STADTMUSEUM KLAUSEN MUSEO CIVICO DI CHIUSA Frag 1 . Via Fraghes 1, 39043 Klausen . Chiusa BZ Tel. + Fax 0472 846148 Mail: museum@klausen-bz.it
PRESSEMITTEILUNG STADTMUSEUM KLAUSEN AUSSTELLUNG
JAKOB DE CHIRICO „GELD oder GEIST“
Eröffnung: Freitag, 24. September 2010 – 18 Uhr Einführung: Michael Hübl, Kunsthistoriker Dauer der Ausstellung:: 25.9 – 6.11.2010 Öffnungszeiten: 9.30 – 12, 15.30 – 18 Uhr So und Mo geschlossen Jakob de Chirico, 1943 in Innsbruck geboren, Diplom der Kunstschule St. Ulrich und der Akademie der Bildenden Künste München, stellt auf Einladung im Stadtmuseum Klausen aus. In diesem wunderschönen, mittelalterlichen Städtchen, hat de Chirico das erste Stadium seiner künstlerischen Entwicklung verbracht - hierher war er nämlich als 11jähriger mit seiner Familie umgezogen. Seine ersten Zeichnungen stellen Schloß Branzoll und Kloster Säben dar, die er als Motiv mehrmals auswählte. Immer mit dem Zeichenblock einzelgängerisch unterm Arm, fällt er Heiner Gschwendt – in Klausen lebender Bauhauserfahrener Künstler – auf und wird von ihm ermutigt. So beginnt Jakob´s künstlerisches Abenteuer, das ihn zu einer anerkannten Persönlichkeit in der zeitgenössischen Kunstwelt führen wird. Er durchfließt alle künstlerischen Avantgarden und kommt mit ihnen in positive Berührung. Nie hat er aber aufgehört, sein Schaffen mit einem nüchternen und oft polemischen Blick auf die Machtsysteme, welche die Gesellschaft und die Gebiete der Kreativität stark beeinflussen, zu verbinden. Provokateur, Verfechter der Freiheit, nie angepasst, Ablehner der Käuflichkeit durch öffentliche Hand und Wirtschaftssysteme, Kunstdozent, hin und
wieder vom Schulsystem beanstandet – aber bei den Schüler/innen sehr beliebt, nie vom Zeichensaal abwesend, hat Jakob de Chirico als eines seiner Leitmotive die Opposition auf die herrschenden Kontroll- und Bildungsmechanismen des Konsenses gemacht. Diese Art des Handelns teilte er im Besonderen mit dem Meraner Bildhauer Franz Pichler und dem Grödner Egon Moroder-Rusina. Er arbeitet pausenlos an der Auflösung aller „Käfige“ der gesellschaftlichen und künstlerischen Kontrolle, indem er deren Motoren und Verantwortungen fokusiert: also nicht allein die politisch subventionierte Verwaltung der Macht in seinem Land, sondern auch das „Sicheinmischen“ der kirchlichen Einrichtungen, die betäubende Ritualität der Staatsformen, die Herrschaft des Marktes und des Geldes über die geistige und kreative Arbeit. Von Südtirol ausgehend, breitet sich sein Blick auf die globalisierte Welt aus und mit dem Bewusstsein, das man im weiten und edlen Sinne „politisch“ bezeichnen kann, baut er oft eklatante Aktionen, Überlegungen, Verflechtungen zwischen Geisteswerken und einer nüchternen, nie beruhigenden Gegenwärtigkeit auf. Wegen diesem „kämpferischen“ Einsatz und der Kritik an den Institutionen, wegen der unzähmbaren Radikalität seiner Verhaltsweisen, provoziert er Misstrauen und Ächtung, während er hingegen fruchtbare Arbeitsbeziehungen mit namhaften Künstlern der internationalen Szene aufnimmt. Er arbeitet im engen Kontakt mit den Zeugen der Fluxusbewegung, u.a. mit Al Hansen, Ben Patterson, Philipp Corner. Er betreibt Gedankenaustausch mit Hermann Nitsch, dem österreichischen Aktionskünstler, der ihm über seine Kunst eine zutreffende Analyse verfasst: dort, wo das Fundament der Kunst Jakob de Chirico´s die Kritik an den Formen der Religion und das Nachholen von Riten und Symbolik ist, welche mit den Jugendphasen der Menschheit verbunden sind, und der religiöse Geist in sich die konkrete Materie festhält. Diese wirbelt in den Mysterienstrudeln eines Heidentums, verstanden als Unschuldsdusche der westlichen Intelligenz. Er schlägt originelle Wege mit visuellen Dichtern ein, angefangen von Eugenio Miccini bis zu Julien Blaine und Sarenco. Mit Ugo Dossi teilt er die unterschwelligen Wahrnehmungen. In Massimo Lunardon findet er die Möglichkeit seine emotionalen und rationalen „flashs“ in Glas zu übertragen. Er