The Nose

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William Kentridge

The Nose



Untitled (I’ll Pay), 2009

DR AW ING on T he Illustr ated London New s


Untitled, 2009

DR AW INGS on T he Illustr ated London New s


Untitled, 2009

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William Kentridge

Verlag der Buchhandlung Walther Kรถnig Untitled, 2009

DR AW ING on T he Illustr ated London New s


William Kentridge

Herausgegeben von / Edited by Sabine Schaschl, Stiftung für konstruktive, konkrete und konzeptuelle Kunst Museum Haus Konstruktiv, Zürich

The Nose


T e x ts

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Die Nase – konstruktiv und absurd Eine Einführung The Nose—constructivist and absurd An introduction Sabine Schaschl Als sei es das erste Mal: Verdopplung und Wiederholungen in der Kunst von William Kentridge As if for the first time: doubling and repetitions in the arts of William Kentridge

Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines I am not me, the horse is not mine

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A p p e ndi x

Werke und Abbildungen List of works and plates Biografie Biography

Jane Taylor

William Kentridge


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Untitled (Rozinante), 2010

P h o t o gra v u r e P R I N T


Die Nase – konstruktiv und absurd

The Nose—constructivist and absurd

Eine Einführung

An introduction

Sabine Schaschl

Direktorin und leitende Kuratorin, Museum Haus Konstruktiv

Director and Chief Curator, Museum Haus Konstruktiv


William Kentridges künstlerisches Schaffen zählt zweifelsohne zu den eindrücklichsten unserer Zeit. Im Zentrum seines Werkes steht die Zeichnung; sie bildet die Grundlage für Filme und Bühnenbilder, Videoinstallationen und performative Vorträge mit projizierten Bildern. Seine technischen Verfahren entwickelt Kentridge immerfort weiter, und die Welt, die er entwirft, hat längst schon die Grenzen zwischen bildender Kunst, Schauspiel, Dramaturgie und Film überschritten. Ich freue mich ausserordentlich, dass William Kentridge im Museum Haus Konstruktiv seine erste Einzelausstellung in der Schweiz präsentiert. Es ist mir ein besonderes Anliegen, diesen aussergewöhnlichen Künstler im Haus Konstruktiv vorzustellen, einem Museum mit dem thematischen Schwerpunkt der konstruktiv-konkreten und konzeptuellen Kunst. Bereits in der Planungsphase war uns bewusst, dass es hier nicht darum gehen kann, eine generelle KentridgeRetrospektive einzurichten, auch wenn dies wohl für jeden Kurator mehr als reizvoll wäre. Vielmehr galt es, das Hauptaugenmerk auf eine ganz spezifische Werkgruppe des Künstlers zu legen: auf jene Arbeiten nämlich, die aus seiner Beschäftigung mit Nikolai Gogols Erzählung Die Nase (1836) entstanden sind. Im Jahr 2006 erhielt William Kentridge den Auftrag, die im Januar 1930 am Leningrader Maly-Theater uraufgeführte Oper nach Gogols Die Nase von Dmitri Schostakowitsch für die Metropolitan Opera in New York zu inszenieren. Es vergingen mehr als drei Jahre bis zur Aufführung – Jahre, in denen zahlreiche Werke zu Gogols Erzählung entstanden. In ihrer Fülle belegen sie die Vielfalt und Brillanz von Kentridges künstlerischen Ausdrucksformen. Ebenso bezeugen sie das fruchtbare Wechselverhältnis zwischen den künstlerischen Medien und deren prozesshafte Weiterentwicklung aus Phasen des Experimentierens, des bewusst zugelassenen Zufalls und der Anwendung des weitreichenden technischen Know-hows, das sich Kentridge über Jahre hinweg und von Werk zu Werk erarbeitet hat. Gogols Erzählung schildert, wie der Barbier Iwan Jakowlewitsch in seinem Frühstücksbrot einen Knorpel findet, den er bald als die Nase des St. Petersburger Kollegienassessors Kowalow identifiziert. Gepackt von Angst beschliesst er, die Nase in den Fluss Newa zu werfen. An eben diesem Morgen erwacht Kollegienassessor Kowalow und bemerkt, dass seine Nase verschwunden ist. Statt ihrer entdeckt er in seinem Gesicht eine schrecklich kahle Stelle. Erschrocken bricht er auf, sie wiederzufinden. Er läuft durch die Strassen der Stadt, und tatsächlich sieht er seine Nase zufällig: Er folgt ihr bis in eine Kathedrale, doch als er sie anspricht, will sie partout nicht zu ihm gehören, sondern sie selbst sein. Damit nicht genug: Die Nase trägt die Uniform eines Staatsrates und ist somit im politischen System höher gestellt als Kowalow selbst. Sie wendet sich ab und verschwindet erneut. Kowalow geht zur Polizei, will – vergeblich – eine Vermisstenannonce in der Zeitung aufgeben und sucht einen Arzt auf. Auch als die Nase einen Zug nach Riga besteigt und dabei festgenommen wird, will sie immer noch nichts mit Kowalow zu tun haben. Eines Morgens wacht der Kollegienassessor auf – und seine Nase ist wieder an ihrem angestammten Platz. Dieser Geschichte nähert sich der Künstler 2006 zunächst in einer Reihe von Druckgrafiken, die er zusammen mit Jillian Ross vom David Krut Print Workshop entwickelt. Die entstandenen Radierungen sind Manifestationen der Auseinandersetzungen und Ideenfindungen für die Operngestaltung. Die unabhängige Nase wird zur Protagonistin der Erzählungen und erlebt eine Reihe von Abenteuern. Sie begegnet beispielsweise Wladimir Tatlins Monument der Dritten Internationale. Angeregt von alten Postkarten, die Kentridge über die Jahre hinweg bei Museums16

Die Nase – konstruktiv und absurd

Without a doubt, William Kentridge’s artwork is among the most impressive of our time. The drawing is central to his oeuvre: it constitutes the basis for films and set designs, video installations and performance-based presentations with projected images. Kentridge keeps developing his technical methods further and the world that he designs has already been crossing the boundaries between visual art, theatre, dramaturgy and film for quite some time. I am extremely pleased that William Kentridge is presenting his first Swiss solo exhibition at Museum Haus Konstruktiv. I consider it particularly important to exhibit this extraordinary artist at Haus Konstruktiv, a museum that focuses on constructivist-concrete and conceptual art. Already during the planning phase, we were aware that this could not be a case of setting up a general Kentridge retrospective, even though any curator would probably find that more than appealing. Instead, we were to mainly concentrate on a very specific group of the artist’s works, namely those that were produced as a result of his engagement with Nikolai Gogol’s 1836 story The Nose. In 2006, William Kentridge was commissioned to stage Dmitri Shostakovich’s opera based on Gogol’s The Nose (first performed in January 1930 at Leningrad’s Maly Opera Theatre) at the Metropolitan Opera in New York. More than three years passed before the premiere: years in which numerous works relating to Gogol’s story were produced. These works, in their abundance, document the diversity and brilliance of Kentridge’s forms of artistic expression. They also bear witness to the fruitful interrelationship between artistic media and the processual further development thereof, arising from phases of experimentation, of deliberately permitted chance, and of the use of Kentridge’s extensive technical know-how acquired over the years from work to work. Gogol’s story tells how the barber Ivan Yakovlevich finds a lump in his bread at breakfast, which he soon identifies as the nose belonging to Collegiate Assessor Kovalyov of St. Petersburg. Gripped with fear, he decides to throw the nose into the Neva River. On the very same morning, Collegiate Assessor Kovalyov wakes up and notices that his nose has disappeared. In its place, he discovers a horribly empty area on his face. Startled, he sets off to find his nose again. He walks the streets of the city and by chance he does actually see his nose. He follows it into a cathedral, but when he speaks to it, it is adamant that it does not belong to him and is instead simply itself. As if that were not enough, the nose is wearing the uniform of a State Councillor and thus has a higher position in the political system than Kovalyov himself. It turns away and disappears again. Kovalyov goes to the police, unsuccessfully tries to place a missing person’s notice in the newspaper and consults a doctor. When the nose is arrested while boarding a coach to Riga, it still wants nothing to do with Kovalyov. One morning, the Collegiate Assessor awakes to find his nose back in its original place again. In 2006, the artist first approaches this story with a series of prints that he develops together with Jillian Ross from the David Krut Print Workshop. The resulting etchings are manifestations of the analyses and ideas generated for the opera design. The independent nose becomes the protagonist of stories and experiences a series of adventures. For example, it encounters Vladimir Tatlin’s Monument to the Third International. Inspired by old postcards that Kentridge has collected over the years on visits to museums, he begins to combine the nose with works from art history, such as Manet’s Olympia and La Prune, which are thus visited by the nose. One etching shows a page from a daily newspaper with the missing person’s report that was Sabine Schaschl

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besuchen gesammelt hat, beginnt er, die Nase mit kunsthistorischen Werken zu paaren, darunter Manets Olympia oder La Prune, die auf diese Weise Besuch von der Nase erhalten. Eine Radierung zeigt eine Seite einer Tageszeitung mit der Vermisstenanzeige, die in der Geschichte Gogols vom zuständigen Redaktor abgelehnt wurde. Weitere Blätter, übrigens in einem Ätzverfahren mit einem speziellen Zuckermix, Kondensmilch und Tinte hergestellt, dokumentieren die Suche nach einer Möglichkeit der erhöhten Darstellung für die Nase, wobei sich das Pferd als passendes Sockel-Äquivalent erweisen sollte. Auch die Gegenüberstellung des nasenlosen Kowalow mit der verselbstständigten Nase wurde zum Motiv, ebenso wie die Nase, die ein – einem Entwurf von El Lissitzky nachempfundenes – Podium erklimmt. Einige Radierungen zeigen nasenlose Porträts von Parteimitgliedern des Zentralkomitees, wobei die Nase oder sogar der ganze Kopf durch eine konstruktivistische Kreisform ersetzt wurde. Zur Verwendung von roten und schwarzen geometrischen Formen, die an Werke El Lissitzkys und Kasimir Malewitschs erinnern, schreibt Kentridge: „Vor und nach der Oktoberrevolution gab es eine kurze Phase, in der die Neuerfindung grafischer Formen der Neuerfindung sozialer und politischer Strukturen zu entsprechen schien”.1 Damit legt er eine weitere (kunst-)historische Bezugsquelle für seine visuellen Auseinandersetzungen mit Gogols Erzählung frei, die nebst den Radierungen auch zahlreiche Zeichnungen hervorbrachten, einige Malereien, eine grosse Anzahl von Papierskulpturen, anhand derer diverse Kostüme im Stil der russischen Konstruktivisten entwickelt wurden, Bronzen, Tapisserien und die achtteilige Videoinstallation I am not me, the horse is not mine. Bald nach der Entstehung der dreissig Prints beginnt Kentridge mit der Arbeit an filmischen Projektionen, die zugleich als Vorbereitung für die New Yorker Opernproduktion dienen und unabhängig von der Oper als achtteilige Videoinstallation mit dem Titel I am not me, the horse is not mine in Ausstellungen gezeigt wurden. Wie schon in den Prints bildet das Sujet der frei agierenden, unabhängigen Nase auch die Basis für die Projektionen. In Workshops mit Studenten wurden einzelne Bewegungen, Silhouettenformationen und verschiedene motivische Darstellungen erarbeitet. Formal und inhaltlich wichtige Einflüsse lieferten die Werke russischer Konstruktivisten, allen voran Lissitzky, sowie sowjetische Filme der 1920er und 1930er Jahre. Kentridge bezeichnet I am not me, the horse is not mine als eine Elegie sowohl für die formale künstlerische Sprache, die in den 1930er Jahren zerstört wurde, als auch für das Potenzial des grundlegenden Wandels, an das so viele während der Revolution geglaubt haben.2 Die konstruktive und suprematistische Kunst der ersten drei Dekaden des 20. Jahrhunderts in Russland und die gesellschaftspolitischen Hintergründe dieser Zeit stellen eine wichtige Basis der konkreten Kunst dar.3 Sie bilden gemeinsam einen Teil des historischen Erbes, welches das Museum Haus Konstruktiv thematisiert, pflegt und in die Gegenwart hinein weiterdenkt. Doch zunächst zu den einzelnen Projektionen: „His Majesty Comrade Nose”, lautet der Titel einer Sequenz. Kentridge bezieht sich dabei auf Freuds Beschreibung der infantilen megalomanen Selbstüberschätzung des Kindes, die in der Formulierung „Seine Majestät das Kind” eine griffige Beschreibung fand. In dieser Projektion erklimmt seine Majestät die Nase die Treppen einer Leiter und fällt, kaum oben angekommen, wieder hinunter. „Die Nase veranschaulicht ihr eigenes Streben und Scheitern, steht aber auch für all jene, die sich – nachdem sie es bis an die Parteispitze (und nicht nur dorthin) gebracht hatten – plötzlich gestürzt sahen; manchmal, um wieder aufzusteigen, doch vielfach gingen 18

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1) William Kentridge, Nose. Thirty Etchings, Johannesburg: David Krut Publishing, 2010, n. pag. 1) William Kentridge, Nose. Thirty Etchings, Johannesburg, David Krut Publishing, 2010, o. S.

2) Vgl. William Kentridge, I am not me, the horse is not mine, Johannesburg, Goodman Gallery Editions, 2008, S. 9. 3) Am deutlichsten äusserte sich dazu der Autodidakt Richard Paul Lohse, der beispielsweise davon schrieb, dass der Hunger nach Informationen ihn 1920 in Zeitschriften den russischen Konstruktivismus entdecken liess, den er als unerreichte Offenbarung erlebte. In: Hans Heinz Holz et al. (Hrsg.), Lohse lesen, Zürich, Offizin Verlag, 2002, S. 19.

2) See William Kentridge, I am not me, the horse is not mine, Johannesburg: Goodman Gallery Editions, 2008, p. 9. 3) The autodidact Richard Paul Lohse expressed himself most clearly in this regard, for instance writing that a hunger for information led him to discover Russian constructivism in newspapers in 1920, which he experienced as an unrivalled revelation. In: Hans Heinz Holz et al. (ed.), Lohse lesen, Zurich: Offizin Verlag, 2002, p. 19. 4) William Kentridge, see note 2, p. 13.

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rejected by the editor in charge in Gogol’s story. Other sheets (which, incidentally, are made using an etching technique with a special sugar mixture, condensed milk and ink) document the search for a possible form of elevated representation for the nose, whereby the horse proves to be an appropriate equivalent of a pedestal. The juxtaposition of the noseless Kovalyov and the nose that has become independent also became a motif, as did the nose climbing a podium that was based on a design by El Lissitzky. Some etchings show noseless portraits of party members from the Central Committee, whereby the nose, or even the whole head, has been replaced by a constructivist circular form. On the use of red and black geometric forms that are reminiscent of works by El Lissitzky and Kazimir Malevich, Kentridge writes: “There was a brief period before and after the October Revolution in which the reinvention of graphic forms seemed to coincide with a reinvention of social and political structures”.1 He thus reveals another (art-)historical source of reference for his visual engagement with Gogol’s story, which engendered not only the etchings, but also numerous drawings, several paintings, a large number of paper sculptures (on the basis of which, various costumes were developed in a Russian constructivist style), bronzes, tapestries and the eight-part video installation I am not me, the horse is not mine. Shortly after the production of the thirty prints, Kentridge begins to work on film projections that simultaneously serve as preparation for the New York opera production and have been shown in exhibitions not connected with the opera, as an eight-part video installation entitled I am not me, the horse is not mine. As was already the case for the prints, the subject of the freely acting independent nose also provides the basis for the projections. Individual movements, silhouette formations and various motif-based representations were developed in workshops with students. The works of Russian constructivists (especially Lissitzky) and Soviet films from the 1920s and 1930s served as major influences with regard to form and content. Kentridge describes I am not me, the horse is not mine as an elegy for the formal artistic language that was destroyed in the 1930s, as well as for the potential of fundamental change, which so many believed in during the revolution.2 The constructivist and suprematist art of the first three decades of the 20th century in Russia and that era’s socio-political background constitute an important basis for concrete art.3 Together, they form part of the historical legacy that Museum Haus Konstruktiv thematises, cultivates and conceptually extrapolates into the present. Firstly, though, the individual projections: One sequence bears the title “His Majesty Comrade Nose”. Here, Kentridge refers to Freud’s depiction of children’s infantile megalomaniacal overestimation of themselves, which was described with the convenient phrase “his majesty the baby”. In this projection, his majesty the nose climbs a stepladder and, just when it reaches the top, falls back down again. “The nose enacts his own attempts and failures but also stands in for all of those who, having risen to the top of the Party in Russia (and not only there), suddenly found themselves hurled down from the top—sometimes to rise again, but in many cases, shattered and shot and their corpses abandoned.” 4 As a rule, the individual scenes were filmed twice: once to establish the general movement of climbing the steps, and once to position a large paper nose in front of the previously filmed and now projected movement, in such a manner that it replaces the body of the moving person. Thus, the individual films are a collage of paper works and projections. The second projection is about Russian politician and economics philosopher Nikolai Bukharin, a person within whom power, influence, denunciation and The Nose—constructivist and absurd

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sie zugrunde, wurden erschossen und ihre Körper beiseitegeschafft.”4 Die einzelnen Szenen wurden in der Regel zweimal gefilmt: Einmal, um die generelle Bewegung des Treppensteigens festzulegen, und einmal, um vor die bereits gefilmte und nun projizierte Bewegung eine grosse Papiernase so zu platzieren, dass sie den Körper der sich bewegenden Person ersetzt. Somit sind die einzelnen Filme eine Collage aus Papierarbeiten und Projektionen. Die zweite Projektion handelt vom russischen Politiker und Wirtschaftsphilosophen Nikolai Bucharin, der – emblematisch für die Selbstzerstörung der bolschewistischen Partei – Macht, Einfluss, Denunzierung und Auslöschung in seiner Person vereint. Bucharin, einst anerkannter marxistischer Theoretiker, Mitglied im Zentralkomitee der Bolschewisten, Herausgeber der Zeitungen Prawda und Iswestija, Vordenker von Stalins Theorie des Sozialismus, wurde nach seiner Kritik gegenüber Stalins Plänen zur Kollektivierung der Landwirtschaft im Zuge der politischen Säuberungen 1938 erschossen. „Prayers of Apology” präsentiert Textstellen aus Briefen, die Bucharin an Stalin schrieb, um sein Leben zu retten, und ebenso Auszüge aus Protokollen von Sitzungen des Zentralkomitees. „A Lifetime of Enthusiasm” greift Märsche und Paraden der stalinistischen Ära auf – „in der Stalin-Ära zu leben, hiess, zu lebenslangem Enthusiasmus verurteilt zu sein”5, schreibt Kentridge, der zu Recht auch daran erinnert, dass sich die russische Avantgarde, bevor sie zerschlagen wurde, voller Hoffnung und Glauben für eine neue Gesellschaft eingesetzt hatte. Diese Überzeugung und der Wille zur gesellschaftlich-politischen Veränderung ist Thema der Projektion. Die nächsten beiden Projektionen „Country Dances I (Shadow)” und „Country Dances II (Paper)” widmen sich dem Tanz. In Workshops mit Schauspielern und Studenten filmte Kentridge einmal die stark vergrösserten und verzerrten Silhouetten von Tänzern in russischen Uniformen. Im zweiten Film wurden diese durch animierte Collagen aus gerissenen oder geschnittenen Papierteilen und Textfragmenten ersetzt. „That Ridiculous Blank Space Again (A One-Minute Love Story)” betitelt jene Projektion, die, bezugnehmend auf die dystopische Weltvorstellung des russischen Schriftstellers Daniil Charms, dessen Idee von Liebe, die in Gewalt umschlägt, aufgreift. In der Projektion „Commissariat for Enlightenment“ ist die Nase wiederum die Hauptdarstellerin. Sie wird zu Schostakowitsch, der Klavier spielt; sie springt in einen Pool; sie wird Stalin und will mit aller Macht ein applaudierendes Publikum. Die in der Projektion zu sehenden Eimer stehen sinnbildlich für jene mit Salzwasser gefüllten Gefässe, die an Parteitagen aufgestellt wurden, um den Mitgliedern nach minutenlangem Applaus Linderung zu verschaffen für ihre gepeinigten Hände. Ebenso finden Filmfootages aus den 1920er und 1930er Jahren und einige Sekunden aus Dziga Vertovs Film Der Mann mit der Kamera von 1929 Eingang in die Projektion. Die letzte Projektion „The Horse is Not Mine” ist eine Auseinandersetzung mit kunsthistorischen und literarischen Darstellungen von Pferden. Als Referenzen benennt Kentridge das bronzene St. Petersburger Reiterstandbild Der eherne Reiter, das Peter den Grossen auf einem sich aufbäumenden Pferd zeigt, aber auch andere Reiterporträts von Herrschern und Helden, deren Eigenschaften in ihren Pferden gespiegelt sind. Don Quijotes Pferd Rosinante wird ebenso angeführt wie Boxer, das Pferd in George Orwells Farm der Tiere, welches zum Held des Romanes wird und damit den sowjetischen guten Arbeiter versinnbildlicht. Ein Thema, dem Kentridge 20

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4) William Kentridge, wie Anm. 2, S. 13.

5)

Ibid., p. 23.

5) Ebd., S. 23.

6) William Kentridge, see note 1.

