Das Bachschulhaus Ein Bau in semperischem Styl – aber nicht nur
Der Architekt Johann Gottfried Meyer Der noch junge Bundesstaat Schweiz war zwischen 1850 und 1870 ein wichtiger Ort der europäischen Architektur. Mit Gottfried Semper lehrte am Zürcher Polytechnikum einer, der den Architekturstil des Historismus wesentlich prägte. Zu jener Zeit studierte auch ein Schaffhauser am Polytechnikum in Zürich: der 1838 geborene Johann Gottfried Meyer.1 In der Studienzeit Meyers, von 1857 bis 1860, wurden in Zürich einige Grossbauten errichtet, waren in Ausführung oder in Pla-
nung. Zwischen 1858 und 1864 wurde beispielsweise das neue Hauptgebäude des Polytechnikums (der heutige Kopfbau der ETH) erbaut. Als Architekt war Gottfried Semper, der Lehrer von Johann Gottfried Meyer, für den Bau zuständig. Meyer wurde durch seinen Lehrer stark beeinflusst. Dies zeigt sich in seinen Bauten, von denen einige in Schaffhausen erhalten sind. Von diesen ist das Bachschulhaus sicher der bedeutendste Bau.2 Meyer ist aber nicht nur ein Abklatsch von Semper, dies soll in der Folge aufgezeigt werden. Aus seiner Studienzeit haben sich
Skizzen und Pläne erhalten, die einen Einblick in die Ausbildung junger Architekten jener Zeit geben.3 Interessant sind die Pläne, in denen Meyer den 1731 errichteten Dachstuhl der kath. Kirche von Baar ZG dokumentiert, der Plan mit Detailskizzen des Turmhelmes der Fraumünsterkirche in Zürich und die Detailansicht eines Türschlosses. Hier zeigt sich, wie der Unterricht an der Bauschule funktionierte. Die angehenden Architekten studierten bestehende Bauwerke und mussten deren Konstruktion wiedergeben. Die Skizze des Türschlosses ist eine detaillierte Studie, wie ein solches
aufgebaut ist und wie es gestaltet werden kann. Das genaue Hinsehen wurde also geschult und die Analyse von Bestehendem sollte als Grundlage dienen, um Neues zu entwerfen. Wie sich dies in der Arbeitsweise Meyers konkret am Bau des Bachschulhauses äusserte, zeigt das nächste Kapitel.
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Das Bachschulhaus mit seinen für die Renaissance typischen Risaliten. Ein Risalit ist ein Teil eines Gebäudes, der zur Aufgliederung und Belebung der Fläche in ganzer Höhe vorspringt. Man unterscheidet je nach der Lage Mittel-, Seiten- und Eckrisalit.
1 Siehe auch: Artikel im HLS, http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D42865.php und Johann Gottfried Meyer, Architekt, in: Schaffhauser Biographien des 18. und. 19. Jahrhunderts, Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte, 34. Heft, 1957, S. 163-165. 2 Neben dem Bachschulhaus stammt das IWC-Gebäude an der Baumgartenstrasse, der Umbau des Hauses «zum Sittich» an der Vordergasse 43, der Umbau «zur hinteren Glocke» am Münsterplatz 32 und das Pfarrhaus am Pfarrweg 1 von Meyer. Meyer erbaute 1869 auch die Rhybadi. 3 Archivmaterial im GTA der ETH Zürich: Sign. 109-IK-2 // Helm der Frauenmünster-Kirche in Zürich datiert 1858 ; Sign. 109-IK-3 // Dachstuhl der Kirche in Baar von 1731. datiert 1858 ; Sign. 117-A0-171/172 // Bauaufnahme: Dachstuhl der Kirche zu Baar von 1731, datiert 1858 ; Sign. 117-A1-1256 // Hausthür-Schloss / Student: Gottfried Meyer / Bemerkungen: Gezeichnet: Gottfr. Meyer v. Schaffh. eidg. Polyt. Zürich 1858.
