Laudatio Hartmut Koschyk MdB Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen
„Verleihung des Wilhelmine-von-Bayreuth-Preises 2010 an Ihre Königliche Hoheit Prinz Hassan-ibn-Talal von Jordanien
Ort:
Universität Bayreuth, Auditorium Maximum
Termin:
Donnerstag, 18.11.2010, 17 Uhr
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Eure Königliche Hoheit, Prinz El Hassan bin Talal von Jordanien, Eure Königliche Hoheit, Prinzessin El Hassan, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Michael Hohl, sehr geehrter Herr Präsident Prof. Dr. Rüdiger Bormann, sehr geehrte Damen und Herren,
Mit Seiner Königlichen Hoheit Prinz Hassan ibn Talal von Jordanien zeichnet die Stadt Bayreuth zum dritten Mal in Folge eine international renommierte Persönlichkeit mit dem Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis aus. 2008 ging der Preis an den nigerianischen Literatur-Nobelpreisträger Wole Soyinka, im vergangenen Jahr an den Pianisten und Dirigenten Daniel Barenboim.
Mit Prinz Hassan von Jordanien würdigt die Stadt eine Persönlichkeit, die sich in besonderem Maße für Toleranz, Humanität und das Miteinander von Völkern und Religionen einsetzt. Sein Engagement für eine globalisierte Welt, in der es ihm nicht nur um wirtschaftliche oder politische Aspekte, sondern um ein globales, gemeinschaftliches Werte-Bewusstsein der gesamten Menschheit geht, ist beispielhaft.
Prinz Hassan von Jordanien verkörpert in ganz besonderer Weise Tugenden, Werte und Ideale, die die Namensgeberin des Preises, Markgräfin Wilhelmine, ausgezeichnet haben.
Der von der Stadt Bayreuth, auf Initiative des Bayreuther Oberbürgermeisters Dr. Michael Hohl, gestiftete Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis wird an Personen verliehen, die „sich auf kulturellem, sozialem, politischem oder wissenschaftlichem Gebiet international um die kritische Reflexion gemeinsamer Wertvorstellungen und die interkulturelle Verständigung verdient gemacht haben“. In ganz besonderer Weise wird der diesjährige Preisträger diesen Vorgaben gerecht.
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Prinz Hassan von Jordanien wurde am 20. März 1947 in Amman geboren und stammt in der 42. Generation direkt vom Propheten Mohammed ab. Er ist seit 1968 mit der aus Indien stammenden Prinzessin Sarvath verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Töchter und ein Sohn hervor.
Prinz Hassan ist Mitglied des Herrscherhauses von Jordanien, Bruder des ehemaligen Königs Hussein, und war von 1965 bis 1999 Kronprinz von Jordanien. In dieser Zeit galt er als der engste politische Berater von König Hussein. Der Preisträger graduierte an der Universität Oxford in Orientwissenschaften mit dem Master of Arts und hat seitdem mehr als 20 Ehrendoktortitel erhalten. Daneben wurden ihm bedeutende Auszeichnungen von über zwanzig Nationen zuteil. Oberbürgermeister Dr. Michael Hohl hat darauf bereits hingewiesen. Die kritische Reflexion gemeinsamer Wertvorstellungen und die interkulturelle Verständigung sind die entscheidenden Kriterien für die Preisverleihung. Aus den vielfältigen Publikationen des Prinzen El Hassan wird deutlich, dass er von der Chance eines friedlichen Miteinanders der Kulturen und Religionen überzeugt ist und diese Überzeugung in sein Engagement im Bereich des interreligiösen Dialogs einbringt. Notwendig dazu sind Aufgeschlossenheit und Interesse für andere Religionen und Kulturen, die über schlichtes Toleranzdenken weit hinausgehen. Beispielhaft hierfür steht Prinz Hassans aktive Unterstützung der christlichen Gemeinden in der arabischen Welt. Prinz Hassan schreibt den Christen in der heutigen islamischarabischen Welt eine unverzichtbare konstruktive Rolle in Politik, Gesellschaft und Kultur zu. Für ihn ist der offene Dialog zwischen den Religionen und Kulturen entscheidend, und dabei besonders die Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen den Gläubigen unterschiedlicher Religionen und Atheisten.