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obliteration all combine in a manner that is emblematic of the Bolshevist party’s selfdestruction. Bukharin, once an esteemed Marxist theorist, member of the Bolshevists’ Central Committee, editor of the newspapers Pravda and Izvestia, and pioneer of Stalin’s theory of socialism, was shot in 1938 during the political purges, after criticising Stalin’s plans to collectivise agriculture. “Prayers of Apology” presents text passages from letters that Bukharin wrote to Stalin in an attempt to save his life, as well as extracts from the minutes of Central Committee meetings. “A Lifetime of Enthusiasm” addresses marches and parades in the Stalinist era: “to live in Stalin’s era was to be condemned to a lifetime of enthusiasm”,5 writes Kentridge, who also rightly reminds us that the Russian avant-garde had championed a new society in a manner full of hope and belief—before the movement was crushed. This conviction and the will for socio-political change is the theme of this projection. The next two projections, “Country Dances I (Shadow)” and “Country Dances II (Paper)” are devoted to dance. In workshops with actors and students, Kentridge first filmed the greatly enlarged and distorted silhouettes of dancers in Russian uniforms. In the second film, these were replaced with animated collages, made from torn or cut pieces of paper and text fragments. “That Ridiculous Blank Space Again (A One-Minute Love Story)” is the title of a projection that refers to the dystopian worldview of Daniil Kharms and picks up on this Russian writer’s concept of love that changes into violence. In the projection “Commissariat for Enlightenment”, the nose is again the main character. It becomes Shostakovich playing the piano, it jumps into a pool, it becomes Stalin and, with all its might, it wants an applauding audience. The buckets seen in this projection symbolically represent the vessels filled with saltwater that were provided at party congresses to soothe the tormented hands of party members after applauding for minutes on end. Film footage from the 1920s and 1930s, as well as several seconds from Dziga Vertov’s 1929 film Man With a Movie Camera also find their way into this projection. The final projection, “The Horse is Not Mine”, engages with art-historical and literary representations of horses. As references, Kentridge names the bronze equestrian statue Bronze Horseman in St. Petersburg, which shows Peter the Great on a rearing horse, but also other equestrian portraits of rulers and heroes, whose horses reflect their characteristics. Don Quijote’s horse Rocinante is also invoked, as well as Boxer, the horse in George Orwell’s Animal Farm, which becomes the hero of the novel and thus symbolises the good Soviet worker. One theme that Kentridge has repeatedly pursued is the question of how much it takes to make a horse out of a few lines: “Four sticks, a crossbar, a neck and a tail. I had given myself the task of trying to find or make horses with the least right to be equestrian statues. This turned into a question of how reduced a horse could be to still be a horse.” 6 “The Horse is Not Mine” is part of the Russian peasants’ saying “I am not me, the horse is not mine”, which conveys a denial of guilt, no matter for what. In Gogol’s story, the absurd becomes normal and commonplace. The attempted analyses vary greatly, ranging from its interpretation as social criticism of a world that has come apart at the seams and is possessed by the devil, through to an approach based on the psychology of the individual, who is seen as being torn away from their comfort and security via the loss of their nose. The Nose was Shostakovich’s first opera,

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Untitled (Senseless Requests), 2010

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Untitled (I am Not Me), 2010

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Untitled (You are Lying), 2010

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Untitled (Portable Monuments), 2010

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immer wieder nachgespürt hat, betrifft die Frage, wie viel es braucht, um aus ein paar Strichen ein Pferd zu machen: „Vier Stäbe, ein Querbalken, ein Hals und ein Schweif. Ich hatte mir selbst die Aufgabe gestellt, Pferde zu finden oder zu machen, die zumindest etwas von einem Reiterstandbild haben. Und das wiederum entwickelte sich zu der Frage, wie reduziert ein Pferd sein kann, um immer noch ein Pferd zu sein.”6 „The Horse is Not Mine” ist Teil der russischen Bauernweisheit „Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines”, die zum Ausdruck bringt, dass man, worum auch immer es sich dreht, die Schuld von sich weist. In Gogols Geschichte wird Absurdes zum Normalen und Alltäglichen. Die Deutungsversuche variieren stark, sie reichen von der Interpretation als Sozialkritik an einer aus den Fugen geratenen und vom Teufel besessenen Welt bis hin zum individuell-psychologischen Ansatz, der den Menschen durch den Verlust seiner Nase aus seiner Geborgenheit und Sicherheit gerissen sieht. Die Nase war Schostakowitschs erste Oper, eine fulminante Folge von 16 Szenen mit ganz unterschiedlicher Musik: Zirkusmusik, Galopp, Polka, russisch-orthodoxe Kirchenmusik und Volksmusik. Die Oper wurde nach einigen Aufführungen abgesetzt, die Musik als Wirrwarr kritisiert, doch Schostakowitsch als einer der wenigen Glücklichen von Strafe verschont. Ein Jahrzehnt bevor Schostakowitsch die Oper schrieb, sah die kultur- und gesellschaftspolitische Situation in Russland völlig anders aus: Seit der Februarrevolution von 1917 organisierten sich die Künstler in verschiedenen Vereinigungen, um sich gegen den Akademismus zu stellen. Dabei entstanden ein linkes und ein rechtes Lager. „Die Oktoberrevolution sollte diese Differenzen verstärken, denn die Künstler der ‚Linken’ verbrüderten sich ohne Zögern mit der Sache der Kommunisten.” 7 Ihre Begeisterung für die Oktoberrevolution war durchzogen von der Hoffnung auf eine „umfassende Befreiung des Menschen vom alten System”. Die Zugehörigkeit zur Revolution stand für die meisten Künstler insofern nicht zur Diskussion, als schon ihre künstlerische Tätigkeit selbst sie zu Revolutionären machte. Für die als futuristisch, konstruktivistisch oder suprematistisch bezeichneten Künstler kam nur eine vom Gegenstand gelöste oder gar befreite Kunst in Frage, denn nur sie konnte die neuen gesellschaftspolitischen Ideen verkörpern, ohne auf etwas anderes, ausserhalb des Werkes Existierendes, zu verweisen. Gegenstandslose Kunst konnte weder Metapher noch Allegorie sein. Man sprach von der „reinen”, eigenständigen Kunst, die aus ihren eigenen Mitteln entstand. Damit war der politischen Revolution eine formale gegenübergestellt, und für einen Moment lang in der Geschichte gingen die künstlerische und politische Sprache Hand in Hand. Zu Beginn der bolschewistischen Machtübernahme 1917 wurde die Unterstützung jener künstlerischen Gruppen durchwegs befürwortet. Es dauerte jedoch nicht lange, bis die neuen Machthaber eine Kunst in ihrem Dienste suchten und die Kunstvorstellungen der Konstruktivisten nicht mehr mit jenen der herrschenden Klasse übereinstimmten. Bereits in den unterschiedlichen ideologischen Bedeutungsverbindungen zu den Begriffen Futurismus und Konstruktivismus lag Streitpotenzial. Während die einen jede Kunst, die sich generell dem Neuen verschrieb, als futuristisch bezeichneten, erkannten die anderen vor allem in der gegenstandslosen Kunst einen Ansatz, der sich der „Konstruktion des wirklichen Lebens”8 widmete. Von 1921 an galten gegenstandslose Werke als ideologisch suspekt, und dieses Verdachtsmoment spitzte sich in den kommenden Jahren zu. So kann man sich gut vorstellen, dass Schostakowitsch, als er 1927 an der Oper Die Nase zu arbeiten begann, Gogols Erzählung ausgesucht hatte, weil sie ihm die Möglichkeit bot, kritisch Stellung gegenüber den gesellschaftspolitischen Entwicklungen zu beziehen, sich 26

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6) William Kentridge, wie Anm. 1.

7) Andréi B. Nakov, ‚Kunst und Revolution in Russland”, in: Tendenzen der Zwanziger Jahre, (Ausst.kat.) Neue Nationalgalerie Berlin et al., Berlin, Dietrich Reimer Verlag, 1977, S. 1 u. 110.

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Untitled (The Shadow of a Shadow), 2010

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aber zugleich auch hinter der Absurdität der Geschichte zu verstecken, entsprechend der russischen Bauernweisheit „Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines”. Schostakowitsch inszenierte ja „nur” Gogol, und Gogol war nicht er. Und damit komme ich zurück zu Kentridge, dessen Werk auch immer für seine politische Note – mal direkter, mal indirekter – bekannt ist. Der im Südafrika der Apartheid aufgewachsene Künstler kennt sozialpolitische Veränderungen, Revolutionen, ebenso wie die Verflechtung von Kunst und Politik. Zum künstlerischen Umgang mit Politik erklärte er: „Es gibt eine Art von politischer Sprache, die ich vermeiden möchte, und es gibt eine andere, mit der ich mich neu beschäftigen will. Als Künstler, der in Südafrika aufgewachsen ist, wandte man sich vom Politischen eher ab, und dasselbe scheint auch in der europäischen und amerikanischen Kunst der 1970er Jahre der Fall gewesen zu sein, insbesondere in der amerikanischen Farbfeldmalerei und gewissen abstrakten Tendenzen. Für mich allerdings kam diese Arbeitsweise nicht in Frage, und so schaute ich mich nach anderen Beispielen aus der Vergangenheit um, nach Leuten, die innerhalb der Moderne gearbeitet, sich aber zugleich mit der Welt auseinandergesetzt haben und ihr Schaffen aus dem speisten, was sie umgab. Das waren vor allem die russischen Künstler vor und während der Revolution, aber auch einige Amerikaner etwa um dieselbe Zeit, die Expressionisten und so weiter, die Futuristen. (...) Die in der russischen Revolution aufgeworfenen Fragen und Belange sind auch in Bezug auf die südafrikanische Politik relevant. Mich interessiert das ambivalente Verhältnis, das man zu jenem Abschnitt der Geschichte hat, in dem die idealistische Utopie einer Welt hochgehalten wurde, die man verändern, radikal umgestalten kann – und die zugleich (etwa in Russland) erwiesen hat, wie schlimm dieses Experiment ausgehen kann.”9 William Kentridge im Museum Haus Konstruktiv zu zeigen heisst, mit ihm die Wurzeln einer gegenstandslosen Kunst zu thematisieren und dabei die gesellschaftspolitischen Hintergründe einzubeziehen. Das Absurde, das in Gogols Geschichte normal und alltäglich wird, greift auch Kentridge so auf. Gegenstandslose Gestaltung und das Absurde vereint? Konstruktiv und Dada? Eine Verbindung dieser unterschiedlichen künstlerischen Sprachen, Überzeugungen und Haltungen ist historisch mit dem Internationalen Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten, abgehalten in Weimar im September 1922, verbrieft. Das Verbindungsglied zwischen beiden Gruppierungen heisst Theo van Doesburg. Er führte eine Art Doppelexistenz: einerseits als Verfechter der geometrisch-abstrakten Kunst (und als solcher prägte er 1930 den Begriff „konkrete Kunst”) und andererseits auch unter seinem Pseudonym I.K. Bonset, als Verfasser absurder Manifeste, Klang- und Lautgedichte in der von ihm mitbegründeten Zeitschrift De Stijl. Dadaisten und Konstruktivisten hinterfragten die Rolle des Künstlers in einer neuen Gesellschaft, uneinig war man sich in der Form der Gestaltung.10 Die Zürcher Konkreten bezogen sich unmittelbar auf Theo van Doesburg, und Max Bill übernahm und vertiefte den Begriff der „konkreten Kunst”. Die Kategorie des Absurden, der van Doesburg durchaus positiv gegenüberstand, hatte in der Kunst der Zürcher Konkreten jedoch keinen Platz. Ihre Unterstützung der Dada-Bewegung basierte auf der gemeinsamen AntiKriegshaltung und der Hoffnung auf eine veränderte Gesellschaft. Auch William Kentridges Werkzyklus The Nose legt es nahe, formale Grundsätze der konstruktiven Kunst nicht losgelöst von gesellschaftspolitischen Hintergründen zu betrachten – ein Ansatz, der unserem Museum durchaus entspricht. 28

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7) Andrei B. Nakov, “Kunst und Revolution in Russland”, in: Tendenzen der Zwanziger Jahre, (exhib. cat.) Neue Nationalgalerie Berlin et al., Berlin: Dietrich Reimer Verlag, 1977, pp. 1 & 110.

9) William Kentridge, Rosalind C. Morris, That which is not drawn: Conversations, Kalkutta, London, New York, Seagull Books, 2014, S. 139 f.

8) Ibid., pp. 1 & 112.

10) Siehe dazu Gerda Wendermann, ‚Der Internationale Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten in Weimar im September 1922: Versuch einer Chronologie der Ereignisse”, in: Hellmut Th. Seemann (Hrsg.), Europa in Weimar – Visionen eines Kontinents, Klassik Stiftung Weimar, Jahrbuch 2008, Göttingen, Wallstein Verlag, 2008, S. 275–398.

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a fulminant sequence of 16 scenes with very different music: circus music, galop, polka, Russian Orthodox church music and folk music. The opera was cancelled after a few performances and the music was criticised as a jumble, but Shostakovich, as one of the lucky few, was spared punishment. One decade before Shostakovich wrote the opera, the cultural and sociopolitical situation in Russia was completely different: after the February Revolution of 1917, artists organised themselves in various associations, in order to take a stand against academicism, whereby a left-wing camp and a right-wing camp formed. “The October Revolution would intensify these differences, because the artists on the ‘left’ unhesitatingly allied themselves with the communists’ cause.” 7 Their enthusiasm for the October Revolution was pervaded by hope for a “comprehensive liberation of the individual from the old system”. For most artists, affiliation with the revolution was not up for discussion, insofar as their artistic activity itself already made them revolutionaries. For those artists described as futurist, constructivist or suprematist, the only possible form of art was one that was detached (or even liberated) from representation of the object, because this was the only art that could embody sociopolitical concepts without referring to something else that existed outside the work. Non-representational art could be neither metaphor nor allegory. The talk was of ‘pure’ autonomous art that arose from its own means. Thus, the revolution in politics was juxtaposed with a revolution in form, and for one moment in history, artistic and political language went hand in hand. At the start of the Bolshevist takeover of power in 1917, support of these artistic groups was thoroughly endorsed. Before long though, the new holders of power sought art that served their purposes, and the artistic concepts of the constructivists no longer coincided with those of the ruling class. There was already an inherent potential for conflict in the different ideological attributions of meaning to the terms futurism and constructivism. While some described any art that was generally devoted to the new as ‘futurist’, others saw, particularly in non-representational art, an approach devoted to the “construction of real life”.8 From 1921 onwards, non-representational works were considered ideologically suspect and this element of suspicion intensified in the coming years. Thus, it is easy to imagine that when Shostakovich began working on the opera The Nose in 1927, he had chosen Gogol’s story because it gave him an opportunity to adopt a critical position towards socio-political developments, but also to hide behind the absurdity of the story at the same time, in keeping with the Russian peasants’ saying “I am not me, the horse is not mine”. After all, Shostakovich was ‘only’ presenting Gogol—and he was not Gogol. This brings me back to Kentridge, whose work has also always been known for its political tone, which is sometimes more direct and sometimes more indirect. Raised in South Africa during Apartheid, this artist is familiar with socio-political changes, revolutions and the interweaving of art with politics. On the handling of politics in art, he declares: “There is a kind of political language I want to avoid but there is another political language I want to re-engage with. As an artist growing up in South Africa, there was a sense of the renunciation of the political that also seemed so present in European and American art in the 1970s, especially in American colour field painting and in certain kinds of abstraction. But for me, it wasn’t a viable way of working and I looked backwards for other examples of people who’d worked within modernism but who were engaged with the world and who had their work fed by what was round them, mainly the Russian artists, before and after the The Nose—constructivist and absurd

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Mein besonderer Dank gilt William Kentridge, der mit grossem Enthusiasmus die retrospektiv angelegte Einzelschau The Nose ermöglichte und einige neue Werke speziell für die Ausstellung konzipiert hat. Ebenso herzlich danken möchte ich seinem Studio und allen beteiligten Mitarbeitern der Goodman Gallery in Johannesburg. Ihre freundschaftliche und professionelle Mitwirkung liess die Vorbereitungszeit zu einer Zeit der konstruktiven Zusammenarbeit werden. Zu grossem Dank verpflichtet bin ich meinem Team im Museum Haus Konstruktiv, das, angesteckt von der Begeisterung für diese Ausstellung, mit unermüdlichem Einsatz gearbeitet hat. Für die gelungene Gestaltung der Publikation danke ich sehr herzlich unserem Grafiker Harald Pridgar. Mein ausserordentlicher Dank gilt unseren Sponsoren: Sie, die die Grösse und Wichtigkeit des Ausstellungsvorhabens bereits im Vorfeld verstanden haben, haben dieses wunderbare Projekt erst möglich gemacht. Ihnen und allen Unterstützern des Museum Haus Konstruktiv gilt mein verbindlicher Dank.

9) William Kentridge & Rosalind C. Morris, That which is not drawn: Conversations, Kolkata, London, New York: Seagull Books, 2014, p. 139.

10) See Gerda Wendermann, “Der Internationale Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten in Weimar im September 1922: Versuch einer Chronologie der Ereignisse”, in: Hellmut Th. Seemann (ed.), Europa in Weimar – Visionen eines Kontinents, Klassik Stiftung Weimar, Jahrbuch 2008, Göttingen: Wallstein Verlag, 2008, pp. 275–398.

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Die Nase – konstruktiv und absurd

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revolution but also some American artists round the same time, the Expressionists and onwards, the Futurists. (...) The questions and concerns raised by the Russian revolution also arise in relation to South African politics. I’m interested in the ambiguous relationship one has to that period of history which affirmed that utopian idealism of transforming the world, the sense that it doesn’t have to be as it is or that it can be radically re-shaped but which also understood how drastically wrong that experiment can turn out (as it did in Russia).” 9 Presenting William Kentridge at Museum Haus Konstruktiv means joining him in thematising the roots of a non-representational art form, while incorporating the socio-political background. In this way, Kentridge also captures the absurd, which becomes normal and commonplace in Gogol’s story. Non-representational design combined with the absurd? Constructivism and Dada? One combination of these different artistic languages, convictions and attitudes was historically documented at the International Congress of Constructivists and Dadaists, held in Weimar in September 1922. Theo van Doesburg was the connecting link between these two groups. He led a kind of double existence: firstly as a proponent of geometric abstract art (as such, he coined the term ‘concrete art’ in 1930) and secondly, under the pseudonym I.K. Bonset, as a writer of absurd manifestos and sound poems in the magazine De Stijl, which he co-founded. Dadaists and constructivists scrutinised the role of the artist in a new society and disagreed over the form of design.10 The Zurich concretists referred to Theo van Doesburg directly, and Max Bill adopted and enhanced the concept of ‘concrete art’. However, the category of the absurd, towards which van Doesburg’s attitude was thoroughly positive, had no place in the Zurich concretists’ art. Their support of the dada movement was based on a shared anti-war stance and hope for a changed society. William Kentridge’s cycle of works entitled The Nose also suggests that formal principles of constructivist art are to be observed in a manner that is not detached from the socio-political background—an approach completely in line with that of our museum. In particular, my thanks go to William Kentridge, who facilitated the retrospective solo show The Nose with considerable enthusiasm and conceived several new works specially for the exhibition. To an equal extent, I would like to thank his studio and all participating staff members at the Goodman Gallery in Johannesburg. Their friendly and professional assistance made the preparation period a time of constructive cooperation. I must also say a big thank-you to my team at Museum Haus Konstruktiv, who were overcome with enthusiasm for this exhibition and worked with tireless dedication. I sincerely thank our graphic designer Harald Pridgar for the publication’s design, which turned out so well. I am also extremely grateful to our sponsors, who already understood the scale and importance of this exhibition project in advance and made this wonderful project possible in the first place. To them and to all supporters of Museum Haus Konstruktiv, I am very much obliged.

The Nose—constructivist and absurd

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I am not me, the horse is not mine, 2008 Tate Modern, London, 2012 32

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I am not me, the horse is not mine 2008 Installation of 8 film fragments, sound, colour DV cam, HD video 6 minutes

Video Editor: C AT H E R I N E M E Y B U R G H Composer: P H I L I P M I L L E R Animation Assistants: G E R H A R D M A R X , N AO M I VA N N I E K E R K a n d C AT H E R I N E WA L K E R Music: Galop | Music composition by P H I L I P M I L L E R Ngilahlekelelwe Ikhala Lami | Music arrangement by P hilip M iller with music and lyrics by R ichard S iluma and T hulani M anana Choir: T hulani M anana and A banikazi B omkhalanga Galop Band: Dan S elsick trombone B illy M iddleton tuba A dam H oward trumpet N tkozo Z unga Castrol tin-can guitar B ethuel M bonani percussion T hulani M anaka lead vocals Dancing Figure: T H ATO M OT L H AO LWA I am not me, the horse is not mine (A Lifetime of Enthusiasm), 2008 34

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I am not me, the horse is not mine (Commissariat for Enlightenment), 2008 50

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I am not me, the horse is not mine, 2008 Tate Modern, London, 2012 62

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Als sei es das erste Mal: Verdopplung und Wiederholungen in der Kunst von William Kentridge

‚Eine intellektuelle Funktion in uns fordert Vereinheitlichung, Zusammenhang und Verständlichkeit von jedem Material der Wahrnehmung oder des Denkens, dessen sie sich bemächtigt, und scheut sich nicht, einen unrichtigen Zusammenhang herzustellen, wenn sie infolge besonderer Umstände den richtigen nicht erkennen kann.” (Freud, Totem und Tabu)

Jane Taylor

As if for the first time: doubling and repetitions in the arts of William Kentridge

“There is an intellectual function in us which demands unity, connection and intelligibility from any material, whether of perception or thought, that comes within its grasp; and if, as a result of special circumstances it is unable to establish a true connection, it does not hesitate to fabricate a false one.” (Freud, Totem and Taboo)

Autorin, Kunstkritikerin, Kuratorin

Writer, Critic, Curator


I:

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I:

Ä sth e tik , A nästh e tika , Ethik

A e sth e tics , A na e sth e tics , Ethics

Wenn wir uns Kentridges I am not me, the horse is not mine anschauen, wissen wir womöglich bereits, dass der Künstler sich mit den sowjetischen Kunst-Experimenten des frühen 20. Jahrhunderts beschäftigt. Wir haben vielleicht Gerüchte gehört oder Berichte gelesen, wonach dieses Interesse aufkeimte, als er an der New York Metropolitan Opera mit der Regiearbeit an Schostakowitschs Oper Die Nase befasst war, einem Stück, das auf Gogols gleichnamiger Kurzgeschichte beruht. Die Erzählung und die Oper handeln von der haarsträubenden Geschichte eines Mannes, der eines Morgens aufwacht und feststellen muss, dass sich seine Nase irgendwie aus seinem Gesicht gelöst und sich davongemacht hat, um ein unabhängiges Leben zu führen. Vielleicht eine Allegorie; doch Gogol hält ziemlich grandios an der Möglichkeit ihrer Faktizität fest, wenn er am Ende der Erzählung beteuert: „solche Dinge gibt es in der Welt – zwar nur selten, aber sie kommen vor”. Betritt der Betrachter die Ausstellung, wird er zugleich von ihrer Vielgestaltigkeit und Geschlossenheit überrascht. Auf einer Leinwand geht eine kleine Figur mit keilförmigem Kopf und Torso sinnlosen Beschäftigungen nach und klettert die recht wackligen Stufen einer Leiter hinauf. Sobald sie die oberste Stufe erreicht hat, purzelt sie immer wieder herunter und landet, etwas gedemütigt, auf dem Boden. Auf einer anderen Leinwand spielt ein nervöser junger Mann auf einem Klavier eine furiose Kadenz, wobei ihn eine ähnliche keilförmige Figur hinter der Klaviatur anstarrt. Ein langgliedriger Enthusiast marschiert über eine Leinwand und rollt eine mächtige Fahne wie ein Banner über seinem Kopf aus. Figur wie Fahne sind Schatten, aber irgendwie ist noch Farbe in der Fahne verblieben: Sie ist sozusagen ein roter Schatten. Eine andere Leinwand enthält verschiedene Textstücke und unterbricht das für das Auge so unterhaltsame Feld der Bilder. Die Texte bezeichnen sich selbst als „Entschuldigungsgebete” und sind Transkriptionen des „Plenums des Zentralkomitees” (vom 26. Februar 1937). Bucharin, einer von Stalins ehemaligen Parteigängern, versucht sich zu verteidigen: Er wird antisowjetischer und konterrevolutionärer Umtriebe beschuldigt. Aus den grausigen Textfragmenten geht hervor, dass Bucharins Stellungnahmen vor der todbringenden Vollversammlung von schallendem Gelächter unterbrochen wurden. Bucharin ist die Figur, die wir in dem endlosen „Leiterspiel” fast wie in einer animierten Version eines Buster-Keaton-Stummfilms die Leiter herunterfallen sehen. Gleichwohl ist die tragikomische Figur auch ein Jedermann /eine Jederfrau; eine, die sich bei dem luziferischen Aufstieg zur Macht, der jedem Fall notwendigerweise vorausgeht, zu viel zumutet. Kentridge beschreibt sie als eine Art Sisyphos.1 Man mag daraus schlussfolgern, dass Kentridges Fragestellungen einerseits politisch und andererseits philosophisch, ethisch, metaphysisch sind; der Künstler möchte uns aber auch vor Augen führen, dass die von ihm aufgeworfenen Fragen ebenso ästhetischer und formaler Natur sind. Diesen ästhetischen Fragen nachzugehen, ist besonders ergiebig, da wir mit dieser wichtigen Ausstellung und den ihr immanenten Bezügen einen einzigartigen Zugang zu den Werken bekommen und auch die Materialität der Bilder in Augen-

Perhaps we already know, when we come to see Kentridge’s I am not me, the horse is not mine, that the artist is engaging with the Soviet artistic experiments of the early twentieth century. We may have heard the rumours, or read reports, that it arises while he is engaged in directing a production of Shostakovich’s opera based on Gogol’s short story, The Nose, at the Metropolitan Opera in New York. The story and the opera engage with the ludicrous tale of a man who wakes one morning to discover that his nose has somehow detached itself from his face, and has made off, on its own, to pursue an independent life. Allegorical, perhaps; but Gogol rather marvellously holds onto the possibility of its actual facticity, when he asserts at the end of the story, that ‘such things happen rarely nowadays.’ On entering the exhibition, the viewer is struck by a simultaneous diversity and unity. On one screen, a small figure, with a wedge-shaped head and torso, engages in meaningless pursuits, scrambling up the rather precarious steps of a ladder. Over and over as he attains the pinnacle of the climb, he tumbles back down, landing, somewhat humiliated, on the ground. Elsewhere, on another screen, an anxious young man plays a furious cadenza on a piano while a similar wedge-shaped figure peers at him from beyond the keyboard. An Enthusiast strides with long limbs across a screen, unfurling a massive flag as a banner above his head. Both figure and flag are shadows, yet somehow the flag retains colour: it is, as it were, a red shadow. Another screen has several pieces of text that disrupt the visually playful field of visions. The texts announce themselves to be “Prayers of Apology” and are transcriptions from the “Plenum of the Central Committee” (February 26, 1937). Bukharin, one of Stalin’s sometime party loyalists, is attempting to defend himself: he is on trial for anti-Soviet and counter-revolutionary activities. The grim textual fragments remind us that Bukharin’s statements in front of the deadly plenary committee are punctuated by outbursts of laughter. Bukharin is the figure we see tumbling down the ladder in the endless game of snakes-and-ladders, rather like an animation version of a Buster Keaton silent movie. Nonetheless the tragicomic figure is also an every(wo)man; an overreacher engaged in the Luciferian rise to ascendance that must precede a fall. He is, in Kentridge’s description, a type of Sisyphus.1 One might infer from this that Kentridge’s questions are on one hand political, and on the other are philosophical, ethical, metaphysical; however the artist is keen to remind us that the enquiries he is raising are also aesthetic and formal. It is particularly productive to explore this set of aesthetic questions because of the distinctive access made possible through a major exhibition of this kind. Being in the contexts of the works allows us to consider the materialities of the images. The issues raised are not about ideas only; they are also about matter and technique. In order to underscore the significance of the aesthetic question, let us consider two frames from the Kentridge animation sequence for these films. Both show us a shadow figure in flight. (A running Nose!) A quick glance leads us to believe that the two frames are in a common visual language [ fig. 1 and 2 ].

