KOMMUNIKAZE
AUSGABE 14
JULI 2005
ABGABE KOSTENLOS
WWW.KOMMUNIKAZE.ORG
Zeitschrift f端r facts & fiction
KOMMUNIKAZE
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KOMMUNIKAZE
INHALT
Ausgabe 25 / Juli 07
ab Seite 4
WIR GEBEN AUF! Schon seit Jahren sieht sich die Redaktion der Kommunikaze als Wahrerin der etablierten Kultur: Dazu gehörte die Wertschätzung gewisser Dinge gegenüber schnelllebigen Neuerungen (Siegelwachs statt Automatenbriefmarke, Reisen in der Postkutsche statt ÖPNV, Cognac statt Vodka-Redbull). Kein Wunder, dass wir uns als eine der letzten publizistischen Bastionen in Deutschland gegen den Götzen Internet stemmten. Doch unter den stetigen Angriffen des Molochs ist unser Widerstand erlahmt. Und gilt nicht schon immer:Wenn Du Deinen Gegner nicht schlagen kannst, verbünde Dich mit ihm?
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INTRO von Volker Arnke EV RYBODY S GONE SURFIN von Volker Arnke & Stefan Berendes FÜHLEN IN NETZWERKEN von Finn Kirchner INTERNETTE GRÜSSE VOM DATENHIGHWAY von Urs Ruben Kersten DEMNÄCHSTWIRD ALLES NOCH MALVIEL BESSER GEMACHT von Kalle Kalbhenn DAS PRINZIP KINDERSPIELPLATZ von Jan Paulin VIRTUAL LIMIT von Esther Ademmer
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LOST & BROKEN, FOLGE 8 von Steffen Elbing
Seite 19
ES IST AUS von Tobias Nehren
Seite 21
LOST & BROKEN, FOLGE 9 von Steffen Elbing
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WILLKOMMEN IN DUNADINGSDA! von Stine Klapper & Kalle Kalbhenn Aus! Vorbei! In dieser Ausgabe beenden unsere Redakteure den Bericht von ihrer Tour de force mit einer apokalyptischen letzten Folge: Werden sie auf dem KepKözNapok-Filmfest vom aufgebrachten Mob totgeschlagen? Ist Mittwoch wirklich Fickentag in Deutschland? Und wird Paulin sich in der vielseitigen Bäderlandschaft der Metropole Budapest zurechtfinden? Lest selbst!
Seite 25
LITERATUR PARCOURS von Stefan Berendes
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DIE LETZTE SEITE
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TITEL
Intro
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von Volker Arnke
Die Kommunikaze-Redaktion war immer großer Freund der Musen. Unvergessen sind die um 1800 entstandenen Ausgaben zur Wiener und Weimarer Klassik, die Beethoven und Mozart, Schiller und Goethe erst zu Weltgeltung brachten. Stets war die Kommunikaze das erste Haus am Platz, wenn es um Kulturpflege ging. Ausdruck dieser Grundhaltung war auch unsere Warnung vor dem Phänomen Internet, das in den 1990er Jahren erstmals von sich hören ließ. Jenem World Wide Web, das die Menschen zu Kulturbanausen machen würde, zu klickenden Schimpansen, die sich Bilder von Betrunkenen ansehen und oh Graus Geschriebenes von Jedermann lesen würden. Unsere Proklamation der neuen Langsamkeit, die Kampagnen Lieber mal ein Buch und Selbst Fernsehen ist besser waren zwar in aller Munde, doch zu einem Umdenken kam es nicht. Dieser Tage titeln die deutschen Feuilletons: Kapitulaze Kommunikaze - Eine Zeitschrift nimmt seinen Hut und proklamieren damit den Untergang unserer Postille. Freilich ein Irrtum, denn
WIR GEBEN AUF!
WOZU SICH NOCH WEHREN? IN ZEHN JAHREN IST EH ALLES INTERNET. als jüngst unser Ressortleiter EDV/ IT/ Unpaarhufer Kalle Kalbhenn seine fein gesponnene Prognose vor dem Hintergrund neuartiger Onlineentwicklungen wie second life, StudiVZ, World of Warcraft oder ebay verlautbaren ließ, wollte er damit nicht die Kommunikaze zu Grabe tragen. In zehn Jahren ist eh alles Internet! rief Kalbhenn aus. Da wir also ohnehin zukünftig mit dem neuen Medium leben müssen, ist diese Prognose für uns Anlass nach Gutem im Bösen zu suchen: Auf zur Entdämonisierung des Internet. Oder doch nicht?
MIT BEITRÄGEN VON:
VOLKER ARNKE, STEFAN BERENDES, FINN KIRCHNER, URS RUBEN KERSTEN, KALLE KALBHENN, JAN PAULIN & ESTHER ADEMMER
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TITEL KOMMUNIKAZE
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TITEL
Ev´rybody´S GONE SURFIN´ ODER: INTERNET - WOZU IST DAS EIGENTLICH GUT?
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von Volker Arnke & Stefan Berendes
Freitagnachmittag in der Kommunikaze-Redaktion. Paulin und Grundorf haben beim Bundesliga Commander 97 Spielen den Rechner abgeschossen. Zwar ging die Ö-Taste wegen Materialermüdung eh schon seit geraumer Zeit nicht mehr (Paulin: Ö ist mein liebster Buchstabe von der ganzen Welt ), doch jetzt ist das komplette Gerät im Eimer und guter Rat teuer; vor allem, weil Berendes und Arnke noch den Geschäftsabschluss für 2003 fertig machen wollen. Arnkes Zitat Der muss heute noch raus! ist dabei keinesfalls übertrieben, droht der Landesrechnungshof doch nach einem jahrelangen Katz- und Mausspiel mittlerweile mit polizeilicher Vollstreckung Neuinstallation ist auch keine Option, hat doch Paulin mit seinem Sohn FinnMarek am letzten Besuchswochenende mit der Installations-CD Frisbee gespielt mit verheerenden Ergebnissen für den empfindlichen Datenträger. Im weitläufigen Kellerarchiv unter der Alten Münze findet sich zwar noch ein MS-DOS-3.0Betriebssystem, das liegt allerdings nur auf 5,1/4-Zoll-Disketten vor, und unser entsprechendes Laufwerk ist schon seit Jahren nur noch Aufbewahrungsort für Sportressortleiter Nehrens Bohnenbratlinge. Doch die Rettung ist nah: Kommunikaze-Fachredakteur EDV/IT/Unpaarhufer Kalle Kalbhenn hat irgendwo mal aufgeschnappt, dass es im Internet auf jede Frage eine Antwort gibt. Also rein ins Internetcafé nebenan und ran an die Rechenknechte. Unsere Odyssee durch die Weiten des World Wide Web beginnt:
19.43 UHR, WWW.MICROSOFT.DE
Wir brauchen Hilfe. Was bietet sich da eher an als die Microsoft Homepage? Schnell finde ich 6.537 Hinweise auf Probleme mit MS-DOS. Nach wenigen Minuten stellt sich allerdings heraus, dass der Link mit dem Titel Hier MS-DOS-Betriebssystem herunterladen, den ganzen Kladderadatsch auf CD brennen, in den kaputten Rechner einlegen, anstellen, fertig! fehlt. Stattdessen überall nur obskure Ziffern und Buchstabenkombinationen. Wahrscheinlich irgendwas mit englisch oder so. Na super und jetzt? Der Landesrechnungshof reißt uns den Arsch auf, wenn unser Kassenabschluss nicht bis 23.59 Uhr bei denen im E-Mail-Postfach landet. Verzweifelt klicke ich im Microsoft-Forum auf den Link Visit Website von ComputerguruAndromeda3 . Auf der erscheinenden Homepage besuche ich den Chatroom, in dem gerade eine Diskussion zum Thema Gefixte Applikations-Bugs bei Office 2000 3.7 läuft. Auf meine Frage, ob sich jemand auch mit dem MS-DOS-Betriebssystem auskennt, bekomme ich zunächst keine Antwort. Ich fasse mir ein Herz und schildere in wenigen Worten das konkrete Problem: Rechner beim Spielen von Bundesliga Commander 97 kaputt gegan-
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TITEL gen, brauche neues Betriebsystem, Diskettenlaufwerk verstaubt, Ö-Taste funktioniert nicht . Darauf bekomme ich die Nachricht, dass mir bei diesem speziellen Problem nur eine sehr seltene koreanische Version von MS-DOS helfen würde. Am besten mal bei Ebay gucken.
