transform- ein Magazin über Veränderungen

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transform #0 Ein Magazin 체ber Ver채nderungen


the only wconstant in life is change


editorial

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lles ist im Wandel. Meist passiert es sehr plötz­

Der Prozess der Veränderung verläuft selten geradlinig,

lich und doch weißt du sofort – ab jetzt ist alles

jedoch folgt er einer inneren Logik. Man kann ihn in vier

anders und ein Zurück wird es nicht mehr ge­

Phasen gliedern. Diese können un­ter­schied­lich intensiv

ben. Das was war, erscheint in einem völlig anderen

ausgelebt werden, jedoch muss jede einzelne durchlebt

Licht. Das Neue bricht wie ein Blitz in unsere Welt. Dann

werden. TRANSFORM macht sich diese vier Phasen zur

gibt es Zeiten, in denen unser altes Leben unbequem

Grundlage und wird in jeder Ausgabe einen Aspekt des

wird, wir aus dem Tritt kommen und sich die Gewiss­

Neuanfangs thematisieren.

heit breit macht: So geht es nicht weiter. Wir sehnen

TRANSFORM erzählt vom Zweifel, vom „zwischen den

uns nach etwas Neuem. Oder aber wir ahnen, dass bald

Stühlen sitzen“, von Weggabelungen und vom Unwil­

alles anders sein wird – ob wir wollen oder nicht. Das Le­

len, sein schönes altes Leben aufzugeben, von der Halt­

ben läuft plötzlich nicht mehr rund und dann ist sie da:

losigkeit, wenn die Erfahrungen fehlen, wir auf uns al­

die Angst vor dem Unbekannten, vor dem Verlust, vor

lein gestellt sind und uns entscheiden müssen zwi­

dem Scheitern, vor falschen Entscheidungen. Was

schen guten Ratschlägen und unseren Instinkten.

kommt nun? Wie geht es weiter?

Trotz allem gibt uns das Neue das Gefühl, lebendig zu

Veränderungen sind ein wichtiger Bestandteil unseres

sein. Anfänge sind Chancen auf ein anderes Leben. Da­

Lebens. Sie verschaffen uns wichtige Erfahrungen, die

durch bekommen sie etwas Magisches. Das Neue faszi­

unsere Meinungen bilden unsere Einstellungen prägen,

niert, denn wir haben es noch nicht durchschaut, aus­

uns zu dem machen, was wir sind. Immer wieder ste­

probiert und verstanden. Es birgt ein Geheimnis, das

hen wir vor Entscheidungen, die weit­reichende Konse­

uns fesselt. Immer wieder aufs Neue.

quenzen haben. Mitunter ist das nicht leicht. Zu gern

Diese Ausgabe soll die Schönheit der Chance feiern, die

möchte man die Zeit anhalten und alles beim Alten be­

uns ein radikaler Richtungswechsel im Leben gibt. Denn

lassen. Nicht immer sind Veränderungen das, was wir

am Ende sind es die Umbrüche, an die wir uns erinnern

gerade wollen.

werden und die die besten Geschichten abgeben.


phase

1 irgendwas stimmt hier nicht

10

das schauspiel

12

was bleibt ?

14

was ich mit meinem restleben machen könnte

Der Morgen danach war immer wieder der Morgen danach. Selbst nach Monaten war es der Morgen danach.

Ich wollte es so. Ich wollte immer ein Volontariat. Bei einer Tageszeitung. Und nun hat es geklappt. Juhu! Ich wollte es so. Lächeln und winken.

16

veränderung

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war das schon alles ?

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gute überschrift war aus

Versicherungen ­zahlen, Müll rausbringen, Spülma­ schine ausräumen. Erwachsenen­leben ist fürchter­ lich.

24 ich weiss nix

Aber was, das ist hier die Frage und lässt mich gleich im ersten Satz stolpern und nicht weiter­ kommen.

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grau, grau, grau

phase

2 es war doch so schön

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niemand, der so ist

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für meine internetfreundin

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in der hoffnung, dass zeiten sich ändern

Es gibt niemanden, der ihn ersetzen kann, obwohl das natürlich total praktisch wäre.

Die Möglichkeit, Gefühle zu teilen, ist ein Privileg. ­­Dein Recht dazu würde ich dir niemals absprechen. Selbst wenn es mit ihr ist.

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war es gestern?

Eigentlich sind wir es müde, jung sein zu müssen und der Körper strotzt nur so vor jugendlichem Leichtsinn, das Leben liegt noch vor uns.

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damals


phase

3 nichts als gespenster

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wohin

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können! ­wollen? ­scheitern.

54

weglauf tendenz

56

Jeder hat doch einen Traum, eine Wunschvorstel­ lung. Was ist eigentlich falsch gelaufen, dass ich keinen Traum habe?

Ich bin 25, stehe seit einem Jahr im Berufsleben und bewohne ein günstiges Zweizimmergehäuse in einer mittelgroßen Stadt. Alleine.

ganz ­entschlossen unentschlossen

was die angst so treibt, wenn sie nicht mehr weiter weiss Wenn Emotionen einen trinken gehen.

4 alles neu

70 häutung

Mitten in der Wirtschaftskrise will ich meinen Job kündigen. ­Das klingt doch vernünftig, nicht wahr?

72

zukunft

74

neu

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ein neuanfang

Nichts ist bedrückender als die Freiheit, zwischen allen Möglichkeiten wählen zu dürfen.

Warum behaupten eigentlich alle in letzter Zeit, unsere Generation sei entscheidungsunfähig? Eine Verteidigung der Wahlfreiheit.

60

phase

Ich packe meine Koffer und ziehe nach Lissabon, von heute auf morgen, ohne jede Absicherung, aber mit dem süssen Geschmack der Freiheit.

Stell dir vor,es gab einen Moment,da lag alles vor dir, was sein kann.

78

ausmisten radikal

80

die ­entdeckung der ­langsamkeit

88

das januar-gefühl

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ich lass die zukunft jetzt einfach passieren.

In einem Jahr hat Dave Bruno seinen Besitz auf 100 Sachen reduziert.

Und wann hatte sich das Leben eigentlich so be­ schleunigt?

Das Januar-Gefühl ist eigentlich unsinnig – man könnte ja immer etwas Neues anfangen.

Einfach so. Ganz schlicht und einfach. Weil es das ist, was ich immer wollte.­

3

editorial

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bildnachweis / impressum



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irgendwas stimmt hier nicht Phase 1 des Veränderungsprozesses schleicht sich scheinbar unbe­ merkt heran. Das Gefühl macht sich breit, dass irgendetwas nicht mehr stimmt. Du bist unzufrieden, aber weißt noch nicht warum. Die Schuhe fangen neuerdings an zu drücken, du kommst ins Stolpern und aus dem Takt. Plötzlich kommt das Gefühl des Zweifelns auf. Ist es wirklich das, was du willst? Es gibt doch noch so viele andere Opti­ onen. Oder doch nicht? Da ist etwas, was dich zögern lässt. Die Angst vor dem ersten Schritt, der alles ins Wanken bringen könnte und vor dem Unbekannten, vor dem Verlust, vor dem Scheitern, vor falschen Entscheidungen. Der Zweifel nagt an dir. Jetzt bist du in der Klemme. Noch ein bisschen warten, vielleicht wird ja alles wieder gut?


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Zweifel Substantiv, m, [Zwei·fel, Plural: Zwei·fel, Zwei·fel, Plural: Zwei·fel] (mittelhochdeutsch zwîvel, althochdeutschh zwîval aus germanisch twîfla, „doppelt, gespalten, zweifach, zwiefältig“) ist ein Zustand der Unentschiedenheit zwischen mehreren möglichen Annahmen, da entgegengesetzte oder unzureichende Gründe zu keinem sicheren Urteil oder einer Entscheidung führen können. [1] Er wird auch als Unsicherheit in Bezug auf Vertrauen, Handeln, Entscheidungen, Glauben oder Behauptungen bzw. Vermutungen interpretiert. Skepzis (griech. sképsis = Betrachtung; Bedenken, zu: sképtesthai = schauen, spähen; betrachten) bezeichnet dagegen Bedenken durch kritisches Zweifeln. [2] Rudolf Eislers Wörterbuch der philosophischen Begriffe definierte 1904: „Zweifel (dubium, dubitatio) ist der (gefühlsmäßig charakterisierte) Zustand der Unentschiedenheit, des Schwankens zwischen mehreren Denkmo-

tiven, deren keines das volle Übergewicht hat, so daß das Denken nicht durch objective Gründe bestimmt werden kann. Während der Skepticismus (s. d.) den absoluten Zweifel an der Erkenntnisfähigkeit des Menschen zum Princip macht, besteht der methodische Zweifel (doute méthodique) in der provisorischen Bezweiflung von allem, was noch nicht methodisch-kritisch festgestellt, gesichert erscheint.“; zweifelhaft, …los; zweifeln; ich …ele (vgl. S. 64, VIII, A9, Zweifelsfall; im -[e]; Zweifelsfrage; zweifelsfrei, …ohne; Zweifelsucht w; -; Zweifler


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das schauspiel Der Morgen danach war immer wieder der Morgen danach. Selbst nach Monaten war es der Morgen danach. Von Dennis Kyn

Wenn die Nacht weg war und das Sonnenlicht, das durch die Vorhänge fiel und die Wohnung durchflutete, ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte, war es oft schwer zu erkennen, wo er sich befand. Wo sie mittlerweile angelangt waren. „Gehst Du zuerst ins Bad oder soll ich?“, war einer der wenigen Sätze, die sie miteinander wechselten. Es war so enttäuschend, dass sie wieder von vorne anfangen mussten, immer wieder nach jeder Nacht, die ihnen versprach, nie mehr etwas wie Distanz zu spüren. Er fing an, die Nächte zu fürchten, weil sie ihm wie eine Betäubung vorkamen, wie eine Lüge und er konnte nicht mehr schlafen.Stumpfe Bauchschmerzen sorgten dafür, dass er sich von einer Seite auf die andere wälzte. Er ertappte sich dabei, wie er seine Fäuste ballte, sich zusammenkrümmte und zitterte. Eine Aufregung, Nervosität. Die berühmte Angst vor der Ungewissheit. Vor dem Tag. Er stand in diesen Momenten auf, setzte sich an den Küchentisch und sah aus dem Fenster, in die Nacht, die nie eine wurde in dieser großen Stadt, immer hell und immer lebendig. Er sah sie dann an, sah ihr dabei zu, wie sie schlief. Ihm war kalt, aber er konnte nicht mehr ins Bett. Gewöhnlich wachte sie dann irgendwann auf, spürte, dass er nicht mehr neben ihr lag und sah sich in der Dunkelheit um und als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, entdeckte sie ihn am Tisch, stand auf und kam zu ihm. Verschlafen legte sie ihre Arme um seine Schultern und bat ihn, wieder ins Bett zu kommen. Ihre Augen gewöhnten sich an jede Dunkelheit. Wenn sie ihn am nächsten Morgen fragte, warum er nachts wieder wach gewesen war und er nicht wusste, was er antworten sollte, ahnte sie schon längst die Antworten. Die Antworten auf die Fragen, die ihn nicht schlafen ließen und sie spürte wahrscheinlich die gleiche Kälte, die ihm ins Herz kroch.Beide hatten Angst. Er hatte Angst vor den Antworten und sie vor den Fragen. Aber jeder Versuch von ihm, endlich zu sprechen, die Dinge zu klären und ihr die Möglichkeit zu geben, die Dinge zu ER-klären, wurden überrollt und im Ansatz erstickt. Von der Angst. Weil sie um nichts in der Welt an der Oberfläche kratzen würde, weil sie nie die Tür zum Keller öffnen würde,

voller Panik vor den Leichen, die sich häuften und deren Gestank nach oben drang. Zu ihnen. Zwischen sie. Und wenn er es doch wieder wagen sollte, einen Versuch zu starten und sie mit Fragen konfrontierte, dann konnte er sehen, wie sich ihre Augen verdunkelten und dann kamen die Tränen, die durch die Augen nach draußen drangen und Tränen waren nun mal schneller als Wörter, die durch den Mund kommen konnten. Sollten. Dann begann das Weinen, die letzte Möglichkeit, ihn zum Schweigen zu bringen. Anfangs nahm er ihr das noch ab und glaubte dran, glaubte ihr den Schmerz, die Verletzlichkeit und dass ER derjenige war, der verletzte und Wunden öffnete. Aber dann kam ihm das alles wie eine Wiederholung vor, ein Film, den er schon hunderte Male gesehen hatte, das Weinen verlor für ihn die Tiefe, den Schmerz und es wurde zu einem Schauspiel. Jede Träne war eine einstudierte Szene, tausendmal geprobt. „The finest day I‘ve ever had, was when I learned to cry on command“ Und irgendwann bemerkte er auch die Unterbrechungen zwischen ihrem Schluchzen, das Abwarten auf seine Reaktionen. Und er reagierte. Er spielte seine Rolle, spielte seinen Part. Ohnmächtig befolgte er den Weg des Trösters und lenkte mit ihr zusammen ab, was von den bösen Vorahnungen übrig blieb. Und er stand wieder an der gleichen Stelle, an der er 10 Minuten zuvor schon gestanden hatte. Und plötzlich wurde nicht nur das Weinen zu einer Scharade, die ganzen Sachen, die sie sagte und tat, waren plötzlich nur noch aus Plastik, alles was sie tat, quittierte er mit einer gönnerhaften Art, die ihn beinahe selber glauben ließ, dass es echt war. Er spielte mit, war der perfekte Mitspieler. Es war, als ob er sie ständig im Schach gewinnen lassen würde. Und sie wusste es. Es wurde alles noch viel schwieriger, als er merkte, dass sich unter dem Misstrauen ein anderes Gefühl auftat, das er anfangs nicht wahrnahm oder nicht wahrnehmen wollte. Doch er spürte, dass das Misstrauen wahrscheinlich nur der Anfang war und dass sich dort unten eine dunklere Masse befand, vor der er sich noch viel mehr fürchtete. Tief im Innern wuchs etwas, das seine Zuneigung zu ihr wiederum schrumpfen ließ. Er war sich dessen nicht bewusst, wollte nicht wahrhaben, dass er dabei war, seine Gefühle für sie zu

die tage wurden zu einem seufzen, tröp‑ ­felten als braune trop­fen aus dem wasse­rhahn ih‑ rer beziehung.


11 drosseln. Eine Art Schutzmechanismus, der ihn vor dem Knall – der sicherlich kommen sollte, dessen war er sich sicher – beschützen sollte. Die Tage wurden zu einem Seufzen, tröpfelten als braune Tropfen aus dem Wasserhahn ihrer Beziehung. Sie fühlten sich wohl in diesem Schauspiel, sie verbrachten die Wochen und Monate miteinander, zwischen ihnen dieses stille Abkommen. Das Schweigen. Sie gingen zusammen aus, sie setzten sich in Parks, trafen sich mit Freunden, sprachen stundenlang miteinander über die Stücke, die sie zusammen besucht hatten und schliefen miteinander, alles eingehüllt in dieses Laken, gestrickt aus ihrem kleinen Spiel. Er fand sich damit ab, dass sie ihm Dinge verheimlichte, Dinge von denen sie ihm nie etwas erzählte, er ertappte sich sogar selber dabei, dass er sie anlog, kleine Lügen bastelte. Ohne Sinn. Nur um sie anzulügen und sich selbst das Gefühl zu geben, dass er die gleichen Waffen benutzen konnte, wie sie – aber die ja offiziell verboten waren. Und das alles nur, um die bösen Geister auszusperren, die alles kaputt gemacht hätten. Diese beschissenen Geister, die sie so einfach hätten loswerden können, wenn sie sich nur getraut hätten, sie zu empfangen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Sie ahnten nicht, dass sie den kleinen Geistern die Möglichkeit gaben, sich zu vermehren und noch viel größere Ungetüme zu schaffen. Sie kehrten ständig alles unter den Teppich, in der Hoffnung, dass sich das alles von selber lösen würde. So wurde niemand mit den Dingen konfrontiert, die sie bewegten und langsam erschlugen. Der Teppich auf dem sie sich befanden, wurde immer höher, der ganze Dreck darunter türmte den Teppich auf und sie hatten Mühe, geradeaus zu laufen.

sie spürte wahrscheinlich ­­die gleiche kälte, die ihm ins herz kroch. beide hatten angst.


12 Was hätte. Was wäre. Was könnte. Was sollte. Alles. Aber leider nichts. Manchmal ist das Nichts freilich viel ergiebiger als das Alles. Es befeuert die Fantasie, muss aber nicht auf den Prüfstand der Realität. Manchmal tritt durch durch eine Tapetentür ein Mensch in dein Leben, der dich mit großen Augen so anschaut, dass du weißt: Uuuh, das könnte was sein, und schon wirft das Sehnsuchtszentrum deines Gehirns die große Was-wäre-wenn-Maschine an. Was könnte. Was sollte. Was soll ich. Es muss nicht viel mehr sein als: ein interessantes, herzliches Gespräch. Jemand, der an den richtigen Stellen lacht und bei den langsamen Passagen ganz genau zuhört. Eine Berührung der nackten Unterarme, ein etwas zu langer Blick über den Rand deines Glases. Ob das auf einen zärtlichen Kuss beim Abschied zusteuert oder auf ein Ausprobieren, wie sich eine gemeinsame Nacht anfühlt, ist weniger wichtig als der Schwebezustand, der dich elektrisiert: Wo führt denn das hin? Merkwürdig, dass der Nachhall dieses Schwebens noch immer zu spüren ist, wenn längst klar ist, dass es nirgendwo hingeführt hat. Denn es hätte, es hätte … Es hätte sich auswachsen können zu einer Affäre, einer Liebe, zu den seltenen Momenten, die humorvoll und sexy gleichzeitig sind und von denen man immer erst im Nachhinein weiß, dass sie zu den wertvollsten gehören. Scheiß Konjunktiv.

Was bleibt ? Von Tina Bauerfeind

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen es nicht darauf ankam alles richtig zu machen ein Blick in die falsche Richtung war noch lang kein Versprechen und von Bedeutung war nur, was uns sicher durch die Nacht brachte nun scheint jede Entscheidung für immer zu sein als würde man uns ansehen welchen Weg wir gegangen sind doch wo wir hin wollen liegt noch in der Luft und Atmen fällt schwer wenn alles nach Abschied schmeckt


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Was ich mit meinem ­Restleben ­machen könnte Ich wollte es so. Ich wollte immer ein Volontariat. Bei einer Tageszeitung. ­­Und nun hat es geklappt. Juhu! Ich wollte es so. Lächeln und winken. Von Emma Grün

Nun. Bisher lautet der Plan so. Ich mache das Volontariat zu Ende und hoffe inständig, dass ich nach dem Absitzen meiner restlichen vier Monate in Blödes Kaff und damit in dieser lausigen WG in Sachsens schmuddeligster Ecke (und da stehen einige zur Auswahl) in eine Redaktion versetzt werde, die es mir tatsächlich erlaubt, nur eine Wohnung, nämlich die an meinem Erstwohnsitz, zu bewohnen. So hätte ich dann vielleicht mal etwas von meinem Gehalt übrig, vielleicht genug, um mir eine neue Hose zu kaufen. Ich hoffe weiterhin, dass ich es schaffe, bis dahin nicht mit wichtigen Menschen zusammen zu rasseln und dass es nicht auffällt, wie grundsätzlich ich mich vom durchschnittlichen Redakteur des erzkonservativen BlödesKaff-Käsebotens unterscheide. Aber ich hatte eben die Wahl: Entweder arbeitslos oder beim Stürmer des Ostens anfangen.… die halten es tatsächlich für vertretbar, einen Artikel, der sich mit asiatischen Wassersportlerinnen befasst, mit der Überschrift „Gelb schwimmt schnell“ zu versehen. Und als ich nicht an mich halten kann und in der Konferenz an dieser Stelle aufquietsche, ernte ich verständnislose Blicke. Ich verabscheue es, bewusst eine schlechte Zeitung zu machen und das mit dem Glauben zu bemänteln, der Leser wollte es ja genau so. Im Grunde habe ich das gleiche Problem in Klein und Print, was Marcel Reich-Ranicki in Groß und TV bemängelt hat. Wir drucken entsetzlich schlechte, grauenvolle, unscharfe und nur mit Photoshop unfachmännisch in Form geprügelte Gruppenbilder von WANDERUNGEN von Schützenvereinen als fünfspaltige Aufmacherfotos in Farbe. Und wenn es irgendwie geht, dann schreiben wir auch bei 50 abgebildeten Personen unter das Bild, wer wo gestanden hat, von links nach rechts. Ja nicht andersrum, das gibt Haue in der Blattkritik. Damit sich Hans-Friedrich Bökenkölling auch wiederfindet. Sonst ruft er an und droht mit Abbestellung. Wenn das so weitergeht, gibt es irgendwann eine Serie: Das Telefonbuch! Heute weltexklusiv in Ihrem Käseboten: Aa bis Bd! Ich würd ja gern mal anders. Und so. Lernen wir ja auch anders in den Volontärschulungen. Aber wenn ich zurück in der harten Realität der Dorfredaktion bin, dann heißt es: Die Vereine wollen

das so, das haben wir schon immer so gemacht, in Blödes Kaff ist sonst nichts los, was man auf die Eins heben könnte, und die tolle Idee mit den Fotos von den hübschesten Leser-Babys (Schan-Gävvin und MischelleSchakkeline) war gestern schon drin, ist also für diese Woche abgefrühstückt. Wu-ha! Wir dürfen kein Bierglas abdrucken, weil das den Leser zu schlechten Gewohnheiten animiert, aber wir berichten über SCHÜTZENFESTE? Also bitte. Schießen und Saufen zugleich, wenn das keine Ansammlung von Menschen mit schlechten Gewohnheiten ist…

Und dann nötigt man mich, Sport zu machen. Also: darüber zu berichten. Nach einem 13-Stunden-Tag zerrt mich ein mit den Nerven völlig am Ende seiender, mental zerrütteter Altredakteur (deutliches Kennzeichen dafür: er findet den ganz normalen Klingelton meines Handys so lustig, dass er darüber eine öde Glosse schreibt) vor seinen Rechner, zeigt mir in schneller Abfolge irgendwelche Tischtennistabellen, die, was mich angeht, auch in Suaheli geschrieben sein könnten, und erklärt mir, dass ich daraus in der kommenden Woche einen großen Artikel machen soll, weil er vier Tage frei hat.

das telefonbuch! heute weltexklusiv in ihrem käseboten: aa bis bd!