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1) See William Kentridge, I am not me, the horse is not mine, Johannesburg: Goodman Gallery, 2008, p. 13. 1) Vgl. William Kentridge, I am not me, the horse is not mine, Johannesburg, Goodmann Gallery, 2008, S. 13.

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However, the first frame shows us a visual chimera, combining the shadowed lower limbs of a human performer, Thato, with a black paper head, which was, in a subsequent edit, effectively ‘dropped’ onto film footage of the performer gyrating and leaping in the studio. (Shards of Soviet constructivist art and posterimages just begin to crowd into the frame from the limits of the image). The second figure is a filmed image of a paper construction in toto. It shows the Shadow Nose just as it leaps onto the top of the ladder. It is, as it were, in the instant of realising the ultimate point of ascent, and it is, in a way, an all but impossible moment. The foot that alights on the top step has not yet quite landed: it is poised, caught in the moment of ‘being about to be’ on the top step. (This reminds one, surely, of Eadweard Muybridge, and his early film experiments in which he sought to determine whether the galloping horse ever had all four of its feet off the ground at the same time.) The legs are almost wilfully unresolved as naturalistic forms; and the foot that is lifted into the air in ways mimics the ‘natural’ foot of the previous frame, though the second foot is a more solid, blunt wedge. It seems, in ways, more likely as a foot than does the slim elegant comma that is the literal shadow of Thato’s foot in the previous frame. In other words, despite the overt and obvious foreshortening of the second foot—made of construction paper—it is easy to recognise it as something with enough substance to anchor a human being to the earth, to carry the weight of the Nose, to assert its own gravity. It is harder to grant credibility to the shadow of the actual foot in the first of the pair of images, an elegant paisley-like curl. Kentridge has manifested an on-going fascination with the ways in which the mind will impose coherence and naturalize meaning when confronted with fragmentation and cognitive dissonance. (His recent lecture series Six Drawing Lessons given as the Norton Lectures at Harvard University in 2012 engaged substantially with this question. The lecture “In Praise of Shadows”—an anti-Platonic treatise— engages with this question). From his earliest etchings and drawings he has explored perspective effects and foreshortening, and is a careful observer of Goya, whose works are a conjunction of naturalism and theatricality. There is something in the comparative consideration of these two frames that I would like to dwell upon. The first Nose appears somewhat harried, and downcast in its demeanour, with the Nose peering at the ground in front of it, while the second figure, alighting the steps, has the embodiment of the sprinter, and is a torso charged with purpose and a sense of the victor’s final surge. Thus the two simple frames instruct us about Kentridge’s attention to and engagement with the manipulation of the images, inside his scrutiny of affect and signification. No doubt his simultaneous careers as director, film-maker, animator and artist have given rise to a highly variegated sense of the meaning of the mark, as he has explored the economies of expressive detail across the various modes of his work. While the figure ascending the stairs provides Kentridge with a visual analogy for the fall of Bukharin, the artist tells us that the actual animation sequence arises in part from:

fig. 1 I am not me, the horse is not mine (The Horse is Not Mine), 2008 Video still from installation

schein nehmen können. Bei den aufgeworfenen Themen handelt es sich nicht nur um Ideen; es geht auch um Material und Technik. Um die Bedeutung des ästhetischen Aspekts hervorzuheben, möchte ich zwei Einzelbilder aus Kentridges Animationen für diese Filme genauer betrachten. Beide zeigen uns eine Figur auf der Flucht. (Eine rennende Nase!) Die beiden Einzelbilder scheinen auf den ersten Blick eine gemeinsame visuelle Sprache zu sprechen [ fig. 1 und 2 ]. Doch die erste Abbildung zeigt eine visuelle Chimäre; sie kombiniert die als Schatten dargestellten unteren Gliedmassen eines menschlichen Darstellers, Thato, mit einer schwarzen Papierhaube, die in einer späteren Bearbeitung auf die abgefilmten Sequenzen des durch das Studio wirbelnden und springenden Darstellers „gesetzt” wurde. (Fragmente konstruktivistischer Sowjet-Kunst und Plakatausschnitte drängen von den Rändern her ins Bild.) Bei der zweiten Figur handelt es sich um das komplett abgefilmte Bild einer Papierkonstruktion. Es zeigt die Schatten-Nase, wie sie die Leiter hinaufspringt. Sie befindet sich gewissermassen an dem Punkt, an dem sie die höchste Stufe des Aufstiegs erreicht hat, und es ist eigentlich ein schier unmöglicher Moment. Der Fuss, der sich auf die oberste Stufe setzen will, ist noch nicht ganz gelandet: er verharrt, er ist gefangen in dem Moment, in dem er gerade auf der obersten Stufe aufsetzt. (Das erinnert natürlich an Eadweard Muybridge und seine frühen Filmexperimente, in denen er feststellen wollte, ob ein galoppierendes Pferd zu einem bestimmten Zeitpunkt alle vier Hufe gleichzeitig auf den Boden setzt.) Die Beine sind anscheinend gewollt nicht als realistische Formen definiert; der in die Luft erhobene Fuss ahmt gewissermassen den „natürlichen” Fuss des vorigen Einzelbilds nach, obwohl der zweite Fuss eine kompaktere, plumpere Keilform aufweist. Indes scheint er mehr einem Fuss zu gleichen als das dünne, elegante Komma jenes getreuen Schattens von Thatos Fuss im ersten Einzelbild. Mit anderen Worten: Trotz der offensichtlichen und deutlichen Verkürzung des zweiten Fusses – der aus Tonkarton angefertigt wurde –, fällt es leicht, in ihm etwas zu erkennen, das genug Substanz hat, einen Menschen auf der Erde zu verankern, das Gewicht der Nase zu tragen, seine eigene Schwere geltend zu machen. 68

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fig. 2 I am not me, the horse is not mine (His Majesty Comrade Nose), 2008 Video still from installation

a 1920 American experimental film The Death of A Hollywood Extra in which the extra tries to ascend the corporate studio ranks in Hollywood, endlessly climbing a flight of concrete steps. When I started the sequence I searched for suitable steps in Johannesburg on which to stage

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Schwerer fällt es, dem Schatten des echten Fusses im ersten der beiden Bilder, einem eleganten paisleyartigen Kringel, Glaubwürdigkeit zuzusprechen. Kentridge hat sich von der Art, wie der Geist Kohärenz erzwingt und Bedeutung schafft, wenn er sich Fragmentierung und kognitiver Dissonanz gegenübersieht, stets fasziniert gezeigt. (Seine im Rahmen der Norton Lectures 2012 an der Harvard University gehaltene Vortragsreihe Six Drawing Lessons beschäftigt sich eingehend mit diesem Thema. Und auch der Vortrag „In Praise of Shadows” – eine antiplatonische Abhandlung – befasst sich damit.) Seit seinen frühesten Radierungen und Zeichnungen hat er sich mit perspektivischen Effekten und Verkürzungen beschäftigt, darüber hinaus ist er ein aufmerksamer Betrachter der Werke Goyas, in denen sich Naturalismus und Theatralik miteinander verbinden. Ich möchte noch etwas bei der vergleichenden Betrachtung dieser beiden Einzelbilder verweilen. Die erste Nase erscheint etwas mitgenommen und in ihrem Verhalten bedrückt, da sie den Blick vor sich auf den Boden geheftet hat, während die zweite Figur, ihre Füsse auf die Stufen setzend, der Inbegriff eines Sprinters ist, ihr Torso strotzt vor Entschlossenheit und zeugt von der Zielstrebigkeit, die der Sieger für den entscheidenden Schlag benötigt. So unterrichten uns diese beiden einfachen Stills über Kentridges Hinwendung zur und Beschäftigung mit der Manipulation von Bildern im Rahmen seiner intensiven Auseinandersetzung mit Affekt und Bedeutung. Zweifelsohne haben ihn seine gleichzeitigen Karrieren als Regisseur, Filmemacher, Zeichentrickfilmer und Künstler, in denen er quer durch die verschiedenen Arbeitsmodi die Ökonomie des expressiven Details erforscht hat, ein differenziertes Gespür für die Bedeutung von Zeichen entwickeln lassen. Obgleich die die Leiter hinaufsteigende Figur Kentridge als Analogie für den Fall Bucharins dient, spricht der Künstler davon, dass die eigentliche Animationssequenz zum Teil aus einem „amerikanischen Experimentalfilm” stammt, einem

2) From William Kentridge, I am not me, the horse is not mine, Johannesburg: Goodman Gallery, 2008.

in den 1920er Jahren unter dem Titel The Life and Death of a Hollywood Extra [Leben und Tod von 9413, einem Hollywood-Statisten] gedrehten Films, in dem der Statist versucht, in einem Hollywood-Studio die Karriereleiter hinaufzusteigen, und dabei endlose Treppenfluchten aus Beton erklimmt. Als ich mit der Sequenz begann, suchte ich in Johannesburg nach passenden Stufen, auf denen ich die Szene aufführen könnte. Aber ich verlor die Geduld; bevor ich die richtigen Treppen gefunden hatte, liess ich (wie so oft in solchen Fällen) die Szene in meinem Atelier spielen und benutzte einfach die Trittleiter, die dort vorhanden war. 2

2) Aus: William Kentridge, I am not me, the horse is not mine, Johannesburg, Goodman Gallery, 2008.

In dieser beiläufigen „auto(bio)grafischen” Bemerkung des Künstlers kommen verschiedene Ideenkomplexe zum Vorschein. Skandalös genug stellt Kentridge eine Analogie zwischen der Laufbahn eines Hollywood-Schauspielers und eines SowjetApparatschiks her. Etwas von der performativen Qualität Bucharins teilt sich hier mit – die Transkription der Anhörung vor dem Zentralkomitee offenbart seine kläglichen Versuche, das Komitee von der Aufrichtigkeit seiner politischen Beweggründe zu überzeugen. Für politische Puristen mag dieses Aufeinandertreffen von Ideologe und Schauspieler ein Gräuel sein, und man mag Kentridges Kunstgriff für sarkastisch halten. Doch der Künstler verzichtet weitgehend darauf, zwischen ästhetischen Belangen und Realpolitik zu unterscheiden. Kentridge, der seine „Schuljahre” (sowohl buchstäblich als auch metaphorisch) im Südafrika der Apartheid zugebracht hat, be70

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the scene. But before I found the right steps I lost patience and (as often is the case) staged the scene in my studio using the studio stepladder. 2

There are several nodal ideas that emerge from this offhand ‘auto(bio)graphical’ note from the artist. Rather scandalously, Kentridge posits an analogy between the career trajectory of a Hollywood actor and a Soviet apparatchik. Something of the performative quality of Bukharin’s role is entailed here—and the transcription of the hearing before the Central Committee makes evident his wretched attempts to persuade the committee that his political motivations are sincere. For political purists this conjunction of the ideologue and the actor would be anathema, and Kentridge’s manoeuvre might be seen as facetious. Yet Kentridge does not distinguish in so easy a fashion between aesthetic pursuits and realpolitik. Having been ‘schooled’ (both literally and metaphorically) in Apartheid South Africa, he is keen to assert that the aesthetic is the political. While his work has always aligned him with the anti-Apartheid movements, populist groupings in South Africa were generally defined by the Soviet Realism that dominated Stalinist arts, with their didactic literalism. Realism tends to mask its own strategies of representation, positing a world-view that gets naturalized as ‘the True’ Kentridge’s strong affiliation with the avant-garde means that his work is often contradictory, enigmatic, perverse and destabilizing. The phrase that gives the video installation its title (“I am not me, the horse is not mine”) comes from a Russian peasant idiom, and it evokes the texture of life inside the Stalinist reign of terror. The squirming evasion of the speaker of the phrase seeks to absolve herself from accusation or blame, though the double negative ironically seems in fact to undermine that protestation. (“Even if I can be proven to be the one who stole the horse, I am in fact not me and so cannot be held responsible.”) This ‘doubling’ formulation takes us back to a long philosophical debate about selfhood, culpability and freedom. If persons are not fully free agents, to what extent can they be held responsible for their misdeeds? The philosopher, John Locke, in his Essay Concerning Human Understanding (publ. 1689) explores the complex pragmatics of the philosophical question and resolves that “Person is a forensic term.” In other words, the person is not so much a fact as a legal necessity: a being who can be held accountable. Accounting has provided a significant dimension of Kentridge’s aesthetics for the past two decades. Most overtly this is manifest in his use of the double-page spread, as a format for much of his work. The form here is mimetic of the doubleentry accounting system. Several recent large landscape drawings have in fact used the pages of archival accounting books from the South African mining houses as the ground for his figuration. (Here the implication is that there is a debt to pay, and the land is marked by the extractive legacies of colonial regimes.) The early Kentridge films are structured around a dynamic pairing, two characters with a clearly defined hostility. Soho Eckstein, as the pin-striped archcapitalist, is a figure of political critique; while his nemesis, Felix Teitelbaum, is a blithe romantic youth, identified in large measure with Kentridge himself. In the films he is clearly the centre of sympathetic identification for the viewer. A marked shift occurred in this binary structure with Kentridge’s important film, The History of the Main Complaint. In that work, the central protagonist is in some ways still the Soho Eckstein character; however he is also (enigmatically) Felix Teitelbaum; and both are, in some measure, a self-portrait of Kentridge. The tale told is of a man As if for the first time

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tont nachdrücklich, dass das Ästhetische das Politische ist. Während Kentridge mit seinem Werk immer der Antiapartheidbewegung zugerechnet wurde, sahen sich populistische Gruppierungen in Südafrika gewöhnlich durch den sowjetischen Realismus definiert, wie er in der stalinistischen Kunst mit ihrer didaktischen Lebenstreue vorherrschte. Der Realismus tendiert dazu, seine Strategien der Repräsentation zu verschleiern, indem er eine Weltsicht postuliert, die sich als „das Wahre” ausgibt. Kentridges starke Affinität zur Avantgarde bedeutet, dass seine Arbeiten oft widersprüchlich, rätselhaft, verdreht und verstörend sind. Der für die Videoinstallation titelgebende Satz „I am not me, the horse is not mine” [Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines] entstammt einer russischen Bauernweisheit; er beschwört die Lebensumstände im stalinistischen Reich des Terrors herauf. Die gewundene Ausflucht des Sprechers versucht sich von Anschuldigung oder Vorwurf freizusprechen, obwohl die doppelte Negation die Beteuerung eigentlich ironisch unterläuft. („Selbst wenn mir nachgewiesen werden kann, dass ich das Pferd gestohlen habe, bin ich doch nicht ich und kann auch nicht zur Verantwortung gezogen werden.”) Diese „verdoppelnde” Formulierung führt uns zu einer langen philosophischen Debatte über Identität, Schuldfähigkeit und Freiheit zurück. Inwieweit können Personen, die in ihrem Handeln nicht völlig frei sind, für ihre Vergehen zur Verantwortung gezogen werden? Der Philosoph John Locke erkundet in seinem Buch Ein Versuch über den menschlichen Verstand (1689) die vielschichtigen pragmatischen Folgen dieser philosophischen Frage und kommt zu dem Schluss: „Person ist ein gerichtlicher Ausdruck”. In anderen Worten, die Person ist weniger eine Tatsache als eine juristische Notwendigkeit: ein Wesen, das zur Verantwortung gezogen, über das Buch geführt werden kann. Buchführung hat in den beiden letzten Jahrzehnten für Kentridges Ästhetik eine bedeutende Rolle gespielt. Am deutlichsten zeigt sich dies in der Verwendung der Doppelseite als Format für viele seine Arbeiten. Deren Form spielt auf das System der doppelten Buchführung an. So hat er für einige seiner jüngeren grossen Landschaftszeichnungen tatsächlich die Seiten archivierter Geschäftsbücher von südafrikanischen Bergwerksunternehmen als Zeichengrund verwendet. (Das will sagen: Hier ist eine Schuld zu zahlen, und das Land ist von der Rohstoffausbeutung während der Kolonialzeit gezeichnet.) Auch die frühen Filme Kentridges sind um eine dynamische Paarung herum aufgebaut – zwei Charaktere, die sich in klar definierter Feindschaft gegenüberstehen. Als Erzkapitalist in Nadelstreifen stellt Soho Eckstein eine Figur der politischen Kritik dar. Sein Erzfeind Felix Teitelbaum hingegen ist ein fröhlicher romantischer Jüngling; er ist weitgehend als Kentridges Alter Ego zu verstehen. Im Film fungiert er für den Betrachter als positive Identifikationsfigur. Eine deutliche Verschiebung dieser binären Struktur ereignet sich in Kentridges wichtigem Film The History of the Main Complaint [Die Geschichte der Hauptbeschwerde]. In dieser Arbeit verkörpert die Hauptfigur irgendwie noch Soho Eckstein, ist jedoch (auf hintergründige Art) auch Felix Teitelbaum; und beide stellen bis zu einem gewissen Grad ein Selbstporträt von Kentridge dar. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der eine Strasse entlangfährt und dabei nach vorne sowie – im Rückspiegel – zugleich nach hinten auf die Strasse schaut [ fig. 3 ]. Dieses aufgespaltene Selbst schreibt sich in Kentridges Werk ein und liegt vielen späteren Auseinandersetzungen zugrunde. Nicht von ungefähr entstand The History of the Main Complaint zur Zeit der südafrikanischen Wahrheits- und Versöh72

Als sei es das erste Mal

fig. 3 Drawing for the film History of the Main Complaint, 1996 (Detail), Charcoal on paper

travelling along a road, who simultaneously looks at the road ahead while he gazes backward through his rear-view mirror [ fig. 3 ]. This bifurcated self becomes written into the Kentridge oeuvre and it defines many subsequent explorations. Significantly The History of the Main Complaint emerged at the time of the Truth and Reconciliation Commission (TRC) in South Africa. The Commission (inaugurated in 1996) provided a national forum for public hearings into the crimes and human rights violations that had taken place during the Apartheid era. It has marked a period in recent history during which all South Africans across the political spectrum were compelled to consider the character and extent of their collaboration with the Apartheid state. By conflating Soho and Felix, as characters, Kentridge is implicitly suggesting the entangled effects of collusion and resistance. There is no suggestion of a flattening relativism here: rather the film implies that witnesses to events are liable, even though they may not be ‘guilty’. The series of drawings and etchings for the film Weighing...and Wanting made the following year (1997) hangs everything in the balance. Debits and credits are held in counterpoise. Many of Kentridge’s recent works are based on mirroring structures. Most explicitly these are evident in the emergence of what I will call Kentridge’s ‘stereographic works,’ images that juxtapose a recto and verso set of almost identical pictures.