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Hier ergibt sich eine erste Parallele zu Markgräfin Wilhelmine, die ein ganz besonderes Interesse für andere Religionen und Kulturen auszeichnete. Der Morgenländische Bau im Felsengarten Sanspareil ist hierfür ein signifikantes Zeichen. Markgräfin Wilhelmine war dabei insbesondere der chinesischen Philosophie zugewandt. Diese entsprach den Vorstellungen von einer Harmonie zwischen Ehrfurcht und Mut, Weisheit, Güte und Treue als Grundbedingungen einer vernunftmäßigen Ordnung für den Menschen.
Besonders auszeichnungswürdig dabei ist, dass es nach Auffassung Seiner Königlichen Hoheit aber nicht nur beim Postulat eines interreligiösen Dialoges bleiben darf, sondern auch konkretes Handeln erforderlich ist. Sein Engagement für Bedürftige, Flüchtlinge und soziale Randgruppen belegt dies eindrucksvoll.
So hat Prinz Hassan eine Vielzahl von Organisationen und Projekten gegründet, aufgebaut und unterstützt, die sich mit religionsübergreifendem Wirken, aber auch mit sozialen Fragen beschäftigen.
Ich darf in diesem Zusammenhang exemplarisch verweisen auf das durch den Preisträger gegründete Royal Institute for Interfaith Studies in Jordanien. Dieses Institut wurde in Amman gegründet und bearbeitet akademisch und wissenschaftlich das Thema der Religion in der Islamischen und Arabischen Kultur und widmet sich insbesondere auch dem Christentum. Ferner darf ich verweisen auf die Tätigkeit Seiner Königlichen Hoheit von 1999 bis 2006 als Präsident der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden. Die Weltkonferenz der Religionen für den Frieden ist eine internationale und interreligiöse Friedensbewegung, die seit 1970 Verständigungs- und Friedensarbeit in vielen Ländern der Welt leistet. Die Weltkonferenz der Religionen für den Frieden strebt nicht eine „Einheitsreligion“ oder eine Vermischung der Religionen an. Vielmehr sollen in gegenseitigem Kennenlernen, in Respekt voreinander und in Treue zum eigenen Glauben die friedensfördernden Grundlagen der Religionen sichtbar und wirksam gemacht werden, die allzu oft durch Herrschaftsinteressen verdeckt und für partikuläre Gruppeninteressen missbraucht wurden und werden.
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Seine Königliche Hoheit ist weiterhin Präsident der Stiftung für Interreligiöse und Interkulturelle Forschung und Dialog und rief die Trilaterale Kommission für das islamisch-christlich-jüdische Gespräch ins Leben. Er engagiert sich außerdem im interreligiösen Beraterausschuss der UNESCO und ist Ehrenmitglied ihrer Weltkommission für Kultur und Entwicklung. Seine Königliche Hoheit hat sich damit höchste Verdienste im interreligiösen Dialog zwischen dem Islam, dem Judentum und dem Christentum erworben. Er ist im besten Sinne ein Brückenbauer zwischen der muslimischen, christlichen und jüdischen Welt unserer Zeit. Prinz Hassan hat durch seine zahlreichen Initiativen und Publikationen den Dialog zwischen den abrahamitischen Religionen, dem Christentum, dem Judentum und dem Islam vorangetrieben. Er hat damit nicht nur einen wesentlichen Beitrag zum heute notwendigen Verständigungsprozess geleistet, sondern ist vor allem durch seine Publikation ´Christianity in the Arab World´zu einem der führenden Gesprächspartner in diesem Dialog geworden, indem er als Muslim und aus muslimischer Sicht eine fundierte und theologisch beeindruckende Darstellung des Christentums vorgelegt hat. In seinem breit angelegten wissenschaftlichen Werk, das sich durch profunde Kenntnisse des Christentums auszeichnet, wird eine zeitgemäße Interpretation des Islams sichtbar, die von den eigenen Wurzeln ausgehend neue Dimensionen für den interreligiösen Dialog eröffnet. Die Fragen, die der Westen dem Islam heute stellt Fragen nach der Rechtsstellung der Frau, der Geltung der universalen Menschenrechte, insbesondere dem Schutz ethnischer und religiöser Minderheiten, Fragen der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit - werden von Seiner Königlichen Hoheit aus der Kenntnis des Islams heraus und im Blick auf die Gegenwart und Zukunft beantwortet.
