Informationsbrief April 2019

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oder »Retterliebe i?« Rechthabere lisation

d Evange Bekenntnis un in Kassel am 19.10.2019 othmann mit Thomas K zany und Ulrich Par

Aus dem Inhalt

Neues aus Kirche und Welt Aus Lehre und Verkündigung Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Predigt zu Johannes 20,24 – 29 »Im Kreuz ist Heil« Karl Barths merkwürdiges Sterben Der Christ: In der Welt, doch nicht von der Welt 360. Todestag von Simon Dach Aus den Bekennenden Gemeinschaften Aus Kirche und Gesellschaft Aus dem Pietismus Buchrezensionen

ISSN 1618-8306

April 2019 Nr. 315

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium«


kurz+bündig Personen Verleger Ulrich Weyel wurde 80

Der sozial und missionarisch stark engagierte Verleger Ulrich Weyel wurde im vergangenen Dezember 80. Er rief eine Reihe von evangelikalen Werken und Einrichtungen ins Leben. Er ist in der Lebensrechtsbewegung engagiert. 2004 erhielt der Verleger für seine ehrenamtlichen Aktivitäten das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Ob er dieses heute auch noch bekäme? Kurt Spiess, ehemaliger Präsident der ­Evangelischen Allianz in der Schweiz ­verstorben

Kurz vor dem Jahreswechsel ist der frühere Präsident der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA), Pastor Kurt Spiess, im Alter von 81 Jahren heimgegangen. Von 1999 bis 2002 stand er an der Spitze der SEA. Er übernahm das Amt, als sich der evangelikale Dachverband in einer Finanzkrise befand und trug maßgeblich zu dessen Konsolidierung bei. Er war 36 Jahre lang Pastor der Freien evangelischen Gemeinde. Spiess’ Sohn Matthias ist einer der beiden Generalsekretäre der SEA.

Kirche in Deutschland Leitender Bischof und ­Stellvertreter bei VELKD

Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELKD) ist 2

der seit 2011 als Landesbischof von Hannover amtierende Ralf Meister (56). Er folgte auf den Bischof der Nordkirche, Gerhard Ulrich, der im März in den Ruhestand trat. Stellvertreter ist der sächsische Bischof Carsten Rentzing (Dresden), der diesen Posten von der mitteldeutschen Bischöfin Ilse Junkermann (Magdeburg) übernahm. Rentzing widersprach der Sicht der EKD. Er vertritt nämlich die Meinung, Krankenkassen sollten nicht die Kosten für Bluttests bei Schwangeren übernehmen. Baden und ­Württemberg haben Dekanin im ­Justizvollzug

Susanne Büttner ist Dekanin im Justizvollzug für die Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg. Die 55-Jährige ist seit 2001 Pfarrerin in der Haftanstalt Gotteszell in Schwäbisch-Hall. Als Dekanin betreut sie alle Seelsorgerinnen und Seelsorger, die im Strafvollzug arbeiten. Wenige Gläubige, weniger Kirchen

Allein in Nordrhein-Westfalen sind seit der Jahrtausendwende mehr als 450 Kirchen, Kapellen und Gemeindehäuser geschlossen worden, berichten

die fünf katholischen Bistümer und die evangelische Kirche im Rheinland. Die Schließungen verteilen sich etwa gleichmäßig auf evangelische und katholische Einrichtungen. Als Grund nannten die Kirchen Geldmangel, das Fehlen von Priestern und eine zu geringe Zahl an Kirchgängern.

Ethik Lebensrechtlerin Ursula Toaspern †

Eine führende Lebensrechtlerin im Osten Deutschlands, die Pfarrfrau und Krankenschwester Ursula Toaspern (Hohen Neuendorf bei Berlin), ist bereits Ende vergangenen Jahres im Alter von 90 Jahren heimgegangen. Die in Kiel Geborene ging mit dem Pfarrer Paul Toaspern (1925–2012), den sie 1953 geheiratet hatte, in die DDR, um dort als Christin Menschen zu dienen. Insbesondere ihre sieben Kinder waren Benachteiligungen in Schule und Ausbildung durch das SED-Regime ausgesetzt. Balletdirektor ­Neumeier ­»heiratet« seinen ­Lebenspartner

Hamburgs Balletdirektor John Neumeier (79) hat »geheiratet«, seinen langjährigen Lebenspartner Hermann Reichenspurner (59), der Chef des Herzzentrums am Universitätskrankenhaus Haus Eppendorf ist.

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Ausbildung Mitteldeutsche K ­ irche hat neuen Leiter für ­Diakonenausbildung

Der Theologe und Historiker Thomas A. Seidel ist neuer Leiter der Diakonenausbildung am »Diakonischen Bildungsinstitut Johannes Falk (DBI)« mit Sitz in Eisenach. Zudem arbeitet er im Bereich der Fortund Weiterbildungsakademie des DBI als »Dozent für Diakonische Bildung und Kulturentwicklung«.

Innere Mission

kurz+bündig

Personen +++ Kirchen +++ Glauben +++ »Modernes Leben«

der damalige Generalsekretär des CVJM Mannheim zusammen mit seiner Frau Irmela (1924–2003) nach seinen Worten, junge Christen »durch gemeinsames Leben zu verantwortlicher Mitarbeit in Kirche und Gesellschaft anzustiften«. Für seine internationale Völkerverständigung erhielt er 1990 das Bundesverdienstkreuz.

Leiter des Tagungshauses ­Hanstedt: Missionarisches Profil vertiefen

Diakon Andreas Tuttas (43) ist neuer Leiter des Missionarischen Zentrums Hanstedt (südlich von Hamburg). Er ist für die Verwaltung des Hauses zuständig sowie für Andachten, Seminare, Glaubenskurse und Jugendleiterschulungen. Der an der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal Ausgebildete sieht es als seine Aufgabe an, das missionarische Profil zu vertiefen. Mission findet seiner Einschätzung nach heute verstärkt über Beziehungen, kleine Gruppen und Seelsorge statt. Gründer der Offensive Junger Christen wurde 90

Der Gründer und langjährige Leiter der ökumenischen Kommunität »Offensive Junger Christen«, Horst-Klaus Hofmann (Bensheim bei Darmstadt) wurde 90. 1968 begann

Kirche in Deutschland Kernbotschaft von Ostern ohne Bedeutung

Die Kernbotschaft von Ostern, »die Frage von Tod, Auferstehung und Gott«, spielt im Alltag kaum noch eine Rolle, so die Beobachtung des Kulturwissenschaftlers Gunther Hirschfelder. Selbst in den christlichen Gemeinden beschäftige man sich eher mit dem Islam als damit, wie man über Tod und Auferstehung in der heutigen Zeit reden könne. Ostern sei – neben Pfingsten – das »am stärksten säkularisierte Fest«. Von der Symbolik her sei man bei einem Frühlingsfest angelangt.


kurz+bündig Kirchentag Kirchentag 2023 in Nürnberg

In Nürnberg wird im Jahr 2023 der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag stattfinden. Damit ist der Kirchentag nach 1979 zum zweiten Mal in Nürnberg zu Gast.

Gesellschaft Smartphone & Co.: Kinder werden kurzsichtig

Wenn kleine Kinder ungehindert Smartphones, Tablets und Computer benutzen, werden sie kurzsichtig. »Studien zeigen, dass Kurzsichtigkeit zu rund 50 Prozent vom Lebensstil beeinflusst wird«, sagt die Berliner Augenärztin Professor Bettina Wabbels. Bei Kindern unter drei Jahren führe das häufige Starren auf nahe Computerbildschirme dazu, dass der Augapfel wächst und das Auge länger wird. Vierbis Sechsjährige sollten höchstens eine halbe Stunde vor dem Bildschirm sitzen.

Hirnforscher: Der Online-Sucht wehren

Der Hirnforscher Manfred Spitzer (Ulm) hat mehr Therapieplätze für OnlineSüchtige gefordert. Angesichts der steigenden Zahl von Online-Süchtigen habe man 4

mit nur etwa 200 Behandlungsplätzen in Deutschland viel zu wenige. Wer das Smartphone übermäßig nutze, leide häufig unter Ängsten, Aufmerksamkeitsstörungen, Bewegungsmangel und Depressionen. Kinder und Jugendliche seien dabei von nahezu allen Risiken und Nebenwirkungen betroffen. Spitzer warnte außerdem davor, digitalen Medien in der Schule einen zu großen Raum zu geben.

des Verbots der Gotteslästerung aus der Verfassung ihres Landes gestimmt; nämlich laut endgültigem Ergebnis zu 65 Prozent.

Schreiben ohne Gendersternchen

Ehemaliger Verfassungsgerichtspräsident kritisiert Justiz und Politik

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, wirft der Bundesregierung und der deutschen Justiz vor, geltendes Recht zu wenig durchzusetzen. Dies könne dazu führen, »dass Vertrauen in unsere Rechtsordnung […] erschüttert wird«. Insbesondere beim Umgang mit Flüchtlingen sei deutsches und europäisches Recht »über Jahre nicht wirklich umgesetzt worden und wird noch immer nicht durchgesetzt«. Irland: Mehrheit gegen ­Blasphemiegesetz

Mit deutlicher Mehrheit haben die Iren Ende vergangen Oktober für die Abschaffung

In Schreiben von Behörden und Texten an Schulen werden in absehbarer Zeit keine »Gendersternchen« verwendet werden. Der Rat für deutsche Rechtschreibung sprach sich gegen eine Empfehlung für das Sternchen aus. Hintergrund der Entscheidung ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Bereits im Juni 2018 hatte sich der Rat mit Sitz in Mannheim dagegen ausgesprochen, das Sternchen in den Duden aufzunehmen.

Islam Irische Sängerin tritt zum Islam über

Für manche ist der Islam offensichtlich recht attraktiv. So trat die irische Sängerin Sinead O’ Connor zum Islam über. Sie sei »stolz« auf diesen Schritt, erklärte die 51-jährige. Künftig höre sie auf den Namen Shuhada Davitt.

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Aus Lehre und Verkündigung mm Es ist ihnen [den Predigern] verboten, von Gottes Geheimnissen mehr zeigen zu wollen, als Gott selbst frei gibt. Sie haben sein Wort – und darüber hinaus keinerlei Sonderinformationen oder Spezialeinblicke oder Privatoffenbarungen. Wenn uns göttliche Geheimnisträger von dieser Sorte angepriesen werden oder sich selber anpreisen und ins Licht stellen, sollten wir sehr vorsichtig sein. Rettung ist nicht Befreiung vom Kreuz, sondern Befreiung durch den Gekreuzigten.

mm Der Christ hat den Vorteil, dass er bereits aus dem Grabe ist mit dem rechten Bein, und hat einen gewaltigen Gehilfen, der ihm die Hand reicht, nämlich seinen Herrn Jesus Christus, der aus dem Grabe schon längst heraus ist und ihn bei der Faust fasset und mehr als die Hälfte schon herausgezogen hat, dass nicht mehr als der linke Fuß dahinten bleibt. Denn die Sünde ist ihm schon vergeben und ausgetilgt, Gottes Zorn und die Hölle ausgelöscht, und er lebt bereits gar in und bei Christo nach dem besten Stück […] teilhaftig des ewigen Lebens.

mm So wie ein Körper ohne Atem eine Leiche ist, so ist auch die Gemeinde Jesu ohne den Heiligen Geist tot.

mm Denn wir haben dort in jenem Leben bei Gott einen gewissen, treuen Helfer, Jesum Christum, welcher für uns den Tod samt den Sünden erwürgt hat, und jetzt da für uns sitzt und samt allen Engeln auf uns sieht und unser wartet. Denn er hat’s geredet, verheißen und zugesagt, er wird und kann uns nicht lügen und trügen, das hat keinen Zweifel.

Bischof Werner Krusche

John Stott

mm Unser Erdenleben ist eine kurze Pilgerreise von einem Moment der Nacktheit zum andern. Wir tun gut daran, mit leichtem Gepäck zu reisen.

Martin Luther

Martin Luther

John Stott

mm Die Theologie soll wissen, dass sie nichts Neues zu finden, nichts Neues zu entdecken habe, dass vielmehr ihre Aufgabe nur die sei, das in der Heiligen Schrift niedergelegte, von der Kirche aufgenommene Seligkeitsgut zu bewahren und so an die künftigen Diener der Kirche zu überliefern, dass dieselben in den vollständigen, unverkürzten, sicheren, handhablichen und möglichst leichten Besitz jenes Gutes gelangen. August Friedrich Christian Vilmar

mm Aber die Theologie ist vor allem Leben, sie ist für das wirkliche Leben bestimmt und soll das Leben bestimmen; sie muss in sich einig und fest sein und sich nicht von dem Leben, welches zu beherrschen sie bestimmt ist, schieben und drängen, gestalten und umgestalten lassen. August Friedrich Christian Vilmar

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mm Wer nicht ausschließlich sein Augenmerk darauf gerichtet hat, Pastoren zu erziehen, der ist kein Lehrer der Theologie. August Friedrich Christian Vilmar

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Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Predigt zu Johannes 20,24––29 Johannes Frey

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nade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Das Evangelium am Sonntag nach Ostern »Quasimodogeniti« steht bei Johannes im 20. Kapitel: Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: »Wir haben den Herrn gesehen.« Er aber sprach zu ihnen: »Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich’s nicht glauben.«

Johannes Frey Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: »Friede sei mit euch!« Danach spricht er zu Thomas: »Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!« Thomas antwortete und sprach zu ihm: »Mein Herr und mein Gott!« Spricht Jesus zu ihm: »Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!« Liebe Schwestern und Brüder im Herrn Jesus Christus. Christenglaube ist Osterglaube! Ostern macht aus verzagten und resignierten Menschen Leute voller Hoffnung und Zuversicht! Aber wie geschieht das? Für wen ist das? Wie wird aus einem Zweifler ein Christ? Kann ich das auch erleben? Kann ich auch diese Hoffnung und Zuversicht erfahren, die alles verändert? Das ist die erste Frage: Wer kann glauben? Muss man bestimmte Voraussetzungen mitbringen, um zu glauben? Muss man vielleicht APRIL 2019

