Redebeitrag von Hartmut Koschyk MdB Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen beim Deutschen Kongress für Großhandel und Kooperationen
"Deutschland nach der Krise - eine Standortbestimmung"
am Donnerstag, dem 21. Oktober 2010 in Berlin
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Das Thema des Vortrags heute hat bei mir spontan zwei Assoziationen geweckt: Zum einen ist es meine feste Überzeugung, dass Deutschland bisher besser durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen ist als andere Länder und als Anfang letzten Jahres befürchtet. Zum anderen können wir gleichwohl noch nicht davon sprechen, dass die Krise ausgestanden ist. National wie international müssen wir noch eine Reihe von Herausforderungen bewältigen. Deutsche Wirtschaft im Aufschwung Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat zur schärfsten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg geführt. 2009 ist die deutsche Wirtschaftsleistung um real fast 5 % zurückgegangen. Inzwischen hat sich die deutsche Wirtschaft aber deutlich erholt: Im 2. Quartal dieses Jahres besonders dynamisches Wachstum: Der Anstieg der Wirtschaftsleistung war mit +2,2 % ggü. Vorquartal der kräftigste vierteljährliche BIP-Anstieg seit der deutschen Einheit. Besonders erfreulich: Aufschwung hat im 2. Quartal an Breite und Ausgewogenheit
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gewonnen. Positiver Wachstumsbeitrag der Inlandsnachfrage wesentlich höher als der der Nettoexporte. Sowohl die Investitionen als auch die private Konsumnachfrage wurden ausgeweitet. Monatliche Indikatoren signalisieren Fortsetzung des Aufschwungs, wenn auch mit geringerem Wachstumstempo. Auch im Großhandel lässt sich diese Tendenz erkennen: Großhandelumsätze im 1. Quartal dieses Jahres spürbar angestiegen. Danach Aufwärtstendenz deutlich abgeschwächt. Damit setzte sich zwar die Erholung im Großhandel fort, allerdings mit verringerter Dynamik. Privater Konsum zeigt klare Aufwärtsbewegung, die sich nach unserer Einschätzung fortsetzen wird: Einkommenserwartungen aufgrund der positiven Arbeitsmarktentwicklung spürbar verbessert. Außerdem weiterhin moderater Preisniveauanstieg. Entlastungen der Einkommen der privaten Haushalte seit Jahresbeginn u.a. durch Erhöhung des Kinderfreibetrages und des Kindergelds entlastet. Der Arbeitsmarkt hat sich in der Wirtschaftskrise erfreulich robust gezeigt. Im Auf-
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schwung profitiert der Arbeitsmarkt nun von der spürbaren Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Aktivität. Die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl verringerte sich im bisherigen Jahresverlauf deutlich und Beschäftigung wurde aufgebaut. Dennoch ist erst im Zuge eines fortgesetzten konjunkturellen Aufschwungs wieder mit einer allmählichen Normalisierung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit zu rechnen. Nach nahezu stagnierender Preisentwicklung im Vorjahr hat sich der Preisanstieg 2010 wieder etwas verstärkt. Dennoch beträgt die Teuerungsrate seit Anfang des Jahres im Durchschnitt nur 1 % und fällt damit weiterhin sehr niedrig aus. Auf den vorgelagerten Produktionsstufen ist dagegen ein deutlicherer Preisauftrieb zu beobachten. Dies ist insbesondere auf die beobachtete konjunkturelle Aufwärtsbewegung der Weltwirtschaft zurückzuführen, die sich u. a. in der jüngsten Entwicklung der Importpreise für Energie und Rohstoffe widerspiegelt. Insgesamt können wir also durchaus mit Zuversicht in die Zukunft schauen. In unserer Frühjahrsprojektion haben wir noch einen rea-
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len Anstieg des BIP von 1,4 % erwartet. Da gibt es jetzt erheblichen Korrekturbedarf. Die Wachstumsprognosen nationaler und internationaler Institutionen jüngeren Datums gehen für 2010 über 3 % hinaus (Spanne: +3,2 % bis +3,5 %). Die Herbstprojektion der Bundesregierung wird am 21. Oktober 2010 veröffentlicht. Erfolgreiche Politik vor und während der Krise Zu der positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung haben die umfassenden Maßnahmenpakete der Bundesregierung zur Finanzmarktstabilisierung einerseits und zur Konjunkturstützung andererseits zweifellos beigetragen. Im europäischen und internationalen Kontext hat die Bundesregierung rasch, umfassend und wirksam gehandelt: Abwehr einer drohenden systemischen Krise durch Einrichtung des Finanzmarktstabilisierungsfonds bereits im Oktober 2008. Dem Fonds stehen insgesamt 480 Mrd. € zur Verfügung. Mehr als 100 Mrd. €, um die Wirtschaft zu stabilisieren und dem konjunkturellen Einbruch entgegenzuwirken. Das entspricht im Durchschnitt 2 % des BIP in den Jahren 2009 und 2010, deutlich mehr als im EU-