20.17 UHR, WWW.MACUSER.DE
Während Freund Arnke sich schon mal mit Händen und Füßen in koreanische MS-DOSMessage Boards einzuarbeiten versucht, habe ich am Nachbarrechner einfach auf gut Glück den Suchbegriff Ö-Taste geht nicht mehr bei Google eingegeben. Gleich der erste der insgesamt rund 16.000 Treffer führt mich in die Community MacUser.de, wo ich mein Problem noch einmal kurz und knapp schildere und auf schnelle Hilfe hoffe. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten, bringt mich aber bei der Lösung meines Problems nicht wirklich weiter. Immerhin erfahre ich vom User Stevejobs_bitch248, dass eine kaputte Ö-Taste ein typisches Windows-Problem sei, und sich Apple daher schon vor Jahren zur völligen Abschaffung der Ö-Taste entschlossen habe. Das fordert sofort den Widerspruch von Apfelmännchen33 heraus: Die Ö-Taste habe es nämlich bei Apple schon deutlich früher gegeben als bei Windows, und außerdem auch mit einer viel besseren grafischen Oberfläche. Darüber hinaus, so sind sich beide immerhin einig, gebe es bei Apple auch prinzipiell keine Viren. Ich bedanke mich für die schnelle Antwort, muss aber leider bedauernd feststellen, dass ein Umstieg auf ein System ohne Ö-Taste eingedenk der einschlägigen Vorlieben unseres Chefredakteurs Paulin für uns nicht in Frage kommt. Meine Suche geht also weiter
21.30 UHR, WWW.EBAY.DE
>>koreanisch ms - dos<< tippen meine Finger in die Ebay-Suchmaske. Einige Angebote werden aufgelistet. Es handelt sich zumeist um verschiedene koreanische Zierdosen, die zugegebenermaßen sehr hübsch anzuschauen sind. Beim Gedanken an den Landesrechnungshof und das drohende Strafverfahren, das vermutlich unser aller Berufsverbot zur Folge hätte, möchte ich gern alle 73 koreanischen Dosen ersteigern, um sie anschließend nacheinander genüsslich den Rechnerkillern Paulin und Grundorf vor die Schädel zu brettern. Aber ruhig Blut. Noch ist nicht aller Tage Abend, noch ist zweieinhalb Stunden lang Freitag. Dann plötzlich eine Nachricht von ComputerguruAndromeda3 auf meinem Bildschirm: Haben bis eben intensiv über dein problem mit dem bundesliga commander 97 diskutiert. sind zu dem schluss gekommen, dass deinem rechner nicht mehr zu helfen ist. Fünf Sekunden später ist der Spuk vorbei und der Text wieder verschwunden. Na danke, Du Arschkopp , denke ich und raune Kollege Berendes herausfordernd zu: Wie sieht s bei Dir aus? Ich glaube, ich hab gleich was gefunden!
21.56 UHR, WWW.LINUX-CLUB.DE
Von Arnkes vermeintlichem Sucherfolg angespornt, widme ich mich dem nächsten Diskussionsforum, das mich bei den Freunden vom Linux-Club erwartet. Abermals erläutere ich mein Problem mit der Ö-Taste, und auch hier geizen die Internet-Poweruser nicht mit guten Ratschlägen: So mutmaßt WindowshasserXXL, die Ö-Taste müsse wahrscheinlich nur noch mal beim Hochfahren des Rechners separat gemountet werden, während sein Leidensgenosse
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TITEL Frickelfreddy1984 mir eine wahnsinnig gute Open Source-Software namens Open Umlaut empfiehlt. Die damit produzierten Ös, so Frickelfreddy, sähen auch fast genauso aus wie bei Windows. Das ist gut zu wissen, aber eine Lösung für den drohenden Clash mit den Finanzbeamten ist es freilich auch wieder nicht.Von rechts höre ich Arnke rhythmisch mit dem Kopf auf die Tastatur schlagen wenn das mal die Ö-Taste mitmacht
22.37 UHR, WWW.HILFE.DE
Nachdem ich auch auf www.hilfe.de keine solche gefunden habe, beschließe ich, mich grausam an Paulin zu rächen und alle Ö-Tasten dieser Welt zu vernichten. Doch nachdem mein Schädel fünfmal auf die Tastatur geknallt ist, ist weder die zweite Ö-Taste dieser Welt kaputt noch der Kassenabschluss beim Landesrechnungshof. Stattdessen grient mich vom Display ein Orang-Utan an. Es ist Oliver Kahn, der mir anbietet, mit ihm zusammen einen Kalender zu entwerfen. Ich muss durch meine unverhohlene Grobheit der Tastatur gegenüber auf diese Seite gelangt sein. Welch teuflisches Gerät. Nach kurzem Überlegen lehne ich Ollis nett gemeintes Fankalenderangebot ab. Auch wenn er sich bestimmt gern ein Exemplar ins Tor gehangen hätte. Es ist mittlerweile 23.45 Uhr. Im Augenwinkel nehme ich zwei Polizeibullis wahr, die auf der anderen Straßenseite vor unserem Redaktionsgebäude halten.
23.45 UHR, WWW.STECKERREIN.DE
Jetzt will Grundorf auch mal sein Glück versuchen: Und wenn wir einfach alles als MP3 auf DVD brennen? , wirft er sein gesamtes technisches Verständnis in die Waagschale. Ich schüttle nur müde den Kopf und wende meine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu. Nur mit Mühe gelingt es mir, mich weiterhin auf die Recherche zu konzentrieren, denn auf der anderen Straßenseite springen zwei maskierte Mannschaften aus den Polizeibullis uns brechen mit lautem Kawumms die Redaktionstür auf. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir den Rechnungsabschluss jetzt wirklich so langsam abschicken sollten Dabei ist allerdings auch www.steckerrein.de keine Hilfe: Hier ist zwar der Name Programm, doch geht es anders als vermutet weder um kaputte Ö-Tasten, noch überhaupt um defekte Computer. Tatsächlich stehen eher analoge Aktivitäten im Mittelpunkt. Und nach wenigen Minuten in einem der Foren stelle ich fest, dass ich mich mit den anderen Nutzern der Seite nicht nur nachts nicht in einer dunklen Gasse aufhalten möchte, sondern auch eigentlich nicht mal am helllichten Tag auf demselben Planeten Auf der anderen Straßenseite tragen die Uniformierten nun kistenweise Aktenordner aus unseren Büroräumen. Unser Vermieter gibt dem Kamerateam von Stern-TV zu Protokoll, dass er das schon lange habe kommen sehen. Arnke hat sich nun - ganz dem Verursacherprinzip entsprechend - dazu entschieden, dem Kollegen Paulin durch körperliche Züchtigung seine unsittliche Zuneigung zu Ö-Tasten ein für allemal auszutreiben. Grundorf schaut mich hoffnungsvoll an und will es noch mal wissen: Und als ECTS auf UPS? Nein, Darren, nein. , entgegne ich matt und fühle mich plötzlich entsetzlich müde. Vielleicht können wir den Rechnungsabschluss ja doch noch nachreichen.
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TITEL
FUHLEN IN NETZWERKEN ..
