belichtung, als herkömmlicher Foto-Film und werden durch eine spezielle Umkehrentwicklung gefertigt.


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Die negativfotografie Vereinfacht ausgedrückt, besteht sie aus einem Linsensystem (Objektiv), einer Blende und einem Verschluss. Das Objektiv sorgt dafür, dass die Kamera das gewünschte Motiv scharf abbildet, während die Blende die Lichtmenge reguliert, die auf den Film gelangt. Sobald der Auslöser der Kamera betätigt wird, öffnet sich der Verschluss. Das einfallende Licht trifft, nachdem es das Linsensystem und die Blende passiert hat auf den lichtempfindlichen Film. Eine automatisch stattfindende chemische Reaktion in der Filmbeshcichtung speichert die vom Licht transportierten Bildinformationen auf dem Film, die anschließend durch den Entwicklungsprozess dauerhaft fixiert wird. Bei der analogen Fotografie spielt die Lichtempfindlichkeit des eingelegten Films eine entscheidende Rolle, weil sie den Schwärzungsgrad und die Farbdichte beeinflusst und damit das Bildergebnis stark verändern kann. Wer erstklassige Resultate wünscht, sollte deshalb stets eine Auswahl von Filmen mit unterschiedlichen Empfindlichkeitsstufen bei sich haben. Die Lichtempfindlichkeit wird in ISO angegeben. Während für Aufnahmen bei Sonnenschein oder in Standardsituationen ein ISO 100- beziehungsweise ISO 200Film reicht, sind ISO 400 oder ISO 800 für Aufnahmen mit wenig Licht erforderlich. Filme mit noch höherer Empfindlichkeit, beispielsweise ISO 3200 kommen in der Hochgeschwindigkeitsfotografie oder bei sehr wenig Licht zum Einsatz.


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Digitale Fotografie Zunächst präsentiert sich eine Digitalkamera mit einer ganzen Reihe aus der klassischen Fotografie bekannten Komponenten und Begriffen. Sie besitzt einen Sucher, ein Objektiv und einen Auslöser. Auch sieht sie ihren analogen Pedants ähnlich, aber die Digitalkamera funktioniert völlig anders.

Die Aufnahmen bei Digitalkameras werden nicht auf einem Film, sondern als digitale Informationen auf einem Speichermedium festgehalten. Beim genauen Betrachten der Funktionsweise zeigen sich noch weitere Unterschiede: So verbirgt sich das Herz einer Digitalkamera hinter der Blende. Hier befindet sich der Chip, ein lichtempfindliches Halbleiterelement, das aus vielen winzigen Silizium-Dioden besteht. Trifft Licht auf diesen Sensor, laden sich die einzelnen Pixel elektronisch auf. Diese Ladungen werden als elektronisches Spannungssignal ausgelesen. Bei der Analog-Digital-Wandlung werden dann die analogen Spannungswerte für jeden Bildpunkt in digitale Helligkeitswerte umgesetzt. Die kamerainterne Bildverarbeitung, bestehend aus einem ASIC-Chip plus Software, optimiert die Ergebnisse. Das so rekonstruierte Digitalbild wird danach auf das Speichermedium übertragen. Vereinfacht ausgedrückt, ersetzt also die Kombination von Chip, Imaging Prozessor (Kombination aus Hard- und Software) sowie Speichermedium bei einer Digitalkamera den Dia- beziehungsweise Negativfilm. Anders als bei analoger Fotografie, wo man beim Kauf des Filmes auf die ISO-Werte achten muss, kann bei der Digitalfotografie der ISO-Wert an jedes Foto angepasst werden. Die ISO-Werte sind mit denen der analogen Kamera vergleichbar. Der eingebaute Chip ist dafür da. Während bei einer herkömmlichen Kamera die Bildauf-

nahme mit Hilfe eines Films erfolgt, erfassen digitale Modelle das Foto, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, mittels eines Chips auf Siliziumbasis. Er besteht aus eiern Vielzahl winziger Fotozellen, die man sich als kleine Einzelkameras vorstellen kann. Jede dieser Mini-Kameras erfasst jeweils ein Motivdetail und setzt es in einen Spannungswert um. Je höher der Wert, desto heller der Bildpunkt später auf dem Monitor. Und je mehr solcher Werte für ein Motiv erfasst werden, umso höher ist die Bildauflösung. Diese Basistechnik ähnelt in weiten Teilen eher einer Video- denn einer klassischen Kamera mit Filmmaterial, und tatsächlich versahen in den ersten Modellen die Chips aus der Videotechnik ihren Dienst. Die Auflösung eines Chips ist aber sehr begrenzt – das Fernsehbild benötigt einfach nicht mehr – und daher sind in den aktuellen Digitalkameras speziell entwickelte Chips mit meist mehreren Millionen Bildpunkten eingebaut. Der Bildsensor liefert das Rohmaterial eines digitalen Bildes, die so genannten Pixel. Ein digitales Bild ist – egal, ob es von einem Scanner, aus einer Digitalkamera oder von einer CD stammt – wie ein Mosaik aus kleinen Elementen aufgebaut. Statt bunter Steinchen sind es auf dem Monitor jedoch die Pixel,die gemeinsam das Motiv erzeugen. Die Pixel sind quadratische Punkte mit einer jeweils einheitlichen Farbe, innerhalb derer es keine weitere Unterteilung mehr gibt. Die Bildsensoren der Digitalkameras bestehen aus vielen winzigen Zellen, die beim Lichteinfall durch das Objektiv kleine Elektrizitätsmengen abgeben, wobei die Höhe der Spannung die Helligkeit des einzelnen Bildpunktes bestimmt. Diesen elektronischen Filmersatz, der genau dort sitzt, wo sich bei herkömmlichen Kameras der Film befindet, gibt es in verschiedenen, teilweise sehr unterschiedlichen Varianten. 1995 kamen schließlich erste digitale Amateurkameras auf den Markt.


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»Pixel« setzt sich zusammen aus den Worten »picture« und »element«. Es ist die kleinste Einheit eines Fotos. Ein Pixel hat immer eine einheitliche Farbe.


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Kameras und Filme Fotoapparate kann man sowohl nach dem verwendeten Film- bzw. Aufnahmeformat als auch nach der Bauart unterschieden. Geht man nach dem Aufnahmeformat, so lassen sich drei Klassifikationsgruppen in beiden Bereichen bilden.

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GroSSformatkamera: Die Großformatkamera ist der älteste Kameratyp und exisitiert bis heute im Grunde kaum verändert als Fach- und Studiokamera. Jede Großformatkamera hat weiterhin ein Objektiv, einen Ausziebalgen und eine Mattscheibe, mit deren Hilfe man scharf stellt. Danach legt man eine Filmkassette mit einem Planfilm ein. Man belichtet jeweils ein einzelnes Blatt Film. Das gebräuchlichste Filmformat dieses Kameratypen sind Planfilme mit dem englischen Maß 4 × 5 inch.

MitTelformatkamera: Hier verwendet man sogenannte Rollfilme. Das einzelne Foto auf dem Filmstreifen hat je nach Kamera ein Ausmaß von 6 × 6, 6 × 7, 6 × 4,5 oder 6 × 9 cm. Die häufigste Variante ist jedoch 6 × 6 cm, als gutes Beispiel gilt die Marke »Haselblad«. Fotografieren auf Mittelformat ist um einiges teuerer, liefert aber auch technisch qualitativere Ergebnisse, vor allem in Bezug auf die Vergrößerbarkeit. Bis zur Erfindung der Leica galt die Mittelformatkamera als Kleinbildkamera, denn schon die Mittelformatkamera war die abgespeckte Version der Großformatkamera, was sich auch in den Kosten zeigte und immer noch zeigt.

Kleinbildkamera: Der Kleinbildfotoapparat ist heutzutage der gebräuchlichste Kameratyp. Die Kleinbildkamera wurde in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts von Oskar Barnack hergestellt. Er entwickelte die erste Leica. Ein einzelnes Foto auf einem Kleinbildfilmstreifen hat ein Ausmaß von 24 × 36 mm und ein Seitenverhältnis von 2:3. Die Kleinbildkamera hat sich auf dem Fotomarkt vor allem aus Kostengründen durchgesetzt, da sowohl die Anschaffung als auch das Verbrauchsmaterial bei weitem billiger ist als bei der Mittelformatkamera.


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Digitalisierung der Fotografie Jean-Paul Sartre verstand unter »Fortschritt« das Werkzeug der Unzufriedenheit. Unzufriedenheit ist ein guter Ansporn, um eine Sache stetig verbessern zu wollen und an dieser zu arbeiten. Das Heisst aber nicht automatisch, dass das, was zuvor war, gehen muss. Der Folgende Text ist zum groSSteil aus dem Text »Der Gebrochene Vertrag« VON LARS MEXTORF ÜBERNOMMEN. WEITERE TEXTE ÜBER DIE DIGITALISIERUNG HABE IHR GRUNDGERÜST AUS DEM BUCH »OUT OF THE CAMERA«.

In den Anfangsjahren der analogen Fotografie betrug die Belichtungszeit deutlich länger, als man es heutzutage von digitalen Fotoapparaten gewohnt sein mag. Eine Fotografie war in gewisser Weise vergleichbar mit einem Gemälde, denn der Fotograf sowie das fotografierte Modell mussten sehr lange Belichtungszeiten abwarten, während das Modell so still wie möglich bleiben musste, um das Resultat so wahrheitsgetreu wie möglich hinzubekommen. Das Schlagwort »wahrheitsgetreu« ist ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Fotografie, deren Anfänge sowie ihre Entwicklungsschritte geht. Seit dem Aufkommen der Bilddigitalisierungstechniken ist der Status der Fotografie ins Wanken geraten. Konnte Roland Barthes in den 1980er Jahren noch die Gewissheit des es-ist-so-gewesen für die Fotografie in Anspruch nehmen – obwohl das auch damals schon zweifelhaft war – so läutet William Mitchell nur ein gutes Jahrzehnt später im Untertitel seiner Untersuchung zur digitalen Bildbearbeitung das postfotografische Zeitalter ein, das er unter anderem dadurch gekennzeichnet sah, dass genau diese Gewissheit abhanden gekommen sei. Eine Ausstellung zum Thema, die Mitte der 1990er Jahre auf Tournee ging, nannte sich »Fotografie nach der Fotografie« und eine Ausgabe des Kunstforums von 2004 behauptete auf ihrem Titel gar das »Ende der Fotografie«.

verbunden sehen, so stellt man fest, dass im Zentrum der Überlegungen die Krise der Anerkennung steht. War die konventionelle analoge Fotografie über die physische Verbindung zur abgelichteten Welt noch beides, »Spur und Abbild«, oder, mit der Terminologie von Peirce, Index und Ikon, so verschwindet der indexikalische Anteil bei der digitalen Fotografie, weil diese unmittelbare Verbindung zum Referenten nicht mehr gewährleistet ist. Die vielfältigen Manipulationsmöglichkeiten am Computer machen den Wirkichkeitsbezug des digitalen Fotos ein für allemal zweifelhaft. Nun ist die Manipulation von Fotografien keineswegs eine Entdeckung des Computerzeitalters. Das Retuschieren gibt es fast so lange, wie es die Fotografie gibt, nicht umsonst heißen die uns heute bekannten Werkezeuge Abwedler und »Nachbelichter« in dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshop - es handelt sich um Begriffe, welche aus den in der Dunkelkammer verwendeten Werkzeugen hergeleitet wurden. Selbst das nachträgliche Neuarrangieren oder Entfernen von Bildelementen ist schon lange gängige Praxis, insbesondere dort, wo es auf die Manipulation des Betrachters ankommt, in Werbung und Propaganda.

Was die Arbeit am Computer prinzipiell von der Arbeit in der Dunkelkammer unterscheidet, ist die universelUntersucht man die Argumentation der Autoren, die le Möglichkeit, über das Bild als Material zu verfügen. mit der Digitalisierung der Fotografie ihre Auflösung Werden bei der analogen Fotografie noch mit einem oder zumindest die Auflösung ihrer Gattungsgrenzen mehr oder weniger groben Montageverfahren einzelne


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Teile aus dem Ganzen herausgetrennt und neu zusammengesetzt, so gewährt das digitale Foto den Zugriff auf jeden einzelnen Pixel. Weil der digitale Code das Bild in ein Raster mit exakt zugewiesenen Farbwerten zerlegt, wird es zum Rohmaterial einer uneingeschränkten Manipulation. Diese neue Möglichkeit der völligen Verfügbarkeit über das Bild scheint hinter der Behauptung vom Ende der Fotografie zu stehen, wie sie beispielsweise von Paul Virilio vertreten wird: […] Die Fotografie erreicht das Ende ihrer Geschichte, denn was mit der Digitalisierung beginnt, hat mit Fotografie nichts mehr zu tun […] Weil alles veränderbar, nichts von Dauer ist. Weder der Rahmen, noch die Figuren. Alles kann ins Spiel gebracht und verändert werden. Die Stärke der Fotografie war die Augenblicklichkeit ihrer Wahrnehmung. Die Einführung des Digitalen ermöglicht es, alles nachträglich zu verändern. Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, verwundert die Melancholie nicht, die in Virilios Worten mitschwingt. Denn wenn man, wie er, die digitale Fotografie vor allem unter dem Aspekt des verfügbaren Materials sieht, das sich unbegrenzt transformieren lässt, ist es kaum noch möglich, sie von der Zeichnung oder der Malerei abzugrenzen. Und in der Tat gibt es künstlerlische Positionen an der Schnittstelle von Fotografie und Computerkunst, für die fotografische Aufnahmen nichts anderes sind als zu bearbeitender Rohstoff. Von Malerei kann man bei den Bildern insofern sprechen, als es Bereiche gibt, die durch direkte Bearbeitung des Rohmaterials manipuliert worden sind,

was im Verfahren der klassischen Bilderproduktion durch Verteilen von Farbe auf einem Bildträger ähnelt. Nach diesem Kriterium wird auch im zuvor erwähnten Bildbearbeitungsprogramm Photoshop zwischen Malen und Zeichnen unterschieden. »Zeichnen« bezieht sich auf Vektorobjekte, während »Malen« die Veränderung der Pixelfarben meint. Trotz aller technischen Unterschiede liegt die Gemeinsamkeit darin, dass das, was sich im Bild formiert, über den Künstler vermittelt ist und deshalb keinen direkten Bezug zur Wirklichkeit haben kann. Damit verliehrt die Fotografie ihr wichtigstes Differenzierungsmerkmal. Denn was immer bei der konventionellen analogen Fotografie an künstlerischen Entscheidungen mit der Wahl des Motivs, des Ausschnitts, der Blende et cetera vorangegangen sein mag, der eigentliche Akt der Belichtung passiert ohne Eingriff des Künstlers. Der ganze im 19. Jahrhundert aufkommende Mythos von der Fotografie als Spiegel der Wirklichkeit gründet sich auf diesen kurzen Moment der automatischen Aufzeichnung. Allerdings gibt es eine entscheidende Differenz zur Malerei. So ähnlich die Verfahren aus der Sicht des Künstlers auch sein mögen, für den Betrachter ist das Bild etwas, das trotz der offensichtlichen Bearbeitung am Computer die Anmutung einer Fotografie hat. Dadurch wird er, wider besseres Wissen, dazu verleitet, dem Anblick der Bilder noch immer an einem Referenten in der Wirklichkeit zu glauben. Das lässt sich leicht