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Durchschnitt. Darüber hinaus Wirken lassen der automatischen Stabilisatoren. Die Stützungsmaßnahmen waren – auch in ihrem gewaltigen Umfang – zweifellos notwendig. Und sie waren nicht zuletzt deshalb möglich, weil die Finanzpolitik in den vergangenen Jahren erhebliche Konsolidierungsfortschritte erzielt hatte, so dass die öffentlichen Haushalte bei Beginn der Krise weitgehend ohne Neuverschuldung auskamen. Deshalb steht Deutschland heute im internationalen Vergleich der Defizitwerte noch relativ gut da. Basis für die Bewältigung der Krise sind aber auch die hohe Wettbewerbsfähigkeit und Anpassungsflexibilität deutscher Unternehmen und Arbeitnehmer, eine beschäftigungsorientierte Tarifpolitik sowie der wirtschafts- und finanzpolitische Reformprozess der vergangenen Jahre. Die umfassenden strukturellen Reformen der vergangenen Jahre haben Deutschland für schwierige Zeiten gut gerüstet. Die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre waren die Basis, um die aktuelle Krise vergleichsweise gut zu überstehen:
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Die Zahl der arbeitslosen Menschen war 2008 auf dem niedrigsten Stand seit 1992. Die Unternehmen hatten ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit deutlich erhöht. Der globale Wachstumseinbruch ist damit auf eine widerstandsfähigere deutsche Volkswirtschaft getroffen, als dies im letzten Abschwung 2001 der Fall war. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt steht exemplarisch auch für den Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft. Kluge Entscheidungen innerhalb der Unternehmen einerseits (z.B. erhöhte Flexibilität der Arbeitsstunden) und staatliche Unterstützungsmaßnahmen andererseits (z.B. Kurzarbeit) haben Massenentlassungen verhindert. So blieb auch das Konsumentenvertrauen trotz Krise stabil. Vom „kranken Mann Europas“ zum „deutschen Wunder“ Die robuste Arbeitsmarktentwicklung hat nicht nur viele inländische Beobachter überrascht. Auch im Ausland hat sich das Bild Deutschlands inzwischen und nicht zuletzt durch die Entwicklung in der Krise verändert.
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Amerikanischen Medien bezeichnen die deutsche Wirtschaft als „Germany’s Superstar Economy“ und „Powerhouse“. Vor gut 10 Jahren titelte der Economist mit Deutschland als dem „kranken Mann Europas“. Unser Land wurde als ein Land im Niedergang beschrieben, das in verkrusteten Strukturen erstarrt ist, gefangen in korporativistischen Konsenszwängen. Schon damals war die Charakterisierung Deutschlands unzutreffend. Heute redet sowieso keiner mehr davon. Im Gegenteil: Deutschland wird für seine Reformfähigkeit und seinen Umgang mit der Wirtschafts- und Finanzkrise bewundert. Die Anpassungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, das Zusammenwirken von Staat, Unternehmen und Gewerkschaften in der Krise und die wirtschaftlichen Erfolge beeindrucken auch ehemalige Kritiker. Das deutsche Modell der Sozialen Marktwirtschaft ist offenbar wieder ein Vorzeigemodell und könnte ein gefragter Exportartikel werden. Die Rede ist jetzt sogar vom „deutschen Wunder“.
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Soziale Marktwirtschaft als Anker So wenig, wie die rasante wirtschaftliche Entwicklung in den 50er und 60er Jahren im Westen Deutschlands ein (Wirtschafts)Wunder war, so wenig ist dies die aktuelle wirtschaftliche Situation in Deutschland. Die Erfolge im Nachkriegsdeutschland waren das Ergebnis der konsequenten Einführung jenes marktwirtschaftlichen Ordnungsmodells von Müller-Armack und Eucken, das Freiheit, Effizienz und sozialen Ausgleich gleichermaßen gewährleisten konnte. Jetzt hat sich erneut gezeigt, dass unsere Wirtschaftsordnung den richtigen Rahmen auch für die Bewältigung schwerwiegender Krisen bietet. Die Soziale Marktwirtschaft bleibt unser Erfolgsmodell. Und sie gibt uns einen klaren Kompass, um den richtigen Weg aus der Politik der akuten Krisenbewältigung in eine langfristig tragfähige Wirtschafts- und Finanzpolitik zu gehen, die Wachstum und Beschäftigung auf hohem Niveau sichert. Aufgabe des Staates in der Sozialen Marktwirtschaft ist es, klare und wirksame ordnungspolitische Regeln zu gestalten, damit
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sich marktwirtschaftliche Aktivitäten zum Wohle aller entfalten können. Ökonomisches Handeln ist kein Selbstzweck, es muss vielmehr im Dienste des Menschen stehen. Wir brauchen einen starken, handlungsfähigen Staat, wenn es darum geht, die Spielregeln für ökonomisches Handeln zu setzen und ihre Einhaltung zu sichern. Damit wirtschaftliche Dynamik mit sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Stabilität einhergeht. Das ist elementare Voraussetzung, um das Vertrauen der Menschen in unsere Wirtschaftsordnung zu bewahren. Der Staat muss dafür sorgen, dass die richtigen Anreiz- und Sanktionsmechanismen wirksam sind, dass der Wettbewerb funktioniert und dass auch die übrigen Rahmenbedingungen – etwa eine gute Infrastruktur – stimmen. Gerade bei den Anreiz- und Sanktionsmechanismen hat es in der Vergangenheit offenbar Versäumnisse auch in der staatlichen Regulierung gegeben.
