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Leitfaden für
geschlechtergerechtes Formulieren in der Katholischen Kirche in Oberösterreich
Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter, neun Jahre nach der Erstauflage liegt die überarbeitete Fassung des Leitfadens für geschlechtergerechtes Formulieren vor Ihnen. Er enthält die wichtigsten Grundprinzipien und einige Beispiele für die Anwendung der geschlechtergerechten Sprache im ArbeitsAlltag. Im Rahmen des im Jahr 2000 begonnenen Gleichstellungsprozesses der Diözese Linz wurde auch ein Equality-Leitbild erarbeitet, das als Handlungsmaxime für kirchliche Führungspersonen gilt. Darin heißt es zum Thema Sprache: „Bei allen Publikationen sowie beim Schriftverkehr, dem Formularwesen etc. werden Personen- und Funktionsbezeichnungen in weiblicher und männlicher Form verwendet. Beide Geschlechter sollen damit sichtbar und hörbar gemacht werden. Bei der Auswahl von Bildern und Grafiken überschreiten wir geschlechtsstereotype Rollenzuschreibungen. Der ‚Leitfaden für geschlechtergerechtes Formulieren‘ bietet dazu eine einheitliche diözesane Linie sowie Hilfestellung.“
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Männer werden immer richtig eingeordnet, Frauen fast nie, denn in unserer Sprache gilt die Regel: 99 Sängerinnen und ein Sänger sind zusammen 100 Sänger. Futsch sind die 99 Frauen, nicht mehr auffindbar, verschwunden in der Männerschublade. Luise Pusch
Vielen von Ihnen ist geschlechtergerechtes Formulieren bereits zur Selbstverständlichkeit geworden. Die folgenden Vorschläge verstehen sich als Handreichung zur Erleichterung und zur Vereinheitlichung der Praxis in unserer Diözese. Ihre Texte und Reden sollen damit nicht umständlicher, sondern vielmehr persönlicher, ansprechender und lebendiger werden. Vor allem sollen Frauen wie Männer in dem, was sie tun, sichtbar werden. Die Diözesanleitung der Katholischen Kirche in Oberösterreich hat diesen Leitfaden diskutiert und verabschiedet und bittet alle Beschäftigten, in der mündlichen und schriftlichen Kommunikation geschlechtergerecht zu formulieren. Viel Freude beim geschlechtergerechten Schreiben und Sprechen!
Mag.a Sonja Riha Frauenbeauftragte der Diözese Linz
Dr. Christoph Baumgartinger Vertreter des Bischofs in Gleichstellungsfragen
Im Dezember 2011
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I. GESCHLECHTERGERECHTE SPRACHE Unsere Sprache ist neben ihrer Funktion als Kommunikationsmittel ein Spiegelbild gesellschaftlicher Normen und unserer sozialen Wirklichkeit. Sprache vermittelt Werte und Weltanschauungen. Tatsache ist, dass sich unsere Gesellschaft, unsere Wirklichkeit schneller verändern, als sich die Sprache diesen Veränderungen anzupassen vermag. Tatsache ist aber auch, dass durch eine Sprache, die beiden Geschlechtern gerecht wird, Bewusstseinsprozesse angeregt, Blickwinkel erweitert und schließlich gesellschaftliche Strukturen verändert werden. Eine geschlechtergerechte Sprache macht Frauen wie Männer deutlich sichtbar und spricht beide ausdrücklich an. Sie bemüht sich um eine Symmetrie, indem Frauen und Männer gleichwertig benannt werden. Frauen werden dadurch nicht länger mitgemeint oder ausgeschlossen und somit unsichtbar gemacht. Dadurch entsteht ein besseres Abbild der Wirklichkeit, in der mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung Frauen sind. Weiters bemüht sich geschlechtergerechte Sprache auch um ein Vermeiden von sexistischen und diskriminierenden Formulierungen. Rechtliche Grundlagen sind diverse Gesetze zur Vermeidung und Verbote von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (UNOMenschenrechtserklärung von 1948, Bundes-Gleichbehandlungsgesetz in Österreich 1993, EU-Vertrag von Amsterdam 1997 – Verpflichtung zur Umsetzung von Gender Mainstreaming). Wenig nützlich dafür sind Anwendungsklauseln zu Beginn eines Textes, dass Frauen grundsätzlich mitgemeint sind. Auch dient die Umkehrung und die ausschließliche Verwendung von weiblichen Bezeichnungen ebenso wenig der sprachlich klaren Verständigung. Eine Sprache, die Frauen und Männer gleichermaßen anspricht, sollte klar und korrekt sein.
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II. DIE GEBRÄUCHLICHSTEN MÖGLICHKEITEN FÜR GESCHLECHTERGERECHTES FORMULIEREN 1. Sichtbarmachen von Frauen und Männern Wichtig ist immer: Wer ist gemeint? Machen Sie es sich zum Anliegen, auch wirklich jene anzusprechen, die Sie meinen!