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von Finn Kirchner
Das Internet ist ein wenig romantischer Ort. Dabei will ich den allgegenwärtigen Begriff der Romantik nicht falsch verstanden wissen. Klischeehafte Assoziationen von Romantik wie ein Sonnenuntergang am Strand, eine Kerze auf dem Restauranttisch oder sonstwelche scheinbar hervorragend platzierte Lichtquellen sind hier fehl am Platz. Selbst Liebesgedichte auf Badezimmerspiegeln und die meisten anderen zwischenmenschlichen Zuneigungsbekundungen fallen in meinem inneren Duden eher unter die Definition des Kitsches als unter die der Romantik. Eigentlich weiß ich überhaupt nicht, was ich mit Romantik meine, aber ich meine auf keinen Fall: das Internet. Das Internet hat gar überhaupt nichts Romantisches und steht im zweifelsohne sehr großen Reich der Dinge damit recht einzigartig da. Google Earth etwa ist ein interessantes Phänomen, dem ich schon einige meiner Lebenstage widmete. Dennoch ist die Emotion bei physischem Aufsuchen von Orten die Größere. Auch Flohmarktbesuche bergen mehr Romantik als Ebay, Kino ist sogar alleine romantischer als Youtube zu zweit, und ein noch so dröger Bankangestellter bringt mein Blut mehr in Wallung als das Online-Banking Begrüßungscenter der Frankfurter Sparkasse. Viele zukunfspathetische Mitmenschen werden mir widersprechen. Doch wer sich gerne gefühlsanregende Videoschnipsel oder Lyrik als PDF reinzieht, dem kann ich nur zur grundsätzlichen Umfühlung raten. Was hat denn bitte zum Beispiel das Fernsehen Romantisches? , wird einer einwenden, Das ist ja wohl echt nocht viiiel mehr als das Internet sooo NICHT romantisch! Meine Antwort wird sein Deine Mutter ist echt sooo NICHT romantisch. Woraufhin mir von meinem wütenden Gegenüber, so er mich besser kennt, entgegen geschmettert wird Wenn du fernsiehst, dann doch meistens mehrstündige Radsportübertragungen, unromantischer geht s ja wohl mal kaum. Nun stehen die Wahrscheinlichkeiten bei einem Drittel, dass ich meine Aussagen über die Mutter meines Konversationspartners weiter präzisiere und zu einem Drittel werde ich mit der Romantik von Loire-Schlössern am Wegesrand der ersten Tour-Woche argumentieren. In jedem dritten Fall weiß ich aber zu sagen, dass selbst die Fernsehübertragung eines Radrennens über 250 Kilometer, ausgeführt auf einem 400 Meter langen Rundkurs in Vorortsiedlungen am Stadtrand Hernes, romantischer ist als der Live-Ticker im Internet. Denn zermürbte Gesichter und blutende Edelhelfer werden im Internet auf die Meldung noch 25 km -> Das Tempo ist hoch. reduziert. Weniger Radsportbegeisterte können meinen Hirnoutput vielleicht besser verstehen, wenn sie sich ihren a) Lieblingsfilm, b) ihr Lieblingsalbum, c) einen Abend mit ihren besten Freunden oder sofern sie mich zu kritisieren beabsichtigen d) ihre Mutter in
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TITEL ebensolcher Weise kommentiert vorstellen. Dies sähe dann so aus: a) noch 6 Minuten -> Pierre küsst Cathérine auf den Mund drauf. Oder so: b) noch 1:12 min -> Gitarrensolo. Oder so: c) 23:43 Uhr -> Hervorragender Scherz von Eike. Oder eben so: d) 63. Lebensjahr -> Erneute gravierende Gewichtszunahme. Q.E.D.! Es ist wohl nicht die Aufgabe des Internets, romantisch zu sein. Schaut man sich einmal die Zahlen an Seitenaufrufen an, die pro Jahr im Internet so getätigt werden, sieht man schnell ein, dass es auch ohne Romantik ganz gut auskommt. Das ist ja auch vollkommen okay. Ich selbst gebe ja gar nicht viel auf Romantik, und das Internet ist ein Freund von mir. Ein unromantischer, aber ein Freund. Man muss sich nur stets darüber im Klaren sein, dass das Internet nicht romantisch ist. Sonst fühlt man sich im Internet andauernd romantisch angesprochen und kreuzt beim Bravo-Selbsttest zum Thema Romantik für sich selbst andauernd ganz hohe Werte an. Tatsächlich ist man aber Technokrat und alle Auswertungen des BravoRomantik-Selbsttests stimmen vorne und hinten nicht. Ist ja auch doof.
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TITEL
INTERNETTE GRUSSE VOM DATENHIGHWAY ..
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von Urs Ruben Kersten
Vielerorts wird das Verschwinden althergebrachter Kommunikationsformen betrauert. Der Brief und die Postkarte beispielsweise sind akut vom Aussterben bedroht. Zwar verstehe ich nur zu gut, dass dies in gewissen Kreisen Bedauern hervorruft, ich jedoch weine dem postalisch versandten Brief keine Träne nach. Ganz von der Bildfläche verschwinden wird er ohnehin nicht, Geburtstagswünsche und ähnliches werden doch erst so richtig feierlich, wenn sie tatsächlich zu Papier gebracht, und nicht nur per Email verschickt oder am Telefon ausgesprochen werden. Mir sagt die elektronische Kommunikation sehr zu, sie ist einfach und direkt, ohne Umwege und Wartezeiten. Auch schätze ich das Telefonieren sehr, insofern es sich nicht allzu sehr zieht. Hat man eine gewisse Person seit einiger Zeit nicht mehr gesehen, ist gegen ein ausgiebiges Telefonat nichts einzuwenden, sieht man die betreffende Person häufiger, ist der persönliche Kontakt vorzuziehen. Das Zwiegespräch erscheint mir ohnehin als angenehmste Kommunikationsform unter Vertrauten, das Telefonat nur bei größerer räumlicher Distanz von Nöten, der Brief allenfalls unter Liebenden als wirklich sinnvoll. Entgegen meiner oben getroffenen Aussage muss ich doch zugeben, dass mich beim Gedanken an das zumindest teilweise Verschwinden des Briefes ein diffuses Gefühl der Wehmut beschleicht. Das ist einerseits ein bisschen seltsam, da ich in meinem Leben bisher lediglich eine Handvoll Briefe geschrieben habe, zum anderen ist es auch nachvollziehbar, da mir ein gewisser Kulturkonservativismus innewohnt. Jeder, der sich an dieser Stelle über die Minimalalliteration Kulturkonservativismus ereifert, soll meinetwegen zur Hölle fahren, oder auch nicht, ist mir ganz egal. Der Verbleib solch widerwärtiger Meckerpötte ist mir offen gesagt schnurzpiepegal. Kulturkonservativismus , wie kann man sich über so ein Wort nur aufregen! Hätte ich nun geschrieben Krakauer Kulturkonservativismus , ja dann, dann hätte ich eine Gewisse Verärgerung seitens des Lesers durchaus nachvollziehen können, aber ich habe nun mal, und dieses nachzuprüfen ist ein leichtes, lediglich Kulturkonservativismus und eben nicht Krakauer Kulturkonser vativismus geschrieben. Krakauer Kulturkonservativismus , das ergibt doch überhaupt keinen Sinn! Warum sollte in Krakau der Kulturkonservativismus anderer Gestalt sein als beispielsweise in Königsberg, oder Köln? Solch alberne Einwürfe seitens der Leserschaft ignorierend möchte ich mich wieder dem eigentlichen Thema dieses Textes zuwenden, dem Internet. Selbiges wird inzwischen glücklicherweise nur noch von wenigen Staunern als Datenautobahn , oder noch schlimmer Datenhighway bezeichnet. Gebräuchlicher ist heutzutage die Formulierung: Ich muss noch mal ins Netz. Laut Statistik verfügen inzwischen 60% der Deutschen Haushalte über einen Internetanschluss,