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»Der ungläubige Thomas« aus der Sicht des Malers Caravaggio (1601). Im Johannesevangelium steht allerdings nichts davon, dass Thomas den Herrn wirklich angefasst hätte. Als Jesus ihn anspricht, da ist für Thomas klar, dass er lebt.

besonders leichtgläubig sein? Welche Eigenschaften begünstigen das Christwerden? Und, zweitens: Wie kann man glauben? Was geschieht, wenn ein Mensch Christ wird? Er fängt an zu glauben. Aber wie kommt es dazu? Und drittens: Was bringt es, zu glauben? Hat es irgendeinen Nutzen, Christ zu werden? Auf diese drei Fragen finden wir eine Antwort in der Geschichte, die wir gelesen haben. Aber bevor wir uns auf die Suche nach diesen Antworten machen, wollen wir beten: Herr Jesus, dem Thomas hast du damals geholfen zu glauben, dass du auferstanden bist. Hilf uns doch jetzt auch dazu. Amen. Liebe Gemeinde. Der »ungläubige Thomas« ist sogar sprichwörtlich geworden. Dabei war der gar nicht ungläubig. Der war bloß nicht leichtgläubig. Thomas war kritisch. Der plapperte nicht einfach nach, was andere ihm vorsagten. INFORMATIONSBRIEF 315

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Es ist nur konsequent – und vernünftig, wie er reagiert, als die anderen Apostel auf einmal behaupten, Jesus wäre wieder da. Jesus war tot. Und begraben. Und wer tot ist, der bleibt das auch. Nun gut – das Grab war leer. Aber da konnte ja wohl nur irgendeiner die Leiche geklaut haben. Alles andere war Spinnerei. Und jetzt erzählen die, nicht nur das Grab wäre leer. Das hätte er ihnen ja noch abgenommen. Nein – sie erzählen, sie hätten Jesus gesehen, und zwar lebendig. So was gibt es nicht. Thomas hätte es ja auch nur zu gerne geglaubt. Aber er war Realist. Er gab sich keinem Wunschdenken hin. Ihr wollt Jesus gesehen haben? Das kann doch wohl nur eine kollektive Wahnvorstellung sein. Verstehe ich ja. Ich habe ihn ja auch so lieb gehabt, dass ich jetzt jede Nacht von ihm träume. Da steht er dann auch lebendig vor mir und spricht mit mir. Aber wenn ich aufwache, ist das vorbei. Im wirklichen Leben bleibt tot eben tot. Wenn ich euch eure Geschichte abnehmen soll, dann muss ich ihn schon selber sehen. Ach, was heißt sehen? Das könnte ja immer noch Einbildung sein. Ich muss ihn anfassen. Fühlen. Seine Wunden anfassen. Die Nägelwunden in den Händen und Füßen und die Wunde 7


von dem Speer in seiner Seite. Ich muss es sehen und fühlen, dass er es wirklich selber ist. Der, den sie gekreuzigt haben und kein Gespenst und kein Doppelgänger. Der Thomas will es ganz genau wissen.

Thomas ist jedenfalls von da an immer mit den anderen Jüngern zusammen gewesen. Der hat sich gedacht: Wenn Jesus wirklich lebt, dann wird er ja wohl nochmal wiederkommen. Aber nichts passiert. Am ersten Tag nicht. Und am zweiten Tag nicht. Auch am dritten Tag nicht. Und das ist auch schon das Erste: Aber schließlich kommt Jesus doch noch: »Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals Die beste Voraussetzung zum drinnen versammelt, und Thomas war bei ihGlauben an Christus ist Realismus nen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen Ja, Sie haben richtig gehört: Die beste Vor- waren.« aussetzung zum Glauben ist Realismus. ChrisDas war wieder am Sonntag. Am Sonntag ist ten sind keine Träumer. Christen sind Realisten. er auferstanden. Und am Sonntag danach ist er Christen sind kritische Leute, die nichts blind wieder zu seinen Jüngern gekommen. Darum glauben. feiern wir auch am Sonntag GotDarum erwarte ich zum Bei- mm Die beste Voraustesdienst. spiel von den Konfirmanden kei- setzung zum Glauben Jesus kommt also rein. Er benen blinden Glauben. Sie sollen grüßt alle: »Friede sei mit euch!« nichts einfach übernehmen, was ist Realismus. Christen Aber dann wendet er sich an den ich ihnen erzähle oder was ihre sind keine Träumer. Einen, der nicht glauben kann. frommen Eltern ihnen erzählt Christen sind Realisten. An Thomas. Und um den Einen haben. Sie sollen prüfen. Sie solgeht’s auch jetzt heute Morgen. Christen sind kritische Jetzt rede ich nicht mit denen, len ihre Fragen stellen. Eins erwarte ich allerdings: Leute, die nichts blind die sowieso schon glauben, sonIch erwarte, dass sie mit den dern mit dem Einen, der zweiglauben.m Leuten, die Jesus ablehnen, gefelt. nauso kritisch umgehen. Ich Darum erwarte ich Und ich sag: Du brauchst dich erwarte, dass sie den Leuten, zum Beispiel von den dafür nicht zu schämen. Zweifel die sagen, Jesus wäre tot, auch sind in der Kirche erlaubt. Jesus nicht blind glauben. Dass sie den Konfirmanden keinen hat dem Thomas wegen seines Marx, Darwins, Dawkins und blinden Glauben. Sie Zweifels nicht die Freundschaft wie sie alle heißen, auch ihre kri- sollen nichts einfach gekündigt. Dann hätte er übtischen Fragen stellen. rigens gar keine Freunde mehr Die Wahrheit findet man übernehmen, was ich gehabt. Die Jünger haben nämnicht, indem man einfach glaubt, ihnen erzähle oder was lich alle gezweifelt. Alle großen was in der Zeitung steht, son- ihre frommen Eltern ih- Christen haben gezweifelt. Ich dern indem man der Sache auf habe auch oft Zweifel. nen erzählt haben. Sie den Grund geht. Dass Jesus lebt, das ist doch Das heißt: Ganz nah ran ge- sollen prüfen. Sie sollen zu groß, um das einfach so zu hen und ganz genau hinschauen. glauben. In meinen kleinen Verihre Fragen stellen. Nur so machen Wissenschaftstand, geht das jedenfalls nicht ler ihre Entdeckungen. Und nur so können sie rein. Wer nicht gezweifelt hat, der ist auch gar ihre Theorien überprüfen. Und nur so kriegt nicht richtig überzeugt. Der hat die Sache überein Bremer raus, ob Werder gut drauf ist – oder haupt noch nicht richtig ernst genommen. ob es wieder mal bergab geht mit dem Bremer In dem Zweifel des Thomas steckt mehr echFußball. Um zu wissen, wie Werder spielt, geht ter Glaube als in der Selbstverständlichkeit, mit man dahin wo Werder spielt. Also nicht in den der viele Traditionschristen die Osterbotschaft Wald und nicht zum Stammtisch – sondern ins für wahr halten – so nach dem Motto: Was soll Weserstadion. ich bezweifeln, dass Jesus lebt, ich kümmere Ich sag euch: Jesus lebt. Ob das stimmt, das mich doch sowieso nicht um ihn. kriegt ihr auch nicht im Walde raus oder im WeThomas zweifelt. Denn Thomas ist es wichserstadion. Das erfahrt ihr nicht in der Schule tig, ob Jesus wirklich lebt. Für Thomas hängt und nicht im Ortsverein der SPD oder CDU. alles daran. Und Jesus nimmt das ernst. Darum Wenn ihr Jesus erleben wollt, dann müsst ihr spricht Jesus den Zweifler jetzt ganz persönlich dahin gehen, wo Jesus ist. Er hat gesagt, wo das an. Er lädt ihn ein, die Sache zu überprüfen. ist: »Wo zwei oder drei in meinem Namen ver- Komm her. Teste doch mal, ob ich’s wirklich sammelt sind, da bin ich dabei.« bin. 8

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Darstellung des heiligen Thomas in einer indischen Dorfkirche

Jesus braucht die Prüfung nicht zu fürchten. In Sekten und in totalitären Staaten und Parteien sind Zweifel verboten. Die Lüge muss der Prüfung aus dem Weg gehen. Die Wahrheit nicht. Jesus lässt sich überprüfen. Du willst mich fühlen, Thomas? Komm her, tu’s! Aber Thomas scheint das schon zu reichen. Hier steht nichts davon, dass Thomas den Herrn wirklich angefasst hätte. Als Jesus ihn anspricht, da ist für Thomas klar, dass er lebt. In dem Augenblick, in dem Jesus zu ihm gesprochen hat, da ist aus dem ungläubigen Thomas der gläubige geworden. Das ist jetzt das Zweite:

Wie kommt es dazu, dass einer glaubt, der vorher gezweifelt hat? Ein Christ ist einer, zu dem Jesus geredet hat, und der darum weiß, dass Jesus lebt. Aber was habe ich davon, dass Jesus lebt? Das zu wissen bringt erst mal gar nichts. Jesus hat den Tod überwunden. Schön für ihn. Aber ich werde sterben. Etwas anderes wäre es, wenn ich mit dem Auferstandenen verbunden wäre. Wenn ich an seiner Auferstehungskraft Anteil hätte. Aber das kann geschehen. Nur: Es geschieht nicht automatisch. Wenn der auferstandene Jesus zu dir spricht, dann ist deine Antwort gefragt. Wenn du zu ihm gehörst, dann erfährst du auch seine Kraft. Diese Kraft hat den toten Jesus ins Leben zurückgebracht. Diese Kraft bringt auch dich durch den Tod hindurch zum ewigen Leben. Diese Kraft verändert dein Leben schon jetzt – hier und heute. Aus dem Zweifler Thomas hat die Kraft Jesu einen großen Missionar gemacht. INFORMATIONSBRIEF 315

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Der ist mit der Botschaft von Jesus bis nach Indien gekommen. Aber am Anfang stand die Antwort, die er gab, als Jesus ihn angesprochen hat: »Mein Herr und mein Gott!« Thomas hat die Kraft Gottes erfahren, als er Jesus als seinen Herrn angenommen hat. Jesus konnte das Leben von Thomas verändern, weil der ihm sein Leben in die Hand gegeben hat. Dein Leben wird er auch verändern, wenn du’s ihm in die Hand gibst. Wenn du Jesus deinen Herrn sein lässt, dann wirst du auch seine Kraft erfahren. Das ist nun das Dritte:

Was bringt es, an Jesus zu glauben? Ein Christ ist einer, der aus der Kraft Jesu lebt, weil er sein Leben Jesus in die Hand gegeben hat. Vielleicht denkst du: Der Thomas hatte es gut. Der konnte Jesus sehen. Wenn ich das auch könnte, dann wollte ich wohl an ihn glauben. Aber höre, was Jesus dem Thomas gesagt hat. Da hat er nämlich an dich und mich gedacht und genau davon gesprochen: »Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.« Wenn Jesus dich anspricht, dann verlange nicht erst, etwas zu sehen. Vertraue dich Jesus an, dann wirst du je länger, je mehr merken, dass er lebt. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. Wir singen aus dem Gesangbuch das Lied 116: Er ist erstanden, Halleluja! Freut euch und singet, Halleluja! W 9


»Im Kreuz ist Heil« Walter Rominger

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er Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. Johannes 3,14f. (Spruch zum Palmsonntag) Das Kreuz war im Römischen Reich das Zeichen brutalster Hinrichtung. Unermessliche Qualen stand der Delinquent aus, der an diesem Marterinstrument den Tod erleiden musste. Den Tod an diesem Marterpfahl konnte man selbst seinem schlimmsten Feind nicht wünschen. Der römische Philosoph Cicero (1. Jhd. v. Chr.) sprach davon, über die Kreuzesstrafe spreche man nicht einmal öffentlich, weil sie so schrecklich sei. Terroristen und Sklaven wurden so geradezu hingemordet; dem römischen Bürger stand solche schreckliche Todesstrafe nicht zu. Aber gerade um dieses Kreuz, Zeichen allergrößter Brutalität und Erniedrigung, sammeln sich im weiten Erdenrund die Christen. Rund um den Erdkreis glauben sie an Jesus, der an einem solchen Kreuz starb. Sie bekennen: Er starb für mich. Für sie ist es nicht länger ein Zeichen der Erniedrigung, sondern der Erlösung und des Sieges. Was nach Erniedrigung aussieht, ist in Wahrheit Erhöhung. Jesus, der an einem solchen Schandkreuz sein Leben aushauchte, den nennen sie ihren Herrn. Er starb zwar den Verbrechertod. Aber er starb ihn für Verbrecher und nicht weniger für solche aus der feinen Gesellschaft. Er gab sein Leben hin für alle. Er starb für Sie und für mich.