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Durch die Finanzmarktkrise haben wir die Konsequenzen unzureichender Regelsetzung schmerzlich erfahren müssen. Lehre aus der Krise: Wir brauchen mehr Regulierung in einzelnen Bereichen, um funktionsfähige Märkte zu gewährleisten und das erfolgreiche Modell der sozialen Marktwirtschaft nicht in Frage zu stellen. Bessere Regulierung der Finanzmärkte Die Rolle des Staates – und damit zugleich die Rolle des Steuerzahlers – darf nicht nur auf den „Retter aus der Not“ beschränkt werden. Um in Zukunft Krisen zu vermeiden oder zumindest deren negative Auswirkungen abzumildern, brauchen wir einen besseren regulatorischen Rahmen für den Finanzsektor. Wir können uns die Wiederholung einer solchen Krise schlichtweg nicht „leisten“. Auch die Akzeptanz der Bevölkerung wird zunehmend leiden, wenn es nicht gelingt, die Finanzmärkte zu zähmen. Eine hinreichende Kreditversorgung und damit eine gesunde Bankenlandschaft ist
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Grundvoraussetzung für eine prosperierende Wirtschaft. Das wissen Sie als Unternehmer besser als ich. Aufgrund der internationalen Vernetzung der Finanzmarktakteure können wir nur dann eine effektive Regulierung erreichen, wenn sie genauso global ist wie die Märkte. Deshalb wurde die bisherige internationale Abstimmung im Rahmen der G 20 vorangebracht, in enger Zusammenarbeit mit der EU. Dies ist der richtige Rahmen, denn ein globales Problem verlangt nach globalen Lösungen. Einigen erscheint es vielleicht, als ginge es zu langsam mit den Reformen voran. Internationale Entscheidungsprozesse dauern mitunter länger, aber wir sind auf einem guten Weg. Vier Maßnahmenbereiche: Maßnahmen, die verhindern, dass eine Bank überhaupt erst in eine Schieflage gerät. Regelungen, die verhindern, dass die Pleite einer oder mehrerer großer Banken das gesamte Finanzsystem destabilisieren können Initiativen, die dem besseren Schutz der Anleger dienen.
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Vorschriften, die mehr Transparenz an den Finanzmärkten sicherstellen oder Missbräuche verhindern. Robustere Banken Bei der Frage, wie man die Bankenlandschaft krisenfester macht, geht es zunächst vor allem darum, wie man ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den übernommenen Risiken und dem haftenden Eigenkapital erreicht. Schon den Gründern der Sozialen Marktwirtschaft war ein Prinzip besonders wichtig: Die Einheit von Handeln und Haften. Nur Marktakteure, die für ihre Verträge auch haftbar gemacht werden können, werden verantwortliche Entscheidungen treffen. Eigentümer sollen sich also nicht nur die Gewinne aneignen, sondern auch Verluste infolge von Fehlentscheidungen tragen. Wie wichtig und richtig dieser Grundsatz ist, hat gerade die Finanzkrise schmerzhaft und teuer in Erinnerung gerufen, als viele Finanzakteure gerade nicht für ihr Handeln haften mussten! Im September 2009 haben die G 20 in Pittsburgh beschlossen, die Kapitalausstattung im Bankensystem generell zu verbessern, die Kapitalanforderungen antizyklisch auszuge-
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stalten und die Liquiditätssicherung zu stärken. Der größte Teil der G20-Vorgaben wird zurzeit unter dem Stichwort „Basel III“ diskutiert: Im September hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht eine deutliche Verschärfung der Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen empfohlen: Anhebung des sog. harten Kernkapitals (eingezahltes Grundkapital und Gewinnrücklagen) von derzeit 2 % auf 4,5 %. Zusätzlich Aufbau eines Kapitalerhaltungspuffer in Höhe von 2,5 % und eines konjunkturzyklusabhängigen variablen Puffers von 0 bis 2,5 %. Bildlich gesprochen dienen beide Puffer dazu, dass die Banken in guten Zeiten gezwungen werden Speck anzusetzen, von dem sie dann in schlechten Zeiten zehren können. Ergänzend absolute Verschuldensobergrenze, sog. leverage ratio: Verbindlichkeiten dürfen nicht mehr als das 33-fache des harten Kernkapitals betragen. Die Bundesregierung muss die Empfehlungen der Fachleute aus der Finanzaufsicht noch eingehender prüfen. Abschließende Entschei-
