NOVEMBER 2004
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facts & fiction
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Totgesagte leben länger!
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UEDITORIAL
nd wie oft hat man uns nicht schon totgesagt. Aber auch Liebhaber unseres skurrilen Blattes dürften sich nach der einsamen Aprilausgabe gefragt haben: Kommt da noch was? Es kommt, wenn auch deutlich später als erwartet. Das ist wiederum der massiv ausgedünnten Personaldecke in der Redaktion zu verdanken: Die Kollegen Grundorf und Paulin weilen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Kollege Kosack schickt seine Malpensant-Beiträge mittlerweile aus Athen, und selbst der daheimgebliebene Kollege Berendes verliert immer wieder wertvolle Zeit in hochschulpolitischen Kamikazeattacken. Andere würden nun eingedenk dieser traurigen Lage das Heulen und Zähneklappern anstimmen, wir aber bleiben munter und vergnügt und halten es mit denen, die sich den Mangel zur Tugend umdeuten (hat ja in der DDR auch lange genug funktioniert): Während nämlich der Auslandsaufenthalt von Grundorf und Paulin das Erscheinen dieser Ausgabe erheblich verzögerte, ermöglichte er doch gleichzeitig auch profunde Einblicke in die Untiefen des amerikanischen Alltags. Und wenn unsere Männer in Glassboro die Wiederwahl von George Walker Bush auch nicht verhindern konnten, so tragen sie doch ab Seite fünf all das zusammen, was Ihr niemals über Amerika wissen wolltet. Aber auch sonst gibt es wieder den gewohnt charmanten Mix aus Alltag und Wahnsinn, und keine Angst: Dieses Mal droht keine lange Sommerpause, denn schon im Dezember sehen wir uns wieder. Zwar sind Maik Möller und Bodo Geerds mittlerweile viel zu berühmt, um noch Plätzchen für uns zu backen, aber wir lassen uns was einfallen. Großes Indianerehrenwort! Euer Kommunikaze-Team
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Bis dahin spannende Lektüre wünscht
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EvENTS
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FICTION
Irgendwas mit Amerika ab Seite 5
Le Malpensant X Seite 10 Bahnhof der Konjunktive Seite 12
Zeitschrift für Facts & Fiction
Jan Paulin JP (ViSdP) Stefan Berendes SB Darren Grundorf DG Ines Bethge IB Ronny Kamrath RK Sven Kosack SK Stephanie Schulze ST Michael Weiner MW Nicolai von Ondarza NvO Anna Groß AG
verantwortlich Finanzen: Layout/Satz: Fotos:
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Redaktion:
fürJan Paulin Stefan Berendes Darren Grundorf
Himmel Herrgott nochmal! Seite 16 Ein Sommertag Seite 17
Online-Auftritt: Knud gentschen Felde Auflage: Realisation:
400 Exemplare Druckerei Klein, Osnabrück
Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge geben nicht zwingend die Meinung der gesamten Redaktion wieder. Für den Fall, dass in diesem Heft unzutreffende Informationen publiziert werden, kommt Haftung nur bei grober Fahrlässigkeit in Betracht.
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[IRGENDWAS MIT AMERIKA]
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Nach Fontanes Wanderung durch die Mark Brandenburg , Heines Harzreise und Petzi in Pingonesien wird die deutsche Reiseliteratur mit Darren Grundorfs (Schrift) und Jan Paulins (Bild) Fahrt in die USA um ein literarisches Filetstück bereichert, das schon jetzt ein Klassiker zu werden verspricht. Den Erstabdruck des Ende diesen Jahres in sieben Bänden erscheinenden Werks, gibt es natürlich nur hier in der Kommunikaze:
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Aller Anfang ist leicht: Paulin und Grundorf an fremden Gestaden und - noch - ungebrochen
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Amerika also.Von einem Spanier aus Zufall entdeckt, durch den weißen Mann von den Indianern befreit, wächst hier ab irgendwann ein Land heran, das einmal die Vinegrette unter den Nationen der Erde werden soll. Ein Land, in dem Träume noch wahr werden können und das Unmögliche noch möglich gemacht werden kann. Hier lebt eine Nation zusammengeschweißt aus vielen Nationalitäten! Eine Nation, in der alles viel größer und schöner ist! Eine Nation, die zum Mond fliegt! Eine Nation, die bei Kriegen und Olympia immer gewinnt und eine Nati-
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ie USA, wer kennt sie nicht. Die Vereinigten Staaten von Amerika. Über kein anderes Land und seine Bewohner gibt es wohl so viele Vorurteile wie über dieses. Amerikaner sind faul und bequem, dumm und oberflächlich, sie fressen den ganzen Tag ungesundes Zeugs und gucken dabei Fern und leben in einer Traumwelt fernab von jeglicher Realität. Wir befinden uns seit nunmehr sechs Wochen in den USA und müssen sagen: Alles stimmt! Für unsere Studienreise haben wir uns Glassboro, ein kleines, gemütliches Nest im Norden New Jerseys ausgesucht, was sich nach genauer Betrachtung als die wohl langweiligste und unspektakulärste Stadt nördlich des Äquators herausgestellt hat. Schlimmer ist es nur noch in der Uckermark, in die wir einmal gerieten, als wir uns auf dem Weg nach Berlin, wo wir unser Visum für die USA abholen sollten, verfuhren.