Walter Rominger Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30

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Und mit ihm starb auch meine Sünde. Dessen bin ich mir gewiss. Dem glaube ich. Jesu Tod war wohl der schwärzeste Augenblick der Weltgeschichte. Doch für mich, der ich an ihn glaube, der lichteste. Denn da widerfährt mir das Heil. Da erringt Jesus für mich das ewige Leben. Das ewige Leben – es beginnt in diesem Leben, vollendet sich aber in jenem. Das Leben vor meinem Sterben entscheidet über das zukünftige. Wenn ich an Jesus glaube, gehe ich einer guten Zukunft entgegen. Auch wenn ich in diesem Leben nicht alles habe, ja auf vieles verzichten muss oder gar von einem Unglück ins andere gerate, so ein richtiger »Pechvogel« bin, so habe ich durch den Glauben an diesen gekreuzigten Jesus doch Erlösung von Schuld und Sünde. Und da, »wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit« (Martin Luther, Kleiner Katechismus). Mehr gibt es in diesem Leben nicht. Und diese Verheißung habe ich: ewiges Leben; ein Leben in Gottes ewigem Reich; ein Leben in der Obhut Jesu. Ich »werde ihn – Jesus – sehen, wie er ist« (1.Johannes 3,2b). Darauf gehe ich zu. Darauf freue ich mich. Mein Weg führt mich so manches Mal an einem Dorf in meiner Gegend vorbei. Dort steht am Straßenrand bei einem der ersten Häuser ein Wegkreuz mit der so trefflichen Aufschrift: »Im Kreuz ist Heil«. Da bleibe ich dann so manches Mal stehen und vergegenwärtige mir das – und auch ansonsten immer wieder. Ja, allein im Kreuz ist mein Heil. Wie gut, dass ich das weiß. Wenn ich dann durch das Dorf gegangen bin, komme ich am andern Ende zum Friedhof. Und da stoße ich wieder auf ein Kreuz. Dieses trägt als Aufschrift: »Ich bin die Auferstehung und das Leben« (Johannes 11,25). Am Friedhof steht das Kreuz mit dieser Aufschrift gerade am rechten Platz. Zwei Kreuze am je andern Dorfrand; in diesen beiden Kreuzinschriften ist alles zu meinem Heil ausgesagt. W APRIL 2019

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Karl Barths merkwürdiges Sterben Werner Thiede

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er Schweizer reformierte Theologe Karl Barth hat die protestantische Theologie des 20. Jahrhunderts mehr geprägt als jeder andere. Die vielbändige »Kirchliche Dogmatik« ist sein bekanntestes Werk. Im vergangenen Dezember jährte sich sein Todestag zum 50. Mal. Doch das genaue Datum stellt Werner Thiede infrage – und mit ihm zugleich Barths Lehre über das Wesen des Todes. Gemeinhin gilt als Datum seines Todestages der 10. Dezember 1968. Doch wahrscheinlich steht hier eine späte Korrektur an. Der 82-jährige Dogmatiker, Autor zahlreicher Bücher und Schriften, übrigens auch maßgeblicher der »Barmer Theologischen Erklärung« von 1934, dürfte nämlich bereits am 9. Dezember verstorben sein. Und es war offenbar ein außergewöhnliches Sterben, wie sich aus den Äußerungen von Zeitzeugen indirekt erschließen lässt. Die viel tradierte Geschichte, Barth sei »sanft entschlafen« (Karl Kupisch), stimmt so nicht.

Werner Thiede Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30 INFORMATIONSBRIEF 315

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Der berühmte Theologieprofessor lebte in Basel und stand dort in regem Kontakt mit seinem letzten Assistenten Eberhard Busch. So manchen Abend saßen sie auch in den letzten Wochen beisammen und sangen auf Wunsch des alten Mannes noch zu später Stunde bei geöffnetem Fenster Kirchenlieder – nach dem Motto »Lasset den Lobgesang hören«! Nachdem Barth am Abend des 9. Dezember gegen 21 Uhr von seinem alten Freund Eduard Thurneysen angerufen worden war, telefonierte er noch vor 22 Uhr mit Eberhard Busch; beinahe hätten sie ein spätes Treffen arrangiert, doch der spontane Beschluss fiel angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit schließlich negativ aus.

Mit Händen noch gefaltet vom Nachtgebet Bald danach dürfte Barth, der von seiner Frau getrennt schlief, zu Bett gegangen sein. Er faltete die Hände zum Nachtgebet. So fand ihn seine Frau am nächsten Morgen liegend vor: »mit Händen noch gefaltet vom Nachtgebet«. Nun könnte man es von daher offen lassen, ob er während seines letzten Gebets verstorben oder zunächst während des Gebets eingenickt war, so dass der Tod tatsächlich erst in den Morgenstunden des 10. Dezember eingetreten wäre. Doch diesbezüglich gibt es eine weitere vielsagende Information: Seine Gattin hatte ihn morgens, als sie ihm wie gewöhnlich eine Schallplatte mit Musik seines geliebten Wolfgang Mozart auflegen wollte, derart »merkwür11


dig« im Bett liegend entdeckt, dass sie sogleich seinen Arzt kommen ließ. Und der fand dann – so Eberhard Busch in seinem Buch »Meine Zeit mit Karl Barth« – vor, was er noch niemals gesehen hatte: Der Tote hatte sich in Rückenlage zur Fensterseite geneigt und mit riesig weit geöffneten Augen nach dort geschaut. »Er muss anscheinend im Moment des Sterbens ein ihm hoch Erstaunliches gesehen haben«, so der Arzt.

Muss das Todesdatum korrigiert werden? Von daher liegt die Annahme nahe, dass der Moment des Sterbens im Wachen, also – nachdem der Leichnam die Hände ja noch gefaltet hatte – wirklich während des Nachtgebets und nicht erst zu einer späteren Stunde eingetreten war. Daraus wäre mit höchster Wahrscheinlichkeit zu schließen, dass das offizielle Todesdatum »10. Dezember« auf den 9. Dezember korrigiert werden müsste. Obendrein lässt der so überaus erstaunte Gesichtsausdruck des Toten – wie das der Arzt noch nie erlebt hatte! – einen weiteren interessanten Schluss zu. Es ist nämlich durchaus zu vermuten, dass Barth so etwas wie eine »Nahtod-Vision« gehabt hat. Die »riesig weit geöffneten Augen« legen für Kenner der internationalen Nahtodesforschung diese Annahme sehr nahe. Gläubige wie ungläubige Menschen, die aus unmittelbarer Todesnähe doch noch gerettet werden konnten, berichten in allen Kulturen und altersunabhängig von wunderbaren oder auch erschreckenden Visionen – Begegnungen mit einem Lichtwesen, mit bereits verstorbenen Verwandten und dergleichen mehr. Zahllose wissenschaftliche und auch weniger wissenschaftliche Bücher gibt es über diese Nahtod-Erfahrungen inzwischen. Und warum sollte der große Baseler Theologe nicht von solch einer Vision in seinem Sterbemoment überrascht worden sein?

Ein Verfechter der Ganztod-Theologie Eine Überraschung muss das für ihn jedenfalls insofern bedeutet haben, als er ein führender Vertreter der so genannten »Ganztod-Theologie« war. Das heißt, er rechnete damit, dass das Sterben des Menschen nicht in eine Jenseitswelt hinüberführt, sondern ihn ganz und gar sterben, also schließlich ganz tot sein lässt. Demgemäß hatte er in einer Predigt einmal formuliert: »Es kommt für uns alle der unsagbar dunkle Augenblick, wo es zu Ende geht, diese Welt für uns versinkt, wo es gilt, Abschied zu 12

nehmen von der Wirklichkeit dieses Lebens mit all seinen Farben und Lichtern.« Oder anders ausgedrückt: »Sterben heißt nur fertig sterben.« Es führt in ein »Dunkel, in dem keinerlei Licht leuchtet«. Was vom Menschen übrig bleibt, das ist demnach – vereinfacht ausgedrückt – Gottes lebendige Erinnerung an ihn. Denn er ist laut Barth »endend und sterbend und wird also einmal nur noch gewesen sein, wie er einmal noch nicht war«. Es werde auch im ewigen Leben nur »um dieses jetzt zeitliche, auch in jenem geschenkten um dieses jetzt geliehene Leben gehen«. Die Auferstehung der Toten bestehe in der »Aufdeckung und Verherrlichung des in Christus gewesenen Lebens des Menschen in seiner Zeit«. Noch einmal zusammengefasst: Das ewige Leben des Menschen bedeutet sein Lebendig-Erinnert-Werden im ewigen Leben Gottes selbst.

Von der Wahrheit gnädig ­überrascht Im Gegensatz zu dieser theologischen Erwartung hat Barths Sterben offenbar nicht unmittelbar zu einem Absinken in den »Ganztod« geführt, sondern eher zum Aufleuchten einer überraschenden Kontinuitätserfahrung. So endete sein Leben mitten im letzten Gebet in einem großen Erstaunen. Dabei ist mit solcher Kontinuität im Tod nach zum Teil alttestamentlicher, jedenfalls aber neutestamentlicher Grundüberzeugung klar zu rechnen. Um nur zwei Beispiele zu zitieren: Wer an Christus glaubt, »wird nimmermehr sterben« (Johannes 11,25f.) – »denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel« (2.Korinther 5,1). Karl Barth hat ohne Zweifel große theologische Verdienste um die Kirche Jesu Christi und die kirchliche Dogmatik erworben. Aber mit seiner Ganztod-Lehre hat er eher Verwirrung gestiftet und bewirkt, dass das Evangelium an vielen Gräbern nur eingeschränkt erklungen ist. Sein eigenes Sterbeerlebnis deutet darauf hin, dass er von der Wahrheit gnädig überrascht worden ist. (Der Autor, Werner Thiede, ist Herausgeber des Buches »Karl Barths Theologie der Krise heute. Transfer-Versuche zum 50. Todestag« [Leipzig 2018], in dem sich auch ein längerer Aufsatz von ihm zu Barths Sicht der »Letzten Dinge« findet.) W Zuerst erschienen im ideaPressedienst, 4. Dezember 2018 APRIL 2019

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Der Christ: In der Welt, doch nicht von der Welt Vortrag bei der Arbeitsgemeinschaft Bekennende Gemeinde Teil 1 von 2 Stefan Felber

Vorgängige Schriftlesung: Johannes 17,6–18.

Vorbemerkung zum ­letztjährigen Vortrag zur Gemeinde in der ­Postmoderne Damals habe ich gewisse Andeutungen zum kommenden starken Staat gemacht (siehe Informationsbriefe 309 und 310). Diese würde ich heute viel stärker akzentuieren. Denn weitere Indizien zeigen an, dass die in der Reformation gewonnene Balance von Ordnung und Freiheit sich immer mehr in Richtung auf Ordnung, Staatsdirigismus, Markteingriffe, Überwachung etc. entwickelt. Das bedeutet aber nicht, dass damit ein Gewinn an Stabilität einhergeht. Lassen Sie mich nur wenige Beispiele aus nur zwei Bereichen nennen: Der erste Bereich betrifft Ehe und Familie: WW Der Staat ist mit Hilfe der Kirchen dabei, die Lufthoheit über die Kinderbetten wieder zu erlangen (die DDR kehrt zurück), finanziert auch von denen, die diese Zwangsbeglückung gar nicht wollen. WW Die staatlich finanzierten Genderstudies wollen die Rollenverteilungen in der Gesellschaft nicht nur analysieren, sondern aktiv verändern. WW Nicht nur mit ideologischem, sondern auch mit ökonomischem Druck will der Staat die

Stefan Felber Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30 INFORMATIONSBRIEF 315

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Rollenverteilung in den Ehen verändern. Es gibt wohl keine Gruppe, die politisch so unterrepräsentiert ist und so sehr in den Schmutz gezogen wird wie die klassische Hausfrau, die um ihrer Kinder willen zu Hause bleibt. WW Vor der Sommerpause 2017 wurde vom Bundestag völlig überhastet die »Ehe für alle« beschlossen – und damit der Verfassungsauftrag des Schutzes der Ehe aus Mann und Frau auf den Kopf gestellt. Ich kann deshalb mit Bestimmtheit von der Ehe von Mann und Frau im Sinne des Grundgesetzes sprechen, weil gleichgeschlechtliche Partnerschaften bei der Entstehung des Grundgesetzes noch bei Strafe verboten waren! Die Kirchen gingen in ihrer Anpassungsbereitschaft sündhaft voraus – wie das Gottesvolk des Alten Bundes vor dem Exil! Der zweite Bereich betrifft Recht und Rechtssicherheit in den deutschen und europäischen Gesellschaften:1 WW Die Euro-Krise: Die No-Bail-out Regel der Maastricht-Verträge ist gebrochen. Staaten und Banken, die sich verzockt haben, werden mit Steuergeldern »gerettet«. Frau Lagarde vom IWF: Wir mussten das Recht brechen, um den Euro zu retten. Der Staat bricht das selbst gesetzte Recht, indem er Steuergelder verwendet, um insolvente Banken und Staaten aus dem Schuldenstrudel zu reißen. Das Geld der Steuerzahler wird verwendet; das ökonomische Mittel der Überwältigung des selbständigen Bürgers, besonders der Familien des Mittelstandes.2 WW Der Staat bricht das Grundgesetz Art. 16 in der Behandlung der Migranten, die aus sicheren Drittstaaten zu uns kommen, abgelehnt werden müssten und dennoch auf unsere Städte und Dörfer verteilt werden. 13


Besonders die letzten beiden Vorgänge haben aus meiner Sicht in den letzten zehn Jahren zu einem ungeheuren Vertrauensverlust in die staatliche Bürokratie, ja in unser System der Demokratie selbst geführt. Das geschah in einigen Schüben: in der Finanzkrise 2007/8, in der Eurokrise, besonders durch die Unterstützung von Griechenland seit 2010, und durch die Migrationskrise seit 2015. Keiner dieser Vorgänge ist wirklich abgeschlossen; die Wunden sind offen. Natürlich nimmt die politische Klasse den Vertrauensverlust wahr. Horst Seehofer stellte bei einer Wahlkampftournee nach Gesprächen mit Leuten auf der Straße fest: »Die Leute sagen: Ihr macht, was ihr wollt – und wir wollen auch machen, was wir wollen.« Aber was antwortet die politische Klasse auf diese Wahrnehmung? Vermutlich verhält sie sich ähnlich wie die späte DDR: Auch dort hat die Stasi den Vertrauensverlust wahrgenommen. Die Behörden reagierten mit immer mehr Überwachung, durch immer mehr Gesetze und Regelungen, durch ein Programm, im Spannungsfall rund 60 000 politisch unzuverlässige Personen sofort internieren zu können. Doch das alles nützte nichts, weil das Grundvertrauen in das gesellschaftliche System nicht mehr gegeben war! Ähnliche Maßnahmen würden bei uns vermutlich das Leiden nur verlängern, aber nicht beseitigen. Die Ursachen, nämlich die falschen politischen Entscheidungen müssten revidiert werden! Sehr bekannt ist das Wort des früheren Verfassungsrechtlers Böckenförde, das so genannte Böckenförde-Diktum. Dieser sagte: »Der demokratische Staat ruht auf Voraussetzungen auf, die er selbst nicht schaffen kann.« Ich meine: Die deutsche Regierung hat in den letzten zehn Jahren, also seit der Finanzkrise, sehr viel Porzellan zerschlagen, hat das Grundlagenvertrauen, mit dem sie einmal gewählt worden ist, zerstört und so selbst dafür gesorgt, dass die zentrifugalen Kräfte immer stärker wurden, die Gesellschaft an den Rand der Spaltung gebracht und die Parteien besonders am linken Rand gestärkt. Die letzten Barrieren für die Ein- und Durchgriffsrechte des Staates finden sich heute noch bei Evangelikalen, Katholiken und einigen Libertären, die sich in verschiedenen Parteien finden, die die freiheitliche Tradition des Westens hochhalten. Der Rest bewegt sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit zurück in den Sozialismus (vgl. noch Schaeffer, Anpassung, S. 27). Die Frage des Anmarschweges Es liegt nahe, von diesen vorausgeschickten Gedanken her die Thematik »Christ und Welt« 14

zu wählen. Wir würden dann über den Christen als den stärksten Verteidiger von Recht und Rechtschaffenheit, als den entschiedensten Kämpfer gegen Korruption und Verwandtenbegünstigung und dergleichen sprechen. Damit aber betreten wir nur eine Spur unseres Weltverhältnisses, nämlich die Spur zu bedenken, was Christ und Nichtchrist als Rechtssubjekte verbindet und trennt. Sicher muss dies alles mitbedacht werden, aber um eine Engführung zu vermeiden, setze ich mit der Schöpfung ein.