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dung auf dem G 20-Gipfel im November in Seoul. Erste Rückmeldungen aus der deutschen Finanzbranche lassen jedoch erkennen, dass die Empfehlungen des Baseler Ausschusses für die deutschen Kreditinstitute durchaus machbar sind. Insbesondere die relativ langen Übergangsfristen lassen genug Spielraum für einen schrittweisen Anpassungsprozess. Ich sehe [nach gegenwärtiger Beurteilung] daher keine Gefahr, dass aufgrund von Basel III kurz- oder mittelfristig eine Kreditklemme drohen würde. Um ein risikobewussteres und verantwortungsvolleres Handeln der Banken zu erreichen, muss man auch die dortigen Vergütungsregelungen ändern. Vor der Finanzkrise galt die Devise: Wer hohe Boni will, muss kurzfristig hohe Gewinne erzielen, was zwangsläufig mit hohen Risiken für die Bank verbunden war. Ob dies jedoch für den langfristigen Erfolg des Unternehmens von Vorteil war, spielte keine oder nur eine unzureichende Rolle. Den Auftakt für neue Vergütungsregelungen haben wir mit dem 2009 verabschiedeten Ge-
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setz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung gemacht. Elemente: Aufsichtsratsmitglieder haften persönlich, wenn sie mit den Vorständen unangemessen hohe Gehälter vereinbaren. Der gesamte Aufsichtsrat muss über die Gehälter beschließen (statt kleineres Gremium). Variable Vergütungsbestandteile sollen eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben. Als Vergütung gewährte Aktienoptionen dürfen frühestens nach vier Jahren ausgeübt werden. Sanierungs- und Insolvenzverfahren für Banken Eine der wichtigsten und leider auch eine der kompliziertesten Fragen ist es, wie wir mit systemrelevanten Finanzinstituten umgehen, die in eine Schieflage geraten sind. Problem: Einige Banken gehen zu hohe Risiken ein, weil sie sich wegen ihrer Größe oder ihrer starken Vernetzung sicher sein können, dass sie im Krisenfall vom Staat gerettet werden. Zur Lösung dieser Problematik hat die Bundesregierung Ende August einen Gesetzent-
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wurf eingebracht. Im Wesentlichen zwei Elemente: Regelungen zu einer Restrukturierung und geordneten Abwicklung systemrelevanter Banken. Einrichtung eines Restrukturierungsfonds. Mit dem Restrukturierungsgesetz soll die Bankenaufsicht ein stärkeres Eingriffsrecht bekommen, wenn Banken in einer Krisensituation sind. Geschäftsbereiche von Banken, die systemrelevant sind, sollen künftig - notfalls auch gegen den Willen der Anteilseigner - aus dem Unternehmen herausgelöst und auf einen privaten Erwerber oder auf eine staatliche Brückenbank übertragen werden können. Der Restrukturierungsfonds soll durch Beiträge der Kreditwirtschaft gespeist werden. Dazu sollen alle Kreditinstitute in Deutschland eine Abgabe leisten, die gemeinhin als „Bankabgabe“ bezeichnet wird Das Fondsvermögen wird dazu verwendet, Restrukturierungs- und Abwicklungsmaßnahmen zu finanzieren, um eine Systemgefährdung abzuwenden.
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Besserer Anlegerschutz Ende September hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Anlegerschutzes beschlossen. Höhere Anforderungen an die Kapitalanlageberatung. Zusätzliche Sanktionsmöglichkeiten bei Falschberatungen. Parallel laufen auf EU-Ebene die Vorbereitungen für einen Legislativvorschlag, der insbesondere dem Schutz von Kleinanlegern dient: Kommission beabsichtigt die Informationspflichten, insbesondere bei besonders komplexen Finanzprodukten, zu erhöhen. Die Vergleichbarkeit der Produkte soll durch standardisierte Anlegerinformationen u.a. hinsichtlich Kosten und Risiken verbessert werden.
Transparenz und Missbrauchsverhinderung In der Eurokrise haben wir feststellen müssen, wie nervös und unvorhersehbar Finanzmärkte reagieren. Man musste den Eindruck gewin-
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nen, dass Kurse und Preise sich von Entwicklungen in der realen Welt teilweise völlig abgekoppelt haben. Hierfür dürften auch potente Finanzmarktakteure verantwortlich gewesen sein, die im großen Stil gegen die Zahlungsfähigkeit von einzelnen EU-Staaten gewettet haben. Deutschland hat sehr schnell auf diese Bedrohung reagiert und dabei international eine Vorreiterrolle übernommen. Verbot ungedeckter Leerverkäufe deutscher Aktien und Staatschuldtitel der Eurozone. Verbot von sog. Credit Default Swaps auf Staatsanleihen der Eurozone, wenn dies keinem Absicherungszweck dient. Mit diesen Maßnahmen sind wir Vorbild für einen ähnlichen Legislativvorschlag der Europäischen Kommission. Ein europaweites Verbot dieser schädlichen Spekulationspraktiken ist damit in Sicht. Um die Transparenz am Kapitalmarkt zu erhöhen, haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem neue Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für bislang nicht erfasste Finanzinstrumente eingeführt werden.