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Meyers Hauptwerk: Das Bachschulhaus – eine Annäherung über Skizzen
guten Eindruck, an welchen Bau- ner Hauptfassade zum Hang des ten sich Meyer orientierte und wie Emmersbergs. Dieser Umstand es zum Entwurf des Bachschulhau- rührt daher, dass die Bachstrasse ses kam. Besonders drei Skizzen vor dem Bau des GEGA-Schulhausind im Zusammenhang mit dem ses hier durch verlief und somit der Bachschulhaus bemerkenswert: Haupteingang auf die Strasse ausMit jungen Jahren – im Alter von Die Skizze eines Pilaster-Kapitells gerichtet war. Der Bau gliedert sich 24 – wurde Johann Gottfried Meyer aus Mailand 3 , die Darstellung in drei Risalite 1 , welche aus der 1862 zum Stadtbaumeister ernannt.⁴ eines Triumphbogens 2 und eigentlichen Fassadenebene herIn diese Zeit fällt auch die Planung eine Zeichnung des Vorraumes des vorspringen. Der Mittelrisalit 9 ist des neuen Mädchenschulhauses. Saals im Zunfthaus zum Rüden. der am aufwändigsten gestaltete 1864 wurde vom Stadtrat Teil des Bauwerkes und erbeschlossen, dass es am Besonders drei Skizzen sind in innert in seiner Komposition Stadtweiher errichtet wer- Zusammenhang mit dem Bach- stark an das Polytechnikum den solle. In der Folge liess Sempers 10 . Der Mittelrisaschulhaus bemerkenswert: Die lit nimmt aber auch Motive der Stadtrat 1865 einen Wettbewerb ausschreiben Skizze eines Pilaster-Kapitells auf, die Meyer beim Stuund er hat unter anderen aus Mailand, die Darstellung dium antiker Bauten und auch Gottfried Semper in eines Triumphbogens und die Bauten der italienischen die Jury berufen. Ob MeyRenaissance selber studiert er am Wettbewerb für die Zeichnung des Vorraumes des hat. So weisen die grossen neue Mädchenschule teil- Saals im Zunfthaus zum Rüden. Rundbogenöffnungen des genommen hat, ist nicht obersten Geschosses auf bekannt, den Wettbewerb ge- Die erste Zeichnung 3 zeigt ein das oberste Geschoss von Semwonnen hat jedenfalls ein anderer Pilaster-Kapitell, welches gemäss pers Polytechnikum hin, sie zeigen Semperschüler, nämlich Friedrich Beischrift an der Kirche Santa Maria aber auch die Architektur, wie sie Walser.⁵ Interessanterweise wurde presso San Celso in Mailand zu fin- Meyer in seinem Skizzenbuch beim dann aber das zweitplatzierte Pro- den ist.⁹ Das korinthische Kapitell Studium eines antiken Triumphbojekt des Badeners Robert Moser⁶ hat Meyer nicht nur skizziert, son- gens festhielt 2 . Meyer gestaltet ausgewählt, ausführen sollte es der dern fast kopiergleich wiederver- neben der reichen Gliederung des lokale Architekt Meyer. Das Projekt wendet, es erscheint nämlich als Mittelrisalites die Seitenrisalite wie von Moser wurde dann aber we- Gestaltungselement im Innern des auch die Zwischentrakte des Baus gen diversen Unstimmigkeiten und Bachschulhauses 4 . Diese Ana- einfacher. Er verwendet aber auch Massstabsfehlern doch nicht um- logie beweist, dass sich Meyer nicht hier gestalterische Mittel der italiegesetzt.⁷ Davon konnte Meyer pro- nur an zeitgenössischer Architek- nischen Renaissance, wie etwa die fitieren, ihm wurde in der Folge der tur von Semper orientierte und mit Segmentbogen überhöhten Fenster des 1. Obergeschosses der Seitenrisalite und die um das ganze Gebäude laufenden Gurtgesimse. Im Innern des Baus wendet Meyer ebenfalls Stilmittel an, die er aus dem Formenrepertoire der Antike und der Renaissance kopiert und abwandelt. Spannend ist hierbei, Auftrag übergeben, neue Pläne für seinen Lehrer imitierte, sondern dass Meyer nicht nur Bauwerke in das Schulhaus auszuarbeiten. Der dass er auch selber Feldforschung Italien studiert hat, sondern auch in Entwurf des heute bestehenden betrieben hat und sich von der Schaffhausen mit offenen Augen Bachschulhauses entstand. italienischen Renaissance-Archi- die Architektur studierte. Meyer Bevor es Meyer aber so weit brin- tektur direkt inspirieren liess. Das vermass und skizzierte in diesem gen konnte, unternahm er als Bachschulhaus ist also nicht nur ein Zusammenhang das Zunfthaus Rüangehender Architekt Studienrei- Bau in semperischem Styl10, wie es in den und er machte Detailskizzen sen, die ihn vor allem nach Italien den Schaffhauser Nachrichten von der überwölbten Vorräume 7 zu führten. Im Museum Allerheiligen 1866 hiess, sondern auch ein Bau, den Sälen. Dieses Motiv taucht im sind sechs Skizzenbücher überlie- der sich an der italienischen Renais- Bachschulhaus auf den Zwischenfert, die aus dem Besitz von Meyer sance orientierte und schliesslich geschossen der beiden Treppenstammen und diese Studienreisen eine Schöpfung Meyers darstellt. häuser auf 8 . Meyer schaffte es dokumentieren.