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Das Wirken Seiner Königlichen Hoheit geht aber weit über die interreligiöse Verständigung hinaus. Dabei handelt es sich um Werte, die allen Menschen auf der Welt eine Richtschnur für ihr Handeln geben. Er steht für Humanität und soziale Verantwortung. Oberbürgermeister Dr. Michael Hohl hat im Rahmen seiner Rede bereits auf die Tätigkeit Seiner Königlichen Hoheit als Präsident des Club of Rome von 2000 bis 2006 hingewiesen. Diese dokumentiert das nachhaltige, werteorientierte Handeln Seiner Königlichen Hoheit. Der Club of Rome ist eine Vereinigung von Persönlichkeiten der Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik aus allen Regionen unserer Erde. Er wurde 1968 mit dem Ziel ins Leben gerufen, sich für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft der Menschheit einzusetzen. Die Weltöffentlichkeit kennt den Club of Rome seit 1972 durch den viel diskutierten Bericht „Limits to Growth“ (Die Grenzen des Wachstums), dem ersten der regelmäßig erscheinenden „Berichte an den Club of Rome“ zur Weltlage. Seine Königliche Hoheit Prinz Hassan hat deutlich gemacht, dass es einer nachhaltigen Entwicklung bedarf, bei der sich die Bedürfnisse der Menschheit an den begrenzten Ressourcen zu orientieren hat. Prinz Hassan denkt und arbeitet in globalen Zusammenhängen und stellt sich gegen monokausales und kurzfristiges Denken und Handeln. Er möchte möglichst viele Menschen dazu bewegen, ihre Lebensweise so zu ändern, dass sie einer nachhaltigen Entwicklung dient. Eindrucksvolles Beispiel für das nachhaltige Wirken Seiner Königlichen Hoheit ist die Gründung der Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation, heute die Desertec Foundation. Dies ist eine Initiative, die sich für die Übertragung von in Wüstenregionen erzeugtem Solar- und Windstrom nach Europa einsetzt. Die Desertec Foundation wurde mit dem Ziel gegründet, die Energieversorgung Europas mit erneuerbaren Energien durch eine Kooperation schnell und kostengünstig sicherzustellen. Dabei sieht das Projekt die Einspeisung von Wüstenstrom in das europäische Stromnetz vor.
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Dieses Engagement ist exemplarisch für nachhaltiges, werteorientiertes Handeln. Eine weitere Parallele zur Namensgeberin des Preises, Markgräfin Wilhelmine, wird sichtbar. Auch sie war stets bestrebt, Bleibendes und Dauerhaftes zu schaffen – also mehr als Feste und Feuerwerke. Neben den beschriebenen Engagements darf ich beispielhaft auf weitere Bemühungen unseres Preisträgers verweisen: 1. Die Gründung der Royal Scientific Society im Jahr 1970. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Wohlstand und die Sicherheit der jordanischen Bevölkerung zu bewahren. Die Royal Scientific Society vermittelt technisches Know-how an Fachkräfte in den verschiedensten Sektoren, um einen technologischen Aufschwung des Landes zu fördern. Die Gründung der Royal Scientific Society erfolgte 1970 als Non-Profit-Organisation. Der Großteil der Finanzierung wurde von Prinz Hassan gestiftet.
2. Die Gründung des Arab Thought Forum im Jahr 1981, dessen Vorsitzender unser Preisträger bis heute ist. Das Arab Thought Forum ist eine unabhängige, pan-arabische, nicht staatliche Gesellschaft. Zusammen mit 25 Intellektuellen fördert Prinz Hassan hier die Entwicklung von Netzwerken zwischen arabischen Denkern. In Zusammenarbeit mit arabischen Schulen, Universitäten, Non-Profit-Organisationen und Intellektuellen werden in Seminaren und Workshops Dialogprozesse gefördert, um „ZwischenArabische“ und „Arabisch-internationale“ Kooperationen zu schaffen. 3. Seine Königliche Hoheit ist weiterhin Gründer des El Hassan Trust und hat sich damit die Förderung des Verständnisses und der Eintracht zwischen islamischer und nicht-islamischer Welt zur Aufgabe gemacht. Eintracht von Völkern und Religionen sowie die Herausbildung von Gemeinsamkeiten, nicht der trennenden Elemente, stehen hier im Vordergrund. Die praktische Umsetzung erfolgt durch finanzielle Unterstützung von Bildung, Gesundheitsfürsorge und der Armutsbekämpfung. Es werden nachhaltige Wirtschaftsformen unterstützt, die ganz besonders den Umweltschutz berücksichtigen. 7
4. Weiterhin wurden von Prinz Hassan auch der El Hassan Youth Award im Jahr 1984, der High Council for Science and Technology im Jahr 1987 sowie das Regional Human Security Centre im Jahr 2000 ins Leben gerufen und aufgebaut.