Und als ich das dann versuche, wie erwartet scheitere, weil die Aufnahmefähigkeit meines Kopfes nach besagtem elendlangen Tag ebenso beschränkt war, wie die didaktischen Fähigkeiten des Redakteurs es offenbar immer sind, hilfesuchend bei dem Redakteur zu Hause anrufe, schnauzt mich dessen Frau an: „Aber er hat doch Urlaub!“ Nur ausnahmsweise holt sie ihn gnädig ans Telefon, während ich nicht darüber meckern darf, dass ich zwei Wochenenddienste nacheinander aufgebrummt bekomme und so drei Wochen lang durcharbeite – ich soll froh sein, dass ich ein Volontariat bekommen habe, sagt mir die gebärfreudige blonde Lokalchefin. Und da sagte man mir im Vorfeld, die Redaktion in Blödes Kaff wäre so nett, da hätte ich Glück. So gesehen – es kann in den kommenden eineinhalb Jahren noch schlimmer werden. Aber wenn ich es dann überstanden habe, dann hoffe ich, übernommen zu werden, und hoffe, dass ich dann in einer Redaktion arbeiten darf, wo ich Sporttabellen niemals


auch nur gegenlesen muss. Dann hoffe ich, bis an mein hoffentlich baldiges Dahinscheiden mindestens 10, in der Regel aber 12 bis 14 Stunden am Tag zu arbeiten, freie Tage als optional zu betrachten, kein Familienleben zu haben, keine Freunde und keine Haustiere, weil ich dafür keine Zeit mehr habe, und dafür immer fetter zu werden, weil ein Redakteur sich im Gegensatz zum abgehetzten „Freien“ nun einmal nur zum Auto, aus dem Auto heraus und zum Schreibtischstuhl hin bewegt und dann den ganzen Tag irgendwas Fettiges vom Bäcker auf die Tastatur krümelt, weil er bei dem Schwachsinn, den er schreibt, eine Ersatzbefriedigung braucht (darin ähnelt er dem abgehetzten Freien allerdings wieder). Das hoffe ich, großer allmächtiger Gott aller derer, die „irgendwas mit Medien“ machen wollten, oh ja, bitte. Gut. Das ist der aktuelle Plan. Da scheint es irgendwie ein paar Dinge zu geben, die mir nicht behagen, wenn ich’s recht überdenke. Ich könnte das Volontariat zu Ende machen und mich dann verpissen, egal, ob sie mich haben wollen oder nicht. Ich könnte in einer trendigen Berliner InKneipe, in der nur Dicke arbeiten dürfen, kellnern, in einer netten Dachgeschosswohnung wohnen und mich frei fühlen. Und dann kommt der Disneyprinz mit seinem weißen Gaul durchs graffitibesprühte Treppenhaus hochgaloppiert und entführt mich nach Nimmerland. Äh. Nächster Vorschlag. Ich könnte versuchen, auszuwandern. Ich könnte versuchen, mir einen Mann zu suchen und mit dem auszuwandern. Ich könnte lesbisch werden. Ich könnte bei „Bauer sucht Frau“ mitmachen (ja, als Frau). Ich könnte versuchen, ein Buch zu schreiben. Ich könnte versuchen, ein Thema für ein Buch zu finden, das ich dann versuche zu schreiben. Ich könnte Lotto spielen. Ich könnte Standup-Comedian werden. Schlechter als Atze Schröder bin ich auch nicht. Aber wer ist das schon. Höchstens Hans-Werner Olm. Ich könnte mein Volontariat sofort abbrechen, alle Hoffnungen, die meine Eltern in mich gesetzt haben, schon wieder enttäuschen, all das Geld, das sie in mich investiert haben, damit rückwirkend schrägmetaphorisch ins Korn werfen, Hartz4 anmelden. Kann nicht länger darüber nachdenken. Habe einen brandheißen Artikel über einen seltsam geformten Riesenkürbis auf der Pfanne, den muss ich jetzt tippen.

Mangel. Das heißt doch, es fehlt an irgendwas. Wenn man mal von den Teekesselchen-Spiel absieht und die Mangel für die Bettwäsche weglässt. Daher kommt ja sicher auch das „jemand in die Mangel nehmen“. Unwichtig jetzt. Ich schaue raus. Es ist ein winterlicher Montagmorgen in Hamburg und es ist - grau. Immerhin ist es in den letzten 40 Minuten etwas heller geworden, aber so wirklich hell werden wird es heute nicht. Es fehlt das Licht. Die Kraft der Sonne. Irgendwas fehlt ja immer. Milch, Brot, Wein, ein dritter Tag am Wochenende oder sonstwas, nachdem uns gelüstet. Doch was, was fehlt uns wirklich? Woran haben wir wirklich einen Mangel? Was ist nicht nur unzufriedenes Genöle? Manchmal merkt man erst, was einem fehlt, wenn man es wieder hat. - das klingt vielleicht etwas seltsam, aber es gehört mit zu meinen Lebenssprüchen. Man arrangiert sich im Leben mit seinem Leben und richtet sich so ein, dass es passt. „Irgendwas ist immer“ denkt man sich und holt sich Bestätigung bei den anderen, dass die auch nicht zu 100% zufrieden sind mit ihrem Leben. Und die, bei denen grad alles glatt läuft und die nur so strahlen, denen geht man je nach Laune aus dem Weg oder man freut sich für sie und schöpft eine kleine Kelle Hoffnung, dass es bei einem selbst auch mal so sein könnte. Mangel. Das heißt doch, es fehlt an irgendwas. Wenn man mal von den Teekesselchen-Spiel absieht und die Mangel für die Bettwäsche weglässt. Daher kommt ja sicher auch das „jemand in die Mangel nehmen“. Unwichtig jetzt. Ich schaue raus. Es ist ein winterlicher Montagmorgen in Hamburg und es ist - grau. Immerhin ist es in den letzten 40 Minuten etwas heller geworden, aber so wirklich hell werden wird es heute nicht. Es fehlt das Licht. Die Kraft der Sonne. Irgendwas fehlt ja immer. Milch, Brot, Wein, ein dritter Tag am Wochenende oder sonstwas, nachdem uns gelüstet. Doch was, was fehlt uns wirklich? Woran haben wir wirklich einen Mangel? Was ist nicht nur unzufriedenes Genöle? Nehme darum Lebensgestaltungsvorschläge nach dem Piep an. Piep. Piep an. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep.

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VERÄNDERUNG Er steht da und kann es nicht glauben, sie hat schon wieder eine neue Frisur. „Wieso machst du so was?“, fragt er sie. „Ich brauche es.“ „Es stört mich, niemals weiß ich, wie du aussiehst. Irgendwann lauf ich noch mal an dir vorbei.“ „Mhhh…ich mag es.“ „Was?“ „Mich zu verändern.“ Er schweigt. Nach einer Weile: „Wenn du mich nicht mehr willst, dann kannst du es ruhig sagen!“ „Ich versteh nicht?“ „Ich hasse es, dass du dich veränderst…das weißt du und du machst es dennoch…du willst mich loswerden!“ „Ich verändere mich für mich, nicht für dich!“ „Du hast einen Anderen!“ „Quatsch, ich…“ Seine Augen funkeln: „Du hast viele Andere!“ „Unsinn!“ Sie nimmt eine Schere und schneidet sich einen Pony. „Siehst du, ich mag das, immer etwas anderes an mir auszuprobieren.“ Er schweigt und geht.


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War das schon ALLES ? Ein Satz, den man oft mit der Midlife-Crisis, mit unzufriedenen, verbitterten Mittdreißigern in Verbindung bringt. Könnte ich mir vorstellen. Von Cathrin Aldekamp

Ein Satz, den man oft mit der Midlife-Crisis, mit unzufriedenen, verbitterten Mittdreißigern in Verbindung bringt. Der Job ist langweilig, die Freunde nerven und das „Schatz, ich liebe dich“ kommt, wenn überhaupt, dann nur noch monoton über die eigenen Lippen. Könnte ich mir vorstellen. Nun ist es aber so, dass ich mich nicht zu den Midlife-Crisigen, Antidepressiva schluckenden Greisen zählen darf. Ich bin 20 und das ist mir auch ganz recht. Bis ich mal mit der Brigitte in der Hand neidisch auf die weichrasierten, organgenhautfreien Beine einer mindestens 10 Jahre Jüngeren starre und mir selbst einrede, dass ich so etwas ja gar nicht nötig hätte, ist es hoffentlich noch eine Weile hin. Trotzdem finde ich, dass auch ich Zweifel an meinen bisherigen Erfolgen haben darf. Gut, meine Mutter wusste mit 17 noch nicht, dass sie einmal fähig sein würde, einen Personenkraftwagen ohne Anleitung zu führen und mein Vater hätte von einem Abi auch nur träumen dürfen. Aber trotzdem. Ich finde, ich habe das Recht mein Leben doof zu finden. Wenn meine Großmutter mir von ihren verschiedenen, regelmäßig wechselnden Freunden und den ständigen Partybesuchen erzählt, komme ich mir schon selbst ein bisschen wie ein altes Eisen vor. Ich

habe nie, vor allem nicht ständig wechselnde Freunde. Ich hatte einen Freund mit 18 und der hat geküsst wie ein Fisch. Hielt dafür auch 1 1/2 Jahre. Immerhin. Und mit den Partys ist das auch so eine Sache. Nicht, dass ich nicht gelegentlich gerne mal zitternd in schrecklich kurzen Hosen wartend und hoffend, nicht kontrolliert zu werden vor einer Diskothek stehen würde, nur um danach drei Stunden schwitzend möglichst cool und sexy von einem Bein aufs andere zu treten, damit mir dann doch niemand ein Smirnoff-Ice ausgibt und ich mal wieder 20 Euro€ für einen unnützen, ungeküssten Abend verplempert habe. Mir ist es einfach lieber, mit meinen wenigen, aber dafür guten Pappenheimern von Freunden in irgendeinem Kellerloch zu hocken und mich stilvoll zu alkoholisieren. Eben diese Pappenheimer erzählen, meckern und haben seltsame Einfälle (wie z.B. die Wochenendtour, auf die ich hier nicht genauer eingehen will) und genau das ist es, was mir buchstäblich mein Herz öffnet. Doch schon das nach Hause fahren mit dem Auto oder dem Fahrrad ist ungefähr das schrecklichste, was mir widerfahren kann. Ich werde melancholisch, weil wieder einer dieser wundervollen Momente vorbei ist, die man doch in seiner Jugend auskosten soll. Dann komme ich nach


Hause, und da ist niemand, der weiß, wie toll diese Menschen gerade waren, von denen ich mich so unpersönlich, aber herzlich wie es nur geht, verabschiedet habe. Noch schlimmer, wenn ich aus den Jugendurlauben wiederkomme. Da habe ich zwei Wochen in Begleitung sonnencremiger Mit-Jugendlichen seltsame Strand-Spiele gespielt oder mich ‘zigmal in furchtbar schnellem Tempo furchtbar lange Skipisten hinunter gequält, nur um dann abends mit dem Bild des herzzerreißenden Momentes, in dem ich mit grässlichem abgewinkelten Arm fast weinend in einem hübschen Hochschnee-Feld liege und mir wünsche, niemals die 500 Euro für so eine bekloppte Tour ausgegeben zu haben, immerhin der Lacher des Abends zu sein. Und mal ehrlich, wofür das Ganze? Für mich. Weil ich es liebe, meine Zeit, vor allem im Urlaub mit mir generell eher fremden, aber dafür nach den beiden Wochen neuen besten Freunden, zu verbringen. Weil ich es liebe, mich vor vielen Menschen zum Horst zu machen und dafür freundliches SchulterKlopfen oder kleine Zuzwinker-Augenblicke zu ernten. Weil ich es liebe, weg von meinem öden schulischen, von nicht enden wollenden Referaten durchzogenen, klausurenbeständigen Alltag zu fliehen, um etwas mit wirklich coolen Menschen zu machen. Wirklich cool heißt, dass sie eigentlich alle auf ihre Weise einen völlig an der Klatsche haben. Sehr still, sehr laut, Schach spielend oder Trommeln trommelnd, Rot, Blau, Grün oder manchmal auch gepunktet. Eher lieb oder eher rüpelmäßig, dumm, dämlich und hässlich noch dazu, aber einfach cool. Und danach sitze ich dann zwischen 2 und 30 Stunden in irgendeinem stickigen Bus und wünsche mir, diese Fahrt würde noch ewig dauern, egal wie ekelhaft und luftleer sich alles anfühlt. Wenn ich daran denke, nach Haus zu kommen und meiner Mutter in ihr mutter-interessiertes Gesicht zu blicken, würde ich mich am liebsten erhängen. Mutter-interessiert heißt ja nicht interessiert, aber Interesse heuchelnd, weil ich nun mal ihr liebes, tolles Kind bin und sie mich ja ach so schrecklich vermisst hat und sie mir das Gefühl geben muss, dass dies auch wirklich stimmt und sie deswegen so tut, als würde sie interessieren, wer mir welchen Brei an welchem Ort mit welchem Löffel in den Rachen gestopft hat. Ich habe sie nicht vermisst. Ich habe nicht einmal an sie gedacht. Ich habe da hinten die Tatsache, jemals aus dem Leib einer Frau geschnitten worden zu sein, total verdrängt. Da gibt es keine Mama oder Papa oder Mutti oder Papserl. Auch keine Geschwister, ausgenommen eins dieser Geschwister lief grad auch zufällig durch Norwegen, als ich zufällig in einen eiskalten Ekel-Teich geworfen wurde (und damit übrigens wieder den Lacher-desAbends geerntet habe, danke, Autogramme gibt’s später!) und mir von ihm wegen dieser angeborenen Geschwister-Solidarität aus dem Ekel-Teich geholfen wurde. Natürlich erst, nachdem es mich auch ausgelacht hat. Und wenn ich dann letztendlich die Tür aufschließe, mir im Fernsehen schon die herrliche Visage von Alexander Hold, gekoppelt mit Vadderns „Pack aus, wir stellen heute noch die Wäsche an und jetzt RUHE!“ und Muttis „Ich hab dich ja so vermisst!“ entgegen schwingt, meine Gedanken noch auf meinem Esprit-Handtuch am Strand Italiens brutzeln – dann kommt mir wieder diese Frage hoch: War das jetzt schon alles?

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War das jetzt alles ? Sind dies nun ­ grob gesehen die ganzen Alternativen, die mir noch bleiben?


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gute überschrift war aus Versicherungen ­zahlen, Müll rausbringen, Spülmaschine ausräumen. Erwachsenen­leben ist fürchterlich. Von Rose Jakobs

Ich habe immer noch keine Hochzeit gecrasht. Ich habe immer noch kein Buch geschrieben. Ich werde aufgehalten. Es sind verschiedene Dinge, die mich permanent vom Sein abhalten. Ich bin nur noch. So irgendwie in Teilzeit, als Halbschatten in der Gegenwart. Oh, ich bin so gestern. Ja und jetzt nicht wieder jeden Satz mit „Ich“ anfangen, sonst geht irgendeiner auf die Barrikaden. Wir atmen ein. Wir atmen aus. Durchzug. Ich möchte gerne mein Gehirn auf Durchzug stellen. Ich bin over it. Over the top. Neulich lag ich des Nachts da und träumte, ich umsegelte die Welt auf einem Dreimaster aus dem 18. Jahrhundert. Dann war ich in Zürich. Es war zauberhaft sauber und ich wollte nirgends anders sein. Am Ende dann in Norwegen. Freizeitpark. Man konnte sich in große Insekten rein setzen und damit Wettrennen machen. Dann wurde ich wach, völlig aus dem jetzt gefallen. Regen schlug ans Fenster, kalter Luftzug durch die Türe. Katzenjammer. Grauer Morgen. Eine Autotür wird zugeschlagen. Und prompt zerfetzt der Müllwagen um Punkt sechs Uhr die graue Idylle und ich denke mir: Grrrrr. Ich denke nur Grrr. Ich denke nicht in ganzen Worten, ganze Sätze sind wie ausverkauft. Grrrr. Keine klare Richtung zu erkennen, obwohl ich mich für den einen Weg entschieden hatte. Wohin trabt das hier? Draußen immer noch Regen. Grrrr. Ja, man, ich ja, ich dieses Mädchen, will nicht erwachsen sein. Neulich lag ich, es, das Mädchen im Bett. Und ich dachte an die Zeit im Gestern. Da, wo ich total verantwortungslos in Echtzeit rumhing, viel Marihuana rauchte, meinen Verstand versuchte an der Garderobe abzugeben und literweise Schnaps als Grundnahrungsmittel brauchte. Ich soff von Donnerstag bis Montag. Dunkle Diskos und diverse Bars waren meine Heimat. Ich aß nur einmal die Woche, irgendwelchen Fastfoodmist vom Lieferdienst, verliebte mich in nicht existente Männer mit Phantasienamen, die mir signierte Bücher von Rocko Schamoni mit der Post schickten, sowie Glanzbilder; Weiter im Text, und spielte mit längt verlorenen Freundinnen Sherlock Holmes und Watson. Ich suhlte mich im Aas der Großstadt und manchmal wusste ich am Donnerstag der zweiten Woche eines Monats nicht, wer am Ende die weiteren zwei Wochen und das darin enthaltene je einmalige Ritual der notwendigen Nahrungsaufnahme, in diesem Rausch der Möglichkeiten und Nichtigkeiten, bezahlen würde. Woher ich es nehmen sollte. Es kam aber irgendwie immer am Ende gut raus. Klar, das war nicht immer alles koscher und ich war nicht immer nett. Ach und jetzt sitze ich hier also, es ist nasskalt und ich bin unzufrieden. Ja,

total. Die Arbeit ist okay, Geld ist da, das Haus ist hübsch und alles könnte total tutti sein. Aber zwischen Rechnungen zahlen, Bahnfahrten zur Arbeit und dem Plan die Landfrauen mit gutem Kuchen zu beeindrucken, macht sich gefühlte Leere auf drei imaginären Hochhausetagen breit. Irgendwas fehlt. Der Effekt des sich Selbstverlierens ist mir abhanden gekommen. Und manchmal liege ich des Nachts da und erwache, weil ich träumte, ich hätte alle verfügbaren Modedrogen der Welt in alphabetischer Reihenfolge genommen und es war Hammer-Mega-Geil. Oder ich tausche Tiere und Babys gegen Drogen oder verliere diese während des massiven Konsums irgendwelcher Substanzen am Busbahnhof. Alles nur Träume. Dann stehe ich auf und räume die Spülmaschine aus. Am Ende toppe ich meine Selfmade-Situation mit alten Beatles-Platten und suhle mich im

keine klare richtung zu erkennen, obwohl ich mich für den einen weg entschieden hatte. wohin trabt das hier? draussen immer noch regen. grrrr. aufgesetztem „Oh Gott, ich bin jetzt dreißig und konnte mir nicht einer vorher sagen, dass dieses „normal“ sein so super anstrengend ist?“. Ja, Verantwortungslosigkeit kann so sexy sein. Ich gebe es zu. Ich vermisse diese Zeiten gerade extrem. Morgens, um sechs, wenn mich die Müllabfuhr aus dem Bett wirft. Wenn ich gerade die Welt umsegelte, oder kleine Hunde aus amerikanischen Toiletten rettete, die sich dann in Triops verwandelten und die ich dann im Aquarium zwischenparken musste. In der nächsten Nacht träume ich dann wieder, wie ich mit Thekla Carola Wied Heroin oben im Westerwald hole. Meine Seele brennt nach etwas gestern. Ich räum jetzt mal die Spülmaschine aus.