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Damit wollen wir zukünftig heimliche Übernahmeversuche mit Hilfe von Derivaten verhindern. Ein Anschleichen an ein anderes Unternehmen, wie wir es bei einem gescheiterten Übernahmeversuch in der deutschen Automobilindustrie gesehen haben, darf es in Zukunft nicht mehr geben. Reform der Finanzaufsicht Auch die Stärkung der Finanzaufsicht in Europa ist ein zentrales Element für mehr Stabilität und Transparenz auf den europäischen und internationalen Finanzmärkten. Die europäischen Aufsichtsstrukturen werden deshalb bereits zum 1. Januar 2011 ihre Arbeit aufnehmen. Zum einen wird die Stabilität des gesamten Finanzsystems durch den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken überwacht. Er ist bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt. Seine Aufgabe ist es, Risiken zu analysieren, Frühwarnungen auszusprechen und Empfehlungen zur Beseitigung der Risiken abzugeben. Zum anderen wird ein Europäisches Finanzaufsichtssystem geschaffen. Die nationalen Aufseher werden sich künftig zusammen mit drei neu geschaffenen EU-Aufsichtsbehörden
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im Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor die Aufgaben teilen: Die nationalen Aufseher bleiben dabei für die tägliche, operative Aufsicht verantwortlich. Ergänzend werden die EU-Aufsichtsbehörden harmonisierende Aufgaben wahrnehmen, um künftig das Aufsichtshandeln in der EU stärker zu vereinheitlichen, ein level-playing-field sicherzustellen und die Zusammenarbeit der nationalen Aufseher zu intensivieren. Die Einigung zur Reform der EU-Finanzaufsicht wird die Bundesregierung auch bei der Reform der nationalen Aufsicht berücksichtigen. Letztere ist aus Sicht des Bundesministeriums der Finanzen an drei Bedingungen geknüpft: Wahrung der geldpolitischen Unabhängigkeit der Bundesbank. Erhalt der durch das Demokratieprinzip zwingend gebotenen ministeriellen Kontrolle, d.h. der Rechts- und Fachaufsicht durch das BMF. Erhalt der Allfinanzaufsicht.
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Haushaltskonsolidierung steht ganz oben auf der politischen Agenda Die staatlichen Maßnahmen zur Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise haben tiefe Spuren in den öffentlichen Haushalten hinterlassen: Anstieg des gesamtstaatlichen Defizits in diesem Jahr auf rund 4 % des Bruttoinlandsprodukts; weit über den 3 %Referenzwert des Stabilitäts- und Wachstumspaktes der EU; Defizitverfahren. Anstieg des Schuldenstands im laufenden Jahr auf rund 75 % des Bruttoinlandsprodukts. Der Schuldenstand wird sich damit seit Anfang der siebziger Jahre in etwa vervierfacht haben! Die Verschlechterung der Haushaltslage betrifft alle staatlichen Ebenen. Daher besteht die entscheidende finanzpolitische Aufgabe der nächsten Jahre darin, einen glaubwürdigen Konsolidierungskurs umzusetzen. Nur so können wir das Vertrauen in langfristig tragfähige Staatsfinanzen stärken und die staatliche Handlungsfähigkeit dauerhaft sichern. Gerade in der Krise hat sich gezeigt, wie wichtig tragfähige Haushalte für die Handlungsfähigkeit von Staaten sind: Sowohl für
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die Handlungsfähigkeit von Staaten, als auch für das Vertrauen von Bürgern und Investoren, sowie für eine stabile Währung. Denn die Rechnung aus der Vergangenheit kommt ganz gewiss – unmittelbar in Form hoher Zinslasten und früher oder später in Form sinkender staatlicher Leistungen oder steigender Steuern und Abgaben. Bedeutung der neuen Schuldenregel Die neue verfassungsrechtliche Schuldenregel folgt der Einsicht, dass weder Ausgabensteigerungen noch Steuersenkungen dauerhaft über Kreditaufnahme finanziert werden dürfen. Bund und Länder müssen deshalb ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen. Für den Bund wird in diesem Rahmen die strukturelle Neuverschuldung ab 2016 auf maximal 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts begrenzt, die Länder dürfen ab 2020 überhaupt keine strukturelle Neuverschuldung mehr eingehen. Das neue Regelwerk wird – mit einem Übergangszeitraum – ab dem Haushalt 2011 wirksam und gibt somit einen verbindlichen Rah-
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men für unsere finanzpolitische Exit-Strategie vor. Damit dienen wir inzwischen als Reformvorbild für andere europäische Länder. Die enge Begrenzung der strukturellen Verschuldungsspielräume wird zu einer langfristig rückläufigen Schuldenstandsquote führen. Sparen ist Voraussetzung für Handlungsfähigkeit! Mit der neuen Regel beseitigen wir auch einen wesentlichen Konstruktionsfehler der alten Schuldenregel: Häufig wurden in der Vergangenheit die Defizite in konjunkturell ungünstigen Zeiten ausgeweitet, während in guten Zeiten eine entsprechende Rückführung der Neuverschuldung ausblieb. Deshalb geben wir in diesem Jahr jeden achten Euro für Zinsen aus – und das trotz aktuell äußerst niedriger Zinssätze! Die neue Schuldenbremse wirkt dagegen über den Konjunkturverlauf symmetrisch. Konjunkturell günstige Zeiten müssen in Zukunft zwingend dafür genutzt werden, die hohen Defizite nachhaltig zurückzuführen und auf ein dauerhaft tragfähiges Maß zu begrenzen.