Schöpfung und Fall Die Grundlegung des Themas »In der Welt, nicht von der Welt« findet sich schon auf den ersten Seiten der Heiligen Schrift. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, schied oben und unten, Wasser und Trockenes, Tag und Nacht, Licht und Finsternis, schuf Pflanzen und Tiere je nach ihrer Art und den Menschen nach seiner eigenen Art, zu seinem göttlichen Ebenbild und nicht zum Ebenbild von irgend etwas Weltlich-Irdischem. Alles war gut, ja sehr gut. Gott formte den Mann aus Erde (1.Mose 2,7) und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte, und schuf dann aus ihm und für ihn die Frau, von Gott vom Mann genommen, von Gott zum Mann gebracht, vom Mann benannt und nach dem Manne benannt (»Männin«, ­ischah vom isch), als Hilfe für die Aufgabe, den Garten und sich selbst zu bewahren. Sie waren beide nackt und schämten sich nicht: eine wunderbare Einfalt! Adam und Eva, Mann und Frau bleiben der Erde, ihrem Kosmos in bester Art und Weise verbunden: von der Erde und ihren Früchten lebend, an die Erde gewiesen. Doch in diese gute Verbindung tritt mit dem Sündenfall der große Bruch. Mit der Sünde wird nicht nur unser Verhältnis zu Gott gebrochen. Weil Gott der Schöpfer der Welt ist, wird mit der Sünde auch unser Verhältnis zur Welt tief beeinträchtigt. Der Mensch will nicht, dass Gott Gott ist, sondern will selbst Gott sein, sich der ganzen Welt bemächtigen. Er will die Welt nicht dankend von Gott empfangen, nicht dienen als Gottes Verwaltungschef, sondern er will selbst Gott sein. Eben dies versprach die teuflisch gelenkte Schlange: Wenn ihr Gottes Gebot übertretet, werdet ihr alles wissen und damit die ganze Welt beherrschen, ja ihr werdet sein wie Gott. Fortan will der menschliche Charakter nicht mehr bescheiden anerkennen und dankend empfangen, was Gott gut geschaffen hat. Er will es nicht anerkennen, sondern besitzen, nicht nur beherrschen, sondern überwältigen, APRIL 2019

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bezwingen und ausbeuten; er will es neu haben, ja neu machen, größer, prachtvoller, mächtiger, schneller. Sein wie Gott: Über die Welt hinauswachsen, nicht mehr Geschöpf, sondern Schöpfer sein, und sich nicht mehr festlegen auf eine Heimat, einen Glauben, eine Kirche, eine Frau bzw. einen Mann, eine Familie, oder heute: nur ein Geschlecht. (In Klammern nur kurz zu diesem letzten Punkt: Dass die Multioptionsgesellschaft auch die freie Wahl, den freien Wechsel des Geschlechts oder die Wahl eines Nichtgeschlechts einschließen könnte, war bis vor kurzem nur eine Utopie, angedeutet in der familienlosen Fiktion von Aldous Huxleys »Schöne neue Welt« – jetzt ist der Westen im Begriff, es Wirklichkeit werden zu lassen. Man will die große Auswahl offenhalten, immer noch einmal anders sein können, anders handeln, sich anders darstellen können etc. Die Hoffnung auf selbsteroberte Freiheit endet aber im Verlust der Freiheit: Denn nach der Abschaffung der Klammern von Familie und Nation braucht es den um so eiserneren Griff des Superstaates, um Frieden und Sicherheit einigermaßen zu gewährleisten.) Weil Adam und Eva sündigten, wurde ihr Verhältnis zur Erde aber nicht, wie erhofft, das einer souveränen Beherrschung, sondern ein sich Verlieren an die Erde, ein knechtischer Dienst. Aus dem Ebenbild Gottes wird ein Ebenbild der Welt – und soll doch geschützt bleiben, weil er immer noch Ebenbild Gottes ist (1.Mose 9,6). In seinem Strafwort sagt Gott zu Adam: Die Erde wird dir ihren Ertrag nicht mehr geben; Dornen und Disteln wird der Acker tragen – im Schweiße deines Angesichts musst du dein Brot essen. Denn du bist Erde, und zu Erde wirst du wieder werden (1.Mose 3,17–19). Zum Anfang musst du zurück, abnehmen musst du als Sünder und Lügner, um in Gott und in der Wahrheit zunehmen zu können (Johannes 3,30), sterben musst du, um neu geschaffen zu werden, dann nicht mehr aus Erde, sondern mit einem neuen, geistlichen Leib (1.Korinther 15). Gott sei Dank: Es wird noch gegessen – aber mit viel Mühe soll der Mann das Brot schaffen, und die Frau mit viel Leid den Nachwuchs in die Welt setzen (1.Mose 3,16). All unser irdisches Streben endet im Sterben: Der sündhafte Drang, mehr zu beherrschen, mehr zu haben, mehr und anders zu sein als Gottes Ebenbild – dieser Drang richtet sich selbst zugrunde (bei Drogensüchtigen nur besonders offensichtlich und beschleunigt, bei anderen langsamer, aber ebenso sicher). Wir sterben an unserer Sünde, doch es ist gut so: Wir sterben der Welt ab, die unsere Sehnsucht nicht befriedigen kann. Es ist Gericht, dass wir INFORMATIONSBRIEF 315

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mm Weil Gott der Schöpfer der Welt ist, wird mit der Sünde auch unser Verhältnis zur Welt tief beeinträchtigt. Der Mensch will nicht, dass Gott Gott ist, sondern will selbst Gott sein, sich der ganzen Welt bemächtigen. Er will die Welt nicht dankend von Gott empfangen, nicht dienen als Gottes Verwaltungschef, sondern er will selber Gott sein.

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sterben müssen: »Der Tod ist der Sünde Sold« (Römer 6,23) – aber es ist auch Gnade, dass wir sterben dürfen. Denn Gott, der gute Hirte, wollte nicht, dass wir als Sünder ewig Sünde aufhäufen, damit das Paradies anfüllen (1.Mose 3,22–24) und immer noch mehr Zerstörung anrichten, sondern dass wir als in der Auferstehung erneuerte Menschen etwas sein dürfen zu seinem Lob und zur echten Erfüllung unserer Sehnsucht. In der Neuschöpfung werden wir einen unvergänglichen Leib haben, der nicht mehr erdhaft, sondern himmlisch sein wird. Da ich auf das Ende der Welt und die Auferstehung später nicht mehr eingehe, verweise ich hier knapp auf 1.Korinther 15,42–50: Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib. Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, »wurde zu einem lebendigen Wesen« (1.Mose 2,7), und der letzte Adam zum Geist, der lebendig macht. Aber der geistliche Leib ist nicht der erste, sondern der natürliche; danach der geistliche. Der erste Mensch ist von der Erde und irdisch; der zweite Mensch ist vom Himmel. Wie der irdische ist, so sind auch die irdischen; und wie der himmlische ist, so sind auch die himmlischen. Und wie wir getragen haben das Bild des irdischen, so werden wir auch tragen das Bild des himmlischen. Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. Ergebnis zu »Schöpfung und Fall« Unser ganzes Verhältnis zur Welt ist also ein gebrochenes: Nicht nur das Verhältnis zum Mitmenschen, der ja ebenfalls Sünder ist, und zu uns selbst, die wir als Sünder nicht mehr in uns selbst Ruhe finden können, sondern sogar zur guten Erde, von der wir uns nähren sollen und die wir pflegen und kultivieren sollen. Weil wir Sünder sind, finden wir in uns selbst keine Ruhe, in keiner Ekstase dauerhafte Befriedigung, in keinem Land endgültige Heimat: Jeder Mensch, gerade der Nichtchrist, kennt die Sehnsucht nach dem größeren Etwas, nach dem 16

unbestimmten Mehr und dem Endgültigen, in das er gerne einkehrte. Der Christ kennt die Sehnsucht auch, doch er weiß, wohin er unterwegs ist: »Unser Bürgerrecht ist im Himmel«, schreibt Paulus (Philipper 3,20); »wir haben hier keine bleibende Statt«, sagt der Hebräerbrief (13,14). Der Bruch, der durch die Sünde in das Weltverhältnis des Menschen kommt, zieht sich durch die ganze Heilsgeschichte.

Gottesvolk und Welt im übrigen Alten Testament Das Verhältnis des Gottesvolkes zu seiner Umgebung macht die Dramatik der alttestamentlichen Geschichte aus. Schon am Beginn soll Abraham seine Umgebung verlassen und samt Familie in ein Land ziehen, das Gott ihm erst noch zeigen wollte (1.Mose 12ff.). Wo es darum ging, Heiratspartner zu finden, musste für Isaak und Jakob auf die in Mesopotamien verbliebenen Verwandten zurückgegriffen werden, um eine ethnische Vermischung zu vermeiden (Esau tat es nicht, was viel Herzeleid brachte3). Aus wirtschaftlichen Gründen siedelten die frühen Israeliten nach Ägypten über, von Josef und dem Pharao anfangs treu versorgt. Doch mit der Zeit verloren sie sich an ihre Umgebung. Bevor sie von den Ägyptern ganz aufgesogen wurden, berief Gott Mose, um Israel zurückzuführen, aber der kannte nicht einmal den Namen Gottes, der sich durch die Israeliten verherrlichen und sie als Segensmittler für alle Völker gebrauchen wollte. Der Gott Israels zeigte sich in der Herausführung aus Ägypten, in der Wüstenwanderung und am Sinai als der Retter und Hirte seines Volkes, als heilig und gerecht, und sagte ihnen, dass er ihr einziger Gott sein wolle und sie sein einziges erwähltes Volk. Sie sollen kein Bündnis mit den Völkern Kanaans schließen, sich nicht mit ihnen verschwägern, vor allem sollten sie ihre Götzenbilder verwerfen und ihre religiösen Praktiken wie Vielgötterei, Wahrsagerei, Zauberei, Kinderopfer, Totenkult usw. strikt ablehnen (5.Mose 7; 18 u. a.). Selbst in der Staatsform sollte Israel sich nicht ein Beispiel an den anderen Völkern nehmen, sondern ihnen ein Beispiel geben. Das Königsgesetz in 5.Mose 17, das Mose dem Josua vor dem Einzug ins gelobte Land mitgibt, entwirft das Bild eines radikal anderen Königs, als wir es von den selbstherrlichen Herrschern in Ägypten, Assyrien usw. her kennen. Wenn Israel überhaupt einmal einen König haben würde, dann sollte er auf alles verzichten, was einen APRIL 2019

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König sonst groß macht: auf Gold und Silber (wirtschaftliche Potenz), auf viele Frauen (politisch-diplomatische Potenz), Pferde (militärische Potenz). Was er aber machen sollte, war schlicht dies, dass er in einer eigenen Abschrift des Gesetzes Tag für Tag liest. Dieser König ist mehr ein Schriftgelehrter als ein Herrscher – er herrscht dadurch, dass er durch sein Verwurzeltsein im Wort Gottes Autorität genießt (vgl. das Nebeneinander der Psalmen 1 und 2!). Erst Jesus Christus verwirklichte dieses Bild. Als Israel dann zur Zeit Samuels nach einem König verlangte, verwarfen sie das Königsgesetz: »Wir wollen nämlich sein wie alle Heiden« (1.Samuel 8). Samuel gab ihnen ein neues, dem altorientalischen glanzvollen Herrscherideal viel näheres Königsgesetz (Hofhaltung, Luxusleben, Besteuerung) und setzte Saul als ersten König ein. Seinem Nachfolger David sagte Gott zu, dass das Königtum immer in seiner Familie bleiben würde. Mehr noch: Für die Nachfolger auf dem Zionsthron wollte Gott der Vater sein, sie seine Söhne. Und wenn sie sündigten, würden sie nur mit Menschenruten geschlagen werden (2.Samuel 7). Es stellte einen Tiefpunkt in der Geschichte Israels dar, als Ahas, der 13. Nachfolger nach David, nicht mehr Gott, sondern dem assyrischen Herrscher mitteilen ließ: »Ich bin dein Knecht und dein Sohn.« Gerade zu dieser Zeit empfing Jesaja den schrecklichen Auftrag, Israel zu verstocken, so dass es auf seinem Weg der Angleichung an die Welt festgehalten wurde bis zum Verlust von Land, König und Tempel durch die Babylonier. Vergeblich hatten die Propheten zur Umkehr gerufen! So bleibt am Ende der alttestamentlichen Geschichte die Hoffnung auf Heil durch Israel für alle Völker unerfüllt. Die Psalmen mit ihrem universalen Blick werden aber weiterhin gebetet: »Jauchze dem Herrn, alle Welt!« (Psalm 100), oder: »Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!« (Psalm 150,6) Ergebnis zu »übriges Altes Testament« Versuchen wir auch hier, eine Summe des Alten Testaments zu unserem Thema zu ziehen! Die Welt bleibt gute Schöpfung Gottes, und wo das Gottesvolk zur Absonderung von der Welt aufgefordert wird, ist es gerade das Schöpfungswidrige, was abgelehnt wird, nicht die Schöpfung selbst. Die Bücher Prediger und Hoheslied etwa laden ein zu einem dankbaren Genießen der guten Gaben Gottes, wozu durchaus Wein, Weib und Gesang in ihrem jeweiligen Rahmen gehören! INFORMATIONSBRIEF 315

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Also: Ja zur Schöpfung Gottes, denn alle Lande sind der Ehre Gottes voll (Jesaja 6,3), und nein zu dem, was der Sünder daraus macht. In diesem Sinne: Ja zur Erde, nein zur Welt (wobei es schon allein wegen Johannes 3,16 unbiblisch wäre, den Begriff Welt in toto einer negativen Wertung zu überlassen).