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»[…] Das offensichtlich digital weil der Glaube an den nat fortbesteht, und das analoge F der Vedacht einer digitalen überprüfen, wenn man sich vorstellt, wie sehr die Bilder als Ölgemälde an verstörender Wirkung einbüßen würden. Weil man zur Wirklichkeit keinen unmittelbaren Bezug mehr herstellen könnte, diese vielmehr vom Künstler im Medium der Malerei erkennbar verfremdet erschiene, käme es nicht zu diesem Schock der Unmittelbarkeit. Das jahrzehntelange Vertrauen in einen realen Referenten beim Anblick einer Fotografie hat offensichtlich zu einer so hohen Wahrnehmungstoleranz geführt, dass noch die bizarrsten Metamorphosen der Wirklichkeit zugeschrieben werden. So bleiben die Bilder auf eine schillernde Weise hybride. Was man sieht, kann nicht sein, und doch zwingt die Erfahrung mit dem Medium dazu, gegen alle Evidenz einen Wirklichkeitsbezug herzustellen. Kennzeichnend für das Zeitalter der digitalen Fotografie ist daher eine Betrachtereinstellung, die durch Referenzglaube und Manipulationsverdacht gleichermaßen bestimmt wird. Die Rede vom Ende der Fotografie erscheint deshalb etwas voreilig, wenn sie sich alleine auf das Kriterium der Manipulation stützt. Denn das bedeutet eben nicht, dass der Betrachter automatisch davon ablässt, in den Bildern einen realen Referenten zu sehen. Wenn also die digitale Bildbearbeitung für die konkreten Werke wahrscheinlich weniger folgenreich ist, als es zunächst den Anschein hat, so lässt sich ihre Bedeutung für das Medium der Fotografie generell kaum überschätzen. Denn durch sie wird die Wirklichkeitsreferenz der Fotografie grundsätzlich in Frage gestellt. Jedes Foto ist nunmehr ohne Unterschied dem Verdacht ausgesetzt, zu lügen, weil das, was es einmal von der

Wirklichkeit konserviert hat, möglicherweise nachträglich manipuliert wurde. Und dieser Verdacht ist berechtigt, wie zahlreiche Fälle digitaler Bildfälschung belegen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass es eine merkwürdige wechselseitige Kontaminierung gibt. Das offensichtlich digital manipulierte Foto erscheint nie ganz artifiziell, weil der Glaube an den natürlichen Referenten der analogen Fotografie fortbesteht, und das analoge Foto erscheint nie mehr ganz glaubwürdig, weil der Verdacht einer digitalen Manipulation ihm etwas Artifizielles gibt. Dieser Vertrauensverlust des Mediums ist grundsätzlich und unwiederbringlich. Es kommt stets auf den Kontext an, in welchem sich eine Fotografie bewegt, wenn es um die genannte Krise der Referenz geht; in einer Fachpublikation ist der Glaubwürdigkeitsverlust schwerwiegender, als wenn sich das Foto in einem Kunstkontext befindet. Wenn man von Manipulation spricht, muss man sich im Klaren sein, wo man den Anfang beziehungsweise die Grenze zur Manipulation sieht. Im Grunde ist eine Fotografie ab dem Zeitpunkt manipuliert oder subjektiv, sobald sich der Fotografierende für den Bildausschnitt, den Zeitpunkt der Aufnahme, sowie die Tiefenschärfe entschieden hat. Bedenken muss man auch einen weiteren Punkt, nämlich den, dass bei Kunstfotografie immer schon die gezielte Manipulation des Referenten üblich war, demzufolge ist die digitale Manipulation eigentlich nur eine effizientere Fortsetzung. Der mit der Digitalisierung einhergehende Vertrauensverlust wird also nur dort zu einem Problem, wo es auf


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Teil eins // Abt. Fotografie // Diana erzählt

digital manipulierte Foto erscheint nie ganz artiFIziell, natUErlichen Referenten der analogen FotograFIe Foto erscheint nie mehr ganz glaubwUErdig, weil digitalen Manipulation ihm etwas Artifizielles gibt […]« die Fotografie als Beweismittel ankommt. Hier muss man sich wohl daran gewöhnen, dass sie sich hinsichtlich ihrer referenziellen Verlässlichkeit tendenziell dem Status einer Zeichnung annähert. Die künstlerische Fotografie aber kann davon nur profitieren. Es gibt überhaupt keinen Grund, anzunehmen, dass sie als Gattung durch die Digitalisierung gefährdet ist. Im Gegenteil: Die neue Technik befreit sie von der Bürde der Authentizität, welche die Entfaltung des im fotografischen Medium liegenden Potentials für eine künstlerische Nutzung eher behindert hat. Aus heutiger Sicht haben sich viele Fotografen, deren Werke in den Kunstkanon eingegangen sind, in der Vergangenheit unnötige Beschränkungen mit ihrem Bemühen auferlegt, den Referenten in Abgrenzung zur Malerei als natürlich erscheinen zu lassen, weil sie dadurch ihre Möglichkeiten der Manipulation innerhalb des komplexen fotografischen Prozesses auf einen sehr kleinen Bereich eingeengt haben. Seit den 1990er Jahren scheint sich nun im Zuge der Digitalisierung eine neue Tendenz in der Fotografie abzuzeichnen, die zwar, im Unterschied zur konkreten Fotografie noch am Referenten im Bild festhält, diesen aber weit über die bloße Inszenierung der konventionellen Fotografie hinaus zu einem Gegenstand der künstlerischen Manipulation macht. Bemekenswerter Weise hat sich seit dem Anbruch des digitalen Zeitalters aber auch die Produktion analoger Bilder verändert. Vielleicht sind es gar nicht so sehr die konkreten technischen Möglichkeiten, die die künstlerische Fotografie revolutionieren, sondern eher eine neue Aufmerk-

samkeit für die Manipulierbarkeit des fotografischen Referenten. Wo es früher vor allem darum ging, ihn in einem raum-zeitlichen Kontinuum so zu präsentieren, dass sich eine semantische Verdichtung einstellt, wird jetzt der gesamte Prozess der apparativen Bilderzeugung auf Möglichkeiten hin überprüft, den Referenten zu gestalten. Die Fotografie ist vielfältiger als je zuvor, und wird sich auch kontinuierlich in diesem Bereich entwickeln. Die Digitalisierung hat zu einem Blickwechsel auf das Medium geführt und dadurch überhaupt erst die gesamte Breite der Gestalungsmöglichkeiten aufgefächert. Dadurch wird sie näher herangeführt an Malerei und Bildhauerei. Beide standen noch nie – wie das klassische Foto – unter der Bürde, mit ihrem Referenten kausal verkettet zu sein, und hatten deshalb immer schon ein größeres Spektrum an Möglichkeiten, ihr Material zu manipulieren. Gleichzeitig ist die Fotografie aber gegenüber den anderen Künsten privilegiert, weil sie auf die Referenzgläubigkeit ihrer Rezipienten spekulieren kann. Das heißt, sie ermöglicht dem Künstler einen viel direkteren Zugriff auf die Welt, als es die etablierteren Künste vermögen. Wenn es stimmt, dass die Fotografie die Malerei vom Zwang der Abbildlichkeit befreit hat – mit all den historischen Verwerfungen, die mit in Betracht gezogen werden müssen – so hat die Digitalisierung die Fotografie von dem Zwang der Authentizität befreit. Erst jetzt beginnen sich ihre wahren Möglichkeiten aufzuzeichnen.


Teil eins // Abt. Fotografie // Diana erzählt

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Die Auswirkungen der Digitalisierung der Fotografie Spätestens seit der möglich gewordenen digitalen Erstellung und Umformatierung fotografischer Bilder wird die Fotografie als Aufzeichnungsmedium eines visuell erlebbaren Ausschnitts und Augenblicks auch als manipulierbare Instanz gesehen und das dokumentarische Bild des Apparates als subjektiv veränderbar erkannt. Mit dem Einzug des Digitalen in den fotografischen Gesamtprozess ist es möglich geworden, Fotos aus einem digitalen Bilder-Fundus zu sampeln, was unter anderem dazu geführt hat, dass Publikationen vom »Ende der Fotografie« sprechen. Nicht nur um die Fotografie als ein wichtiges Medium der Bilderzeugung und der Erkenntnisleistung zu retten, sondern auch um den Möglichkeiten dieses Mediums gerecht zu werden, ist es deshalb notwendig, eine Blickwendung auf dem Zenith dieser Entwicklung vorzunehmen. Diese Blickwendung hat das Ziel, der Fotografie einen anderen Stellenwert im Bild- und Erkenntnisprozess einzuräumen, einen Stellenwert, der gewohnte Betrachtungen und Praktiken, wenn nicht ganz außer Kraft setzt, so doch der Revision unterzieht. Beruht der Erfolg des Mediums zunächst auf seiner Kraft zur unmittelbaren Zeugenschaft, die den Resultaten der Fotografie sehr bald dem Nimbus des Authentischen einbrachte und sie vielen Verwendungszwecken zuführte, so wurde ihre Eigenschaft, reproduzierbar zu sein, bald zu einem Motor der Popularisierung. Diese sprang fast auf alle Künste über, sodass die Reproduzierbarkeit zur Schlüsselqualität wurde. Mit ihren Parametern »Ausschnitthaftigkeit« und »Augenblicklichkeit« motivierte die Fotografie viele Künstler zu anderen Werken und wurde schließlich selbst zur Kunst. Voraussetzung dafür war, dass sie sich erneut zum Unikat wandelte und kunstwissenschaftliche Erkenntnisse zur Bildwahrnehmung genutzt wurden, um den flüchtigen Augenblick, angereichert durch konzeptuelle Anteile, zur Dauer zu dehnen. Die gesamte Becher-Schule hat diesen Weg vom flüchtigen Augenblick zur Kunst und zu dem damit verbundenen Nimbus der Dauer beschritten, indem sie die Fotografie nicht nur als Impulse gebendes Medium für die Kunst verstand, sondern die Fotografie als Teil des Kunstprozesses selbst etablierte. Wer meint, dem Medium Fotografie gehe aufgrund der Digitalisierung und der mit einhergehenden Möglichkeiten der Verfremdung und Manipulation des Bildes allmählich die Puste aus, dem ist eine Wendung des Blickwinkels vorzuschlagen, so Lars Mextorf in seinem Essay aus »Out of the Camera«. Mit der Blickwendung meint dieser eine Ansicht, welche sich stärker auf die Rezeption der Fotografie bezieht und deshalb als ein reflektierter Blick verstanden werden soll. Denn zunächst ist der unreflektierte Blick – als Ausdruck eines Sehens vor dem Erkennen – nicht von dem Wahrnehmenden, sondern vom Bild gesteuert. Das heißt jedes Bild, insbesondere das fotografische, ist nicht nur als objektiv Gegebenes zu analysieren, sondern immer auch als ein subjektiv konnotiertes Gebilde: Der in das Bild »eingeschriebene« Blick des Fotografen begegnet dem Blick des Betrachtenden, der auf das Bild reagiert. Die Reaktion aber ist im ersten Aufnahmereflex eine durch das Bild gelenkte. Erst danach folgt eine Annahme oder Befragung, die dann zum Erkennen und Begreifen führt. Auch das ist eine Folge von Wahrnehmungsschritten, die aus der beschriebenen Blickwendung resultieren, so meint Mextorf.


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Teil eins // Abt. Fotografie // Diana erzählt

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Das (Un)Bewusste in einem Foto Es wäre fast wie ein Morgen ohne Kaffee, würde man in Bezug auf Bewusstsein, Unbewusstsein sowie Unterbewusstes den deutschen Psychoanalytiker Sigmund Freud ausser Acht lassen.

Vergegenwärtigen wir uns, dass das System der Fotografie sich auf die Glaubwürdigkeit der unmittelbaren Zeugenschaft stützt, die schockieren, entlarven und auch aufklären kann, so ist daran zu erinnern, dass es zugleich dieser Nimbus ist, der eine Manipulation umso effektiver macht, kann doch mit dem Vertrauensvorschuss die Manipulation erst so richtig zur Wirkung gelangen. In der Fotografie mischt sich demnach das Staunen über das entstandene Bild mit einem Glauben an eine rationale Entschlüsselbarkeit, deren Fehllenkung auf den vom Fotografen festgelegten Rahmenbedingungen des erzeugten Bildes selber beruht. Denn der mediale Apparat mit seinen Parametern Licht, Ausschnitt, Belichtungszeit et cetera, der Bilder generiert, funktioniert wie eine Erweiterung der menschlichen Konstruktionsfähigkeit, deren Ergebnisse Kodifizierungen sind, um gestaltete Informationen zu vermitteln beziehungsweise um Täuschungen einzuleiten. Die in das fotografische Bild eingewobenen Schichten überlagern sich folglich mit dem Soforteindruck einer wiedergegebenen Situation, sie laden es auf. Das Foto bewegt sich zwischen entzifferbaren Anteilen und Anteilen von Bild-Magie, die sich auf die Rezipienten überträgt und in ihrer Wirkung noch dadurch verstärkt wird, dass sie im Kontext eines immer schneller gewordenen Vorgangs der Bildpräsentation steht, die der Fotografie den Nimbus der Augenblicklichkeit verleiht. Und was augenblicklich da ist, erscheint nicht von dieser Welt. Wenn es um Bewusstes und Unbewusstes geht, ist meistens auch der deutsche Psychoanalytiker Sigmund Freud im Spiel. Seine Annahme hierzu ist wie folgt: Das erste Stadium der Fotografie ist das Negativ; jedes analoge fotografische Bild muss den Negativprozess durchmachen, und einige dieser Negative, die in der Prüfung gut bestanden haben, werden zum Positivprozess zugelassen, der mit dem Bilde endigt. Nun muss aber nicht aus jedem Negativ ein Positiv werden, und ebenso wenig ist es notwendig, dass jeder unbewusste Seelenvorgang sich in einen bewussten umwandle. Wir drücken uns mit Vorteil so aus, der einzelne Vorgang gehöre zuerst dem psychischen System des Unbewussten an und könne dann unter Umständen in das

System des Bewussten übertreten. Die roheste Vorstellung von diesem Systemen ist die für uns bequemste; es ist die räumliche. Wir setzen also das System des Unbewussten einem großen Vorraum gleich, in dem sich die seelischen Regungen wie Einzelwesen tummeln. An diesem Vorraum schließe sich ein zweiter, engerer, eine Art Salon, in welchem auch das Bewusstsein verweilt. Aber an der Schwelle zwischen beiden Räumlichkeiten walte ein Wächter seines Amtes, der die einzelnen Seelenregungen mustert, zensuriert und sie nicht in den Salon einlässt, wenn sie sein Missgefallen erregen. Freud misst in dieser Analogie zwischen fotografischem Prozess und den Vorgängen innerhalb der menschlichen Psyche dem Wächter-Eingriff eine entscheidende Rolle zu. Dieser Eingriff entspricht dem Entscheidungsprozess im Labor, der als solcher auch im sichtbaren Bild gespeichert ist, ohne noch sichtbar zu sein. Das Unsichtbare im Foto entspricht den unsichtbaren, unbewussten Prozessen der Psyche. In diesen Prozessen sind jedoch die zuvor erwähnten, sich rationalen und semiotischen Decodierungen entziehenden magischen Potentiale des Bildergebrauchs, des Bildersehens und -wahrnehmens einschließlich Verehrung und Gläubigkeit eingeschrieben, jene Magie, die der Fotografie seit ihren Anfängen eigen ist. Für Freud ist der Vorgang der fotografischen Bilderzeugung ein Modell der Psyche. Und ist nicht auch in jedem Foto tatsächlich das Unbewusste eingeschrieben, so dass man sagen könnte: Das Foto verbildlicht das durch einen Filter gegangene Unbewusste und hält das Ungefilterte als eingeschriebenes Negativ darin verborgen? Ich bin mir Freuds Gedankengängen zwar stets unsicher, jedoch hat er mir wahrlich wichtige Denkanstöße geliefert, während er mich jedoch – wie immer – an meine denkerischen Grenzen gebracht hat. Nach Martin Roman Deppner sollte mit dem Freudschen Vergleich nicht nur gezeigt werden, dass mit dem Reflex auf die Entstehung einer Fotografie unter anderem die magischen Potentiale des Unbewussten wieder zu entdecken sind und zum Bildverständnis im Kontext eines »pictorial turns« Wesentliches beitragen, sonder es sollte damit angedeutet werden, dass die Perspektiven der Fotografie in einem bewussten Reflex in all jenen Diskursen zu suchen sind, die das Medium von Anfang an begleitet haben. Das gilt für die medialen Qualitäten des analog wie des digital erzeugtes Bildes, das gilt für die zeichenhaften wie für die magischen Anteile und das gilt auch für das als autonom selbstreferenziell und konkret begründetet Verständnis von Fotografie. Denn vor allem die in dem fotografischen Bild eingeschriebenen und eingelagerten Schichten, die das Sehen und Wahrnehmen auf eindringliche Weise prägen und fordern, haben das Medium Fotografie zu einem Leitmedium der Künste gemacht.