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Ich weiß nix

Aber was, das ist hier die Frage und lässt mich gleich im ersten Satz stolpern und nicht weiterkommen. Ich weiß heute überhaupt nicht, was ich will, oder was ich wollen könnte, auch nicht was ich gestern wollte. Ich bin hier und ich bin wunschlos unglücklich. Von Domink Fraßmann Aber das stimmt nicht, denn ich bin nicht unglücklich, ich bin neutral und damit relativ zufrieden. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, denn es könnte sein, dass ich irgendetwas falsch mache, aber es nicht merke, weil ich nicht wirklich wach und klar bin. Ich weiß nicht, was richtig wäre. Der ganze Tag ist schon verwaschen und unklar. Ich bin unklar und weiß nichts. Ich denke manchmal an eine Frau, und dann sehe ich irgendwo ihre Anfangsbuchstaben und sehe sie in diesen Anfangsbuchstaben. So denke ich dann manchmal, dass ich wohl noch sehr verliebt bin. Dann merke ich aber, dass es mir nichts ausmacht zu denken, dass sie glücklich bei ihrem Freund bleiben wird, und ich gehe einfach weiter und denke an was anderes, das ist dann auch nicht wichtig und ich habe es auch gleich wieder vergessen, denn was soll ich denn schon denken, was irgendwie von Bedeutung wäre, dazu fällt mir nichts ein. Die Welt ist unwichtig, was macht es schon, wenn man einfach nicht mehr lebt, einfach aufhört zu leben, nicht mehr mitmachen will, weil es einem zu anstrengend vorkommt, weil man auch gar nichts will, man könnte ja einfach aufhören, aber dafür gibt es auch keinen Grund. Jedenfalls wäre mir keiner bewusst. Selbstmord ist sicher an-

strengend, das stelle ich mir zumindest so vor. Selbstmord ist sicher auch ein bisschen blöd, man muss ein bisschen blöd oder verdreht sein, um so was zu machen, denk ich. Ich denke manchmal, ich muss mir nur eine Aufgabe suchen, dann werde ich schon glücklich sein, mit dem, was ich dann tue, denn ich bin sehr anpassungsfähig und finde immer meine Nische. Ich muss mir nur so vorkommen können, als hätte das einen Sinn, was ich tue. Wenn ich auf die Kinder meiner Schwester aufpasse, dann komme ich mir so vor, als würde das einen Sinn ergeben. Meine Nichte will viel wissen und ich erzähle ich gerne alles. Auch wenn sie es noch nicht versteht, dann sage ich es zu ihr, dass das vielleicht noch ein bisschen zu kompliziert ist. Sie ist 6 Jahre alt. Und letzte Woche habe ich ihr erklärt, wie die Sonne funktioniert und dass alle Sterne Sonnen sind. Und warum der Mond manchmal halb zu sehen ist. Sie hat es verstanden. Sie hat mir dann die Geschichte von ihrer Freundin erzählt,


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sieren würde. Die genetischen Anlagen von ihm sollten gut sein. Vielleicht. Doch. Ich bin keine Frau. Auch wenn ich 20 Paar Schuhe habe. Und es gern habe, wenn mein Duschgel nach irgendwas riecht. Aber ein Kind wäre auch nur eine Ablenkung von der Absurdität des Lebens. Da könnte ich genauso gut einfach wieder an Gott glauben. Und dann vielleicht Priester werden. Weil Jesus mich erleuchtet hat. Ich könnte mal nach Lourdes fahren. Vielleicht passiert da was mit mir. Vielleicht läuft mir auch Buddha über den Weg. Oder eine Frau, die mich ablenkt. Oder irgendwas. Man weiß ja nie, was das Leben bringen kann.

deren Oma in Amerika wohnt und dass es dort zu einem anderen Zeitpunkt Morgen ist als bei uns und das auch daher kommen würde, weil die Sonne dort später hinkommt. Ich glaube nicht, dass ich das in dem Alter verstanden hätte. Ich habe eine intelligente Nichte. Sie kommt jetzt in die Schule und wird sich wahrscheinlich langweilen, weil sie schon alles kann. Sie beherrscht den Zahlenraum bis 50. Wenn ich eine Frau wäre, dann würde ich jetzt ein uneheliches Kind bekommen wollen. Von irgendeinem Vater, der mich dann auch nicht weiter interes-

Auch wenn ich 20 Paar Schuhe habe. Und es gern habe, wenn mein Duschgel nach irgendwas riecht. Aber ein Kind wäre auch nur eine Ablenkung von der Absurdität des Lebens. Da könnte ich genauso gut einfach wieder an Gott glauben. Und dann vielleicht Priester werden. Weil Jesus mich erleuchtet hat. Ich könnte mal nach Lourdes fahren. Vielleicht passiert da was mit mir. Vielleicht läuft mir auch Buddha


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Grau, Grau, Grau Gisbert zu Knyphausen

Bevor das Grau, grau, grau sich hier festbeißt und sich langsam durch meine Adern schiebt, durch meine Adern drängt und sich dort festbeißt, will ich einmal noch am Ufer stehen und dann schauen, wohin die Schiffe fahren, schauen wohin sie fahren und ob mich eins mitnimmt in den Süden oder irgendwohin. Wo mich niemand sieht, mich niemand hört, und mich niemand fragt: Wie solls jetzt weitergehen? Das weiß ich doch auch nicht. Graue Häuser, graue Straßen überall. Ihr könnt mich mal. Graue Menschen, graues Licht, graue Gedanken, graues Ich. Ich will das nicht mehr. Ich wollte da immer drüber stehen, und jetzt steh ich mittendrin, na sowas. Und ich dreh mich im Kreis und singe über das ewige Licht, die Blitze ins Nichts und die gleißende Frage: Wie solls jetzt weitergehen? Das weiß ich doch auch nicht. Das weiß ich doch auch nicht

Es passiert jedem, man kann sie nicht umgehen. Das ist es, was ich mir seit Wochen fleißig erzähle. So oder so ähnlich. Trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich mich selbst frage, woher dieses Gefühl denn plötzlich kam. Oder kam es gar nicht plötzlich, sondern schleichend? Vor allem seit wann ist es da? Und noch dringlicher, wie geht es wieder weg? Ich versuche alle Gefühle zu ordnen, um dann alle Gedankengänge, alle Möglichkeiten fein säuberlich zu gliedern. Aber scheinbar will


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es war doch so schön Phase 2 setzt dir „die Rosarote Brille“ auf, schlägt das dicke Foto­album der guten alten Zeit auf und lullt dich ein mit Erinnerungsfetzen. Sie flüstern in dein Ohr: „Weißt du noch, damals...? Es hat doch auch sein Gutes“ und „Reiß dich mal zusammen und schau was du da eigent­ lich aufs Spiel setzt. Ist es wirklich alles so schwer auszuhalten? Du siehst das alles zu schwarz. Eigentlich ist es doch gar nicht so schlimm! Wer weiß denn, ob meine Entscheidung eine Verbesserung wäre?“ Und du stimmst ein: „Alles hat doch immer bestens funktioniert.“ Warum auf einmal alles über den Haufen werfen? Das Alte scheint dir nun besser zu sein, als es je war und du bist dir sicher, das Loslas­ sen Wahnsinn wäre.


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infach richtig raktisch w채re es, hn zu hassen.


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NIEMAND, DER SO IST

es gibt niemanden, der ihn ersetzen kann, obwohl das natürlich total praktisch wäre. Von Lisa Zucker

Ich könnte mich einfach draußen mit ihm auf eine Decke legen und in den Himmel schauen, um die Vögel zu zählen, vor denen ich Angst habe. So, wie wir das auch immer gemacht haben. Einfach mit jemand anderem im Herbst Kastanien sammeln und im Sommer Muscheln am Strand. Aber ich glaube, ich möchte das überhaupt nicht. Ich möchte weder mit einem anderen Mojito trinken, nachts an den Strand fahren oder beim Scrabble spielen auf der Terrasse Cornflakes essen. Das haben nur wir gemacht. Doch nun ist er nicht mehr da, hat sich für etwas anderes entschieden. Vieles hat sich seither verändert; keiner ruft mich mehr Lisl oder kitzelt mich, an meinem meiner Meinung nach, viel zu dickem Bauch. Scrabble gerne zu spielen, geht nicht mehr. Liebe? Liebe, die mir seitdem keiner geben kann. Und vor der ich mich sträube, wenn sie mir jemand anders, ein Niemand, zu geben versucht. Ich weiß nicht warum, ich würde es gerne wieder... lieben mit Haut und Haaren. „Liebe wird zu Schmerz über Nacht“, sang die beste Band der Welt“ und weder du noch ich haben je darüber nachgedacht.“ Das stimmt, es stimmt genau. Doch warum bei uns? Er hat mein Herz zerfetzt, ich glaube Teile davon kleben immer noch an dem blöden Apfelbäumchen, welches wir gemeinsam gepflanzt haben. Weit zurück liegt das. Nur die Erinnerungen sind da. Kommen jede Nacht wieder. Manchmal auch ganz überraschend, wenn ich etwas sehe, was uns verbunden hat oder ich versuche manches zu begreifen. Ich schlucke das Gefühl, dieses Bittere herunter. Wie ein heiße Kartoffel, da sie sonst meinen Mund zu sehr verbrennt. Doch verschwinden tut es nicht. Erinnerungen können fliehen, tauchen aber wieder auf, aus dem Nichts, gewinnen an Gewicht und taumeln die Seele rauf und runter.

Er hat eine andere, eine, die mich hoffentlich nie ersetzten wird. Nein, dass kann sie auch gar nicht. Woher soll sie wissen, dass er gerne Tomate mit Zwiebeln isst, weil Zwiebeln so schön scharf sind und dass er in seinem Kaffee eigentlich gar nicht so viel Milch mag, dass er am Wochenende gerne Stunden im Bett liegt. ­ Woher soll sie wissen, dass Mohnblumen seine Lieblingsblumen sind und er sich nur für seinen Verstand, nicht aber für sein Herz entschieden hat. Ich war doch immer sein Mädchen und jetzt ist es sie, die mit ihm einschlafen und aufwachen darf. Sie, der er nachts behutsam über die Stirn streichelt, wenn sie schlecht geträumt hat. Das waren doch ausschließlich Privilegien, die mir zustanden. Natürlich könnte ich jetzt auch irgendwo mit jemand anderem einen Stern auf eine Wand sprühen, doch verdammt noch mal, ich will es nicht. Oder habe ich es mir schon zu sehr eingeredet? Es verletzt mich, ihn vergnügt mit ihr zu sehen. Sie anzusehen, sie ist glücklich. Wer ist das nicht in seiner Gegenwart? Er hat die Gabe, etwas auszustrahlen, was genau das ist, konnte ich noch nicht herausfinden. Vielleicht sind es seine Augen, in denen ich jedes Mal versinke oder seine zerzausten Haare, seine Ohren, die so schön sind, als wären es gar keine echten. Vielleicht seine Zähne. Der eine, hat eine kleine Ecke verloren, als ihm Silvester, beim Sekt aus der Flasche trinken, ein Freund zu sehr auf die Schulter geklopft hat. Vielleicht die besondere Art, seine Art und meine Gedanken, an all das, was wir zusammen erlebt haben. An all das, was er mir bedeutet.Sicherlich werde ich später einmal wieder lieben können. Und es wird bestimmt etwas kommen, aber es wird ihn nicht ersetzen können. Das ist auch gut so. Ich möchte niemanden, der ihn ersetzt, das ist eben nicht er. Man kann sich

vielleicht ein neues Pferd kaufen, wenn das alte nicht mehr schnell genug ist, doch ihn, einen so wunder­baren Menschen kann man nicht kaufen. Ich möchte, dass all meine Gedanken und Erinnerungen immer bei mir sind und das werden sie, doch ich wünsche mir auch, dass jemand kommt, der mein Herz klaut und es nicht wieder hergibt. Einfach richtig praktisch wäre es, ihn zu hassen. Für all den Kummer, den er mir bereitet, für all die schlaflosen Nächte, die ich hatte und habe und all diese vielen, vielen Bilder in meinem Kopf. Doch es funktioniert nicht. Dazu muss ich mich verändern, mein Leben noch einmal komplett umkrempeln und am liebsten aus unserer Stadt verschwinden. Doch auch das geht nicht. Ich möchte, dass er mich nicht mehr anruft, dass er mir nicht mehr schreibt und mich nie wieder nachts abholt, um am Strand zu spazieren. Er hat sie und wenn er mich will, dann soll er es doch sagen! Denn sonst verletzt es mich, es tut mir weh! Aua! Hört er? Nein er hört nicht, er kann auch nicht mehr in mich hineinschauen, so wie früher, um mir jeden auch noch so verrückten Wunsch zu erfüllen. Nur ich, ich kann es noch. Und das ist es, was schmerzt. Ich sehe, dass er mit ihr glücklich ist, dass er sie vor allem Unheil beschützen möchte und dass es ihn traurig macht, dass ich nicht auch endlich wieder lachen kann. Aber es geht eben nicht. Also möge er sich bitte damit abfinden und mich ihn noch ein bisschen lieben lassen, damit ich ihn danach endlich hassen kann.


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wir haben aus den aug

für meine internetfreundin Von Jytte Hoffmann

liebe a., wären wir uns damals im frühling 2004 in einem café begegnet oder auf der strasse, wir wären gedankenlos aneinander vorbeigegangen. vielleicht hätte ich mich­­irgendwann deiner erinnert, wie man sich an den mann hinten im bus erinnert oder an die frau, die einem die ­tür aufhält. du hättest mich für ein pubertierendes mädchen gehalten, was ich war, damals vor sechs jahren.ich hätte dich nicht gesehen, zu sehr konzentriert auf mein inneres geflecht und den sitz meiner frisur.


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uns ein bisschen gen verloren Aber wir trafen uns online. Du warst 23, eine junge Frau, ein Jahr älter als ich jetzt und wir akzeptierten uns gesichtslos, alterslos, oft auch intelligenzlos. Das Schreiben an Dich wurde zu einem alltäglichen, selbstverständlichen Ritual. In meinem Kopf warf ich meine Worte an Dich hin und her, jonglierte mit Deinen auf all meinen Wegen, zum Bahnhof, zur Schule, später zur Uni, nachts betrunken auf der Straße; überall lag ein Wort für Dich, ein Satz, ein Gedanke. Wir schrieben einander über Bob Dylan, beinlose Spinnen und lärmende Hinterhöfe, zitierten Elliot Smith, wiegten uns zu Bright Eyes oder hielten die Köpfe hoch erhoben bei „Got to be real“. Die Jungennamen wechselten sich ab, wurden Männer, das Leid oder die Freude blieb, je nach dem, Weihnachten kam und wieder Geburtstag. Ich machte Abitur, schmiss ein Studium, begann ein neues, bekam ein Kind. Doch Du bliebst die Konstante in einem unsteten Alltag. Du gingst mit, fort aus dem Haus meiner Kindheit, rein in die Großstadt, raus aus der Großstadt, ich schrieb Dir vor gelben Wänden, vor apricotfarbenen, vor furchtbar kahlen, ich schrieb Dir vom Hamburger Hafen, aus dem Kreuzberger Internetcafé, heimlich vom Schulcomputer. Ich schrieb Dir des Nachts, früh morgens wie Thomas Mann, ich schrieb Dir weinend, oh, wie

oft schrieb ich Dir weinend; mit hicksendem Stimmchen las ich mir leise das Geschriebene vor wie eine Irre. Dir war es egal. Du bist Meine Sprache von Günter Kunert, Du bist 954 Seiten Word-Dokument, Du bist die betrunkene Stimme an Silvester 2006 im alten Sony Ericsson, Du bist die wunderschöne Handschrift auf Postkarten aus Barcelona, New York und Paris, Du bist Katie aus How to be good. Du sagtest einst: „Es gibt halt Dinge im Leben, die passieren nicht und wenn sie passieren würden, wären sie wahrscheinlich gar nicht so wunderbar wie der dazugehörige Traum.“ Du bist das Gegenbeispiel, Du bist der Rettungsanker im Strudel der Befindlichkeiten, meine virtuelle Lösung. Du bist das Tagebuch, das ich nie hatte. Heute wirst du 30 Jahre alt und wir haben uns ein bisschen aus den Augen verloren das letzte Jahr. Wir entflohen der Diktatur des Verkopfens, wie Du es immer nanntest und leben mehr. Und auch wenn das manchmal traurig ist, ist es richtig so. Denn egal, was das wird mit dem Internet und uns, Dich wird es immer geben für mich hier. Denn Du bist mein online, Du bist meine Playlist, Du bist das Geräusch, das meine Finger machen, wenn sie über die Tastatur haschen. Du bist mein Zuhause in einer vernetzten Welt.


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38 Du öffnest das Marmeladenglas, du isst morgens nie süß, aber anders muss man es mal machen und du hast es schließlich versprochen. Dann denkst du an mich, an mein Lieblingsnachthemd, welches ich in den Nächten trage, in denen ich gemütlich bin, zu früh einschlafe. Wenn du dann die Augen schließt und lächelst, betrete ich die Küche, schaue auf die frischen Sem­meln, dann direkt in dein Gesicht, suche den Tisch ab.Ich suche nach den Resten der letzten Nacht, nach den dreckigen Rotweingläsern, nach Kerzenwachs und vollen Aschenbechern. Du leckst den Löffel mit der restlichen Marillenmarmelade ab, wartest auf Worte. Ich gebe dir keine. Ich kann dir keine geben, sie sind verschwunden, mein Kopf nur voll mit Bildern, mit Bildern von letzter Nacht, von den vollen Gläsern, meiner Balkontür, die beim Öffnen so laut knarrt, immer wenn jemand rauchen geht. Es ist dir nicht egal, das merke ich, du schiebst einen Stuhl zurück, damit ich mich setzten kann, ich bezweifle, dass ich das will, setzte mich dennoch. Es geht dir nicht gut, dass sehe ich an den Ringen unter deinen Augen, deinen Blick, der in die Leere geht, sich um mich bemüht. Während ich aufstehe, mir Müsli mache, fängst du an zu reden. Du hast das nicht gewollt, es ist passiert, ja, aber Dinge passieren eben, so ist das, verzeih mir. Ich lecke den Löffel ab, mit dem ich eben Joghurt aus dem viel zu großen Glas holte, drehe mich zu dir um, ich mustere dich, du bist wunderschön. Deine Haare, von der Nacht verspielt, deine grünen Augen, so hoffend. Ich bin die Letzte, die etwas gegen Gefühle hat, denke ich, mit der Müslischüssel in der Hand setzte ich mich auf den Balkon, du lässt mich. Einen Sommer lang teilten wir ein Geheimnis, trafen uns an Ampeln, ich begrüßte dich an Straßenbahnen. An heißen Tagen mit zu viel Wärme verbrachten wir unsere Minuten im Bett, du küsstest oft genug meine Stirn,

zu oft, für die Tatsache, dass du auch mit anderen Mädchen schläfst. Deine Worte­, für mich nur die ehrlichsten von allen, dein Blick, der mir zusieht, wie ich mit anderen rede, dein Blick, der Bände spricht, wenn du Menschen von mir erzählst. Die Möglichkeit Gefühle zu teilen, ist ein Privileg, dass jedem gegeben ist und keiner richtig nutzt. Dein Recht dazu würde ich dir niemals absprechen, beharre ich doch selber darauf. Selbst wenn es mit ihr ist. Ich spüre immer noch die Küsse auf meiner Stirn, immer noch deine Hand, die meine Wange streichelt, die vielen Umarmungen, die du einforderst, immer dann, wenn du nicht glauben kannst, dass das alles geschieht. Mit dir und mir. Deine Stimme, die sich so verletzlich anhört, sobald du mir sagst, wie schön ich für dich bin, das Vanilleeis, welches du mitbrachtest für warme Tage, die Fotos die du von mir gemacht hast, dein Buch, das ich nicht mochte. Wenn ich wieder rein gehe, werden deine Sachen gepackt sein, in deiner viel zu teuren Tasche, dein Gesicht gewaschen, die Zähne geputzt. Du wirst nur die Hand heben, wie am Ende unserer ersten Nacht, in der ich mich auf selbe Weise von dir verabschiedete, um dann durch die frühen Stunden des Tages nach Hause zu laufen. Ich stehe mitten im Raum, in meinem Lieblingsnachthemd, welches nach dir duftet. Ich liebte immer deinen Geruch. Du schließt die Tür hinter dir, ich atme tief durch und nehme das Foto von uns vom Kühlschrank. Ich weiß, wir werden uns wiedersehen. In der Hoffnung, dass Zeiten sich ändern.