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Für dieses zentrale Reformziel gilt es in der Öffentlichkeit zu werben – gerade in diesen Tagen, in denen Haushaltsberatungen vor dem Hintergrund positiver Konjunkturnachrichten stattfinden! Haushaltsdefizite sind nicht Ausdruck einer chronischen Unterfinanzierung des Staates. Der weltweit sprunghafte Anstieg der Staatsverschuldung geht zurück auf einen Anstieg der Staatsausgaben – vor allem krisenbedingt, aber auch mit einem unguten Trend vor der Krise. Wir müssen diesen Trend wieder umkehren, indem wir strikte Ausgabendisziplin üben. Das ist keine leichte politische Aufgabe! Da aber allein die konsumtiven Ausgabenblöcke Soziales, Zinsausgaben und Personalausgaben derzeit rund drei Viertel der gesamten Bundesausgaben ausmachen, ist klar, dass man auch hier ansetzen muss, wenn man Konsolidierungs- und Wachstumspolitik in Einklang halten will. Ansonsten bliebe immer weniger Spielraum für Zukunftsaufgaben! Zukunftspaket der Bundesregierung Mit dem Haushalt 2011 und der mittelfristigen Finanzplanung bis 2014 setzen wir das
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Zukunftspaket der Bundesregierung um und werden die Defizitobergrenzen der Schuldenbremse einhalten. Wir führen die Neuverschuldung des Bundes konsequent von 57,5 Mrd. € (RegE 2011) über 40 Mrd. € (2012) auf 31,6 Mrd. € (2013) und 24 Mrd. € in 2014 zurück. Bei der Konzeption unseres Zukunftspakets bestand von vornherein Konsens: Wir sparen nicht an Investitionen in die Zukunft – Bildung und Forschung haben weiterhin Vorrang. Die Ausgaben für Bildung und Forschung sollen im Zeitraum 2010 bis 2013 allein durch den Bund um zusätzlich 12 Milliarden Euro erhöht werden. Der Bund leistet damit seinen Beitrag zum Erreichen des national vereinbarten Ziels, die Ausgaben für Bildung und Forschung bis zum Jahr 2015 auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Aber: Bildung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Daher sind auch die Länder, Kommunen und nicht zuletzt die Wirtschaft gefordert, ihren Beitrag zur Erreichung des 10 %-Ziels zu leisten.
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Im Hinblick auf die Herausforderungen des demografischen Wandels müssen wir zudem unser Erwerbspersonenpotenzial optimal nutzen, um nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Gerade deshalb sind unsere Maßnahmen im Bereich der sozialen Sicherung vor allem auf eine Stärkung der Arbeitsanreize ausgerichtet. Dass einzelne Elemente des Konsolidierungspakets umstritten sind, ist nichts Ungewöhnliches. Manches wird auch im parlamentarischen Verfahren noch verändert werden. Klar ist: Am Gesamtvolumen der Konsolidierung halten wir fest! Stabilität in der Eurozone unverzichtbar Wie eng die Finanzpolitik Deutschlands mit den Entwicklungen in der EU und der Eurozone verbunden ist, haben die Ereignisse der letzten Monate gezeigt. Der Euro und die europäische Integration ist eine Erfolgsgeschichte von der gerade auch Deutschland und seine Unternehmen profitieren (mit einem Handelszuwachs von 18% seit der Euroeinführung).
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Die Stabilität der gemeinsamen Währung ist für Deutschland im ureigensten Interesse und die Abwendung der Insolvenz Griechenlands durch ein Hilfspaket und die Einrichtung der europäischen Finanzstabilisierungsfazilität waren ohne Alternative. Die EU hat damit Handlungsfähigkeit bewiesen und das richtige Signal an die Märkte gesendet. Doch müssen wir weitere Lehren aus der Krise ziehen und dürfen auch angesichts der aktuell wieder positiveren Wirtschaftsaussichten nicht in den Reformbemühungen nachlassen. Die Krise hat uns vor Augen geführt, dass das bestehende Instrumentarium der EU nicht ausgereicht hat, finanz- und wirtschaftspolitischen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, die das Funktionieren der Eurozone gefährden könnten.
Auf europäischer Ebene haben wir nun einen ersten wesentlichen Durchbruch zur Verbesserung der finanz- und wirtschaftspolitischen Koordinierung geschafft. Dies ist ein wesentlicher Verdienst von Bundesfinanzminister Dr. Schäuble, der sich in der Arbeitsgruppe von EU-
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Kommissionspräsident van Rompuy massiv für eine Härtung des Stabilitätspaktes eingesetzt hat. Der Sanktionsmechanismus wird verschärft. Die Sanktionen kommen in Zukunft früher, und werden schärfer und schneller umgesetzt. Auch der präventive Arm des Stabilitätspaktes wird verstärkt, Länder mit hohen Schulden werden in Zukunft noch stärker konsolidieren müssen.