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Teil eins // Abt. Fotografie // Diana erz채hlt

BE WUSST

UN BEWUSST


TEIL ZWEI


Abt. Fotografie//Die Konservierung des Alten, Diana zeigt.

Das meiste Material, was ich für dieses Buch zusammengesammelt habe, habe ich von gemischten Flohmärkten verlassenen Dachböden oder dunklen Kellerzimmern entnommen. Eine Sache ist jedoch (bedauerlicher Weise) immer ziemlich gleich, ich spreche von der Aufbewahrung der Materialen. In alten Schuh- oder Bananenkartons, im höchsten Fall mittels Post-its beschriftet, manchmal findet man auch Originalnotizen an der Rückseite der Dokumente. Mein Herz hat geblutet, das Alte muss aufbereitet, archiviert und somit für die Zukunft besser zugänglich zu sein. Diana, lass uns beginnen.


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

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Wie der Titel meiner Arbeit schon vorwegnimmt, ich bin gefangen in einer Welt zwischen digital und analog. Als ich ein Kind war, bekam ich zu einem Geburtstag meine erste eigene Kamera, sie war gelb und war ein Batterienfresser, aber ich war immer fasziniert von dem Einlegen des Filmes, dem Geräusch des Spulens und Zurückspulens des Films sowie dem Geräusch des Auslösers und dem leisen Summen des Blitzes. Bald danach kamen die ersten Digitalkameras auf den Markt. Für mich persönlich ist die eine schlimme Sache an der Digitalisierung der Fotografie, dass oft nicht mehr bewusst nachgedacht wird, bevor ein Foto geschossen wird. Fotografieren wird durch wahlloses Knipsen ersetzt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Digitale Kameras funktionieren mittels Speicherkarten, man kann die Bilder im Nachhinein ansehen und unmittelbar auf der Kamera löschen, die Entwicklung des Materials ist jedem selbst überlassen, aber in den meisten Fällen landen sie auf dem Computer der (Hobby)Fotografen. Früher wartete man auf ein Foto. Man stand, man beobachtete und wartete auf den richtigen Moment. Der richtige Moment hat durch die Digitalisierung an Wertigkeit verloren, immerhin kann man ebenso 77 Fotos machen und davon ausgehen, dass zumindest eines darunter ist, welches den richtigen Moment eingefangen hat, alle anderen löscht man durch Knopfdruck wieder von der Speicherkarte.


ÂťFor one moment a scene is held in a photograph. And for this moment it has a life.ÂŤ (Sam Abell)


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

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Ausgesuchte Besonderheiten von analogen Fotomaterial

Die weißen Rahmen, welche nach außenhin eine unregelmäßig erscheinende, fast gerissene Kante aufweisen, findet man oft an Fotos von Großmutters Dachboden. Heutzutage gibt es sogar schon Smartphone-Applikationen, welche mittels Knopfdruck Rahmen dieser Art (und 100 Mal mehr) auf Fotos legen.

Die Farbgebung der eigentlichen schwarzweiß Fotos ist ein markantes Merkmal. Sie entsteht dadurch, dass die Bilder seinerzeit auf Silberbarytpapier belichtet wurden, dies löst den Sepia-Effekt aus, genaueres hierzu später.

Sehr aufwendige Prägungen, an der Unter- oder Rückseite der Fotos, welche in den meisten Fällen – sofern es sich um Porträtfotografie von Berufsfotografen handelte – auf Karton, Holz und andere Oberflächen aufkaschiert wurden.


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Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

Korn nennt man die kleinsten Strukturen des entwickelten Filmes, die erst bei starker Vergrößerung gut sichtbar werden. Die Fein- oder Grobkörnigkeit ist vom Filmtyp und den Entwicklungsbedingungen abhängig. Filme mit niedrigen ISO-Werten, wie zum Beispiel ISO 100, sind in der Regel viel feinkörniger als Filme mit hohen ISO-Werten.

Hier sieht man das Fotonegativ der Analogfotografie. Es heißt deshalb Negativ, weil alle Farben umgekehrt sind. Nach der Entwicklung des fotografischen Filmes weist das Fotonegativ die Grauwerte beziehungsweise Farben in den Tonwerten auf. Die Tonwertumkehr erfordert und ermöglicht in einem zweiten fotografischen Prozess ein positives Bild beziehungsweise beliebig viele Positive.

Der Dia- oder Umkehrfilm ist der fotografische Film, der Farben in einer natürlichen Ansicht zeigt. Nach der Entwicklung und dem Zerschneiden des Films entstehen einzelne Diapositive.


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

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»Was kost’ denn die Vergangenheit von an Fremden heutz’tog?«


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Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

MENGENRABATT Naschmarkt Flohmarkt Foto: Laura Handler


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

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Die Porträtaufnahme Viele der Fotos, welche ich über Monate gesammelt habe, haben einen starken Sepia-Ton, deshalb habe ich – auch schon in meiner theoretischen Bachelorarbeit – darüber genau recherchiert, wie diese Farbgebung von eigentlichen schwarz-weiß Bildern zustande kommt und auch, wie man vor groben 100 Jahren mit dem Medium Fotografie überhaupt umgegangen ist, welche Hilfsmittel, Werkzeuge und Chemikalien verwendet wurden und habe Folgendes herausgefunden: Das Papier, welches in erster Linie aus Cellulose besteht, wird mit Bindemitteln und Füllstoffen versehen, bevor es verleimt wird. Die Barytschicht ist jene, die auf das Rohpapier aufgetragen wird, danach wird es gestrichen und geglättet. Wenn ein weißes Fotopapier erwünscht ist, werden optische Aufheller, sogenannte Weißtöner beigesetzt, will man eine bestimmte Farbtönung erreichen, werden diverse Farbstoffe beigesetzt. Die Barytschicht übernimmt in weitere Folge auch die Rolle der Haftschicht zwischen dem Rohpapier und der fotografischen Emulsion. Durch bestimmte Zusätze im Baryt kann man spätere Korngrößen manipulieren, welche matte und halbmatte Papiere erzeugen. Zum Schluss wird eine Gelatineschicht über die lichtempfliche Schicht gegossen. Interessant ist, dass der letzte Schritt manchmal – am häufigsten bei Porträtfotografien wie vielleicht bei diesem Bild – ausgelassen wurde, um später die Möglichkeit zu haben, diese einer Schabretusche unterziehen zu können. Silberbarytpapier hat viele eingearbeitete Fotopolymere, die Tonwertskala ist länger, das bedeutet, dass mehr Grauwerte vorhanden sind.

Die älteste Fotografie, die mir bislang untergekommen ist, ist hier auf der rechten Seite abgebildet. Sie wurde 1889 geschossen, es handelt sich um eine Porträtaufnahme im Hochformat. Die Maße (inkludiert Rahmen) betragen 13,2 cm x 21,3 cm. Faszinierend für mich ist besonders, dass dieses Bild um 99 Jahre älter ist, als ich selbst. Das hier aufbereitete Foto ist auf einen 1 mm dicken Karton aufkaschiert. Es ist so auf den Karton angebracht, dass unter dem Foto noch ungefähr 1,5 cm Weißraum für eventuelle Bildunterschriften beziehungsweise Fotografenkommentare Platz ist. Auf diesem Foto ist auf der linken Seite des freigelassenen Raumes das Logo des Fotografen Pokorny in gold angebracht. Es weist sehr feine und aufwendige Goldverzierungen, welche Ornamente beinhalten, auf. Auf der gegenüberliegenden Seite ist in Kapitälchen Wien geschrieben, ebenfalls in Goldprägung. Das Bild hat eine intensive gelb-bräunliche beziehungsweise sepia Farbtönung, was von dem soeben beschriebenen chemischen Prozess entsteht. Darauf zu sehen ist das Porträt eines Mannes. Er blickt – vom Fotografen aus gesehen – links an der Kamera vorbei. Der Mann steht in der vertikalen Mitte des Bildes aufrecht da, hat die Schultern ein wenig nach hinten gestreckt. Er trägt eine weite, helle Hose, eventuell eine Leinenhose, ein helles Hemd mit einer diagonal gestreiften Krawatte bedeckt seinen Oberkörper. Darüber trägt er ein dunkles Gilet, welches zum Großteil von einem darüber getragenen Sakko bedeckt wird, das Sakko ist offen. In den Händen hält der Mann einen annährend horizontal im Bild velaufenden Birkenzweig. Der Birkenzweig, stößt am Ende – dem Fotografen aus rechten Seite – im fast 90° Winkel – mit einem von der Unterseite kommenden Zweig zusammen. Einige weitere Zweige sind im Bild zu erkennen, sie ragen aus der unteren linken Bildecke in das Foto. Ich gehe davon aus, dass Porträtfotografen zu dieser Zeit versucht haben, den Beruf sowie die soziale Schicht in nur einem Bild darzustellen. Dennoch habe ich keine weitere Information über das Foto. Ich kann nur raten, dass die fotografierte Person seinerzeit eventuell ein wohlhabender Förster war. Der Hintergrund der Fotografie ist stark mamoriert – ich behaupte, mich erinnern zu können, dass meine ersten Porträtfotos im Kindergarten noch einen sehr ähnlichen Hintergrund hatten – es scheint fast so, als ob der Hintergrund versucht, eine wolkige Freiluftstimmung nachzuahmen. Der Mann selbst hat einen sehr kühlen Gesichtsausdruck. Da er an der Kamera vorbei schaut wird dieser Ausdruckt noch um ein Grad verstärkt. Weiters hat das Model einen Kurzhaarschnitt und trägt einen gekämmten Mittelscheitel. Sein Oberlippenbart verstärkt seinen ernsten Gesichtsausdruck. Dreht man das Bild um, gibt es weitere spannende Dinge zu sehen, die auf der nächsten Seite aufbereitet sind.


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PORTRÄT EINES MANNES, 1889 Foto: Rupert Pokorny


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

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Auf der Rückseite der Fotografie ist in der Mitte ein opulentes Logo angebracht. Das Logo ist in sehr feinen Linien hergestellt worden, es könnte sich um einen Nadelstich handeln. Ein fast aufrecht stehender Löwe (oder Teufel?) hält ein riesiges Wappen mit seinen Pfoten aufrecht. Auf dem Wappen ist der Name des Fotografen, Rupert Pokorny, sowie die Firmenadresse 1. Kohlmarkt 1 zu erkennen. Das Wappen wird von Schleifen und Fahnen großzügig geschmückt. Die rechts oben befindliche Fahne trägt die Aufschrift »Comfort-Atelier, Graben 17«. Jenseits der unteren Pfoten des Tieres wickelt sich eine weitere Fahne um sämtliche Dolche und Stecken – auch diese Fahne trägt eine Aufschrift: Filiale Mariahilferstr. 55, Wien. Unmittelbar unter dem prunkvollen Logo ist ein Textfeld arrangiert. Erste Zeile: »Matrize bleibt 4 Jahre für Nachbestellungen reserviert.« In der nächsten Zeile ist die Jahreszahl, in welcher das Original geschossen wurde zu finden: 1889. Die dritte Zeile verwirrt mich zugegebenermaßen ein wenig, da ein weiterer Name ins Spiel kommt: »Bernhard Wachtl, Wien VII.« Wer ist denn nun dieser Bernhard Wachtl, und was tut er?

BEISPIEL EINER RÜCKSEITE, 1889 Foto: Laura Handler


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BEISPIEL EINER RÜCKSEITE, 1889 Foto: Laura Handler


DER GOLD UMRAHMTE BIERDECKEL erstanden am Flohmarkt Wien Foto von Foto: Laura Handler


Hier ist eines meiner Lieblingsbilder zu sehen, ich habe es sogar in einen Goldrahmen gefasst und in meiner Küche stehen. Ich gehe davon aus, dass es um 1900 geschossen wurde, weil jenes eine sehr ähnlich Aufkaschierung aufweist, wie das zuvor vorgestellte Foto. Das Format ist quadratisch und der Karton, auf welchem es angebracht ist, hat abgerundete Kanten und erinnert an einen Bierdeckel. Interessant an dem Foto finde ich, dass die abgebildete Person so in dem Bild platziert ist, dass man das Quadrat um 45° drehen muss, sodass eine Raute entsteht. Das verursacht eine spannende Asymmetrie in dem braven quadratischen Format, dazu zusagen ist auch, dass das Modell – es handelt sich um eine Frau – ebenfalls genau in der Mitte des Bildes ist. Zu sehen ist ihr Kopf und der Ansatz ihrer Schultern, der Rest des Körpers sowie ein mögliches Umfeld wurden mittels Weichzeichner entfernt, sodass ein verlaufsartiger Übergang von Sichtbarem zu Unsichtbarem herrscht. Die Frau trägt die Haare locker nach hinten gebunden. Vom Betrachter aus gesehen führt ihr Blick rechts aus dem Bild hinaus. Ihre Mimik ist sehr kühl, sie scheint fast phlegmatisch. Die Schatten, welche sich in ihrer rechten Gesichtshälfte abzeichnen sind zwar stark, aber dennoch weich, was darauf schließen lässt, dass der Fotograf eine große Softbox verwendete. Sie trägt ein helles Oberteil, welches einen weiten Ausschnitt hat.


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Das Gruppenporträt Das Gruppenbild, auch Gruppenbildnis oder Gruppenporträt genannt, bezeichnet die Darstellung mehrerer Menschen, die untereinander verbunden sind als Familie, als Standespersonen oder durch ihre Beschäftigung. In der Malerei entstand das Familienbild im 15. Jahrhundert aus den Darstellungen der Heiligen Familie. Das Porträtieren einzelner Personen sowie Gruppen war auch eines der ersten Genres in der Fotografie. Die dargestellten Personen wurden anfangs wie auf einer Bühne umgeben von Requisiten aufgenommen, was man bei meinen Aufbereitungen zum Teil auch erkennen kann, blättert man zum Einzelporträt des Mannes auf Seite 43 zurück, kann man dies erkennen. Seit 1843 werden Porträts in der Fotografie gemacht. Die Grundidee kommt angeblich von Sir David Brewster. Vermutlich als Erster nutzte der schottische Maler David Octavius Hill diese Methode für sein monumentales Gruppenporträt von unglaublichen 470 Personen. So machte die Fotografie der Malerei Konkurrenz, da diese das Verfahren erleichterte, weil das Model nicht einer so langen Wartezeit ausgesetzt war, und auch waren die Ergebnisse wahrheitsgetreuer als in der Malerei.

FAMILIENBILDNIS erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Atelier A. Wolfram, Stammersdorf 187


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Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

Aktfotografie »Weibliche Nacktheit muss man den Männern mit dem Teelöffel geben, nicht mit der Schöpfkelle.« (Coco Chanel) Ich bin schon der Meinung, dass Akfotografie früher um gefühlte 400 Mal charmanter, ästhetischer und erotischer war, als die meisten Aktfotos heutzutage, denkt man zum Beispiel an die ersten Bilder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Delacroix und Durieu, oder an Man Rays »Le Violin de Ingres« von 1924. Der künstlerische Anspruch des Aktfotos ist ein heikles Thema, schnell kann etwas falsch interpretiert werden, deswegen wird zwischen Nacktfotos und Aktfotos unterschieden.