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in der hoffnung, ­dass zeiten sich ändern die möglichkeit, gefühle zu teilen, ist ein privileg. dein recht dazu würde ich dir niemals absprechen. selbst wenn es mit ihr ist. Von Stella M. Pfeifer

ich spüre imm noch die küsse auf meiner st


in erinn schwelg ist wie se sterne an

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nerungen gen eltsame nschauen 41


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WAR ES GESTERN ? eigentlich sind wir es müde, jung sein zu müssen und der körper strotzt nur so vor jugendlichem leichtsinn, das leben liegt noch vor uns.

wo wir an einer mauer lehnten und der boden ein lebendes organ zu sein schien Von Laetizia Praiss


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I

st das Leben nicht bloß eine Aneinanderkettung von Zufällen, die nur darauf bedacht sind, dich beim nächsten Mal eiskalt zu erwischen? Dich zum Stolpern zu bringen mit einem Gin Tonic in der Hand, mit dem Kinn voran in die Scherben zu stürzen, um Farbe in deinen Alltag zu bringen in jeder möglichen Variation? Gerne höre ich mich halbtrunken raunen:„Du hör mal, ich hab die Müdigkeit um die Ecke gebracht und ich vermisse sie schon jetzt und gerne sehe ich mich befreit von gänzlich jeden Zwängen irgendwo herumstehen, eben nichts zu tun, denn das ist ein Ding der Unmöglichkeit.“Die Gedanken gleichen einem Roulette, schwarz, rot, schwarz, rot, schwarz, die Unfähigkeit eine Auszeit zu nehmen, das Geld in der Tasche zu lassen, das Gewissen blank poliert und das Lächeln von jeder Schuldfrage befreit, jemand könnte so etwas sagen wie „willst du mit mir gehen?“ Und ich könnte so etwas erwidern wie „Ja möglicherweise, nur meine Fersen habe ich heiß gelaufen und puste ein wenig und frag nicht mehr danach, ich bitt dich drum.“ Die Stille würde unverkennbar von einer Endlosigkeit durchtränkt sein, die auch mir den Atem raubt und wäre es nicht schön einen Moment ganz schweigsam sein, Dasein zu fristen und die Einsamkeit hockt auf unseren Schultern wie eine Eule. Sie schläft nie ein. „Wann hat das bittere Gefühl begonnen?“, möchte ich fragen und kratze mich an den Ellbogen, obwohl gerade diese Stellen selten zu jucken beginnen und vielleicht begann es in dieser Bar, in der alles so spottbillig ist, dass man sich kaum traut zu bestellen, aus Angst diese Illusion einer preiswerten Flucht zu zerstören. Doch man kann nicht anders, die Zitronen bröckeln auf der Zunge und lösen den Geschmack des zu warmen Alkohols nicht auf, ihr Saft reicht gerade mal bis zum zweiten Backenzahn und da beginnt man zu verstehen und ergibt sich dem Lauf des angefangenen Abends. Vielleicht begann es auch in der einen Nacht, in mir wuchs der Drang die Gedanken in meinem Kopf in eine Form zu pressen, damit sie mich in Ruhe lassen, einmal nur die falti-

ge Haut von mir stülpen und durch die Straßen zu tingeln ohne nennbares Ziel und ohne nennbares Ende. Also presste ich und jede Silbe hinterließ einen Schatten, meine Lippen sind von einer Farblosigkeit ergriffen, die jedes gesprochene Wort monoton klingen lassen und vergänglich. Vielleicht begann es auch später zwischen dieser Nacht und dieser Bar kurz vor der Kollision von Herz und Intensität, des Zusammenstoßes von ich möchte und ich kann nicht, wo ich durch die Straßen tingelte und die Einsamkeit wie ein Uhu klang und mich das nicht verwunderte und ich zu müde war, ihn zu verscheuchen und dennoch keinen Schlaf fand und der Drang zu stark brannte, sich zu jeder Zeit verdeutlichen zu können.Vielleicht existiert auch kein eindeutiges Datum einer Phase, die sich, wie die Flut in der Bretagne so weit ausbreiten kann, dass die Steinmonumente verschluckt werden. Monologe vor verschlossener Türe und Deja vues hinter schwarz getuschten Wimpern. Komm, pack mich am Kragen, schüttele mich so lange bis mir die Prothese im Mund zu unhandlich wird und ich zu spucken beginne auf deine Segelschuhe, die immer einen Tick zu weiß sind für meinen Geschmack. Du da, der du nicht in meiner Reichweite tanzt, du da, den ich nur betrachten würde aus sicherer Distanz und wenn du dir eine Zigarette anzündest mag ich dich so gerne. Wir reihen uns in die Schlangen ein und warten darauf unsere Mäntel in den Garderoben zu lassen und unsere aktuellen Erinnerungen stecken wir Wildfremden zu und vor den Theken hängen wir unsere aufgeregten Arme den Zapfhähnen entgegen. Wir nippen an unserem zu wässrigen Bier, als wäre es gesegnetes Gesöff, wir gehen mit wachsamen Augen aneinander vorüber und jeder Schritt hat eine Richtung und doch bewegen wir uns immer nur in einem abgegrenzten Gebiet, nur zugeben würde das keiner. Eigentlich sind wir es müde jung sein zu müssen und der Körper strotzt nur so vor jugendlichem Leichtsinn, das Leben liegt noch vor uns und das nächste Bier kriegen wir umsonst, es

schmeckt noch wässriger als das davor, aber wir wissen ja, diese Jahre lebt man nur einmal und wir tun unser Bestes, bevor wir über dem Rinnstein hängen und die weggesteckten Erinnerungen uns sprichwörtlich zum Halse raushängen. Ja, wir stumpfen ab mit den regelmäßigen Clubgängern im Kanon und wir grölen die Lieder lauthals mit, bis die Kehle einem Minenfeld gleicht, aufgeraut und zerbombt und das Glas in unserer Hand zu schwer wird und wir erschöpft auf die Straße torkeln und uns erinnern, Bitterkeit hängt uns am Gaumen, wie ein farbloser Schleim. War es gestern, wo wir gegen die Tischkanten stießen mit den Hüften voran, weil die Gegenstände im Weg standen und nicht unsere Körper zu waghalsig ein Ziel anpeilten und verfehlten, wo das pochende Gefühl unter der tauben Hautschicht einen bevorstehenden blauen Fleck signalisierte und ein glühender Funke aus Asche sich durch den Handrücken ätzte? War es gestern, wo wir an einer Mauer lehnten und der Boden ein lebendes Organ zu sein schien und wir den nächst besten umarmten für ein bisschen Wärme, für einen kleinen Kuss, für einen langen Kuss, für ein paar gut gemeinte Sätze, die nicht hängen bleiben wollten, so sehr wir auch versuchten sie zu halten? War diese Nacht bloß gestern so intensiv, dass es kurze aufblitzende Minuten gab, in denen der Uhu laute Geräusche machte, die uns in helle Panik versetzten und den letzten Rest Kontrolle mutwillig als Schnäppchen verscherbelten und der morgen viel zu schnell in den roten Augen brannte und die Müdigkeit sich viel zu schnell in den Knochen verteilt hatte, so dass an Schlaf nicht mehr zu denken war und auch nicht mehr ans Wachbleiben. War es gestern, diese Bitterkeit in unseren durchgeschwitzten Klamotten, die uns nicht schlafen ließ und auch heute nicht und als würde diese Nacht nicht enden wollen, spüre ich sie noch jetzt sehr deutlich.


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DAMALS Von Marco Schalk


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nichts als gespenster Was nun? Wie soll ich jetzt weitermachen? Was ist richtig und was ist falsch. Phase 3 zieht dir den Boden unter den FĂźĂ&#x;en weg. Es herrscht Chaos und Verwirrung. Du bist verunsichert und ratlos. Zu viele un­ terschiedliche Stimmen schwirren in deinem Kopf herum. Du hast keine Orientierung mehr. Lauter Fragezeichen, wilde Phantasien und gewagte Hypothesen schreien dich an, aber entscheiden kannst du nichts. Du bist frustriert.


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wohin

Ich hab nichts zu sagen ich wüsste nicht was.

Mich plagen stattdessen nur wortlose Fragen. In Fülle nur Hülle haltloses Nichts.

Gesichter erkenn ich

doch kenn ich sie nicht. Humanmedizin

verklebt mir das Hirn. Ich denke und denke

und fühl nicht wohin.

Humanmedizin

mir das Hirn. verklebt das Hirn. fühl Ich denkemir und denkeund Ich wohin. denke und denkeund fühl nicht verklebt mir das Hirn. nicht verklebt Ich wohin. denke und denkeund fühl nicht wohin.

Von Florian Lott


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können! ­wollen? ­scheitern Mir geht es schlecht. Keiner merkt es, man kann

Die Welt steht mir offen, ich könnte mich in so

ne Eignungstests. Keine Motivationsschreiben.

So gut, dass es mir von Tag zu Tag mehr Kummer

ich weiß nicht, was aus mir werden soll.

nen, endlose Wartelisten für Seminarplätze und

ben ein Traum zu sein. Das Studium läuft super,

verlaufen, alle Entscheidungen waren richtig,

Hoffnung, ohne allzu viele Überschneidungen

den, mich super eingelebt und sogar die Finan-

Feiern und all die Dinge, die das Leben wirklich

es nicht merken, denn eigentlich geht es mir gut. bereitet. Von außen betrachtet, scheint mein Le-

die Noten sind gut, ich habe eine tolle WG gefunzierung dieses gerade begonnenen

Lebensabschnitts, von dem man so oft sagt, es sei die schönste Zeit im Leben, ist, BAFöG sei

Dank, gesichert. Ein Bilderbuchbeispiel eines

Studentenlebens. Ein Traum, mit dem ich nicht glücklich bin.

Ich entwerfe mich selbst, versuche, mir das

optimale Leben zu konstruieren, sehe mich im

Studium ebenso wie in meinen Freizeitaktivitäten wachsen. Ich häufe enorme Mengen von

Wissen an, werde besser, schneller, effizienter,

vielen Dingen behaupten, vieles erreichen. Doch Mein Leben ist immer perfekt nach Fahrplan

die Ergebnisse sehenswert. Dabei blieben Spaß, lebenswert machen, nie auf der Strecke. Im Ge-

genteil: Verlauf und Ergebnisse meiner Schulzeit bilden einen äußerst unterhaltsamen Kontrast.

Früher wurden Anforderungen an mich gestellt. Heute stelle ich selbst Anforderungen an mich und muss merken, dass nichts so ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich hatte nie die Chance,

aus Fehlern zu lernen. Diese Tatsache besitzt auf eine seltsame Art und Weise ihre ganz eigene Tragik. Sie macht mir das Leben schwer.

Nach dem Zivildienst habe ich mich für alle

Kein NC. Dafür aber mehr als genug Kommilito-

noch endlosere Stundenplanbasteleien in der

und Ausfälle durch das anstehende Semester zu kommen. Ich hätte problemlos besseres bekom-

men können. Wollte ich es nicht besser? Wäre etwas anderes überhaupt besser? Zu viele

Konjunktive. Zu viele Fragezeichen. Ich nehme sie alle jeden Morgen mit in die Uni. Sie bedrücken mich. Sie demotivieren mich. Sie werfen

Zweifel auf. Sie stellen meine Zukunft in Frage. Ich stelle meine Zukunft in Frage!

Ich bin unglücklich. Unglücklich auf sehr ho-

hem Niveau. Die Ergebnisse der ersten Prüfungen sind ausgezeichnet. Doch der Spaß ist

verflogen. Ist er das wirklich? Oder habe ich ihn

kreativer, und ein Ende scheint nicht in Sicht.

möglichen Studiengänge beworben, die in ir-

mich nicht, als durchlebte ich gerade die schöns-

könnten. Immer auch mit dem Hintergedanken,

junktiven? Wäre er wieder da, wenn ich mich

für etwas nicht geeignet zu sein, etwas aus-

Wenn ich all die Sorgen hinter mir lassen würde,

Aber eines werde ich nicht: glücklich. Ich fühle te Zeit meines Lebens. Ich fühle mich das erste Mal im Leben wirklich deprimiert. Ich habe

Angst. Angst, auf dem falschen Weg zu sein. Angst zu scheitern.

Ich bin multitalentiert, in vielerlei Hinsicht

begabt. Ich kann mich ohne Probleme den unterschiedlichsten Herausforderungen stellen, wer-

de zahlreichen Ansprüchen gerecht, manchmal sogar meinen eigenen. Eine Gabe, um die mich viele beneiden. Ein Schicksal, das ich keinem

Menschen auf dieser Welt wünschen möchte.

gendeiner Art und Weise mein Interesse wecken endlich eine Schwachstelle finden zu können, schließen zu können. Ich habe Motivations-

nur begraben unter all den Selbstzweifeln, der Unzufriedenheit, den Fragezeichen und Kon-

einfach nur auf mein Leben einlassen würde?

für die es rein faktisch betrachtet sowieso kei-

schreiben verfasst, Eignungstests absolviert,

nen Anlass gibt? Oder ist es ein eindeutiges Zei-

Studienplätze angeboten bekommen, für die

Brücken hinter mir abgebrochen werden und es

Vorstellungsgespräche geführt und schließlich sich viele eine Zulassung gewünscht hätten. Selbst die ZVS war kein Hindernis.

Ich habe sie alle links liegen gelassen und

mich für ein Lehramtsstudium eingeschrieben.

Zulassungsfrei. Unspektakulär. Überlaufen. Kei-

chen, diesen Weg zu verlassen, bevor die kein Zurück mehr gibt? Wieder nur Fragezeichen.

Ist es wirklich besser, noch einmal neu zu

starten? Den sicheren Hafen zu verlassen und

das erträumte Architekturstudium zu wagen,


!

53 gerade in Zeiten, in denen ich immer öfter beobachte, wie

Freunde, gescheitert in ihrem Studium, desillusioniert vom vermeintlichen Traumfach, schockiert vom aussichtslosen

Arbeitsmarkt, in diesen sicheren Hafen einlaufen und doch Lehrer werden, weil es ja „nichts Schlechtes ist“. Ist es der

Traum vom Architekturstudium überhaupt wert, geträumt zu werden? Oder ist er nur eine Seifenblase, die aus dem Ge-

danken, es gebe etwas besseres als das Jetzt, etwas, was mich mehr erfüllt, mich glücklicher macht, entstanden ist und die zerplatzen wird, sobald ich versuche, nach ihr zu greifen? Ist

die momentane Unzufriedenheit mit dem Weg, den ich gehe, ebenfalls nur aus diesem Gedanken erwachsen? Ich weiß es

nicht. Und ich werde es nicht wissen können, bevor ich mich

nicht entschieden habe. Ich muss an Schrödingers Katze denken. Ich könnte mir eine Zukunft als Lehrer gut vorstellen.

Dieser Gedanke wird aber immer begleitet von der Angst, etwas Besseres verpassen zu können. Etwas, das sich die meisten viel mehr ersehnen als das Leben eines Lehrers. Etwas,

das für mich keine Sehnsucht sein muss, sondern realisierbar

Treffe ichich diese Entscheidung für mich Treffe diese Ent-

wäre, wenn ich mich nur dazu entscheiden könnte, es wahr zu machen.

Noch ist nicht alles vorbei. In diesem Sommer kann ich

mich noch einmal bewerben. Noch einmal neu starten. Ei-

nen anderen Weg wählen. Es wird der Sommer der Entscheidung werden. Ich lege mich auf ein Studium fest. Auf einen Beruf. Auf einen Lebensentwurf. Auf meinen Lebensent-

wurf! Ich habe Angst vor dem Moment der Entscheidung.

Angst, mir später vorwerfen zu müssen, es hätte eine bessere Alternative gegeben. Angst, nie wirklich im Leben anzukommen. Angst, an mir selbst und meinen Anforderungen zu

scheitern. Nichts ist bedrückender als die Freiheit, zwischen allen Möglichkeiten wählen zu dürfen. Alles ist erreichbar, aber nur ein Traum darf gelebt werden. Umtausch ausgeschlossen.

nichts ist bedrückender als die freiheit, zwischen allen möglichkeiten wählen zu dürfen.


54

weglauf tendenz

ich bin 25, stehe seit einem jahr im berufsleben und bewohne ein günstiges zweizimmergehäuse in einer mittelgrossen stadt. alleine.

Von Clara Motta

Ich besitze sogar einen Balkon.

Stadt. Mittags in irgendeiner WG Küche sitzen und Espresso aus Ikea Espres-

klebt, wo täglich Tausende von lauten und leisen Autos vorbeistottern. Mal

tungsvoll der Zukunft ins Auge blicken. Umgeben von dem Duft süßer

Vielleicht könnte ich bemängeln, dass dieser an der Seite des Hauses

in langsamen, mal im halsbrecherischen Tempo, vielleicht mit aufgedrehter Musikanlage.

sokannen testen, rauchen und schwelgen. In nur diesem Gefühl. ErwarKaffeebohnen. Klausuren hinter mich lassen. Lautstark über eben diese reden. Den Abend auf mich zukommen lassen.

sen. Und wenn ich auf eben diesem sitze, kann ich hinter allem Lärm, der

Zu wissen, es sind alle da. Jene die Klausuren mitschrieben und jene, die gerade angefangen haben, irgendwas zu studieren. Jene, die noch immer nicht wissen, wohin des Weges. Und zweifelnd an ihrer Bierflasche nippen, Tüten bauen mit einer Normalität, die fast banal ist.

de, die bereits in seiner Stimmlage sich selbst gerecht wurde.

Abend aufs Neue. Neben mir mein Bier und eine Portion Sehnsucht, lieblich

die mittelgroße Stadt hinunter. Weder Sichel noch Kreis. Ein Püree aus bei-

ken in der Zukunft. Wieder einmal die Frage, was ich noch alles machen will,

Das höre ich schon nicht mehr, wenn ich auf meinem Balkon sitze, den

Tauben wie Bierflaschen zu größten Teilen für sich eingenommen haben.

Ein kleiner Platz besteht für mich. Ein Sessel. Opas alter Ohrensessel, in den er seinen groben Körper 30 Jahre lang nach seiner Arbeit hat einsinken lasvon der Straße zu mir hoch dringt, seine Stimme hören. Eine laute polternEndlich Arbeit und Geld verdienen, ruft er. Der Mond lächelt müde auf

dem. Unfotogen.

Und nach all den Jahren, die ich unterwegs war, in anderen mittelgro-

ßen Städten, in fernen Bundesländern, glaube ich an jenen Abenden, die

ich hier verbringe, auf diesem Balkon, ein Stück Heimat in meinem rechten Knie zu verspüren. Es hält nur kurz an. Vielleicht aber ist es wichtig, dass es da ist.

Tauben gurren in die Nacht hinein. Ein glänzendes überdimensionales

So sitze ich hier auf meinem Balkon, der an der Straßenseite klebt. Jeden

und herb zugleich auf einem bunten Plastikteller angerichtet. Meine Gedanwerden will und schaffen will. Die Zeit rast und ich schaffe es kaum, sie zu

verfolgen. Denke an meinen Beruf. An Gehälter. Manchmal an Aufstiegs-

möglichkeiten und weiß dabei, dass ich eigentlich kein Mensch bin, der an ebendiesen Dingen Gedanken verschwenden will. Weglauftendenz nennt

Nina diese gedankliche Misere. Dieses Loch in meinem Kopf, das immer mehr Fülle verlangt.

Ich kann es nicht, ruft es manchmal. Such dir was Neues, spricht es zu mir.

Rabentier aus Plastik in wetterfester Optik ist bei Ebay ersteigert worden.

Wie kreativ warst du einmal, lästert es. Wohin sind deine Träume, deine

Furcht vor ebendiesen Feinden verankert.

oder mehr lethargisch das World Wide Web ab. Nach anderen Berufen, alten

Tauben haben ein sogenanntes „Rabengen“. Fest in ihrem Erbgut ist die

Heute sitze ich wieder da, in Opas altem Ohrensessel. Bin 25 und alles

andere bleibt ebenso bestehen. Das Zweizimmergehäuse wie die Geräu-

sche des Innenstadtringes. Es macht mir Angst, dieses alltäglich einkeh-

D D

rende Normale. Das Bier am Abend allein. Die Spülberge in meiner Küche. Das morgendliche Aufstehen und zur Arbeit zu gehen.

as Paradoxon einer verschwenderischen Jugend mit alltäglich

neu hinzukommenden Verpflichtungen. Ein Spaghettinest aus

beruflichem Perfektionismus, geträumten jugendlichem Aktio­ nismus und Erwartungen des kommenden Lebens.

Es verwirrt mich. Und wie so oft verliere ich wieder den Faden, den roten.

Vorstellungen und Ideale raunt es. Und ich höre es, suche für zwei Stunden Idealen und bekannten Träumen. Um für einen Moment diese freie Auswahl zu genießen.

Fotografie zu studieren. Oder zumindest sowas mit Design. Ich kenne sie

alle, diese Seiten. FHs und Ratgeber reihen sich in meine Lesezeichen ein.