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TITEL die Zeit des Bestaunens ist somit beendet, es hat sich ausgestaunt. Das Internet hat den Wandel vom aufregenden, neuen und herausfordernden Medium in die Liga der Beriesler und Langweiler ohne größere Schwierigkeiten hinter sich gebracht. Aus dem allgemeinen Staunen wurde ein dumpfes Klicken, der effektivste Zeittotschläger des 21. Jahrhunderts. Wenig prophetisch ist es zu behaupten, dass das Dauerinternetsurfen das Marathonvorderglotzehängen in nicht allzu ferner Zukunft als Lieblingsbeschäftigung des einfachen Mannes abgelöst haben wird. Jeder, der auf ein Comeback des gedruckten Wortes gewartet hat, wird sich wohl oder übel weiter gedulden müssen. Natürlich könnte er der Realität ins Auge und somit in den Schlund des Verderbens schauen. Aber das möchte ich an dieser Stelle von niemandem ernsthaft erwarten, wahren sie weiter ihren Optimismus, wer weiß wofür s gut ist. Allen anderen möchte ich empfehlen, sich umgehend einen High Speed DSL-Anschluss zuzulegen und mit diesem voll Karacho über den Datenhighway zu donnern, bzw. zu surfen. Zwischendurch wird eine Rast eingelegt und gestaunt was das Zeug hält. Und was es hier nicht alles zu sehen gibt! Ist einem eine Folge der eigenen Lieblingsfernsehserie entgangen, hier kann man sein Defizit wettmachen. Auch das Ausleben gewisser exotischer Neigungen ist hier, zumindest in virtueller Form, möglich, ohne dem Gesicht oder anderer wichtiger Körperteile verlustig zu gehen. Böse Zungen behaupten ja, die einzigen Funktionen des Internets seien die Möglichkeit zur Selbstdarstellung und der nahezu unbeschränkte Zugriff auf Pornographie. Dies lässt der Autor bewusst unkommentiert, möge sich jeder Leser einen eigenen Reim darauf machen, jedoch ohne mich damit zu behelligen, weder auf telefonischem, noch auf postalischem Wege. Auch eine Email empfiehlt sich nicht, leider mangelt es mir an einem Internetanschluss. Zwar verfüge ich sehr wohl über einen Heimcomputer, doch bin ich mir nicht sicher, welche Vorteile mir der Zugang zum World Wide Web bescheren könnte. Und erst die Kosten! Als wären GEZ-Gebühren nicht schon genug! Außerdem ist der effektivste Schutz vor Computerviren ganz ohne Zweifel das Fehlen eines Internetanschlusses. Das Wort Trojaner löst bei mir kein Unbehagen aus, eher dumpfe, unsortierte Erinnerungen an den Geschichtsunterricht. Würmer sind für mich nach wie vor Bewohner des Erdreichs und MyDoom vermutlich der Alkoholismus, ganz sicher jedoch keine Bedrohung für meinen PC. Schließen möchte ich diesen Text mit einem einfachen, dafür jedoch umso weiseren Zitat aus der Fernsehserie Die Simpsons schließen, welches wie folgt lautet: Das Internet? Gibt es das überhaupt noch? Damit sei alles gesagt, vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit. PS.: Gibt es eigentlich etwas Widerlicheres als die unter Internetneulingen angeblich immer noch verbreitete Phrase: Internette Grüße ? Gut, Pädophiliebe Grüße vielleicht, aber so eine Geschmacklosigkeit wird wohl kaum jemand frei äußern, auch nicht in einer Email.
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TITEL
DEMNACHST WIRD NOCH MAL ALLES VIEL BESSER GEMACHT ..
FOLGE I: NEUES AUS BAUTZEN
T
von Kalle Kalbhenn
Täglich passieren Dinge, Menschen machen Sachen, und alles bewegt sich. Nichts bleibt wie es einmal war. So auch neulich in Bünde: Deutschland erlebte den heißesten April seit Messung der Klimadaten. Die Bauern in Ostwestfalen Lippe verloren reihenweise ihre Hoffnung auf eine gute Ernte und den Glauben an den Lieben Gott. Doch dann fiel an den ersten beiden Maitagen so viel Wasser vom Himmel, wie es all die Jahre zuvor im gesamten Mai der Fall war. Die Flüsse traten über die Ufer. Während ich das Szenario aus dem Panorama-Fenster meines Bünder Büros betrachte - auf die weit über die Ufer getretene Else blicke - wird mir langsam bewusst, dass etwas nicht stimmt. Mir fällt nicht sofort ein, was es ist. Aber sicher ist: Demnächst muss alles noch mal viel besser gemacht werden. Während Wetter und Weltordnung aus den Fugen geraten, kehre ich an meinen Rechner zurück. Der Artikel von Kollegen Nehren über seine Teilnahme beim Pfahlsitzwettbewerb in Hellern will redigiert werden. Auch sonst türmt sich die Arbeit. Spesenabrechnung vom Kollegen Berendes, Bußgeldbescheide gegen Arnke wegen Falschparken und die Pflege des neuen Kommunikaze-Banners müssen noch abgearbeitet werden. Aber vor der Pflicht zieht es mich ins Internet. Ich will nachsehen, wie das Wetter in Französisch Guyana ist, dem Ziel des Redaktionsausflugs. Esthers Reisevorschlag Österreich wurde überhört, und Paulin hat alles sehr günstig online gebucht. Ich rufe also schnell wetter-heute.de auf, um die Vorhersagen einzuholen. Natürlich ist das Wetter nicht so gut, wie vom Redaktionsvielflieger versprochen. Im Gegenteil: wir landen mitten in der Regenzeit. Wenigstens von Grundorf gibt es frohe Botschaft. Die beantragten Fördermittel für die Reise sind eingeworben. Wir müssen lediglich Paulin dabei filmen, wie er mit Einheimischen politische Fragen diskutiert. Als ich die Koordinaten unseres Hotels bei google-earth eingebe, kann mich die Tatsache, dass Paulin ein Hotel direkt neben einem Truppenübungsplatz gebucht hat, schon nicht mehr schocken so etwas hatte ich geahnt. Den von Arnke empfohlenen Reiseführer Französisch Guyana für Existenzgründer finde ich nach kurzer Zeit bei Amazon, der schnellen und bequemen Alternative zum Buchladen um die Ecke. Im Internet ist das Leben viel einfacher, denke ich. Einfacher und bequemer. Unverbindlicher und attraktiver. Das Playmobil-Piratenschiff findet man bei ebay mit zwei Klicks. Beim Stöbern
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TITEL auf dem Flohmarkt geht man leer aus. Im Internet sammeln sich alle Informationen, lange bevor die Zeitungen druckfrisch am Kiosk liegt. Nichts ist so alt, wie die aktuelle Zeitung. Das Internet macht alles verfügbar und kennt weder Öffnungszeiten noch Zensur und senkt nebenbei Schmerzgrenzen und Niveau schneller, als es dem Fernsehen je möglich war. Mir ist bewusst, dass auch ich auf der Playstation besser Fußball spielen kann, als an der frischen Luft und mit der Tastatur besser schreiben kann als mit Federkiel und Tinte. Rechnen ohne PC geht nicht mehr, und Brettspiele sind mit 3D-Welten nicht zu vergleichen. Menschen treffen ist mit Skype, ICQ und StudiVZ überflüssig. Online kann man 100 Leute gleichzeitig treffen viel effektiver als die analoge Variante. Vor dem Einschlafen und nach dem Aufstehen. Unweigerlich stellt sich die Frage, wie man von der neuen Technik profitieren kann. Wir bestellen unsere Bücher online, buchen Reisen, kommunizieren und recherchieren virtuell. Wie lässt sich online Geld verdienen? Während ich darüber nachdenke, lese ich auf Spiegelonline von einem Militärputsch in französisch Guyana. Auf der im Artikel verlinken Landkarte des Krisenherdes sehe ich unser Hotel.