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Für unseren viermonatigen Besuch haben wir uns hier an der Rowan University eingeschrieben. Immerhin gibt uns das universitäre Umfeld die Möglichkeit ein wenig aus und von dem Leben junger Amerikanern zu erfahren. Was sie denken, wie sie denken, ob sie denken? Uns interessiert natürlich, was sie von uns Europäern denken. Was in ihrer Welt so vor sich geht und was sie in ihrem Alltag so bewegt. Emily (20) heißt auf jeden Fall dass Mädchen, das sich am Tag nach unserer Ankunft in der Cafeteria mit ihrer Pizza auf unseren Tisch zu bewegt. Ihr recht üppiger Hintern schiebt sich einen Bruchteil von einer Sekunde hinterdrein. Sie setzt sich. Emily ist recht aufgeregt, als sie feststellt, dass wir eine andere Sprache
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on, die große und in ihrem Wesen einmalige Menschen hervorgebracht hat (z.B. Martin Luther King, Bob Dylan, David Hasselhoff). Wir betreten amerikanischen Boden in einer Zeit der Angst und der Sicherheitsstufen eins bis zwei. Nicht einmal drei Jahre zuvor wurde die amerikanische Bevölkerung aus ihren Tagträumen gerissen, als hier zwei Maschinen der American Airline in die Türme des World Trade Centers rasten.Wir hingegen nehmen die klassische Variante und landen ganz unspektakulär auf Grundorf am Limit:Wie soll er die schrecklichen dem Flughafen des International Air- Erlebnisse in Worte fassen? port in Philadelphia.Vor uns liegt New Jersey, unser neues zu hause. New Jersey, auch genannt: The Garden State. Und tatsächlich erstreckt sich hier unter der Herbstsonne das satte Grün über Meilen hinweg, auf den Bäumen bahnt und raschelt sich der Wind seinen weg durchs Laub, ein paar Tauben plaudern im Geäst und auf den Wiesen tummeln sich die Eichhörnchen und hauen sich die Eicheln und Kastanien um die Ohren. Und hätte Bruce Springsteen in seinen Liedern nicht die Schönheit seiner Heimat schon so oft besungen, würde uns unsere Optik glatt überrennen, ob dieser grünen Vielfalt und den ganzen Tieren und so. Und da wo viel Wiese ist, ist meistens wenig Stadt. Und wo wenig Stadt ist, ist meistens nicht viel los (siehe auch Uckermark). Das merken wir schon bald, als wir in Glassboro, unserem Zielort, angekommen sind. Hier passiert rein gar nichts. Es wäre auch nichts da, wo etwas passieren könnte.
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Nach ein paar Wochen haben wir uns in Glassboro eingelebt und waren auch schon mal in einer richtigen Stadt. Philadelphia ist zum Glück nicht allzu weit entfernt und lockt uns immer wieder aufs neue durch Einrichtungen, die wir in Glassboro vergeblich suchen, wie beispielsweise: Geschäfte, Kneipen, Cafes oder Restaurants. Zurück an der Universität notieren wir uns ein paar Worte zur Kleiderordnung der Amerikaner. Eigentlich sehen alle gleich aus. Im obligatorischen Sweater der Universität präsentieren sich sowohl die Herren mit ihren Shorts und Turnschuhen, als auch die Damen mit Rock und Turnschuhen im athletischen Dress des Modeherbst 2004. Eine Ausnahme bilden zum einen die sogenannten Skater, die ein wenig lässiger gekleidet auf ihren Rollbrettern daherkommen. Weit größere Freude bereiten uns aber die jungen Männer, die der sogenannten Rap-Kultur zuzurechnen sind. Was diese Herren sich bevor sie das Haus verlasPaulin am Limit: Nach der Gabe von sen über Schulterblätter und Schenkel streiPsychopharmaka, die einen Elefanten fen, ist bisweilen von grausiger Komik. Bei ihtöten könnten, verarbeitet Jan das Er- nen ist in Sachen Kleiderordnung so ziemlich alles erlaubt, was vollkommen bekloppt auslebte spielerisch...
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sprechen und weiß zu berichten, dass ihre Freundin mal eine Mitbewohnerin hatte, die auch europäisch gesprochen hat. Sie zeigt sich ein wenig überrascht, als Jan ihr erklärt, dass wir deutsch sprechen und das fast jedes europäische Land seine eigene Sprache hat. Ich dachte, die sprechen alle das gleiche , wundert sich Emily, bevor sie kräftig in ihre Pizza beißt. Jan verliert noch ein paar Worte zur germanischen und indogermanischen Sprachgeschichte, ich notiere dieweil schon mal alles für unseren Bericht. Emilys Äußerungen werden in den kommenden Wochen nur noch von Kimberly s (19) Erzählungen übertroffen, ihr Vater sei letztes Jahr in Deutschland gewesen, und zwar in Wien. Auf unseren Einwand, dass Wien schon vor langer Zeit durch den damaligen Reichskanzler nach ein paar Unstimmigkeiten mit anderen Staaten vom Deutschen Reich abgetreten wurde und Österreich seit dem ein eigenständiger Staat sei, bemerkt Kimberly, dass ihr Vater dann vielleicht doch nicht in Deutschland gewesen sei.