Finanzierungsmöglichkeiten. Oder doch was Soziales, etwas, dass auf meinen Beruf aufbaut. Alles was möglich und annähernd vorstellbar ist, wird

geaddet. In Tabs, auf Merkzetteln und in meinem Kopf. Und wenn ich morgens aufwache und zur Arbeit laufe, ist es da. Dieses euphorische Gefühl,

der kurze Augenblick einer getroffenen Entscheidung, die mich über manchen Tag rettet. Gemischt mit Lethargie und Einsicht. So wie es gerade ist, läuft es.

Ich habe ein nettes Zweizimmergehäuse inmitten einer Stadt Sie ist

Will die Gassen der Nacht stürmen und Sterne anlallen. Der Unbeschwert-

nicht größer als Köln und auch nicht kleiner als Gelsenkirchen. Mein Bal-

hineinleben. Vielleicht Karten spielen in einem Park dieser mittelgroßen

den Urlaub fahren. Ich verspüre ein existentes Gefühl von Heimat.

heit noch einmal so nahe sein, wie ich es nach der Schule war. In den Tag

kon klebt an der Straßenseite. Ich kann es bezahlen und einfach mal so in


55

H

in und wieder sehe ich die Übriggebliebenen aus den alten Zeiten. Und ein jeder kämpft mit sich, mal mehr und auch mal weniger. Auch sie haben noch ihre Träume. Ihre Weglauftendenzen. Manchmal erscheinen sie mir gefestigter. Manchmal fühle ich mich allein mit den Gedanken an ein berufliches Weglaufen. Manchmal frage ich mich aber auch, wie hoch die Weglauftendenzen sind, wenn ich einen meiner Träume erfülle. Ist sie zu groß, die Idealvorstellung? Ich sitze auf meinem Balkon, der Mond nimmt ab und er

nimmt zu, selten erhasche ich den Augenblick einer perfekten Sichel. Den Augenblick der Klarheit. Gähnend blickt er zu mir hinunter, seine Form ist weder vollendet noch am Anfang. Ein Püree aus beidem.

Und wenn ich ihn ansehe, stelle ich fest, wie unfotogen die-

ser Moment gerade erscheint.


56

ganz ­entschlossen entschlossen warum behaupten eigentlich alle in letzter zeit, unsere generation sei entscheidungsunfähig? eine verteidigung der wahlfreiheit.

Von Christoph Koch


W W

57 as haben wir uns nicht schon alles an­ hören müssen. Dass wir zu wenig Kin­ der kriegen. Dass wir

Wohlstandskinder sind. Doch die neu­

este Anschuldigung ist ein Stachel, der tiefer steckt. Sie

greift unser Weltbild an: Immer häufiger wird unsere Ge­ neration mit dem Vorwurf konfrontiert, sich nicht ent­ scheiden zu können. Sich nicht festlegen zu wollen.

Wankelmütig und unentschlossen zu sein. Die Shell-Ju­ gendstudie aus dem Jahr 2006 zeigt sich besorgt, dass

sich die Generation der 14 – bis 25-Jährigen durch man­

gelnde Entscheidungsfreude »großer Chancen« beraubt.

Das kurzfristig auferstandene Zeitgeistblatt »Tempo« gei­ ßelt uns als Jeinsager, denen alles so irgendwie halb egal

ist. Und eine große deutsche Zeitung ruft die »Generation

n unn

Option« aus. Doch was, wenn ein Wesenszug dieser Gene­ ration – das Aufschieben von Entscheidungen – gar keine Unfähigkeit darstellt? Was, wenn die Bereitschaft, bereit zu bleiben für Neues, eine Tugend ist, aus der Not, der Wirklichkeit, geboren?

Es soll hier nicht um Leute gehen, die stundenlang auf Karten starren und sich nicht entscheiden können, ob

sie lieber ein Bier trinken mögen oder einen Gin Tonic. Diese Menschen sind vor allem eins: anstrengend. Es

geht hier auch nicht um Leute, die wahllos von Studienfach zu Studienfach hüpfen und nicht den Schimmer einer Ahnung haben, was sie mit ihrem Leben

anfangen sollen. Diese Menschen sind bedauernswert.

man heute öfter denn je. Sie an die beiden beschriebenen Doppeljobber zu richten, bedeutet im Grunde, dass der Autor einen Job annehmen müsste, bei dem er für Sat1 schlechte Comedyserien mit halbgaren Pointen ver-

sieht. Dass die Designerin die Nähmaschine in den Schrank räumen sollte und Vollzeit im Callcenter anheuert. Beides kann zu einem geregelteren Leben führen – aber mit ziemlicher Sicherheit auch zu Unzufriedenheit, Selbsthass und einem Leben in stiller Verzweiflung.

Darüber, wie viele Menschen in zweigleisigen Arbeitsverhältnissen le-

ben und ihre Zeit zwischen reinem Broterwerb und leidenschaftlicher Tätigkeit aufteilen, gibt es keine genauen Zahlen. Ein guter Indikator dafür, dass es ständig mehr werden, ist die Künstlersozialkasse (KSK). Hier kön-

nen sich freiberufliche Künstler günstig sozialversichern – 2006 machten

über 154 000 Deutsche von diesem Angebot Ge – brauch, mehr als dreimal so viele wie fünfzehn Jahre zuvor. Dass dieser Zuwachs nicht durch

schwer reiche Bildhauer und überbezahlte Bestsellerautoren zustande

F

kam, sondern eher durch »Durchwurstler«, zeigt das Durchschnittseinkommen der Versicherten: weniger als 1000 Euro pro Monat.

F

rüher war wie immer alles einfacher – alle waren sich einig, was es

zu erreichen galt (Festanstellung, Kinder, Eigenheim) und wie man

es erreichte (gute Noten, Verlobung, Bausparvertrag). Das war klar –

aber nicht unbedingt gut. Nach den Zeiten, in denen ein Sohn den

Beruf seines Vaters übernehmen musste und Frauen sowieso nicht gefragt

wurden, was sie mit ihrem Leben jenseits eines Mutterdaseins anfangen woll­

ten, sehnt sich jedenfalls niemand zurück. Ebenso wenig nach der Zeit, in der man sich als junger Mensch entscheiden musste, ob man Popper sein wollte

oder nicht. Doch genau an diese überholten Abgrenzungen aus den 80ern er­

innert der Befehl an unsere Generation, jetzt doch bitte mal das Herumspielen sein zu lassen und sich mit Haut und Haaren der einen Karriere zu verschrei­

ben, die man gerade ergattern kann. Der Essayist Paul Graham plädiert indes

Nein, hier soll die Rede sein von denen, die durchaus

für das exakte Gegenteil: In seinem Aufsatz »How To Do What You Love« wirbt

Weg kurvenreich sein kann. Und die ahnen, dass die

liebt. Und gibt offen zu, dass man unter Umständen 30 oder 40 Jahre alt wer­

wissen, wohin sie wollen – aber eben auch, dass der

er dafür, sich nicht mit weniger zufriedenzugeben als mit dem Job, den man

Welt sich so schnell ändert, dass wir in zehn oder viel-

den muss, um dieses Ziel zu erreichen. »Entscheidet euch nicht zu früh«, rät er.

ben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen

ckend, so, als ob sie eine Matheaufgabe vor allen anderen Kindern gelöst hät­

leicht in fünf Jahren schon wieder andere Wünsche hakönnen. Nicht aus Wankelmütigkeit. Sondern weil sich die gesellschaftlichen Parameter verändert haben.

Dem Drehbuchautor, der von seinem Wunschberuf

noch nicht leben kann und der deshalb dreimal die Woche kellnern geht, wird gerne vorgeworfen, er sei halbherzig. Er solle Flagge zeigen, Schluss machen mit den Kompromissen. Der jungen Designerin, die mit ihren Verkäufen im Moment gerade ihre Kosten deckt und

die deshalb halbtags in einem Callcenter arbeitet, halten andere gerne fehlenden Idealismus, einen Mangel

an Mut, ein Minus an Entschlusskraft vor. Dabei haben beide eine klare Entscheidung getroffen: zu versuchen, das zu tun, was sie wirklich, wirklich wollen – auch zu dem Preis, zumindest zeitweise einer ungeliebten Tätigkeit nachzugehen.

»Kannst du dich nicht endlich mal verbindlich ent-

scheiden?«, fragte die Hamburger Band Die Sterne vor

zehn Jahren in einem Song – und diese Forderung hört

»Kinder, die schon früh wissen, was sie später tun wollen, wirken beeindru­

ten. Sicher, sie haben eine Antwort, doch die Chance, dass sie falsch liegen, ist

hoch.« Graham plädiert dafür, beim Design des Lebens auf dieselben Dinge zu

vertrauen wie alle Designer: auf flexible Werkstoffe.

Es geht ja nicht nur um die Berufswahl, sondern um die gute alte Frage:

»Wie will ich leben?« Die Extreme haben dabei die Generationen vor uns

bereits ausgelotet, sei es in Form der durchpolitisierten 60er Jahre oder in der hedonistischen Variante der 80er. Aus beidem haben wir gelernt. Wir haben verstanden, dass auf ein paar zusammengeschobenen Holzpaletten ebenso unerträgliche Idioten schlafen können wie auf feinstem Damast. Aber auf beidem eben auch kluge und liebenswerte Geschöpfe.

Wir haben gelernt, die Extreme zu meiden – oder spielerisch mit ihnen

umzugehen. Das mag den Befürwortern radikaler Entscheidungen wie fragwürdiges Wischiwaschi vorkommen. Aber ist es nicht weit

weniger fragwürdig zu versuchen, menschenwürdig über die Runden zu kommen, als eine stringente, konsequent geplante und durchgezogene Karriere als Filialleiter zu verfolgen? Der Gedanke, sich so früh wie möglich auf


58 einen Lebensentwurf festzulegen, ist nicht nur absurd, er ist auch gefährlich. Sicher können wir schon während unserer Schulzeit Neigungen und

Begabungen feststellen. Doch selbst nach einer Handvoll Praktika wissen wir im Grunde wenig darüber, wie es wirklich ist, in diesem oder jenem

Beruf ein Leben lang zu arbeiten. Warum sollten wir also gezwungen werden, uns verbindlich auf einen festzulegen? Die Studie »Globalife«, die

fünf Jahre lang Lebenslaufentscheidungen in einer globalisierten Welt

untersucht hat, verteidigt diejenigen, die sich dafür entscheiden, sich Optionen offenzuhalten – im beruflichen wie im privaten Bereich. Die Weigerung, sich fest zu binden, entspringe nicht, wie so oft behauptet, einer

unsozialen Selbstsucht, so der Studienleiter Hans-Peter Blossfeld, sondern stelle einen vernünftigen Selbstschutz dar. Angesichts des dramatischen

Wandels, den die Globalisierung mit sich bringt, ist der Wunsch nach Flexibilität verständlich. Auch Holm Friebe, der zusammen mit Sascha Lobo

das Buch »Wir nennen es Arbeit« geschrieben hat, bricht eine Lanze für die Entscheidung, sich erst mal noch nicht zu entscheiden. »Zweigleisig zu fahren mit einer Tätigkeit, die einem Spaß macht, aber noch kein Geld

bringt und einem Graubrotjob, der die Miete zahlt, kann ein sinnvolles

Modell sein«, erklärt der Autor. »Ich halte es nur für wichtig, dass man sich einen Graubrotjob sucht, der nicht zu viel Spaß macht. Sonst besteht die

Gefahr, dass man sich irgendwann damit zufriedengibt und das eigentliche Ziel aus den Augen verliert.«

Natürlich wäre es schön, wenn alle Menschen das tun könnten, was sie wollen. Wenn das Geld vom Himmel fiele. Wenn niemand Jobs annehmen müsste, um die Miete zu bezahlen. Doch als wir das letzte Mal nachgesehen haben,

war dieser Zustand nicht in Sicht. Und so lange dies nicht so ist, sind wir

gut beraten, wenn wir denen, die uns ihre eigene Unfreiheit aufzwingen

wollen, ein Schnippchen schlagen. Und dafür die Freiheiten, die uns gegeben sind, so intensiv wie möglich umarmen. Mit Unentschlossenheit und schwacher Willenskraft hat das nichts zu tun. Sondern nur mit der Er-

kenntnis, dass ein Weg nicht automatisch der richtige ist, nur weil es ein

gerader ist. Wenn er uns an einen Ort führt, an dem wir nicht sein wollen, nehmen wir lieber die Serpentinenstraße.


59


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was die angst so treibt, wenn sie nicht mehr weiter weiss „Trinken wir auf die Zukunft“, sprach der Wunsch. „Nä...auf die trink ich

die Angst „Auf diese Idioten hört man doch auch nicht, Angst! Die küm-

nur auf Drängen vom Optimismus, doch sie kam nicht und entschuldigte

scheint, du hast grade zuviel mit der Naivität zu tun“, mischte sich da wie-

nicht“, sprach die Angst miesepetrig, „wollte mich gestern mit ihr treffen,

sich noch nicht einmal! War wahrscheinlich mit dem Schicksal wieder einen heben! Die Nuss.“

„Richtig so!“ lallte der Pessimismus, „auf die kann man sich doch nicht

verlassen! Die kapiert ja doch nicht, dass das Schicksal nur mit dem Rad

spielen will, was die damals von Fortuna bekommen hat. Pah, lässt sich

auf der Nase rumtanzen. Dabei macht das Schicksal, was es will, und die

Zukunft macht da auch noch mit...pfui!“ „Nanana?“, zwitscherte der Frohsinn, „Die Zukunft wird schon einen guten Grund gehabt haben. Ach

Angst, vergiss es doch einfach und trink mit uns ein Glas Euphorie! Ganz

mern sich nur um ihren Schweinehund und sonst um niemanden! Mir der volltrunken der Pessimismus zu Wort.

„Spinnst du? Die Naivität ruft mich zwar immer wieder an und will was

unternehmen – aber ich komm nicht wirklich mit ihr klar. Deswegen hat der Optimismus mir ja auch geraten, mit der Zukunft zu reden ... weil ...

weißt du ... ich hab mich n bisschen in das Leben verguckt ... aber ich weiß

einfach nicht wie ich es ansprechen soll ... und die Naivität nervt mich ein-

fach nur ... deswegen sollte mir die Zukunft ja ein paar Tipps geben, wie ich am besten das Leben ansprechen kann.“

„Hmm, darf ich mich mal einmischen? Hab grade etwas gelauscht“, gab

bestimmt geht‘s dir danach besser“

die Motivation zu und beugte sich vom Nachbartisch herüber. „Also ich

schenweise mit Euphorie abgeschossen. Dachte mir ja schon, dass die Zu-

ten... und eins muss ich dann doch sagen... Liebe Angst, die Zukunft kann

„Oh nein“, antwortete jammernd die Angst. „Hab mich erst gestern fla-

kunft nicht zu unserem Treffen kommt und wollte mich anderweitig

beschäftigen, als auf sie warten zu müssen. Ich war so aus der Sphäre, dass mich doch glatt die Realität wieder runter holen musste. Und die hat mir so in´s Gewissen geredet über den Missbrauch von Euphorie, dass ich

gleich die Furcht angerufen hab und die mich dann nach Hause bringen musste.“

„Ach, in Maßen kann das jeder genießen – du sollst es ja auch nicht gleich übertreiben“ jauchzte der Frohsinn und kippte die Euphorie runter. „Ich wollte ja auch nicht soviel davon nehmen, aber die Sucht und der

Wahnsinn haben mir immer wieder einen ausgegeben!“ verteidigte sich

kenn ja die Zukunft ganz gut, wir arbeiten öfter an gemeinsamen Projekdir auch nicht weiterhelfen, die ist sehr beschäftigt und schnelllebig. Das musst du selber rausfinden, wie du dem Leben begegnen könntest.

Versuch´s doch einfach mal und packe es am Kragen und beginnen morgen noch mal neu.“ „Was mischst du dich denn da ein?“ fragte der Pessi-

mismus. „Hast doch selber keine Ahnung von Nichts, willst dich überall

dazwischen drängen und verschwindest jedes Mal schnell, wenn´s wich-

tig wird! Und die Muse ist auch nicht besser! Unstetig seid ihr, nichts anderes!“

„Wollte ja nur helfen, ich geh ja schon wieder“, murmelte die Motivation und trottete Richtung Bar

„Bring doch alles nichts“, nuschelte der Pessimismus, „ich hol mir mal‘n


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kräftigen schwarzen vom Humor“ und schlurfte grummelnd Richtung Theke, an der grade der Humor von seinem Frühstück mit dem Clown berichtete.

„Toll, jetzt sitz ich wieder hier alleine rum und weiß immer noch nicht, wie ich das Leben ansprechen soll“, dachte sich die Angst und rutschte tiefer in ihren Sitz.

wenn emotionen einen trinken gehen. Antje Willig


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jeden jedentag tagdort dortzu zusein. jesein.selbst selbstdann dannsieht siehtdie diewelt weltaus auswie wiejejeden

en enmorgen. morgen. grau. grau. wie in inmeinem meinem herzen herzen alles alles grau grau ist. morgen. grau. wiewie in meinem herzen alles grau ist. ist.

ich ichblicke blickeda danicht nichtmehr mehrdurch durchwas wasdas dasalles allessoll. soll.wofür wofürlebt lebt

jedenwofür. tag irreerzählen ich wie einer nicht weisandewo er er erfast einzelne einzelne wofür. erzählen lasse lasseherum ich ichmir mirder vielles vielles wofür wofür andeandere

will und wo er sich mal jetzt am liebsten aufhalten enkommen leben leben aber aber denken denken die die wirklich wirklich mal mal ne ne minute minute drüber drüber nach nach eben aber denken die wirklich ne minute drüber nach wozu

will. selbst diese banalen dinge, woperson willperson ich hin, was macht wozu ozu das dasalles. alles. ich ich lebte lebtefür mal mal für für die die eine eine person die die mir mir alles allesseit as alles. ich lebte mal die eine die mir alles war.

und doch brauche ich zeit

mich für den augenblick glücklich bin ich nicht lage zu war. ar. seit seit vielen vielen monaten monaten und und einem einem jahr jahr dazwischen dazwischen ist ist es es ielen monaten und einem jahr dazwischen ist in es der immer noch

eantworten. seit sie weg ist und mein herz mitgenommen mmer mmer noch so, so, dass dass mein mein herz herz nicht nicht zurück zurück kommtnoch und undimimo, dassnoch mein herz nicht zurück kommt undkommt immer an ihr

at scheint alles um mich herum nur da zu sein. mitzuleben

ber nicht meinetwegen sondern wegen irgend jemanden

Und so wie es war, soll es nie wieder sein. Und so wie es ist, darf es nicht bleiben. Und wie es dann wird, kann vielleicht nur der bucklige Winter entscheiden


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seltsame Art und Weise ihre gan

Diese Tatsache besitzt auf eine zu Fehlern müssen,zu eslernen hätte dievorwerfen Chance, aus

scheidung. Angst, mir vorgestellt habe.mir Ich später hatte ni Angst vor dem Moment En ken, dass nichts so ist, wie der ich es

nen Lebensentwurf! Ich habe rungen an mich und muss mereinen Lebensentwurf. Auf mei Heute stelle ich selbst Anforde-

um fest. Auf einen Beruf. Auf Anforderungen an mich gestellt den. Ich lege mich auf ein Stud men Kontrast. Früher wurden

Sommer der Entscheidung wer den einen äußerst unterhaltsaren Weg wählen. Es wird der Ergebnisse meiner Schulzeit bil-

einmal neu starten. Verlauf Einen and Strecke. Im Gegenteil: un noch einmal bewerben. benswert machen, nie auf Noch der

diesem kann ich mich Dinge, dieSommer das Leben wirklich leNoch ist nicht alles blieben Spaß, Feiern undvorbei. all die In

könnte,sehenswert. es wahr zu machen. gebnisse Dabei mich nur dazu entscheiden scheidungen waren richtig, die E

dern realisierbar wäre, wenn nach Fahrplan verlaufen, alle Enic keine Sehnsucht sein muss, son Mein Leben ist immer perfekt

nesaus Lehrers. Etwas,soll. das für mic was mir werden mehr ersehnen als das erreichen. Doch ich weiß Leben nicht, e

Etwas, das sich die meisten vie vielen Dingen behaupten, vieles Besseres verpassen zu können mir offen, ich könnte mich in so

tet von der Angst,Die etwas wünschen möchte. Welt steh danke wird aber beglei nem Menschen aufimmer dieser Welt

LehrerEin gutSchicksal, vorstellen. Dieser G neiden. das ich keikönnte mir eine Zukunft als Eine Gabe, um die mich viele be-

.