Wichtig ist es, die wirtschaftspolitische Überwachung zu stärken, um strukturpolitisch bedingte Fehlentwicklungen und Wettbewerbsschwächen in den EU- und Euroländern frühzeitig zu erkennen und entsprechend anzugehen. Ziel ist es, ein politisch sichtbares Verfahren zu schaffen, das den Druck auf säumige (wettbewerbsschwache) Mitgliedsstaaten durch Frühwarnungen zunächst erhöht und bei gravierenden Verstößen in den Euroländern auch zu Sanktionen führen kann. Auch setzen wir uns dafür ein, dass der Privatsektor künftig angemessen an der Lösung von Staatsschuldenkrisen beteiligt wird. Private Investoren sollen zu einem verantwortungsvolleren Investitionsverhalten veranlasst
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und ihre Haftung für die von ihnen eingegangenen Investitionsrisiken verstärkt werden. All diese skizzierten grundlegenden Reformen der finanz- und wirtschaftspolitischen Koordinierung sind dringend notwendig, um zukünftige Krisen des Euro zu verhindern und das Vertrauen der Bürger und Märkte zu sichern. Dies ist ein schwieriger Weg, aber wir gehen ihn konsequent an. Der Erfolg wird letztlich vom politischen Willen zur Umsetzung der Reformen in der EU abhängen. Denn verbesserte Regeln, Verfahren und Instrumente wirken nur, wenn sie auch befolgt werden. Deutschland braucht kein neues Wachstumsmodell Haushaltskonsolidierung ist kein „Kaputtsparen“. Im Gegenteil. Solide Staatsfinanzen sind unverzichtbar für Gestaltungsspielräume in der Zukunft, für Vertrauen im In- und Ausland in eine auch künftig unverändert leistungsfähige Wirtschaft. Daneben wollen wir aber auch durch strukturelle Reformen das Potenzial für nachhaltiges Wachstum in Deutschland weiter erhöhen.
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Im Sinne einer konjunkturgerechten Wachstumspolitik hat die Bundesregierung die in der Krise notwendigen konjunkturellen Impulse von Anfang an auch mit dem Erfordernis einer langfristigen Stärkung der Wachstums- und Beschäftigungsgrundlagen verbunden. Die Wirtschaftskrise hat aber einmal mehr deutlich gemacht, dass die deutsche Wirtschaft aufgrund ihres großen Offenheitsgrades stärker als andere Volkswirtschaften von globalen Entwicklungen abhängig ist. Es ist deshalb in unserem ureigenen Interesse, durch weitere strukturelle Reformen die Bedingungen für ein höheres Potenzialwachstum zu verbessern, ohne die Exporterfolge der deutschen Wirtschaft dadurch zu gefährden. Der Export soll und wird auch in Zukunft prägend für Deutschlands Wirtschaft sein. Auch wenn die starke Exportorientierung immer wieder kritisch betrachtet wird: Wir brauchen kein neues Wachstumsmodell. Unser Ziel: Die klare Außenhandelsorientierung bei hohem Offenheitsgrad unserer Volkswirtschaft mit einem stärkeren Wachstum der Binnenwirtschaft zu verbinden.
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Zentraler Ansatzpunkt: Mehr Investitionen im Inland. Denn mit den starken Exportüberschüssen der vergangenen Jahre ging auch ein erheblicher Nettokapitalexport einher. Ein Teil dieser Mittel könnte im Inland sicherer und manchmal auch sinnvoller investiert werden, gerade wenn man sich das Auslandsengagement einiger Landesbanken ansieht. Mehr produktive Investitionen im Inland erhöhen das Potentialwachstum und stärken zugleich die Binnennachfrage. Zentrale Aufgabe der Wirtschaftspolitik: Die Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland für in- und ausländische Investitionen erhalten und ausbauen. Mehr unternehmerische Dynamik Mit unseren wirtschaftspolitischen Maßnahmen wollen wir dafür sorgen, dass die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Märkten weiter erhöht wird und langfristige Perspektiven für konkurrenzfähige Unternehmen gestärkt werden. Wir brauchen nicht generell mehr Regulierung, wie gelegentlich unter dem Eindruck der Finanzkrise gefordert wurde. Vielmehr
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kommt es nach wie vor darauf an, zusätzliche Freiräume zu schaffen, um die unternehmerische Dynamik in Zukunft noch besser zur Entfaltung zu bringen. Deshalb wollen wir die Unternehmen von bürokratischen Hemmnissen entlasten und sie bei ihren Aktivitäten auf den globalen Märkten unterstützen, etwa durch eine Anpassung im Bereich der Exportfinanzierung und Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts. Im Bereich der Produktmarktregulierung wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele Wettbewerbshemmnisse abgebaut. Im Dienstleistungssektor gibt es aber noch Nachholbedarf. Änderungen sind etwa auch beim Regulierungsrahmen für die freien Berufe erforderlich. Um die Voraussetzungen für den Wettbewerb weiter zu verbessern, wird die Bundesregierung das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)“ novellieren. Von einem intensiverem Wettbewerb profitieren sowohl Produzenten wie Verbraucher durch niedrigere Preise und eine größere Angebotsvielfalt. Niedrigere Preise erhöhen das reale verfügbare Einkommen der Verbraucher
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und stärken somit den privaten Verbrauch und die binnenwirtschaftlichen Wachstumskräfte. Kein Spielraum für weitere Steuersenkungen Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz haben wir – neben den schon angesprochenen Verbesserungen bei Kindergeld und Kinderfreibetrag – bereits zu Jahresanfang gezielte Korrekturen im Bereich der Unternehmensbesteuerung vorgenommen, die es den Unternehmen erleichtern, die unmittelbaren Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu verkraften und ihre führende Position im internationalen Wettbewerb zu verteidigen. Jährliche Entlastungen für Unternehmen von rd. 3,3 Mrd. Euro, u. a. durch: Verbesserungen der Verlustabzugsbeschränkungen bei der Übernahme von Kapitalgesellschaften; Erleichterungen bei der Zinsschranke; Verringerung bei den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen; Erbschaftsteuer: Vereinfachte Anforderungen für die steuerlichen Regelungen bei der Unternehmensnachfolge.