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sieht und beobachtet man sie eine Weile, lassen sich sogar bestimmte Regeln für ihre Kleiderordnung feststellen. Ihre weißen Shirts sind viel zu lang, die seltsamen Schlafanzughosen, die sie dazu tragen, viel zu weit, aber dafür sind ihre Bomber-Jacken wiederum etwas zu klein. Auch bei der Kopfbedeckung bietet sich dem Betrachter ein Bild des Grauens. Gertragen werden Schirmmützen in alle Himmelsrichtungen, auch schon mal zwei übereinander in verschieden Richtungen. Beliebt sind aber auch Wollmützen, die sich ebenso gut auf dem Kopf stapeln lassen und sogar die altbewährte Bommelmütze, die man in Deutschland noch aus der Grundschule kennt und wegen der man auf dem Pausenhof schon mal einen auf das Maul bekam, erfährt hier eine Renaissance. Um die ganze Kleiderkombination völlig zu entstellen darf sich, jeder von ihnen noch ein Teil mitbringen und irgendwo an sich befestigen. Das dürfen Goldketten am Ärmel sein, Handtücher, die aus Grundorfs vernichtendes Zwischenfazit: Amerikaner sind der Hosentasche dumm, gefräßig und liegen den ganzen Tag nur im Liege- hängen oder auch stuhl! Bleistifte die unter die Schirmmütze geschoben werden. In Vororten von Philadelphia, so erfahren wir, dürfen bisweilen auch Schusswaffen mitgebracht werden. Nun ist es eine wahre Freude, einer sogenannten Gang von Rap-Musik-Enthusiasten auf dem Campus zuzusehen. Wer zum erstenmal auf eine solche Gruppe trifft, wähnt sich im ersten Augenblick vielleicht auf einem Rosenmontagsumzug, wird aber im folgenden fasziniert der Gemeinschaft dieser fremden Kultur zusehen. Ihre Gangart und Sitzhaltung erinnern ein wenig an Jim Knopf und Stephen Hawking und bei ihren aufwendigen Begrüßungsritualen hat man als Betrachter immer Angst, dass sich der ein oder andere nicht doch einmal den Arm dabei auskugelt. Gesprochen wird über alltägliches. Wichtig hierbei ist es die Arme kontinuierlich zu
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bewegen und dabei die Hände abwechselnd zur Brust zu führen und von sich zu strecken. Man darf dabei auch schon mal aufstehen, solang man allerdings die Armbewegung dabei nicht vergisst. Es wird laut gesprochen und eine gängige Redefloskeln sind Yo, what s up dog? , (dt.: Guten Tag, was ist denn so los, Hund?) oder auch You re fuckin right, Nigger! (dt.: Wohl gesprochen, mein Freund afro-amerikanischer Herkunft.) Um sich diesen fremdartigen Wesen ein wenig zu nähern, wird sich Jan in den kommenden Woche unter diese Gruppe lustiger Menschen schleichen. Entsprechende Gesten und Bewegungen hat er schon drauf, ohne sich dabei schwerere Verletzungen zuzufügen und die relevante Kleidung fanden wir sowohl in einem Geschäft für Übergrößen, als auch im örtlichen Kindergarten am Haken auf dem Flur. Um ein bisschen Aufmerksamkeit zu erzeugen und um seine kulturelle Loyalität zu beweisen, wird Jan eine Schalmütze mit Bommel tragen und als besonderes Bonbon werden wir ihm eine Schnabeltasse an die Backe kleben. Was Ende gut, alles gut? Auch in der Fremde Jan über das Leben dieser Mensind neue Freunde schnell gefunden! schen erfahren wird und ob sie Schusswaffen bei sich hatten, erfahrt in der nächsten Ausgabe der Kommunikaze. DG
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kay, ich weiß, ihr könnt Euch nicht vorstellen, dass auch ich mal eine Frau haben will, die ich liebe, mit der ich glücklich sein kann, mit der ich lachend durchs Leben gehen kann, mit der ich juchzend über eine Blumenwiese im Frühling springen kann. Ich mir auch nicht. Denn ich bin der Malpensant, und ich hasse das Leben! Dennoch muss auch ich mich den Zwängen und Verpflichtungen der Triebe beugen und versuchen, mir eine Frau aufzutreiben, möglichst eine große, blonde, kühle nordische Schönheit mit blauen Augen und langem Haar und schwellenden roten Lippen. Davon gibt s bestimmt tausende! Habe ich in der Werbung gesehen. Man muss nur ordentlich Appel-Konserven im Haus haben oder wenigstens bereit sein, sich mit Lätta bewerfen zu lassen. Bin ich gerne. Zwei Wochen später bin ich der Verzweiflung nahe: Noch immer hat sich keine Frau bei mir gemeldet und meine Bude müffelt nach Fischkonserven und ranziger Margarine. Ich disponiere meine Pläne also um und beschließe, selbst die Initiative zu ergreifen. Auf zum Baggerplatz No.1, der Disco. Egal, in welches Etablissement man sich begibt, die Rituale sind immer dieselben. Zunächst muss man sich zwar so gut waschen, rasieren und parfümieren wie für ein Vorstellungsgespräch, danach aber muss man sich so locker und lässig anziehen, als käme man gerade aus ner H&M-Kabine