II:

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As indicated above, the works on show here arise (somehow) in a dialogue with Gogol’s The Nose, a jubilant tale written between 1835 and 1836 in what was Czarist Russia. The Gogol story of The Nose was one of the favourites of Dmitri Shostakovich Jane Taylor

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nungskommission. Mit der (1996 eingesetzten) Kommission wurde ein nationales Forum für öffentliche Anhörungen zu Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen geschaffen, die während des Apartheidregimes stattgefunden haben. Sie markierte eine Periode der jüngeren Geschichte, in der alle Südafrikaner quer durch das politische Spektrum dazu genötigt waren, über Art und Umfang ihrer Kollaboration mit dem Apartheidstaat nachzudenken. Mit der Verschmelzung seiner Charaktere Soho und Felix spielt Kentridge auf die Wechselwirkungen von Mitläufertum und Widerstand an. Anzeichen für einen nivellierenden Relativismus zeigen sich dabei nicht, vielmehr impliziert der Film, dass man als Zeuge von Ereignissen, auch wenn man nicht „schuldig” sein mag, in der Verantwortung steht. In der Serie von Zeichnungen und Radierungen für den Film Weighing … and Wanting [Wiegen … und Wünschen] aus dem darauffolgenden Jahr (1997) ist alles in der Schwebe. Debit und Kredit sind ausgeglichen. Viele von Kentridges aktuelleren Arbeiten basieren auf Spiegelstrukturen. Besonders sichtbar werden sie mit dem Auftreten dessen, was ich als Kentridges „stereografische Arbeiten” bezeichnen möchte, Arbeiten, die nahezu identische Bilder als rechte und linke Seite eines Sets kombinieren.

fig. 4 Drawing for the film Stereoscope, 1999 Charcoal and pastel on paper

II:

M ultiplikationstab e ll e n

and in 1928 his operatic burlesque of the work was performed in the Soviet Union. The ‘splitting’ that organizes the narrative and the quest of the opera is structurally aligned with Kentridge’s ongoing exploration of the aesthetics of ambiguity. It is in some terms, the culmination of a decade-long exploration of the stereoscope, a Victorian viewing device for creating a 3D image through viewing a pair of almost identical images. Once the stereoscope holds the double-image at a particular focal length, it will transform the pair of images into a single three-dimensional vision, situated in a ‘no place’—a kind of Utopian virtual space somewhere between the two, and where no ‘actual’ image is positioned. Kentridge’s film, Stereoscope (1999) is a film that uses the idea of the double image as a metaphor, with his lonely and alienated central figure existing, as it were, in two distinct but parallel spheres. The film consists of a cycle of frames in which we see the protagonist, terminally torn by a double life. The images [ fig. 4 ] show us the same room, doubled, with minimal differences, and a haunted figure conducting his life alongside himself. It is very uncanny work. However within a decade Kentridge broadened and deepened his enquiry by engaging in new explorations using the technology of vision. Working now with various optical stereoscopes engineered especially for the purpose, Kentridge began to generate doubles that, when viewed through the stereoscopic devices, will suddenly resolve themselves into a consolidated single 3D picture, and what we discover is that point of view determines meaning in the world. In Stereoscope, the illusion of the double is a formal device and the idea of the double image is allegorical, implying a split in consciousness. Yet over the years following the making of the film Stereoscope, Kentridge had several stereoscopic devices purpose-made in order to view a series of large format double drawings minimally

Wie bereits oben angemerkt, sind die Werke der Ausstellung aus einem Dialog mit Gogols Die Nase entstanden, einer übermütigen Erzählung, die zwischen 1835 und 1836 im damaligen zaristischen Russland geschrieben wurde. Die Nase gehörte zu den Lieblingsgeschichten von Dmitri Schostakowitsch, seine auf dem Werk basierende Opernburleske wurde 1928 in der Sowjetunion uraufgeführt. Die „Spaltung”, um die herum sich Handlung und Sinnsuche der Oper organisieren, steht strukturell auf einer Linie mit Kentridges fortwährender Auseinandersetzung mit der Ästhetik der Ambiguität. In gewisser Hinsicht handelt es sich dabei um die Zuspitzung einer ein Jahrzehnt währenden Beschäftigung mit dem Stereoskop, einem viktorianischen Sehapparat, der bei der Betrachtung eines nahezu identischen Bilderpaars ein 3D-Bild erzeugt. Bei richtiger Einstellung der Brennweite verwandelt das Stereoskop das Bilderpaar in eine einzige dreidimensionale Ansicht, die sozusagen ortlos ist – eine Art utopischer virtueller Raum, der irgendwo zwischen den beiden Bildern angesiedelt ist und an dem sich kein „wirkliches” Bild befindet. Kentridges Film Stereoscope (1999) benutzt die Idee des doppelten Bildes als eine Metapher, seine einsame und entfremdete Hauptfigur existiert sozusagen in zwei verschiedenen und doch parallelen Sphären. Der Film besteht aus einem Zyklus von Einzelbildern, in denen der Protagonist als eine von einem doppelten Leben tödlich zerrissene Figur sichtbar wird. Die Abbildungen [ fig. 4 ] zeigen uns den gleichen Raum verdoppelt, mit minimalen Unterschieden und einer verzweifelten Figur, die ihr Leben parallel mit sich selbst führt. Eine überaus unheimliche Arbeit. Im Laufe eines Jahrzehnts erweiterte und vertiefte Kentridge seine Erkundungen mit neuen Methoden, bei denen optische Technologien zum Einsatz kamen. Da er nun mit verschiedenen, eigens für seine Zwecke konstruierten Stereoskopen arbeitete, begann 74

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Kentridge Bilderpaare herzustellen, die, durch die stereoskopischen Geräte betrachtet, sich unversehens in ein einziges konsolidiertes 3D-Bild auflösen. Und wir entdecken, dass die Perspektive die Bedeutung der Welt bestimmt. In Stereoscope ist die Illusion der Dopplung ein formales Verfahren; die Idee des doppelten Bildes ist allegorisch und verweist auf eine Spaltung des Bewusstseins. Doch in den auf die Produktion folgenden Jahren liess Kentridge spezielle Stereoskope anfertigen, durch die man eine Reihe grossformatiger Zeichnungen betrachten konnte, die nur minimal voneinander abwichen und, durch das Stereoskop gesehen, zu 3D-Illusionen umgeformte Ansichten zeigten. Hier also verwendet Kentridge die doppelseitigen Bilder nicht so sehr als Metaphern, sondern er manipuliert den Betrachtungsvorgang. Aus dieser visuellen Forschungsarbeit entwickelte sich für Kentridge eine weitere Serie von Experimenten, dieses Mal jedoch in der Kunst der Anamorphose. Das anamorphotische Bild war in der frühen Moderne sehr beliebt. Szenen wurden absichtlich so manipuliert, dass sie nicht mehr zu erkennen waren, es sei denn durch eine Art verzerrende Linse (oft ein polierter Zylinder), die das Bild so wiedergibt, dass die Verzerrung korrigiert und das Bild wieder lesbar wird. Die Abbildungen unten stellen ein „unkorrigiertes” und ein „korrigiertes” Bild dar [ fig. 5 und 6 ]. Sie zeigen ein Porträt / eine ethnografische Studie zweier Typen: das eine ist ein Selbstporträt Kentridges und entspricht in vieler Hinsicht dem Stereotyp des europäischen Juden. (Kentridge selbst evoziert dieses Urbild in seinen Bemerkungen zur Literaturgeschichte von Die Nase.) Die zweite Figur spielt auf den „Typus” des Afrikaners an; doch zeigt die Arbeit Kentridges in beiden Abbildungen nicht viel mehr als hingekritzelte Zeichnungen auf einem Blatt Papier, relativ schlecht identifizierbare und misslungene Figuren, die in ihre jeweiligen kodifizierten Typo-

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fig. 5 Drawing for the film What Will Come (has already come), 2007 Reflected in steel cylinder, charcoal on paper with steel cylinder fig. 6 Drawing for the film What Will Come (has already come), 2007 Charcoal on paper

3) I have commented elsewhere on Kentridge’s counterintuitive move into two-dimensional bronze, in my paper “The Shadow of a Doubt: William Kentridge’s Bronze Age”, in: Carolyn Christov-Bakargiev (ed.), William Kentridge, Milano: Skira, 2004, pp. 41–58.

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distinct from one another, which, when viewed through the stereoscope, would actually transform themselves into 3D illusions. Here Kentridge is actually manipulating the processes of vision, rather than using his two-sided images as metaphors. This visual exploration gives rise to another series of Kentridge’s experiments, but now in anamorphic arts. The anamorphic image was much-loved in the early modern era. Scenes are deliberately manipulated until unrecognisable, except via some kind of distorting lens (often a polished cylinder) which reflects the image in such a way that it corrects the distortion and makes the image legible. The pictures [ fig. 5 and 6 ] below here are an ‘uncorrected’ and a ‘corrected’ pair of images. They show a portrait / ethnographic study of two types: the one is roughly a self-portrait of Kentridge, and conforms in many ways to the stereotype of the European Jew (this Urfigure is invoked by Kentridge himself in his comments about the literary history of The Nose.) The second figure suggests the ‘type’ of the African; however Kentridge’s work reveals both images to be little more than scratched marks on a sheet of paper, rather illegible and messy figures which are only resolved into their respective codified ‘typologies’ once viewed through a particular viewing frame that defines and delimits the portraits through a perspectival manipulation. The work becomes, then, a meditation of seeing, believing, type and stereotype. The anamorphic drawings are part of the point of origin of Kentridge’s preparatory research while making his production of The Nose for the New York Met. The four years leading up to that production saw a wild and exuberant proliferation of visual adventures, as Kentridge considered parts and wholes, and points of view. Several of his initiatives arose from questions that were already occupying his mind: meditations on political responsibility and aesthetic obligation. His ongoing dialogue with Platonic theories of the Shadow (as a debased form) is an assertion of the value of the aesthetic. This is, for Kentridge, implicitly a political conviction. In the past decade Kentridge, historically an artist working within two-dimensional arts, began to explore three-dimensional forms of the bronze and sculptural traditions. Many of his 3D works are implicitly meditations on the meaning of this difference; and the bronzes [ fig. 7 ] (such substantial and material ‘things’) are in fact bronzes of shadows, which are themselves two-dimensional forms.3 Many of the most substantial political crises of the past decade have arisen out of ideologies of the aesthetic, and engagements with representational practice. William Kentridge’s work reminds us in this significant hour, that the aesthetic is the political, and that our politics are matters of the aesthetic.

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logien erst aufgelöst werden, wenn sie durch ein besonderes Sichtgerät betrachtet werden, das die Porträts durch eine perspektivische Manipulation definiert und abgrenzt. Dadurch wird die Arbeit zu einer Meditation über Sehen und Glauben, über Typus und Stereotyp. Die anamorphotischen Zeichnungen stellten einen Ausgangspunkt von Kentriges vorbereitenden Recherchen dar, als er für die New York Met an der Produktion von Die Nase arbeitete. Die vier Jahre, die dieser Produktion vorangingen, warteten mit einer furiosen und fruchtbaren Bandbreite von visuellen Abenteuern auf, da Kentridge über die Teile und das Ganze und die Perspektive nachdachte. Manche seiner Aktionen entstanden aus Fragen, die ihn schon früher beschäftigt hatten: Meditationen über politische Verantwortung und ästhetische Verpflichtung. In seiner fortwährenden Auseinandersetzung mit den platonischen Theorien des Schattens (als einer herabgeminderten Form) versicherte er sich des Werts der Ästhetik. Das beinhaltet auch eine politische Überzeugung. In den letzten zehn Jahren hat Kentridge – eigentlich ein Künstler, der sich mit den zweidimensionalen Künsten beschäftigt – damit begonnen, die dreidimensionalen, in der Tradition der Skulptur und des Bronzegusses stehenden Formen zu erforschen. Viele seiner 3D-Arbeiten sind Meditationen über die Bedeutung dieses Unterschieds; und die Bronzen [ fig. 7 ] (diese substanziellen und materiellen „Dinge”) sind eigentlich Bronzen von Schatten, die wiederum zweidimensionale Formen sind.3 Viele politische Krisen der letzten zehn Jahre sind aus ästhetischen Ideologien und der Auseinandersetzung mit der Praxis der Repräsentation erwachsen. Das Werk William Keantridges führt uns in dieser schicksalsträchtigen Zeit vor Augen, dass das Ästhetische das Politische ist, und dass unsere politische Praxis eine Sache der Ästhetik ist.

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fig.7 Sculpture for Return (Double Half Horse), 2008 sculpture

3) Über Kentridges kontra-intuitiven Schritt zu zweidimensionalen Bronzen habe ich mich an anderer Stelle geäussert. Vgl. ‚The Shadow of Doubt: William Kentridge’s Bronze Age”, in: Carolyn Christov-Bakargiev (Hrsg.), William Kentridge, Mailand, Skira, 2004, S. 41–85.

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I am not me, the horse is not mine (His Majesty Comrade Nose), 2008 80

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I am not me, the horse is not mine (Prayers of Apology), 2008 86

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I am not me, the horse is not mine, 2008 Johannesburg Art Gallery, 2010 90

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I am not me, the horse is not mine (That Ridiculous Blank Space Again (A One-Minute Love Story)), 2008 92

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I am not me, the horse is not mine (Country Dances I (Shadow)), 2008 96

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I am not me, the horse is not mine (Country Dances II (Paper)), 2008 100

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All images from William Kentridge’s lecture I am not here, the horse is not mine, 2008 Photographs by J O H N H O D G K I S S

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William Kentridge


Bühne: ungefähr sechs Meter breit und drei Meter tief. Hinter der Bühne eine leere Projektionsfläche. Eine Leiter auf Rollen. Auf der Leiter ein Glas Wasser. Ein Bündel Vortragsnotizen auf der Leiter. Der Vortragsredner (WK) geht auf der Bühne hin und her. Er sieht in die rechte und linke Seitenbühne. Projektion einer leeren Atelierwand. Saallicht aus. Der Titel I am not here, the horse is not mine erscheint auf der Projektionsfläche. WK tritt in die Mitte der Bühne.

Stage: approximately 6m wide by 3m deep. A blank projection surface behind the stage. A ladder on wheels. A glass of water on the ladder. A sheaf of lecture notes on the ladder. The lecturer (WK) paces back and forth across the stage. He looks into the wings stage right and left. Projection of blank studio wall. House lights off. Title I am not here, the horse is not mine appears onscreen. WK steps into the center of the stage.

WK: In letzter Zeit habe ich an einem Projekt gearbeitet, das mit der Kurzgeschich-

For the last while I have been working on a project related to the short story The Nose, written by the Russian writer Nikolai Gogol in 1836, which was translated into an opera by the Russian composer Dmitri Shostakovich in 1928. The story and the opera recount the history of one Collegiate Assessor Kovalyov, who wakes one morning, and finds his nose gone. Kovalyov is a bureaucrat; his rank of Collegiate Assessor is about one third of the way up the hierarchy of Russian officials. But the story starts with his barber, Ivan Yakovlevich. Ivan Yakovlevich wakes one morning, and in the loaf of bread that his wife gives him for breakfast, he discovers a piece of gristle. To his horror, he discovers that the gristle is a nose. Worse, he recognizes the nose as the nose of Collegiate Assessor Kovalyov.

WK:

te Die Nase in Zusammenhang steht. Die Nase wurde 1836 von dem russischen Schriftsteller Nikolai Gogol geschrieben und ist 1928 von dem russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch als Oper adaptiert worden. Die Erzählung und die Oper geben die Geschichte des Kollegienassessors Kowalow wieder, der eines Morgens aufwacht und feststellen muss, dass er keine Nase mehr hat. Kowalow ist ein Verwaltungsbeamter; in der russischen Beamtenhierarchie markiert der Rang des Kollegienassessors ungefähr das erste Drittel der Beförderungslaufbahn. Doch die Erzählung beginnt mit Iwan Jakowlewitsch, dem Barbier Kowalows. Eines Morgens wacht Iwan Jakowlewitsch auf, und als seine Frau ihm einen Brotlaib zum Frühstück reicht, findet er darin ein Stück Knorpel. Wie er zu seinem Schrecken feststellen muss, ist dieser Knorpel eine Nase. Schlimmer noch, er erkennt in ihr die Nase des Kollegienassessors Kowalow.

Ivan Yakovlevich lapsed into silence. The thought that the police might search the place, find the nose and afterwards bring a charge against him, very nearly sent him out of his mind. Already he could see that scarlet collar beautifully embroidered with silver, that sword … and he began shaking all over.

Iwan Jakowlewitsch verstummte. Der Gedanke, die Polizei könnte bei ihm eine Nase finden und ihn verklagen, nahm ihm alle Besinnung. Schon flimmerte ihm ein roter Kragen mit silbernen Tressen vor den Augen, ein Degen – und er bebte am ganzen Leibe.

The barber takes the nose, and goes round the city, looking for a place to discreetly throw the nose away. He walks to a bridge over the river Neva, and there he drops the nose over the parapet. And he is just turning around when a policeman appears and stops him. And then, the author says,

Der Barbier nimmt die Nase und geht, auf der Suche nach einer Stelle, wo er sie unauffällig wegwerfen kann, durch die Stadt. Er spaziert zu einer Brücke über die Newa, und dort wirft er die Nase über die Brüstung. Gerade will er umkehren, als ein Polizist auftaucht und ihn anhält. Und dann sagt der Autor:

Ivan Yakovlevich turned pale … But at this point everything became so enveloped in mist it is really impossible to say what happened afterwards.

Iwan Jakowlewitsch erbleichte … Aber hier verschwindet die Begebenheit völlig im Nebel, und was weiter geschah, ist nicht bekannt geworden.

So then we jump to Collegiate Assessor Kovalyov, who wakes one morning, and finds his nose absent. “To his extreme astonishment, he finds that instead of a nose, there is nothing but an absolutely flat surface.” Later he keeps referring to “that terrible blank space again.” The rest of the story is his attempt to track his nose down, to find it. He goes to a coffee shop, and at the coffee shop he sees someone he thinks he recognizes entering a nearby house.

Wir springen also zum Kollegienassessor Kowalow, der eines Morgens aufwacht und feststellen muss, dass seine Nase nicht mehr da ist. „Aber zu seinem größten Erstaunen bemerkte er, daß er statt der Nase nur eine vollständig glatte Stelle im Gesicht hatte!” Später wird er wiederholt auf diese schrecklich glatte Stelle zu sprechen kommen. Im weiteren Verlauf der Geschichte ist er damit beschäftigt, die Nase aufzuspüren, sie zu finden. Er geht in ein Café, und von dort sieht er, wie jemand, den er zu kennen glaubt, ein in der Nähe liegendes Haus betritt. 106

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About two minutes later, the nose really did come out. It was wearing a goldbraided uniform, with a highstanding collar, and chamois trousers, and had a sword at its side. From the plumes on its hat one could tell that it held the exalted rank of State Councilor. William Kentridge

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Nach Verlauf von zwei Minuten kam die Nase wirklich wieder heraus. Sie war in goldgestickter Uniform mit großem Stehkragen; sie trug sämischlederne Beinkleider, und an der Seite hing ein Degen. Der mit Federbusch geschmückte Hut ließ vermuten, daß sie den Rang eines Staatsrats bekleide.

So the question next: how is he going to address this man? Kovalyov follows the nose as it walks down the street. And he follows it into Kazan Cathedral, off Nevsky Prospect. – ––––“What’s the best way of approaching it?” thought Kovalyov. – ––––“Judging by its uniform, its hat, and its whole appearance, it must be a State Councilor. But I am damned if I know how to go about it!” He tried to attract its attention by coughing, but the nose did not interrupt its devotions for one second and continued to perform low bows. – ––––“My dear Sir,” Kovalyov said. – ––––“What do you want?” replied the nose. – ––––“I don’t know how best to put it, Sir, but it strikes me as very peculiar … Don’t you know where you belong?” – ––––“Please forgive me,” said the nose. “But would you mind telling me exactly what you are talking about? Explain yourself.” – ––––“How can I make myself clear?” Kovalyov wondered. Nerving himself once more he said: “Of course, I am, as it happens, a collegiate assessor. You will agree that it’s not done for someone in my position to walk around minus a nose.” – ––––“I don’t understand a thing,” the nose replied. “Please make yourself clear.” – ––––“My dear sir,” continued Kovalyov, “I really don’t know what you mean by that. It’s plain enough for anyone to see … Unless you want … don’t you realize you are my own nose!” The nose looked at the major and frowned a little. – ––––“My dear fellow, you are mistaken. I am a person in my own right. Furthermore, I don’t see that we can have anything in common. Judging from your uniform buttons, I should say you’re from another government department.”

Also stellt er sich die Frage: Wie diesen Mann ansprechen? Kowalow folgt der Nase, wie sie die Strasse hinuntergeht. Und er folgt ihr in die Kasaner Kathedrale am Newski-Prospekt. „Wie könnte ich wohl zu ihr gelangen”, dachte Kowalow. „Alles – die Uniform, der Hut – kurz, alles beweist, daß sie ein Staatsrat ist. Der Teufel mag wissen, wie das zu machen ist.” Er begann um die Nase herumzuhüsteln, aber sie veränderte nicht für eine Minute ihre Stellung. – ––––„Hochgeehrter Herr”, sprach Kowalow, sich Mut machend, „hochgeehrter Herr –” – ––––„Was wünschen Sie?” antwortete die Nase und wandte sich um. – ––––„Es kommt mir seltsam vor, sehr geehrter Herr … mir scheint … Sie sollten doch ihren Standort kennen … und da finde ich Sie auf einmal … und wo? … urteilen Sie selbst …” – ––––„Verzeihen Sie, ich begreife gar nicht, wovon Sie reden … Erklären Sie sich deutlicher.” Wie soll ich mich ihr denn noch deutlicher erklären? dachte Kowalow, und neuen Mut fassend, fuhr er fort: „Natürlich … Übrigens bin ich Major. Ohne Nase herumgehen, das werden Sie zugeben, ist unschicklich. So eine Händlerin, die auf der Himmelfahrtsbrücke Apfelsinen verkauft, kann sich ohne Nase behelfen; aber da ich die Absicht habe, und … übrigens bin ich in vielen Häusern mit vornehmen Damen sehr genau bekannt – mit Frau Staatsrätin Tschechtarew und vielen anderen … Sie sehen also selbst … ich weiß nicht, geehrter Herr, was Sie … (hier zuckte der Major die Achseln) … Verzeihen Sie … verträgt sich das mit den Regeln von Pflicht und Ehre – Sie werden selbst begreifen –” – ––––„Ich begreife gar nichts”, antwortete die Nase. „Erklären Sie sich deutlicher.” – ––––„Hochgeehrter Herr”, sprach Kowalow im Gefühl seiner eigenen Pflicht, „ich weiß nicht, wie ich Ihre Worte verstehen soll … Mir scheint doch, die ganze Sache ist hier so augenfällig wie möglich … Oder wollen Sie … Aber – Sie sind ja doch – meine eigene Nase!” Die Nase sah den Major an und runzelte die Stirn. – ––––„Da irren Sie, geehrter Herr; ich bin ich selbst. Und zudem kann es zwischen uns keinerlei enge Beziehungen geben. Nach den Knöpfen ihrer Uniform zu urteilen, müssen Sie bei einem ganz andern Ressort Dienst tun.”

And here we have the heart of the story. The question of what is of Kovalyov, and what is not? What control does he have over sections of himself—in this case, his nose—and in what way is he a divided person, against himself? On the one hand, trying to convince the nose of who he is, and on the other hand, another part of himself (his nose) absolutely dismissing him. And there are two themes that emerge from the story. One is the terror of hierarchy. The sense in Russia, of that era—and of the later era—that if you are of a lower rank, you are in complete fear of someone above you. And if you are of a higher rank, there is a murderous contempt of anyone below. But the other theme of the story is of course this division of the self; what are our limits? How coherent are we in ourselves? This is not such a fanciful division as it sounds. Very often one does find oneself split into two different parts. For example, often when I travel, I’ll find myself in my hotel room at night, and I’ll say, “Alright, it’s midnight, it’s bedtime, there’s the bed, there’s a book next to it, I’m ready for it.” And even as I’m getting ready to go to bed, there’s a second section of myself standing at the door, saying, “It’s only midnight, the night is young, there’re clubs and bars and cafés. There’s life. Come on, let’s go, let’s go!” And the other self is saying, “It’s late, you’ve got to be up early in the morning. There’s a lecture tomorrow. Come, to bed, to

Und hier liegt der Kern der Erzählung: Die Frage, was zu Kowalow gehört und was nicht. Wie viel Kontrolle besitzt er über sich und seine Teile – in diesem Fall seine Nase – und inwieweit ist er für sich selbst eine geteilte Person? Einerseits versucht er, die Nase davon zu überzeugen, dass er ist, wer er ist, andererseits lehnt ihn ein Teil seiner selbst (seine Nase) rundheraus ab. 108

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Zwei Themen ergeben sich aus der Erzählung. Das eine ist der Terror der Hierarchie. Das in Russland zu jener Zeit – und auch später – allgegenwärtige Gefühl, dass man, wenn man von niedrigerem Rang ist, vor jemand Höherstehendem Angst haben muss. Und ist man von höherem Rang, pflegt man eine mörderische Geringschätzung gegenüber jedem Tieferstehenden. Das zweite Thema ist natürlich diese Teilung des Selbst; wo liegen unsere Grenzen? Wie sehr sind wir eine in uns abgeschlossene Sache? Dabei ist diese Teilung durchaus nicht so abwegig, wie sie scheinen mag. Häufig genug findet man sich in zwei verschiedene Teile aufgespalten. Wenn ich zum Beispiel auf Reisen bin und mich in einem Hotelzimmer aufhalte, sage ich zu mir: „Also, es ist Mitternacht, Zeit ins Bett zu gehen, da ist das Bett, ein Buch liegt daneben. Ich bin bereit, schlafen zu gehen.” Und noch während ich mich bettfertig mache, steht ein anderer Teil von mir in der Tür und sagt sich: „Es ist gerade mal Mitternacht, die Nacht ist noch jung, da gibt es Clubs und Cafés. Da ist das Leben. Also los, nichts wie hin, nichts wie hin.” Und das andere Selbst sagt: „Es ist spät, du musst morgen früh aufstehen. Du hast morgen einen Vortrag zu halten. Also, auf ins Bett, auf ins Bett.” Und der anderer Teil sagt: „Du Weichei. Mit dir kann man sich ja gar nicht blicken lassen! Nein, ich gehe.” Aber wenn wir um drei Uhr morgens wieder zurückkommen, dann warten da natürlich meine 54 Jahre und sagen: „Es ist spät. Los jetzt, ins Bett. Höchste Zeit, schlafen zu gehen.”

bed.” And the other part is saying, “How feeble! How embarrassing even to be seen with you! No, I’m off.” But of course, when we return at 3 AM in the morning, who is waiting for me but my 54 years, saying, “It’s late. Come on. To bed. Time to sleep.” WK walks to back of stage. Checks stage right and stage left. WK walks back to front of stage.