DAS PRINZIP KINDERSPIELPLATZ WARUM DAS StudiVZ EIGENTLICH HARMLOS UND MANCHMAL SOGAR GANZ GUT IST
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von Jan Paulin
Früher auf dem Kinderspielplatz, da war es auch schon so. Da gab es die Kinder, die artig Schaukel und Rutsche benutzten, dabei vergnügt quietschten und irgendwann, wenn sie genug davon hatten, nach hause gingen, um Hausaufgaben zu machen oder ihr Zimmer aufzuräumen. Und dann waren da noch die Kinder, die gerne etwas länger auf dem Spielplatz blieben, um sich immer wieder neue Sachen auszudenken, die man dort anstellen konnte. Schlamm auf die Rutsche schmeißen, Zündeln oder seinen Namen in die Bank ritzen. Die Hausaufgaben wurden dann eben am nächsten Tag bei den fleißigen Kindern abgeschrieben. Zu guter Letzt gab es dann auch noch solche, die überhaupt nie einen Fuß auf den Spielplatz setzten, weil sie ihn doof fanden und lieber zum Blockflötenunterricht oder in die Reitstunde gingen. Das waren die Kinder, deren Sätze oft mit den Worten Meine Eltern haben aber gesagt... anfingen und nicht mitreden konnten, wenn es um die Saber Rider oder das ATeam ging, weil sie das nicht sehen durften oder zu dieser Zeit gerade Blockflöte üben mussten. Oder Beides. Ich glaube, dass man das Prinzip Kinderspielplatz locker auch auf das StudiVz anwenden kann. Da gibt es die sporadischen Benutzer, die ab und an mal ihre Nachrichten checken und ihren
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TITEL Freunden im fernen Berlin oder Bautzen auf die Pinnwand schreiben. Dann gibt es noch die Addicts, deren Profil von Gruppen und persönlichen Infos nur so strotzt, die sich auch gerne mal ein zweites Fake-Profil mit Namen wie Jim Panse oder Haou Dhegen anlegen, um damit Dinge anzustellen, wie beispielsweise Massengruscheln oder Pro-Fahrradhelm -Gruppen zu unterwandern. Naja, und dann sind da eben noch die ehemaligen Blockflötenkinder, die alle User des StudiVz bereits als nuschelnde und sozial verarmte Avatare durch die Gegend stolpern sehen und die schon aus Prinzip bei so was nicht mitmachen. Als Kommentar bei Gesprächen über das StudiVz erntet man meist ein genervtes Augendrehen. Ich persönlich sehe mich selbst irgendwo zwischen Gruppe Eins und Gruppe Zwei. Ich benutze das StudiVz, so wie fast alle, um mit meinen Freunden in Kontakt zu bleiben, die weit weg wohnen. Zugegeben: Manchmal wohnen sie auch nebenan und ich könnte auch einfach rüber gehen und klingeln, aber darum geht es gar nicht. Wie auf dem Spielplatz ist es nicht nur wichtig, sich zu treffen, sondern auch miteinander zu spielen. Und dafür bietet das Studentenverzeichnis eine perfekte Welt. Zugegeben: Auch ich habe mich in der Bibliothek schon dabei ertappt, wie ich mich in regelmäßigen Abständen durch Freundeslisten oder Gruppendiskussionen geklickt habe, statt den Kopf über die Bücher zu hängen. Ich habe auch schon fremde Leute angegruschelt und im Forum der Gruppe Famulatur auf Samoa herumgepöbelt. Deswegen laufe ich noch lange nicht sabbernd durch die Fußgängerzone oder begnüge mich auf Partys mit den Worten LOL und HDL , wenn ich mit Leuten spreche. Es geht mir gut. Ich bin sozialverträglich und massenkompatibel, kurzum, es kommen keine Fruchtfliegen aus meinem Privatleben. Ich freue mich, wenn ich über diesen Weg mit vielen meiner Freunde in Kontakt stehen kann, weil es eben schlichtweg praktisch ist. Nie mehr wird mir der Satz Oje, du hattest Geburtstag, das hab ich ja total vergessen... über die Lippen kommen. Oder zumindest nicht mehr oft. Das StudiVz erinnert mich auf freundliche und übersichtliche Art und Weise daran. Über das Verzeichnis habe ich sogar schon neue Leute kennengelernt, mit denen ich mich regelmäßig auch im wahren Leben treffe.Wir gehen auf Konzerte, in die Disko oder kochen gemeinsam. Wie auf dem Spielplatz, so können auch hier Freundschaften geschlossen werden, die im Alltag bestehen. Für mich ist das StudiVz eine lustige Abwechslung zu anderen Seiten im Netz oder blöden Auswanderer-Shows im Fernsehen. Ich nehme das ganze, wie alle anderen auch, als den Ort, an dem man sich online mal kurz austoben und lachen kann. Denn eins ist klar: Für das StudiVerzeichnis braucht man Humor. Es ist kein Ort für akademische Gesprächsrunden oder hochwissenschaftlichen Wissensaustausch. Wer dies erwartet, wird enttäuscht. Ich finde das jedoch völlig in Ordnung und habe auch kein Problem damit, wenn wildfremde Menschen mein Profil anschauen und persönliche Details über mich erfahren können. Denn ich muss ja nur so viel von mir preisgeben, wie ich möchte. Ich verwechsle diese virtuelle Parallelwelt nicht mit dem wahren Leben, sondern nehme es allenfalls als eine Ergänzung. Am Ende ist alles ganz harmlos, so wie im Sandkasten oder auf dem Klettergerüst. Es ist eben ein witziger Zeitvertreib. Die einzige Frage, die ich mir schon als kleiner Junge gestellt habe und auch heute noch nicht zu beantworten vermag, ist diese: Was machen eigentlich die Blockflötenkinder sonst so?
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VIRTUAL LIMIT GRENZERFAHRUNGEN IM StudiVZ
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von Esther Ademmer
Das StudiVZ bringt mich an meine Grenzen. Vielmehr, es bringt meine Toleranz an ihre Grenze. Und nun ist sie erreicht. Nun explodiere ich live vor euch in der Kommunikaze. Es war ein kleiner Moment, der Tropfen Wasser, der das Fass zum Überlaufen brachte. Eigentlich war es Jan Paulin und eine Redaktionssitzung, die die ganze Unfassbarkeit dieses Systems wie ein Steinhaufen über mir einstürzen ließen. Er saß vor diesem kleinen flimmernden, rotweißen Bildschirm während wir als seine Außenwelt mit 300 Dezibel auf ihn einbrüllten, er solle nun endlich den scheiß Rechner in Ruhe lassen, wir wollten anfangen. Er sagte: ich muss nur noch mal ganz schnell . Schnelligkeit ist relativ. Wir ließen ihn. Den Tod eines echten Lebens als Augenzeuge mitzuerleben wiegt schwerer als viele Zahlen. Das Fass war voll. Getropft hat es schon lange. Wie oft muss ich im Moment feststellen, wie leer die Straßen in der Stadt sind? Die EW-Party Mitte der Woche ist so voll, wie die Vorlesung am Vormittag und die FH- Party zählt drei tanzende Agrarwirte auf den Boxen. Wo stecken denn alle? Sind alle Osnabrücker zu fleißigen Bienchen mutiert, die die Abende vor dem Schreibtisch verbringen? Killen die Studiengebühren die nächtliche Muße? Vielleicht ist es das. Aber eine andere Ahnung richtet sich gemütlich in mir ein: Leben wird virtuell. Aber wieso tauscht die Masse echte Erfahrungen gegen virtuelle Flirterei? Und warum sieht niemand die Oberflächlichkeit, die sich da mit System über die Gemüter senkt? So schwer ist es doch wirklich nicht. Der Name schon schreit: Dekadenz! Studie-Fau-Zett. Studie-Fau-Zett. Studie-Fau-Zett. Man muss es ganz oft hinter einander sagen, damit man heute noch begreift wie behämmert dieses Wort ist. Es ist ein Baby- Wort, es ist ein PseudoAbkürzungswort, es ist ein anonymisiertes Hab- Mich- Lieb- Wort, das so offensichtlich lächerlich ist, dass man das Lachen glatt vergisst. Was noch nicht witzig ist: Sprachdilettanten und Phantasielosigkeit haben im Studie-Fau-Zett eine neue Überlebensplattform gefunden. Sprechen entfällt. Wer tippt, tippt kurz, so kurz, dass Sprache eigentlich völlig egal ist. Und wer sie nicht beherrscht, beherrscht ziemlich sicher die vielen witzig- animierten Smileys, bei denen auch der letzte Depp schnallt, dass der schmissige Pinnwand Spruch ironisch gemeint war.Wer nicht mehr spricht, muss auch nicht mehr prompt reagieren. Der Spontaneität bricht es das Genick, wenn es zwischendrin dauernd klickt. Bald wird der Klang von Wörtern vielleicht vergessen sein. Nuscheln, Stottern oder ääh- Sätzen wird durch tippendes Schweigen ein für allemal der Garaus gemacht. Und auch Phantasielosigkeit kann endlich dank Google featuring Studie-Fau-Zett angemessen ausgeblendet werden. Wer lange genug durchs weltweite Netz segelt, findet schon einen einfallsreichen Geist, der einen feschen Spruch auf seine Seite gestellt hat. Copy and paste. Here we go baby. Noch leichter wird die Kumulation der eigenen Witzigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Die klärt auch gleich das Identitätsproblem pubertierender Teenager.