⁸ Sie geben einen Das Bachschulhaus steht mit sei- aber nicht nur, ein aus architektur-
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geschichtlicher Sicht bedeutendes Bauwerk zu schaffen, sondern auch ein bis heute für den Schulunterricht dienliches Gebäude. So mögen sich denn auch die Aussagen aus den Schaffhauser Nachrichten von 1866 bewahrheitet haben, wenn es da heisst, dass dasselbe allen gerechten Anforderungen in baulicher und pädagogischer Beziehung entspreche; auch hinsichtlich seiner innern Eintheilung, in Bezug auf Raum, Luft und Licht, den Bedürfnissen der Gegenwart und Zukunft Rechnung getragen sei.11
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Skizze eines Triumphbogens
Die Ostfassade des Bachschulhauses: Der Mittelrisalit verweist auf ein vertieftes Studium der antiken Baukunst. Zudem zeigt der Bau ganz klare Einflüsse von Meyers Lehrer Gottfried Semper. Zeitgenossen sprachen auch von einem Bau im semperischen Styl.
Darstellung eines Kapitells, das gemäss Beischrift an der Vorhalle der Kirche Santa Maria presso San Celso in Mailand zu finden ist.
Die Westfassade des Zürcher Polytechnikums (ETH) vom deutschen Architekt Gottfried Semper
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Kapitell im 2. OG des Bachschulhauses
Fotografie der Kapitelle in Mailand. An der Strassenfassade des Atriums finden sich diese Kapitelle.
Pilaster an der Fassade des Bachschulhauses
Meyer bereiste unter anderem Italien und liess sich von den antiken Bauten sowie den Bauten der italienischen Renaissance beeinflussen. Meyer studierte die Bauten genau und fertigte viele Skizzen an.
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Überwölbter Vorraum zum Zunftsaal im Zunfthaus zum Rüden
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Überwölbung im Treppenhaus Bachschulhaus
⁴ INSA Schaffhausen, Bern 1996, S. 299. ⁵ Friedrich Walser (1841–1922) war nach seiner Ausbildung am Polytechnikum in Zürich zwischen 1864 bis 1869 für Semper tätig, führte dann in Budapest ein Architekturbüro und war ab 1875 wieder in der Schweiz ansässig. Vor allem In Basel sind Bauten Walsers erhalten, hier war er auch Mitglied des Grossen Rats und Bürgerrat. Walser war der Onkel des Schriftstellers Robert Walser. Vgl.: Anne Nagel, In Erinnerung an den grossen Stifter der Stadt. Das Haus Elisabethenstrasse 8, in: Jahresbericht 2015. Kantonale Denkmalpflege Basel-Stadt, S. 98-99. ⁶ Robert Moser (1833-1901) war Architekt in Baden und realisierte hier einige Gebäude. Insbesondere das Bäderquartier prägte Moser: die Erweiterung des Gasthauses Blume und das Badener Kurhaus stammt von Moser. Bedeutende Werke sind auch die Strafanstalt Lenzburg und die Renovation der Klosterkirche Königsfelden. Moser war der Vater des Architekten Karl Moser. ⁷ INSA Schaffhausen, Bern 1996, S. 300-301. ⁸ Museum zu Allerheiligen, Grafische Sammlung ⁹ Vgl. zur Kirche: Nicole Riegel, Santa Maria presso San Celso in Mailand. Der Kirchenbau und seine Innendekoration 1430 - 1563, Worms am Rhein 1998. 1⁰ Schaffhauser Nachrichten vom 29. Juli 1866: Nachdem sich der sehr einlässlich gehaltene Bericht im Allgemeinen sehr günstig über das von Hrn. Stadtbaumeister Meyer ausgearbeitete Projekt ausgesprochen und des Vollständigen nachgewiesen, […] auch in seiner ganz nach Semperischem Styl gehaltenen einfachen und doch geschmackvollen Ausstattung nach Vorlage zur Ausführung empfehlenswerth sei, […]. 11 Schaffhauser Nachrichten vom 29. Juli 1866.