entdeckt eine sehr seltene gemeinsame kreative Wellenlänge mit Corrado Costa, Poet und Pataphysiker der Gruppe 63, mit dem er Installationen und Performances ausdenkt, auf den Wogen einer sehr starken – fast physiologischen – Komplementarität. Mit Claudio Costa, Künstler und Vater der Theorie des „Work in Regress“ gründet er die Gruppe KRAFTZELLEN, gemeinsam mit Angelika Thomas und Antonino Bove, welche monumentale Installationen inszenieren und gewaltige Rituale zur Gewinnung der pulsierenden Energien der Erde veranstalten. Vereint mit Bove beteiligt sich Jakob de Chirico später an der Herstellung von „BAU“ – Behälter für zeitgenössische Kunst, der direkt von den Künstlern (erst im Nachhinein von den Kritikern und Händlern) verwaltet wird. Er ist Mitbegründer und fördert die inzwischen auf kontinentaler Ebene berühmt gewordene Kunstanlage ARTE SELLA, die der Verschmelzung von Kunst und Natur gewidmet ist. Mit den Sammlern und Förderern der neuen Künste, Francesco Conz und Rosanna Chiessi, kommt er bald in Kontakt. Mit Aldo Mondino geistig verbunden, werden gemeinsame Werke signiert – angefangen von DOLO-R-MITEN bis ECCE DEUS. Er schließt sich den Visionen von Heinrich Bunzel an, für das Konzipieren neuer Formen der LandArt. Lange Jahre arbeitete Jakob de Chirico künstlerisch sowohl in Meran als auch in München. Sein derzeitiger Schaffensschwerpunkt liegt in Deutschland, da in ihm die Überzeugung gereift ist, dass es dort Freiheits- und Sicherheitsbedingungen gibt, welche das Land Südtirol, verschlossen in seiner anmaßenden, selbstgenügsamen Welt, nicht bietet. Das
manifestierte den endgültigen Rückzug von seiner Landesszene : „Den Südtirolern hinterlasse ich als Erbschaft allein meinen Schatten“. Eine in dieselbe Richtung gehende Provokation war eine vor Jahren stattfindende Aktion, als er dem ehemaligen deutschsprachigen Kulturreferenden, Bruno Hosp, hunderte von kleinen Münzen vor die Füße warf. Dies sollte zum Ausdruck bringen, dass die Kultur keine Almosen braucht – nicht nur in Südtirol – und noch mehr, dass man die Werke kauft und nicht die Künstler. Er handelt so, um die Widersprüche der Machtsystem aufzubrechen und wählt als Ziele die bewussten Zeugen, nicht die Kreuzungen der Geschichte in ihrer Entwicklung. Nationalismus, Klerikalismus, Kommerzilisierung: er greift diese Fronten an, bewaffnet mit einer verwirrenden Ironie, getragen von unaufhaltbarer, kompositorischer Kraft. Nie ist er beleidigend, nie zynisch, nie gewalttätig: die Provokationen von de Chirico sind immer Brücken, welche zu neuem Verständnis und neuartigem Mitempfinden führen sollen, als wäre er ein Minnesänger unserer Zeit, ein magischer Flötenspieler, davon überzeugt, dass es außerhalb des Kampfes – des Kampfes für Alle - kein Leben gibt. Für Jakob ist Kunst überwiegend radikale Auseinandersetzung als Ausdruck bewusster Subjektivität. So findet man in seinen Arbeiten keine Spur von Sarkasmus, kein „Gift“ in seinen Aktionen. Über ihn haben die wichtigsten zeitgenössischen Kritiker und Kunsthistoriker geschrieben, von Michael Hübl angefangen bis zu Llorand Hegyi, von Mario de Micheli bis zu Giorgio Cortenova, Valerio Dehò und Luigi Serravalli. Im Klausner Museum wird es wahrscheinlich nur mit Mühe möglich sein, sich im „Bazar“ voller Spuren und Werke, den de Chirico wie eine wilde Installation arrangiert hat, zu bewegen. Gezeigt werden erste Zeichnungen auf Papier, politische betextete Plakate, Bildgeschichten der 70 und 80er Jahre und seine berühmten „Siebdruck-Lawinen“. Außerdem „New Dada“ – Werke, Performance-Reste, Überbleibsel von „MadonnenErscheinungen“, Reliquienfetzen, Reste von Notizblöcken mit Anmerkungen und Skizzen. Eine unaufhaltbare Belagerung zum „Schaden“ der größten Installation JdCH´s – dem Mittelpunkt der Ausstellung: der vergoldete „Engel Seraphim“, Hüter des Widerspruchs zwischen der Urhandlung am Anfang der Zeiten und dem starren Tempo der Technologie. München-Meran-Klausen September 2010
www.jakobdechirico.de