Rahmenkonzept Fachgruppe Kind und Jugend

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Kinder- und Jugendpolitik Kanton Schaffhausen Bundesprogramm «schützen.fördern.beteiligen» (2016-2018)

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Rahmenkonzept Fachgruppe Kind und Jugend

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Inhalt Abstract 3

1 Ausgangslage

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2 Auftrag und Ziele

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3 Organisation

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3.1 Meldungen Ăźber zentrale Anlaufstelle 3.2 Fallkoordination Fachgruppe Kind und Jugend 3.3 Koordination eingehender Meldungen 3.4 Nachbegleitung 3.5 Fallevaluation 3.6 Dokumentation

4 Fokusgruppe Schutz

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4.1 Mitglieder 4.2 Operationalisierung 4.3 Erweiterte Fokusgruppe Schutz

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5 Fokusgruppe Koordination

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6 Methodik

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7 Zuständigkeit

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5.1 Mitglieder 5.2 Operationalisierung 5.3 Erweiterte Fokusgruppe Koordination

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7.1 Mitglieder 7.2 Fachaufsicht 7.3 Operativer Bereich 7.4 Finanzierung

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In Zusammenarbeit mit der Projektgruppe

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Chantal Bründler, Integrationsfachstelle INTEGRES Schaffhausen Dr. med. Claudia Friedli, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Anne Forster ,Teamleiterin, Mütter- & Väterberatung Spitex Schaffhausen Lilo Eichmann, Leiterin, Fachstelle für Gewaltbetroffene Mirjam Gross, Leiterin, Sozialdienst, KTSH Ruth Hasler, Hortleiterin, Schülerhort Rosengasse, STSH Dr. iur. Michèle Hubmann Trächsel, Juristin / Mediatorin, Mitglied Kinderschutzgruppe Lara James, Familienbeauftragte, Schwerpunkt Frühe Förderung, KTSH Rahel Jenzer lic.iur., Leitende Jugendanwältin, Staatsanwaltschaft Schaffhausen Andi Kunz, Leiter, Bereich Asyl, KTSH Bettina Looser, Fachbereichsleiterin, Pädagogische Hochschule Schaffhausen Matthias Meyer, Schulaufsicht KTSH Mathias Öchslin, Leiter, Schulische Abklärung und Beratung, KTSH Simone Piatti, Leiterin, Schulsozialarbeit, STSH Med. pract. Jan Christoph Schäfer, Leitender Arzt, Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst Beat Steinacher, Schulleiter, Primarschule Kirchacker Neuhausen Markus Tanner, Leiter, Berufsbeistandschaft, STSH Christine Thommen, Präsidentin, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, KTSH Annina Truninger lic.phil., Psychologische Beratungsstelle Teddybär Elsbeth Tzourbakis, Haus der Kulturen, Asylwesen, KTSH Myriam Wanner, Fachstellenleitung, Heilpädagogische Früherziehung Kurt Zubler, Geschäftsleiter Integrationsfachstelle INTEGRES Schaffhausen

Impressum

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KTSH = Verwaltung Kanton Schaffhausen STSH = Verwaltung Stadt Schaffhausen

Bundesprogramm «schützen.fördern.beteiligen 2016-2018» Rahmenkonzept Fachgruppe Kind und Jugend, 1. Konzeptentwurf 2018

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Autorenschaft

Carlo Strohner, Projektleiter, Sozialarbeiter FH Regula Flisch, Fachliche Begleitung, Institut für Soziale Arbeit St. Gallen IFSA

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Abstract

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Die Fachgruppe Kind und Jugend ist ein Angebot des Kantons Schaffhausen im Bereich des einvernehmlichen Kindesschutzes. Das Angebot ist kostenlos und richtet sich an Fachpersonen und Fachstellen, welche in ihrem beruflichen Alltag mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben und die sich aufgrund von eigenen Beobachtungen oder anderer Hinweise und Informationen um die Entwicklung oder das Befinden eines jungen Menschen sorgen.1 Darüber hinaus unterstützt die Fachgruppe Kind und Jugend die Installation und Koordination von Hilfs- und Unterstützungsangeboten innerhalb komplexer Einzelfälle der Kinder- und Jugendhilfe. Die Fachgruppe Kind und Jugend orientiert sich an den Prinzipien der Interdisziplinarität, der Multiperspektivität sowie des Dialogisch-systemischen Abklärungsverständnisses.2