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Das Unternehmenssteuerrecht soll künftig auch weiter modernisiert werden. Auch soll das Steuerrecht für alle Beteiligten deutlich vereinfacht werden. Angesichts der Konsolidierungserfordernisse sowie bisher bereits erfolgter Entlastungen muss das aber aufkommensneutral erfolgen. Erst eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung kann mittelfristig weitere Spielräume schaffen, um wachstumshemmende Steuern und Abgaben zu senken. Alle, die jetzt noch rasche Steuersenkungen fordern, sollten auch bedenken: Anders als häufig behauptet liegt Deutschland bei der Höhe der Steuerbelastung keineswegs an der Spitze der Industrieländer, sondern im Mittelfeld. Energiekonzept als Brücke zur Zukunft Die zukünftige Stärke unseres Landes ist auch eng mit dem Thema Energie verbunden. In den kommenden Jahren wird die weltweite Nachfrage nach Energie kontinuierlich steigen. Wenn es nicht gelingt, auch das Energieangebot deutlich auszuweiten, wird sich Energie dadurch erheblich verteuern.
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Um zu verhindern, dass unser Land immer mehr von Energieimporten abhängig wird, brauchen wir eine neue, strategisch ausgerichtete Energiepolitik. Dieser Herausforderung stellt sich das vom Bundeskabinett am 28. September 2010 beschlossene Energiekonzept. Es legt Leitlinien für eine langfristige, bis 2050 reichende Gesamtstrategie für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung fest. Damit beschreiben wir erstmals umfassend den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Dafür bedarf es einer Gesamtstrategie, die Strom, Wärme und Mobilität integriert. Das Energiekonzept enthält hierzu eine Vielzahl von Maßnahmen: Bei der Stromerzeugung wollen wir am Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien festhalten und zugleich die Förderung wirtschaftlicher und die Einspeisung effizienter gestalten. Der Umbau der Stromversorgung hin zu den erneuerbaren Energien benötigt allerdings Zeit, ein deutlich verbessertes Netz und muss wirtschaftlich vernünftig ausgestaltet werden. Um diesen Übergang zu
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schaffen, brauchen wir als Brückentechnologie noch zeitlich befristet die Kernenergie. Die befristete Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke ist nach unserer Auffassung deshalb unverzichtbar. Zur Steigerung der Energieeffizienz setzen wir neben Änderungen im Mietrecht und der Energieeinsparverordnung vor allem auf monetäre Anreize. Sie sollen Industrie, Haushalte und Gewerbe dazu anhalten, in Energieeffizienz zu investieren und sparsamer mit Energie umzugehen. Im Mittelpunkt wird weiter das CO2Gebäudesanierungsprogramm stehen, aus dem Haus- und Eigenheimbesitzer weiterhin zinsgünstige Kredite über die KfW erhalten können. Wichtig ist uns auch ein regelmäßiges Monitoring der Maßnahmen, um mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und korrigieren zu können. Und natürlich hat das Bundesfinanzministerium darauf geachtet, dass dem Energiekonzept eine solide Finanzierung zugrunde liegt: Einrichtung eines Sondervermögen “Energie- und Klimafonds“, aus dem ab 2011 alle Maßnahmen des Energiekonzepts
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gedeckt werden. Das Sondervermögen wird aus zwei Quellen gespeist: Über eine vertragliche Vereinbarung mit den Betreibergesellschaften der Kernkraftwerke wird der überwiegende Teil der Zusatzgewinne aus der Laufzeitverlängerung abgeschöpft und dem Fonds zugeführt. Ab 2013 werden sämtliche noch nicht im Haushalt veranschlagten Erlöse aus der Versteigerung der Berechtigungen zum Ausstoß von Treibhausgasen in den Fonds fließen. In den Jahren 2011 und 2012 stehen dem Sondervermögen damit Einnahmen in Höhe von jeweils 300 Mio. € zur Verfügung. In den Folgejahren können die Einnahmen je nach Preisentwicklung auf über 2,5 Mrd. € anwachsen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit diesem ehrgeizigen und durchfinanzierten Energiekonzept die Voraussetzung dafür schaffen, dass Deutschland auch langfristig ein wettbewerbsfähiger Standort bleibt. Schlussbemerkung Mein Anliegen heute, war es zu zeigen: Deutschland ist gut aufgestellt und auf bestem
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Wege, aus der Krise gestärkt hervorzugehen. Wir haben die notwendigen Lehren aus der Krise gezogen und viele MaĂ&#x;nahmen dazu bereits umgesetzt oder auf den Weg gebracht. Wir sind hart von der Krise getroffen worden, jedoch deutlich weniger hart und vermutlich auch weniger dauerhaft als viele prophezeit haben. Der Staat, die Wirtschaft und die Menschen in unserem Land haben durch Entschlossenheit, Besonnenheit und Vertrauen dazu beigetragen, dass wir optimistisch in die Zukunft schauen kĂśnnen. Lassen Sie uns diese positive Erfahrung nutzen, um auch die vor uns liegenden Aufgaben gemeinsam zu meistern.