1.1. Wenn ausschließlich über Frauen/über Männer gesprochen wird, so muss das auch entsprechend formuliert sein Richtige Wahl des Artikels: die Vortragende/der Vortragende Weibliche/Männliche Endsilben: die Leiterin/der Leiter Richtige Form verwenden: jede/jeder, keine/keiner, … Zusammengesetzte Wörter, die auf das Geschlecht der Person hinweisen: die Obfrau/der Obmann
1.2. Wird sowohl über Frauen als auch über Männer gesprochen, so muss das ebenfalls sichtbar werden Ausgeschriebene/ausgesprochene Paarform Zumindest in der Anrede oder bei der erstmaligen Nennung der Zielgruppe sollen beide Geschlechter voll ausgeschrieben und benannt werden: Christinnen und Christen Kolleginnen und Kollegen Abteilungsleiterin oder Abteilungsleiter Verkürzte Paarform 5
Trennung der weiblichen und der männlichen Form durch einen Schrägstrich: Frau/Herr Referentin/Referent Obfrau/Obmann Zusammenziehen mit Schrägstrich Wenn sich weibliche und männliche Formen nur durch die Endung unterscheiden, ist ein Zusammenziehen möglich. ein/e Raumpfleger/in der/die Pastoralassistent/in Diese Schrägstrich-Formulierungen bewirken oft, dass Texte schwer lesbar sind. Deshalb ist diese Form eher für kurze, komprimierte Texte (Formulare, Fragebögen, ...) geeignet. Zusammenziehen mit „Binnen-I“: entstanden durch Verbinden von „/“ und „i“ alle ReligionslehrerInnen der/die SekretärIn liebe MitarbeiterInnen Das „Binnen-I“ entspricht nicht der geltenden ÖNORM und den Rechtschreibregeln, daher wird es im Allgemeinen für umfangreiche Publikationen, Veröffentlichungen und dergleichen eher nicht verwendet. Andererseits spricht die gute Lesbarkeit für eine möglichst breite Verwendung des „Binnen-I“, das daher im Sinne der Förderung von Gleichstellung zu bevorzugen ist.
2. Neutralisieren des Geschlechts – ge6
schlechtsneutrale Formulierungen 2.1. Neutrale Personen- und Funktionsbezeichnungen die Person die Lehrkraft statt: die Lehrerin, der Lehrer die Leitung statt: die Leiterin, der Leiter die Geschäftsführungskonferenz statt: die GeschäftsführerInnen- konferenz
2.2. Neutrale Mehrzahlbildungen die Studierenden die Beschäftigten die Lehrenden die Teilnehmenden
2.3. Bezeichnungen von Funktionen, Institutionen, eines Kollektivs anstatt von Einzelpersonen die Direktion die Führungskraft die Fachleute das Institut die Abteilung das Personal das Projektteam
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2.4. Verwendung von unpersönlichen Fürwörtern bzw. von Eigenschaftswörtern Alle, die teilnehmen, sind in der Pause. Statt: Alle Teilnehmer sind in der Pause. Alle, die ministrieren, bekommen eine Jause. Statt: Alle Ministranten bekommen eine Jause. Wer ein Formular braucht, … Statt: Jeder, der ein Formular braucht, … Geschlechtsneutrale Formulierungen beziehen sich auf beide Geschlechter, machen aber weder Frauen noch Männer sprachlich sichtbar; daher werden diese Möglichkeiten nicht bevorzugt. Aus stilistischen Gründen und zur Verbesserung der Lesbarkeit können neutrale Formulierungen vorteilhaft sein, sie sollen aber nicht ausschließlich verwendet werden!
3. Vermeidung von Klischees, Stereotypen und sexistischen Ausdrucksformen Sprachliche Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts, des Alters, einer Beeinträchtigung, der Herkunft, der Lebensform, der Religion oder der sexuellen Orientierung müssen vermieden werden. Z. B.: „Die Mädels aus dem Sekretariat erledigen das.“ „das schöne/schwache Geschlecht“ bzw. „das starke 8
Geschlecht“ „Die Basteldamen …“ Bei Bildern und Fotos ist darauf zu achten, dass Männer und Frauen gleichwertig positioniert und dargestellt werden: Größe, Bildausschnitte, Motive (als Negativbeispiel: Frauen im Pausengespräch, Männer am Podium). Klischees oder geschlechtsspezifische Rollenzuweisungen sind zu vermeiden (als Negativbeispiel: Männer aktiv, diskutierend, arbeitend und Frauen in passiver, zuhörender Haltung).
III. TIPPS ZUR ANWENDUNG – KREATIVES FORMULIEREN Verwenden Sie beide Formen, wenn Frauen und Männer gemeint sind! Nennen Sie die Geschlechter sorgfältig, symmetrisch und alphabethisch mit Namen, Titel, Funktion, …
JA Ja
Rektor des Schulamtes Dr. Christoph Baumgartinger und Frauenbeauftragte Mag.a Sonja Riha Als Ehrengäste begrüßen wir Herrn Dr. Franz Muster mit seiner Ehefrau, Frau Franziska Muster.