But to return to the story of the nose. Kovalyov has seen the nose in the cathedral. He has been unable to persuade the nose to return to its rightful place. He rushes to the Chief of Police to try and explain the circumstances, but of course the Chief of Police is absent. Projection of lecturer (WK 1) enters stage left. WK pauses, then hesitantly waits for WK 1 to leave.

He goes to a newspaper office, to place a classified advertisement, looking for his nose, but the newspaper clerk refuses to take the advertisement. – ––––“I can’t print an advertisement like that in our paper,” the clerk said after a long silence. – ––––“What? Why not?” – ––––“I’ll tell you. A paper can get a bad name. If everyone started announcing his nose had run away, I don’t know how it would all end. And enough false reports and rumors get past...no, no. It’s not possible.”

WK geht in Richtung Hinterbühne. Wirft einen prüfenden Blick in die rechte, dann in die linke Seitenbühne. WK geht wieder auf die Vorderbühne.

WK checks that WK 1 has left. Looks into the wings stage right and stage left.

Aber kehren wir zu der Geschichte der Nase zurück. Kowalow hat die Nase in der Kathedrale gesehen. Er hat die Nase nicht dazu bewegen können, an ihren angestammten Platz zurückzukehren. Er eilt zum Polizeimeister, um ihm die Situation zu schildern, aber der Polizeimeister ist natürlich nicht da. Projektion des Vortragsredners (WK 1) tritt von links auf die Bühne. WK hält inne, wartet dann zögerlich darauf, dass WK 1 wieder abtritt.

Er geht in ein Zeitungsbüro, um eine Anzeige aufzugeben, mit der er nach seiner Nase suchen möchte, aber der Angestellte lehnt es ab, die Annonce aufzunehmen. – ––––„Nein, eine solche Bekanntmachung kann ich in die Zeitung nicht aufnehmen”, sagte er endlich nach langem Schweigen. – ––––„Wie? Warum?” – ––––„Ja, dadurch könnte die Zeitung um ihren Ruf kommen. Wenn da jeder hineinsetzen könnte, seine Nase sei ihm fortgelaufen, dann … Man sagt ohnehin schon, dass allerlei Unsinn und Lügen darin ständen … Nein, ein solches Inserat kann ich durchaus nicht annehmen.” WK versichert sich, dass WK 1 abgetreten ist. Blickt in die rechte, dann in die linke Seitenbühne.

Kowalow gibt sich geschlagen und macht sich davon, nicht ohne erneut über diese „lächerliche glatte Stelle” nachzusinnen. Aber dann, mirabile dictu, wird die Nase verhaftet und ein Polizist bringt sie Kowalow zurück. Der Polizist sagt: 110

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Defeated, Kovalyov leaves to contemplate “that ridiculous blank space again.” But then, mirabile dictu, the nose is arrested, and a policeman brings it back to Kovalyov. The policeman says,

WK 1 betritt die Bühne von links. Geht bis zur Mitte der Projektion. Schleicht sich langsam zur linken Bühne hinaus.

– ––––„Höchst seltsam: Wir haben sie sozusagen auf der Landstraße verhaftet. Sie saß bereits im Postwagen und wollte nach Riga fahren. Der Paß war schon vor längerer Zeit auf den Namen eines Beamten ausgestellt worden. Und ist es nicht merkwürdig, daß ich selbst anfangs sie für einen Herrn hielt? Aber glücklicherweise hatte ich meine Brille bei mir, und da sah ich denn sofort, daß es eine Nase war.”

WK 1 enters stage left. Steps into centre of projection. Slowly sidles off stage left.

– ––––“Very strange. We intercepted it just as it was boarding the stagecoach bound for Riga. Its passport was made out in the name of some civil servant. Strangely enough, I mistook it for a gentleman at first. Fortunately I had my spectacles with me so I could see it was really a nose.”

Kowalow versucht, seine Nase wieder anzuheften, mit Spucke, mit Kleber. Aber vergeblich. Ein Arzt wird gerufen, dessen Bemühungen, die Nase wieder in Kowalows Gesicht zu setzen, ebenso scheitern. Er versucht Kowalow dazu zu überreden, die Nase einfach in ein Glas Branntweinessig einzulegen, dann könne er das Gefäss auf verschiedene Messen mitnehmen und mit der Ausstellung der Nase viel Geld verdienen. Ja, der Arzt würde sie Kowalow sogar gerne abkaufen. Und es kommt noch schlimmer. Gerüchte gehen um; es wird berichtet, dass die Nase des Majors verschiedentlich in der Stadt gesehen worden sei und offenbar jeden Nachmittag im Stadtpark aufkreuze.

Kovalyov attempts to reattach his nose, with spit, with office glue. But to no avail. A doctor is summoned, whose struggle to put the nose back on Kovalyov’s face also fails. He tries to convince Kovalyov that if he just puts the nose in a jar of sour vodka, then he could take the jar around to different fairs, and make a lot of money from displaying his nose. In fact the doctor would be happy to buy it from Kovalyov. It gets worse. Rumors spread. It is reported that the nose of the major has been seen in different parts of the city, and that it appears every afternoon at the city park. Every day crowds of inquisitive people flocked there. Someone said they had seen the nose in Junker’s Store, and this produced such a crush that the police had to be called.

Täglich strömte eine große Menge von Neugierigen dorthin. Irgend jemand erzählte, die Nase habe sich in Junkers Ladenräumen gezeigt – und neben Junker entstand ein solches Gedränge und Gewühl von Menschen, daß sogar die Polizei einschreiten mußte.

But then Kovalyov wakes one morning, and the nose is back on his face. The story ends here, but the author himself is not quite finished with us:

Aber dann wacht Kowalow eines Morgens auf, und die Nase sitzt wieder in seinem Gesicht. Damit endet die Geschichte, doch der Autor ist noch nicht ganz fertig mit uns:

Only now, after much reflection, can we see that there is a great deal that is very farfetched in this story. Apart from the fact that it’s highly unlikely for a nose to disappear in such a fantastic way and then reappear in various parts of the town dressed as a State Councilor, it is hard to believe that Kovalyov was so ignorant as to think newspapers would accept advertisements about noses. No, I don’t understand it, not one bit! But the strangest, most incredible thing of all is that authors should write about such things. That, I confess, is beyond my comprehension. It’s just … no, no, I don’t understand it at all! Firstly, it’s no use to the country whatsoever; secondly—but even then it’s no use either … I simply don’t know what one can make of it. … And yet, if you stop to think for a moment, there’s a grain of truth in it. Whatever you may say, these things do happen in this world—rarely, I admit, but they do happen.

Wenn man jetzt den ganzen Vorfall noch einmal recht bedenkt, so sieht man, daß vieles daran unwahrscheinlich ist. Ich will gar nicht davon sprechen, daß es wirklich wunderlich ist, daß eine Nase sich gegen alle Natürlichkeit entfernt und sich an verschiedenen Orten in Gestalt eines Staatsrates zeigt – aber wie vermochte Kowalow nur nicht zu begreifen, daß er doch unmöglich mit Hilfe einer Zeitung nach einer verschwundenen Nase fahnden konnte? … Nein, das begreife ich nicht! Aber das Seltsamste, Unbegreiflichste an der Sache ist, wie es nur Schriftsteller geben kann, die sich solche Gegenstände wählen. Ich muß gestehen, das ist mir das Allerunbegreiflichste … in der Tat, das geht vollständig über mein Begriffsvermögen! Denn erstens hat das Vaterland nicht den mindesten Nutzen davon, und dann zweitens – aber auch zweitens springt kein Vorteil dabei heraus. Kurz, ich weiß nicht, was das soll … Wie man die Geschichte auch drehen und wenden mag, irgend etwas ist doch daran. Man rede, was man will, solche Dinge gibt es in der Welt – zwar nur selten, aber sie kommen vor.

WK turns to face screen. Drinks water. Looks into the wings stage right, stage left. Returns to center stage.

S t e rn e :

T ristram S handy

WK dreht sein Gesicht zur Projektionsfläche. Trinkt Wasser. Blickt in die rechte, dann die linke SeitenWK: Gogol’s story of a man divided from his nose goes both forwards and backwards. It goes forward to Shostakovich who wrote his opera based on the story in 1928,

bühne. Geht zur Mitte der Bühne zurück.

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Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

William Kentridge

I am not me, the horse is not mine

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S t e rn e :

T ristram S handy WK: Gogols Erzählung eines Mannes, der von seiner Nase abgetrennt wird, geht sowohl

voraus als auch zurück. Sie geht voraus zu Schostakowitsch, der 1928, neunzig Jahre nach Gogol, seine auf der Erzählung basierende Oper schrieb. Bei Schostakowitsch klang in der echten und absurden Teilung des Selbst die von Dada ausgehende Fragmentierung an und auch der Riss der Revolution von 1917. Die ernsthafte Leichtigkeit Gogols gerät in der stürmischen Moderne des 20. Jahrhunderts unter die Räder. „CHAOS, NICHT MUSIK”, urteilte die Prawda über Schostakowitschs Musik. Weitere Aufführungen der Oper wurden unterbunden. Schostakowitsch konnte gerade noch seinen Kopf aus der Schlinge ziehen – von seiner Nase ganz zu schweigen.

Auftritt WK 1 von der linken Seite, er schiebt einen Stuhl vor sich her. WK, der die Bewegung hinter sich spürt, hält inne. WK 1 rückt den Stuhl zurecht, setzt sich. WK dreht sich nicht um. WK fährt stockend fort, wartet, dass WK 1 zur Ruhe kommt.

Aber die Erzählung geht auch zurück. Zwischen 1759 und 1767 veröffentlicht Laurence Sterne seinen Roman Tristram Shandy, und diesem Roman ist ein anderes Buch eingegliedert – ein Buch in einem Buch. Und in diesem Buch im Buch wird eine Geschichte von einem Mann erzählt, der seine Nase verliert: Ein Mann mit einer beachtlichen Nase reist von Frankfurt nach Strassburg, und in Strassburg dann verliert er seine Nase. Das liegt rund siebzig Jahre vor Gogol: vor rund zweihundertvierzig Jahren ist das Absurde lebendig und wohlauf. Das ist die Geschichte … Rund siebzig Jahre bevor Gogol schrieb … Das ist die Geschichte eines Mannes, der seine Nase verliert. Ein Mann mit einer beachtlichen Nase reist nach Strassburg, und dort verliert er seine Nase. Die Nase des Reisenden erscheint auf dem Kopf einer Äbtissin, der Äbtissin des Nonnenklosters von Quedlinburg. Die Nase des freundlichen Fremden hatte sich auf die Spitze der Zirbeldrüse ihres Gehirns gesetzt und richtete in der Phantasie der vier Würdenträgerinnen ihres Kapitels ein solches Gepoltere an, daß sie die ganze Nacht deswegen kein Auge zutun konnten. Sie konnten mit keinem Glied weder ruhen noch rasten, kurz sie sahen aus, wie die leibhaftigen Gespenster, als sie aufstanden. WK 1 bewegt sich auf dem Stuhl von der Bühne. WK dreht sich um, bemerkt seine Abwesenheit. Folgt seinem Stuhl bis zum Rand der Bühne, ruft ihm in die Seitenbühnen nach.

Die Bußschwestern vom dritten Orden des heiligen Franziskus und alle die strengen Nonnenorden, welche in dieser Nacht zwischen härenen Decken lagen, waren noch übler dran als die Äbtissin von Quedlinburg, indem sie sich die ganze Nacht durch ihre Betten bald von der rechten auf die linke, bald von der linken auf die rechte Seite warfen und drehten und drehten und warfen. Die verschiedenen Schwesternschaften hatten sich beinahe zu Tode gekratzt 114

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ninety years after Gogol. In Shostakovich, the real and absurd division of the self resonated with the fragmentation of Dada, and with the rupture of the 1917 revolution. The serious lightness of Gogol gets caught up in the storm of twentiethcentury modernism. “MUDDLE, NOT MUSIC” was the judgment of Pravda on Shostakovich’s music. Performances of the opera were stopped. Shostakovich was lucky to escape with his life—never mind his nose. Enter WK 1 stage left pushing a chair. WK stops, aware of a pressure behind him. WK 1 moves the chair, sits. WK does not turn round. WK continues, haltingly waiting for WK 1 to settle.

But the story goes backwards too. Between 1759 and 1767 Laurence Sterne publishes his novel Tristram Shandy, and in this novel is set another book—a book within a book. And in this book within the book, is another story of a man who loses his nose. A man with a remarkable nose travels from Frankfurt to Strasbourg, and there in Strasbourg he loses his nose. This is nearly seventy years before Gogol: About 240 years ago, the absurd is alive and well. This is the story.... Nearly seventy years before Gogol wrote … This is the story of a man who loses his nose. A man with a remarkable nose travels to Strasbourg, and there he loses his nose. The traveler’s nose appears on the head of an abbess, the abbess of Quedlinburg nunnery. The courteous stranger’s nose had got perched on top of the pineal gland of her brain, and made such rousing work in the fancies of the four great dignitaries of her chapter, they could not get a wink of sleep the whole night thro’ for it— there was no keeping a limb still amongst them—in short, they got up like so many ghosts. WK 1 on the chair moves off stage. WK turns, sees his absence. Follows his chair to the edge of the stage, shouts into the wings after him.

The penitentiaries of the third order of Saint Francis, and all the severer orders of nuns who lay that night in blankets or haircloth, were still in a worse condition than the abbess of Quedlinburg—by tumbling and tossing, and tossing and tumbling from one side of their beds to the other the whole night long— the several sisterhoods had scratch’d and maul’d themselves all to death—they got out of their beds almost flayed alive—everybody thought Saint Anthony had visited them for probation with his fire—they had never once, in short, shut their eyes the whole night long from vespers to matins. So the story goes back from Shostakovich to Gogol and from Gogol to Sterne. But it is not that simple. For Sterne is not the author. As with Gogol he splits himself between himself as the author of the story and as a reader of it, denying authorship. He is not himself, or at any rate is other or more than himself. WK 1 enters pushing a ladder on wheels, identical to the ladder on stage. WK turns, sees ladder. WKwrites notes in a black notebook. The book is identical to the black notebook held by WK.

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und zugerichtet. Fast lebendig geschunden, standen sie aus ihren Betten auf; alle dachten, der heilige Antonius habe sie mit seiner Feuerprobe heimgesucht, kurz, sie hatten während der ganzen Nacht, von der Vesper bis zum Morgengebet, kein Auge zugetan. So geht die Erzählung von Schostakowitsch zu Gogol zurück und von Gogol zu Sterne. Aber so einfach ist das nicht. Denn Sterne ist nicht der Autor. So wie Gogol spaltet er sich in den Autor der Erzählung und in ihren Leser auf und verleugnet die Autorschaft. Er ist nicht er selbst, oder ist zumindest etwas anderes oder mehr als er selbst. WK 1 tritt auf und schiebt eine Leiter auf Rollen vor sich her, die mit der Leiter auf der Bühne identisch ist. WK dreht sich um, bemerkt die Leiter. WK 1 macht in einem schwarzen Notizbuch Notizen. Es ist mit dem schwarzen Notizbuch, das WK in der Hand hat, identisch.

Und Sterne erfindet einen anderen Autor namens Hafen Slawkenbergius, der der Autor des Kapitels im Tristram Shandy ist, in dem die Geschichte des Mannes, der seine Nase verliert, erzählt wird. Slawkenbergius wird als weltweit grösster Experte für Nasen vorgestellt, und er hat eine zehnbändige Abhandlung über Nasen verfasst – ein Buch, das, so versichert uns Sterne, ein überaus grosser Quell des Wissens ist, und dies nicht nur im Hinblick auf Nasen, sondern für das Verständnis des Menschen im Allgemeinen. Und es gibt ein Kapitel (Kapitel 10 von Band 9 dieser Abhandlung innerhalb des Romans), in dem er die Geschichte des Mannes schildert, der von Strassburg nach Frankfurt reist, so wie ich sie gerade erzählt habe.

And Sterne invents another author called Hafen Slawkenbergius, who is the author of a chapter inside Tristram Shandy, in which the story is told of the man who loses his nose. Slawkenbergius is described as the greatest expert on noses in the world, and he has written a tenvolume treatise on noses—which Sterne assures us is one of the great repositories of knowledge, not only of noses, but of all human understanding. And there is one chapter in which he recounts the story which I told you, of the man who travels from Strasbourg to Frankfurt (chapter ten of volume nine of this treatise within the novel).

WK 2 betritt die Bühne von links, geht zu der Leiter, setzt sich auf eine Sprosse. WK 2 schreibt Notizen in ein schwarzes Notizbuch. WK steigt auf die Leiter und spricht zu WK 1, WK 2 und dem Publikum.

WK 2 enters stage left, moves to ladder, sits on a step of the ladder. WK 2 writes notes in a black note-

Doch um zu beweisen, dass es sich um ein authentisches Dokument handelt und nicht einfach nur Sternes Erfindung, zitiert Sterne das Buch in aller Ausführlichkeit, und zwar in Latein, so wie es Slawkenbergius verfasst hat.

book. WK climbs the ladder and addresses WK 1, WK 2, and the audience.

But in order to prove that it is an authentic document and not just Sterne’s invention, Sterne quotes the book at length, in the Latin in which Slawkenbergius wrote it.

Dolus inest, anime mi, ait hospes – nasus est falsus. Es steckt ein Betrug dahinter, mein Schatz, sagte der Gastwirt. Es ist eine falsche Nase. Verus est, respondit uxor. Es ist eine echte Nase, sagte seine Frau. Ex abiete factus est, ait ille, terebinthinum olet. Sie ist aus Kiefernholz gemacht, sagte er, ich rieche ihr das Harz an. Carbunculus inest, ait uxor. Es sitzt eine Finne darauf, sagte sie. Mortuus est nasus, respondit hospes. Es ist eine tote Nase, versetzte der Gastwirt. Vivus est, ait illa, et si ipsa vivam tangam. Es ist eine lebendige Nase! Und wenn ich selbst lebendig bin, sagte die Frau des Gastwirts, so will ich sie befühlen. 118

Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

Dolus inest, anime mi, ait hospes—nasus est falsus. ’Tis an imposture, my dear, said the master of the inn—’tis a false nose. Verus est, respondit uxor. ’Tis a true nose, said his wife. Ex abiete factus est, ait ille, terebinthinum olet. ’Tis made of firtree, said he, I smell the turpentine. Carbunculus inest, ait uxor. There’s a pimple on it, said she. Mortuus est nasus, respondit hospes. ’Tis a dead nose, replied the innkeeper. Vivus est, ait illa, et si ipsa vivam tangam. ‘Tis a live nose, and if I am alive myself, said the innkeeper’s wife, I will touch it. William Kentridge

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C e rvant e s :

C e rvant e s :

D on Qui jot e

D on Qui xot e

WK steigt von der Leiter. WK1 und WK 2 schreiben die Ausführungen in ihren schwarzen Notizbüchern mit.

WK descends ladder. WK 1 and WK 2 follow the talk in their black notebooks.

Aber die Geschichte reicht noch weiter zurück. Wir gehen von Schostakowitsch zu Gogol, von Gogol zu Sterne – und von Sterne zu Cervantes, dem Autor des Don Quijote. Sie reicht deshalb zu Cervantes zurück, weil er bestreitet, der Autor des Buches, der Geschichten von Don Quijote zu sein. Wir haben den Autor des Buchs. Und wir haben den Autor des Buchs, der bestreitet, der Autor des Buchs zu sein, und auch die Geschichten bestreitet, die darin erzählt werden. Es ist nicht klar, wo wir sind. Die Welt ist sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Autors (sowie der Figuren in seinem Buch) und natürlich auch von uns Lesern. Am Ende eines Kapitels, das nicht ungewöhnlicher ist als andere, schreibt Cervantes:

WK:

But the story also goes back further. We have gone from Shostakovich to Gogol, from Gogol to Sterne, and from Sterne to Cervantes, the author of Don Quixote. It goes back in the way that Cervantes himself denies the fact that he is the author of the book, of the stories of Don Quixote. You have the author of the book. And you have the author of the book denying the authorship of the book, and also denying the stories that are told within it. It is unclear where we are. The world is both inside and outside of the author (and of the characters in his book), and of course of us, the readers. At the end of one chapter, no more extraordinary than any of the others, Cervantes writes:

WK:

I cannot believe, nor can I persuade myself, that everything written in the preceding chapter actually happened in its entirety. All the adventures up to this point have been possible and plausible, but with regard to this one in the cave, I can find no way to consider it true, since it goes so far beyond the limits of reason. But it is not possible for me to think that Don Quixote, the truest— that Don Quixote, the truest and most noble knight of his day, would lie, for he would not tell a lie even if he were shot with arrows … I cannot believe …

Ich kann mir nicht vorstellen und kann mich nicht davon überzeugen, daß dem tapferen Don Quijote alles Punkt für Punkt begegnet sein sollte, was in dem vorgehenden Kapitel geschrieben steht. Mein Grund ist der, daß sämtliche Abenteuer, die sich bisher zugetragen, möglich, auch wahrscheinlich sind; aber zum Abenteuer mit dieser Höhle finde ich nirgends einen Zugang, um es für wahr halten zu können, weil es sich so ganz außerhalb aller vernünftigen Vorstellungen bewegt. Der Gedanke aber, Don Quijote, der doch der wahrheitsliebendste Junker und edelste Ritter seiner Zeit war, habe gelogen, ist mir unmöglich; denn er hätte keine Lüge gesagt, und wenn man ihn mit Pfeilschüssen zu Tode gebracht hätte.

WK 2 pulls ladder off. WK breaks off talking. Watches ladder and WK 2 leaving. WK 1 leaves. WK follows WK 1. Drops notes.

WK 2 zieht die Leiter von der Bühne.