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Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

AKTFOTOGRAFIE entdeckt am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

Diese schwarz-weiß Fotografie habe ich lose in der Gedichtmappe meines Großvaters gefunden. Bislang konnte mir noch niemand über die Personen auf dem Bild Auskunft geben, mir selbst kommen sie leider auch nicht bekannt vor, auch auf der Rückseite finde ich nicht viel Information über sie. Abgesehen von dem in Bleistift geschriebenen Wort »Handler« gibt es hier nichts zu sehen, abgesehen von einer leeren, weißen Fläche, welche witziger Weise größer werdend erscheint, je mehr ich nach Informationen und heißen Tips suche. Vielleicht ist es auch gar nicht übel, keine Fakten zu dem Foto zu haben, ich finde es nämlich nahezu perfekt: Ein wunderbar verliebtes Pärchen, zwei schöne Mädchen mit Pipi-Langstrumpf-Frisuren und Blumen in den Haaren. Der Mann hat seine drei Ladies zum Essen ausgeführt, um den Sonntag zu zelebrieren. Die Frau strahlt unter ihrem weißen Hut in die Kamera, während der Mann sie von der Seite ansieht, als ob er nie etwas schöneres in seinem Leben gesehen hätte. Zusätzlich zieren Blumen den Tisch, sowie auch er feierlich eine Ansteckblume an seinem Sakko trägt. Das Bild ist ästhetisch im Bildaufbau und auch inhaltlich ist es ansprechend und in sich harmonisch. Aus diesem Grund bin ich froh, keine Ahnung von den Leuten in dem Bild zu haben, es würde eventuell meine Blümchenvorstellung von dem perfekten Sonntagslunch verderben.

FAMILIENTAG Ort: Somewhere over the ocean Foto: unbekannt

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Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

BUBEN Ort: unbekannt Foto: unbekannt

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Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

Die Fotografie ist in einem eher unüblichen Querformat ausgerichtet. Die Maße betragen 14 × 9 cm, das handelsübliche Maß ist heutzutage 13 × 9 cm. Die Aufnahme wurde im Freien gemacht, der Fotograf befand sich annährend parallel zu einer etwa kniehohen Steinwand. Vor der Wand ist eine schlichte Sitzbank aufgestellt, sie ist ebenfalls aus Stein und befindet sich in der horizontalen Mitte des Bildes. Vom Betrachter aus gesehen sitzen zwei Buben auf der linken Seite der Bank. Der eine Bub, welcher links und somit gleichzeitig am Rand der Bank sitzt, lässt seine Füße baumeln, da er zu klein ist, um diese am Boden aufstellen zu können. Er ist dunkel gekleidet. Unter der Latzhose trägt er einen langärmeligen Pullover und darunter ein kariertes Hemd. Unter den schwarzen, glänzenden Riehmchenschuhen blitzen helle Socken hervor. Seine Körperhaltung ist dem Betrachter im 45°-Winkel zugewandt, somit zeigen seine Knie aus der linken Bildkante hinaus. Den Kopf hält er gesenkt, sein Blick führt auf den Boden und seine Mimik ist etwas skeptisch. Seine kurzen, hellen Haare trägt er recht ordentlich. Vielleicht wurden die Strolche vom Spielen abgehalten, um dieses Foto machen zu können?


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

Der Schnappschuss. Die Kameras werden handlicher, so zielt es sich auch aus der hüfte leichter

Das Bild ist im Hochformat ausgerichtet und die Aufmachung des Fotos erinnert an die Ergebnisse der uns heute – Gott sei dank noch immer beziehungsweise wieder – bekannten Sofortbildkamera: Das eigentliche Bild befindet sich auf einem weißen Hintergrund. Es ist dort so angeordnet, dass der Weißraum in der unteren Bildhälfte stark dominiert, wobei der obere, sowie er linke und rechte helle Bildrand den gleichen Abstand zum Foto aufweisen. Ich denke der Grund dafür ist eine etwaige Beschriftung der Fotos. Auf dem Foto ist meine Großmutter zu sehen, die Mutter meines Vaters. Die Aufnahme wurde im Freien gemacht, vor einem Haus. Laut Information meines Vaters handelt es sich um den Innenhof seines Elternhauses. Die zum Betrachter parallel befindliche Hausfasaden im Hintergrund ist hell gestrichen, auf ihrer linken Seite befindet sich ein großes, geöffnetes Fenster, welches Einblick in den Innenraum verschafft; zwei weitere, kleinere Fenster sind verteilt an der Fassade zu sehen. Im Vordergrund spielt sich das Geschehen das Bildes ab. Meine Großmutter ist dabei, die Wäsche zu Waschen. Knapp

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an der rechten Bildkante und im untersten Drittel des Bildes steht eine Holztonne, auf welcher ein Waschtrog steht. Etwas weiter im Vordergrund und in der vertikalen Mitte des Bildes steht ein heller Eimer. Führt man seinen Blick von diesem ausgehend nach oben, ist meine Großmutter zu erkennen. Unter einer Kleiderschürze trägt sie ein gemustertes, kurzärmliges Oberteil, deren Puffärmel ihre Oberarme zum Teil bedecken. Die Arme hält sie vom Körper weg und in der rechten Hand hat sie ein Wäschestück. Ein helles Tuch bedeckt ihr hochgebundenes Haar zum Großteil. Großmütter Blick ist nach unten in den Waschtrog gerichtet. Aufgrund dessen, dass ihr Kopf nach unten Geneigt ist, ist der untere Bereich ihres Gesichtes im Schatten. Von ihren Beinen ausgehend, etwa 45° in Richtung des linken Bildrandes verlaufend ist der Schatten ihrer Gestalt am Boden zu erkennen. Jener Schatten, sowie der des Waschtroges stellen die dunkelsten Bereiche im Bild dar; die hellsten Bereiche sind die Wäschestücke und der Eimer im Vordergrund. Somit ist das Bild in der unteren Hälfte weitaus Kontrastreicher.


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MEINE GROSSMUTTER AM WERKEN I Ort: Kirchschlag Foto: vielleicht Richard Handler


Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

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Hier sieht man ein weiteres Bild meiner Großmutter, diesmal handelt es sich um ein Foto im Querformat. Aufgrund zweier Punkte erkennt man, dass es einige Jahre später als jenes zuvor geschossen wurde. Erstens handelt es sich bei diesem Foto um ein Farbfoto, gemacht mit einer analogen Kleinbildkamera. Abgesehen von dem charakteristischen weißen Rand, ist es den Fotoausarbeitungen, welche mir mit meinem 24 Jahren schon bekannt sind, sehr ähnlich. Der zweite Punkt, an welchem ich erkenne, dass das Foto Jahre später geschossen wurde, ist der erkennbare – und natürlich charmante und liebliche – Alterungsprozess meiner Oma. Wie auch bei der anderen Abbildung wurde diese im Freien gemacht. Im Hintergrund sieht man eine Landschaft; Wiese und ein paar Kahle Bäume. Man kann davon ausgehen, dass es zum Zeitpunkt der Aufnahme Herbst war, da die Farben der Natur zwar sehr blass, aber trotzdem einen warmen, rötlichen Farbton aufweisen. Die Großmutter steht vom Betrachter aus gesehen links von der Bildmitte. Durch die Wahl des Bildausschnittes ist ihr Gesicht ab den Augenbrauen nach obenhin abgeschnitten, führt man seinen Blick entlang des Körpers der Frau, so ist sie auch nach unten hin, ungefähr in der Mitte der Oberschenkeln, vom Bildende abgeschnitten. Wie auch in der vorigen Abbildung, ist die Gute am Arbeiten, wieder hält sie einen Lappen in der Hand. Diesmal dienen diese dazu, einen – so glaube ich zumindest – von meinem Großvater erbeuteten Fisch zu umhüllen. Diesen hält sie fest an ihrem Oberkörper. Ihr Blick ist in Richtung des Fisches gerichtet. Auch hier trägt sie eine Kopfbedeckung, es handelt sich um ein Tuch, welches sie unter ihrem Kinn zusammengebunden hat. Ich erinnere mich noch genau an dieses Outfit, es erinnerte mich immer ein wenig an eine Hexe. Die Gemusterte Kleiderschürze wird zum Teil von einer offen getragenen, hellen Weste verdeckt, welche sie an den Ärmel hochgekrempelt hat.


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Teil zwei // Abt. Fotografie // Diana zeigt

MEINE GROSSMUTTER AM WERKEN II Ort: Kirchschlag Foto: Richard Handler


Schrift


Teil eins // Abt. schrift // Diana erzählt » Entstehung der Schrift » Tinte, das schwarze Gold » Kalligrafie. Die Kunst des schönen Schreibens » Samuel, der Schildermaler » Das getippte Wort

Teil zwei // Abt. schrift // Diana zeigt


TEIL EINS


Abt. Schrift//Von Geschichte und Digitalisierung, Diana erzählt.

Ich denke an meinen Gameboy zurück. Eigentlich war es der Gameboy meines Bruders, dieser Graue, mit den fliederfarbenen Tasten, ich glaube er wog ungefähr 500 g und die Spiele waren – auch bei Sparschweinmord – fast unleistbar. Dafür hielt dieser ein gefühltes Jahrhundert. Irgendwann kam das nächste Modell auf den Markt, schnell darauf das Nächste und Nächste und irgendwann konnte sich niemand mehr – außer jene, die es erlebt haben – an den Urgestein-Gameboy erinnern. Die Technologie hat sich in ihrer Beschleunigung verdreifacht, so scheint es mir. Und das in jedem Gebiet. Alles wird schneller und schneller, nichts steht mehr, auch nicht der Buchstabe.


Teil eins // Abt. Schrift // Diana erzählt

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Entstehung der Schrift Heute können wir uns gar nicht mehr vorstellen, ohne Schrift kommunizieren zu können. Es kommt mir vor, als gäbe es die Schrift seit Anbeginn der Zeit. Nun, da dies nicht der Fall ist, gehen wir ungefähr 5000 Jahre zurück in der Zeitrechnung.

Zum Zwecke der Verständigung und Weitergabe von Informationen verständigten sich die Menschen durch Zeichen. Über Markierungen, die in Holz eingeritzt (Kerbhölzer) wurden oder den Knotenschnürren (Knotensprache Quipu aus dem Inkareich) kam man zu den ersten Bildzeichen (Höhlenmalerei). Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in Mesopotamien (am Tigris und Euphrat) Tontafeln entdeckt, die keilförmige Einkerbungen enthielten. Diese ca. 5000 Jahre alten Keilschriften führten auf eine einfache Bildzeichenschrift zurück und gelten als erste Schriftform. Die bedeutenste Schrift mit Bildzeichen wurde von den Ägyptern entwickelt - die Hieroglyphen. Diese Hieroglyphenschrift war sowohl Bild- als auch Lautschrift. Diese ersten Bildschriftzeichen wurden ständig weiterentwickelt. Aber erst die Phönizier entwickelten ein völlig neues System. Sie schufen um 1200 v. Chr. ein Konsonantenalphabet aus 22 Zeichen. Dieses erste Silbenalphabet gelangte im Zuge der Handelsrouten etwa 600 Jahre später nach Griechenland. Die Grie-

chen fügten dem Phönizischen Alphabet Vokale hinzu und so entstand das griechische Alphabet, mit dem nun die vollständige und lautgetreue Wiedergabe des gesprochenen Worts ermöglicht wurde. Während sich aus dem ostgriechischen Alphabet das kyrillische Alphabet entwickelte, wurde von den Römern das westgriechische Alphabet übernommen. Die erste römische Weiterentwicklung war die Capitalis Monumentalis, welche der Anbringung von Inschriften an Bauwerken diente. Neben der Capitalis Monumentalis entstanden die Buchschrift Capitalis Quadrata und die erste kursive Schriftform Cursiva. Als erste Schrift mit runden Formen entstand ca. 300 Jahre später die Uncialis. Die sich daraus entwickelte Halb-Uncialis mit ihren Ober- und Unterlängen verbreitete sich in ganz Westeuropa und wurde Grundlage für unzählige Nationalschriften. Mit der Herrschaft der Karolinger gab es das Bestreben ein einheitliches Alphabet zu schaffen, welches die zum Teil unleserlichen Nationalschriften ablösen und somit einen vereinfachten Schriftverkehr ermöglichen sollte. Letztlich entwarf der Mönch Alkuin im Auftrage Karl des Großen eine Schrift namens Karolingische Minuskel. Die Karolingische Minuskel entwickelte sich zur gotischen- und humanistischen Minuskel weiter. Während die gotische Minuskel die gebrochene Form mit einem dunklen Schriftbild charakterisierte, bildete die humanistische Minuskel runde Formen in Anlehnung an die Antike aus. Aus ihr entwickelten sich die italienischen Renaissance Schriften. Diese Antiquaschrift bestand fortan aus zwei Alphabeten. Der Capitalis für


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die Großbuchstaben und der Minuskel für das Kleinbuchstabenalphabet. Die erste römische Weiterentwicklung war die Capitalis Monumentalis, welche der Anbringung von Inschriften an Bauwerken diente. Neben der Capitalis Monumentalis entstanden die Buchschrift Capitalis Quadrata und die erste kursive Schriftform Cursiva. Als erste Schrift mit runden Formen entstand ca. 300 Jahre später die Uncialis. Die sich daraus entwickelte Halb-Uncialis mit ihren Ober- und Unterlängen verbreitete sich in ganz Westeuropa und wurde Grundlage für unzählige Nationalschriften. Mit der Herrschaft der Karolinger gab es das Bestreben ein einheitliches Alphabet zu schaffen, welches die zum Teil unleserlichen Nationalschriften ablösen und somit einen vereinfachten Schriftverkehr ermöglichen sollte. Letztlich entwarf der Mönch Alkuin im Auftrage Karl des Großen eine Schrift namens Karolingische Minuskel. Die Karolingische Minuskel entwickelte sich zur gotischen- und humanistischen Minuskel weiter. Während die gotische Minuskel die gebrochene Form mit einem dunklen Schriftbild charakterisierte, bildete die humanistische Minuskel runde Formen in Anlehnung an die Antike aus. Aus ihr entwickelten sich die italienischen Renaissance Schriften. Diese Antiquaschrift bestand fortan aus zwei Alphabeten. Der Capitalis für die Großbuchstaben und der Minuskel für das Kleinbuchstabenalphabet.


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Tinte, das schwarze Gold Ich lernte noch, mit Tintenfüller und ohne Tintenkiller zu schreiben, sogar Löschblätter waren Tabu. Einmal musste ich nachsitzen, weil meine Mutter (!) bei einer meiner Hausaufgaben mit übelsten Mitteln gearbeitet hat, um einen Fehler mit einem Radiergummi wegzurubbeln. Deshalb erinnert mich Tinte an Schule und äußerste Konzentration, Verzeihung, ich meinte, ERINNERTE. Dank Giovanni nicht mehr, Tinte ist ziemlich cool, schwarzes Gold und so …

Nun, leider kann ich nur sagen, ich mag Tinte, am angenehmsten finde ich es, sie selbst mittels Reiben herzustellen, leider weiß ich auch nicht sehr viel davon, deswegen folgende Informationen zu einem großen Teil aus Quellen in Büchern und dem Internet. Tinte wurde in Ägypten bereits um 3000 v. Chr. und auch in China um 2600 v. Chr. verwendet. Gewöhnliche schwarze Tinte wurde lange Zeit aus Ruß und Gummiwasser (das sogenannte »gummi arabicum« dient als Bindemittel für die Farbpigmente.) hergestellt und erst um 1000 v. Chr. in Fernost durch Tusche ersetzt. Diese wurde aus dem Ruß von verbrannter Nadelholzkohle und Lampenöl hergestellt und, mit einem Leim aus Gelatine vermischt, in Stangen gepresst und getrocknet. Die Tuschestange wurde bei Gebrauch so lange mit Wasser verrieben, bis die gewünschte Deckkraft erreicht war, eine Methode, die sich bis heute in der Kalligrafie erhalten hat. Eine bedeutende Erfindung im 3. Jahrhundert v. Chr. war die Herstellung der Eisengallustinte durch Abkochen von Galläpfeln mit Eisensulfat und anschließende Zugabe von Gummiwasser. Eisengallustinte gilt als besonders beständig und wird noch heute als dokumentenechte Tinte verwendet. Cicero berichtete erstmals von einem Rezept, bei dem die Tintenblasen von Tintenfischen getrocknet und gemörsert wurden, klingt sehr eigenartig, aber wenn man bedenkt woraus früher Kondome hergestellt wurden, wird es verständlicher. Der daraus gewonnene braunschwarze Farbstoff wird nach deren Gattungsnamen Sepia genannt und wird heute zur Färbung von Lebensmitteln verwendet.

