Grußwort von Hartmut Koschyk MdB Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen
anlässlich der Enthüllung der Johann-Bolljahn-Gedenktafel anlässlich seines 150. Geburtstages
am Montag, dem 6. August 2012 in Usedom
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Ich freue mich sehr, heute die Enthüllung der Johann-Bolljahn-Gedenktafel anlässlich seines 150. Geburtstages miterleben zu dürfen. Eine ganz besondere Freude ist es mir, den Leiter der koreanischen Kulturabteilung an der Botschaft der Republik Korea, Herrn Yun Jong Seok, den Präsidenten der DeutschKoreanischen Gesellschaft, Herrn Botschafter a. D. Michael Geier, den Bürgermeister der Stadt Usedom, Herrn Jochen Storrer, sowie seitens der Verwaltung von Usedom Herrn Amtsleiter Karl-Heinz Schröder, Herrn Leitenden Verwaltungsbeamten Martin Meenke und Herrn Hauptamtsleiter Rene Bergmann zu begrüßen, die das Projekt nachhaltig unterstützt haben. Mein besonderer Gruß gilt der Literaturwissenschaftlerin Dr. Sylvia Bräsel, die zum Thema „Johann Bolljahn – eine Hommage zur interkulturellen Karriere eines pommerschen Lehrers in Ostasien“ sprechen wird und deren Initiative wir die heutige Enthüllung der Gedenktafel verdanken. Grundlage für eine kulturelle Verständigung stellt die Bereitschaft dar, das Wissen über „den Anderen“ zu vergrößern. Wenn wir zurückblicken, dann stellen wir fest, dass das Wissen über Korea, ein Land mit einer Jahrtausende alten Geschichte, in Deutschland sehr jung ist und zu Beginn mehr als spärlich war. Dies gilt übrigens besonders für die koreanische Literatur. Die erste deutsche Übersetzung aus dem Koreanischen erschien erst im Jahr 1893 mit der Veröffentlichung von „Koreanische Märchen und Legenden“ gefolgt von „Die Geschichte von Chunhyang“ im Jahr 1894. So wie es Deutsche gab, die nach Korea gingen, gab es, wenn auch wenige, Koreaner, die nach Deutschland kamen. Mirok Li, der in Gräfelfing bei München lebte, ist sicherlich der Bedeutendste davon! Es waren dies die ersten übersetzten koreanischen Stimmen, die einen Eindruck des fernen Koreas in Deutschland verbreiteten. Zuvor waren es immer wieder einzelne deutsche Persönlichkeiten gewesen, die hieran maßgeblichen Anteil hatten: Johann Adam Schall von Bell, Karl Friedrich August Gützlaff, Paul Georg von Möllendorf, Dr. Siegfried Genthe, Dr. Richard Wunsch und Johann Bolljahn, der vor 150 Jahren, am 20. Februar 1862, in Paske auf der Insel Usedom geboren wurde und den wir heute mit einer Gedenktafel ehren wollen. Johann Bolljahn kommt das Verdienst zu, der „Stammvater“ des heutigen Goethe Instituts in Seoul zu sein bzw. die deutsche Sprache und Kultur in Korea „aus der Taufe gehoben“ zu
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haben. Die Deutschen Abteilungen an vielen koreanischen Universitäten legen davon Zeugnis ab. Um die Bedeutung von Johann Bolljahn hinreichend zu würdigen möchte ich an dieser Stelle einige wichtige Stationen seines Lebens aufzeigen.
Johann Bolljahn wurde vor 150 Jahren am 20. Februar 1862 in Paske geboren. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater betrieb Küstenfischerei und Getreidehandel. Im Alter von 15 Jahren ging der Junge auf eine einfache Lehrerbildungsanstalt; im September 1878 dann an das Schullehrerseminar in Kammin.