Schrödingers Katze denken. Ich manchmal sogar meinen eigene entschieden habe. Ich muss an reichen Ansprüchen gerecht,

können, bevor ich mich nicht forderungen stellen, werde zahlUnd ich werde es nicht Herauswissen den unterschiedlichsten erwachsen? Ichohne weißProbleme es nicht. kann mich

fallsvielerlei nur aus Hinsicht diesem Gedanken begabt. Ic dem Weg, den ich gehe, eben- i Ich bin multitalentiert,

mentane Unzufriedenheit mit

nach ihr zu greifen? Ist die mowird, sobald ich versuche,


und wenn davor vor dem wenn du „fuck it wenn du wie soll es


du kurz bist,kurz fall,un d denkst, all!“ und nicht weisst, weitergehen: k a p i t u l at i o n

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phase 3


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alles neu In Phase 4 lichtet sich der Nebel. Du witterst Morgenluft und be­ ginnst an die Realisierbarkeit von Möglichkeiten zu glauben. Wege werden plötzlich sichtbar, der Blick weitet sich. Du kannst klarer se­ hen und fasst wieder Mut, um einen Neuanfang zu wagen. Das Hinund Her hat ein Ende und bald kannst du konkrete Pläne umsetzen. Keine Verdrängung mehr. Du atmest auf. Alles was erst so mühsam war, ist jetzt ganz einfach. Du fühlst dich bereit und voller Taten­ drang. Deine Neugier ist wieder da. Es kribbelt in deinen Fingern, du hast Pläne und bist gefangen von dem Zauber des Neuanfangs.


möglichen leider aus fast alle Dozenten sind. dagegen ­sredem nedKonzept, ieb neseebenso i d n o v h c i m h c i s sa D nu raw hcsUnternehmen ihtabringt pmysmich rim rum ed ,eine dnnur afder gkurzfristig alraren reV Lektorats­ ­keL nMan eramännlich rmuss red enan iedieser mu nDie eStelle mhFrauen enerwähnen, retnU nehcdass il diedEinstiegs­ stellen mir gleichzeitig, Arbeits­ wenig die gehen offensichtlich lieber Wirtschaft, sind. Verlags­ ­neunwahrscheinlich k hci eid ,nrelt fahist, csnessiwsetsieG net ­n oloV seund gidrüberlege üw nehcswie n em nTatsache, ie meduz dass rimeine m es sehr ,ggehälter itiezhcielunterirdisch g rim ein gedie lrebfreie ü dnUm u neals lletAbsolvent sstarum ot eine zeit in meiner aktuellen Firma zu reduzieren, um neben­ eine Stelle hier in der Gegend zu finden, die am besten sich in PR-Agenturen, Verlagen und Zeitungsredaktio­ stelle hci nnak ,ßeil nekcerhcsba thcin ,etnrel nen an t rod snetiewz dnu ,etlhaz tlahegstairat am riF nezu llebekommen, utka reniem muss ni tiezman stiebrerst A eneinmal iem einhcVolonta­ her übersetzen zu können. Dass bisher weder jemand auch noch unbefristet ist. Leider habe ich offensichtlich nen für wenig Geld ausbeuten zu lassen. hcim et reiduts hcI .nenuatseb run etueh – et f runter ud nebielb hcon hcua tairatnoloV med neriat z temachen, srebü redas hnebei benden mumeisten ,nereizVerlagen uder uz mit weit ein Problem einigen Man muss dass die später ­hüfniEJahren eid et gdes elebWohl­ ,retsigaM ned hcrud osla ­tauf negmeine iwird e egatBewerbung uztu ehstrukturelles sad reagiert se tbiG .tnoch etsirfmir ebn–einen unacheinzigen fu1.000,aan dndieser amEuro ej reStelle dbrutto ew rerwähnen, ehbezahlt sib ssaDwird .nen(und n ökEin­ uauch z Übersetzungsauftrag erteilt hat, bringt mich leider befindens muss ich mich häuten stiegsgehälter unterirdisch sind. Um als Absolvent eine man mwie ednur eeine j ni tSchlange fahcsnessund iw rutaretiL eid ni gnur ?hcon hcil neman nie rnicht im hcgerade on t reigreich). aer gnDafür ubrewdarf eB en iem dann aber gern kurzfristig aus dem Konzept, ebenso wenig wie die Tat­ etwas Neues tun, ob das nun sinnvoll ist oder nicht. Verlagsstelle zu bekommen, muss man erst einmal ein Vorstellungsgespräch rebü sawte etnrel ,laViel­ mnie rehcäF ierd reniem lesE red rin eba nun tmmok elletS reseid nA ,taÜberstunden h tliet re gartmachen. fuasgnuBei zteseinem rebÜ n egiznie sache, dass es sehr unwahrscheinlich ist, eine Stelle hier leicht sollte ich mal ein Buch darüber schreiben. Volontariatm machen, das bei den meisten Verlagen mit Hamburg ­rebü ,namtihW dnu thcerB ,lav reN ,ekliR hcI .nezein nat uz mu ,theg siE sfua red ,leipS sni ed sua gitbot sirfman zruk mir, run elegant rediel hauf cimden t gnHafen irb blickend, zuenfinden, weit unter ,1.000,500,an,obetonte, hcam dnu netiebrasuaH beirhcs ,et ztes ­tin läder hnatür­ reVGegend etsef – n helkcüdie ruzam aj hbesten cim etnauch nök nochetunbe­ eGehalt hcastaEuro Tvon eidbrutto eiw Euro gibezahlt ne w snwird ebe (und ,tpich ezauch nmüsse oK dafür fristet ist. Leider habe ich offensichtlich ein strukturelles später wirdelman nicht gerade reich). Dafür darf man lich sich, neniem hci med ieb ,mukit karpsgalreV nie hci saw ,thcirpstne med eid ,elletS enie ,essin letS besonderes enie ,tsi hcilnEngagement iehcsrhawnu zeigen, rhes se sund sad wunderte Problem – nach einigen Jahren des Wohlbefindens muss dann aber gern Überstunden machen. Bei einem Vorstel­ ­negeG mI .etnrel nennek dnuerF neretäps etsef ,ednuerF ,ebah tlletsegrov remmi rim nedass tsebich maam eidnächsten ,nednfi uzTag dneabsagte. geG red nDieses i reih Ausbeutersys­ Schlange lungsgespräch man den ­sintun, amreG nehcilnnäm netsiem ned uz ztas hich cuamich red häuten ,nehcsnwie eMeine me n ie uz gnund uheetwas izeB Neues hctem i einbHamburg afunktioniert h redieL bot .tsiso tetgut, simir, rfeweil belegant nuerstens hconauf hcso uaviele Germanis­ ob das nun sinnvoll ist oder nicht. Vielleicht sollte Hafen blickend, ein Gehalt von 500,Euro an, betonte, ich ­ich reVmal menie ieb retäps hcilmän hci etllow net .adjemand sella – tnhow tdatS nehcielg red ni hcon – tinnen melborin P sdie elleVerlage rut kurtwollen s nie hcund ilthczweitens isnef fo kaum ein Buch darüber schreiben. müsse dafür natürlich besonderes Engagement zeigen, Geld wird, ztesegrutaN nie tniehcs se – netiebra gal ,theg auch hcilnhä nenhi se nnew ,ednuerF enieM snweiß, edni fwie eblviel hoW sedanderswo nerhaJ nbezahlt e g in i e h can und somit und wunderte sich, dass ich am nächsten Tag absagte. ­reG ehcilnnäm ssad ,t gaseb sad ,nebeg uz etarieh uz dnu neuab uz resuäH ,na negnaf egkaum nalhcjemand S enie everhandelt. iw netuäh hIch cimhatte, hci sswie um oben.nerwähnt, Dieses Ausbeutersystem gut, weil ers­ ich erstens ­osseforP dnu nebielb inU red na netsinam ­haJ rfand, eiv hcan ekceD eid t gnäf hcilztölp dnU tsunverschämtes i llovnnis nunfunktioniert sadGlück, bo ,nutda seso u eN saw te deinen nu Verlag tens so vielehcGermanistinnen in die Verlage wollen und der menie ni ssad ,t rhüf uzad saw ,nedrew ner uz fpoK ned fua rim ,na boJ nehcielg mi ner uB mir nie lsympathisch am hci etllos twar hcieund lleiV mir .thczudem in redo ein menschen­ zweitens kaum jemand weiß, wie viel Geld anderswo würdiges Volontariatsgehalt net reiduts neuarF nov tnezorP gizthca uz erähpdort somtastiebrA etnnapstne eiD .nellaf .nebierhzahlte, cs rebüund rad zweitens bezahlt wird,nach und somit auch kaum jemand verhandelt. dem Volontariat auch noch bleiben durfte eiD .dnis hcilnnäm netnezoD ella tsaf hcaF sse–rtunbe­ S nehcilnhä redo nednutsrebÜ enho Ich hatte, wie oben erwähnt, unverschämtes Glück, da rebeil hcilthcisnef fo neheg negegad neuarF ­iru sawte ,net ten eid ,eliewegnaL ruz driw ich erstens einen Verlag fand, der mir sympathisch war ­negA-RP ni hcis mu ,t fahcst riW eierf eid ni eid ,nev reN eid fua rim neheg negelloK neg und mir zudem ein menschenwürdiges Volontariats­ nenoit kadersgnutieZ dnu negalreV ,nerut eis liew ,lefieg tug os remmi rim eid ,tiebrA gehalt zahlte, und zweitens dort nach dem Volontariat

könne damit bestenfalls Taxifahrer werden, und bleiben – unbefristet. Gibt es das heutzutage hatte ich unverschämtes Glück.Geisteswissenschaftler Ich habe Ger– feste Verhältnisse, eine Stelle, die dem entspricht, obwohl der einzige beim durftenen eigentlich manistik studiert, obwohl mir alle sagten, man was ich mir immer vorgestellt habe, Freunde, feste Bezie­ Berufsorientierungstag in der Oberstufe mit un- noch? 70Menschen, dieser Stelle kommt nun aber der Eselder insauch Spiel,noch der in der gleichen könne damit bestenfalls Taxifahrer werden, hung zu einem glaublich temperamentsloser Stimme daraufAn hinaufs Eis geht, um zu wohnt tanzen.– Ich mich ja zurück­ und obwohlgewiesen der einzige Geisteswissenschaftler Stadt alleskönnte da. Meine Freunde, wenn es ihnen ähn­ hatte, man könne auch als Germanist lehnen – festelich Verhältnisse, eine Stelle, die dem ent­ beim Berufsorientierungstag in Beipackzetteltexter der Oberstufe geht, fangen an, Häuser zu bauen und zu heiraten. Und einen Job finden, als für einen spricht, mir immer vorgestellt habe,vier Freunde, mit unglaublich temperamentsloser Stimme plötzlich fängt die Decke nach Jahren im gleichen Job Pharmakonzern zum Beispiel. Die Mentorin in was ich feste Beziehung Menschen, der auch noch darauf hingewiesen hatte, man könne auch alsein ähnliches an,zu mireinem auf den Kopf zu fallen. Die entspannte Arbeitsat­ der Studieneinführungswoche war in der gleichenmosphäre Stadt wohnt – alles da. Meineoder Freunde, Germanist Energiebündel einen Job finden, alslegte Beipackzettelohne Überstunden ähnlichen Stress wird und uns vor allem nahe, am wenn es ihnen ähnlich geht, fangen an, Häuser zu bauen texter für einen Pharmakonzern zum Beispiel. zur Langeweile, die netten, etwas urigen Kollegen gehen Anfang bloß nicht zu viele Seminare zu belegen heiraten. Und nach Die Mentorin in wunderte der StudieneinführungswoArbeit, mirvier immer so – ich mich nicht, dass ich zu zu.n hcgut i et tgefiel, ah nemmoneg gnertS tiew ossie, dieund essal umir zn eauf tuplötzlich edie bsuNerven, a dlefängt G gdie inedie w rDecke üf die mir Kopf zuvon fallen. sie so war den miefigen che war ein und Studiums -reDie G ebah hcStruktu­ I .kcülG setmähcsrevnu neBeginn rähnliches ut kurtSmeines negEnergiebündel fieim ned nov raim w tneunten nrlegte ef tne Semester sJahren sad ,nenim hägleichen wre eweil lletSJob resan, eidweit na sauf sentfernt umden naM entspannte Arbeitsatmosphäre ohne Überstunden oder ren der Universität, ist mir auf einmal zu abseits von uns vor allem nahe, am Anfang bloß nicht zu war, ella rim l howbmei­ o ,t reiduts kitsinam stgewesen iesba uz lam nie fgegen ua rim tEnde si ,tätimeiner srevinU rMagisterprüed mU .dnis hcsidriretnu retlähegsgeitsniE eid ähnlichen die den istaorga­ viele Seminare mich sah. lTag lafnüber etsetue, b tim d ennök nam ,net gas nefungsphase znagzu nebelegen d hci immer saW– .ich munoch iwunderte dutS auf mendem iem nCampus ov ­m okeb uz eStress lletnem sswird galStudium. rezur V enLangeweile, ie tWas nevloich sbA slnetten, aganzensetwas urigen Kollegen gehen mir auf die Nerven, die Arbeit, die nisieren, koordinieren, E-Mails schreiben, Druckaufträge nicht, dass,nich sie, die zu Beginn meines Studired l howbo dnu ,nedrew rerh afi x aT ereDass inidroich ok ,mich nereisvon inagdiesen ro tsi ,ebeiden ut rebü ersten gaT Geisteswis­ tairatnoloV nie lamnie tsre nam ssum ,nem songut weil war und Verträge ums im neunten nicht mivon e b relt faaufsetzen, hcsnessi wsetsieG egiznie ,nsenschaftlern, eliet reSemester egärt fuadie kcgewesen uich rD kennen ,nebiewar, rhlernte, cs sgegen liaM -E abschrecken timir m nimmer egalreV eerteilen, tsigefiel, em netelefonieren, d iebsie saso d ,weit neverhandeln hcentfernt am den miefigen Strukturen der Universität, ist mir auf ein­ statt zu lesen oder zu schreiben – wie Ende meiner Magisterprüfungsphase immer ließ, nur -rsich ebOdas reandere d ni gaMen­ tsgnu reitneirosfu reB ­fu a egkann ärt reVich dnheute u nledn ahrbestaunen. ev ,nereinofeIch let studierte driw tmich lhazeb ot turb oruE -,000.1 retnu tiew mal zu abseits von meinem Studium. Was ich den gan­ schen vorstellen, wenn man sagt, man arbeite im noch auf dem Campus sah. Magister, -stnemarepmeVerlag. t hcilbualgnu tim efuts – also nebiedurch rhcs uden z re d o nesel ubelegte z t tats ,ndie eztEinführung es edarin egdie thcin nam driw retäps hcua dnu( zen Tag über tue, ist organisieren, koordinieren, E-Mails In meiner Firma gibt es noch nicht einmal ein Lektorat, Dass ich,nmich von diesen beiden ersten Geisteswis­ Literaturwissenschaft meiner nesei wegnih fuarad emmitS resol elletsrov nehcsneM ereindnjedem a sad h cis eiwdrei Fächer ­rebÜ nein­ reg reba nnad nam f rad rüfaD .)hcier verhan­ und lediglich senschaftlern, die mal, über tsinametwas, reG sldas a hcBuch ua ennök nam ,et tah .galernte lich reVkennen metwas i etieblernte, ra naRilke, mnicht ,t gNerval, asabschrecken nam Brecht nnew und ­Whitman, sschreiben, gnulletsroDruckaufträge V mwir eniproduzieren e ieB .nerteilen, ehcam ntelefonieren, everkaufen dnuts deln und Verträge aufsetzen, statt zu lesen oder zu sch­ heißt und nicht Sonnenschirm oder Turnschuh. ließ, kann ich heute nur bestaunen. Ich studierte mich ein -let tezkcapieB sl a ,nednfi boJ nenie ­nübersetzte, ie thcin hcoschrieb n se tbHausarbeiten ig amriF renieund m nmachte I tnVerlags­ agele ,rim nam tob grubmaH ni hcärpseg reiben – wie sich das andere Menschen vorstellen, wenn Bisher hat mich das nicht gestört, doch plötzlich will also durch den Magister, belegte die Einführung in die muz nreznokamraich hP nenie rü f ret xet ­repraktikum, v dnu nerebei izuddem orp rich iw meinen ,tarot kespäteren L nie lam Freund -,0kennen 05 nov tlaheG nie ,dnekcilb nefaH ned fua im Bücher Literaturwissenschaft in ImhGegensatz zuteden -eiduzu tSHause red nstehen. i nirotneM eiD .leipsieB dnlernte. u tßieh cujedem B sad ,smeiner aw hcdrei imeisten lgidFächer el nemännlichen fuein­ ak ­rman üGerma­ tansagt, rüfaman d esText, sarbeite üm als hcihätte ,etVerlag. noich tebnicht ,na genügend oruE In meiner Firma gibt es noch nicht einmal ein Lekto­ Zwar will ich nicht an die Uni zurück, aber ich will lesen, und mal, lernte etwas über Rilke, Nerval, Brecht und Whit­ nisten -il nh ä nie raw ehcowsgnu rhü fnien dnu arbei­ ,negiez tnemegagnE serednoseb hcil .huwollte hcsnruich T renämlich do mrihcspäter snennbei oS teinem hcin Verlag verkaufen es ichrwill man, übersetzte, es zu geben, das besagt, ovdas sschreiben, nu et gel überset­ dnu lednübeigrenE sehc grat, aT nwir edass tsproduzieren hcän mwenn a hciund ssnur ad ,Korrekturlesen hcis et relediglich dnuwist,etwas, hcten od –,tschrieb röscheint tseg Hausarbeiten thcein in sNaturgesetz ad hcimund tahmachte reh siB ein Buch heißt und nicht Sonnenschirm oder Turnschuh. zen, umgestalten, und zwar am liebsten Verlagspraktikum, bei dem ich meinen späteren Freund uz thcialles n ßoauf lb geinmal, nafn A ma ,eh an mell a oit knuf metsysretuebsuA seseiD .et gasba thmännliche cin hci et tGermanisten äh sla ,t xeT han ci der lliwUni hcibleiben lztölp und­Professo­ Bisher hat mich das nicht gestört, doch plötzlich will und dann bewerbe ich mich bei allen möglichen kennen lernte. Im Gegensatz zu den meisten männli­ -nu w hci – negUnter­ eleb uz eranimeS elei v ­sinamPro­ reG eleiv os snetsre liew ,tug os t rein raren wZ werden, .nehets was esuadazu H uzführt, rehcüdass B dnin egeinem üneg zu achtzig ich Text, als hätte ich nicht genügend Bücher zu Hause nehmen um eine der raren Lektoratsstellen und überlege chen Germanisten wollte ich nämlich später bei einem Dozenten uz eid ,eis hci ssad ,thcin hcim et red snemänn­ tiewz dnu nellow egalreV eid ni nennit llizent w hcvon i rebFrauen a ,kcürustudierten z inU eid nFach a thcfast in hcalle i lliw nicht Uni ich will Verlag arbeiten etin numeiner en mi aktuellen smuidutS seniem nnigeB ostehen. wsrlieber ednZwar a dleGwill lmir eivich egleichzeitig, iw ,ßiean w ddie nameine mejzurück, muArbeitszeit ak abern ,tslich i n–esind. ses elrscheint uDie t kerFrauen roein K ruNaturgesetz ndagegen se nnewgehen dnzu u geben, ,noffensichtlich e s el lesen, und wenn es nur Korrekturlesen ist, ich will Firma zu reduzieren, um nebenher übersetzen das besagt,­ladass männliche Germanisten an der Uni intsdie freie esch­ dnE negzu egkönnen. ,raw neseweg retsemeS dVerlagen namej muak hcua timos dnu ,driw tlhazeb egm u ,nWirtschaft, eztesrebü um ,nebsich ierhin csPR-Agenturen, lliw hci reiben, übersetzen, umgestalten, und zwar am liebsten Dass bisher weder jemand auf meine Bewerbung reagiert bleiben und,laProfessoren werden, was dazu führt, dass und -mi esahpsgn u fü rpretsigaM reniem ,tnhäw rzu e nebo eiw ,et tah hcI .tlednahrev mnieZeitungsredaktionen fua sella netsbeil mafür rawwenig z dnu ,Geld net ausbeuten alles auf einmal, und dann bewerbe ich mich bei allen noch mir einen einzigen Übersetzungsauftrag erteilt in einem zu­achtzig Prozent von Frauen studierten Fach .h as supmahat, C med fua hcon rem nenie snetsre hci ad ,kcülG setmähcsrevnu glassen. öm nella ieb hcim hci ebreweb nnad dnu