WK 1 reappears. Pauses. Leaves stage.

WK bricht mit seinen Ausführungen ab. Sieht zu, wie die Leiter und WK 2 die Bühne verlassen.

WK watches.

WK verlässt die Bühne.

WK 1 reappears.

WK folgt WK 1. Lässt die Notizen fallen.

Objects drop around WK 1. WK 1 walks off.

1

WK 1 erscheint wieder. Hält inne. Verlässt die Bühne. WK sieht zu. WK 1 erscheint wieder. Gegenstände fallen um WK 1 zu Boden. WK 1 tritt ab. WK 1 betritt die Bühne, wirft die Notizen von sich. WK hebt die Notizen vom Boden auf. WK 1 steht herum, Hände in den Hosentaschen. WK sammelt die Notizen zusammen. Kommt an den vorderen Rand der Bühne.

Wo liegt unser Rand? Mit dem Kopf gegen unsere eigenen Begrenzungen schlagen. Die Klippe spüren, an der unsere Intelligenz endet. Von den Wänden in unserem Kopf abprallen. Atelier als Kopf. Parcours d’atelier. Lese den Abschnitt drei Mal. Eingelegte Hände. Kartenspielen gegen sich selbst. Nicht bewegen, bis dir drei neue Ideen gekommen sind … 120

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Nicht bewegen, bevor dir nicht drei neue Ideen gekommen sind … Nicht bewegen, bevor dir nicht drei neue Ideen gekommen sind …

WK 1 enters, throwing notes away. WK picks up notes from the floor. WK 1 stands, hands in pockets.

… Diese Notizen machen überhaupt keinen Sinn. Ich glaube, was ich meinte, was wir mit diesen Notizen meinten, ich glaube, was ich meine, was ich herauszufinden versuche, ist, wo wir der Aussenwelt begegnen. Einer der Ränder ist die Grenze des Verstehens. Der einsame Raum, an dem wir unser Gehirn enden spüren – umgeben von den Wäldern und Schluchten dessen, was unser Gehirn nicht verarbeiten kann. Wo eine Idee auf den Rand unseres Schädels trifft und nicht weiterkann. Die Bücher, deren Wörter verständlich sind, deren Sätze uns aber verschlossen bleiben. Der Simultanübersetzer, der hinter unserem Ohr logiert und auf den wir angewiesen sind, ist im Urlaub und wir sind gestrandet. Eine Idee, eine Verbindung, stellt sich nicht ein. Wir sind in unseren Begrenzungen eingeschlossen und warten auf irgendeinen Weg nach draussen, darauf, einen Weg, einen neuen Funken von aussen nach innen zu uns durchdringen zu lassen, oder von uns innen nach draussen. Versuchen, Wege zu finden, um von innerhalb unserer Köpfe nach ausserhalb unserer Köpfe zu gelangen. Versuchen, über die Begrenzungen unseres eigenen Gehirns, unseres eigenen Raums hinauszugelangen. Wie wird man sich der Dinge bewusst, die nach aussen gehen, und der Dinge, die aussen sind und nach innen gehen?

WK gathers notes. Comes to front of stage.

What is our edge? Head banging against our own limitations. Feel the cliff where our intelligence ends. Bouncing back off the inside walls of our head. Studio as head. Parcours d’atelier. Read the section three times. Pickled hands. Playing cards against yourself. Do not move until three new ideas have come … Do not move until three new ideas have come … Do not move until three new ideas have come … … These notes make no sense whatsoever. I think what I meant, what we meant, with these notes, I think what I mean, what I am trying to find, is where we meet the outside world. One of the edges is the limit of understanding. The forlorn space where we feel our brain ending—surrounded by the woods and ravines of that which our brain won’t compute. Where an idea hits the edge of our skull and will not continue. The books whose words are understandable but whose sentences defeat us. The simultaneous translator we rely on, lodged behind our ear, is on long leave and we are

Was g e h ört uns

und was ist auss e n: Rosinant e

So hat man zum Beispiel im Don Quijote, in Cervantes’ Don Quijote, da haben wir das Pferd Rosinante. Und sobald man einmal von diesem Pferd gelesen hat, sitzt es unweigerlich in einem drin, sodass, wenn in allen nachfolgenden Jahrhunderten Pferde auftauchen, sie alle auch den Geist von Rosinante, Don Quijotes Pferd, in sich tragen. Man braucht nur das Wort auszusprechen, und Rosinante bäumt sich auf.

WK:

Blitze.

Das ist einfach, ein Blitzen zwischen der Aussenwelt und der Schädelkalotte. Kein Übersetzer vonnöten. Protokolländerung, die einem ins Ohr flüstert. Der leere Raum der Ideen … TRINKE WASSER. So steht es in den Notizen – TRINKE WASSER. WK geht zur Leiter und trinkt Wasser. Kehrt in die Mitte der Bühne zurück.

D as Ende de s V e rst e h e ns

Das Verstehen ist an sein Ende gelangt. Ein Gefühl, dass die Dinge sich verbinden sollten. Eine Nase mit einem Gesicht, ein Gesicht mit einer Geschichte. Aber die Kluft ist zu gross. Und sogar während ich es tue, bin ich mir eines anderen WK:

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Selbst bewusst, das ausserhalb des Zimmers steht, mir zusieht und sagt: „OK, du kannst so lange damit weitermachen, wie du möchtest, es wird trotzdem keinen Sinn machen. Du kannst alle hier für weitere zwei Stunden festhalten, es wird trotzdem niemals Sinn machen.”

stranded. An idea, a connection, will not arrive. We are locked inside our limitations, waiting for some way through, some way to let a new spark get from outside us in, or inside us out. Trying to find ways of getting from inside our heads, to outside our heads. Trying to get past the limitations of our own brain, or our own space. How is one aware of things that are inside, that move outwards, and things that are outside that move in?

Ich bin e in K ü nstl e r ;

e in e L ini e spa z i e r e n f ü hr e n

W hat I s of U s

Aber was für eine Erleichterung, zu sagen: „OK, das ist nicht mein Job. Ich bin ein Künstler. Ich muss das nicht verstehen. Mein Beruf ist es, zu zeichnen.” Und die Stimme im Hintergrund meldet sich wieder: „Warum in aller Welt machst du immer weiter damit und weiter und weiter?” Aber die Hoffnung besteht irgendwie darin, dass die Idee – die Wörter – wie eine Linie sein können, die einen Gedanken, ein Bild, erscheinen lässt. Als ob Sprechen das gleiche sein könnte wie eine Linie zeichnen, um dich aus dem Inneren, wo du dich gerade befindest, zu etwas zu führen, zu etwas, das ausserhalb von dir liegt, das über dich hinausweist. Als ob ich durch Sprechen eine Linie entstehen lassen könnte und als ob Worte selbst Ideen verfertigen könnten. Paul Klee spricht davon, eine Linie spazieren zu führen, von der Idee, dass eine Linie vorausgehen könne, dass man auf diese Weise zu einer neuen Idee kommen könne. Und immer geht es darum, wer wen spazieren führt. Führen wir eine Linie spazieren? Oder führt uns die Linie spazieren, wie es ein Hund an der Leine tut, der uns um einen Laternenmast herumführt, einen Hydranten und uns bei einem Blick um die Ecke neue und unerwartete Perspektiven eröffnet? Wer führt wen? Als ob irgendein Aspekt an dem körperlichen Akt des Zeichnens genügen würde, uns zu einer neuen Idee zu bringen. Welcher Teil von uns möchte schon einem anderen Abschnitt, einem andern Teil von uns erlauben, Kontrolle über das Denken, das Machen zu übernehmen?

and W hat I s O utside : Rosinant e

WK:

WK: So that you have for example in Don Quixote’s, in Cervantes’s Don Quixote, we have the horse of Rosinante. And once one has read of that horse, it comes and sits inside one, so that for all the centuries afterward, as horses appear, they all also carry within them the ghost of Rosinante, of the horse of Don Quixote. Say the word here and Rosinante rears up. Lightning.

This is easy, a lightning between the outside world and the shell of one’s head. No translator needed. Shift of protocol, whispering in one’s ear. The blank space of ideas … DRINK WATER. That is what it says in the notes—DRINK WATER. WK crosses to ladder and drinks water. Returns to center stage.

T h e End of U nde rstandin g

Understanding has come to an end. A sense that things should connect. A nose to a face, a face to a history. But the gaps are too wide. And even as I am doing it, I am aware of another self standing outside the room, watching myself, saying, “OK, you can go on as long as you like, it’s still not going to make sense. You can keep everyone here for another two hours, but it’s never going to make any sense.”

G e spalt e n , durchlässig :

WK:

Pe rs e phon e im L ab y rinth WK: Es ist ein bisschen so wie mit Persephone, mit dem Schnurknäuel im Labyrinth. Als

ob uns diese Linie aus dem Labyrinth, aus uns selbst, herausführen wird, in eine andere Gegend. Verstehen, dass, selbst wenn ein Teil von uns das Labyrinth verlässt, ein anderer zurückbleibt. Selbst wenn ein Teil von uns in die Aussenwelt gelangt, gibt es einen Teil der Aussenwelt, der in uns sitzt und in uns feststeckt.

I A m an A rtist; Takin g a L in e for a Walk

But then a relief, to say, “OK, that’s not my job. I am an artist. It is not my job to understand this. My job is just to make drawings.” And the voice at the back returns, “Why the fuck are you going on and on and on like this, over here?” But it is as if the hope is that the idea, the words, can be like a line, to make a thought, an image appear. It is as if speaking could be the same as drawing a line, to take you from inside where you are to something that is outside of yourself, and beyond yourself. As if I could talk a line into existence, and as if words themselves could make ideas. Paul Klee speaks about taking a line for walk, the idea that the line could precede, that that’s a way that one could find a new idea. And it’s always a question of who walks whom. Are we taking the line for a walk? Or is the line taking us for a walk, like a dog on a leash, leading us round a lamppost, a fire hydrant, showing some new and WK:

Ein grosser, unförmige Gegenstand fällt von der Decke und rollt von der Bühne.

Welche Verbindungen gibt es nun zwischen dem, was in uns ist, und dem, was ausserhalb ist? Wie viel müssen wir von der Aussenwelt kennen, damit wir es verstehen? Und wie viel von der Aussenwelt sitzt bereits in uns? Erk e nntnis und B e deutun g szwan g

Wie viel müssen wir von der Welt verstehen oder wissen, um zu verstehen? Wir haben zum Beispiel eine Ansammlung ausgerissener Papierformen.

WK:

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I am not me, the horse is not mine

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unexpected vista round a corner? Who is leading who? As if something in the physical act of drawing would be enough to lead us to a new idea. What is the part of ourselves that wants to allow some other section, some other part of oneself, to take control of thinking, of making? S plit, Pe rm e abl e :

Pe rs e phon e in th e L ab y rinth

It’s a bit like Persephone with the line, with the ball of string inside the labyrinth. As though this line itself is going to lead us out of the labyrinth, out of ourselves, into a different area. Understanding that even as part of us leaves the labyrinth, another part stays behind. Even as part of us approaches the outside world there is part of the outside world that lodges in us and is stuck in us. WK:

Large amorphous object falls from ceiling and rolls off stage.

Now what are the links between what is inside us, and what is outside? How much do we need from the outside world, for us to understand? And how much of the outside world is lodged in us already?

Ausgerissene, schwarze Papierformen. Sie fügen sich selbst zur Gestalt eines Pferdes zusammen. Teile davon verschwinden aus der Projektionsfläche und reduzieren das Pferd so weit, bis es aus vier Papierstücken besteht – ein Hals, ein Rücken, zwei Beine. WK sieht sich um. Die Projektionsfläche

R e co g nition and

ist leer. WK geht zur Leiter. Zögert. Verrückt die Leiter. Hält inne. Verrückt die Leiter von Neuem. Ist

th e Pr e ssur e for M e anin g

verloren.

Geht es hier um einen grosszügigen Blick auf die Dinge? Oder um einen unwiderstehlichen Drang, Sinn zu stiften? Man sieht eine Reihe abstrakter schwarzer Formen, und man zwingt sie dazu, eine Bedeutung anzunehmen. Sodass man – selbst wenn man sagen möchte: nein, das ist eine Reihe schwarzer Papierblätter, die ausgerissen und manipuliert worden sind – nicht aufhören kann, darin eine Figur, eine Gestalt, ein Pferd, eine Form zu sehen. Woher rührt dieser Zwang, Bedeutung herzustellen? Es handelt sich um den Zwang, Bedeutung herzustellen, den wir in uns tragen, in uns, wo wir die Sätze der anderen vervollständigen. Wir vervollständigen sie wortwörtlich, wenn die anderen auf halber Strecke hängen bleiben. Aber auch dann, wenn sie sprechen, sagen wir den Rest des Satzes voraus. Als ob wir jemanden vorgeschickt hätten, die Strasse voraus, auf dass er um die Ecke schaut, sieht, was kommt, zurückkehrt und uns berichtet, was es da gibt. Und mit diesem Drang nach Bedeutung stürzen wir uns auf jedes unvollständige Wort, auf jedes unvollständige Bild und verleihen ihm Sinn. Und sobald wir eine Bedeutung gefunden haben, halten wir an ihr fest, auch wenn sie auseinanderfällt. Wir machen das mit Bildern, aber auch mit Ideen, und auch mit den Idealen, und selbst wenn eine Utopie tot ist, hängen wir noch an ihrem Gerippe und hoffen, sie mit einem Wünschen, mit einem Wollen wiederaufleben lassen zu können … Selbst wenn ein Pferd bis auf den Stock eines Steckenpferds reduziert worden ist, sind wir unbeirrbar davon überzeugt, dass es sich um ein Pferd handelt. Wir halten daran fest, wie sich eine Hand an einem rettenden Geländer festhält. Eine einzige Linie – und wir sehen immer noch Rosinante. Dieses Zusammenfügen von Teilen macht die Hälfte von dem aus, was wir sind. Die andere Hälfte ist … 126

Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

How much do we need to understand or know of the world, to understand? You have, for example, an assortment of torn paper shapes. WK:

Torn black paper shapes. They arrange themselves in the form of a horse. Fragments leave the screen, reducing the horse until it is made up of four pieces of paper—a neck, a back, two legs. WK looks around. The screen is blank. WK moves to ladder. Hesitates. Moves ladder. Pauses. Moves ladder again. Is lost.

Is this about a generous viewing? Or an irresistible urge to make sense? One sees a series of abstract black shapes, and one will force them into a meaning for oneself. So that even as one tries to say, no, it’s a series of sheets of black paper, that are being torn and manipulated, one cannot stop oneself seeing a figure, a shape, a horse, a form. What is this pressure for meaning? It’s about the pressure for meaning we have inside us, where you finish everybody else’s sentences. You finish them literally, if they stop halfway through. But otherwise even as they are speaking, we are predicting the rest of the sentence. It’s as if we have sent someone ahead, to the road ahead, to look around the corner and see what is coming, and come back and report to us what is there. And with this push for meaning we latch onto any halfword or halfimage and make sense of it. And once a meaning is found, we hold onto it even as it disintegrates. We do this with images, but also with ideas, and also with ideals, so that even as utopia is dead, we hang onto its skeleton, hoping to resurrect it through a wish, a will … Even when a horse is reduced to being just the stick of the hobbyhorse, we hold onto it, as a horse. We hold onto it as a hand to a saving banister. A single line, and we still see Rosinante. William Kentridge

I am not me, the horse is not mine

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Di e 4 -U hr-morg e ns -P anik film e n

Die 4-Uhr-morgens-Panik, die dunkle Stunde, in der jedes Projekt so unmöglich wie möglich scheint. Wachliegend versuche ich die grösseren Projekte zu überdenken, viermal gehe ich sie durch, zwischen 4:17 und 4:43 Uhr in der Frühe. Um 4 Uhr morgens liege ich also wach und versuche ein Stück ans andere zu fügen, überlege, ob ich diese Panik filmen und einen Teil des Prozesses zeigen soll, der zu diesem Vortrag geführt hat? Soll ich wirklich aus dem Schlafzimmer und quer durch den Garten gehen, das Atelier aufschliessen, den Alarm abschalten, eine Kamera nehmen, über die Hunde stolpern, über die Wiese laufen, die Eingangstür aufschliessen, die Kamera am Fussende des Betts auf ein Stativ stellen, Anne versichern, dass ich keinen Heimporno mache, und diese Panik filmen, diese Unfähigkeit, den umherfliegenden, fragmentarischen Ideen einen Sinn zu geben? Es muss doch eine Grenze geben für all das Lächerliche, das man tun möchte. Versuche zu schlafen. Der Künstler arbeitet immer, selbst wenn er schläft. Der Künstler arbeitet nur dann, wenn er schläft. WK:

This pulling together of pieces is half of who we are. The other half is …

Die Nase taucht in ein Schwimmbecken ein.

F ilmin g th e 4 A M panic

Go g ol , S t e rn e , C e rvant e s

The 4 AM panic, the dark hour when every project seems both impossible and possible. Lying awake trying to redesign the largest of projects, four times over, between 4:17 and 4:43 in the morning. So I am awake at 4 in the morning, trying to put the pieces together, thinking, should I be filming this panic also, as showing part of the process of how the lecture is made? Do I go out of the bedroom, out across the garden, unlock the studio, disarm the alarm, get a camera, trip over the dogs, cross the lawn, lock the front door, set up the camera and tripod at the foot of the bed, reassure Anne that I’m not making domestic pornography, and film this panic, this inability to make sense of all the fragmentary ideas that are lying around? There must be a limit to the ridiculous things one will do. Try to sleep. The artist is always at work, even when he sleeps. The artist is at work only when he sleeps.

S chostakowitsch , N IC H T Pe rs e phon e

WK:

WK: Aber wie, zwischen Gogol, Sterne, Cervantes, Schostakowitsch, die Stücke zusammenfügen, es geht rückwärts und vorwärts. In welcher Beziehung steht die Nase zum Absurden, zu den historischen Fakten? Ein mit Wasser gefüllter Emaille-Eimer.

Ist Trotzki die Nase der Kommunistischen Partei der UdSSR – der CCCP auf alten

The nose dives into a swimming pool.

Go g ol , S t e rn e , C e rvant e s ,

S hostakovich , N O T Pe rs e phon e WK: And how to put the pieces together, between Gogol, Sterne, Cervantes, Shostakovich, it goes backwards and forwards. What is the relationship of the nose to the absurd, to the historical facts? An enamel bucket filled with water.

Is Trotsky the nose of the communist party of the USSR—of the CCCP—from old stamps, who did not exactly absent himself from the party, but is absented from it? Like the nose, his disguise is penetrated. Unlike the nose, he is not simply arrested, but assassinated in Mexico in 1941. 128

Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

William Kentridge

I am not me, the horse is not mine

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Briefmarken –, der sich nicht unbedingt von der Partei entfernte, sondern von ihr entfernt wird? Wie bei der Nase wird seine Verkleidung durchschaut. Anders als die Nase wird er nicht nur verhaftet, sondern 1940 in Mexiko ermordet. Die Nase ist wieder aus dem Wasser und auf dem Sprungbrett.

Natürlich stimmt das alles überhaupt nicht, du Schwachkopf, es ist nicht Persephone im Labyrinth mit einer Schnur und ein Löwe, es ist Dädalus, der es entworfen hat, Minotaurus ist darin, Theseus ist derjenige mit der Schnur und Ariadne hat ihm die Schnur gegeben. Du bist gar nicht Persephone. Schwachkopf, wozu bist du in die Schule gegangen? Ich bin ein Waschlappen, ein Schwachkopf, ein Idiot. Ich hasse mich, ich hasse mich! WK 1 und Anne im Bett, sie werfen und wälzen sich herum.

S chostakowitsch und di e P art e i ,

de r Zahnar zt, di e U hr ist st e h e n g e bli e b e n , B lätt e r an e in e m B aum

Nose back out of water and onto the diving board.

Of course, it’s not that at all, you fool, it’s not Persephone in the labyrinth with a string and a lion, it’s Daedalus who designed it, the Minotaur is inside it, Theseus is the person with the string, and the string is given to him by Ariadne. You are not Persephone at all. Fool, what did you go to school for? I’m a poltroon, an idiot, a fool. I hate myself, I hate myself!

Nahaufnahme von Schostakowitsch am Klavier. Schostakowitsch als Nase (Schostakowitsch mit der Nase überblendet). WK: Und ich denke, OK, wenn man über Schostakowitsch und die Partei nachdenkt, die Partei entzwei gespalten, Schostakowitsch entzwei gespalten – er musste an die Partei glauben, musste aber auch seine Distanz zur Partei begreifen … Geht es bei diesem Lachen angesichts des schlimmsten Leids um Komödie und Tragödie, um diesen Riss zwischen Moderne und Politik, um den roten Keil, der das weisse Quadrat besiegen wird? Und diese böswillige Verbindung zwischen Politik und Moderne – OK, ich muss zum Zahnarzt, ich darf den Zahnarzt nicht vergessen, kann den Termin nicht verschieben, denn die ganzen Techniker stehen wie ein Mechanismus auf Abruf bereit.

WK 1 and Anne in bed, tossing and turning.

S hostakovich and th e P art y, T h e De ntist, T h e C lock H as S toppe d , L e av e s to a T r e e

Closeup of Shostakovich playing the piano.

Die Nase fertigt eine Linienzeichnung von Stalin an, duckt sich unter die Zeichnung.

Shostakovich as nose (nose superimposed on Shostakovich).

Lenin mit seinem Diktum: „Können Sie mir verlässliche Anti-Futuristen ausfindig machen.” (Anti-Futuristen mit guten Zähnen.) Wie sieht Hoffnung angesichts politischer Enttäuschung aus? Ich meine Stalin, Stalin war um 1930 so übermächtig geworden, dass die Menschen jedes Mal, wenn er eine Rede hielt, so kräftig und laut applaudieren mussten, dass man Eimer mit Salzwasser aufstellte, in die sie, zur Erholung vom Applaudieren, ihre Hände eintauchen konnten. Keine Nase in Branntweinessig, sondern eingelegte Hände.

And I think, OK, if you think about Shostakovich and the Party, the Party split in half, Shostakovich split in half—needing to believe in the Party, but also needing to understand his distance from the Party … Is it about comedy or tragedy, what is laughter in the face of the severest woe, and this wrench between modernism and politics, and the red wedge that will defeat the white square? And this marriage of bad faith between politics and modernism—OK, I’ve got the dentist, I mustn’t forget the dentist, can’t change the appointment because all the technicians will be on standby like mechanics. WK:

Anne und WK 1 im Bett. Schatten eines tanzenden Manns.

The nose makes a line drawing of Stalin, ducks underneath the drawing.

Und ich denke, ob vielleicht die Uhr stehen geblieben ist, denn es ist jetzt erst 4:18 und diese Panik scheint mir schon zwei Stunden anzudauern und nicht erst 15 Minuten. Und Anne sagt: „Du musst jetzt schlafen. Wenn die Wörter nicht einfach kommen wie Blätter an einem Baum, dann sollten sie lieber gar nicht kommen. Dein Beruf ist es, Zeichnungen zu machen, nicht Worte zu verfassen; überlass das anderen Leuten.” 130

Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

Lenin, with his dictum of “Find me reliable anti-Futurists.” (Anti-Futurists with good teeth.) What is the nature of hope, in the face of political disappointment? I mean Stalin, by the 1930s Stalin had become so huge, that each time he makes a speech, the people have to applaud so hard and loud, that there are buckets of salt William Kentridge

I am not me, the horse is not mine

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Und ich denke, wenn ich diese Rede nur nicht zugesagt hätte, dann wäre alles in Ordnung. Fotos von Mitgliedern des Politbüros aus den 1930er Jahren, die Säuberungen zum Opfer gefallen sind: Nasen verdeckt.