Die tatsächliche Verwendung einer Sepiatinte ist allerdings erst ab 1780 bestätigt. Im Mittelalter wurden einige Rezepturen mit unterschiedlich farbigen Pigmenten entwickelt. So nutzte man Arsen(III)-sulfid, das mit Quecksilber umgesetzt wurde, um ein goldfarbenes Pigment zu erhalten. Die Verbreitung von Federkielen führte später zur Entwicklung der Dornrindentinte, die nicht so schnell eintrocknete wie Eisengallustinte und daher den Federkopf seltener verstopfte. Letztere blieb jedoch weiterhin vor allem für langfristige Dokumentationen und in Archiven die am häufigsten eingesetzte Rezeptur. Mit der Entwicklung der Chemie im 19. Jahrhundert wurde eine Vielzahl von Farbstoffen entdeckt und nach Möglichkeit auch zum Schreiben und Malen eingesetzt. Weil wasserlösliche Farbstoffe jedoch oft nur eine geringe Lichtechtheit aufweisen und zudem leicht auswaschbar sind, entstanden bald Richtlinien für die Zusammensetzung von Tinten zum Erstellen von permanenten Dokumenten. So wurde mitte des 19. Jahrhunderts erstmals ein Rezept für eine Eisengallustinte veröffentlicht, deren Bestandteile erst nach dem Trocknen wasserunlöslich wurden. Heute ist eine unfassbar breite Palette an Tinten für verschiedene Einsatzmöglichkeiten erhältlich. Durch die Erfindung von automatisierten Systemen wie dem Tintenstrahldrucker wurden auch Tinten notwendig, die spezielle Eigenschaften wie freie Mischbarkeit – um unterschiedliche Farbtöne erzeugen zu können – und extrem schnelle Trocknungszeiten vereinen.


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»Denkt immer daran, ihr schreibt nicht mit schwarz, sondern mit schwarz und weiß.« (Giovanni de Faccio)


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Tusche Tuschestange, Reibestein und Wasser, so hat uns Giovanni im ersten Semester beigebracht, wie man Reibetusche herstellt. Durch das »Selbstherstellen«, also das Reiben, bekommt man ein gutes Gefühl für die Tusche und ihre Konsistenz. Die fernöstliche Tuschmalerei und Kalligrafie verwendet die beschriebene Tusche. Auch im Handel sind sogenannte »Chinatuschen« erhältlich. Das Wort »tuschen« steht für „schwarze Farbe auftragen“ und wurde im 17. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, nämlich »toucher«, was übersetzt „berühren“ bedeutet. Die Zusammensetzung von Tusche ist nicht einheitlich definiert und der Begriff rechtlich auch nicht geschützt. Für Zeichentusche existiert allerdings eine Norm. Tuschen enthalten Farbmittel, sogenannte Pigmente, sowie ein Bindemittel, welches die Farbe auf dem Papier haften lässt. Das Bindemittel kann eine wässrige Lösung von Schellack sein oder aus wasserlöslichen Kunstharzen, meistens verseiften Acrylharzen bestehen. Mit Schellackseife können wasserfeste Tuschen hergestellt werden, diese lassen sich aber mit einer Klinge vom Papier abschaben. In der Tuschemalerei werden »Künstlertuschen« verwendet, die in der Regel aus feinem Ruß bestehen, der mit Schellackseife, Wasser und Stellmitteln versetzt wird.


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Geheimtinte Als Geheimtinte werden Tinten bezeichnet, die entweder nicht sichtbar sind, oder ihre Eigenschaften nach einer Zeit ändern. Sie wurden früher auch sympathetische oder chemische Tinten genannt. Schon vor etwa 2000 Jahren waren Geheimtinten bekannt, die erste nach Behandlung mit Wärme sichtbar wurden. Auch Tinten, die lediglich mittels geeigneter Chemikalien entwickelt werden können oder mittels spezieller Lampen sichtbar gemacht werden können, waren später üblich. Geheimtinten können als Teilgebiet der Steganografie, der geheimen Schrift, angesehen werden. Für einige Zwecke gab es später auch zunächst sichtbare Tinten, die nach einer Zeit verschwanden oder die ihre Farbe änderten. Diese werden aufgrund ihrer Herkunft auch »Damentinten« genannt. Viele Geheimtinten basieren auf organischen Säuren, die beim Erhitzen die Zersetzung des Papiers an der beschriebenen Stelle beschleunigen und dadurch als erstes dunkel und damit sichtbar werden. Eine weitere Möglichkeit, die Schrift sichtbar zu machen, ist eine Reaktion mit Iod, wodurch die Inhaltsstoffe oxidiert werden und so hervortreten. Diese Methode wird auch in der Kriminaltechnik bei der Behandlung von Fingerabdrücken angewendet.

Tintenstrahldrucker Die Zusammensetzung von Tinten für Tintenstrahldrucker ist je nach Hersteller verschieden und wird in der Regel nicht veröffentlicht. Diese Tinten sind an die jeweiligen Geräte und Düsen angepasst. Sie müssen einige technische Anforderungen erfüllen, die normale Tinte nicht erfüllen muss. Sie dürfen nicht im Druckkopf eintrocknen, sollen jedoch auf dem Papier schnell abtrocknen. Die entsprechenden Werte für die Abtrocknungsgeschwindigkeit sind nur den Herstellern bekannt. Die Fließeigenschaften sind an enge Grenzen gebunden, da möglichst kleine Tröpfchen gestrahlt werden sollen, um ein sauberes Druckbild zu ergeben. Für die meisten Drucker werden nachgebaute Patronen, Nachfülltinten oder nachgefüllte Originalpatronen angeboten. Aufgrund des Großen Preisunterschiedes zwischen Original- und Nachfüllpatronen gehen die Druckhersteller zur Sicherung ihres Absatzes oft juristisch oder mit Marketingmitteln gegen die teilweise namhaften Zweithersteller und Nachfüller vor.


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Kalligrafie. Die Kunst des schönen Schreibens Kalligrafie wird auch als die schwarze Kunst bezeichnet. Das Wort lässt sich aus folgenden Wötern der griechischen Sprache herleiten: kalligrafia beuteutet Kalligrafie, unter kállos versteht man Schönheit, und gráfeïn steht für schreiben.

»Die Kunst des Schönschreibens mit der Hand«, der Begriff »Kalligrafie« kommt aus dem Griechischen. Der Kalligraf verwendet für seine Kunst verschiedene Werkzeuge, wie zum Beispiel Federn, Federkiele oder Pinsel. Es wird in der Regel mit Tusche oder Aquarellfarben auf Karton, Büttenpapier auch Pergament und im Notfall – ich spreche aus Erfahrung – auch auf das 80 g dünne Kopierpapier, gestohlen vom Kopierraum der Uni – geschrieben. Die Schrift wird oft farbig gestaltet und mit reichen Verzierungen versehen. Ich kann mich erinnern, dass Giovanni im Kalligrafieunterricht ein chinesisches Stempelkissen mithatte, wir haben selbst Stempel hergestellt und die schwarz-weißen Kalligrafieblätter mit einem pur pur roten Stempel versiegelt, was einen wunderbaren Farbkontrast erzeugte. Die Kalligrafie ist als Kunstform und Freizeitbeschäftigung auch heute noch lebendig. Sie wird für Einträge in Goldenen Büchern, Gästebüchern, bei der Gestaltung von Glückwunschkarten und Urkunden verwendet, oft fiel mir aber leider auf, dass Füller mit breiteren Federn in ihrer Mission des Schönschreibens von Hobby-Kalligrafen missbraucht werden, mit eigenen Augen habe ich es eines Tages beobachtet, als meine Mutter eine Glückwunschkarte schrieb, ich bin mir sicher, die Feder kurz weinen gehört zu haben. Bereits über mehrere Jahrtausende kann man die Ge-

schichte der Kalligraphie verfolgen. Im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte und mit wachsenden Siedlungsstrukturen entwickelte der Mensch an vielen Orten der Erde unabhängig Möglichkeiten der schriftlichen Kommunikation. Das Ansehen der Kalligrafie ist in der Kulturgeschichte überall dort gegeben, wo das Abschreiben heiliger Texte selbst als sakraler Vorgang eingestuft wird: So etwa im Christentum bei der Kopie der Bibel oder im Islam, wo die Basmala die häufigste kalligrafische Form ist. Noch heute ist auch für die chinesische und japanische Schriftkultur die Kalligrafie wichtig und inspirierend. Wichtiger als die Lesbarkeit ist dabei die Erzielung perfekter ästhetischer Ausgewogenheit und das Sichtbarmachen von Emotionen. Die Kalligrafie war im Europa des Mittelalters die einzig bekannte Form der Übermittlung von Literatur. Es entwickelte sich im Laufe der Zeit die sogenannte gotische Schrift, eine gebrochene Schrift mit strengem Aussehen. Die Kalligrafie fand als Kunstform in wesentlichen im Bereich der Initialen und Überschriften Anwendung. In vielen abgeschiedenen Klöstern entstanden vorwiegend Werke mit sakralem Inhalt, die durch ihre vielfältigen Details und ihre reiche, aufwendige Ausstattung noch heute eine große Faszination auf den Betrachter


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ausüben. Kalligrafie verband sich auch mit der Kunst des Schildermalens. Schildermaler zu sein war – bis er allmählich ausstarb – ein ernsthafter Beruf, dazu komme ich im Folgenden noch. Im ersten Semester meines Studiums Grafikdesign und mediale Gestaltung hatten wir das gesamte erste Semester Schrift- und Typografieunterricht bei Giovanni de Faccio. Mit einer sogenannten Parallelpen lernten wir allererst die Grundschritte des schönen Schreibens. Im 45°-Winkel gehalten, wurde uns erklärt, dass wir in zwei Richtungen schreiben sollen. Als Rechtshänder – so wie ich es bin – ist das entweder von oben nach unten, oder von links nach rechts, andernfalls würde die Feder kaputt gehen. Auch kann man die Feder im 0°-, 30° oder 90°-Winkel halten, doch für den Anfang sind 45° die einfachste Methode. Die erste Buchstaben, die wir gelernt haben, mit der Hand zu schreiben waren römische Majuskeln ohne Serifen, welche mit Breitfeder geschrieben wurden, der Federwinkel beträgt 30°. Die ersten Übungen waren sehr schräg, weil wir uns alle vorkamen, als würden wir in der ersten Klasse sitzen, und lernen, wie man schreibt, da es Anfangs auch wirklich schwierig ist, sich zu trauen, mit einer Feder dieser Dicke zu schreiben. Die nächste erlernte Schrift war die Neuland, welche von Rudolf Koch entwickelt worden ist. Sie wird im 0°- und 90°-Winkel geschrie-

ben. Als Nächstes waren dann auch schon die Serifen an der Reihe, ich spreche von römischen Majuskeln mit halben, abgerundeten Serifen. Als die Muskelkater in den Handgelenken schließlich ein bisschen nachließen, ging es zu den spannenden Schriften, der Textur und der Fraktur. Sie zählen zu den gebrochenen Schriften. Als gebrochen werden sie deshalb bezeichnet, weil sie in ihrer Schreibweise sehr markante Züge aufweisen, welche teilweise auch durch den Richtungswechsel der Feder entstehen. Es entstehen – durch diese abrupten Richtungswechsel – sozusagen Knicke, in den Buchstaben, wo normalerweise Bögen sind wie beispielsweise bei der Antiqua. Auch die Uncialis haben wir zu schreiben gelernt. Sie besteht nur aus Großbuchstaben. Bei dieser Schrift sind Höhe und Breite variierbar, man muss jedoch immer auf die Gleichmäßigkeit der Negativräume achten. Kurz angerissen haben wir im Unterricht weiters die Monumentalis, die Quadrata, die Rustica, die irische Halb-Uncialis, die karolinische Minuskel, die Rotunda, die Edward Johnston, die Transitionale, die Cancelleresca und die Foundational (welche ebenfalls von Edward Johnsonst entwickelt wurde) zumindest einmal durchgeschrieben.


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Analoge Schriftbeispiele und ihre Entstehung Uncialis (Abb. 1) Die Uncialis (lat. uncia »Zoll«) hat ihren Namen Jean Mabillon zu verdanken. Er hat den Begriff im 17. Jahrhundert eingeführt, indem er eine Briefstelle bei Hieronymus missverstanden hat, in der dieser über die „zollgroßen“ Buchstaben klagt. Die Uncialis ist eine runde Schrift, die vom 4. bis zum 8. Jahrhundert in hoher Blüte steht. Ihre Formen wirken feierlich und dem Ernst des Zeitgeistes angemessen. So wurden sie zum Schriftsymbol des frühen Christentums. Heute verwendet man die Schrift u.a. für Urkunden, Schilder, als Titelschrift für Bücher und Filme und auch für Videospiele, wobei ich bei Filmen und Videospielen dazu sagen muss, dass jene meist im Fantasy-Stil sind, was dies für einen genauen Bezug zur Uncialis hat, weiß ich leider nicht. Es sind rund 300 Manuskripte, meist Teile der Bibel, in Unzialschrift erhalten. Vollständig erhalten sind beispielsweise die griechischen Handschriften »Codex Sinaiticus« und »Codex Vaticanus«. Unterteilt wird die Schrift weiters in die griechische, die lateinische und die gotische Uncialis. Textur (Abb. 2) Die Textur oder Textura (lat. textura »Gewebe«) zählt zu den gebrochenen Schriften. In der Mitte des 12. Jahrhunderts entwickelte sich in Europa der Kunststil der Gotik. Eine der auffälligsten Änderungen in der Architektur war der Übergang von den romanischen Rundbögen zu den gebrochenen gotischen Spitzbögen, dieses Stilelement der Bogenbrechung wurde somit auf die Bögen der Buchstaben angewendet. »Gebrochene Schrift« ist eine Sammelbezeichnung für eine Reihe lateinischer Schriftarten, bei denen die Bögen, aus denen die Grapheme der Buchstaben zusammengesetzt sind, ganz oder teilweise gebrochen sind. Das heißt, dass die Bögen der Buchstaben aus einer Schreibbewegung entstehen, in der ein oder mehrere erkennbare, abrupte Richtungswechsel in der Strichführung einen sichtbaren Knick in dem Bogen hinterlassen. Bei der Textura kommt es zu einer vollständigen Brechung der Bögen. Da sowohl die Buchstaben als auch die Zeilen bei TexturaTexten mit nur geringem Abstand geschrieben wurden, entstand ein sehr dunkles, für modernen Druck gewöhnte Augen meist schwer lesbares Schriftbild – ein »Buchstabenteppich«. Daher hat die Textura auch ihren Namen.Um ein Beispiel zu erwähnen, die Gutenberg Bibel wurde in Textura verfasst. Cancellaresca (Abb. 3) Die Cancellaresca entstand im 14. Jahrhundert. Sie ist eine Italic-Schrift im 45°-Winkel und sie ist serifenlos. Die einzelnen Buchstaben sind nicht miteinander verbunden, dennoch neigt man beim Schreiben dazu, jene zu verbinden, da sie stark an die uns heute bekannte Schreibschrift erinnert.

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Samuel, der Schildermaler Ich war zu Besuch bei Josef Samuel in seiner Galerie am Kühnplatz im 4. wiener Gemeindebezirk. Der mittlerweile pensionierte Künstler ist einer der letzten gelernten Schildermaler in der Stadt.