5. Für den vom Stifter des Alternativen Nobelpreises Jakob von Uexküll gegründeten World Future Council fungierte Seine Königliche Hoheit über viele Jahre als Ratsmitglied. Prinz El Hassan engagiert sich weiterhin beim Global Marshall Plan. Die Global Marshall Plan Initiative setzt sich für ein verbessertes und verbindliches globales Rahmenwerk in der Weltwirtschaft ein, das die Wirtschaft mit Umwelt, Gesellschaft und Kultur in Einklang bringt.
6. Seine Königliche Hoheit ist ferner Vorsitzender bzw. Mitglied in zahlreichen internationalen Organisationen, u. a. dem Zentrum für Friedensstudien und Konfliktlösung der University of Oklahoma, dem Unabhängigen Büro für Humanitäre Angelegenheiten, dem Internationalen Komitee des Rats für auswärtige Beziehungen und der Initiative gegen nukleare Bedrohungen.
Prinz Hassan von Jordanien steht für die Betonung der Gemeinsamkeiten bei aller Verschiedenheit sowie gegen eine Betonung des Trennenden, auf der Grundlage von Förderung des Verständnisses füreinander. Er lehnt kurzfristiges Profitdenken ab, sondern bevorzugt nachhaltige Entwicklungen in Wirtschaft und Wissenschaft. Dafür ist das beschriebene Projekt Desertec ein sehr gutes Beispiel, auch weil es äußerst erfolgreich arbeitet. Globalisierung soll nach dem Verständnis von Prinz Hassan nicht als wirtschaftlicher oder politischer Begriff verstanden werden, sondern als Herausbildung eines globalen gemeinschaftlichen Bewusstseins, das von Menschen unterschiedlicher Kontinente, Kulturen und Religionen geteilt werden kann. Dabei geht es um Begriffe wie Respekt, Verantwortung und Selbstlosigkeit.
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Bayreuth will ein Ort sein, an dem interkulturell gearbeitet und gedacht wird. Der Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis soll dabei helfen, derartige Initiativen überregional bekannt zu machen! Mit der heutigen Preisverleihung wird sichtbar, dass Bayreuth diesem Anspruch gerecht wird. Hierzu trägt auch und gerade die Universität Bayreuth, hierzu tragen aber auch zahlreiche global und damit interkulturell ausgerichtete Wirtschaftsunternehmen aus der Region Bayreuth bei.
Damit gelingt der Brückenschlag zur Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert, in der Markgräfin Wilhelmine bereits über die Grenzen ihrer Markgraftümer hinweg gedacht und sich intensiv mit den führenden Persönlichkeiten der Aufklärung wie Voltaire ausgetauscht hat. Die Anwendung der Prinzipien der Aufklärung von damals bedeutet heute die kritische Reflexion der universellen Werte und der Verständigung über Kriterien einer Vernunft und Rationalität, die für die Menschheit insgesamt plausibel sind. Auch dieser Gedanke hat ganz maßgeblich bei der Auswahl Prinz Hassans von Jordanien als Preisträger des Markgräfin-Wilhelmine-Preises Anwendung gefunden.
Gerade in diesem Punkt zeichnet sich eine weitere markante Parallele zwischen dem Preisträger und den Bestrebungen Markgräfin Wilhelmines ab. Wie kann über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg Verständigung erreicht werden? Wie kann Globalisierung im kulturellen und religiösen Bereich als Chance und nicht als Bedrohung gesehen werden? Wie können technischer Fortschritt mit ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden? Auf all diesen Fragen gibt unser Preisträger überzeugende Antworten.
In Markgräfin Wilhelmine sehen wir eine der ersten Frauenpersönlichkeiten der Aufklärung – gebildet, geistreich, kreativ und der Humanität verpflichtet.
Dies sind Attribute, die auch für Prinz Hassan von Jordanien gelten und Seine Königliche Hoheit zu einem würdigen und verdienten Preisträger für den „Wilhelminevon-Bayreuth-Preis“ machen.
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Eure Königliche Hoheit, ich freue sehr darüber, dass Ihnen nun nach einer kurzen musikalischen Einlage der Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth den MarkgräfinWilhelmine-Preis 2010 verleihen wird und gratuliere Ihnen hierzu im Namen der Bundesregierung, insbesondere von Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sehr herzlich.
Dieser Preis möge Ihnen Ermutigung sein, Ihr Lebenswerk für die interkulturelle und interreligiöse Verständigung, für soziale Gerechtigkeit, für Toleranz und für Humanität auch in Zukunft engagiert fortzuführen.
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