Gottesvolk und Welt im Neuen Testament Fokus Johannesevangelium Wenn wir mit unserer Themenstellung ins Neue Testament treten, begegnet uns die gleiche Spannung. Ich versage es mir, zu versuchen, das ganze Neue Testament abzudecken, und konzentriere mich auf das Johannesevangelium bzw. den Römerbrief. Zum Johannesprolog! Das Wort Gottes schuf die Welt, die Menschen aber liebten die Finsternis mehr als das Licht. »Er [der Logos] war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf« (Johannes 1,10f.). »Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse« (Johannes 3,19; vgl. Jesaja 60,2). Welt und Menschen werden hell durch den Logos, Gottes Wort, und sie bleiben dunkel ohne Gottes Wort. Im Johannesevangelium ist Welt, griechisch kosmos, also sowohl die von Gott geliebte Erde (»also hat Gott die Welt geliebt […]«, Johannes 3,16), als auch das Schlachtfeld zwischen Gott und Satan, der Ort des Ringens zwischen dem Gottesvolk und der Völkerwelt, der Ort der Bewährung und Bewahrung des Christen. Im negativen, also schöpferwidrigen und schöpfungswidrigen Sinne, hat die Welt nur einen (An)Schein von Licht, kennt aber das wahre Licht nicht, nämlich den Logos Gottes, das fleischgewordene Schöpfungswort. Das Wesen der Welt im negativen Sinne ist die Lüge, im Johannesevangelium durch die Juden dargestellt, die Jesus, also die Wahrheit, ans Kreuz liefern wollen. Das Wesen der Welt im negativen Sinne ist der Tod,4 deswegen kann sie nicht ertragen, dass Jesus das Leben selbst ist. »Die Toten dulden den Lebenden nicht unter sich.«5 Juden und Römer werden hier eins in der Gegnerschaft: Jesus muss sterben. »An dem Tag wurden Pilatus und Herodes Freunde«, berichtet Lukas (Lukas 23,12). Logos und Welt (in ihrem sündhaften Sinn!) stehen so diametral gegenüber: Das Wesen des 17


Logos: Licht, Wahrheit, Leben. Das Wesen der Welt: Finsternis, Lüge, Tod. Was ist nun unser Wesen, bzw. woher sind wir, fragt Johannes der Täufer, und summiert mit dem einfachen und klaren Gegensatz: »Der von oben her kommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde« (Johannes 3,31; vgl. 1.Johannes 2–3). Nur einer ist von oben: der menschgewordene Logos. Wir aber sind von unten, von der Erde, und müssen abnehmen, damit der, der von oben ist, in uns und durch uns zunehmen kann (Johannes 3,30). So verkündigt Johannes der Täufer. Den Reichen, die alle von dieser Welt sind, stellt Jesus sein Reich entgegen, von dem er Pilatus sagt: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« – wohl aber in der Welt, wie Augustin richtig beobachtete. Denn das Reich Gottes ist, wie Jesus sagt, durch seine Gegenwart »mitten unter euch« (Lukas 17,20f.). Und für seine Jünger soll das gleiche gelten wie für ihn: Er betet für sie, nicht dass sie aus der Welt genommen werden, sondern dass sie sich in der Welt bewähren. Er sendet sie in die Welt, nicht damit sie weltlich werden, sondern damit sie als gottebenbildliche Geschöpfe zu dem Gotteslob zurückgeführt werden, für das sie laut den Psalmen geschaffen waren. Johannes 17: Ich habe ihnen dein Wort gegeben und die Welt hat sie gehasst; denn sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Ich bitte dich nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit. Wie du mich gesandt hast in die Welt, so

sende ich sie auch in die Welt. Ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie geheiligt seien in der Wahrheit. Auch hier der Versuch einer ersten Summe Durch den Logos erschuf der Vater die Welt. Er liebte auch die gefallene Welt noch und sandte seinen Sohn, den Logos, in die Welt. Als der Logos Mensch wurde, lehnte sie ihn ab und zeigte so ihr ganzes widergöttliches Wesen. Der Johannesprolog stellt uns somit genau in das vom Alten Testament eröffnete Ringen hinein. Die Ablehnung Christi zeigt, was Welt im negativen Sinne zur Welt macht. »Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden« (Johannes 3,19f.). Beim Aufeinandertreffen von Welt und Logos zeigt sich aber auch: Gott hat immer noch verhindert, dass die Welt durch Sünde und Tod zur absoluten Finsternis und Stille wurde. Das Verlangen nach dem wahren Brot, nach dem lebendigen Wasser, nach dem Licht des Lebens ist nach wie vor präsent. Als Jesus erschien, gab es eine erhöhte Unruhe des Fragens und Verlangens bis zu den Griechen, die herankommen und sagen: »Wir wollen Jesus sehen« (Johannes 12); und er kann ihnen vom wahren Licht, Leben, Brot und Hirten sagen und immer noch voraussetzen, dass sie diese Begriffe auf dem Hintergrund teils ihrer Alltagserfahrung, teils des Alten Testaments verstehen.6 Ihr Nichtverstehen freilich bestätigt, dass die klarste Verkündigung nichts nützt, wenn nicht Gott selber die Umkehr herbeiführt (Johannes 6,37.44).

Paulus’ Wort »Stellt euch nicht ­dieser Welt gleich« (Römer 12,1f.) Eine wörtliche Wiedergabe von Vers 1 f. 1 Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, hinzugeben eure Leiber als Opfer, lebendig, heilig, Gott wohlgefällig: Das ist euer wortgemäßer Dienst! 2 Und werdet nicht diesem Zeitalter gleichgestaltet, sondern werdet umgestaltet durch Sinneserneuerung, damit ihr prüft, was Gottes Wille ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene!

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Paulus hat Kapitel 11 feierlich abgeschlossen: von Gott und durch Gott und zu Gott sind alle Dinge; ihm gehört alle Ehre. Auf dieser Grundlage, die er Vers 1 mit den Erbarmungen (Plural!) Gottes verbindet, setzt er zur Ermahnung an: Gott, dem alles gehört, gehört auch ihr mit eurem Leib, mit eurer Zeit und euren Herzen, mit Augen, Ohren, Händen und Füßen. Da wir dem Schöpfer gehören und zum Ebenbild des Schöpfers und nicht eines Geschöpfes geschaffen sind, gebührt ihm unser Leib, ob schwach oder stark, reich oder arm, Mann oder Frau. Ihm gehört die Ehre eines Dienstes, der das Irdische nicht zum letzten Maßstab erhebt, sondern der dem Irdischen (nur) die Ehre gibt oder das Urteil spricht, die ihm zusteht (vgl. Vers 3): eben die Ehre oder das Urteil, das das Wort des Schöpfers darüber ausgesprochen hat. Der Dienst (bzw. näherhin der Gottesdienst) sei »logisch«; λογικός heißt: 1. Das Reden oder den Ausdruck betreffend, 2. die Vernunft oder das Denken betreffend; geistig, theoretisch; logisch, wissenschaftlich, philosophisch. Die meisten Übersetzungen haben hier »vernünftig«, auch englische und französische Übersetzungen.8 Der Begriff kommt sonst nur noch in 1.Petrus 2,2 vor, wo das Wort Gottes angesprochen ist: Das Wort als Milch für die neugeborenen Babys, damit sie wachsen im Glauben und das Ziel erreichen. Vers 1 ermahnt Paulus also zu dem wortmäßigen, d. h. vom Wort Gottes vorgegebenen INFORMATIONSBRIEF 315

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und in ihm bleibenden9 geistigen und geistlichen Leben (hier kommt dem Leser Römer 6,13 wieder in Erinnerung!). Das ist in Gottes Sicht »logisch«, d. h. entspricht der im Kreuz Jesu sichtbaren Barmherzigkeit Gottes: Jesus hat sich als Ganzopfer für uns dahingegeben, und will uns nun ins Schlepptau10 nehmen, dass auch wir uns für ihn geben: nicht als tote, sondern als lebendige Opfer, in denen das Opfer Jesu zum Ziel kommt.11 Das Kreuz Jesu steht also nicht einfach für Gratisbier zum Mitnehmen und Genießen, sondern zielt wiederum auf unser Opfer, unsere Umkehr und Neuwerdung! Das darzubringende Opfer ist nicht nur ein Stück unseres Eigentums,12 sondern es geht um uns selbst, nicht ein Tier ist zu töten und abzugeben, sondern es geht um ein lebendiges Opfer, unseren irdischen Leib, der durch die Barmherzigkeit Gottes (und nicht durch sich selbst) erst wirklich lebendig, wahrhaft heilig und wohlgefällig werden kann. Vers 2 bietet das negative Gegenstück dazu. Wer sich Gott hingibt, gehört nicht mehr diesem Zeitalter. »Dieser Äon« bedeutet soviel wie »der jetzige Zeitabschnitt« oder – wertend – »der jetzige Zeitgeist«. Das Deutsche hat mit dem Begriff »Zeitgeist« hier in der Tat ein passendes Wort, in dem nämlich zugleich die aktiv wirkende Macht mitgenannt wird: Der Zeitgeist ist nicht nur ein passiver Trend wie eine Schneelawine, die im Tal irgendwann von alleine zum Stehen kommt, sondern eine aktiv wirkende 19


Macht. Paulus spricht in 2.Korinther 4,4 auch vom »Gott dieses Zeitalters« (Luther: »dieser Welt«13), in 1.Korinther 2,8 von den »Herrschern dieses Zeitalters« (Luther auch hier: »dieser Welt«); Galater 1,4 »die gegenwärtige, böse Welt«.14 Dieser also dürfen Christen sich nicht unterordnen. Sie gehören einer anderen, guten Macht. Diese Zeit, dieser Äon vergeht – der neue Äon kommt: die Ewigkeit. Äon ist sowohl der Begriff für Ewigkeit als auch für einen Zeitabschnitt, letzteres öfter in Verbindung mit »dieser« wie hier. Die Frage ist allerdings, wie der Wechsel möglich werden soll. Sagt Jesus doch: Wer Sünde tut, ist der Sünde Knecht (Johannes 8,34), also irdisch, welthaft gesinnt. Wie kann er sich davon lösen? Von uns aus ist das tatsächlich nicht möglich. Darum benutzt Paulus hier eine Form, die wir im Deutschen nicht ganz richtig abbilden können: nämlich den Imperativ Passiv. Werde nicht dieser Weltzeit gleichgestaltet! Das können wir nur verstehen, wenn wir das Wort Gottes als aktiv wirkende Macht auffassen, das uns nicht eine Anweisung gibt, die wir dann in eigener Kraft ausführen müssen. Vielmehr ist es so, dass wir im wortmäßigen Gottesdienst von außen her so verändert werden, dass wir zwar noch in der Welt, aber nicht mehr von der Welt sind. Bei seiner Pfingstpredigt benutzt Petrus diesen Imperativ Passiv auch; Apostelgeschichte 2,40: »Werdet errettet von diesem verderblichen Geschlecht!« Oder in Epheser 5,18: »Werdet erfüllt von Gottes Geist!« Immer wieder wird diese Form benutzt, wenn ausgedrückt werden soll, dass der Mensch nur Empfangender, Gott allein der Wirkende sein soll. Das Wirken des Sünders beschränkt sich, wie wir aus Luthers De servo arbitrio lernen, ja auf das Widerstreben. »Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides […]«!15 Im Imperativ Passiv geht es weiter: »werdet umgestaltet« – wodurch? Eben dadurch, dass Gott mir den Sinn richtig setzt, damit meine Vernunft vernehmen kann, mein Herz hören kann, was Gott sagt und prüfen kann, wo das göttliche Reden nur behauptet wird. Das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene. Dann wird der Schöpfer durch sein Geschöpf geehrt, dann will das Geschöpf nicht den Schöpfer verdrängen, sondern sein dienstbarer Verwalter sein – und dann dürfen auch die irdischen Dinge zu unserer Freude gebraucht werden: »Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet« (1.Timotheus 4,4f.). Was nun ist es um das »Prüfen«? Hierzu zwei Zitate. 20

Zum einen Rosenius: »Das ist auch der Erfahrung eines jeden Christen gemäß, nämlich, dass sobald er begnadigt ist, ein Prüfen und Bedenken dessen, was Gott dem Herrn wohlgefällig sein wird, anfängt und je mehr er in der Gnade wächst, um so mehr beschäftigt er sich mit diesem Prüfen und Nachdenken, denn um so wunderbarer beginnt Gott ihn zu führen.«16 Zum anderen Luther, der von den höheren Graden der geistlichen Gesinnung vermerkt, »dass ein Christ zuletzt dahin kommt, den Tod besser denn das Leben, die Armut seliger denn den Reichtum, die Schande edler denn die Ehre zu halten, ja, die zerknirschende Sünde herrlicher denn die eingebildete Frömmigkeit zu achten – wer könnte dann jeweils zu dieser Gesinnung gelangen, außer in der Schule des heiligen Geistes, unter fortgesetzter Veränderung und Erneuerung, sowie unter Kreuz und Leiden«?17 Weitere zentrale Schriftworte zu unserem Thema sind Kolosser 3; 1.Johannes 2; 2.Korinther 6. W

