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Dynamische Räume, hybride Formen JONAS KNECHT

Jonas Knecht hat das Schauspiel am Theater St.Gallen verändert. Es ist kühner geworden, zeitgenössischer, bunter. Das Haus ist offener geworden ein Versprechen für die Zukunft.

2016 hat Jonas Knecht seine Tätigkeit als Schauspieldirektor am Theater St.Gallen aufgenommen. Die Wahl war mutig: Sehenden Auges hat sich das Theater St.Gallen Veränderung ins Haus geholt. Da trat ein Theatermacher an, der aus der freien Szene kam und ihr im Haus auch Raum gab, ihre Sicht auf Produktionsweisen und Bühnenästhetik in seine Programmierung einfliessen liess.

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Zu seinem Antritt lancierte Jonas Knecht mit Hotspot Hamlet eine Dreifachproduktion, mit der er ein dreifaches Zeichen für seine Direktionszeit setzte: Er vertraute die grosse Bühne einer jungen Kollegin an (BarbaraDavid Brüesch, die in der kommenden Spielzeit die Spartenleitung Schauspiel übernehmen wird), er zeigte in seinem eigenen «Meta- Hamlet » (wie das Kulturmagazin Saiten die Produktion in der Lokremise nannte) die Lust an Experiment und spartenübergreifenden Formen, und er machte mit der HamletAdaption im Studio klar, dass Kinderund Jugendtheater bei ihm einen hohen Stellenwert hat.

Zum Ende seiner Direktionszeit hat Jonas Knecht mit Selig sind die Holzköpfe das Theater gleichsam zu sich selbst gebracht: In der als «Séance» bezeichneten Produktion wird nicht nur Paula Roth, die «Hexe des Albulatals», heraufbeschworen; sie wird zum Medium, welches den Geist des Theaters selbst erscheinen lässt: eine Traumwelt, in der das Theater seine ganz eigenen Möglichkeiten entfaltet, nicht im geschliffenen Dialog, nicht im Monolog, sondern in verzaubernden Bildern, in der Collage verschiedener Sprechweisen und Textstücke, in musikalischer Magie.

Und zwischen Anfang und Ende?

Rund 80 Schauspielproduktionen, eine schwierige Pandemiezeit, die er kreativ zu überbrücken und zu gestalten wusste (u. a. mit der Reihe Vorhang zu, Ohren auf ), viel Lob und bisweilen auch Kritik, zum Teil hervorragende, gelegentlich bescheidenere Auslastungszahlen, zum Ende die Auseinandersetzung um die Umstrukturierung der Führungsebene von Konzert und Theater St.Gallen. Ein volles Programm und ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte des Theaters St.Gallen. Jonas Knecht hat in St.Gallen den Schritt vom klassischen Theater zu zeitgenössischen Formen vollzogen. Er versteht die Bühne nicht primär als Ort der Inszenierung des gesprochenen – und vorweg in Stücktexten unverrückbar festgelegten – Wortes, sondern als sinnlich erfahrbaren, dynamischen Raum, in dem Körper, Klänge, Musik, Worte, Puppen, Aufbauten, Projektionen, Licht und Farbe zusammenspielen. Er arbeitet hybrid, genre- und spartenverknüpfend, Medien kombinierend, schafft dabei aber keineswegs nur komplexe theatrale Experimente (wie seinen Hamlet in der Lokremise), sondern bleibt in erster Linie ein Geschichtenerzähler, zudem einer, dem die Schweiz am Herzen liegt. Er aktualisiert das traditionelle Erzähltheater ( Endstation Sehnsucht ), wandelt – wiederum ganz zeitgenössisch – Romanstoffe in Bühnenstücke um (Krohns Vrenelis Gärtli , Dürrenmatts Durcheinandertal , Kafkas Der Prozess ) und gibt jungen Autorinnen und Autoren, Regisseurin - nen und Inszenierungsteams Raum ( Das Schweigen der Schweiz, Nekropolis, Lugano Paradiso, Verminte Seelen, Die Entfremdeten ).

Jonas Knecht ist ein Schauspieldirektor, der sich auf die Kunst der Kooperation versteht. Er hat junge Schweizer Autorinnen und Autoren mit Stückaufträgen gefördert, hat St.Gallen für die Schweizer Förderprogramme Dramenprozessor und Stücklabor geöffnet. Er war Miterfinder und Gastgeber des Theaterfestivals jungspund für junges Publikum St.Gallen. Und er hat Grenzen durchlässig gemacht. Er hat das Ensemble diversifiziert, hat ungewohnte Spielstätten bespielt, und vor allem ist sein Schiffscontainer Teil des Stadtbildes geworden (er war auch im Kanton unterwegs): Theater für Laufkundschaft, für spontane Begegnungen mit Kunst.

Damit hat Jonas Knecht in St.Gallen einen Wandel des Bühnengeschehens eingeleitet, hinter den es kein Zurück gibt: Das Sprechtheater am Haus ist in der Gegenwart angekommen; das wurde auch international zur Kenntnis genommen. Und die Schauspielsparte zeigt sich im Rückblick als Wegbereiter jener Werte, die heute für das Haus postuliert werden: Partizipation, Diversität, Nachhaltigkeit.

In der Medienmitteilung vom März 2016 zu seiner Wahl kündigte Jonas Knecht an, was er für St.Gallen plante: «Ich habe vor, zusammen mit Theatermachern aus meinem Netzwerk ein selbstbewusstes, ungewöhnliches, vielfältiges und offenes Theater nach St.Gallen zu bringen, das ich eng mit dieser Stadt und ihren Menschen verbinden möchte. Es soll ein Ort der Auseinandersetzung mit globalen und regionalen Themen sein. Ein Ort, an dem Türen in andere (Denk-)Welten aufgehen können – und dies auf eine sinnliche Art und Weise mit den unterschiedlichsten theatralen Mitteln.» Diese Ankündigung hat Jonas Knecht in beglückend vielgestaltiger Weise eingelöst. Wir danken es ihm – wir danken es dir, lieber Jonas.

Härter

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