gestolpert, und meistens tut man das ja auch vor einer Discotour. Alternativ kann man sich bei der Klamottenwahl aber auch an die großen Vorbilder David Beckham, BRAVO-Centerfold oder GZSZ-Star halten.Was meistens trotz 3 Tuben Gel und 5 Kilo Schminke daran scheitert, dass das Ursprungsprodukt das Aussehen einer garstigen Hexe oder eines rasierten Gorillas hat. Jedenfalls, danach geht man gestylt zu dem Zappelschuppen seiner Wahl hin, wird weggeschickt wegen falschen Schuhwerks, kommt in anderen Galoschen zurück und darf endlich rein. Drinnen heißt es dann Lage sondieren. Dafür gehen die Herren der Schöpfung an die Theke, um sich mit einem Bier in der Hand die tobende Masse cool wie Atze anzuschauen, und die Damen der Schöpfung gehen auf Toilette, schauen sich die Schüsseln an, und wissen, wohinein sie heute Nacht greifen werden, wenn sie den scheinbar leckeren Typen von der Tanzfläche mit nach Hause nehmen. Logischerweise stelle ich mich an die Theke, hole mir ein Schnäppchenbier zum Preis von 3 Mensaessen und throne über dem
Le Malpensant geht sich eine Frau suchen
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Getümmel wie OB Fip über Osnabrück. Dann erspähe ich SIE! Wunderschön, Bewegungen wie eine Elfe, eine Ausstrahlung wie eine Kaiserin, und vergeben. Denn eng neben ihr tanzt ein Büffel von einem Kerl, was sie nicht zu stören scheint. Ich beschließe, den Kampf zu wagen und tanze auch mit. Es ist zwecklos. Ich wirke wie die Fliege, die neben einem Jumbojet herfliegt und irgendwann gerate ich in die Turbinen und werde zurück an die Theke geschleudert. Pah! Sie wird schon sehen, was ihr an mir entgeht. Ich wäre nämlich viel besser gewesen als der Muskeltyp neben ihr. , so versuche ich, meine gekränkte Eitelkeit zu trösten. Was natürlich zwecklos ist. Ich mache also die Biege und versuche mein Glück woanders. Im Internet verabrede ich mich mit Lovebird75 , die sich selbst als humorvoll und literarisch interessiert beschreibt. Beim Rendezvous erscheint eine pummelige, kichernde Hackfresse, der ein Rosamunde-PilcherRoman aus der Tasche ragt. Ich seile mich ab. Next try: Kontaktanzeigenteil ON: Schneemann sucht Schneeflocke zum dahinschmelzen , Student, 26, sucht Sie für gelegentliche Abenteuer Hausfrau mit viel Freizeit sucht geilen Hengst und so weiter und so fort. Welche traurigen Gestalten solche Anzeigen schreiben, will ich lieber erst gar nicht wissen. Ich bin der Verzweiflung nahe und gehe mit meinen Ansprüchen runter. Hauptsache Frau, Hauptsache unter 40, Hauptsache sie atmet. Da kommt mir der Geistesblitz: Auf zur Erstsemesterparty! Eine Bombenidee, die ich mit nur etwa 200 Langzeitstudenten teile.Trotzdem versuche ich mein Glück, pakke mein cool-souveränes Lächeln aus und probiere es bei der Erstbesten. Immerhin habe ich jede Menge 1A-Aufreißersprüche im Gepäck: Ich habe meine Telefonnummer vergessen, kann ich mir mal Deine leihen? . Zitronenmine. Nächste: Glaubst Du nicht an die Liebe auf den ersten Blick? Dann geh ich kurz raus und komm gleich wieder rein. Weggeschubst. Ich bin ein exzellenter Koch. Meine Spezialität ist Frühstück im Bett. Appetit? Hast Du Magneten in Deiner Tasche? Du ziehst mich unwiderstehlich an. Sag mal, war es für Dich sehr schmerzhaft, als Du vom Himmel auf die Erde runterfielst? Du bist bestimmt Geheimagentin, denn Du verfolgst mich jede Nacht im Traum. Die Antworten bleiben handfest. Kurz vor der Ohnmacht und durch halbverquollene Augen starte ich einen letzten Versuch: Ich heiße Malpi, das hast Du nicht gewusst, doch nun weißt Du, was Du nachher stöhnen musst. Keine Ohrfeige. Kein böser Spruch. Statt dessen ein Kichern. Du bist ja süß, okay, gehen wir zu Dir! Tja, und das nächste Mal gehe ich dann ins Bettchen. SK
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Bahnhof der Konjunktive Folge 7:
Der Kurze-Hosen-Führerschein
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uchheißa ist das herrlich: Der Winter ist vorüber, vorbei ist der April. Endlich wird es wieder warm, wird es Frühling, wird es Sommer. Die Triebe schlagen aus, im Botanischen wie im Psychologischen, und endlich lässt sich wieder den gesamten Nachmittag trefflich in der uninahen Grünanlage lümmeln, oder - wie dereinst so richtig besungen: Summertime and the living is easy. Ich sitze hier, mitten auf der Schlossterrasse, der Glutball am Himmel brät mir mit mindestens hundertzwanzig Ohm auf die werdende Mittelkopglatze und macht alles so wunderbar egal. In der Ferne toben Kleinkinder durch die rauschenden Springbrunnen, fleißig auf der Suche nach der ersten Pilzerkrankung. Die Studierendenschaft lebt locker in den