Nein
Rektor des Schulamtes Dr. Christoph Baumgartinger und Frau Mag. Riha Als Ehrengäste begrüßen wir Herrn Dr. Franz Muster mit seiner Ehefrau.
Vereinfachen Sie Paarformen mit dem Plural, wenn ausfor- mulierte Doppelformen umständlich oder schwer lesbar werden:
JA
Ja die Antragstellenden Nein die Teilnehmenden
die Antragstellerin und der Antragsteller die Teilnehmerin und der Teilnehmer 9
die Studierenden die Studentinnen und Studenten Verwenden Sie die Kurzform mit „/in“ bzw „/innen“ nur bei knappen Texten und grammatikalisch richtig! Nach dem Weglassen der Endung „-in, -innen“ muss eine grammatikalisch korrekte Form übrig bleiben:
JA Ja
JA
Schüler/innen
Nein
Ärzt/in
Achten Sie auf Übereinstimmung innerhalb eines Satzes: Ja
Die Caritas ist wichtigste Ansprechpartnerin für Betroffene. Die Kirche als Arbeitgeberin …
Nein
Die Caritas ist wichtigster Ansprechpartner für Betroffene. Die Kirche als Arbeitgeber …
Sie können geschlechtsspezifische Bezeichnungen auch umformulieren:
JA Ja
Teilgenommen haben … Statt Die Kosten trägt … Vertreten durch … Es referieren …
TeilnehmerInnen KostenträgerInnen VertreterInnen ReferentInnen
Schreiben Sie Titel, Funktionsbezeichnungen und Anreden, wenn sie Frauen betreffen, in der weiblichen Form. Bei Ab- kürzungen kann die weibliche Endung hochgestellt werden. Sie können sich die Eingabe auf dem Computer mittels AutoKorrektur erleichtern.
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Doktorin: Dr.in Diplompädagogin: Dipl.Päd.in Magistra: Mag.a Direktorin: Dir.in Pfarrassistentin: PfAss.in Pastoralassistentin: PAss.in Diplomsozialarbeiterin: DSAin Hofrätin: HRin Geschäftsführerin: GFin Universitätsprofessorin: Univ.-Prof.in Landesrätin: LRin Rektorin Vizerektorin Amtsleiterin Internet-Userin Keine weiblichen Endungen gibt es bei Master: M.A. Bachelor: BEd oder BSc Seien Sie experimentierfreudig und verwenden Sie ruhig (noch) ungewohnte Wendungen und Begriffe, z. B.: Vorderfrau (statt Vordermann) Ombudsfrau (statt Ombudsmann) Schirmfrau (statt Schirmherr) Redepult (statt Rednerpult) Denken, sprechen und schreiben Sie ganz selbstverständ- lich für beide:
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Berücksichtigen Sie Frauen und Männer bereits bei der Planung und Konzeption von Briefen, Berichten, Projekten.
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IV. QUELLEN Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz: Anleitungen zu geschlechtergerechtem Sprachgebrauch. Schriftenreihe der Frauenministerin. Band 13, Wien 1997 Donau-Universität Krems. Koordinationsstelle für Frauenförderung: Leitfaden für geschlechtergerechtes Formulieren, 2009. http://www.donau-uni.ac.at/gender [30.06.2011] Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH), Stelle für Chancengleichheit von Mann und Frau: Die 12 Sprachregeln. http://www.equal.ethz.ch/publications/rules [30.06.2011] Irmen Lisa / Sander Claudia: Richtlinien und Beispiele für einen nicht-sexistischen Sprachgebrauch. Psychologisches Institut Heidelberg, 2000. http://www.psychologie.uni-heidelberg.de/personen/frauenbeauftragte/ hintergrund.html [30.06.2011]
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Johannes Kepler Universität Linz. Stabsabteilung für Gleichstellungspolitik: Geschlechtergerecht in Sprache und Bild, Jänner 2009. http://www.jku.at/content/e213/e197/e12892/e12668/e12619/ [30.06.2011] Pusch Luise F.: Alle Menschen werden Schwestern – feministische Sprachkritik, Frankfurt/Main 1990 Trömel-Plötz Senta: Vatersprache – Mutterland: Beobachtungen zu Sprache und Politik, München 1993
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KONTAKT: Mag.a Sonja Riha Frauenbeauftragte der Diözese Linz Kapuzinerstraße 84, 4020 Linz Tel. 0732/76 10-3010 E-Mail: frauenkommission@dioezese-linz.at IMPRESSUM: Herausgeberin: Team der Gleichstellungsbeauftragten – Katholische Kirche in Oberösterreich, Mag.a Sonja Riha, Dr. Christoph Baumgartinger, Kapuzinerstr. 84, 4020 Linz Redaktion: Mag.a Sonja Riha, Mag.a Barbara Eckerstorfer Layout/Grafik: Stefan Teufel; Druck: kb-offset/Regau