1) Vgl. hierzu Karl Albrecht Schachtschneider. 2) Vgl. Gabriele Kuby, S. 407: »Die Deregulierung der beschränkenden Normen des Finanzmarktes ist die Voraussetzung, dass eine außer Rand und Band geratene Finanzoligarchie ganze Nationen in den wirtschaftlichen Ruin stürzt. Die Deregulierung der beschränkenden Normen der Sexualität ist die Voraussetzung, dass ein außer Rand und Band geratener Sexualtrieb Personen und Familien und die ganze Gesellschaft in psychisches und soziales Chaos stürzt. Armut und Demoralisierung sind ein gefährliches Gemisch, das totalitäre Herrschaftsformen heraufbeschwören kann.« 3) 1.Mose 26,34f.; 36,2f. 4) »Das Schema dieser Welt vergeht«, 1.Korinther 7,31. 5) Schlier, S. 250. 6) Schlier, S. 251. 7) Imperativ Passiv oder Medium. 8) King James Version: »reasonable service«; English Standard Version: »spiritual worship«, also mehr »geistlich« als »geistig«; Louis Segond: »un culte raisonnable«. 9) Psalm 1; vgl. das alttestamentliche Königsgesetz 5.Mose 17,14–20. 10) Bild von Lüthi, S. 231. 11) Das dürfte auch der Sinn des Weizenkorn-Gleichnisses Johannes 12,24–26 sowie Kolosser 1,24 sein. 12) Althaus, S. 124. 13) Schlachter 2000: »Gott dieser Weltzeit«, L. Segond: »le dieu de ce siècle«. 14) Vgl. Galater 6,14: »Es sei aber fern von mir, mich zu rühmen als allein des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt [kosmos] gekreuzigt ist und ich der Welt [kosmos].« Man studiere ferner die Formulierung in Epheser 6,12! 15) Auch Rosenius betont (Kommentar Römer II, S. 239), dass die Sinneserneuerung die Wiedergeburt (und damit indirekt) Gottes Handeln ist. Aber er fragt auch, spirituell-methodisch: »Aber dass wir uns verändern sollen, wir Untauglichen, Ohnmächtigen, wie ist das zu verstehen? Nur so, wie alle ähnlichen Worte in der Schrift zu verstehen sind, nämlich, dass wir danach streben und unter Gebet und Flehen, sowie mit dem Gebrauch aller Gnadenmittel diese Gnade bei Gott suchen sollen (Philipper 2,12 und 13; 2.Petrus 1,5).« 16) A. a. O., S. 241. Rosenius bietet auch den Hinweis auf Hebräer 5,14 als Parallele. 17) Zitiert bei Rosenius ebd. APRIL 2019

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360. Todestag von Simon Dach (*29.7.1605, † 15.4.1659) Walter Rominger

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as Leben Simon Dachs war für heutige Verhältnisse eher kurz bemessen. In Memel in Ostpreußen wurde er am 29. Juli 1605 geboren. Heimgegangen ist er am 15. April 1659 in Königsberg, wo er die meiste Zeit lebte und wirkte, an einer Lungentuberkulose, woran er 1654 erkrankt war. Ein Großteil seines Lebens wurde vom Dreißigjährigen Krieg überschattet. 1620 musste Simon Dach denn auch vor der Pest aus Königsberg fliehen. In Wittenberg fand der Heranwachsende Aufnahme bei einem lutherischen Pfarrer als Hausdiener und konnte nebenbei noch die dortige Stadtschule besuchen. Aus Magdeburg, wohin er geflohen war, vertrieben ihn Pest und Krieg. So kam er wieder zurück nach Königsberg, wo sein Vater beim Gericht als Dolmetscher für die litauische Sprache tätig war und nahm das Studium der evangelischen Theologie auf. 1633 erhielt er eine Anstellung als Lateinlehrer an der Königsberger Domschule, in welcher er selbst einmal Schüler

Walter Rominger Die Anschrift des Autors finden Sie auf Seite 30 INFORMATIONSBRIEF 315

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war. Gesundheitlich angeschlagen verursachte ihm eine Lungenkrankheit bereits damals heftige Beschwerden, so dass ihm Brustschmerzen und Atemnot das Sprechen schwer machten. Das hing damit zusammen, dass er nur ein recht geringes Einkommen hatte, so dass er sich nicht die richtige Nahrung leisten konnte. Es war der kurfürstliche Rat Robert, der ihn in sein Haus aufnahm und verköstigte. Im Jahr 1636 wurde Simon Dach Konrektor der Domschule, 1639 Professor für Poesie an der Universität Königsberg, 1656 deren Rektor. Jetzt erst hatte er die notwendige Grundlage zur Gründung einer Familie. Mit seiner Ehefrau hatte er sieben Kinder. Er dichtete für Anna Neander, der Braut des Predigers Johannes Portatius das Hochzeitslied »Ännchen von Tharau« (1637, Melodie Friedrich Silcher, 1827). Beim Heimgang des frommen Bürgermeisters Hiob Sepner 1635 sollen Simon Dach die Worte für sein späteres Sterbelied: »O wie selig seid ihr doch ihr Frommen« (EKG 322, sechs Strophen, im EG nicht mehr, Melodie Johann Stobäus) gekommen sein. Es ist nicht verwunderlich, dass das eigene Erleben von Krieg und Leiden, dazu die eigene Tuberkulose, den Liedern des Hauptes des Königsberger Dichterbundes, zu dem u. a. Heinrich Albert, Johann Franck, Valentin Thilo und Georg Weissel gehörten, die Hinwendung zu Tod und Ewigkeit gaben. W Nach: Feste Burg Kalender 2019, Freimund-Verlag Neuendettelsau

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Aus den Bekennenden Gemeinschaften Professor Hans Schwarz wurde 80 Der weltweit bekannte lutherische Theologe Hans Schwarz (Regensburg) wurde Anfang des Jahres 80. Er war von 1981 bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden 2004 Inhaber des Lehrstuhls für »Systematische Theologie und theologische Gegenwartsfragen« an der Universität Regensburg. Eigenen Angaben zufolge hat er fast 50 Theologen in aller Welt zur Promotion geführt und 25 Bücher veröffentlicht. Geistlich geprägt wurde er durch den CVJM seiner Heimatstadt Schwabach und seinen Doktorvater, den auch in der Bekenntnisbewegung engagierten Erlanger Theologen Walter Künneth (1901– 1997). Besonders interessiert sich Schwarz für das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften. Von 2000 bis 2014 war er Vorsitzender der Karl-Heim-Gesellschaft, die den Dialog Theologie Naturwissenschaften fördert. Er gehört dem Kirchenvorstand der Neupfarrkirche in Regensburg an und predigt dort regelmäßig. Schwarz hat schon davon gesprochen, er habe das Gefühl, dass viele Bischöfe und Pfarrer zwar beamtet, aber nicht berufen seien. An den Kirchenleitungen stört ihn, dass sie versuchen, es

allen recht zu machen. Dadurch bewirke man immer weniger. Schwarz hat zahlreiche internationale Ehrungen erhalten. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 1/2/2019 vom 9. Januar 2019, S. 24, Bayern)

Heinz Matthias gab ACP-Vorsitz ab Anfang Februar hat der Berufsschullehrer i. R. Heinz Matthias aus Niedenstein bei Kassel, der inzwischen über 90 Jahr alt ist, den Vorsitz beim Arbeitskreis Christlicher Publizisten (ACP) abgegeben, den er 49 Jahre innehatte. Seit der Gründung der ACP 1970 wurden 250 Interviews christlichen Inhalts mit Spitzenpolitikern und vergleichbaren Persönlichkeiten rund um den Erdball geführt. Etwa 700 Gespräche bei ARD, ZDF und Bibel TV und 71 Fernsehbeiträge wurden ausgestrahlt. Hinzu kommen 50 Presseseminare mit 1200 Teilnehmern. Darüber hinaus haben zahlreiche Presseberichte, hunderte von Leserbriefen auf ACP-Initiative zur Ausbreitung der christlichen Botschaft beigetragen. Nachfolger von Heinz Matthias wurde Professor Friedrich Wolf aus Aalen in Ost-Württemberg. (Quelle der Nachricht: ACP-Informationen 3/2018, S. 19 und 23)

Aus Kirche und Gesellschaft Oldenburgische Kirche beschließt »Trauung für alle« Eine weitere Landeskirche hat die kirchliche Trauung Gleichgeschlechtlicher beschlossen: Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg (418 000 Mitglieder in 116 Gemeinden) wird künftig auch gleichgeschlechtliche »Ehepaare« kirchlich trauen. Das hat die Synode auf ihrer Tagung im vergangenen November beschlossen. Drei Synodale enthielten sich. Seit 2004 konnten Paare, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, sich in einem Gottesdienst segnen lassen. Es werde keine neue Amtshandlung eingeführt, vielmehr erfahre »die kirchliche Trauung in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg eine Ausweitung«, 22

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sagte Bischof Thomas Adomeit. Die Einführung der »Ehe für alle« in der deutschen Gesetzgebung 2017 habe »einen willkommenen Anlass geboten, über das lutherische Ehe- und Trauverständnis nachzudenken und daraus Konsequenzen für gleich- wie verschiedengeschlechtliche Ehepaare vorzuschlagen«, so Adomeit weiter. Er hoffe, dass »auch die Menschen mitgenommen werden können, die mit dieser Öffnung Schwierigkeiten haben«. Adomeit bat »alle Paare, denen die Verweigerung einer kirchlichen Trauung wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Liebe und Lebensgemeinschaft widerfahren ist aufrichtig um Entschuldigung«. Es sei »manche Verletzung entstanden, indem homosexuelle Paare, die um Gottes Segen für ihre Beziehung gebeten haben, nicht getraut werden konnten. Das dadurch entstandene Leid, die durchlebte Enttäuschung und die erlittene Diskriminierung begleiten manche Beziehungen bis heute.« Um Verzeihung bat er auch diejenigen Theologen, die »aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht in den Dienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg übernommen wurden oder die ihre Beziehung nicht offen leben konnten«. Vorbereitet wurde die Entscheidung vom Ausschuss für theologische und liturgische Fragen, Schöpfungsverantwortung, Mission und Ökumene. Dessen Vorsitzender, Pfarrer Oliver Dürr (Molbergen), bezeichnete die Neuerung als »sinnvollen Schritt«, weil »die Gnade Gottes für alle Menschen« gelte. Dem Sprecher der oldenburgischen Kirche, Dirk-Michael Grötzsch, zufolge, können Pastoren die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare aus Gewissensgründen ablehnen. Fragt sich nur, wie lange und ob überhaupt eine solche Gewissensentscheidung anerkannt wird. Der Vorgang an sich ist selbstredend. Dem Bericht zufolge kam den Aussagen der Heiligen Schrift beim Zustandekommen keinerlei Bedeutung mehr zu. Die Ignoranz der Schrift ist indes so selbstverständlich geworden, dass es bereits auffällig wäre, wenn diese nennenswerte Beachtung gefunden hätte. Dabei ist das sola scriptura (allein die Schrift) einer der vier reformatorischen particula exclusiva (Exklusivpartikel, vier reformatorische allein). (Quelle der Nachricht: idea, Basisausgabe)

Ethik: Geld für fragwürdiges Handeln Mehr Geld für Organspenden Um den Abwärtstrend bei den Organspenden in Deutschland zu stoppen, sollen die beteiligten Krankenhäuser besser bezahlt werden und die Transplantationsbeauftragten mehr INFORMATIONSBRIEF 315

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Handlungsspielraum bekommen. Das Bundeskabinett billigte dazu gesetzliche Änderungen, durch die Abläufe und die Honorierung bei Organspenden verbessert werden sollen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte anschließend, das Hauptproblem sei nicht die Spendenbereitschaft der Menschen. Die habe, so Spahn, in den vergangenen Jahren wieder zugenommen. Gleichwohl habe man aber im Jahr 2017 einen »traurigen Tiefstand« erreicht. Den Kliniken fehle häufig Zeit und Geld, um mögliche Organspender zu identifizieren. Hier setzten die Änderungen an. Sie müssten unabhängig von der Debatte um eine Widerspruchsregelung schnell umgesetzt werden, so Spahn. (Quelle der Nachricht: Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 45/2018 vom 11. November 2018, S. 2, nach epd)

Weitere Aufwertung in Hessen-Nassau: Homo-Segnung heißt nun Trauung Bei gleichzeitiger Abwertung der Gemeinden und Pfarrer, denn: Der Ablehnungsvorbehalt für Gemeinden und Geistliche wird gestrichen In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) heißen die seit 16 Jahren angebotenen Segnungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften seit 2019 offiziell Trauungen. Das hat die Synode im vergangenen Herbst beschlossen. Schon 2013 hatte Hessen-Nassau als erste Kirche in Deutschland die Segnung homosexueller Partner der Trauung gleichgestellt. Doch in dem verbindlichen Leitfaden für die kirchliche Praxis, der »Lebensordnung«, blieben die Bezeichnungen dafür unterschiedlich. Seit 2002 haben in Hessen-Nassau nach Angaben der Kirche mehr als 320 gleichge23


Ehe zweier Frauen sei die Abstammung nur zur Kindesmutter und nicht zur »Ehefrau« begründet. Die »Ehefrau« könne biologisch nicht leiblicher Elternteil des Kindes sein. Dieser Unterschied rechtfertige die abweichende Behandlung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Ehepaare. (Quelle der Nachricht: Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 46/2018 vom 18. November 2018, S. 2, nach epd)

Verbot von Homosexuellen Demonstrationen

Kirchenpräsident Volker Jung schlechtliche Partnerschaften die Möglichkeit genutzt, vor dem Traualtar um den Segen Gottes zu bitten. Zum Vergleich: Allein 2017 wurden rund 3600 heterosexuelle Paare kirchlich getraut. Mit der neuen Regelung wurde auch der bisherige Vorbehalt bei Segnung gleichgeschlechtlicher Paare für einzelne Kirchenvorstände oder Geistliche abgeschafft. Sie konnten bisher diese grundsätzlich ablehnen. Nun gilt, dass sie aus seelsorgerlichen Erwägungen oder Glaubensüberzeugungen eine Amtshandlung im Einzelfall verweigern können. Kirchenpräsident Volker Jung (Darmstadt) sagte dazu, dass Geistliche bei der Ablehnung einer gleichgeschlechtlichen Trauung auch künftig nicht mit dienstrechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben. Wie lange wird das anhalten? Zudem: Bedrängnis ist auch auf andere Weise möglich. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 49/2018 vom 5. Dezember 2018, S. 27, Hessen)