Nachmittag hinein, und alle diejenigen, deren Professoren nocht nicht selbst ins grüne ShangriLa geflüchtet sind, stapfen mit schildkrötenhaft vorgerecktem Hals, schwerer Büchertasche und unleidlichem Gesichtsausdruck missgelaunt an mir vorbei gen Seminar. Hilft nichts, Kinder , denke ich mir, es muss auch jemand die Fahne hochhalten , und nehme einen Schluck von meinem Saft des Tages. Nun ist es ja aber leider so: Wenn es warm wird, dann steigt bei Vielen in der Großhirnrinde wohl nicht nur die Temperatur, sondern auch die Durchlässigkeit für ungute Ideen. zum Beispiel die Eingebung, sich in sommerlicher Kleidung der Außenwelt zu präsentieren. Spätestens aber, wenn hier Sandalen und kurze Hosen zum Einsatz kommen, sind die Grenzen zur Körperverletzung fließend, und das Wort Fashion Victim erhält eine ganz neue Bedeutung. Denn unvermittelt treten dort Körperteile ins Rampenlicht, die den Rest des Jahres wohl nicht nur zwecks Wärmung verhüllt bleiben, und der Blick auf manche krampfgeäderte, madenweiße Wade unter grobkarierten Bermudashorts legt beredtes Zeugnis davon ab, warum gutgemachte altgriechische Plastiken immer kurz unterm Oberschenkel aufhören. Und auch der Männerfuß in Sandalette wird schon nicht ohne Grund auch in
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der modernen Lyrik eher selten besungen es gibt einfach Orte, da sind Menschen nicht schön. Es müsste, so denke ich mir, einen Führerschein für kurze Hosen geben, komplett mit passender Sandalenverordnung. Paragraph I, Absatz 1 analog zur Straßenverkehrsordnung: Die Grundlage des Tragens von kurzen Hosen ist Umsicht und gegenseitige Rücksichtnahme. Um ihnn zu erwerben, muss man wie beim Führerschein einen Test bestehen: Wer grellbunte Shorts mit tropischen Motiven in Neonfarbe bevorzugt, ist sofort raus, ähnlich wie jemand, der bei der Führerscheinprüfung ein Stoppschild überfährt. Kratzen im Schritt ist komplett verboten und kostet - wie Telefonieren beim Autofahren - direkt 50 Euro. Und wer zusätzlich noch Sandalen tragen will, der muss als Voraussetzung beim Straßenverkehrsamt regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Fußpfleger seines Vertrauens nachweisen. Freibäder sind gesetzlose Zone, so ähnlich wie Verkehrsübungsplätze - da ahnt ja vorher auch jeder, was ihn an Furchtbarem erwarten könnte. Und wir wollen ja auch nicht päpstlicher sein als der Papst. Nichtsdestotrotz machte ein solcher Führerschein natürlich bei Zuwiderhandlung drakonische Strafmaßnahmen erforderlich: Wer ohne Trageerlaubnis in Hotpants erwischt wird, zahlt ein saftiges Bußgeld und erhält einen sofortigen Platzverweis. Und bei Wiederholungstätern ist die Hose sofort komplett weg, und zwar für den Rest des Jahres. Und da zeigt die feine Idee ihre ersten Nachteile: Wer soll das alles ahnden? Und haben wir nicht schon genug Regeln in Deutschland? ist nicht gar das Recht auf das Tragen von kurzen Hosen und Herrensandaletten ein verbieftes Grundrecht? Wer weiß es schon? Wer nun denkt, ich schriebe das alles aus der Sicherheit desjenigen, der traumhaft schöne Beine hat, der irrt. Um Gottes Willen, nein! Aber ich für meinen Teil trage auch nur im eigenen Garten kurz. Da dann gerne auch mal ganz ohne Hose...aber wie gesagt: Nur im eigenen Garten! In öffentlichen Grünanlagen hingegen lasse ich andere mit meinen Unterschenkeln in Ruhe und möchte, dass zumindest Menschen in ästhetischen Grauzonen es mir mit Gleichem vergelten. Und träume weiter vom Kurze Hosen-Führerschein und der kommt bestimmt. Spätestens bei der nächsten EU-Erweiterung, oder wenn die Regierung durchschaut hat, dass da noch Geld zu holen ist! SB
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Himmel Herrgott nochmal! Bei wem haben wir denn einen Termin? Ja! , sagte Bruno, Wenn es das Arbeitsamt ist, frag ich den Busfahrer, ob er den Rückwärtsgang einlegt! Also Komiker haben wir hier oben schon genug! Na, beim lieben Gott natürlich! Ich war erleichtert, Bruno nickte zufrieden, und wir gingen durchs Tor.Wir latschten über verschiedene Wolken und kamen dann in ein kleines Dörfchen, das sich auf einer großen Wolke befand. Über dieser Wolke schwebte eine Vielzahl von kleinen Wölkchen, von denen jeder hier eine zugewiesen bekam. Bruno hatte Nummer 100.987.6545.678 und ich bekam 100.987.6545.682. Bruno schwebte neben der brünstig dreinsehenden Marilyn Monroe, die ihn mit Liebesblicken und Janis Joplin, die ihn mit Haschischqualm benebelte. Er hatte keine Mühe, sich damit abzufinden, als Janis ihm den ersten Joint gab und er beim Inhalieren auf Marilyns üppigen Busen sah und sie dabei mit den Händen tätschelnd