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TITEL Endlich wissen alle, wo sie wirklich hingehören. Bist du zum Beispiel im Neuen Graben 15 zu Hause, oder ist etwa Fleisch dein Gemüse? Bist du ein richtig süßes Shoppingmäuschen und hättest gern Marissa Coopers Kleiderschrank? Wer dein Profil anklickt, steckt dich endlich nicht mehr in eine Schublade. Er packt dich in eine Gruppe. Das Studie-Fau-Zett bietet sprachlich- charakterliche Perfektion und die gemeinschaftliche Herausbildung der eigenen Identität; Und das alles umsonst. Wenn das nicht mal demokratisch ist. Und sportlich. Im Wettbewerb von Fotos-pimpen, Freundesammeln und Pinnwandposten kann einem schon mal die Puste ausgehen. Leider macht StudiVZ auf Dauer nur innerlich schlank. Aber es lohnt sich: mit etwas Fleißarbeit wird im Studi-VZ jeder virtuell perfekt. Wo liegt also eigentlich mein Problem? Perfektion ist unmenschlich, und StudiVZ ist es auch. Das Problem ist nicht, dass es existiert. Das Problem ist das Ausmaß. Die Zeit, die eine ganze Masse an Leuten damit verbringt, sich durch Profile zu klicken um Infos über den Typen aus der Vorlesung zu kriegen, ist fast pervers. Normalerweise hätte man eine halbe Woche lang nicht mehr schlafen können, weil man sich mit der Frage quälte, ob man ihn nun ansprechen soll, oder ob er nicht vielleicht eine Freundin hat. Ein Klick auf seine Seite offenbart dir nicht nur seinen Beziehungsstatus, sondern auch seinen Freundeskreis, seine Interessen, seine Lieblingsbücher. Er hat eine Freundin? Also lassen wir das. Wozu soll man sich unterhalten, wenn man sich durch den Charakter der anderen glaubt durchklicken zu können. Und hier geht es weiter. Nicht nur, dass die Gefühle abstumpfen, wenn man den Typ von nebenan nicht mehr anquatschen muss, sondern nur kurz die Maustaste auf seinen Kopf bewegt, nein, das StudieFau-Zett vermittelt auch so eine absolute Realität, dass man sich gar nicht mehr die Mühe macht, sie in der Wirklichkeit zu überprüfen. Und das heißt dann Oberflächlichkeit mit System. Es schreit mir entgegen: Es ist doch eine Frage, was man daraus macht. Stimmt. Und, was machst du daraus? Eigentlich bin ich ruhig geblieben, explodieren, ja, explodieren sieht irgendwie anders aus. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht diesen Explodier-Ärger-Smiley hier einfügen kann, vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich gar nicht zu explodieren brauche. Tief in meiner Schublade habe ich nämlich schon einen heimlichen Plan. Es ist noch nicht aller Tage Abend. Ich denke, es wird so ablaufen: In naher Zukunft werde ich ein bisschen vereinsamen, mich mit zählbaren Freundschaften über Wasser halten müssen und über die leeren Straßen der Innenstadt ein paar Tränen vergießen. In ein paar Jahren werden die gläsernen Studie-Fau-Zetter arm und innerlich ausgesmileyt sein, völlig unbrauchbar zum echten Leben, sofort frustriert, wenn sie in der realen Welt alleine und ohne Freunde sind. Wenn sie sich ohne Taskleiste und bunter Hervorhebung der wichtigsten Einstellung im Leben verlaufen und sich völlig entgeistert abwenden, dann denke ich, werde ich Selbsthilfegruppen für gescheiterte Virtuelle anbieten, Sprechen lehren oder das Anfassen realer Personen. Ich denke, ich werde damit viel Geld verdienen. So viel, dass ich Studie-Fau-Zett kaufen kann, den Namen lösche und auf Einstellungen ändern klicke. Hier werde ich die Welt retten, durch einen kleinen Kniff: Nach einer Viertelstunde Studie-Fau-Zett schaltet sich das System aus. Und das wirkliche Leben beginnt. Vielleicht geht dann mal wieder jemand mit mir tanzen.
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von Steffen Elbing
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Es ist aus vonTobias Nehren Dienstag 8:00 Uhr: Es ist aus. Nie wieder fasse ich sie an. Der Entschluss ist gefasst, bombensicher. Wir beide werden getrennte Wege gehen, und nichts wird mich wieder zurückbringen. Kein Zweifel. Es hat eh schon viel zu lang gedauert. Viel zu oft habe ich mir geschworen, Schluss zu machen. Sie schadet Dir doch nur , habe ich zu mir gesagt, Nichts, was sie Dir nützt. Gut, ein bisschen Befriedigung hier und da. Und Dir gut stehen, also gut ausssehen, tut sie ja auch, vor allem auf Partys und so. Aber wie viele einsame Momente, in denen Du Dich mit den Konsequenzen gequält hast? Nachts nicht schlafen konntest. Dir dann geschworen hast: Morgen mache ich endgültig Schluss? und dann? Direkt nach dem Frühstück hatte sie Dich wieder, diese kleine Schlampe. Und was ich alles angestellt habe um an sie heranzukommen: andauernd schnorren, das letzte Geld zusammenkratzen. Abends um 12 oder 1 Uhr noch aus dem Haus, nur um mir den kleinen Kick zu besorgen. Ja ich gebe es zu: Es gab sogar Momente, in denen war ich so weit, die Reste Fremder zu nehmen, weil ich selbst kein Geld mehr hatte. Aber heute, heute ist das alles vorbei. Nie wieder werde ich die Hure Nikotin an mich heranlassen. Lachen werde ich über all diejenigen, die sagen Rauchen sei so gesellig. Stimmt, wenn sie sich wie Junkies auf Bahnsteigen und Balkonen zusammenkauern, werde ich schon neidisch sein. Rauchen ist cool , sagen sie, pah, cool. Lachend werde ich dastehen, wenn irgendwo mal eine Sturmflut, ein Erdbeben oder sonst irgendein Unglück passiert, bei dem man schnell weglaufen muss und ich zu den gesunden, nichtrauchenden und damit Überlebenden gehören werde, weil ich die bessere Luft hatte. Das ist cool! Dienstag 9:00 Uhr: Ich vermisse sie. Jetzt einen Moment des Genusses, was ich darum gäbe. Einen kleinen Moment nur. Vielleicht eine halbe NEIN! Ich bleibe stark. Dienstag 12:30 Uhr: Geschafft! Nun bin ich schon einen gesamten Vormittag Nichtraucher. Abzüglich der 7 Stun-
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den, die ich geschlafen habe und in denen ich ebenfalls nicht geraucht habe. WOW! Ich bin der Wille in Person. Dienstag 13:30 Uhr: So der Bauch ist voll. Jetzt ne Zigarette. Blättchen nehmen, Filter anlecken. Tabak hineingeben. Hin- und herrollen. Anlecken zukleben. Anzünden und fallen lassen. WOW!!! Geht das ab. Aber nein, ich bleibe stark. Ich muss mich nur daran erinnern, wie oft es weh getan hat. Wie oft konnte ich nicht schlafen, nicht atmen, wie oft hat sie mir die Luft geraubt. Nein ich will nicht mehr. Lass mich in Ruhe! Dienstag 16:30 Uhr: Die Welt ist zum Kotzen. Meine Fresse, bin ich schlecht gelaunt. Warum? NIKOTINENTZUG. Aber diese Ausrede gilt nicht. Ich bin süchtig, und das weiß ich. Konsequenz: Ich brauche ein Surrogat. Kaugummis helfen nicht, das sagt mir der kindsfaustgroße Klumpen in meinem Mund. Ja Ja irgendwas lutschen toll, ich glaube ich habe heute soviel gelutscht, dass die Werthers Echte-Aktie allein durch mich schon einen Aufschwung erfahren hat. Nein, ich brache echten Stoff. Also Nikotinpflaster, das letzte Eingeständnis eines Suchtkranken an sich selbst. Rauchermethadon! Gekauft, geklebt, weniger gereizt, aber immer noch süchtig. Und das schlimmste: Die Scheiße dampft nicht mal! Dienstag 21:30 Uhr: Mann, bin ich gut. Aber jetzt wird es hart, denn: Vervollständigen sie folgende Wortkette durch den nächsten logischen Begriff : Kneipe, Freunde treffen, Bier trinken . Dienstag: 23: 30 Uhr: Nun gut, ich bin nicht zu ihr zurück. Alle um mich herum haben gequalmt, gepafft, gesaugt genuckelt ich nicht. Ich bin knallhart geblieben. Ich weiß nur noch nicht, ob das auf die dauer so funktionieren kann. Dieses Konzept, das ich da zum Thema Kneipe und Nichtrauchen entwickelt habe. Denn früher oder später, vermutlich eher früher, als später, habe ich dann ein weitaus größeres Problem: Denn Alkoholiker haben es zumindest scheinbar wesentlich schwerer im Alltag als Raucher. Während meine rauchenden Freunde um mich herum einen Schluck trinken, sich eine Zigarette anmachen und sich unterhalten, kralle ich zunächst Furchen in den Hals meiner Bierflasche, nehme einen Schluck, denke daran das ich jetzt, früher, an meiner Zigarette gezogen hätte, pule dann das Staniolpapier vom Flaschenhals ab, um dann direkt den nächsten Schluck zu nehmen. So geht das den Abend über ca. 50 oder 60 Mal und wenn die Bedienung nicht so aufmerksam gewesen wäre, hätte ich inmitten eines beträchtlichen Bierfriedhofs gesessen. Aber gut: wenigstens nicht geraucht Es wird noch ein sehr langer Weg werden. Aber nun bin ich inklusive der 7 Stunden Schlaf , in denen ich ja auch nicht geraucht habe, einen ganzen Tag NICHTRAUCHER. Also heißt mich willkommen in der Gruppe derer, die den nächsten Kometeneinschlag, die Flutwelle oder den Angriff der mutierten Mördermaikäfer aus der Hölle rennend überleben werden.