Aber dann, ja, die Oper Die Nase wurde 1928 geschrieben. 1930 wird sie aufgeführt – und gestoppt. Und in den 1930ern finden nicht nur die Säuberungsaktionen gegen Schostakowitsch, sondern auch gegen andere Mitglieder der Kommunistischen Partei statt, und es dreht sich um die Partei, die sich selbst auffrisst, die zerbröckelnde Partei. Und es ist nicht nur ein Selbst, das zerbröckelt, das in Teile zerfällt, es ist die Rede selbst, und Sprache, die keinen Sinn mehr macht. Die, sobald ein Satz gebildet wird, Stock und Hut nimmt und ihren eigenen Weg geht. Montage: Stalin rauchend. Zahlen werden entzweigehackt. Die Nase macht Stabhochsprung. WK 1 und Anne im Bett. Aus Papier ausgeschnittenes Liebespaar, das sich gegenseitig beharkt. Die Nase, mit Regenschirm ausgestattet, trainiert einen Hund. Aus Papier ausgeschnittenes Pferd. Hände, die in einen Wassereimer eingetaucht werden. Die Nase steigt ganz nach oben auf die Leiter. Die Nase fällt von der Leiter.

1. Seine Nase abschneiden, um sich ins eigene Fleisch zu schneiden. 2. Salomons Urteil akzeptieren und das Kind mit dem Bade schneiden. 3. Moses mutmasst, seine Blasen sind Nasen … irgendwie irgendwie irgendwie liegt er da falsch.

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water placed next to them, to rub their hands in, to recover from the applause. Not a nose in sour vodka, but pickled hands. Anne and WK 1 in bed. Shadow of a man dancing.

And I think that perhaps the clock has stopped, because it’s now only 4:18, and it seems this panic has been going on for two hours, not 15 minutes. And Anne is saying, “You must go to sleep. If the words come not as easily as leaves to a tree, better they do not come at all. Your job is to make drawings, not to do the words, leave those to other people.” And I think, if only I had not agreed to this speech, then everything would be fine. Photos of purged members of the Politburo from the 1930s: noses blanked out.

But then, OK, the opera The Nose was written in 1928. In 1930 it gets performed, and it gets stopped. And in the 1930s you have the purges not only of Shostakovich, but of other members of the Communist Party, and it’s about the Party eating itself, and the Party disintegrating. And it’s not only a self that disintegrates, that splits itself apart, it’s also the speech itself, and language, which stops making any sense. Which even as a sentence is formed, takes its hat and stick and goes along its own path. Montage: Stalin smoking. Numbers being chopped in half. Nose does the pole vault. WK 1 and Anne in bed. Paper cutout lovers belabor each other. Nose with umbrella trains a dog. Paper cutout horse. Hands dipped into the bucket of water.

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I am not me, the horse is not mine

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4. Neue Fächer im Schrank, eins höher für die Stiefel, eins flacher für Hüte. 5. Immer dieser Haushaltskram. 6. Stalins Brüder waren Muskelprotze mit Zwirbelbärten im Turnanzug, die über ihren Köpfen Eisenstäbe bogen. 7. Sprich nicht so hastig und artikuliere die Wörter deutlich. 8. Die Vokale üben, bevor ich spreche. Tut mir leid, ich kann nicht, kann nicht, kann nicht ans Telefon gehen! Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht. 9. Alles in Ordnung. Zu gegebener Zeit wird das schon Sinn machen. Vielleicht nächstes Jahr. 10. Sei nicht pathetisch. Arbeite das aus, sei nicht prothetisch. 4:17 Uhr und 20 Sekunden, 4:17 Uhr und 22 Sekunden. 11. Wie viele Blätter leeren Papiers sind noch im Ries? 12. Molly morgen zum Tierarzt. 13. Tierarzt. Molly. Schrankfächer. Salomon. Blasen sind Nasen, doch mutmasst Moses falsch. 14. Kokosnüsse sind Pferdehufen. 15. Der Künstler arbeitet nur dann, wenn er schläft. 16. Lass das „A” aus Nase weg. Nase, nöse, döse, näsle, niese.

Nose climbs to the top of the stairs. Nose falls down ladder.

1. Cutting off your nose to spite your face. 2. Accepting the judgment of Solomon, cutting the baby with the bath water. 3. Moses supposes his toeses are noses but … something something something erroneously. 4. New shelves in the cupboard, make one higher for boots and one narrower for hats. 5. It is all household struggle. 6. Stalin’s brothers were all strongmen in leotards with handlebar moustaches, bending iron bars above their heads. 7. Don’t rush, keep the words clear. 8. Practice my vowels before I speak. Sorry I can’t, can’t, can’t come to the phone! Please leave a message. 9. It’s alright. It will make sense in its own good time, like next year. 10. Don’t be pathetic. Work this out, don’t be prosthetic. 4:17 and 20 seconds, 4:17 and 22 seconds. 11. How many sheets of blank paper are left in the ream? 12. Molly to the vet tomorrow. 13. Vet. Molly. Cupboard shelves. Solomon. Noses and toeses but Moses supposes erroneously. 14. Coconuts are horses hooves. 15. The artist is at work only when he sleeps. 16. Take the “O” out of noose. Noose snoose snooze snore sneeze.

WK steigt auf die Leiter. Wirft seine Notizen in die Luft. Schreit. WK 1 tritt auf. Fängt die herumfliegenden Papierblätter auf.

Wer hat diese Notizen geschrieben? Nichts davon ergibt einen Sinn. Trotzki, die Nase der Kommunistischen Partei? Glauben Sie, das hier ist eine Bar-Mitzwa-Rede? Wann hatte Trotzki sein Schnurknäuel? Bewahre diese Notizen auf. Moses mutmasst tatsächlich. Moses mutmasst falsch – immer. Nimm den roten Keil. Behalte den roten Kreis. Sieh zu, ob das für dich Sinn macht.

WK climbs ladder. Throws notes. Shouting. WK 1 enters. Catches the sheets of paper as they are thrown.

Who wrote these notes? None of this makes sense. Trotsky the nose of the Communist Party? Do you think this is a Bar Mitzvah speech? When did Trotsky have his ball of string? Keep these notes. Moses supposes indeed. Moses supposes erroneously—always. Take the red wedge. Keep the red circle. See if you can make sense of this.

WK steigt von der Leiter.

Alles ist gut. Wir sind ruhig. Und kommen zurecht. Wir sind von Cervantes zu Sterne, von Sterne zu Gogol, von Gogol zu Schostakowitsch gegangen. Und jetzt sind wir in den 1930er Jahren. Die Kommunistische Partei ist in sich gespalten, reisst sich in Stücke. Und wir haben Bucharin, den loyalen Leutnant Lenins, Mitglied des Zentralkomitees. In den 1930ern kämpft er um sein Leben.

WK descends the ladder.

Das ist das Protokoll des Plenums des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Februar 1937.

It’s alright. We are calm. To get our bearings. We have gone from Cervantes to Sterne, from Sterne to Gogol, from Gogol to Shostakovich. And now we are in the 1930s. The Communist Party is divided against itself, tearing itself apart. And we have the figure of Bukharin, loyal lieutenant of Lenin, Central Committee member. By the 1930s he is fighting for his life.

WK 1 schiebt einen gepolsterten Stuhl in die Mitte der Projektionsfläche. WK 1 setzt sich auf den Stuhl.

WK climbs ladder. Reads from black notebook.

WK steigt auf die Leiter. Liest aus dem schwarzen Notizbuch.

This is the transcript of the plenum of the Central Committee of the Communist Party of the Union of Soviet Socialist Republics, February 1937.

Wessen sie mich auch immer bezichtigen, ist unwahr. (Gelächter. Lärm im Saal.) Warum lacht ihr? Hier gibt es nichts zu lachen. Aber ich gestehe nicht etwas, dessen ich nicht schuldig bin, weder heute noch morgen noch übermorgen. (Lärm im Saal.) Ich kann nicht umhin, mich an

Bucharin:

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Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

WK 1 pushes an upholstered chair into the center of the screen. WK 1 sits on the chair.

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ein bestimmtes Liedchen zu erinnern, das seinerzeit in der mittlerweile eingestellten Russischen Gazette veröffentlicht wurde: „Sie mögen mich schlagen, sie mögen mich besinnungslos schlagen, sie mögen mich zu Brei schlagen: Aber dieses Kind wird niemand töten, weder mit einem Stock noch mit einer Keule noch mit einem Stein.” (Gelächter überall im Saal.) Ich kann allerdings nicht behaupten, dass „mich niemand töten wird”. Kaganowitsch: Wer, wenn ich fragen darf, ist hier das Kind und wer die Person, die einen Stein schwingt? Bucharin: Offenbar bin ich es doch, der mit einem Stein niedergestreckt und geschlagen wurde. Und ich wage zu behaupten, kein einziges Mitglied des Plenums glaubt, dass ich eine Art „Stein” des Anstosses verberge, nicht einmal der versteinert dreinblickende Kamenew. Schkiriatow: Aber alle bezichtigen sich selbst. WK 2 betritt die Bühne mit einem grossen Sessel, den er auf dem Kopf trägt. WK 2 setzt sich in den Sessel.

Wenn ich wüsste, wer in diesem Zusammenhang was geglaubt hat, warum sie sich selbst bezichtigen, hätte ich es euch gesagt. Aber ich weiss es nicht. Molotow: Und sind ihre Aussagen plausibel? Bucharin: Ja, sie sind plausibel. Eine Stimme: Du lügst! Bucharin: Du kannst „Du lügst” sagen, so lange du willst. Mikojan: Und wenn Rykow auf deine Bemerkung anspielend sagt, wo Rauch ist, ist auch Feuer – sagt er da die Wahrheit? Bucharin: Es kann ja im Allgemeinen ohne Feuer keinen Rauch geben. (Gelächter.) Mikojan: Nun, das ist genau das, worüber wir sprechen. Bucharin:

Bukharin: Whatever they are testifying against me is not true. (Laughter, noise in the room.) Why are you laughing? There is nothing funny in all this. But I cannot admit, either today or tomorrow or the day after tomorrow, anything which I am not guilty of. (Noise in the room.) I feel compelled to recall a certain ditty, which was published in its time in the now defunct Russian Gazette: “They may beat me, they may beat me senseless, they may beat me to a pulp. But nobody’s gonna kill this kid, not with a stick, a bat, or a stone.” (Laughter breaks out throughout the room.) I cannot say, however, that “nobody is gonna kill me.” Kaganovich: Who, may I ask, is the kid here, and who the person wielding a stone? Bukharin: Obviously it was I who was struck and beaten with a stone. And now not a single member of the plenum, I dare say, thinks that I am concealing some sort of “stone” of resentment, not even the stonefaced Kamenev. Shkiriatov: But they are all testifying against themselves.

WK 1 klatscht mit den Händen.

WK 2 enters carrying a large armchair on his head. WK 2 sits in the armchair. Bukharin: If I know who believed what in connection with this, why they were testifying against themselves, I would have told you. But I don’t know… Molotov: And is their testimony plausible? Bukharin: Yes, it’s plausible. A voice: You’re lying! Bukharin: You can say “You’re lying!” all you want. Mikoyan: And when Rykov, speaking about your note, says that where there is smoke, there is fire—is he telling the truth? Bukharin: Generally speaking, it seems there can be no smoke without fire. (Laughter.) 138

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Aber das wirft eine andere Frage auf. Inwiefern kannst du meine Bemerkung als „Rauch” bezeichnen? Gestatte mir, einen „gemeinen Kampf ” nicht nur gegen mich selbst zu führen, sondern gegen alle meine früheren Mitstreiter. Wenn du sagst, dass ich das NKWD diskreditieren möchte, dann muss ich verkünden, dass es absolut nicht in meiner Absicht lag, so etwas zu tun.

Mikoyan:

Bucharin:

WK 1 claps hands.

But that brings up another question. To what extent can you call my note “smoke”? Allow me to conduct a “vicious struggle” not only against myself but also against all of my former allies. If you say that I wanted to discredit the NKVD, then I must declare that I had absolutely no intention of doing so. Bukharin:

WK 1 verlässt die Bühne nach rechts. Losowski:

Well, that’s precisely what we are talking about.

Du hast geschrieben, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt.

WK 1 leaves stage right.

WK 2 bemerkt, dass WK 1 weggegangen ist, zieht den Stuhl von WK 1 vor seinen Stuhl und legt seine Lozovsky: You

Füsse darauf.

Die Nachfrage bestimmt das Angebot – das bedeutet, dass die, die hier Bezichtigungen aussprechen, den Charakter der herrschenden Atmosphäre kennen. (Gelächter, Lärmen im Saal.) Postischow: Von welcher Atmosphäre sprichst du? Bucharin:

wrote that it is demand that produces supply.

WK 2 sees WK 1 has left. He reaches across and moves WK 1’s chair in front of his chair and puts his feet up.

Demand produces supply—that means that those who give testimony know the nature of the general atmosphere. (Laughter, noise in the room.) Postyshov: What kind of atmosphere are you talking about? Bukharin:

WK 1 betritt die Bühne: Sieht, dass sein Stuhl fehlt. Hockt sich an die Wand.

Die ganze Tragödie meiner Situation besteht darin, dass dieser Pjatakow und andere seinesgleichen die Atmosphäre so vergiftet haben, dass ein Klima entstand, in dem niemand mehr menschlichen Gefühlen Glauben schenkt – weder Emotionen noch Herzensregungen noch Tränen. (Gelächter) Viele Manifestationen menschlichen Fühlens, die früher als eine Form des Beweises erachtet wurden – und darin lag nichts Beschämendes –, haben heute ihren Wert und ihre Kraft verloren. Kaganowitsch: Du warst zu oft doppelzüngig! Bucharin:

WK 1 enters. Sees his chair is missing. Squats against the wall. Bukharin: The whole tragedy of my situation lies in this, that this Piatakov and other like him so poisoned the atmosphere, such an atmosphere arose that no one believes human feelings—not emotions, not the impulses of the heart, not tears. (Laughter.) Many manifestations of human feeling, which had earlier represented a form of proof—and there was nothing shameful in this—have today lost their validity and force. Kaganovich: You practiced too much duplicity!

WK 2 schiebt den Stuhl von der Bühne.

WK 2 slides chair off stage.

Genossen, lasst mich zu dem, was geschehen ist, Folgendes sagen – Chlopljankin: Es ist Zeit, dich ins Gefängnis zu werfen! Bucharin: Was? Chlopljankin: Man hätte dich schon lange ins Gefängnis werfen sollen! Bucharin: Meine Sünden gegenüber der Partei waren sehr schwerwiegend. Ich habe gestanden, dass ich von 1930 bis 1932 viele politische Sünden begangen habe. Aber mit derselben Nachdrücklichkeit, mit der ich meine tatsächliche Schuld eingestehe, mit genau derselben Nachdrücklichkeit streite ich die Schuld ab, die mir auferlegt wird, und ich werde sie immer abstreiten. Und nicht nur deshalb, weil dies für mich persönlich von Bedeutung ist, sondern weil ich glaube, dass niemand, unter welchen Umständen auch immer irgendetwas ohne Not auf sich nehmen sollte, besonders wenn die Partei es nicht braucht, wenn das Land es nicht braucht, wenn ich es nicht brauche. (Lärm im Saal, Gelächter.) Bucharin:

Comrades, let me say the following concerning what happened— Khlopiankin: It’s time to throw you in prison! Bukharin: What? Khlopiankin: You should have been thrown in prison a long time ago! Bukharin: My sins before the party have been very grave. I’ve confessed these sins. I confessed that from 1930 to 1932 I committed many political sins. But with the same forcefulness with which I confess my real guilt, with that same forcefulness I deny the guilt which is thrust upon me, and I shall deny it forever. And not because it has only personal significance, but because I believe no one should under any circumstances take upon himself anything superfluous, especially when the party doesn’t need it, when the country doesn’t need it, when I don’t need it. (Noise in the room, laughter.) Bukharin:

WK 1 nimmt den Sessel und trägt ihn auf seinem Kopf von der Bühne.

WK 1 picks up armchair, carries it off on his head.

… I should say, first of all, that I know the Central Committee well enough to say

… Ich sollte vor allem sagen, dass ich das Zentralkomitee gut genug kenne, um 140

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behaupten zu können, dass sich das ZK niemals einschüchtern lässt. Chlopljankin: Warum hast du geschrieben, dass du deinen Hungerstreik nicht abbrechen wirst, bis die Anklagen gegen dich fallen gelassen werden?

that the CC can never be intimidated. Khlopiankin: Why did you write that you won’t end your hunger strike until charges against you have been dropped?

WK 1 tritt auf und schiebt eine Chaiselongue auf Rädern herein. Er setzt sich auf die Chaiselongue. Er

WK 1 enters sliding chaise longue on wheels. He sits on the chaise longue. He takes off his shoes and

zieht seine Schuhe aus und legt sich hin.

lies down.

Genossen, ich bitte euch inständig, mich nicht zu unterbrechen, weil es mir schwerfällt, einfach körperlich schwerfällt zu sprechen. Ich beantworte jede mir gestellte Frage, aber bitte unterbrecht mich jetzt nicht. Ich werde mich nicht erschiessen, weil man dann sagen würde, ich hätte mich umgebracht, um der Partei zu schaden. Wenn ich aber sozusagen an einer Krankheit sterbe, was verliert ihr denn dadurch? (Gelächter) Woroschilow: Habt ihr gehört: „Ich werde mich nicht erschiessen, aber ich werde sterben”?! Bucharin: Ihr habt leicht reden über mich. Was verliert ihr denn? Seht, wenn ich ein Saboteur bin, ein Hundesohn, warum mich dann verschonen? Ich beanspruche nichts. Ich lege nur dar, was ich denke und was ich durchmache. Wenn daraus irgendein noch so winziger politischer Schaden resultiert, dann werde ich, keine Frage, tun, was immer ihr wollt. (Gelächter.) Warum lacht ihr? Hier gibt es absolut nichts zu lachen … Bitte erlaubt mir auszureden und die ganze Sache so gut ich kann zu erklären. Kaganowitsch: Du kannst es aber nicht gut erklären – das ist ja das Problem. Bucharin:

Bukharin:

Comrades, I implore you not to interrupt me, because it is difficult for me, it is simply physically hard for me to speak. I will answer any question posed to me, but please do not interrupt me just now. I won’t shoot myself, because then people will say I killed myself as to harm the party. But if I die, as it were, from an illness, then what will you lose by it? (Laughter.) Voroshilov: Did you hear that: “I won’t shoot myself, but I will die”?! Bukharin: It’s easy for you to talk about me. What will you lose, after all? Look, if I am a saboteur, a son of a bitch, then why spare me? I make no claims to anything. I am just describing what’s on my mind, what I am going through. If this in any way entails any political damage, however minute, then, no question about it, I’ll do whatever you say. (Laughter.) Why are you laughing? There is absolutely nothing funny about any of this … Please permit me to finish and explain this whole business to the best of my ability. Kaganovich: You are not very good at explaining it—that’s the whole point. The chaise longue slowly splits in two. WK 1 is balanced across the two halves.

Langsam teilt sich die Chaiselongue in zwei Teile. WK hält sich balancierend auf den zwei Hälften. 1

Bukharin: Whether I explain it well or poorly, I am speaking sincerely, my thoughts are sincere. Kaganovich: Not every act of sincerity is correct. Bukharin: In any case, I am speaking sincerely. Molotov: And we too are criticizing you sincerely. (Laughter. Uproar in the room.) Bukharin: … Comrades, I implore you not to interrupt me, because it is difficult for

Gleich, ob ich es gut oder schlecht erkläre, ich spreche aufrichtig, meine Gedanken sind aufrichtig. Kaganowitsch: Aufrichtigkeit ist nicht unbedingt korrekt. Bucharin: Wie auch immer, ich spreche aufrichtig. Molotow: Und auch wir kritisieren dich aufrichtig. (Gelächter. Unruhe im Saal.)

Bucharin:

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Genossen, ich bitte euch inständig, mich nicht zu unterbrechen, weil es mir schwerfällt, einfach körperlich schwerfällt zu sprechen. Stimmen: Erpresser! Woroschilow: Du Schurke! Halt die Schnauze! Was für eine Niederträchtigkeit! Wie kannst du es wagen, so zu sprechen! Bucharin: Aber ihr müsst doch verstehen – es fällt mir sehr schwer, weiterzuleben.

me, it is simply physically hard for me to speak. Voices: Blackmailer! Voroshilov: You scoundrel! Keep you trap shut! How vile! How dare you speak like that! Bukharin: But you must understand—it’s very hard for me to go on living.

Bucharin:

The chaise longue separates. WK 1 falls to the floor. Stalin:

Die Chaiselongue driftet auseinander. WK fällt auf den Boden. 1

And it’s easy for us?! (Noise in the room, prolonged laughter.)

WK 1 stands up. Freezes. Stalin:

Fällt es uns etwa leicht!? (Lärm im Saal, anhaltendes Gelächter.)

WK freezes. Stage lights off.

WK steht auf. Erstarrt.

Music—Philip Miller.

WK erstarrt.

Projection of a procession of shadows and paper cutouts.

Bühnenlicht aus.

Music ends.

1

Musik – Philip Miller Projektion einer Folge von Schatten und Papierausschnitten. Musik endet.

Roll cr e dits Stage direction: S ue Pam - G rant

N achspann

Editing: C atherine M eyburgh Music: P hilip M iller

Bühnenleitung: S ue Pam - G rant

Galop Band: Dan S elsick trombone

Redaktion: C atherine M eyburgh

B illy M iddleton tuba

Musik: P hilip M iller

A dam H oward trumpet

Galop Band: Dan S elsick Posaune

N tokozo Z unga Castrol tin-can guitar

B illy M iddleton Tuba

B ethuel M bonani percussion

A dam H oward Trompete

T hulani M anaka lead vocals

N tokozo Z unga Castrol-Blechkanister-Gitarre © WILLIAM KENTRIDGE 2008

B ethuel M bonani Perkussion T hulani M alaka Hauptsänger © WILLIAM KENTRIDGE 2008

END

ENDE

144

Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

William Kentridge

I am not me, the horse is not mine

145


Der vorangegangene Text wird von William Kentridge als Theatermonolog oder „Vortrag/Performance” aufgeführt. Zuerst auf der Sydney Biennale 2008 vorgestellt und danach in Kapstadt, Seattle, San Francisco, New York, Neapel, Aix-enProvence, Kyoto, Hiroshima, Seoul und Mülheim gezeigt. Erstmals erschienen in: October, Nr. 134, 2010, S. 28–51. In der vorliegenden Publikation leicht adaptiert wiedergegeben. This text above is performed by William Kentridge as a theatrical monologue, or “lecture/performance.” It was first presented at the Sydney Biennale of 2008 and has subsequently been seen in Cape Town, Seattle, San Francisco, New York, Naples, Aix-en-Provence, Kyoto, Hiroshima, Seoul, and Mulheim. First published in: October, No. 134, 2010, pp. 28–51. In this publication slightly adapted.