umschlang. Ich hatte wesentlich mehr Glück, ich schwebte neben irgendeinem Bauern aus dem Emsland, der von seinem Traktor überrollt worden war und der ständig etwas von seiner schlechten Ernte faselte, von seinem roten Traktor sprach, den er noch nicht abbezahlt hatte und davon, dass es klar war, dass ihm ein solches Schicksal widerfahren musste, schließlich war er immer schon derjenige in seiner Familie gewesen, bei dem das Toilettenpapier ausging. Auf der anderen Seite saß Rosa Luxemburg. Die hatte so einen exotisch gefiederten Giftnickel, einen Papagei, nur Gott weiß woher. Was mich störte, war dieses ständige Geplapper den ganzen Nachmittag über! Erst dachte ich mir, wenn das ein Problem für dich ist, einfach den Hals umdrehen, und dann ist Ruhe! Aber wer kümmert sich dann um das Tier? Gott sei Dank blätterte sie bald in irgendwelchen Büchern, und ich hatte eine Stunde Ruhe, in der ich abpennte, bevor sie sich Karl Marx zum Kaffee einlud. Der laberte mich voll, und ich gab ihm zu verstehen, dass, wenn ich noch eine Minute länger Zeit hätte, er mir sein ganzes Wissen über Politi schildern könnte. Soviel hatte ich auf der Erde doch nicht verbrochen? Ich sprang zu Bruno rüber. He, hör mal, ich halt das da drüben nicht aus! Kann man hier nicht was Lustiges unternehmen? Hiüag ick hak si hieu! , sagte Janis mit schmal trüben Augen und zog noch einmal an ihrer Tüte. Alles klar, Janis! , sagte ich und sah dann die amerikanische Wunschbegierde eines jeden normal sexuell Veranlagten an. Klar! , meinte Marilyn mit liebreizender Stimme, Warum geht ihr nicht ins
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Fortsetzung aus Kommunikaze 10
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Heaven rüber? Zwölf Wolken von hier und dann links! Bruno sprang auf. He, das ist geil! Lass uns hingehen! Wir zogen los. Marilyn wollte nicht mit. Wir schwebten nahezu an den Wolken vorbei, indem wir Bewegungen machten, die einen im Wasser normalerweise vor dem Ertrinken retten, und inmitten des hellblauen Himmels, mit den göttlichen Klängen der Harfenmusik und Sonnenstrahlen von irgendwoher im Hintergrund, erblickten wir die kleine Kneipe. Wir gingen rein. Gott! Was für eine Erfahrung! Ich war den Tränen nah und so unsagbar gerührt. Ein Tresen ohne Ende, soweit man blicken konnte. Eine Vision, die endlich erfüllt war. Ich setzte mich auf einen Hocker, der im Gegensatz zu den anderen vergoldet war. Ich durfte mich aber nicht darfauf setzen, denn er war für Harald Juhnke reserviert. Ich nahm einen anderen, so wie Bruno auch. Ein junger Mann reichte uns sofort zwei Bier rüber. Wir tranken sofort an und hatten Spaß, denn alle Leute, die hin und wieder die Bar betraten, hatten gute Laune und ein Lächeln auf den Lippen. Irgendwann sagte ich zum Barkeeper: Du hör mal, ich sauf hier rum und hab gar kein Geld! Wozu Geld? Wir sind im Himmel! Bedeutet das, ich kann hier trinken, soviel ich will und brauche dafür nichts zu tun? Sicher! , meinte der Barkeeper. ich brauchte tatsächlich nichts dafür zu tun. Ich musste weder einen versifften Barkeeper beschwatzen, damit er anschreibt oder meinem besoffenen Nachbarn, der mit dem Schädel auf den Tresen geknallt war, die Penunzen aus der Tasche ziehen und, wenn er wieder aufwacht, behaupten, er schulde mir drei Bier. Auch wurde ich, nachdem ich mich in Bezug auf meine finanzielle Lage geoutet hatte, weder verprügelt noch aus der Tür geschmissen. Was hätte das auch für einen Sinn? Ich wäre auf einer weichen Wolke gelandet. Und ich musste auch nicht - was mir bitter aufstieß - irgendeinen versauten Witz erzählen, worauf mir jemand ein Bier ausgab. Ich will Musik hören! , sagte ich, und prompt flog mir der Titel, den ich noch nicht einmal ausgesprochen hatte, um die Ohren. Aber nicht wie sonst aus einer quakenden Jukebox, die mit Fettfingerabdrücken übersäht war, sondern einfach von irgendwoher und das in klaren und leicht verhallenden Tönen. Ich traute mich schon nicht mehr, einen Gedanken zu fassen, da ich annahm, er würde gleich erfüllt werden, und als ich das zu Ende gedacht hatte, stand die schwarze, 1,80 m große Kubanerin mit ihren melonenförmigen, strammen Titten auch schon splitternackt vor mir und streifte mit ihren langen Fingernägeln über meinen Liebling, wobei ich feststellte, dass meine Hose sauber gefaltet auf dem gegenüberliegenden Stuhl lag, und sie mich liebesdurstig ansah. Ich war in irgendeinem Zimmer. Brunos umbarmherziges Brunststöhnen drang aus einem Nebenzimmer. Kein Wunder, denn Bruno hatte meiner Kenntnis nach den letzten Verkehr gehabt, als er noch Taxi fuhr. Gott! , dachte ich, Hier wird ja wirklich alles erfüllt,