Streng genommen hatte ich unverschämtes Glück. Ich habe Germanistik studiert, obwohl mir alle sagten, man könne damit bestenfalls Taxifahrer werden, und obwohl der ein­ zige Geisteswissenschaftler beim Berufsorientierungstag in der Oberstufe mit unglaublich temperamentsloser Stimme da­rauf hingewiesen hatte, man könne auch als Germanist einen Job finden, als Beipackzetteltexter für einen Pharma­ konzern zum Beispiel. Die Mentorin in der Studieneinführungswoche war ein ähnliches Energiebündel und legte uns vor allem nahe, am Anfang bloß nicht zu viele Seminare zu belegen – ich wun­ derte mich nicht, dass ich sie, die zu Beginn meines Studi­ ums im neunten Semester gewesen war, gegen Ende mei­ ner Magisterprüfungsphase immer noch auf dem Campus sah. Dass ich mich von diesen beiden ersten Geisteswissen­ schaftlern, die ich kennen lernte, nicht abschrecken ließ, kann ich heute nur bestaunen. Ich studierte mich also durch den Magister, belegte die Einführung in die Literaturwis­ senschaft in jedem meiner drei Fächer einmal, lernte etwas über Rilke, Nerval, Brecht und Whitman, übersetzte, schrieb Hausarbeiten und machte ein Verlagspraktikum, bei dem ich meinen späteren Freund kennen lernte. Im Gegensatz zu den meisten männlichen Germanisten wollte ich näm­ lich später bei einem Verlag arbeiten – es scheint ein Natur­ gesetz zu geben, das besagt, dass männliche Germanis­ ten an der Uni bleiben und Professoren werden, was dazu führt, dass in einem zu achtzig Prozent von Frauen studier­ ten Fach fast alle Dozenten männlich sind. Die Frauen dage­ gen gehen offensichtlich lieber in die freie Wirtschaft, um sich in PR-Agenturen, Verlagen und Zeitungsredaktionen für wenig Geld ausbeuten zu lassen. Man muss an dieser Stelle erwähnen, dass die Einstiegsgehälter unterirdisch sind. Um als Absolvent eine Verlagsstelle zu bekommen, muss man erst einmal ein Volontariat machen, das bei den meisten Verlagen

Von Christina Müller

mit weit unter 1.000,- Euro brutto bezahlt wird (und auch spä­ ter wird man nicht gerade reich). Dafür darf man dann aber gern Überstunden machen. Bei einem Vorstellungsgespräch in Hamburg bot man mir, elegant auf den Hafen blickend, ein Gehalt von 500,- Euro an, betonte, ich müsse dafür natürlich besonderes Engagement zeigen, und wunderte sich, dass ich am nächsten Tag absagte. Dieses Ausbeutersystem funktio­ niert so gut, weil erstens so viele Germanistinnen in die Ver­ lage wollen und zweitens kaum jemand weiß, wie viel Geld anderswo bezahlt wird, und somit auch kaum jemand ver­ handelt. Ich hatte, wie oben erwähnt, unverschämtes Glück, da ich erstens einen Verlag fand, der mir sympathisch war und mir zudem ein menschenwürdiges Volontariatsgehalt zahlte, und zweitens dort nach dem Volontariat auch noch bleiben durfte – un­befristet. Gibt es das heutzutage eigent­ lich noch? An dieser Stelle kommt nun aber der Esel ins Spiel, der aufs Eis geht, um zu tanzen. Ich könnte mich ja zurückleh­ nen – feste Verhältnisse, eine Stelle, die dem entspricht, was ich mir immer vorgestellt habe, Freunde, feste Beziehung zu einem Menschen, der auch noch in der gleichen Stadt wohnt – alles da. Meine Freunde, wenn es ihnen ähnlich geht, fan­ gen an, Häuser zu bauen und zu heiraten. Und plötzlich fängt die Decke nach vier Jahren im gleichen Job an, mir auf den Kopf zu fallen. Die entspannte Arbeitsatmosphäre ohne Überstunden oder ähnlichen Stress wird zur Langeweile, die netten, etwas urigen Kollegen gehen mir auf die Nerven, die Arbeit, die mir immer so gut gefiel, weil sie so weit entfernt war von den miefigen Strukturen der Universität, ist mir auf einmal zu abseits von meinem Studium. Was ich den gan­ zen Tag über tue, ist organisieren, koordinieren, E-Mails sch­ reiben, Druckaufträge erteilen, telefonieren, verhandeln und Verträge aufsetzen, statt zu lesen oder zu schreiben – wie sich das andere Menschen vorstellen, wenn man sagt,

Mitten in der Wirtschaftskrise will ich meinen Job kündigen. ­Das klingt doch vernünftig, nicht wahr?

häutung

man arbeite im Verlag. In meiner Firma gibt es noch nicht einmal ein Lektorat, wir produzieren und verkaufen lediglich etwas, das Buch heißt und nicht Sonnenschirm oder Turn­ schuh. Bisher hat mich das nicht gestört, doch plötzlich will ich Text, als hätte ich nicht genügend Bücher zu Hause ste­ hen. Zwar will ich nicht an die Uni zurück, aber ich will lesen, und wenn es nur Korrekturlesen ist, ich will schreiben, über­ setzen, umgestalten, und zwar am liebsten alles auf einmal, und dann bewerbe ich mich bei allen möglichen Unterneh­ men um eine der raren Lektoratsstellen und überlege mir gleichzeitig, meine Arbeitszeit in meiner aktuellen Firma zu reduzieren, um nebenher übersetzen zu können. Dass bisher weder jemand auf meine Bewerbung reagiert noch mir einen einzigen Übersetzungsauftrag erteilt hat, bringt mich leider nur kurzfristig aus dem Konzept, ebenso wenig wie die Tatsache, dass es sehr unwahrscheinlich ist, eine Stelle hier in der Gegend zu finden, die am besten auch noch unbefristet ist. Leider habe ich offensichtlich ein struk­ turelles Problem – nach einigen Jahren des Wohlbefindens muss ich mich häuten wie eine Schlange und etwas Neues tun, ob das nun sinnvoll ist oder nicht. Vielleicht sollte ich mal ein Buch darüber schreiben.


Von Christina Müller

Das Januar-Gefühl ist eigentlich unsinnig – man könnte ja immer etwas Neues anfangen.

das januar-gefühl

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Wenn ein neues Jahr anfängt, habe ich immer ein Kribbeln im Bauch. Schon als Kind hatte ich das. Ich gehöre auch zu den Menschen, die sich im August bereits einen Taschenkalen­ der für das noch nicht mal auf Sichtweite herangekommene neue Jahr kaufen und es kaum abwarten können, endlich die ersten Verabredungen und Termine hineinzuschreiben. Der Silvestertag ist der einzige aller Feiertage, der mich inhalt­ lich interessiert. Weihnachten, Ostern und Pfingsten sind für mich als Nicht-Christin belanglose Freizeit, aber am Silvester­ abend schaue ich mit Gänsehaut in den verqualmten Him­ mel, und auch die eisverkrusteten Müllberge am nächsten Morgen ärgern mich am ersten Tag des neuen Jahres weni­ ger, als sie es an anderen Morgen täten. Ein neues Jahr fühlt sich so an, wie wenn man ein frisch­ gekauftes Notizbuch aufschlägt und die erste leere Seite einem wie ein verschneiter Wald entgegen duftet. Sobald die trägen Weihnachtstage vorbei sind, packt mich diese Stimmung. Ich möchte das neue Blatt beschreiben, möchte den neuen Kalender füllen und die erste sein, die es mit dem Stift berührt. Dabei bin ich noch nicht einmal einer dieser Menschen,die den Jahreswechsel dazu nutzen, endlich wie­ der einmal mit dem Rauchen aufzuhören oder dann doch mal mehr Sport zu machen. Für mich ist das neue Jahr keine mora­ lische Keule, sondern eine Quelle purer Vorfreude. Ich blättere dann in das alte Jahr zurück, in meinem alten, nun leicht zerfledderten Kalender, und betrachte mir, was ich damals erlebt habe. Trennungen, neue Aufgaben, Schmetter­ linge im Bauch, Ferne und Nähe. Ich räume meine Wohnung auf, kaufe einen bürokratisch einwandfreien neuen Ordner für mein altes Regal und überlege ernsthaft, die Fenster zu putzen. Ich frage mich genüsslich, wohin ich dieses Jahr rei­ sen und wen ich besuchen könnte. Paris? Vilnius? Oder viel­ leicht werde ich doch so verrückt sein, meinen Liebsten zu einem Studentenflug nach New York zu nötigen? Wen werde ich dieses Jahr kennen lernen, wie viele Hochzeiten und Beer­ digungen werde ich besuchen, wer wird seinen Geburtstag mit mir feiern? Werde ich dieses Jahr endlich einmal das neue Schwimmbad ausprobieren, werde ich Russisch lernen und endlich die Cello-CD hören können, die mein Freund nun schon seit Wochen für mich in seiner Tasche herumträgt? Werde ich die marokkanischen Gewürze benutzen, die seit Weihnachten auf meinem Kühlschrank stehen? Das Para­ doxe an all diesen Dingen ist jedoch, dass man sie immer tun könnte. Warum nutzt man nicht einen ruhigen Augusttag, um Pläne für die Zukunft zu machen, oder um etwas auszu­ probieren, was man noch nie zuvor getan hat? Warum braucht man den Januar, um Menschen, die sich nicht kennen, zum ersten Mal zusammenzubringen oder um ein neues Blatt aufzuschlagen? Warum stößt man nicht im Oktober auf einen neuen Tag an, einfach, weil es ein Montag ist? Immerhin wäre es doch das erste und einzige Mal, dass man genau diesen Montag erleben wird.


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Von Marcella Henglein Pereira

Ich packe meine Koffer und ziehe nach Lissabon, von heute auf morgen, ohne jede Absicherung, aber mit dem s端ssen Geschmack der Freiheit.

zukunft


ch bin rastlos. Immer auf der Suche. Ich will Großes. Aber nicht in Form eines Mercedes' aus der Portokasse. Ich will Hässliches sehen und die Schönheit darin finden. Ich will mir die Schönheit als Antrieb nehmen, die Hässlichkeit zu ertragen. Und am Ertragen will ich stärker werden. Ich will vom Fluss der Stadt mitgerissen werden, will auch mal untergehen, doch immer wieder auftauchen, will vergebens gegen den Strom schwimmen, und mich damit abfinden können. Ich will nicht immer nur Zucker schmecken, sondern auch mal hellwach das Saure spü­ ren müssen. Ich will unentdeckte Wege gehen, die Lücke im Sys­ tem finden. Ich will kämpfen und verlieren, weiterkämp­ fen und gewinnen. Ich will Probleme lösen und stolz auf mich sein. Ich will alles verstehen können. Ich will unge­ trübten Auges durch die Fremde gehe, und jede Fremde zu meinem Zuhause machen. Ich will zweifeln und miss­ trauen, aber nur so dass ich den Glauben nie verliere. Ich will mehr lachen als weinen, mehr geben als nehmen. Ich will ein paar Menschen bedingungslos lieben.Ich will Kinder bekommen, ihnen all meine Erfahrungen auf den Weg geben und sie irgendwann freilassen, wehmütig, in der Hoffnung alles richtig gemacht zu haben.Und eines Tages möchte ich durch all die Straßen gehen, die einst fremde für mich waren und meine Gedanken den Erin­ nerungen hingeben. Ich will nichts bereuen. Dann will ich im Einklang mit mir selbst sein. Ich will nicht denken, son­ dern träumen. Ich will alles oder nichts.


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neu

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Hey, alles glänzt, so schön neu. Hey, wenn‘s dir nicht gefällt, mach neu. Hier ist die Luft verbraucht, das Atmen fällt mir schwer. Bye Bye ich muss hier raus, die Wände kommen näher. Die Welt mit Staub bedeckt, doch ich will sehn wo‘s hingeht. Steig auf den Berg aus Dreck, weil oben frischer Wind weht. Hey, alles glänzt, so schön neu.

Mir platzt der Kopf, alles muss sich verändern. Ich such den Knopf , treffe die mächtigen Männer. Zwing das Land zum Glück, kaufe Banken und Sender. Alles spielt verrückt, zitternde Schafe und Lämmer. Ich seh besser aus als Bono, und bin ‚n Mann des Volkes. Bereit die Welt zu retten ,auch wenn das vielleicht zu viel gewollt ist.

Ich hab meine alten Sachen satt, und lass sie in ‚nem Sack verrotten. Motte die Klamotten ein, und dann geh ich Nackt shoppen. Ich bin komplett renoviert, Bräute haben was zu glotzen. Kerngesund, durchtrainiert, Weltmeister im Schach und Boxen. Nur noch konkret reden, gib mir ein ja oder nein. Schluss mit Larifari, ich lass all die alten Faxen sein. Sollt‘ ich je wieder kiffen, hau ich mir ‚ne Axt ins Bein. Ich will nie mehr Lügen, ich will jeden Satz auch so meinen.

Hey, alles glänzt, so schön neu. Hey, wenn‘s dir nicht gefällt, mach neu. Die Welt mit Staub bedeckt, doch ich will sehn wo‘s hingeht. Steig auf den Berg aus Dreck, weil oben frischer Wind weht. Hey, alles glänzt, so schön neu.

Gewachst , gedoped , poliert, nagelneue Zähne. Ich bin euphorisiert, und habe teure Pläne. Ich kaufe mir Baumaschinen, Bagger und Walzen und Kräne. Stürze mich auf Berlin , drück auf die Sirene. Ich baue schöne Boxentürme, Bässe massieren eure Seele. Ich bin die Abrissbirne für die d-d-d-deutsche Szene.

Ich verbrenne mein Studio, schnupfe die Asche wie Koks. Ich erschlag‘ meinen Goldfisch, vergrab ihn im Hof. Ich jag meine Bude hoch, alles was ich hab lass ich los. Mein altes Leben, schmeckt wie ‚n labriger Toast. Brat mir ein Prachtsteak, Peter kocht jetzt feinstes Fleisch. Bin das Update, Peter Fox 1.1 Ich will abshaken, feiern, doch mein Teich ist zu klein. Mir wächst ‚ne neue reihe Beißer wie bei ‚nem weißen Hai.


stell dir vor, es gab einen moment, da lag alles vor dir, was sein kann.

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Stell dir vor. Einen ganzen Moment lang hattest du keine Vergangenheit. Da war nichts, das schon einmal zu Ende gegangen ist. Da war nichts, das du wis­ sen musstest. Da war nichts, das hinter dir lag und dir den Blick getrübt hat. Da war nichts, worauf du dich schieben konntest. Da war kein Fundament, auf dem du sicher stehen konntest. Da war kein Platz hinter dir zum Verstecken. Da war keine Möglichkeit, dich selbst aus etwas herauszulesen. Da war niemand außer dir. Es war ein Anfang in seiner reinsten Form. Für diesen Moment, warst du nichts als Zukunft. Pulsierend, dampfend, frisch duftend, mit dem heiligen Schein der Möglichkeiten. Du warst der Augenblick, in dem sich die Zeit für einen mächtigen Sturm gesammelt hat. Dazu gemacht, so viele Dämme wie nötig zu brechen. Du hattest noch keinen blassen Schimmer in deinem Blick, von der bereits dämmernden Ver­ gänglichkeit. Vor dir lag die reine Unschuld, in jeder denkbaren Richtung eine andere. Keine Zweifel am Horizont, sondern nichts als dein schneller Herz­ schlag, der die Wolken antrieb. Nichts hing dir an den Fersen, niemands Schat­ ten, niemands Worte, noch kein einziger Schritt gemacht. Keine zweite Chance war nötig, kein längerer Anlauf. Es war der Beginn dei­ ner ersten und einzigen Runde. Stell dir vor. In diesem Moment lag alles vor dir, was sein kann. Da war der rote Morgen, in dem du aufgehen wirst. Da war das Scherbenherz, das dir die die Zeit in Stücke teilt. Da war die Sommernacht, in der du tausend Sonnen finden wirst. Da waren tausend und mehr Uhren, die für dich zu ticken begannen. Da war entsetzliche Liebe.

Da war reinigender Schmerz. Da war weicher Kampf. Da war schon ein ers­ tes Ende. Es war ein Anfang, geschrieben mit einem einzigen mächtigen Schlussstrich. In diesem Moment war noch keine Schlacht geschlagen und keine Opfer zu beklagen. Niemand war verloren und nichts, worauf eine Trä­ nen hätte fallen können. Kein Geheimnis war verraten, kein Schatz ausge­ graben. Nicht ein Moment war verpasst, keine Möglichkeit töricht ausgelas­ sen, das Leben war bei vollem Bewusstsein. Alle Richtungen waren begeh­ bar, keine Spuren hinterlassen, nicht mal die Idee für die Frage nach dem rich­ tigen Weg gab es. Die Zeit in ihrer vollstundigen Pracht lies die Luft erzittern, alle Uhren war­ teten auf deinen ersten Atemzug, damit die Sekunden auf dich losgehen konnten. Eine ganze Welt fieberte darauf hin, ein Leben für dich zu machen. Aus all dem, was sie zu bieten hatte. Aus all dem, was du auf ihr finden wür­ dest. Aus all dem, was du dir einmal denken kannst. Aus all dem, das sein kann. Aus allem, was wir dir für deinen Aufenthalt bieten können. Stell dir das nur mal vor. Es war der Moment, als du dich entschlossen hast. Zum ersten Mal neu anzufangen. Es war die Geburt der Hoffnung.

Von Felix Wetzel


Zuletzt habe ich meine Sachen im August gezählt, fast ein Jahr nach dem offiziellen Ende der Challenge. Da war ich bei 94.

das heisst, sie gehen immer noch nicht shoppen, obwohl das experiment vorbei ist?

Das war die einzige Anschaffung im ganzen Jahr. Ich wollte schon lange surfen lernen, aber erst während der 100-ThingChallenge habe ich die Zeit gefunden. Das Tolle ist: Wenn man dem Konsum abschwört, hat man viel mehr Zeit. Früher bin ich am Samstag zu Home Depot gefahren. Jetzt fahre ich an den Strand.

sie haben sich während des versuchs aber auch ein surfbrett gekauft.

Ich wollte ein Zeichen gegen den Konsumterror setzen. Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber in Amerika gehen viele Menschen nur zum Zeitvertreib in die Mall. Meine Eltern zum Beispiel: Jedes Mal, wenn ich sie besuche, haben sie eine neue Couch. Wir kaufen aus Langeweile, nicht weil wir die Dinge auch nur ansatzweise brauchen. Irgendwann passt das Auto dann nicht mehr in die Garage?

wozu dann das ganze experiment?

...weil meine Kinder Fahrräder haben und ich ihnen irgend­ wie hinterherkommen muss. Natürlich hätte ich viel radika­ ler sein können. Aber ich wollte weder Gandhi noch Mutter Teresa nacheifern. Ich bin ein US-Durchschnittsbürger mit Haus in der Vorstadt. Daran sollte mein Experiment auch nichts ändern.

aber ein zelt braucht man nicht zum leben. als gandhi starb, hatte er gerade mal fünf besitztümer. sie haben sogar ihr skateboard noch...

Nein, ich liebe Zelten!

mr. bruno, wollen sie auch ihr haus verkaufen, oder warum stehen zelt und campingkocher auf ihrer 100-dinge-liste?

wo haben sie mit dem ausmisten begonnen?

(lacht) Der Vorschlag kam von einer Australierin, als ich auf mei­ nem Blog über meine Bücherleidenschaft schrieb. Gut, oder? Grundsätzlich geht es bei dem Projekt nicht darum, eine Bürde loszuwerden und sich gleichzeitig eine neue aufzuhalsen oder starr an Regeln festzuhalten. Dem Künstler habe ich geraten, seine Malutensilien als ein Hobby zu zählen.

und warum sind ihre bücher eine biblio­ thek?

Sie müssen sich ja nicht strikt an meine Regeln halten. Neulich wollte ein Künstler wissen, ob er jeden Pinsel und jede Farbe einzeln zählen soll. Oder die ständige Frage mit den Schuhen. Ich kann nur sagen: Ich zähle zwei Schuhe als ein Ding. Auch meine Unterhosen sind auf der Liste ein Ding. Ich kann ja nicht nur zwei Unterhosen haben und jeden Tag waschen. So was funktioniert im Alltag nicht. Mein Anzug zählt dafür als zwei Dinge, weil ich Hose und Jackett auch getrennt anziehe.

und was sagen sie denen?

Stimmt. Unseren Esstisch oder das Haus zähle ich nicht zu den persönlichen Dingen. Die hätte ich auch nicht wegge­ ben können. Aber meine Nachttischlampe steht auf der Liste. Ich habe deswegen viele Mails von Menschen bekommen, die sich auch an der 100-Thing-Challenge versuchen wollen, aber alleine wohnen.

aber sie mogeln. was sie mit ihrer familie teilen, steht nicht auf ihrer liste.

Offenbar werden viele Menschen von ihrem Zeugs erstickt. So ging es mir ja auch. Die Idee kam mir, als ich versucht habe, unser Haus aufzuräumen. Das Ergebnis war frustrierend. Als ich fertig war, sah es immer noch chaotisch aus. Ich habe kurz meinen Besitzstand überschlagen. Fünfzig Sachen fand ich zu wenig, um normal zu leben, 150 zu viel.

auf guynameddave.com haben sie dieliste ins internet gestellt. inzwischen eifern ihnen menschen auf der ganzen welt nach.