Im 4. Bezirk am Kühnplatz beziehungsweise in der Mühlgasse 7 befindet sich die Schildermalerei Samuel, eine der ältesten Schildermalerein der Stadt Wien. Bei der Gründung hieß sie »Schildermalerei Arnold«, benannt von und nach dem Urgroßvater Arnold Samuel, welcher 1882 aus Prag nach Wien zog und dort den Betrieb gründete. Fünf Treppen führen hinunter in eine andere Welt, wo es nach Leinölfirnis und Neustädter Terpentin duftet. Dessen war ich mir nicht bewusst, ich habe nur den Duft wahrgenommen und nachgefragt, was das für ein mir bisher unbekannter, aber sehr interessanter und eigentlich auch angenehmer Duft sei. Hier befindet sich gleichzeitig das einzige Wiener Schildermalermuseum. Die ältesten Schilder aus den Jahren um 1882, Greißler-, Bäcker-, Schirmmacher-, Schuhmachschilder und viele andere Auftragsschilder sind hier zu betrachten. Ich war im Rahmen der 130-Jahre Ausstellung Vorort und ließ mir von Herrn Samuel Geschichten aus drei Generationen erzählen. Es war ein Montag Nachmittag im Frühling. Ich hatte Glück, denn die Sonne schien seitlich bei den Fenstern hinein und gab mir somit ein gutes natürliches Licht, um ein paar Aufnahmen von Herrn Samuels Arbeitsutensilien – welche teilweise auch schon in der dritten Generation benutzt werden – sowie Arbeiten von seinem Großvater, Vater und selbstverständlich von ihm selbst zu schießen. Josef Samuel ist als Schildermaler-Meister leider der letzte seiner Zunft. Den Beruf lernte er noch von der Pike auf, nach der Schule beim Großvater. Der Schildermaler ist auch ein guter Zeichner, denn die bunten Motive müssen erst mit der Hand vorgezeichnet werden, um anschließend auf die Arbeitsfläche übertragen (meist Blech oder Glas) werden zu können. Ich habe ihn gefragt, ob er auch Schablonen benutzt für häufig verwendete Schriften, dieser Frage konterte er mit einem klaren »nein« und meinte, dass er jedes Schild individuell anpasst und Schablonen aufgrund der unterschiedlichen Schriftgrößen überflüssig wären.

JOSEF SAMUEL Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler


SCHILD VERSCHIEDENER SCHRIFTEN Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler


DAS ATELIER WÄHREND DER AUSSTELLUNG Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler



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Die Herstellung der Farbe Die Farbmühle von Josef Samuel ist seit mehr als 120 Jahren in Betrieb. Trockenfarben wie schilderrot, beinschwarz, ultramarinblau und chromgelb werden mit entsprechenden Zusätzen vermischt und in der Farbmühle je nach Körnigkeit der Farbe 10-15 Minuten lang gerieben. So erhält man besonders feine Ölfarben für Glas- und Holzschilder mit langer Lebensdauer. Die Farbpigmente müssen vor Gebrauch mit Wasser, Spiritus oder Öl angeteigt werden, somit entsteht ein Farbbrei. Den gewünschten Farbton erhält man dann durch mischen und ausprobieren. Wenn jene Pigmente zum Beispiel mit Kalk, Leim oder Binder verbunden werden, trocknen diese heller aus, auch das soll bedacht werden. In weiterer Folge wird auch Bindemittel benötigt, da das reine Pigment selbst nicht bindet. Bindemittel wären beispielsweise Kalk, Leim oder Öl. Herr Samuel hat zwar auch fertige Farben, wie man sie im Laden kaufen kann in seinem Werkstattbereich, jedoch ist er nicht allzu begeistert davon. Er bevorzugt das Mahlen der Farben mit der Farbmühle. In erster Linie deshalb, um ein Gefühl für die Farbe zu bekommen, aber auch aus dem Grund, dass die flüssigen, gekauften Farben zu schnell austrocknen, sobald sie geöffnet sind. Weiters erzählte er mir, dass die industriell angerührten Farben der Haltbarkeit der selbstgemahlenen Farben nicht nahekommen, vor allem deshalb, weil sie nicht fett genug sind und deshalb empfindlicher auf Licht (vor allem Sonnenlicht) und andere Umfeldsituationen reagieren, was die Farbe ausbleichen lässt oder sie rissig macht. Wie zuvor erwähnt, die Farben mahlt der gute Herr selbst in seiner Farbmühle, welche seit 1882 von Generation zu Generation weiter vererbt wurde. Das Foto unten zeigt, wie Josef Samuel die Farbe rot herstellt. Dazu wird das Farbpigment »bourdauxrot« mit den Zutaten des Farbrezeptes vermengt und in der Farbmühle gemahlen

DIE FARBHERSTELLUNG Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler


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»Wo ein Inzersdorfer LKW früher in zwei Tagen seine Werbeaufschrift erhielt, dauert der Vorgang heute eine halbe Stunde.« (Josef Samuel)


TISCHPLATTE MIT VERGOLDETER SCHNITZUNG Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler

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PREISTAFEL EINES LADENS Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler


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FARBMÜHLE, SEIT 1882 VON GENERATION ZU GENERATION WEITERGEREICHT Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler

FARBHERSTELLUNG: GEMAHLENES BLEIWEISS Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler


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DIE PINSEL DES HANDWERKERS Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler

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FARBABSTRICHE SEIT 30 JAHREN Ort: Schildermalerei Josef Samuel Foto: Laura Handler


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Das getippte Wort Tippen, schreiben, malen. Ich bin ein Mädchen, welches in den 1980er- Jahren auf die Welt kam, als ich ein Teenager war, brach gerade das Digitale Zeitalter an. Offen gestanden kann ich mir nicht vorstellen, wie das früher gewesen sein könnte.

Kurz muss ich nochmal auf das erste Kapitel greifen, in »Teil eins« des ersten Kapitels »Fotografie« war die Digitalisierung der Fotografie sehr reflektierend und kritisch beschrieben. Das Hauptproblem war einfacher herauszuarbeiten, welches wie folgt lautet: Durch die Digitalisierung der Fotografie erhält man die gesamte Information eines Bildes sozusagen als ein Rohmaterial, was beliebig vom Besitzer dieses Rohmaterials – wobei es meist mehr als eine Person jenes als Rohmaterial besitzen – mittels Fotobearbeitungsprogrammen wie beispielsweise der Software Photoshop manipuliert werden kann. Ein Foto bleibt aber im Gegensatz zu einer Malerei, immer in einem realitätsbezogenen Kontext, weil sozusagen die Grundzutaten immer daraus kommen. Nun, anders ist es jetzt bei dem Thema »Schrift«, ob der Buchstabe »S« nun mit der Hand geschrieben wird, in Kalligrafie, oder am Computer mittels Knopfdruck entsteht, ist irrelevant, sofern der Rezipient imstande ist zu lesen, bleibt der Buchstabe »S« der Buchstabe »S«. Ich denke, hier liegt das Problem vielmehr in dem rasanten Anstieg der Entwicklung. Was heute neu ist, könnte morgen schon veraltet sein, da etwas besseres, schnelleres und multifunktionaleres auf den Markt gekommen ist. Sieht man sich die Digitalisierung in Prozentzahlen an, so waren im Jahr 1993 nur 3 % der weltweiten technologischen Informationskapazität digitalisiert, 2007 waren

es bereits 94 %, das ist ein mehr als 30-facher Anstieg! Explizit auf die Digitalisierung von Text werde ich in meinem Buch nicht eingehen, da ich mich selbst mit dem Thema nicht vertraut fühle und es mehr »Fachsimpelei« und »Nerdlerei« – wie ich es gerne bezeichne – ist, als ich ertragen und verstehen kann. Vielmehr geht es mir darum, in wiefern das Handschreiben und das Tippen im Bezug zueinander stehen. Zu Beginn habe ich mich selbst gefragt, ob die Computertastatur die Handschrift ersetzt hat, und wenn, in welchen Bereichen? Ich muss gestehen, ich bin es nicht mehr gewohnt, mehrere Seiten mit der Hand zu schreiben, ich bevorzuge das Schreiben am Computer aus folgenden Gründen: Erstens bin ich damit schneller, zweitens kann ich den Text im Nachhinein ausbessern, umformulieren und sogar umformatieren, außerdem kann ich ihn an andere Leute weitergeben, während ich mir sicher sein kann, dass sie diesen auch entziffern können (das ist bei meiner Teufelsklaue oft nicht der Fall). Ich kann ihn ebenso ausdrucken, sooft es die Patronen des Druckers oder mein Kleingeld für den Copyshop zulassen. Sieht man sich nun meine Begründungen an, und versucht, diese unter einem Begriff zusammenzufassen, kommt man höchstwahrscheinlich auf das Wort »Gemütlichkeit« oder weil es simpel gesagt praktischer ist. Immerhin ist uns doch allen bekannt, dass sich die Steinzeitmenschen damals mehr bewegt haben und in ers-


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Teil eins // Abt. Schrift // Diana erzählt

ter Linie Nahrung zu sich genommen haben, um zu überleben. Heute ist es völlig anders. Die meisten Leute haben eine fixe Bleibe, ein Dach über dem Kopf, das bedeutet, dass sie keine Nomaden sind, wie die Menschen früher. Ein Großteil hat einen Beruf, welcher im Sitzen ausgeübt werden kann und wir alle essen mehr, als wir brauchen, immerhin gibt es ja alles vor unserer Nase, und das auch noch zu jeder Tages- und Nachtzeit. So glaube ich, dass das Schlagwort »Gemütlichkeit« auch auf den Akt des Schreibens zutrifft. Auch die Anstrengung – sofern es beim Tippen so etwas überhaupt geben kann – ist ein Punkt. Für das Handschreiben auf Papier benötigt man in erster Linie die Fähigkeit, mit der Hand überhaupt schreiben zu können, aber auch Papier, ein Schreibwerkzeug und einen einigermaßen harten Untergrund. Interessant ist, dass das einzige, was heute noch immer nur mit Hand geschrieben toleriert wird, ist die Unterschrift. In einer Dokumentation über Druck, Druckvorstufen und verschiedene Arten des Druckes, wurde gesagt, dass das, was gedruckt wird, mehr Glaubwürdigkeit hat, als das, was gesagt wird. Wenn ich dabei an das Wiener gratis Tagesmagazin »Heute« denke, bin ich der Meinung, dass sogar meine SMS um 6 Uhr morgens mehr Bedeutung und Schlauheit beinhalten, als teilweise die Beiträge in dieser Tageszeitung,


TEIL ZWEI


Abt. Schrift//Die Konservierung des Alten, Diana zeigt.

Ein bisschen eigenartig ist es schon, die Vergangenheit von Fremden in den H채nden zu halten, in ihre Privatsph채re einzudringen, ohne auch nur ein Gesicht zu den jeweiligen Personen zu haben. Andererseits ist genau das der Nervenkitzel, teilweise f체hle ich mich wie ein Spurensucherin, manchmal leben ich das Vergangene passierte von diesen Menschen in meinem Kopf selbst durch. Im Folgenden kann der Leser selbst bestimmen, ob er sich nur der Optischen Anmutung der Dokumente widmet, sich inhaltlich hinein lehnt oder die Fotos als solche ansieht.


Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt

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Ausgesuchte Besonderheiten von analogen SCHRIFTDOKUMENTEN

In erster Linie ist die Schrift an sich zu erwähnen, bedenkt man alleine den Zeitaufwand und die Fertigkeit des Schreibers, einen Text in dieser Form überhaupt auf Papier bringen zu können.

Hier wird die Harmonie des Textes als Ganzes gezeigt. Dieses Schriftbeispiel hat viele Extremitäten wie übergroße Majuskeln, im Vergleich dazu eine sehr geringe X-Höhe und sehr ausgedehnte Schwünge, und trotzdem hat der Text als Ganzes ein Gleichgewicht in sich.

Das uralte Papier verändert sich mit den stolzen Jahrzehnten, welches es auf dem Buckel hat, es wölbt sich aufgrund von Temperaturextremitäten, es reisst ein, franst aus, wird gröber, poröser und verliert die Sättigung, das macht es so nostalgisch und besonders.


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Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt

Das rote Siegel ist eine Form der Beglaubigung von Urkunden. Es kann aber auch zum Verschluss von Behältnissen oder Briefen dienen. Der Siegelstempel wird in eine weiche, erhärtende Masse gedrückt. Die Masse beziehungsweise der Siegelklumpen kann aus Siegellack oder Wachs bestehen, früher wurde auch Ton dafür verwendet.

Ein interessantes Detail habe ich bei dem Brief an Ray gefunden, er war nicht in einem Briefumschlag. Die Faltung wurde stattdessen mit diesem Papiersiegel zusammengehalten. Dieses Siegel besteht aus mindestens zwei Papierschichten und einer Prägung an der Oberseite, wie man in dem Foto erkennen kann.

Die detailreichen Muster, Ornamente und Rahmen der Blätter habe ich in meiner Recherche auf Urkunden, Heimatausweisen, Tauf- und Trauungsscheinen entdeckt. So bekommt der geschriebene oder getippte Text eine andere Gewichtung.


Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt

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Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt

Das Papier, älter als du und ich. Bei meiner Ersten Schatzsuche auf dem Wiener Naschmarkt hatte ich ziemliches Glück und habe bei einem unwissenden Verkäufer kurz vor Abbau seines Standes eine ganzen Stapel Briefe, Kalender, Postkarten und lose, beschriebene Zettel um schlappe fünf Euro gekauft. Er war glücklich, ich war glücklich, jeder bekam was er wollte. Ich habe nicht viel Ahnung von Papier, aber als ich diesen ganzen Stapel in meinen Händen hielt, schloss ich kurz meine Augen und stellte mir vor, was das Papier schon alles »erlebt« habe. Immerhin ist es teilweise um mehr als 100 Jahre älter als ich. Eingerissene Kanten, lichtdurchlässige Stellen, angekleckerte Seiten und die Rauen im Papier erzählen ihre Geschichten, und wenn man die nicht kennt, ist es erlaubt – das sage ich – sich eine auszudenken.

PAPIERLIEBE erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler


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Der GroSSvater. Weiche Schale, weicher Kern Mein Großvater und ich waren ein gutes Team. Ich hielt ihn stets gut auf Trapp, so habe ich ihn auch dazu gebracht, mit seinen guten 80 Jahren mit mir unter den Esstisch zu klettern, um dort meine Puppe Biskotten zu füttern. Ich war drei oder vier Jahre alt, als der liebe Opa starb, jedoch behaupte ich, dass ich einige Wesenszüge von ihm noch sehr gut im Gedächtnis habe. In erster Linie war er ein guter Kerl mit einem großen Herzen. »Nächstenliebe« wurde bei mir groß geschrieben. Er war gelernter Zimmermeister, doch das stand ihm bei seiner Leidenschaft zu schreiben nicht im Weg. Er war ein Lyriker, mit einem österreichischen Charme der 60er-Jahre. Mir wird immer gesagt, dass ich sehr viele Charaktereigenschaften von ihm habe. Beispielsweise war er sehr unordentlich, bei den Dingen, die ihn nicht zu 100 Prozent interessierten. Dennoch wusste er genau, wie/wo/was/warum er seine Wichtigkeiten ordnete, aufbewahrte und darauf Acht gab. Diesem geordneten Chaos zu verdanken, liegt nun seine Lyrik vor mir, aufbereitet in einer Ringmappe, angepatzt mit Fett-, Kaffee und Schokoladeflecken von der ersten bis zur letzten Seite.