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ich bin ja schon in meiner Gedankenwelt völlig gehemmt! Weiter kam ich nicht, denn prompt stand die Zweite nackt vor mir. Dieses Mal war es eine blonde Russin von 1,90 m und noch mit der Fellmütze auf dem Kopf. Und noch bevor ich mir nun die geometrischen Möglichkeiten mit drei von diesen Weibern ausmalen konnte, lag ich in den gwünschten Positionen abwechselnd mit ihnen im weichen Himmelbett. Mir wären jetzt eigentlich Petsys zierendes, zickiges Gehabe und die tröstende Tatsache im Hinterkopf, dass nach langem Hin und Her irgendwann dann doch ihr Schlüpfer fällt, lieber als diese drei so heftig an mir arbeitenden Frauen im rosa Himmelbett. Deshalb dachte ich jetzt ist Schluss! , und schon saß ich wieder am Tresen. Der Barkeeper goss mir ein Bier ein. Das war zur Abwechslung in Ordnung! Ich wollte jetzt gern schreiben, und schon fand ich mich an einem großen Schreibtisch aus Eiche wieder und thronte in einem bequemen Ledersessel. Einen Füller aus purem Gold hielt ich in der Hand, der mit seiner Spitze schon ins weiße Hochglanzpapier piekste. Nur fiel mir in diesem Raum nichts Brauchbares ein. Ich ging nach draußen. Aber da war der golden strahlende Sonnenschein und der hellblaue Himmel und diese nervtötende Harfenmusik, die mir den letzten Verstand raubte. Ich hatte die Nase voll, ich wollte wieder in mein staubmilbenverseuchtes Zimmer, ich wollte, dass der Regen an die Scheibe knallt, und dass, wenn ich zur Kneipe rübergehe, dort Toni in seiner schmierigen Schürze steht, dem ich noch drei Bier schulde, und der mich wohlmöglich erst gar nicht rein lässt. Petsy sollte mir zuzwinkern und, nachdem ich ihr erzählt habe, dass ich kein Geld habe, mit Harry losziehen. Ich wollte keine charmante Harfenmusik, sondern mitreißendes Gedudel von den drei übrig gebliebenen Seiten der Gitarre von Benny hören. Ich wollte keine himmlische Ruhe haben, sondern der Krach von Autos auf der Straße sollte mir um die Ohren fliegen, und ich wollte Bruno neben mir haben, der mir sagt, er habe Hunger. Moment! , sagte eine Stimme über mir, da muss ich erst mit Gott reden! Ich wachte schweißgebadet auf. Stand eine Sekunde später senkrecht im Bett. Ich hatte eine verdammt trockene Kehle und zog mich sofort an. ich ging zu Toni rüber. Der wollte mich erst nicht reinlassen, gab dann aber nach. Petsy knutschte mit irgendeinem besoffenen Fettsack, dem dabei ein Zehner aus der Tasche fiel. Bennys Gitarre stand an der Theke und war in der Mitte durchgebrochen. Harry hatte sie ihm über seinen ewig jodelnden Schädel gezogen, als er seine Schulden nicht bezahlen wollte, erzählte mir Toni, wobei er mit der Fliegenklatsche einen besonders fetten, grünsilber schimmernden Brummer am Zapfhahn erwischte. Bruno tippte mich von hinten an: Wird auch Zeit, dass du kommst! Wir sollen drüben den Dreck um die Imbissbude aufsammeln, dann macht uns Plaggi auch eine extra Portion Pommes! Los, beeil dich, der wartet und macht die Bude gleich dicht! Bruno lief aus der Bar. Ich sah mich noch einmal um und lächelte. Bruno hatte Hunger und ich meinen Himmel wieder. RK
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Ein Sommertag
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oder: wenn Biber Flügel hätten
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enn Biber Flügel hätten wäre das ganz furchtbar für die Menschheit, denn dann könnten sie fliegen. Man stelle sich nur mal vor, welch grausamen Scherz sich die Schöpfung erlaubt hätte, hätte sie Europas größte Nagetiere mit den anatomischen Voraussetzungen für diese Art der Fortbewegung ausgestattet. Nicht Ratten, nicht Tauben oder Krähen, Kakerlaken oder Kaninchen nein, Biber hätten in den Top Ten der Kulturfolger der Menschheit die Spitzenposition inne. Mit ihren scharfen Beißwerkzeugen würden sie an Bauten und lieb gewonnenem Technikgut ihre Spuren hinterlassen, Marderschäden wären den Autobesitzern noch ganz lieb gegen das, was ein Biber aus ihrem Fortbewegungsmittel machen würde. Die Unesco könnte ihre Liste des Weltkulturerbes einer Papierverwertungsanlage zuführen, da nach und nach immer mehr kulturhistorisch wertvolle Denkmäler wegen irreparablen Biber-Verbisses mit einem hässlichen Knirschen unter den Mahlzangen der Abrissbagger ein unschönes Ende fänden. Ebenso die Naturräume, die von den riesigen Biberherden erst vollständig entwaldet und dann nach der Errichtung der Biberdämme in den Mittel- und Unterläufen der Flüsse weitestgehend überflutet werden würden. Haustiere hätten ein hartes Leben, denn Biber werfen im Flug gerne grob genagte Holzklötzchen auf Hunde und Katzen, um diese zu ärgern, was Muschi und Waldi nur mit Glück überleben. Dies und noch mancherlei mehr ging mir durch den Kopf als ich verzweifelt und doch aussichtslos überlegte, wie ich meinen Vermietern die recht eindeutige Szenerie erklären sollte, die sich an diesem Sommertag zwischen meinem Küchenfenster im zweiten Stock und dem darunter befindlichen Garten in erbarmungsloser Härte ausbreitete: oben mein halb geöffnetes Fenster, unten die Freude im Leben meiner Vermieter, dieser guten Menschen, die mir nun schon seit zwei Jahren Zucker und Salz borgten und mir meine Zeitung vor die Wohnungstür legten, ja, dort lagen