Zitatquellen und Referenzen: Nikolai Gogol: Die Nase, übersetzt von Wilhelm Lange, Stuttgart 1952. Laurence Sterne: Tristram Shandy, übersetzt von Siegfried Schmitz unter Zugrundelegung

der Übertragung von J. J. Bode, München/Zürich 1963.

Miguel de Cervantes de Saavedra: Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha,

übersetzt von Ludwig Braunfels, Düsseldorf 2000.

Für das Protokoll des Plenums des Zentralrats der KP (Englisch): J. Arch Getty,

146

Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

William Kentridge

Oleg V. Naumov: The Road to Terror. Stalin and the Self-Destruction of the Bolsheviks,

1932-1939, New Haven 2010.

I am not me, the horse is not mine

147


148

Ensemble (for The Nose), 2009 / 2015

CO S T UME M A Q UE T T E S

William Kentridge and Greta Goiris

149


The Nose at the Metropolitan Opera, New York, 2010

Production: W illiam K entridge Stage Directors: W illiam K entridge , L uc D e W it Set Designers: W illiam K entridge , S abine T heunissen Costume Designer: G reta G oiris Video Compositor and Editor: C atherine M eyburgh Lighting Designer: U rs S ch รถ nebaum Photographs by K E N H OWA R D

151


Metropolitan Opera, New York

153


Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

Sabine Schaschl

I am not me,the horse is not mine

155


Metropolitan Opera, New York

157


Ich bin nicht ich, das Pferd ist nicht meines

Sabine Schaschl

I am not me,the horse is not mine

159


Metropolitan Opera, New York

161


162

Untitled, 2009

D rawing


164

Winter Palace, 2009

D rawing


166

Untitled (Nose on Horse), 2007

Painting

Untitled (Horse on Map), 2007

Painting

167


Untitled I, 2007

Sculpture

169


170

Untitled II, 2007

Sculpture

Untitled III, 2007

Sculpture

171


172

Untitled IV, 2007

Sculpture

Untitled V, 2007

Sculpture

173


174

Untitled VI, 2007

Sculpture

Untitled VII, 2007

Sculpture

175


176

Nose I (Scissors), 2007

Sculpture


178

Nose II (Walking), 2007

Sculpture


180

Megaphone, 2008

Sculpture

Man with Flag, 2008

Sculpture

Man with Globe, 2008

Sculpture

181


182

Promised Land, 2008

T a p e str y


184

Promised Land, 2008 (Details)

T a p e str y

185


186

Aegyptus Inferior, 2008

T a p e str y


188

Aegyptus Inferior, 2008 (Details)

T a p e str y

188

Sabine Schaschl

I am not me,the horse is not mine

189


190

Pianta della Citta di Napoli, 2009

T a p e str y


192

Pianta della Citta di Napoli, 2009 (Details)

T a p e str y

193


Nose (with Strawberries), 2012

T a p e str y

195


196

Streets of the City, 2009

T a p e str y


198

Design for Peripheral Thought No. 1, 2015 (Detail)


200

Traité d’Arithmétique, 2007

L I T HO G R A PH P R I N T


202

News from Nowhere, 2007

L I T HO G R A PH P R I N T


204

Nose with Moustache on Horse, 2007

L I T HO G R A PH P R I N T

Wittgenstein’s Rhinoceros, 2007

L I T HO G R A PH P R I N T

205


206

Damned Squares of this Shameless City, 2009

L it h o gra p h P R I N T


208

Rumours and Impossibilities, 2010

sil k s c r e e n P R I N T

Entirely Not So, 2010

sil k s c r e e n P R I N T

209


210

Almost Don’t Worry, 2010

L I N OCU T P R I N T

Take Off Your Hat, 2010

L I N OCU T P R I N T

XA XA XA, 2010

L I N OCU T P R I N T

211


212

Nose 1–6, 2007

E T CH I N G Prints


214

Nose 7–12, 2007

E T CH I N G Prints


216

Nose 13–18, 2007

E T CH I N G Prints


218

Nose 19–24, 2007

E T CH I N G Prints


220

Nose 25–30, 2007

E T CH I N G Prints


222

Odalisque, 2010

E T CH I N G Print

El Lissitzky, 2010

E T CH I N G Print

Mirror, 2010

E T CH I N G Print

Chaise Longue, 2010

E T CH I N G Print

223


224

Nose on a White Horse, 2010

E T CH I N G Print


Werke und Abbildungen List of works and plates

C o st u m e Maq u e tt e s

William Kentridge and Greta Goiris Ensemble (Costume maquettes for The Nose), 2009 / 2015 Wood, cotton paper, steel, wood stain and crayon 150 x 356 x 15 cm Collection of the artist pp. 148–149

D rawing

Drawings for The Nose on pages from The Illustrated London News, 2009 Media variable, including paper collage, charcoal, Indian ink, coloured pencil, white-out on paper Dimensions variable Collection of the artist pp. 1–6; 236–240 Untitled, 2009 Indian ink on hand-made paper 387 x 272 cm Collection of the artist p. 163 Winter Palace, 2009 Indian ink on book pages 128 x 148. cm Collection of the artist pp. 164–165 Nude I (the Nose), 2009 Charcoal on paper 43 x 43 cm Private collection p. 232

Painting

Untitled (Nose on Horse), 2007 Acrylic, Indian ink and watercolour on canvas 226 x 226 cm The Ekard Collection p. 166

Courtesy der Künstler, Goodman Gallery, Marian Goodman Gallery und Galleria Lia Rumma   Unl e ss stat e d o t h e rwis e : Courtesy of the artist, Goodman Gallery, Marian Goodman Gallery and Galleria Lia Rumma

W e nn ni c h t and e rs v e r m e r k t:

Untitled (Horse on Map), 2007 Acrylic, Indian ink and watercolour on canvas 147.5 x 219.2 cm Private collection p. 167

List of works and plates

E T CH I N G P R I N T

Nose 1, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 212 Nose 2, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 212 Nose 3, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 212 Nose 4, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 213 Nose 5, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 213 Nose 6, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 213

Nose 7, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 214 Nose 8, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 214 Nose 9, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 214 Nose 10, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 215 Nose 11, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 215 Nose 12, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 215

227


228

Nose 13, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 216

Nose 19, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 218

Nose 25, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 220

Nose 14, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 216

Nose 20, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 218

Nose 26, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 220

Nose 15, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 216

Nose 21, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 218

Nose 27, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 220

Nose 16, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 217

Nose 22, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 219

Nose 28, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 221

Nose 17, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 217

Nose 23, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 219

Nose 29, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 221

Nose 18, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 217

Nose 24, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 40 x 35 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 219

Nose 30, 2007 Sugarlift aquatint, drypoint and engraving on Somerset Velvet, Soft White paper 35 x 40 cm Edition of 50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 221

Werke und Abbildungen

Odalisque, 2010 Sugarlift aquatint, spitbite aquatint and drypoint on paper 50 x 40 cm Edition 13/40 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 222 El Lissitzky, 2010 Sugarlift aquatint, etching, drypoint and burnishing on paper 40 x 35 cm Edition 13/40 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 222 Mirror, 2010 Sugarlift aquatint, spitbite, aquatint and drypoint on paper 35 x 40 cm Edition 13/30 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 223 Chaise Longue, 2010 Sugarlift aquatint and drypoint on paper 35 x 40 cm Edition 18/50 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 223 Nose on a white Horse, 2010 Aquatint 50 x 30 cm Edition 33/40 Printed by Jillian Ross David Krut Print Workshop (DKW) p. 225

L I N OCU T P R I N T

Almost Don’t Worry, 2010 Linocut on paper 115.8 x 110 cm Edition 22/40 Printed by Artist Proof Studio p. 210 Take Off Your Hat, 2010 Linocut on paper 53 x 77.5 cm Edition 2/40 Printed by Artist Proof Studio p. 211

List of works and plates

XA XA XA, 2010 Linocut on paper 109.5 x 69.5 cm Edition 23/40 Printed by Artist Proof Studio p. 211

L I T HO G R A PH p rint

Traité d’Arithmétique, 2007 Hand lithograph and collage 160 x 122 cm Edition 26/36 Printed by The Artists’ Press p. 201 News from Nowhere, 2007 Hand lithograph and collage 160 x 122 cm Edition 26/35 Printed by The Artists’ Press p. 203 Nose with Moustache on Horse, 2007 Two colour lithograph and collage 75 x 64 cm Edition of 25 Printed by The Artists’ Press Private collection p. 204 Wittgenstein’s Rhinoceros, 2007 Two colour lithograph and collage 160 x 122 cm Edition 26/37 Printed by The Artists’ Press p. 205 Damned Squares of this Shameless City, 2009 Single colour chine collé lithograph 52 x 59 cm Edition 2/40 Printed by The Artists’ Press p. 207

PHO T O G R A VU R E P R I N T

Untitled (Rozinante), 2010 Photogravure 32 x 34 cm Edition 26/30 Printed by Randy Hemminghaus p. 13

Untitled (Senseless Requests), 2010 Photogravure 44 x 59 cm Edition 26/30 Printed by Randy Hemminghaus p. 22 Untitled (I am Not Me), 2010 Photogravure, sugarlift, aquatint and burnishing 44 x 61 cm Edition 26/30 Printed by Randy Hemminghaus p. 23 Untitled (You are Lying), 2010 Photogravure, sugarlift, aquatint and drypoint 42.5 x 50 cm Edition 26/30 Printed by Randy Hemminghaus p. 24 Untitled (Portable Monuments), 2010 Photogravure, sugarlift, aquatint with drypoint and burnishing 42 x 48 cm Edition 26/30 Printed by Randy Hemminghaus p. 25 Untitled (The Shadow of a Shadow), 2010 Photogravure 42 x 50 cm Edition 26/30 Printed by Randy Hemminghaus p. 27

S I L K S C R EE N P R I N T

Rumours and Impossibilities, 2010 Silkscreen on paper 160 x 108 cm Edition 2/30 Printed by The Caversham Press p. 208 Entirely Not So, 2010 Silkscreen on paper 160 x 108 cm Edition 2/30 Printed by The Caversham Press p. 209

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sculpture

Sculpture for Return (Double Half Horse), 2008 Bronze 80 x 40 x 26 cm AP2 Cast by Bronze Age Foundry p. 79 Untitled I, 2007 Bronze 32 x 39 x 22 cm Edition unnumbered Cast by Bronze Age Foundry Collection of the artist p. 169 Untitled II, 2007 Bronze 38 x 45 x 20 cm AP2 Cast by Bronze Age Foundry Collection of the artist p. 170 Untitled III, 2007 Bronze 30 x 36 x 19 cm AP2 Cast by Bronze Age Foundry Collection of the artist p. 171 Untitled IV, 2007 Bronze 32 x 48 x 20 cm AP2 Cast by Bronze Age Foundry Collection of the artist p. 172 Untitled V, 2007 Bronze 38 x 33 x 24 cm AP2 Cast by Bronze Age Foundry Collection of the artist p. 173 Untitled VI, 2007 Bronze 42 x 46 x 19 cm Edition un numbered Cast by Bronze Age Foundry Collection of the artist p. 174

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Werke und Abbildungen

Untitled VII, 2007 Bronze 47 x 44 x 22 cm AP2 Cast by Bronze Age Foundry Collection of the artist p. 175 Nose I (Scissors), 2007 Bronze 35 x 14 x 13 cm Edition 16/20 Cast by Bronze Age Foundry p. 177 Nose II (Walking), 2007 Bronze 32 x 13 x 16 cm Edition 15/20 Cast by Bronze Age Foundry p. 179 Megaphone, 2008 Bronze 20 x 29 x 13 cm Edition 2/20 Cast by Bronze Age Foundry p. 180 Man with Flag, 2008 Bronze 29 x 30 x 28 cm Edition 13/20 Cast by Bronze Age Foundry p. 180 Man with Globe, 2008 Bronze 28 x 25 x 20 cm Edition 13/20 Cast by Bronze Age Foundry p. 181

T a p e str y

Promised Land, 2008 Tapestry from hand-carded and -spun mohair 370 x 430 cm Edition of 6 Woven in the Stephens Tapestry Studio, South Africa and Swaziland Directed by Marguerite Stephens Head weavers: Margaret Zulu and June Xaba Courtesy of the artist, Marguerite Stephens and Goodman Gallery pp. 182–185

Aegyptus Inferior, 2008 Tapestry from hand-carded and -spun mohair 350 x 430 cm Edition of 6 Woven in the Stephens Tapestry Studio, South Africa and Swaziland Directed by Marguerite Stephens Head weavers: Margaret Zulu and June Xaba Courtesy of the artist, Marguerite Stephens and Goodman Gallery pp. 186–189

Design for Peripheral Thought No. 1, 2015 Paper, wire, coloured pencil, Indian ink and collage on found pages 48 x 59 cm Courtesy of the artist, Marguerite Stephens and Goodman Gallery pp. 198–199

Pianta della Citta di Napoli, 2009 Tapestry from hand-carded and -spun mohair 347 x 454 cm Edition of 6 Woven in the Stephens Tapestry Studio, South Africa and Swaziland Directed by Marguerite Stephens Head weavers: Margaret Zulu and June Xaba Courtesy of the artist, Marguerite Stephens and Goodman Gallery pp. 190–193

I am not me, the horse is not mine, 2008 Installation of 8 film fragments for projection DV cam, HD video Edition of 11 Duration 6 minutes pp. 32–33, 35–63, 68, 81–103

Nose (with Strawberries), 2012 Tapestry from hand-carded and -spun mohair 345 x 234 cm Edition of 6 Woven in the Stephens Tapestry Studio, South Africa and Swaziland Directed by Marguerite Stephens Head weavers: Margaret Zulu and June Xaba Courtesy of the artist, Marguerite Stephens and Goodman Gallery pp. 194–195

Music: Galop | Music composition by Philip Miller Ngilahlekelelwe Ikhala Lami | Music arrangement by Philip Miller with music and lyrics by Richard Siluma and Thulani Manana Choir: Thulani Manana and Abanikazi Bomkhalanga

Streets of the City, 2009 Tapestry from hand-carded and -spun mohair 440 x 443 cm Edition of 6 Woven in the Stephens Tapestry Studio, South Africa and Swaziland Directed by Marguerite Stephens Head weavers: Margaret Zulu and June Xaba Courtesy of the artist, Marguerite Stephens and Goodman Gallery pp. 196–197

Vid e O S T I L L S F R OM I N S T A L L A T I O N

Video Editor: Catherine Meyburgh Composer: Philip Miller Animation Assistants : Gerhard Marx, Naomi van Niekerk and Catherine Walker

Galop Band: Dan Selsick–trombone Billy Middleton–tuba Adam Howard–trumpet Ntkozo Zunga–Castrol tin-can guitar Bethuel Mbonani–percussion Thulani Manaka–lead vocals Dancing Figure: Thato Motlhaolwa

List of works and plates

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William Kentridge (geb. 1955 in Johannesburg, Südafrika) schliesst sein Studium der Politikwissenschaften und Afrikanistik an der University of the Witwatersrand 1976 mit dem Bachelor ab, danach folgen sein Kunststudium an der Johannesburg Art Foundation (1976–1978) sowie sein Theater- und Schauspielstudium an der École Internationale de Théâtre Jacques Lecoq in Paris (1981/1982). Seither künstlerische Tätigkeit auch als Schauspieler, Bühnenbildner, Drehbuchautor, Regisseur und Filmemacher. Als bildender Künstler hat Kentridge Ausstellungen in zahlreichen renommierten Institutionen, u. a. in der Albertina, Wien, im Louvre, Paris, im Museum of Modern Art, New York, (alle 2010) und in der Tate Modern, London (2012). Beiträge zur documenta X, XI und XIII sowie zur Biennale von Venedig in den Jahren 1993, 1999, 2005 und 2015. Kentridge ist Träger zahlreicher Auszeichnungen, u.a. erhält er 2010 den KyotoPreis und wird 2015 als Ehrenmitglied der London Royal Academy nominiert. Verleihung diverser Ehrendoktortitel, darunter der University of London und der Yale University in New Haven.

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Nude I (the Nose), 2009

D rawing

Biografie

Biography

William Kentridge (born in 1955 in Johannesburg, South Africa) graduated from the University of the Witwatersrand in 1976 with a bachelor’s degree in politics and African studies. He then studied art at the Johannesburg Art Foundation (1976–1978), as well as theatre and acting at École Internationale de Théâtre Jacques Lecoq in Paris (1981/1982). Since then, he has worked in the domain of the arts, also as an actor, stage designer, scriptwriter, director and filmmaker. As a visual artist, Kentridge has had exhibitions at numerous renowned institutions, including the Albertina in Vienna, the Louvre in Paris, the Museum of Modern Art in New York (all in 2010) and the Tate Modern in London (2012). He contributed to documenta X, XI and XIII, as well as to the Venice Biennale in 1993, 1999, 2005 and 2015. Amongst many awards and honours, Kentridge received the Kyoto Prize in 2010 and was nominated as an Honorary Academician of London’s Royal Academy in 2015. He has received honorary doctorates from several universities, including the University of London and Yale University.

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Museum Haus Konstruktiv Selnaustrasse 25 CH-8001 Zürich www.hauskonstruktiv.ch

Direktorin, Leitende Kuratorin / Director, Chief Curator: Sabine Schaschl Kuratorin, Ausstellungskoordination / Curator, Exhibition Coordinator: Evelyne Bucher Wissenschaftliche Volontärin, Kuratorische Assistenz / Research Assistant, Curatorial Assistant: Jasmin Eckhardt Office Manager: Manuela Nüesch Assistentin Office Management /  Office Management Assistant: Christina Schütz Fundraising, development: Joy Neri-Preiss Presse- und Öffentlichkeitsarbeit /  Press and public relations: Flurina Ribi Forster Kunstvermittlung / Art mediation: Ladina Gerber

Aufbau / Assembly: Kevin Aeschbacher, Matthias Bosshard, Silke Küste MitarbeiterInnen Empfang und Museumsshop / Ticket office and museum shop staff: Marie-Louise Greve, Martina Künzler, Fabienne Schultheiss Aufsicht / Museum Custodians: Ruth Fehr, Emil Gut, Ernst-Peter Hebeisen, Dagmar Heinrich, Orlando Maglio, Claude Meyer, Ursula Müller Ehrenamt (Aufsicht, Museumscafé) / Volunteers (Museum Custodians, museum coffee shop): Ima Avalos, Ingrid Battistini, Charlotte Briner, Doris d’Hondt, Christoph Dill, Katharina Ehrenberg, Hans-Jakob Egli, Susi Fehr, Roy Felix, Brigitte Flückiger, Markus Frey, Nada Gehrig, Maria Hartmann, Jolanda Hatos, Beatrice Huldi, Doris Kessler, Armi Klingler, Monika Kuss, Irene Lanter, Jürgen Luginbühl, Anni Mäder, Rosmarie Müller, Marlise Pache, Rosemarie Pavoni, Lea Peng, Silvana Ravegnini, Barbara Rejman, Lisa Rellstab, Edith Schmid, Herma Schmitt, Nathalie Senn, Urs Thali, Inge Uebelhard, Jakob Urech, Brigitte Zerbst (Stand / as of 31.4.2015)

Leitung Museumstechnik /  Technical support: Oliver Meier, Sebastian Mundwiler

Leitung Museumscafé und Empfang / Museum coffee shop and ticket office management: Rita Capaul

William Kentridge – The Nose Museum Haus Konstruktiv, Zürich 4. Juni 2015 – 6. September 2015 4 June 2015–6 September 2015

Herausgeber / Editor: Sabine Schaschl, Stiftung für konstruktive, konkrete und konzeptuelle Kunst, Museum Haus Konstruktiv, Zürich Konzept / Concept: Sabine Schaschl mit / with Evelyne Bucher, Anne McIlleron und / and Harald Pridgar Redaktion, Koordination / Editing, coordination: Evelyne Bucher, Sabine Schaschl Recherche / Research: Jasmin Eckhardt Lektorat / Copyediting: Dirk Höfer, Berlin (e); Britta Schröder, schroederworks, Frankfurt am Main (d/g) Übersetzung aus dem Deutschen ins Englische / Translation from German into English: Simon Thomas, Berlin Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche / Translation from English into German: Dirk Höfer, Berlin Grafische Gestaltung / Graphic design: Harald Pridgar, Frankfurt am Main Druck / Printing: DZA Druckerei zu Altenburg GmbH

Umschlagabbildung / Cover Illustration: © The artist Courtesy: Goodman Gallery, Johannesburg

Bibliothek / Library: Barbara Keeris

Ausstellung

Stadt Zürich, Präsidialdepartement Fachstelle Kultur Kanton Zürich Zurich Insurance Group

Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung / This catalogue is published on the occasion of the exhibition

© 2015, Stiftung für konstruktive, konkrete und konzeptuelle Kunst, Museum Haus Konstruktiv, Zürich; Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln; der Künstler / the artist, die Fotografen / the photographers, und die Autoren / and the authors

Leitung Museumsshop und Empfang, Editionen / Museum shop and ticket office management, editions: Melanie Fries

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Museum Haus Konstruktiv wird unterstützt von seinen DonatorInnen, GönnerInnen, Club Fonds Konkret, Fördermitgliedern und FreundInnen, ausserdem von / Museum Haus Konstruktiv receives support from its donors, patrons, Club Fonds Konkret, support group members and friends, as well as:

Exhibition

Katalog

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar. Bibliographic information published by Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data is available in the Internet at http://www.dnb.de

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Catalogue

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Untitled, 2009

DR AW INGS on T he Illustr ated London New s


Untitled, 2009

DR AW INGS on T he Illustr ated London New s


Untitled, 2009

DR AW ING on T he Illustr ated London New s



William Kentridge ist einer der meistbeachteten Künstler unserer Zeit. Die vorliegende Publikation erscheint anlässlich seiner ersten Schweizer Einzelschau und ist dem multimedialen Werkzyklus The Nose gewidmet. Dieser ist im Zuge seiner Inszenierung von Schostakowitschs gleichnamiger Oper für die Metropolitan Opera in New York entstanden und basiert auf Nikolai Gogols surrealistischer Kurzgeschichte Die Nase von 1836. Neben der gross angelegten Videoinstallation I am not me, the horse is not mine, die u. a. 2012 in der Tate Modern in London zu sehen war, zeigt das Museum Haus Konstruktiv erstmals auch Werke, die im Zusammenhang mit The Nose entstanden und kaum bekannt sind, darunter Skulpturen, Tapisserien und Papierarbeiten. Kentridge selbst bezeichnet den Werkkomplex als eine Elegie auf die künstlerische Sprache der russischen Konstruktivisten und deren Impulse für einen gesellschaftlichen Neubeginn. William Kentridge is one of the most highly regarded artists of our time. This publication is released on the occasion of his first Swiss solo exhibition and is devoted to the multimedia cycle of works entitled The Nose. He produced this cycle while working on his staging of Shostakovich‘s eponymous opera at the Metropolitan Opera in New York and it is based on Nikolai Gogol‘s surreal short story The Nose from 1836. In addition to the large-scale video installation I am not me, the horse is not mine, which has previously been shown, for instance, at London‘s Tate Modern in 2012, Museum Haus Konstruktiv is also exhibiting a number of little-known works for the first time—works that were produced in connection with The Nose, including sculptures, tapestries and paper works. Kentridge himself describes this work-complex as an elegy for the artistic language of the Russian constructivists and their stimuli for a societal new beginning.

Museum Haus Konstruktiv Zürich ISBN 978-3-86335-771-9 Verlag der Buchhandlung Walther König


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