Elternteil ist nur leibliche Mutter Nur die leibliche lesbische Mutter eines gleichgeschlechtlichen »Ehepaares« kann von Gesetzes wegen rechtlicher Elternteil des Kindes sein. Die andere »Ehepartnerin« darf nach dem Abstammungsrecht nicht als »weiterer Elternteil« in das Geburtsregister eingetragen werden. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist bei einem heterosexuellen Ehepaar der Ehemann automatisch rechtlicher Vater des Kindes. Gleichgeschlechtliche Ehen hat der Gesetzgeber am 20. Juli 2017 mit einer gesetzlichen Neuregelung zur »Ehe für alle« zwar gleichgestellt, allerdings wurde das Abstammungsrecht nicht geändert. In einer gleichgeschlechtlichen 24

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Russland Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland erneut wegen Diskriminierung von Homosexuellen und Einschränkung der Versammlungsfreiheit verurteilt. Die Richter gaben den Klagen von sieben russischen Aktivisten Recht. Diese hatten zwischen 2009 und 2014 versucht, Demonstrationen für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender zu organisieren. Die russischen Behörden verboten alle geplanten Veranstaltungen. (Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom 28. November 2018, S. 1, nach kna)

Der als »Oldenburger Baby« bekannt geworden Tim ist mit 21 Jahren verstorben Der als Oldenburger Baby bekannt gewordene Tim aus Niedersachsen ist Anfang 2019 im Alter von 21 Jahren verstorben. Der junge Mann mit Downsyndrom sei aufgrund langanhaltender gesundheitlicher Probleme verstorben. Im Jahr 1997 hatte Tim eine Spätabtreibung überlebt, obwohl er erst mehrere Stunden nach der Geburt ärztlich versorgt worden war. Das löste eine Debatte über Spätabtreibungen aus. Inzwischen gibt es wieder Politiker, die sich für die Freigabe einer Spätabtreibung aussprechen. (Quelle der Nachricht: Südwestpresse vom 9. Januar 2019, »Blick in die Welt«, nach afp)

Werner Thiede: Provokant-liberale Haltung der EKD hat die Qualität zum Spalten Der evangelische Theologe Werner Thiede hat der EKD eine »provokant-liberale Haltung« mit »Qualität zum Spalten« vorgeworfen. Mit ihrer Unterstützung der »Ehe für alle« und ähnlichen Beschlüssen könne sie »nach außen und nach innen« entzweien. Von einer »nachhaltiAPRIL 2019

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»Berliner des Jahres 2018« gekürt. Der 61-Jährige ist seit 25 Jahren bei der Berliner Stadtmission und leitete zehn Jahre die Berliner Bahnhofsmission am Zoologischen Garten, bis Ende 2018. Seit Jahresbeginn hat er eine andere Aufgabe übernommen. Er wirkt als Vordenker und »Lobbyist der Obdachlosen – im besten Sinne«, heißt es in der Begründung der Jury; und er wird als »überzeugte[r] Christ« bezeichnet. Dieter Puhl, der aus Norddeutschland stammt, kam als junger Mann in die jetzige Hauptstadt und begann hier seine Laufbahn im sozialen Bereich. Wie er gegenüber dem Rundfunksender rbb24 erklärte, gewinnt er Kraft und Antrieb für seine Arbeit ganz wesentlich aus dem Glauben an Christus.

Werner Thiede gen Pflege des traditionsreichen Ehe-Instituts« in der EKD könne keine Rede mehr sein. Die Kirche komme in ethischen Fragen der Gesellschaft mit einer »Selbstsäkularisierung« entgegen. Der Rat der EKD hatte im Juli 2017 die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften durch den Bundestag offiziell begrüßt. Sie schmälere die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau »keineswegs«, so war von EKD-Seite zu hören.

(Quellen der Nachricht: ideaSpektrum 1/2/2019 vom 9. Januar 2019, S. 29, Ost und Wochenendmail aus Bretten vom 18. Januar 2019)

(Quelle der Nachricht: Informationsbrief 3/2018, November 2018 der Arbeitsgemeinschaft Lebendige Gemeinde München, S. 16, nach idea)

Zum Zeugnis berichtet »Berliner des Jahres« schöpft Kraft für seine Arbeit aus dem Glauben an Christus Die Zeitung »Berliner Morgenpost« kürt in jedem Jahr eine Persönlichkeit zum »Berliner des Jahres«. Zu Beginn dieses Jahres hat sie den Diakon und Sozialpädagogen Dieter Puhl zum

Dieter Puhl von der Stadtmission Berlin

Aus dem Pietismus Helmut Burkhardt wurde 80 Über Jahrzehnte war er einer der führenden pietistischen Theologen im deutschsprachigen Raum, der im südbadischen Grenzach-Wyhlen lebende Pfarrer Helmut Burkhardt; Ende Januar konnte er seinen 80. Geburtstag begehen. Bei einer Veranstaltung der »Fackelträger« war der damals 20-Jährige zum Glauben an Jesus INFORMATIONSBRIEF 315

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gekommen. Darauf studierte er Theologie in Kiel und Tübingen und arbeitete anschließend neun Jahre lang für die Pfarrer-Gebets-Bruderschaft (PGB), bevor er Dozent wurde. Von 1977 bis 2008 lehrte er Systematische Theologie und Ethik am Theologischen Seminar der Pilgermission St. Chrischona (Bettingen bei Basel). 1999 wurde er Vorsteher des Diakonissen-Mutterhauses St. Chrischona und blieb dies 25


bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2004. Er war Mitbegründer und von 1977 bis 1993 Vorsitzender des Arbeitskreises für evangelikale Theologie (AfeT). 1989 erhielt er den JohannTobias-Beck-Preis, der von dieser Arbeitsgemeinschaft vergeben wird. Sein Hauptwerk ist seine dreibändige Ethik. Er hat aber zudem rund 350 weitere Publikationen verfasst. Selbst der heutige Ratsvorsitzende der EKD, der bayrische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (München), konnte Helmut Burkhardt 2005, damals war Bedford-Strohm Professor in Bamberg, der so ganz anders als Helmut Burkhardt denkt, nicht seine Achtung vor dessen Ethik versagen. (Quelle der Nachricht: ideaSpektrum 4/2019 vom 23. Januar 2019, S. 32, Südwest)

»Ich bin Pietist von Hause aus« 100 Jahre alt ist der württembergische Pfarrer Gerhard Gläser –– und noch immer im Dienst für Jesus Gerhard Gläser, der am 17. September 2018 seinen 100. Geburtstag begehen konnte, trat 1983 in den Ruhestand, lebt immer noch in seinem Ruhestandshaus in Kappishäusern im Dekanat Bad-Urach-Münsingen und vertritt seine pietistische Überzeugung immer noch entschieden. Als er geboren wurde, regierte in Deutschland noch der Kaiser – und so ist er Zeitzeuge der deutschen Geschichte und genauso der theologischen Entwicklungen. Geprägt wurde er von seiner Mutter: »Sie war eine betende Frau, die mich zu Jesus geführt hat.« Seine kirchliche Sozialisation erfolgte in der Brüdergemeinde Korntal. Vorbilder waren für ihn die pietistischen Tübinger Systematiker Karl Heim und dessen Nachfolger Adolf Köberle. Hingegen geriet er heftig mit dem Tübinger Professor für Neues Testament, Ernst Fuchs

(später Marburg) aneinander, der Rudolf Bultmanns »Entmythologisierung« vertrat. Dieser Auffassung widersprach Gerhard Gläser vehement. Als die beiden sich einmal trafen, sagte Gerhard Gläser zu ihm: »Herr Professor, das Meiste von dem, was Sie sagen, ist mir unverständlich, beim Rest bin ich anderer Meinung.« Ernst Fuchs revanchierte sich mit einer Bemerkung über »diesen eigensinnigen Repetenten, der einen Erzkonservatismus vertritt«. Auch an Rudolf Bultmann schrieb er einen kritischen Brief. Gerhard Gläsers theologisches Profil ist geschärft: »Es ging mir in meinem ganzen Leben darum, dass die Bibel zu ihrem Recht kommt.« Er war Pfarrer in Baiersbronn im nördlichen Schwarzwald und von 1964 bis 1983 in Dettingen an der Erms (bei Bad Urach). Auch nach seiner Pensionierung 1983 ist er dem Pietismus treu geblieben. So hat er in Bad Liebenzell Konfirmanden angeleitet, die aus ganz Württemberg, ja sogar aus Bayern und Baden kamen. Immer noch hält er Stunden bei der Altpietistischen Gemeinschaft. Und er sagt: »Ich bin dankbar, dass Gott mir die körperliche und geistige Kraft erhalten hat.« (Quelle der Nachricht: Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 3/2019 vom 20. Januar 2019, S. 26, Artikel von Wolfgang Albers)

Pietistisch eingestellter Jugendreferent wurde Leiter der Erwachsenenbildung nördlicher Schwarzwald Die Evangelische Erwachsenenbildung ist nicht unbedingt dafür bekannt, dass in ihr pietistisch eingestellte Persönlichkeiten zum Zuge kommen. Sie ist eher vom theologischen Liberalismus besetzt. Im Nordschwarzwald hat sich indes eine andere Entwicklung aufgetan. Nachdem nach 26 Jahren der bisherige Geschäftsführer der Evangelischen Erwachsenenbildung nördlicher Schwarzwald, Reinhard Kafka, in den Ruhestand trat, der eher für offene Positionen warb, tritt mit seinem Nachfolger ein deutlich konservativerer als Geschäftsführer an: Tobias Götz. Der 37-jährige Tobis Götz war nach seinem Studium in Bad Liebenzell zunächst in den christlichen Gästehäusern Monbachtal als Referent tätig, wechselte dann zum CVJM Owen (Nähe Stuttgart) und war zuletzt geschäftsführender Referent des Jugendwerks Neuenbürg. Die Erwachsenenbildung nördlicher Schwarzwald umfasst die Dekanate Calw, Nagold, Neuenbürg. (Quelle der Nachricht: Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg 50/2018 vom 16. Dezember 2018, S. 23)

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Buchrezensionen Die Liebenzeller Mission und der Nationalsozialismus Eine Studie zu ausgewählten Bereichen, Personen und Positionen Manchmal fällt es schwer, sich der Vergangenheit zu stellen. Es gibt tatsächliche oder auch nur vermutete Stellen, an die man am liebsten nicht erinnert werden möchte und deshalb auch gerne auf Nachforschungen verzichtet. Die Liebenzeller Mission ist so nicht verfahren; das spricht für sie. Vielmehr hat deren Vorstand den bekannten pietistischen Theologen Helmuth Egelkraut (1938–2018) damit beauftragt, ergebnisoffen das Verhalten der Mission und deren Repräsentanten während der Zeit des Nationalsozialismus zu erforschen. Tief ist Helmut Egelkraut in die Archivbestände der Mission und darüber hinaus in für die Thematik relevanten Bestände anderer Archive eingedrungen. Das Ergebnis der nahezu dreijährigen Forschungstätigkeit ist die nicht allein vom Umfang her gewichtige, sondern noch mehr dem Inhalt nach oben angezeigte Studie. Egelkraut vermag aufzuzeigen, dass die nationalsozialistische Zeit keinesfalls spurlos am »Missionsberg« und dessen Repräsentanten vorbeiging. Schließlich war der nationalsozialistische Staat mit Erfolg darum bemüht, das ganze Leben des Menschen zu durchdringen. Doch erklärt dies im Hinblick auf die Liebenzeller Mission keineswegs deren Verhalten zureichend, wobei sogleich anzumerken bleibt, dass die Mission keineswegs auch nur annähernd vom nationalsozialistischen Geist durchdrungen wurde, was sicher mit dazu beitrug, dass auch nach Kriegsende der »Betrieb« am »Missionsberg«, vor allem am Missionsseminar, ungehindert weitergehen konnte. Weit mehr lag eine gewisse Begeisterung für den Nationalsozialismus, die damals allgemein herrschte und bei der auch nur wenige überzeugte Christen eine Ausnahme machten, darin, dass führende »Liebenzeller« eine patriotische, deutschnationale und damit antikommunistische Einstellung einnahmen, ebenso wie deren Missionare auf den Missionsfeldern. Damit wurde, wenn im Grunde genommen auch zu Unrecht, eine gewisse Affinität zum Nationalsozialismus hergestellt. Zudem trugen die geschickten und berechnenden religiös geschwängerten Reden Hitlers zu einer gewissen Offenheit bei. INFORMATIONSBRIEF 315