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Arko, der Cocker eben jener Vermieter und mein Messerblock vereint in tödlicher Umarmung, umrahmt von etwas Blut und Knochendreck und Sabber. Es war aber auch wirklich unglücklich, dass der Messerblock, den ich zwecks Offenhaltung meines Fensters auf die Fensterbank gestellt hatte, dem Druck des Rahmens nicht mehr standhielt und, sich mit einem kurzen Nicken verabschiedend, taumelnd in die Tiefe stürzte. Mein Glück perfektionierend, ließ die Vorsehung in eben diesem Moment den treuen Hund unter meinem Fenster verweilen. Doch was nun? Die Bibergeschichte zog bestimmt nicht, und mit der spurlosen Beseitigung langsam erstarrende Hundekörper hatte ich auch nicht die geringste Erfahrung. Eigentlich blieb nur noch Flucht, doch bis meine Vermieter den Vorfall entdecken würden blieben mir noch ca. drei Minuten, denn spätestens dann würde auffallen, dass Arko auf seiner Morgenrunde durch den Garten erhebliche Verspätung aufwies. Und in drei Minuten die gesamte Wohnungseinrichtung in meinen Polo zu räumen dürfte nicht funktionieren, das war mir klar. Ich entschloss mich zu dem, was so Leute wie ich meistens tun: nix. Ich verharrte atemlos unter meinem Fensterbrett. Dann hörte ich die Balkontür aufgehen, Schritte gingen die Treppe runter, es war wie Radio. Dann ein Aufseufzen und schlurfende, gramgebeugte Schritte. Oh, Gott, dachte ich, du hast den alten Menschen die Freude ihres Lebens genommen, da hättest Du ja gleich das Haus anzünden können. Die schlurfenden schritte näherten sich wieder, ich hörte, wie ein Besen über die Waschbetonoplatten schabte. Roswitha, halt mal den blauen Sack auf , Kehrschaufelgeräusche und dann: So, noch ein Eimer Wasser drüber und die Sauerei ist weg . Meinen Messerblock habe ich nie wieder gesehen MW
K O M M U N I K A Z EtztA SAitA diA lA
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Bilderserie: Dinge, die die Erde noch retten können (Folge XI)
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Gerade in personell so knappen Zeiten wie diesen
sind wir natürlich auf neue Mitarbeiter angewiesen. Wer also die Chance nutzen möchte, bei der Entstehung seines Lieblingsblattes selbst mit Hand anzulegen,...der bewirbt sich am besten in dessen Redaktion um ein Praktikum. Alle Anderen tun uns einen Gefallen und schicken uns ordentliches Material an kommunikaze1@gmx.de Wie wäre es denn zum Beispiel mit einer schönen Pferdegeschichte für die Dezemberausgabe... ...ups, jetzt haben wir uns doch tatsächlich verplappert.
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I n t e r n a
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Folge XI: We Want You!
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ACHTUNG!
Beim nächsten Update könnte es schon zu spät sein.
Nichts einfacher als das! Wir sind gespannt auf deine kreative Idee, und die Wettbewerbskategorien sind ganz bewusst so formuliert, dass du ganz bestimmt ein Medium findest, das deinen Interessen und Begabungen entspricht. umfasst z.B. Bilder, Fotografie, Plakate und Kurzfilme.
lesBARES
widmet sich jeder Art von Text, ganz gleich ob Kommentar, Satire, Lyrik oder Essay.
hörBARES
ist die Kategorie für alles Vertonte: Ob du nun einen Radiobeitrag zum Thema Studiengebühren planst, einen Song schreibst und darbietest oder eine Sinfonie inszenierst -- hier bist du richtig!
greifBARES
dreht sich schließlich um räumliche Kunst von der Skulptur bis zur Installation. Denk dir was aus!
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sehBARES
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Deinen Wettbewerbsbeitrag lässt du uns bis zum 31.12.2004 zukommen -- entweder per Post an den AStA der Universität Osnabrück, Alte Münze 12 in 49074 Osnabrück, Stichwort geistREICH , oder du bringst das gute Stück persönlich während der Sprechzeiten bei uns vorbei. Weitere Infos und Details zum Wettbewerb (und auch zu den Preisen) findest du unter
www.asta.uos.de