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von Steffen Elbing
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N I n e m lkGEom5 DUNADINGSDA! WilFOL von Stine Klapper & Kalle Kalbhenn
Es hat seit Tagen nicht geregnet es hat seit Wochen nicht geschneit der Himmel ist so klar und die Straßen sind breit
Fahr doch mit mir nach Italien wir verstehen zwar kein Wort aber lieber mal da nichts verstehen als nur bei uns im Ort
Ist das Leben hier ein Spielfilm oder geht s um irgendwas wir haben jede Menge Zeit und du sagst na ich weiß nicht, stimmt das
Wir trafen uns in einem Garten - Zweiraumwohnung -
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s geht um Obst, rote Eier und Ficken. Der Film ist eine Katastrophe. Als wir um Mitternacht das Schneiden beenden, ist eines sofort klar: Dieser Film ist unser Untergang. Moderator Paulin spricht englisch und deutsch, seine Gesprächspartner entweder Belangloses auf deutsch oder sie sprechen direkt ungarisch, und wir verstehen kein Wort. Wir malen uns aus, wie uns sämtliche Fördergelder aberkannt werden, man uns mit Heugabeln aus dem kleinen Dorf an der Donau gejagt jagt, und wie wir uns dort nie wieder blicken lassen dürfen. Am nächsten Tag wird unser Film Donauperle im Festivalprogramm gezeigt. Im Publikum sitzen unter anderem Frau und Kinder von Andre, der Reporter Paulin im Film freizügig über sein Sexualleben berichtet. Wir schämen uns. Nach der Vorstellung wird vor allem die Fußballszene umgehend von unserem Leihvater Axel Halling kritisiert. Moderator Jan Paulin kann da nur beipflichten. Eine Stunde später stehen wir auf der Bühne und werden von einem Medienprofessor der Universität Budapest freudestrahlend mit dem Publikumspreis und dem internationalen Sonderpreis geehrt. Der Jury gefiel besonders die Fußballszene, in der Paulin drei Mal die Latte trifft. Wir selbst können es gar nicht glauben. Am wenigsten aber Axel Halling. Ausgerechnet die Fußballszene... Auf der anschließenden und abschließenden Party haben wir nicht nur die Ehre, noch einmal von der Wir-AG bewirtet zu werden, auch kündigt Porno-Renate den Auftritt seiner Band an. Dass die Bewohner des kleinen südostungarischen Dorfs nicht ganz sauber ticken, ist uns dabei schnell klar, treffen wir doch innerhalb kürzester Zeit auf Zottel, Opa Vago, Ficken-Tag Andre , die Wir-AG und etliche andere sonderbare Gestalten. Die einzig normale Person, Marianna, hat dem Dorf schon längst den Rücken Richtung Budapest zugewandt. Eine Steigerung an Skurrilität scheint undenkbar. Und dennoch hält die Abschlussparty eine Überraschung bereit. Die Band von Porno-Renate spielt easy-listening Musik und zeigt dazu alte Super 8 Filme (Moby Dick, Herby) auf einem weißen Handtuch. Dazu gibt es wie immer Selbstgebrannten von allen Seiten. Bis Paulin irgendwann aufgeregt Richtung Handtuch-Lein-
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wand zeigt: Ist das nicht süßes Dessert ? und tatsächlich läuft mittlerweile ein deutscher Super 8-Porno aus den 80ern, den Porno-Renate mit beschwingter Trommelmusik zu unterlegen weiß. So bekommt Chefreporter Paulin doch noch die Gelegenheit, die Filme, deren Klappentexte ( Der Besuch landet am Flughafen. Ein Spaziergang durch die Stadt, ein opulentes Mahl zum Nachtisch wird gefickt. ) wir tags zuvor noch übersetzen mussten, in Augenschein zu nehmen. Am nächsten Morgen (5.46 Uhr) dürfen wir die Freiluftirrenanstalt Dunadingsda endlich verlassen und in die Zivilisation zurückkehren. Schon während der Busfahrt bekommt Stine eine SMS von unserem Ex-Mitbewohner Villabajo-Martin , der eine private Metallparty in einem Park aufgetan hat. Nach kurzer Bedenkzeit entschließt sich unser Team, der Einladung nicht zu folgen, schließlich hat Chefanimator Paulin für den Budapestaufenthalt genug Programmpunkte zusammengestellt: Tropfsteinhöhle, Stadtrundgang, Brücken angucken, Schwimm-EM und natürlich die berühmten Bäder aufsuchen. Nach fast einer Woche harter Arbeit sind wir natürlich alle begeistert, als Paulin uns kurz nach der Ankunft im Hostel seine Top-5 der Budapester Bäder präsentiert. Wir machen uns sofort auf den Weg und folgen Paulin, der sich besonders auf das Sprudelbad freut ( Ey Kalli, hast du deine Badehose auch schon drunter? ). Heute soll es das SzechenyiBad sein, und Paulin führt uns in öffentliche Verkehrmittel und durch pittoreske Gassen. Wir fahren von Pest nach Buda und von Buda nach Pest, bis Paulin plötzlich mit erhobenem Stadtplan stehen bleibt. Wir sind da! jetzt kann der Badespaß beginnen.Wie ein Schwimmbad sieht das Gebäude mit der Aufschrift Országos Széchényi Könyvtár allerdings nicht aus, und ein Blick auf die Karte verrät uns, dass Paulin das Szenchenyi-Bad mit der SzechenyiBibliothek verwechselt hat. Der Stadtplan wird widerspruchslos an Jasmin und Stine weitergereicht, und nach mehrfachem Umsteigen gelangen wir ans andere Ende der Stadt, wo sich tatsächlich ein Schwimmbad befindet. Die erste Stunde verbringen wir damit, einzeln von grimmigen Bademeisterinnen durch die verwinkelten Gänge des alten Gebäudes geführt zu werden. Irgendwann bekommt man ein Umkleidekabuff zugewiesen, muss sich verschiedene mehrstellige Zahlen merken, und am Ende wird man von der Schwimmbadfrau irgendwo im dunklen Inneren des Hauses zurückgelassen. Sie ist plötzlich mit dem gesamten Hab und Gut verschwunden, und man bleibt völlig verlassen, orientierungslos und in schutzlos knapper Badekleidung zurück. Nach einiger Suche finden wir jedoch alle unseren Weg zurück ans Tageslicht und hinein ins Wasser. Wir plantschen und entspannen abwechselnd, bis Kalle irgendwann andeutet, dass der passende Moment gekommen sei, um das Bad zu verlassen. Zuvor war er etwas zu engagiert gegen die ungarischen Kinder und Rentner im Strömungs-