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Dem Leben und deren theologischen und politischen Einstellungen von Heinrich Coerper (1863–1936) (S. 371–432), dem »Gründer« der Liebenzeller Mission und langjährigen Vorsitzenden und noch weit ausführlicher, dessen Nachfolger Ernst Buddeberg (1873–1949) (S. 237–370) der in der fraglichen Zeit die Mission leitete (1934–1946), spürt Egelkraut detailgetreu nach. Beiden ist die bereits erwähnte patriotische, deutsch-nationale Gesinnung eigen. Beide waren auch in dieser Richtung politisch aktiv. Waren beide deshalb denn auch politisch teilweise »blind« und euphorisch für die neue Zeit, so zeichnete beide theologische Klarheit aus, was sie dann auch wieder vor verhängnisvollen Schritten bewahrte, bzw. diese rückgängig machen ließ (Austritt bei den Deutschen Christen, DC, nach kurzer Zeit). Doch Buddeberg »schaffte« es nach dem Krieg nicht, im Rückblick eigene Irrtümer und politische Fehleinschätzungen im Hinblick auf die nationalsozialistische Zeit offen einzuräumen, wie übrigens auch kein anderer, mit Ausnahme des »Bergverwalters« Adolf Sauter (S. 221–228), der anlässlich seines 80. Geburtstages spät, aber nicht zu spät, 1969, kritisch »sein Leben rückblickend […] vor Gott in Christus reflektierte« (S. 227) und deutlich von »unserer Schuld« sprach (S. 227). Was jedoch auf jeden Fall der Erwähnung bedarf, gerade weil es über die wissenschaftlichhistorisch ausgerichtete Arbeit hinausgeht, ist 27


die Einschätzung, dass der Herr die Arbeit der Liebenzeller Mission gesegnet hat, dass Menschen im Aus- und Inland zum seligmachenden Glauben an Jesus Christus fanden und in diesem gestärkt wurden trotz aller Unzulänglichkeit, ja trotz all dem Versagen des »Liebenzeller Personals«. Auch an ihr zeigt sich, wie Gott doch immer wieder ein gnädiger Gott ist, der Vergebung gewährt. Darauf macht Helmuth Egelkraut in dankenswerter Weise besonders am Ende dieser umfangreichen Studie aufmerksam, einer wahren Fleißarbeit, die er in denkbar kurzer Zeit sauber recherchierte, wovon die zahlreichen Fußnoten sowie das umfangreiche Literaturverzeichnis (S. 513–529) zeugen. Bei der Geschichte der Liebenzeller Mission, vor allem in deren eher »dunklen« Jahren von 1933 bis 1945, die Helmuth Egelkraut dankenswerterweise aufzuhellen vermag, weiß sich der Rezensent an die tiefe Einsicht des französischen Literaten und Diplomaten Paul Claudel erinnert: »Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade« (so im groß angelegten Drama »Der seidene Schuh« von 1927). Auch ist die Einsicht des Verfassers der Studie so wohltuend, dass es Gnade und Vergebung gibt. Diese gilt denen, die in der fraglichen Zeit eventuell den klaren Blick vermissen ließen und auch schuldig wurden. Aber wer lebt nicht von Gnade und Vergebung? So unterscheidet sich diese Studie wohltuend von manch anderer Veröffentlichung, die über Anklage und Verurteilung kaum hinaus-

kommt, weil offenbar der in Christus gnädige Gott abhandengekommen ist (als Negativbeispiel ist etwa, wenn auch aus einem ganz anderen Themenbereich, nämlich zur Erziehung der Kinder auf der Karlshöhe in Ludwigsburg die Publikation zu nennen: »Kein Zuhause für die Tränen – Geschichte der Karlshöher Heimerziehung in den 50er- und 60er-Jahren. Eine Dokumentation zum Thema«, Karlshöher Beiträge Nr. 7, Ludwigsburg 2015, 130 Seiten). Die Lektüre dieser umfangreichen Monographie zur neueren Kirchen- und Missionsgeschichte lohnt sich auf jeden Fall. Die dafür investierte Zeit ist keine zeitliche Fehlinvestition. Es ist zudem nur recht und billig, dass der Verfasser dafür mit dem renommierten evangelikalen GeorgeW.-Peters-Preis, der seit 1992 jährlich vergeben wird, für 2016 ausgezeichnet wurde (ideaSpektrum 5/2016, S. 31). Walter Rominger Helmuth Egelkraut Die Liebenzeller Mission und der Nationalsozialismus Eine Studie zu ausgewählten Bereichen, Personen und Positionen Reihe: Interkulturalität & Religion Liebenzeller Impulse zu Mission, Kultur und Religion, Band 3 Berlin und Münster 2015, LIT Verlag 532 Seiten, Paperback, 39,90 Euro ISBN 978-3-643-12980-2

Wagnis Widerstand Evangelische Christen in München gegen den Nationalsozialismus Über das Versagen der Kirche(n), auch der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, ist genug geschrieben worden und gar nicht so ungern gefallen sich Spätgeborene in Schuldzuweisungen. Da ist es geradezu wohltuend, auch einmal anderes zu hören. Armin Rudi Kitzmann (geb. 28

1938), langjähriger Schulpfarrer an einem Münchner Gymnasium, hat sich über viele Jahre mit der Geschichte der evangelischen Kirche in München während der zwölf Jahr nationalsozialistischer Herrschaft befasst und dazu publiziert. Das angezeigte Buch ist das neuste zum Thema aus der Feder Armin Rudi Kitzmanns. APRIL 2019

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Es war ganz einfach nicht so, dass es nur Angepasstheit und Mitmachen gab. Das »Atoll des evangelischen Widerstandes« in München war nicht so klein und unbedeutend, dass dieses einfach, wie bisher meist, vernachlässigt werden kann; und die Menschen von damals handelten nach bestem Wissen und Gewissen. Das trifft für den damaligen Bischof Hans Meiser zu, der es immerhin »geschafft« hat, dass die bayerische Landeskirche eine der wenigen intakten geblieben ist, und für so manchen Münchner evangelischen Pfarrer und »Laien«, wiewohl Fundamentalopposition unterblieb. Die Empfehlung auf dem hinteren Einband des Buches kann nur

unterstrichen werden: »Die lebendige Darstellung der Persönlichkeiten und der Verhältnisse, in denen sie leben mussten, ist nicht nur eine historisch-fundierte, sondern eine eindrückliche Lektüre.« Walter Rominger Armin Rudi Kitzmann Wagnis Widerstand Evangelische Christen in München gegen den Nationalsozialismus München 2016, Allitera Verlag 140 Seiten, 14,90 Euro ISBN 978-3-86906-825-1

Tatsache! Die Wahrheit über Luthers Thesenanschlag Den beiden noch relativ jungen Autoren, Benjamin Hasselhorn (geb. 1986, Historiker und Theologe) und Mirko Gutjahr (geb. 1974, Historiker und Archäologe) – sie sind wissenschaftliche Mitarbeiter der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt – wurde schon der Vorwurf gemacht, mit dieser Veröffentlichung keine wirklich neuen Argumente für die Tatsache des Anschlags der 95 Thesen zum Ablass durch Martin Luther am 31. Oktober 1517 beigebracht zu haben; alles sei bereits vorgebracht worden. Mag dies auch faktisch so sein, so ist der Vorwurf, wenn er die Konnotation beinhaltet, also hätte das Buch überhaupt nicht zu erscheinen brauchen, dennoch unberechtigt. Denn zum einen werden die Argumente, die für den Thesenanschlag sprechen, gesammelt vorgetragen. Und zum andern – evt. sogar wichtiger – wenn der Thesenanschlag gar nicht stattgefunden hat, was feiern Evangelische denn dann überhaupt alle Jahre wieder am Reformationstag und was und weshalb wurde denn dann 2017 das INFORMATIONSBRIEF 315

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500-jährige Reformationsjubiläum begangen? Zwar war es der katholische Kirchenhistoriker Erwin Iserloh, der 1961 mit der These auftrat, Luther habe die 95 Thesen zum Ablass überhaupt nicht angeschlagen, aber evangelische Kollegen nahmen dies offensichtlich bereitwillig auf, bzw. vertraten die Ansicht, ob Luther die Thesen angeschlagen habe oder nicht, sei eigentlich unerheblich (wiewohl mittlerweile – wieder – die Mehrzahl sich für den Thesenanschlag ausspricht; diesem messen sie aber dennoch keine tiefere Bedeutung zu); sie betreiben damit eine Form unstatthafter »Entmythologisierung«. Luther sei 1517 noch gar nicht reformatorisch gesonnen gewesen; dies habe sich erst langsam in einem Prozess angebahnt; seine Erkenntnis sei ihm nicht urplötzlich gekommen. Vor Jahrzehnten wurde denn auch lebhaft in Gelehrtenkreisen der Zeitpunkt der reformatorischen Erkenntnis Luthers diskutiert und eine nicht geringe Anzahl der Forscher, evt. sogar die Mehrheit dieser, votierte damals für 1518. 29


Die beiden Autoren der Studie sind jedoch der Ansicht, Luthers reformatorische Entdeckung habe 1517 bereits stattgefunden gehabt. Für sie sind Luthers 95 Thesen zum Ablass also reformatorisch. Sie vertreten begründet die Ansicht, historische Rekonstruktion lasse es gewissermaßen zwingend erscheinen, dass Luther selbst die 95 Thesen zum Ablass angenagelt habe. Was dagegen vorgebracht werde, sei nicht stichhaltig. Die Zeugen, Philipp Melanchthon, Georg Rörer, Johann Agricola seien wesentlich zuverlässiger als gemeinhin angenommen; und auch Luther selbst spreche keinesfalls dagegen, sondern dafür. Überdies sei über Jahrhunderte die Faktizität des Thesenanschlags von evangelischer und katholischer Seite vertreten worden. Den beiden Autoren, Benjamin Hasselhorn und Mirko Gutjahr ist für die Veröffentlichung dieses Buches zu danken, welches trotz relativ geringen Umfangs sein Gewicht hat. Wenn man dieses Buch durch hat, so fragt man sich, weshalb denn evangelische Theologen so rasch

bei der Hand sind, die Tatsächlichkeit des Thesenanschlags fahren zu lassen; ein Ereignis zum sich Schämen ist dieser ja nicht gerade, und mehr evangelisches Selbstbewusstsein wäre keineswegs verkehrt. Bei katholischen Theologen liegen die Dinge freilich anders. Den Verfassern gebührt jedenfalls Dank dafür, dass sie diese gut recherchierte Studie (149 Fußnoten) veröffentlicht haben. Ebenfalls ist der Evangelischen Verlagsanstalt (eva) gegenüber Dank angesagt, dass sie diese Studie, die zudem viel passendes Bildmaterial enthält, in ihr Verlagsprogramm aufgenommen hat. Walter Rominger Benjamin Hasselhorn/Mirko Gutjahr Tatsache! Die Wahrheit über Luthers Thesenanschlag Leipzig 2018, Evangelische Verlagsanstalt (eva) 146 Seiten, 10,– Euro ISBN 978-3-374-05638-5

Die Vorträge des Studientages 2018 von Professor Dr. Dr. Rainer Mayer zum Thema »Bekennende Kirche werden. Die Bedeutung der Seelsorge für die Kirche der Zukunft« sind zum Nachhören und zum Weiter­geben auf Tonträger erhältlich (als Audio-CD oder MP3) bei: Helmut Schlee · Gartenstraße 15 a · 47506 Neukirchen-Vluyn Telefon (02845) 9490950 · E-Mail: HelmutSchlee@gmx.de PS: Sowohl von den Vorträgen des Studientages 2017 von Pfarrer Thomas Hilsberg zum Thema »Einer für alle: Christus allein« als auch vom Studientag 2016 mit Dr. Uwe Siemon-Netto sind noch Aufnahmen vorhanden und ­ebenfalls bei Helmut Schlee zu erhalten.

Weitere Exemplare des Informationsbriefes für Juli 2013, Heft 279 und für Juli 2014, Heft 286 sowie die Traktate »Falsche Propheten sind unter uns« und »Ist Gott interreligiös?« können –– auch in größerer Stückzahl –– bei der Geschäftsstelle bestellt werden.

Mitarbeiter an diesem Heft: Pfarrer Dr. Stefan Felber Chrischonarain 200 CH-4126 Bettingen Schweiz

Pastor Johannes Frey Ofener Weg 3 28816 Stuhr Telefon (0421) 5228910 E-Mail: johannes.frey@kabelmail.de

Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Professor Dr. Werner Thiede Richard-Wagner-Straße 8 75242 Neuhausen (Enzkreis)

Für den Inhalt der Artikel sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Die Meinung des Verfassers deckt sich nicht in allen Fällen mit der des Schriftleiters.

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Geschäftsführender Ausschuss Vorsitzender Pastor Johannes Frey Ofener Weg 3 28816 Stuhr Telefon (04 21) 5 22 89 10 E-Mail: johannes.frey@kabelmail.de Schriftführer Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (0 74 31) 7 44 85 E-Mail: w.rominger@t-online.de

Weitere Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses Martin Schunn Hölderlinstraße 9 75334 Straubenhardt Telefon (0 70 82) 2 02 75 E-Mail: cmschunn@gmail.com Helmut Schlee Gartenstraße 15 a 47506 Neukirchen-Vluyn Telefon (0 28 45) 9 49 09 50 E-Mail: HelmutSchlee@gmx.de

Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« e. V. Geschäftsstelle: Walter Rominger Mehlbaumstraße 148 72458 Albstadt Telefon und Fax (07431) 74485 E-Mail: w.rominger@t-online.de www.keinanderesevangelium.de

Kassenwart Hans Lauffer Osterstraße 25 70794 Filderstadt Telefon (0 71 58) 48 31 Fax (0 71 58) 94 78 73 E-Mail: hans.lauffer@t-online.de Mit Fragen bezüglich der Spendenbescheinigungen wenden Sie sich bitte an unseren ­Kassenwart Hans Lauffer. Sie erreichen ihn telefonisch unter (0 71 58) 48 31, per Fax 94 78 73 oder per E-Mail hans.lauffer@t-online.de Bankkonten Volksbank Filder e. G., (BLZ 611 616 96) Konto-Nr. 65 500 016 IBAN DE34 6116 1696 0065 5000 16 BIC (SWIFT)-Code: GENO DE S1 NHB Postgirokonto Schweiz: Postgiroamt Bern Nr. 30-195 56-2 IBAN CH21 0900 0000 3001 9556 2 BIC POFICHBEXXX

Bitte nutzen Sie nur noch Einzahlungsscheine ab Heft April 2016.

Nachsendeanträge bei der Post kommen bei der Bekenntnisbewegung nicht als Adressänderung an. Deshalb auch bei Umzügen die Adressänderung durch untenstehenden Abschnitt an die Geschäftsstelle weitergeben.

Für Neubestellung, Adressänderung und Abbestellung ausschneiden und einsenden an: Bekenntnisbewegung »Kein anderes Evangelium« Geschäftsstelle: Mehlbaumstraße 148, 72458 Albstadt Bei Neubestellung des Informationsbriefes erhalten Sie von uns eine Einwilligungs-Erklärung, die Sie bitte ausfüllen und unterschrieben an die Bekenntnisbewegung zurück schicken. Personenbezogene Daten unserer Bezieher werden in einer sicheren Datenbank gespeichert. Die Daten sind vor fremdem Zugriff sicher geschützt. Die Daten werden ausschließlich zur eigenen Bestell-, Liefer- und Spendenabwicklung verwendet. Weitergehende Daten werden nicht gespeichert. Nicht mehr benötigte Daten werden turnusgemäß gelöscht (gemäß Datenschutzrecht).

q Neubestellung  q Adressänderung  q Abbestellung

(Zutreffendes bitte ankreuzen)

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Doch ob tausend Todesnächte liegen über Golgatha, ob der Hölle Lügenmächte triumphieren fern und nah: Dennoch dringt als Überwinder Christus durch des Sterbens Tor, und die sonst des Todes Kinder, führt zum Lichte er empor. Friedrich von Bodelschwingh d. J. (1877 – 1946)


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