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Komischerweise von meinem Holzwerkzeug. Ich bin zwar kein guter Schreiner, aber ich habe mir immer eingebildet, dass ich in der Arbeit mit Holz einmal meine Erfüllung finden könnte. Als ich das Werkzeug verkauft habe, war das gleichzeitig das Eingeständnis, dass daraus nie etwas wird. Vermisst habe ich es bislang nicht. Meine Gitarre dagegen schon. Ich muss gestehen: Ich habe mir inzwischen eine neue gekauft.

von was viel die trennung am schwersten?

Das war das Allerschwierigste. Es ist so einfach, Dinge zu kaufen, aber sie sinnvoll loszuwerden, ist mühsam. Ich habe einige Garagenverkäufe gemacht und Sachen an Freunde ver­ schenkt. Meine Gitarre habe ich auf Ebay versteigert, meine gute Kamera an einen jungen Brasilianer verkauft, der noch zwischen den Autositzen nach Kleingeld gekramt hat.

wie sind sie die losgeworden?

Im Kleiderschrank. Da ist das Erfolgserlebnis am größten. Ich habe Outfits für eine Woche zusammengestellt und den Rest weggeräumt. Als ich die Klamotten nach ein paar Wochen nicht vermisst habe, gab ich sie weg. Dann kam die Garage dran, der Schreibtisch etc. Ich habe jetzt noch ein Hemd, eine Krawatte, einen Bleistift. Insgesamt habe ich mehr als 500 Sachen ausgemistet.


Von Ann-Kathrin Eckardt

Ausmisten radikal: In einem Jahr hat Dave Bruno seinen Besitz auf 100 Sachen reduziert.

nur 100 dinge besitzen


von Mareike Fallwickl

Und wann hatte sich das Leben eigentlich so beschleunigt?

die 足entdeckung der 足langsamkeit

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Der Zug hält an einem Bahnsteig, der eigentlich kei­ ner ist, weil sich neben den Gleisen nur ein bisschen Gras und Schotter befinden, nicht einmal ein Warte­ häuschen gibt es. Mitten in der österreichischen Pro­ vinz wohnt meine Freundin G, die ich endlich in ihrer neuen Behausung besuche: auf dem Bauernhof. Sie holt mich ab mit einem kleinen klapprigen Auto, wir gurken durch den Ort und dann ist da einfach nichts mehr. Hinter dem Hof verschwindet die Landschaft im Nebel, der nächste Nachbar ist sieben Kilome­ ter entfernt. Ich komme auch vom Land, aus einem 800-Seelen-Dorf, aber sogar ich fühle mich hier wie am Ende von allem. Es ist ruhig und ein paar Hühner gackern uns ent­ gegen. Im blumenbewachsenen Innenhof steht ein Holzschild mit ihrem Namen. „Hast du das gemacht?“, frage ich verblüfft. „Ja“, sagt sie, „das habe ich einge­ brannt. Mit der Lupe.“ „Wie bitte?“ „Dazu setzt man sich in die Sonne, hält die Lupe auf das Holz und kre­ iert so den Schriftzug“, erklärt sie. „Aber das dau­ ert doch ewig“, sage ich. „Ja und?“, sie zuckt mit den Schultern. Ich staune. Und so geht es mir den ganzen Tag. In der gemüt­ lichen Bauernhofküche versammeln sich Gläser mit selbst gekochter Marmelade, in großen Gefäßen gärt Most, an der Decke hängen trocknende Kräuter. Sie hat keinen Fernseher, abends sitzt sie beim Kachel­ ofen und liest, in die Arbeit fährt sie mit dem Zug, kein Verkehrslärm weit und breit. Den Zeitplan für ihr Leben zu Hause bestimmen die Tiere und die Natur, der Salat in ihrem Garten wächst, und wenn er fertig ist, wird er geerntet. Ich mag es hier auf dem Bauern­ hof. Und ich spüre, wie sich in mir etwas bewegt. Wie ich mich erinnere. Daran, wie es war, bevor das Leben auf Tempo 180 geschaltet hat. Auf dem Heimweg kann ich nicht umhin, mich zu fragen, warum mich dieser Besuch so verstört hat. Ich erkenne es plötzlich wie einen Kratzer in der Brille auf der Nase: Ich lebe nicht. Ich rase. Ich haste durch jeden Tag, hake To-do-Listen ab, arbeite zu viel und fülle meine Freizeit aus, bis sie beinahe platzt. Ich setze mich nicht hin und brenne mit der Lupe mei­ nen Namen in Holz. Früher, ja, als Kind, da hätte ich so etwas gemacht. Aber jetzt? Jetzt habe ich keine Zeit.Es geht nicht um das Holzschild, um den Bauernhof oder um die selbst gemachte Marmelade. Es geht vielmehr um die Bedächtigkeit, für die all diese Dinge stehwen. Ich möchte nicht mit G tauschen, aber ich möchte wie­ der mehr Ruhe in mir tragen. Ich bin zu einem jener Menschen geworden, die von morgens bis abends beschäftigt sind. Ich weiß nicht mehr, wie das geht, nichts zu tun. Und während ich im Zug nach Hause sitze und in den Nebel auf den perlenden Wiesen starre, macht mich das unheimlich traurig. Nach dem Studium habe ich mich durch zwei Jahre schlecht bezahlter Praktika und Volontariate gekämpft, habe mir die nötigen Zeugnisse verdient, habe mich ausbil­

den und ausbeuten lassen und gleich danach selbst­ ständig gemacht, mit 24. Das klappt gut, ausgezeich­ net sogar, die Aufträge trudeln in einer solchen Über­ zahl ein, dass die Tage, die mein Leben lang ausge­ reicht haben, immer kürzer zu werden scheinen. Aus Unsicherheit suchte ich mir für die erste Zeit als Frei­ beruflerin einen Nebenjob bei einer Zeitung zum Korrekturlesen, und jetzt arbeite ich mindestens 12 Stunden am Tag: von 8 bis 15 Uhr im Eigenheimbüro, danach bis 20 Uhr im Korrektorenkammerl. Die weni­ gen Pausen, die ich mache, sind angefüllt mit Einkau­ fen, Kochen, Essen, Wäschewaschen, Autofahren und Staubsaugen. Und weil ich den Gedanken nicht ertra­ gen kann, keine Zeit mehr für ein soziales Leben zu haben, treffe ich mich fast jeden Abend mit jeman­ dem, gehe nach der Arbeit noch essen, hetze um 20.10 ins Kino oder besuche ein Konzert. Am Wochenende will meine Mutter mit mir shoppen gehen, ich muss ins Möbelhaus, meine Großeltern laden zum Kaffee und Kuchen, und dann ist schon wieder Montag. Nur nicht antriebslos auf die Couch fallen und jammern, denn dann müsste ich es ja zugeben – dass es mir zu viel ist. „Du hast so viel Stress“, sagt meine Mutter. „Nein“, antworte ich, „ich habe nur viel zu tun. Stress macht man sich selbst. Ich habe ein gutes Zeit­ management.“ Das stimmt, aber dieses Zeitmanage­ ment sieht so aus, dass meine Tage bis auf die Minute verplant sind. Ich muss Projekte ablehnen, die ich gern annehmen würde, eine Agentur bucht mich bereits


nicht mehr, weil ich „ja eh nie zur Verfügung stehe“. Mein Rei­ sepass ist seit einem halben Jahr abgelaufen, mein MassageGutschein längst verfallen, und eigentlich müsste ich seit drei Wochen zum Friseur. Früher habe ich Menschen belächelt, die irre viel verdienten, aber nicht einmal Zeit hatten, das Geld auszugeben. So wollte ich nie werden. Jetzt ertappe ich mich dabei, wie ich Onlineshops nach Bestellbarem durchsuche. Ich kann nicht mehr langsam leben. Ich bin in ein Karussell einge­ stiegen und alles dreht sich immer schneller, mir ist ein wenig schwindlig, aber ich lächle und spiele mit. Da die Zeit nicht genügt, fange ich an, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Ich führe Telefonate beim Kochen oder Autofahren, lese beim Fernsehen, denke beim Einkaufen über Headlines nach, schreibe Gutachten auf dem Ergometer-Rad. Mein Gehirn stellt mir großzügig viele Kapazitäten zur Verfügung, weigert sich aber aus Rache, wieder abzuschalten. „Nichtstun“ bedeu­ tet heute, fernzusehen, sinnlos im Netz zu surfen oder mit dem Handy zu spielen, irgendwas flimmert immer. Ich stehe perma­ nent unter Strom. Zu entspannen, ist unmöglich geworden. Und mit wem soll ich darüber reden? Was für ein Leid soll ich klagen? Sie kennen es alle, die­ ses Lied: Stress und Hektik, zu viel Arbeit, zu wenig Freizeit, Sport und Vergnügen wollen noch untergebracht werden, und eigentlich sollten wir doch froh sein, einen Job zu haben. So machen wir weiter bis zur Pension, die wir, bei unserem Glück, erst mit 75 Jahren antreten dürfen, um gleich danach aufs Sterbebett zu fallen. Dass das nicht gesund ist, weiß jeder, aber niemand unternimmt etwas. Burn-out ist schon fast schick geworden, wer nicht gestresst ist, ist offensicht­ lich ein unwichtiger Mensch. Einmal im Jahr gönnen wir uns Urlaub, atmen auf, stopfen die Urlaubstage voll mit Wandern und Museumsbesuchen, Ausflügen und Wellness, wo wir doch schon mal Zeit haben. Entschleunigung heißt das Zauberwort, mit dem Hotels uns umwerben, und ich finde es zynisch, dass ein solches Ungleichgewicht in unserem Alltag herrscht, dass wir uns die Entspannung kaufen müssen. Es war nur ein Besuch auf dem Bauernhof, und doch hat er mir gezeigt, dass ich auf die Bremse treten muss. Es ist meine Lebensqualität, die auf dem Spiel steht. Drei Tage später geht der Monat zu Ende und ich kündige meinen Nebenjob. Viele finden das riskant, aber ich fühle mich befreit. Ich wähle nun gezielter aus, was ich machen will, arbeite min­ destens ein Drittel weniger und verdiene dafür doppelt so viel. Kurze Zeit nach dem Ausflug aufs Land, es ist ein Freitag­ nachmittag, sitze ich auf dem Balkon, blinzle in die Sonne und mache zum ersten Mal seit Jahren nichts. Ich brenne nicht ein­ mal was ein. Und es geht mir verdammt gut dabei.

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Von Friederike Knuepling

Wie war das noch mal: keine Sau zu kennen und plötzlich­abends Zeit für unsagbar dicke Romane zu haben?

das erste mal: in einer neuen stadt

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»Und jetzt?«, fragte ich mich, als ich auf einem grünen Bettsofa saß, das für den Anfang meins sein sollte, und vor der kniffligen Aufgabe stand, ein neues Leben anzu­ fangen. Die Uni würde erst in ein paar Wochen losgehen. Ich kannte so gut wie nichts in dieser Stadt und nichts kannte mich. Ich musste dringend ein paar Erinnerun­ gen schaffen. »Freunde«, schwärmte ich in Gedanken, »ich brauche Freunde«. Ein paar Menschen kennen ler­ nen, tanzen gehen, bei einer Limonade über nichts und alles plaudern – so würde ich mich in das Gedächtnis der Stadt hineinleben. So war der Plan – seine Realisie­ rung war eher schwierig. Schwupps saß ich zum Bei­ spiel wie der schiefe Turm von Pisa neben einem Mäd­ chen mit riesigem Räucherstäbchenarsenal und suchte nach Worten für mein Gefühl, dass ich doch gegen gute Nachbarschaft war. Sicher: Es gibt sie, die superraren Glücksfälle, in denen sich verwandte Seelen auf Rolltreppen finden. Doch genügt dieses Wissen als Beweggrund, danach zu suchen? Bei mir führten die zahllosen ernüchternden Bekannt­ schaften nur zu Einsamkeitszuständen. Heute denke ich: Die Sache mit echten Freundschaften ist wie ein riesengroßes Memory-Spiel. Sucht man wild drauflos, dann muss man sich eine Menge Kröten, Totenschädel und dürre Bäume ansehen. Bleibt man aber ruhig und aufmerksam, wird man ihn nicht verpassen: den klei­ nen Zauber, der die Karte, die man braucht, kurz auf­ blitzen lässt. Zunächst aber machte ich die bahnbre­ chende Entdeckung: Alleine ist es immer besser als in schlechter Gesellschaft. Und wie! Auszug aus einer lan­ gen Liste lohnenswerter »Allerlei alleine erleben«-Pro­ jekte: Alleine mit dem Reiseführer durch die Stadt strei­ chen. Ein paar Nobelpreisreden auf Vorrat schreiben. Privatgelehrte auf einem frei zu wählenden Gebiet wer­ den (ausgenommen allzu Esoterisches und Verschwö­ rungstheorien, 1. wegen fehlender Rückholaktionen durch andere, 2. sowieso). Klimmzüge üben. Alleine eine Lasagne (oder so) kochen. Alleine eine Lasagne essen. Glotze, PC und Hirn ausschalten für die Feststellung: kann tatsächlich zu psychoratgebermä­ ßigen Relaxationszuständen führen. Nicht anfangen, einen Roman zu schreiben, nicht du auch noch! Statt­ dessen Musils »Der Mann ohne Eigenschaften« lesen: Es wird einem noch 2057 wichtig sein – ungefähr dann also, wenn man das nächste Mal genug Zeit für diesen Roman haben wird. Zwischendrin telefoniert man Freunde oder Familie in der Heimat an (die sind schließlich auch noch da) und kann sich bei Bedarf ein wenig ausheulen. Es war eine zehrende, abenteuerliche und gute Zeit, als ich das erste Mal ganz alleine mit mir war und Bekanntschaft mit mindestens einer mir bis dahin unbekannten Schwä­ che und einer Stärke von mir schloss. Und dann war auch schon alles in Verwandlung: Mit der Zeit musste ich weniger bluffen, wenn ich Touristen den Weg sagen sollte, der Bäcker merkte sich, in welcher Farbe ich mein Brötchen mag, und bald hatte ich einen Handtuchhal­ ter, den ich schon seit Ewigkeiten reparieren wollte. Gewohnheiten und Kenntnisse erwiesen sich als der herstellbare Teil des Zuhausegefühls. Irgendwann punktete ich sogar in dem großen Memory-Spiel. Die Stadt hatte mich, ich hatte die Stadt.


Als ich wieder einmal bemerkte wie sehr sich meine Welt um mich selbst dreht und mir davon ganz schwindelig wurde, beschloss ich nicht mehr zu planen, sondern lieber alles auf mich zu kommen zu lassen. Im Prinzip passiert alles schon irgendwie. Und diese ewige Angst vor der Zukunft und die­ ses ewige darüber Nachdenken, „was wäre wenn“ oder „ich muss noch unbedingt dieses oder jenes tun um meinen Lebenslauf zu optimieren“, das ist unglaublich anstrengend und bringt nichts. Es gibt ein, zwei positive Beispiele von Menschen, die es mit perfekt aufeinander passenden Praktika und Kennt­ nissen in 5 Fremdsprachen, einem Auslandssemester und Soft Skills in verschiedensten Computerblablas geschafft haben nach dem Studium sofort einen Job zu bekommen, mit unbefristetem Vertrag und einem Einstiegsgehalt mehr als 30.000 im Jahr. Aber wo sind die perfekten Bacheloretten? Ich höre immer nur von jemandem, der jemanden kennt. Ich lese nur von Forenbeiträgen, wo jemand mal aus dem Nähkästchen plaudert, aber wer ist das? Und stimmt das? Aus Wut über einen dämlichen Beitrag, der mir missfiel, habe ich schon mal etwas behauptet, was nicht stimmt, nur um eine neue Meinung einzubringen. Und die vorbildlichen Beispiele aus dem Spiegel, wenn es mal wieder ein krasses Hochschulspecial gibt, wo einem geraten wird, Ingenieur zu werden, aber keinesfalls Geisteswissenschaftler, weil nur wenige so gut und vorbildlich sind wie M.K. aus B.? Vielleicht nur dichterische Freiheit. Bevor ich anfing zu studieren und mich alle ganz obligatorisch „Aha. Auf Lehramt?“ fragten war meine Meinung, man solle immer studieren, was einem am Herzen liegt und was einem Freude bereitet. Dann führt man sein Studium mit Schwung zu Ende und es findet sich sicherlich schon etwas.

Von Miriam Koch

Einfach so. Ganz schlicht und einfach. Weil es das ist, was ich immer wollte

ich lass die zukunft jetzt einfach passieren.

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Denn wenn man etwas wirklich will, da war ich mir sicher, schafft man es auch, dann landet man nicht auf der Straße. Ich war mir immer sicher: Euch zeig ich’s, ihr Loser, die ihr auf Sicherheit studiert, weil ihr Angst habt vor dem Unplanba­ ren. Ihr Daheimgebliebenen, ihr Muttersöhnchen, ihr blöden Affen! Und dann fing ich an zu studieren und fragte mich mit der Zeit, was ich da eigentlich mache. Etliche nicht geleistete Schlüsselkompetenzen, nicht verstandene General Studies, nicht absolvierte Pflichtpraktika, nicht bestandene Klausu­ ren über zwei verschiedene Seminare nach zwei Semestern, ein abgebrochenes Studium weit weg von der Heimat und ein wieder aufgenommenes Studium in der Heimat später bemerkte ich, dass mir mein Studienfach doch Spaß macht und wurde richtig gut. Doch ein schales Gefühl blieb und beherrschte mein Den­ ken. Ich studiere auf Hartz 4. Ich vergeude meine Zeit. Ich weiß nicht, was ich danach machen soll. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Doch lieber Lehramt? Aber jetzt reicht es mir! Ich tue genau das, was ich immer wollte, ich bin darin wirklich gut, ich kann mir nichts anderes vorstellen und ich weiß, dass ich eine miserable Lehrerin wäre. Ich zieh das durch und ich plane nicht mehr. Ich mache das, was ich will zu genau dem Zeitpunkt, wann ich es will, allen Unkenrufen zum Trotz. Und wenn das nächste Prakti­ kum scheiße wird, ist es mir egal, dann war es nicht das Rich­ tige. Und wenn mein Lebenslauf nicht sauber und adrett ist, und wenn ich keine fünf Sprachen spreche und keine Hard­ core Computer Kenntnisse habe, dann ist mir das egal. Ers­ tens kommt alles anders und zweitens als man glaubt. Alles zu planen schaffe ich nicht, weil immer alles durch irgend­ was verhindert wird. Dass ich jetzt Freude an meinem Stu­ dium habe, hätte ich vor einem Jahr nicht geglaubt. Und dass ich überhaupt studiere, hätte meine Grundschullehrerin nie geglaubt. Ich werde mich nicht mehr sorgen, ich werde ein­ fach sehen, was passiert. Ich werde nicht mehr hoffen und bangen, ich werde alles so nehmen wie es kommt, die Feh­ ler akzeptieren und schätzen, weil ich aus ihnen lerne. Ich werde mich nicht mehr verkrampfen. Ich weiß, dass es Chan­ cen außerhalb


idee & design Konstanze Krüger

danke

Ich danke allen, die an diesem Magazin mitgearbeitet haben. Besonderer Dank geht an Daniela Hensel, Prof. Jürgen Huber,

Gisela Matthes, Tobias Machhaus, Sin-U Ko und allen Autoren.

bilder

Dennis Williamson / Quelle williamson-foto.de......................................61, 62 Drunkenbutterfly/ Quelle photocase.de................................................................. 1 Ig3l / Quelle photocase.de............................................................................................ 31

transform # 1 körper

Jadon / Quelle photocase.de....................................................................................... 12

JingleT / Quelle photocase.de..............................................................................63, 64

Kobierski / Quelle photocase.de................................................................................ 82

Konstanze Krüger................................................................................18, 21 33/34, 35,

39/40, 41, 44, 45/46, 78, 83

Leicagirl / Quelle photocase.de....................................................................29/30, 60 Madochab/ Quelle photocase.de............................................................................. 38

Mella/ Quelle photocase.de.............................................................................5, 23/24 Mister QM/ Quelle photocase.de............................................................................. 48

Muffinmaker/ Quelle photocase.de............................................7, 10, 25, 27, 49, 57/58,

Nadine Platzek/ Quelle photocase.de............................................................. 89/90 Style FM/ Quelle photocase.de.................................................................................. 55

Tobias Machhaus/ Quelle machhaus.com................... 26, 50, 51, 57/58, 67, 71/72, 79

transform # 2 liebe

Una.Knipsonelina/ Quelle photocase.de.............................................................. 17

Warnermusic ..................................................................................................................... 73

„Ein Neuanfang“ (S. 76/77) aus dem Buch

„Schöner Irrsinn – Die Ahnung von der Unvollkommenheit“

von Felix Wetzel, ­erschienen im wort­handel: verlag, 1. Auflage im Juni 2010, ISBN 978-3935259187 Berlin 2011

transform # 3 identität



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