PATZEN Text sowie Kaffeeflecken: Richard Handler Foto: Laura Handler


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DER GROSSVATER TRÄGT SEINE GEDICHTE VOR irgendwann in den 90er-Jahren Foto: unbekannt


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GROSSVATERS SCHREIBEMAPPE erstanden am Dachboden der GroĂ&#x;eltern Foto: Laura Handler

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Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt


Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt

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Der Brief. Die tollste Form der schriftlichen Kommunikation Heutzutage ist eine E-Mail schnell mal abgetippt, immerhin muss man nur in die Tasten der Computertastatur schlagen. Briefe zu schreiben ist hingegen ein Prozess, der etwas mehr an aufwand verlang. Man braucht ein Schreibwerkzeug, früher war es Feder und Tusche oder Tinte, später ein Tintenfüller, geeignetes Papier, oft auch einen Linienspiegel, um die Zeilen richtig einzuhalten und nicht schief zu werden, Kuverts, Briefmarken und natürlich ein bisschen Zeit, immerhin will man sich nicht verschreiben, sonst müsse man noch mal von vorne beginnen. Mein Großvater hat seiner Zeit mit unsren Verwandte aus Canada regelmäßigen Briefkontakt gehabt. Witzig bei der Sache war, dass er nicht englisch konnte, die Verwandte nur gebrochen deutsch, so brauchte er beim Briefschreiben immer einen Übersetzer, in den meisten Fällen waren das meine Cousinen Eva und Susanne, manchmal – wenn er »chillen« wollte, ließ er sie sogar den ganzen Brief schreiben, der ulkige Herr. Auch ich hatte Brieffreundschaften, doch alle scheiterten an meiner Trägheit. Ich fand es immer sehr anstregend sie zu schreiben, doch empfangen habe ich sie gerne. Aber wenn man aufhört, die Briefe zu beantworten, kommt mit der Zeit auch nichts mehr zurück, so hatten meine großen Brieffreundschaften meist schnell ein Ende. Außerdem war ich nie fähig, mir zu merken, was auf die Vorderund Rückseite des Briefumschlags geschrieben gehört, also war meine Briefschreibeliebe von Beginn an auf holprigem Gebiet. Die Anfänge des Verfassens einer solchen Mitteilung gehen auf die Babylonier zurück, die Nachrichten in Tontafeln ritzten. Im Alten Ägypten dagegen dienten Papyri als Schriftträger für Briefe. Im antiken Griechenland und Rom benutzte man zu diesem Zweck mit Wachs beschichtete Tafeln aus Holz. Der Zweck eines Briefes hat sich grundsätzlich kaum geändert: Er ist immer noch ein Mittel zur öffentlichen Meinungsäußerung wie zum Beispiel Leserbriefe in einer Zeitung, eine literarische Form, denke man an Goethes Briefroman »Die Leiden des jungen Werther«, sowie ein Instrument zur Verbreitung amtlicher Schreiben und der Übermittlung persönlicher Nachrichten. Bereits in der frühen Neuzeit entwickelte sich der

Brief auch zum Sammlerobjekt; eine der größten seit damals erhaltenen Sammlungen in Deutschland ist die von Christoph Jacob Trew. Briefe werden in den Geisteswissenschaften nach historischen, literaturwissenschaftlichen und kulturwissenschaftlichen Gesichtspunkten untersucht. Ein Pionier der deutschen Briefforschung war der Bibliothekar und Kulturwissenschaftler Georg Steinhausen, dessen »Geschichte des deutschen Briefes 1889–1891« in zwei Bänden erschien. Eine sehr spannende Art der Briefzustellung ist meiner Ansicht nach die Brieftaube. Zum Transport einer Botschaft muss eine Brieftaube von ihrem Heimatschlag an den Abflugort gebracht werden, wo sie bis zu ihrem Einsatz festgesetzt wird. Die Nachricht wird auf einem zusammengerollten Zettel in einem Behältnis am Fuß oder Rücken der Taube befestigt. Nach dem Auslass fliegt sie auf direktem Weg zu ihrem Heimatschlag zurück, wo die von ihr mitgebrachte Botschaft in Empfang genommen werden kann. Eine vollständige Erklärung des Heimfindevermögens der Brieftauben ist bis heute noch nicht gefunden. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Brieftauben wie auch Zugvögel den Stand der Sonne und Sterne sowie das Magnetfeld der Erde als Kompass verwenden können und außerdem optische Anhaltspunkte zur Orientierung nutzen. Eine weitere Möglichkeit, Botschaften zu versenden ist die Flaschenpost. Soweit ich weiß diente diese als Hilferuf von Schiffsbrüchigen. Auch als romantischer Versuch von verzweifelten Liebeshungrigen, die ohne genaue Vorstellung eine Botschaft in eine Flasche füllen und diese in ein strömendes Gewässer werfen, mit der Hoffnung der/ die Eine findet die Post und sie leben glücklich, bis an ihr Lebensende. Natürlich hab auch ich Flaschenpost verschickt, war ja klar. Um meine Beschämtheit über diese Tat zu kompensieren, gibt es einen interessanten Fakt: Einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde als unmöglichste Flaschenpost erhielt 1998 eine Weinflasche, die 1993 als Flaschenpost bei Hennef in die Sieg geworfen wurde und satte drei Jahre später in Falmouth (Maine) gefunden wurde.


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LIEBER RAY Brief an Ray, Verfasser unbekannt, 1887 Foto: Laura Handler


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BRIEFE VON EDUARD erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler

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Ich bin verliebt in Eduard Prinz An einem Samstag Vormittag, ich denke, es war Mitte März, schlenderte ich – wie fast jedes Wochenende – durch den Naschmarkt Flohmarkt. Schon fast ein bisschen enttäuscht, weil keine gute Beute zu erschnüffeln war, war ich im Begriff, wieder nach Hause zu gehen. Doch dann stach mir diese entzückende Handschrift ins Auge, welche sich auf einem Kuvert zeigte, adressiert an ein Fräulein Hertha Schüssler. Dieses Kuvert musste ich habe. Nach einigen Minuten Verhandlungsphase mit dem Standbesitzer, wollt dieser mir einen Mengenrabatt geben, wenn ich mehrere von diesen Briefen kaufte, so tat ich das, immerhin war die Handschrift doch so nett und ich verspürte den plötzlichen Drang, ein bisschen in der Vergangenheit anderer Leute, mir unbekannter Leute zu schnüffeln. Zuhause angekommen öffnete ich wahllos die Kuverts und legte die Briefe vor mir auf dem Küchentisch auf und schmökerte ebenso wahllos wie die losen Seiten aufbereitet waren, darin herum, las einzelne Textpassagen und guckte währenddessen viel aus dem Fenster. Irgendwann fiel mir auf, dass die Briefe, welche nun in meinem Besitz waren, am 21. September 1947 beginnen und über zwei Jahre fortlaufen. Diese Tatsache war schon sehr spannungserregend für mich, doch dann viel mir noch etwas auf, was alles noch um eine Stufe aufregender machte: Jener Brief vom 21. September 1947 war der erste Brief, den ein sogenannter Eduard Prinz an das Fräulein Hertha Schüssler gesendet hatte. Ich bin mir dessen bewusst, nur einen Bruchteil eines Briefkontakts zu besitzen, dennoch kristallisiert sich in den Inhalten der Briefe die Beziehung zwischen den beiden Mensch etwas heraus und weil Eduard höchstwahrscheinlich der romantischste, wohlerzogenste, aufrichtigste und charmanteste Mann ist, werde ich den gesamten ersten Brief hier noch einmal abtippen, damit auch die Leute, denen die Handschrift des Herrn nicht bekannt ist, sehen, was damals unter »Wir schreiben uns« verstanden wurde. Mir persönlich bricht das Herz, jedes Mal.


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EDUARDS ERSTER BRIEF AN HERTHA erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler


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»Wien, am 21. September 1947 Liebstes Fräulein Hertha! Nun sind schon Wochen, ja Monate vergangen, seitdem ich Sie das letzte Mal gesehen habe. Haben sie meinen letzten Brief erhalten? Er war doch ordentlich adressiert und frankiert. Oder sind Sie mir vielleicht aus irgend einem Grunde böse? Das würde mir wirklich sehr leid tun. Ich habe Sie in den wenigen Stunden, die ich mit ihnen zusammen verbringen durfte, sehr lieb gewonnen und es würde mich sehr betrüben, wenn ich Sie nun nicht mehr sehen könnte. Ich hoffe sie haben sich über den Sommer gut erholt und sind immer frisch und muntern. Und wie geht es ihrer lieben Frau Tante? Ich war auf dem Lande und habe gearbeitet, aber habe mich erstaunlicher Weise bei der Arbeit sogar etwas erholt. Das ist aber sicher nur vorübergehend. Tanzen war ich auch einmal, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich bin vorsichtshalber, um nicht aufzufallen, in einer schwarzen Hose hingegangen. Nun, ich fange zu tanzen an. Ganz wie wir es gelernt haben und beinahe wäre ich niedergeflogen. Meine Dame hatte mir, gelinde gesagt, das Haxl gestellt. Es wurde alles mit ganz kleinen Schritten getanzt, sehr schnell gedreht und außerdem wurden noch Zwischenschritte gemacht. Mit einem Wort, es war mir unmöglich mitzuhalten. Niemand von den anwesenden Damen konnte nur einen modernen Tanzschritt und ich wurde bald als fremder Bazi erkannt, der nicht tanzen konnte. Gehen sie auch tanzen? Wenn sie wollen, wobei ich dieses Wort wie Sie sehen unterstreiche, dann bitte verfügen Sie über mich. Bestimmen sie Zeit und Ort, und ich werde mich freuen mit Ihnen ausgehen zu dürfen. Sie anzurufen wag ich nicht, sonst müssen Sie sich vielleicht über die Wachmänner und dann noch über mich ärgern. So werde ich also mit Sehnsucht ihre Antwort erwarten. Bis dahin verbleibe ich mit den besten Grüßen an Sie und ihre Frau Tante. Ihr Edi.«


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Âťheeeee!!! ;) das is mei handynummer..... seits ehh noch gut heim kommen am sa????^^ÂŤ


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EDUARDS KOSENAMEN FÜR HERTHA erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler

EDUARDS ZU SEINEM MÄDI erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler


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EDUARDS LETZTER MIR BEKANNTER BRIEF AN HERTHA erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler

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Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt

Vorne auf der Grußkarte: »Herzlichen Glückwunsch zum Namenstag von Deinem Dich immer liebenden Edi« Innen: »Wien, am 1. 12. 1949. Mein liebstes Puppi! Obwohl ich Dir morgen auch per Telephon zu Deinem Namenstag gratulieren werde, so möchte ich Dir doch noch eine kleine Freude außerdem mit meiner Karte bereiten. Seit Deinem letzten Namenstag ist einige Zeit vergangen, eine Zeit in der ich Dich nur noch mehr lieb gewonnen habe. Es war diese eine Periode, in der ich auch Deine Fehler lieben lernte, wie es so schön heißt. Ich hoffe nur, daß auch Du so fühlst und mich, trotz meiner öfteren Streite, noch so wie vor einem Jahr liebst. Es ist dies etwas, das mich oft quält und Kopfschmerzen bereitet; aber ich hoffe, daß ich Dir einmal die lange Wartezeit, die Du so schwer durchmachen mußt, entgelten kann. Sei mir darum bitte nicht böse, wenn es nur ein kleines Kärtchen ist, das ich Dir diesmal zum Namenstag schenke. In Liebe für immer, Dein Edi.«


Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt

ein so schräger Zufall, dass es kein Zufall sein kann. Hin und weg, vollkommen außer mir vor Verliebtheit in Eduard, bin ich am darauf folgenden Wochenende nochmals zum Flohmarkt gegangen, zum gleich Stand, um nachzufragen, ob es mehr Briefe gibt. Der Typ sah mich nur verwirrt an, wusste nicht wer ich sei und jagte mich weg. Nun gut, dann eben nicht. So spazierte ich noch einen Runde auf dem Markt, in Gedanken schon längst in Hummus und riesengroße Oliven gesteigert, hielt ich bei einem anderen Stand inne, mir stach etwas ins Auge. Es war ein dunkelrosa Kuvert. Der Grund, warum es mir ins Auge stach war, dass die Schrift, mit welcher das Kuvert bedruckt war, entweder die Neutra Regular selbst war, oder zumindest eine ihr sehr ähnliche und da ich die Schrift sehr liebe, stach sie mir ins Auge. So kaufte ich um ein paar Euro das dick befüllte Kuvert und ging nach Hause. BAM!

EDUARDS GESCHÄFTSPAPIERE I erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler

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Was ich da in meinen Händen hielt, waren Geschäftsunterlagen von niemand geringerem als meinem lieben Eduard. Als absolute Draufgabe zum Zufall des Zufalls des Zufalls betrachtete meine Freundin Magdi einige Tage später das zuckerlrosa Kuvert, grübelte kurz in ihrer charmanten aber sehr gefinkelten Denkerpose, stieß ein kurzes »Hm« aus und erzählte mir dann, dass in dem Haus, wo einst der Edi wohnte, nun ihre Tante wohnt. Wahnsinn. Leider ist das Einzige, was ich in sämtlichen Geschäftsunterlagen herausfinden konnte, dass Eduard einen Kredit von 20 000 Schilling aufgenommen hat, um sich einen PKW Marke ^ Fiat 1100 E, Baujahr 1950 zuzulegen. Vielleicht ist diese ganze Geschichte auch nur deshalb so spannend, weil ich nicht mehr erfahren kann. Edi, trotzdem würde ich dich heiraten, weil du so romantisch bist!

EDUARDS GESCHÄFTSPAPIERE II erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler


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Was man am Flohmarkt sonst noch alles bekommt Wie schon erwähnt, einerseits finde ich es spannend, diese am Flohmarkt erstandenen Dokumente und Fotos von wildfremden Menschen in den Händen zu halten, andererseits ein bisschen komisch und vielleicht ein etwas pervers. Aber, was soll's, immerhin sind sie nun offiziell in meinem Besitz, und vorenthalten werde ich nichts. Hier zum Beispiel auf der rechten Seite eine Streckenkarte der Gemeinde Wien. Gültig von 2. Jänner bis 1. Feber 1938. Hat damals 15 Schilling gekostet und hält um einiges mehr aus, als die Tickets die Wiener Linien im Jahr 2012. Eigentlich habe ich sie nur deshalb gekauft, weil ich den Namen des ehemaligen Besitzers des Fahrscheins, »Josef Pfandler« nicht richtig lesen konnte und dachte, er habe den gleichen Nachnamen wie ich, nämlich »Handler«. Zwar keine Ahnenforschung betrieben, trotzdem ist das Ticket ein schönes Stück, interessant was alles darauf vermerkt ist, sogar ist auf der Rückseite die exakte Gültigkeit der Strecken, welche mit der Fahrkarte gefahren werden darf, mit Hand eingetragen.


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STRECKENKARTE VON 1938, VORDERSEITE

STRECKENKARTE VON 1938, HINTERSEITE

erstanden am Flohmarkt Wien

erstanden am Flohmarkt Wien

Foto: Laura Handler

Foto: Laura Handler


Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt

Von der gefertigten Pfarre wird hiermit bescheinigt, dass laut diespfarrlicher TrauungsMatrik Tom. ____ Fol. ____ am ________ d. i. am _____________________ im Jahre des Herrn Ein Tausend achthundert ____________________________ der Bräutigam: ______________________________________________ Religion, ____ Standes, ____ Jahre als, gebürtig von _____________________ und wohnhaft in _____________________________________________ _______________________________________________________ _____________________________________________________und die Braut: _________________________________________________ Religion, ____ Standes, ____ Jahre alt, gebürtig von _____________________ ________ und wohnhaft in ____________________________________ ______________________________________________________ _______________________________________nach vorausgegangenem vorschriftsmäßigem Aufgebote und keinem entdeckten Hinternissen oder Verbote in Gegenwart der katholischen Beistände: _______________________________ _______________________________________________________ _________________________________ in dieser hiesigen Pfarrkirche »ad _______________________________________« nach christkatholischem Gebrauche von dem __________________________________________ __________________ getraut worden seien. Urkund dessen ist des Gefertigten eigenhändige Unterschrift und beigedrucktes Pfarrsiegel. Pfarre ________ am ________

TRAUUNGSSCHEIN 1892 erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler

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Ariernachweis Der »Ariernachweis« oder »Arierschein« war im nationalsozialistischen Deutschland von 1933 bis 1945 für bestimmte Personengruppen – insbesondere Beamte, öffentlicher Dienst, Ärzte, Juristen, Wissenschaftler deutscher Hochschulen – ein von Staats- und Regierungsbehörden geforderter Nachweis einer »rein arischen Abstammung« aus der arischen Volksgemeinschaft. Mit dem Ariernachweis begann die Ausgrenzung von »Nichtariern«, vor allem Juden, Roma und Sinti, die über die Aberkennung ihrer Bürgerrechte und Ausgrenzung bis zur Vertreibung, Ghettoisierung, Deportation und staatlich organisierten Massenermordung in Konzentrationslagern in Zweiten Weltkrieg führte. Ariernachweise wurden auch von Berufsverbänden, vielen Unternehmen und teilweise Kirchen als Zugangsvoraussetzung für eine Anstellung, sowie die NSDAP für die Aufnahme in die Mitgliedschaft, verlangt.