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becken-Wettschwimmen angetreten. Beim zweiten Mal macht die Umziehprozedur nicht mehr ganz so viel Angst, und wir bekommen alle unsere Sachen wieder. Abends genehmigen wir uns in einer schicken Budapester Bar einige Cocktails. Bis heute wissen wir nicht, warum unsere neuen Freunde Axel Halling und Marianna nicht auf die freundlichen SMS geantwortet haben, die Kalle ihnen zu später Stunde von Paulins Handy aus schickt ( Hallo Marianna. Der Kuchen war gut. Ich hoffe deinen Eltern geht es gut, ich gehe jetzt in der Donau schwimmen. ; Hallo Axel. Schön, dass wir jetzt beste Freunde sind. Das mit dem Hund tut mir leid. ). Auch die folgenden Tage über erleben wir Budapest von seiner schönsten Seite. Wir bekommen den größten Regensturm der Geschichte mit -- und das, als wir gerade auf dem Weg zur Schwimm-EM (Darren, Kalle, Stine) beziehungsweise in einer Tropfsteinhöhle (Jasmin, Jan) sind. Wir erleben weitere Heilbäder und kulinarische Überraschungen. Alles in allem ein passender Abschluss. Als wir wieder im Flieger Richtung Deutschland sitzen, befällt uns alle ein Gefühlsgemisch aus Schwermut und Erleichterung. Anders als von Kalle befürchtet, landen wir sicher im schönen Dortmund. Auf der Autobahn nach Osnabrück malen wir uns aus, wie wir wohl in der Mensa empfangen werden. Mit rotem Teppich mindestens. Und Sektempfang. Die Ernüchterung ist groß, als wir die Schlossmensa betreten. Alles ist normal. Keine Verrückten. Niemand, der ohne Aufforderung über Sex redet. Und wo ist überhaupt die Donau? Opa Vago soll noch was über die Weinernte mit einem Pflug erzählen. Andre über rote Eier und Ficken. Das Mensaessen ist überhaupt nicht so schön orange. Jetzt in Uschis Eck einen Cocktail wäre das schön. Und Grundorf holt in der Flamingo Bar Eis für alle. Und dann mit Paulin in der Donau baden und am nächsten Tag gegen die SpVgg Dunafalfa/Dunadingsda Elfmeterschießen. Mücken, Villabajo, Porno Renate, Marianna, Axel und Zottel. Und darüber machen wir dann einen Film. Jasmin soll schon mal das Drehbuch schreiben.
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von Stefan Berendes
chon solange die Kommunikaze existiert, war es uns immer ein besonderes Anliegen, mit anderen Kreativen, Engagierten oder ganz einfach Durchgeknallten zusammen zu arbeiten, wann immer sich dazu die Gelegenheit bietet. Und die Gelegenheit bietet sich in diesen Tagen glücklicherweise öfters. Konkret bedeutet das, dass bei Erscheinen dieser Ausgabe unsere nächste größere Kooperation mit dem Forum Osnabrück für Kultur und Soziales, FOKUS e.V., unmittelbar vor der Tür steht: der Literatur Parcours. Der Literatur Parcours soll seine Teilnehmer auf einen literarischen Stadtrundgang der besonderen Art entführen: Zwischen Geschichten und Performance, Literatur und Improvisation, Ernst und Wahnwitz bewegt sich das Programm, das an sechs Stationen in der Osnabrücker Altstadt auf Besucher wartet: Dabei ist natürlich das Team Kommunikaze, aber es warten auch die verdienten Poetry Slammer, das Erste unordentliche Zimmertheater, das Klangkollektiv Elektrant aus Münster und noch einige andere Akteure auf Euch. Alles in allem ein Abend, an dem man Literatur und Sprache auf ganz unterschiedliche Arten erleben kann. Anschließend lädt die Abschlussveranstaltung in der Lagerhalle zum Diskutieren über das Gesehene und Gehörte oder ganz einfach zum Feiern ein. Während Ihr dies lest, sind vielleicht noch einige Restkarten erhältlich! Der Vorverkauf findet statt im AStA der Uni, bei der Tourist-Information, bei FOKUS e.V., der Neuen OZ, in der Lagerhalle und online unter www.der-parcours.de. Und auf der Homepage gibt es natürlich auch die wichtigsten Infos rund um die Veranstaltung. Also jetzt informieren, Eintrittskarten sichern und Literatur erleben! Literatur Parcours am 13.07. ab 19.30 Uhr. Eintritt: 10,00 , 6,00 ermäßigt. Information und Anmeldung unter www.der-parcours.de
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Die letzte Seite IMPRESSUM Kommunikaze Zeitschrift für facts & fiction REDAKTION: Jan Paulin (ViSdP) Darren Grundorf Stefan Berendes Anna Groß Esther Ademmer Kalle Kalbhenn Volker Arnke Tobias Nehren Steffen Elbing
GASTAUTOREN: Finn Kirchner Urs Ruben Kersten Stine Klapper
FINANZEN:
Warum das Internet doch ganz gut ist (gesehen bei www.googlefight.com)
Jan Paulin
letzte worte:
LAYOUT/SATZ/GRAFIK:
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hr werdet es gemerkt haben: Die Ausgabe, die Ihr in Händen haltet, ist einen ganzen Monat zu spät dran! Das ist natürlich im Grunde unverzeihlich, doch im Trommelfeuer von Prüfungen, Open Air Festivals und organisatorischem Hickhack rund um den Literatur Parcours erwiesen sich die geplanten Termine für Textabgabe und Erscheinen der Ausgabe als nicht haltbar. Wir geloben Besserung und kehren mit der nächsten Ausgabe, die - hoffentlich - Anfang August erscheint, zum regulären Turnus zurück.
A U
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uch das wird vielleicht einigen von Euch nicht entgangen sein: Unter www.kommunikaze.de gibt es zwar nach wie vor die gewohnte Dosis facts & fiction -- dafür aber im runderneuerten Gewand. Der Dank dafür gebührt wie immer unserem Webmaster (und einzigen Leser) Veit Larmann, der sich für die neue Programmierung die Nächte um die Ohren gehauen hat. Jetzt sind wir dran und werden dafür sorgen, dass die Homepage künftig deutlich häufiger als alle zwei Monate frischen Content bietet -- versprochen!! nd schließlich geht das Sommersemester dann auch zu Ende -- für uns wie immer ein Grund, Euch eine entspannte, erlebnisreiche vorlesungsfreie Zeit zu wünschen. Ein Wiedersehen mit Kommunikaze gibt es ja, wie angekündigt, aller Voraussicht nach schon im August. Schöne Ferien! Kommunikaze 26 erscheint Anfang August 2007 Redaktions- und Anzeigenschluss: 15.07.2007
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Stefan Berendes
BILDQUELLEN: www.photocase.com www.googlefight.com
COVER & ILLUSTRATIONEN: Christian Reinken
DRUCK: Druckerei Klein, Osnabrück Tel. 0541/596956
AUFLAGE: 1.100 Exemplare
REDAKTIONSANSCHRIFT: c/o AStA Der Universität OS Alte Münze 12 49074 Osnabrück info@kommunikaze.de www.kommunikaze.de Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge geben nicht zwingend die Meinung der gesamten Redaktion wieder. Für den Fall, dass in diesem Heft unzutreffende Informationen publiziert werden, kommt Haftung nur bei grober Fahrlässigkeit in Betracht.
Hochschulinformationsb端ro der Osnbabr端cker Gewerkschaften August-Bebel-Platz 1, 49074 Osnabr端ck
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