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Aquarellierte Detailzeichnung von Willy Arn aus dem Restaurierungsbericht vom Juli 1981
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Wiederentdeckung der baukünstlerischen Qualitäten des Bachschulhauses Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hat man die Bauten des Historismus nicht als baukünstlerisch wertvolle Bauwerke wahrgenommen. Dies zeigt sich am Bachschulhaus exemplarisch. Da es in einem sehr schlechten baulichen Zustand war, wurde in den 1960er Jahren - im Zusammenhang mit der Idee die Bachstrasse vierspurig auszubauen – gar ein Abbruch des Gebäudes diskutiert. In den folgenden Da es in einem sehr schlechten Jahren konnte sich baulichen Zustand war, wurde in Schaffhausen aber in den 1960er Jahren – im Zu- die Meinung durchsetzen, dass es sich sammenhang mit der Idee die beim Bachschulhaus Bachstrasse vierspurig auszu- um ein hochrangiges bauen – gar ein Abbruch des Schutzobjekt handelt und dass das GeGebäudes diskutiert. bäude auch dementsprechend restauriert werden soll. Zu diesem Entscheid haben auch der geplante Fäsenstaubtunnel und das abgelehnte Projekt einer Oberstufenschule auf der Breite beigetragen. Die Diskussion und die eigentlichen Sanierungsarbeiten zogen sich dann aber in die Länge, so dass erst im Januar 1979 der endgültige Entscheid fiel, das Schulhaus zu restaurieren. Die Eröffnung des neu sanierten Schulhauses erfolgte dann im August 1984. Zu erwähnen ist, dass die Restaurierung nach restauratorischen Grundsätzen erfolgte. Insbesondere für die Rekonstruktion der originalen Farbgebung wurde durch den Restaurator Willy Arn das gesamte Gebäude untersucht.12 Arn erstellte aquarellierte Detailpläne der Architekturelemente 11 , die farblich dann auch so ausgeführt wurden. Besonders durch die damals erfolgte Rekonstruktion der originalen Farbigkeit in der Aula konnte dem Raum seine Grosszügigkeit zurückgegeben werden.
12 Restaurierungsbericht von Willy Arn im Archiv der Denkmalpflege Schaffhausen.
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Restaurierungen 2017–2018 Nach rund dreissig Jahren seit der letzten Sanierung wurde eine nächste grössere Sanierung im Jahr 2017 notwendig. Insbesondere die Sandsteinelemente an den Aussenfassaden bedurften einer gründlichen Überprüfung, da einzelne Steinabbrüche festgestellt wurden. Da die ganze Fassade eingerüstet werden musste und die verputzten Flächen neu gestrichen werden sollten, konnte die originale Farbgebung der Fassade untersucht werden. Der Restaurator Rolf Zurfluh konnte belegen, dass die Fassade im originalen Befund viel heller gestrichen war als seit den 1980er Jahren. Diese hellere Farbgebung - in einem gebrochenen Weiss - lässt heute das Äussere des Bachschulhauses wieder in einem Zustand erstrahlen, wie es von Meyer intendiert war. Im Innern wurden sämtliche Oberflächen wieder aufgefrischt, die Parkettböden restauriert oder erneuert und die Schulzimmertüren wurden den Normen des Brandschutzes entsprechend aufgerüstet. So kann das Bachschulhaus an seinem 150. Geburtstag in alter Würde auf die vergangenen Jahre zurückblicken und auch zukünftig vielen Schülern als Haus der Bildung dienen.
Lukas Wallimann Denkmalpflege Schaffhausen