Drei Jahre später bestand er dort die Prüfung zum Volksschullehrer mit Befähigung zum Kantoren- und Organistendienst. In Selz bei Treptow an der Rega in Hinterpommern erhielt er seine erste Anstellung als Elementarlehrer. Vom September 1882 bis Mai 1884 war er als Lehrer in seiner Heimatgemeinde Usedom tätig. Im September 1884 ging Bolljahn nach England und nahm in Manchester eine Lehrerstelle an der Höheren Töchterschule an. Mit den ersten Ersparnissen finanzierte er eine anschließende viermonatige Französisch-Ausbildung in Paris und legte danach in Deutschland das Examen für Mittelschul-Lehrer ab, um vom November 1888 bis April 1889 Deutsch- und Französischunterricht an der Knaben-Mittelschule in Angermünde zu geben. Im Juni 1889 reiste Bolljahn nach Japan und nahm in Tokio eine Stelle als Lehrer an der Evangelischen Deutschen Schule an. Außerdem gab er Unterricht an verschiedenen anderen Einrichtungen, z. B. an der Universität Tokio. Zeitgenossen schildern ihn im Alter von 27 Jahren als pädagogisch und musikalisch sehr begabt. Im August desselben Jahres kam Bolljahn auf Vermittlung diplomatischer Kreise nach Seoul. Seine Tätigkeit war im deutschen Interesse bzw. diente der Entwicklung der offiziellen Beziehungen zwischen Deutschland und Korea. Bereits sechs Jahre zuvor wurden am 26. November 1883 mit der Unterzeichnung des deutsch-koreanischen Handels-, Schifffahrts- und Freundschaftsvertrages die bilateralen Beziehungen auf eine offizielle Grundlage gestellt. In Absprache mit den koreanischen Behörden wurde eine Deutsche
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Sprachschule eröffnet, deren Leiter Bolljahn wurde. An dieser Schule erhielten auch spätere koreanische Diplomaten für den Einsatz in Deutschland ihre Ausbildung. Der Lehrer Bolljahn entwickelte erste Konzepte für einen auf die Bedingungen des Landes und der Kultur zugeschnittenen Fremdsprachen- Unterricht. Das war eine herausragende Karriere für einen Mann aus kleinsten Verhältnissen. Fast die Hälfte seines Lebens (dreißig Jahre) verbrachte Johann Bolljahn in Ostasien. In Korea verkehrte Bolljahn, der auch in verschiedenen Zeitschriften publizierte, mit deutschen Landsleuten - u. a. mit dem Hofarzt des Kaisers Dr. Richard Wunsch oder mit dessen Kapellmeister Franz Eckert. Auch holte Bolljahn seinen jüngeren Bruder nach Korea, der Assistent des Zolldirektors in Pusan wurde. Er pflegte Kontakte zu Kaufleuten, Vertretern deutscher Firmen und Journalisten, die wiederum Grundlage für ein Netzwerk waren.
Bolljahn
war
zudem
aktives
Mitglied
der
damaligen
protestantischen
Kirchengemeinden in Korea. Die einsetzende Isolationspolitik Koreas führte schließlich im Jahre 1910 zur Schließung der Kaiserlich Deutschen Sprachschule. Bolljahn arbeitete aber weiter als Sprachlehrer in Korea, was auch seine Verbundenheit zur koreanischen Kultur unterstreicht. Erst im Jahr 1919 kehrte Johann Bolljahn nach Deutschland zurück. Er erwarb eine Villa in Swinemünde und nahm eine Stellung als Lehrer an der Marinefachschule in Osternothafen an. Am 25. Oktober 1928 starb Johann Bolljahn. Seinem Wunsch entsprechend wurde Johann Bolljahn auf dem Friedhof seines Geburtsortes Paske beigesetzt. Das Verdienst von Johann Bolljahn ist es, mit der Koreanischen Kaiserlichen Deutsche Sprachschule die deutsche Sprache als Institution und damit als Voraussetzung für einen effektiven Kulturaustausch in Korea verankert zu haben. Gemeinsam mit dem koreanischen Schriftsteller Mirok Li steht Bolljahn zweifellos als Symbol für die traditionsreiche Kulturmittlung zwischen Deutschland und Korea. Die Gedenktafel mit der Inschrift „Im Leben Gottes weite Welt. Im Tode die Heimat“ – initiiert von der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft e. V. in Zusammenarbeit mit den Bürgern der Stadt Usedom - soll den Gedanken des Kulturaustausches und der Mittlertätigkeit in der Region Vorpommern stärken und Korea in der Region bekannt machen. Gleichzeitig führt die Lebensgeschichte
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von Johann Bolljahn sicherlich auch insbesondere den jungen Menschen in Vorpommern die Bedeutung von Toleranz, Weltoffenheit und Völkerverständigung vor Augen. Für koreanische Bürger, koreanische Institutionen und Wirtschaftsvertretungen könnte dieser Gedenkort auf Usedom die Kontakte und das Wissen über diese Region in den neuen Bundesländern stärken und zugleich den Austausch wie beispielsweise in den Bereichen Bildung und Tourismus befördern. Bolljahn gelang es, der deutschen Sprache und Kultur einen Weg nach Korea zu ebnen und er gehört daher wohl zu den bedeutendsten Kulturbotschaftern zwischen Korea und Deutschland. Es ist das Ziel der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft, „Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem koreanischen und dem deutschen Volke zu pflegen und hierdurch dem Gedanken der internationalen Verbundenheit und der Völkerverständigung zu dienen“. Aus diesem Grund unterstützte die Deutsch-Koreanische Gesellschaft die Errichtung dieser Gedenktafel für Johann Bolljahn in seinem Geburtskurort Usedom. Ich wünsche mir, dass die heute enthüllte Gedenktafel die Verdienste von Johann Bolljahn unvergessen macht und einen Beitrag dazu leisten wird, die kulturellen Brücken zwischen Deutschland und Korea nachhaltig zu vertiefen und weiter auszubauen.