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ARIERNACHWEIS, 1941, AUSSEN erstanden am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler


Teil zwei // Abt. Schrift // Diana zeigt

Kleiner Ariernachweis Der Nachweis der »arischen« Abstammung erfolgte durch die Vorlage von sieben Geburts- oder Taufurkunden (des Probanden, der Eltern und der vier Großeltern) sowie drei Heiratsurkunden (der Eltern und Großeltern). Diese mussten von Pastoren, Standesbeamten oder Archivaren offiziell beglaubigt worden sein. Ersatzweise konnten ein beglaubigter Ahnenpass oder eine beglaubigte Ahnentafel vorgelegt werden. Bei der Überprüfung dieser Vorlagen mussten die deutschen Kirchen mitwirken, indem katholische Diözesen und evangelische Pfarrämter den Staatsbehörden ab April 1933 Auskünfte aus ihren Kirchenbüchern erteilten, die vor das 18. Jahrhundert zurückreichten. Sie gaben den Staatsbehörden auf Einzelnachfrage Auskunft; die Kirchenverwaltungen ließen dazu eigene Formulare drucken. Einzelne, vor allem den Deutschen Christen zugehörige oder nahestehende Pfarrer suchten von sich aus Christen jüdischer Abstammung aus ihren Tauf- und Trauregistern heraus und meldeten sie den Behörden. Seit 1934 wurde der Personenkreis, der den »kleinen Ariernachweis« bis zu den Großeltern zu erbringen hatte, u. a. auf alle Angestellten und Arbeiter des Reiches und der Gemeinden, auf Ärzte, Juristen und Schüler höherer Schulen ausgedehnt. Bei ungeklärten Familienverhältnissen – etwa bei Findlingskindern oder un- und außerehelichen Geburten – und in allen Zweifelsfällen entschied die »Reichsstelle für Sippenforschung« im Reichsministerium des Innern über den Einzelfall. Dabei lieferten ihr Universitätsinstitute oft erb- und rassebiologische Gutachten.

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GroSSer Ariernachweis Das »Reichserbhofgesetz« und die NSDAP verlangten den Nachweis der »rein arischen« Abstammung – auch für den Ehepartner – bis 1800, für Bewerber für die SS sogar bis 1750 zurück. In dieser Ahnentafel mussten alle Vorfahren des SS-Angehörigen beziehungsweise seiner Frau oder Braut bis frühestens 1. Januar 1800 aufgelistet sein, bei Rängen ab SS-Führer aufwärts sogar bis 1750. Bei jeder aufgeführten Person musste Name, Beruf, Religion und Geburts- und Sterbedatum eingetragen werden. Um die Erarbeitung der Ahnentafel musste sich der Betreffende selbst kümmern. Es wurde außerdem darum gebeten, die dafür notwendigen Geburts-, Todes- und Heiratsurkunden beizulegen und an das Rasse- und Siedlungshauptamt zu schicken. Auch hier wirkten die Kirchen mit. So legte etwa die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg eigene alphabetische Taufverzeichnisse für die Zeit von 1800 bis 1874 an – bis kurz nach der Reichsgründung, nach der staatliche Standesämter ähnliche Register führten – und führten außerdem besondere Karteien für »getaufte Juden und Zigeuner«. Keine weiteren Kommentare meinerseits.


Foto: Laura Handler

erstanden am Flohmarkt Wien

ARIERNACHWEIS, 1941, INNEN

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Na was Lehnt denn Hier, versteckt zwischen Schuheinlagen und dem betrunkenen Obdachlosen? Zwar nicht so nostalgisch und mitgenommen wie das Original, dennoch habe ich mich über die Kopie der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika, welche am 4. Juli 1776 datiert ist, gefreut. Einerseits, weil, auch wenn es eine Kopie ist, ich mir nie gedacht hätte, solch ein Dokument an jenem Tag zu finden, und zweitens, weil es mein bisher ältestes Fundstück – man erinnert sich an den Brief an Ray von 1887 – um unfassbare 100 Jahre übertrifft. Im Juli 1776 verabschiedete der Kongress der Vereinigten Staaten die Unabhängigkeitserklärung. Ihr hauptsächlicher Verfasser, Thomas Jefferson, schrieb die Erklärung als formelle Erklärung dafür, warum der Kongress am 2. Juli dafür abgestimmt hatte, die Unabhängigkeit von Großbritannien zu erklären, über ein Jahr nach dem Ausbruch des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, und als Erklärung, dass die 13 amerikanischen Kolonien nicht mehr Teil des Britischen Weltreichs waren. Philosophisch gesehen betonte die Erklärung zwei Themen: individuelle Rechte und das Revolutionsrecht. Diese Vorstellungen wurden weitgehend vom amerikanischen Volk aufrecht erhalten und auch international verbreitet, wovon insbesondere die Französische Revolution beeinflusst wurde. Der Kongress erließ die Unabhängigkeitserklärung in verschiedenen Formen: Sie wurde ursprünglich als Plakat veröffentlicht, das weit verbreitet und in der Öffentlichkeit verlesen wurde.

KOPIE DER UNABHÄNGIGKEITSERKLÄRUNG DER VEREINIGTEN STAATEN entdeckt am Flohmarkt Wien Foto: Laura Handler


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Musik


Teil eins // Abt. musik // Diana erzählt  Warum ist dieses Kapitel anders?

Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt


TEIL EINS


Abt. Musik//warum dieses Thema ein bisschen anders ist, Diana spricht.

Das Thema Musik ist zwar ebenso ein Kapitel in diesem Buch, wie die Kapitel Fotografie und Schrift, jedoch sind die Sachverhalte hier ein wenig anders. Gespannt? So bitte ich, weiterzubl채ttern.


Teil eins // Abt. Musik // Diana erzählt

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Warum ist dieses Kapitel anders? Schreiben sowie lesen kann fast jeder, zumindest die Leute in meinem Unfeld. Ähnlich ist es mit der Fotografie. fast jeder macht es, ob er es kann oder nicht. Etwas anders ist es bei der Musik, zwar hören wir alle musik , aber nicht jeder Produziert sie.

Nun sind wir also beim dritten und somit auch letzten Kapitel meines Buches angelangt. Ich muss ehrlich gestehen, das Kapitel »Musik« war anfangs gar nicht geplant, doch während ich mitten in der Arbeit der vorigen Kapitel steckte, schoss es mir eines Abends kurz durch den Kopf. Am nächsten Tag schwirrte es wieder in meiner Birne umher und am dritten Tag stand es greifbar vor mir, so beschloss ich, dieses Buch um eben dieses Kapitel auszuweiten. Immerhin muss man auf seine Eingebungen hören. Wie schon vorweg genommen, das Kapitel ist etwas anders, als die anderen zwei. Der Grund ist folgender: Wenn es um Schreiben und Lesen geht, bin ich als Person sowohl Rezipient, als auch Produzent. Umlegbar ist diese These auf das Kapitel »Fotografie«. Pausenlos werde ich als Rezipient mit dem Medium Fotografie konfrontiert, genauso bin ich hierbei auch Produzent. Beispielsweise sind alle Fotos, welche in diesem Buch aufbereitet sind, von mir gemacht. Ich bin im Herzen eine Lichtmalerin, somit ordne ich mich ohne Zweifel auch in die Spate des Produzenten des Fotos ein. Etwas anders ist es nun bei der Musik. Was meinen Musikgeschmack betrifft, bin ich

schon durch viele Stadien in meiner bisherigen Laufbahn gegangen. Bewusst angefangen, Musik zu hören habe ich erst im Alter von acht Jahren – andere waren mir da schon zwei Jahre voraus. Meine erste Compact Disc war ein Exemplar der »Bravo Hits«, darunter ist eine Serie von Musik-Samplern mit aktuellen Titeln aus den Charts zu verstehen. Sie erscheinen seit 1992 regelmäßig als Compact Disc. Die Reihe ist hervorgegangen aus der Jugendzeitschrift Bravo, welche ich natürlich auch gelesen habe, heimlich, mit Freunden. Mein erstes selbstgekauftes Stück um damals fast 200 Schilling war die »Bravo Hits 14«. Jahrelang habe ich Charts gehört, aber – das war zu erwarten – auch Boy- und Girlgroups. Mein lieber Bruder namens Markus fand das alles etwas lahm und zog mir immer Hoodies an, auf welchen Bandnamen von Rock- und Metalbands von unserer Mutter draufgestickt waren. Mit diesem Einfluss und jenem meiner Freundin Steffi wurde ich in den Bann des dunklen Metal gezogen. Die Palette von Heavy Metal, New Metal über Death und Black Metal bis hin zu Hardcore haben wir uns so ziemlich alles in die Ohren geknallt und uns durch sämtliche Konzerte »gepogt«. Daraufhin kam eine etwas softere Phase, in der ich auf hei-


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Teil eins // Abt. Musik // Diana erzählt

tere Punk- und Gitarrenzeugsmusik abgefahren bin. Nie konnte ich mich vollkommen mit der Musik identifizieren bis mir eines Tages eine CD meines Bruders – ja ja, wieder des Bruders Schuld – in die Hände fiel. In ordentlich geschriebenen Kapitälchen stand auf ihrer Hülle »Daft Punk. Discovery«. Ich glaube, es war das Jahr 2007 oder 2008, denn ich habe ihm die CD abgemurkst und in mein Auto gelegt, und dieses hatte ich ab 2006. Nun, so schlitterte ich in die elektronische Musik. Nach wie vor zählen Daft Punk – leider haben sich die zwei Herren mittlerweile von der Bildoberfläche verabschiedet, zumindest was Gigs angeht – zu meinen Lieblingen, was Musik betrifft. So bediene ich mich seit dato von dem riesigen Buffet an elektronischen Köstlichkeiten und bin noch lange nicht satt. Zwar spiele ich Klavier, nichtsdestotrotz bin ich kein Produzent im Bereich Musik sondern bezeichne mich als reinen Empfänger. Wie geht man also an dieses Thema heran, wenn man doch nur die Seite des Rezipienten kennt? Dafür bedarf es nun einer Erklärung, welche vielleicht etwas kompliziert erscheinen mag, im Endeffekt aber logisch auf der Hand liegt.

Damit es auch meine liebe Eltern verstehen – Hallo Mama, hallo Papa – erkläre ich es nun Schritt für Schritt: Meine Bachelorarbeit handelt von dem Gefangensein zwischen digital und analog. Wenn man sich jeweils »Teil zwei« dieser Kapitel noch mal zu Auge führt, erkennt man, dass ich analoges, altes, gefundenes digitalisiert habe – in den meisten Fällen habe ich die Dokumente mit meiner digitalen Spiegelreflexkamera abfotografiert und auf meinem Computer übertragen, um sie danach in dieser Arbeit zu konservieren und archivieren. In Kapitel »Fotografie« sowie in Kapitel »Schrift« bin ich sowohl Produzent, als auch Rezipient. Im Kapitel »Musik« bin ich reiner Empfänger und somit ändert sich auch die Aufbereitung des Materials. Ich arbeite hierbei mit meiner analogen Kompaktkamera, mache damit Fotos von Künstlern, die digitale Musik vor meinen Augen (und Ohren) machen, und arbeite die Ergebnisse danach in meine Arbeit ein. Kurz gesagt, ich habe den Spieß umgedreht, analog erfasse ich das digitale, was hier die elektronische Musik darstellt, und nicht wie zuvor, umgekehrt.


TEIL ZWEI


Abt. Musik//wie das umgekerhte Thema aussieht, Diana zeigt.

Wie denn nun das auf-den-Kopf-stehende beziehungsweise umgekehrte Kapitel aussieht? Eigentlich genau umgekehrt. Digitales wird analog. Analoges wird digital. Der Rezipient ist nun nur mehr Rezipient, w채hrend der Produzent des aufgezeigten ihm in einem realen Moment gegen체bersteht. Die Grenzen von Raum und Zeit der vorigen Kapitel werden 체berschritten, und das sehr gerne.


Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

Die HEIMISCHEN LIEBLINGE Kaum zu glauben, aber auch Österreich hat seine elektronischen Schmankerln. In wiener Lokalen wie dem Flex, der Pratersauna, dem Sass Club, dem Morrison Club, dem Future Garden, dem Donau Techno, dem Techno Café, dem Werk, dem Como Club und manchmal auch im Café Leopold bekommt man musikalische Klänge, die von Electro über Experimental, bishin zu House und Techno gehen.

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Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

ETEPETETE & PRASSELBANDE Pratersauna Wien Foto: Laura Handler, Canon Prima Twin S


Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

MARKUS LINDNER [Cityfox, Stadtpark Musik] Sass Club Wien Foto: Laura Handler, Canon Prima Twin S

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Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

ZUCKERWATT Sass Club Wien Foto: Laura Handler, Canon Prima Twin S


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BUBBLECLUB Pratersauna Wien Foto: Laura Handler, Canon Prima Twin S


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PRASSELBANDE Pratersauna Wien Foto: Laura Handler, Canon Prima Twin S


Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

Die schweizer Buben Durch meine Freundin Julia hat es mich dieses Jahr im Februar mit ihr in die Schweiz verschlagen. Dort hatte sie im Sommer zuvor ein Praktikum gemacht und somit die schwarze Luft der Züricher erkundet. Das Tageslicht haben wir in den 3 Tagen Urlaub zwar fast nie gesehen, umso mehr führte uns der liebe Nici wunderbar von Club zu Club, ein guter Touristenführer, ein sehr guter. Erforscht wurden im neutralen Land der Hive Club, Club Zukunft, eine Bierbrauerei, eine im 20er-Jahre Stil gehaltene Gin Bar, eine Hausparty und sogar das Salzberg in Winterthur. Eines hatten alle Lokalitäten gemeinsam, überall waren wunderbare musikalische Köstlichkeiten für unsere hungrigen Ohren.

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Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

NICI FÆRBER [HIVE AUDIO & UNSERE BEWEGGRÜNDE] Hive Club Zürich Foto: Laura Handler, Rollei Prego 90


Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

MIK MAROO Hive Club Z端rich Foto: Laura Handler, Rollei Prego 90

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Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

RETO ARDOUR [HIVE AUDIO, BAALSAAL, KIARA RECORDS, RECYCLE LIMITED, BE FREE & ETHNIK GROOVE] Salzhaus Winterthur Foto: Laura Handler, Rollei Prego 90


Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

die internationalen Helden Gerade zu dem Wochenende, an dem mir viele internationale Künstler versprochen waren, machte meine liebe Analogkamera schlapp, so musste ich spontan auf eine Einwegkamera zurück greifen, welche mich leider bitte enttäuschte. So ist das nun mal mit den analogen Kameras und Filmen, man weiß nie was passiert. Eine Spielempfehlung bei den folgenden Fotos: Finde und erkenne die Person! Auf der rechten Seite ist Österreichs Exportheld zu sehen, sein Name ist Florian Meindl und er kommt aus dem oberösterreichischen Eferding, studierte in London und wohnt seit seinem Abschluss in Berlin. Er hat das Label Flash Recordings in die Welt gerufen und ist auch fleißig am produzieren. Momentan ist er weltweit auf Album Release Tour, sogar in Mexico hatte er einen Gig. Applaus an den Burschen. Auf den nächsten Seiten sind weiters AKA AKA zu finden, die deutschen Deejays wissen, wie man die Menge zum feiern bringt und auch John Talabot lässt mit ohrgasmische Tönen die Herzen im Takt des Basses mitvibrieren.

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Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

FLORIAN MEINDL [FLASH RECORDINGS] Postgarage Graz Foto: Laura Handler, Einwegkamera


Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

JOHN TALABOT [MAGNET MUSIC] Postgarage Graz Foto: Laura Handler, Einwegkamera

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Teil zwei // Abt. Musik // Diana zeigt

AKA AKA & THALSTROEM [STIL VOR TALENT, BURLESQUE MUSIQUE, PENTAGONIK] Postgarage Graz Foto: Laura Handler, Einwegkamera



Danke an meine Helden, Mama, papa, markus, mÆdchengruppe, kornmädls, schatzis, dudes, felix, aidan, sämtliche musen und den Mond.



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