Abbildung: Schematischer Ablauf einer Fallbearbeitung innerhalb der Fachgruppe Kind und Jugend

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Das Angebot richtet sich insbesondere an Lehrpersonen sowie an Fachpersonen der Jugendarbeit, der Schulsozialarbeit, der Heimerziehung, der ausserschulischen Kinderbetreuung sowie an Sozialberatende sämtlicher Fachstellen. 2 Die Fachgruppe Kind und Jugend orientiert sich am Prozessmanual «Dialogisch- systemische Kindeswohlabklärung». K. Biesel / L. Fellmann / B. Müller / C. Schär / S. Schnurr. Haupt Verlag, Bern, 2017. 1


1. Ausgangslage

Kinder und Jugendliche sind besonders verletzliche Menschen und haben insbesondere seit der Ratifizierung der Uno- Kinderrechtskonvention durch die Schweiz (1997) auch im Bereich der Fürsorge und des Schutzes besondere eigene Rechte. Die Eltern haben die Pflicht, ihre Kinder zu schützen, zu unterstützen und anzuleiten, das Wohl und die Interessen des Kindes gebührend zu beachten und sich um die Rahmenbedingungen für deren optimale Entwicklung zu sorgen. Der Staat hat die bestmöglichen Voraussetzungen für eine gute Entwicklung der Kinder zu schaffen und die Eltern bei der Wahrung ihrer Pflichten zu unterstützen. Gleichzeitig überwacht der Staat aber auch die Einhaltung der Rechte der Kinder und schafft innerhalb dieser hoheitlichen Aufgabe eine Vielzahl von Angeboten, welche das Kind vor Übergriffen und Misshandlungen schützt sowie präventiv einer möglichen Gefährdung seiner gesunden Entwicklung vorbeugt - oder eben einer bestehende Gefährdung entgegen wirkt. Diese Kindeswohlgefährdungen in Form von physischer oder psychischer Gewalt, Erwachsenenkonflikten um das Kind, (emotionaler) Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch werden oftmals von den Tätern selbst sowie den involvierten Mitwissenden bewusst und systematisch verschwiegen. Auch wenn sich die Kinder der eigenen Misshandlung bewusst sind und aus Angst vor drohenden Konsequenzen diese nicht melden, oder aufgrund ihrer psychischen Bewältigungsstrategie das Erlebte verdrängen oder für sich umdeuten, so gibt es trotzdem eine Vielzahl von Merkmalen, welche mehr oder weniger deutlich auf eine Kindeswohlgefährdung hinweisen. Diese können einerseits somatische Verletzungen oder Erkrankungen, Auffälligkeiten im Verhalten und Denken oder aber auch plötzliche Wesensveränderungen der Kinder sein.

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Zum Schutz des Kindes vor Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung ist es von grosser Wichtigkeit, inwiefern und wie genau diese Merkmale vom Umfeld und der Öffentlichkeit wahrgenommen und gedeutet werden. Die Fachpersonen in Bildungs- und Betreuungsinstitutionen haben diesbezüglich eine besondere Verantwortung (Meldepflicht) - und insbesondere an diese richtet sich das Angebot der Fachgruppe Kind und Jugend.

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Werden die Merkmale falsch oder gar nicht gedeutet, werden sie unvollständig interpretiert, daraus falsche Rückschlüsse gezogen oder bei der Umsetzung der Kindesschutzmassnahmen Fehler begangen, so kann das Kind nicht ausreichend wirksam vor den Gefährdungen seines Umfelds geschützt werden. In der Folge dauert die schwere Belastungssituation möglicherweise über Jahre an, wobei sich deren Folgen dramatisch auf die Gesundheit und die Entwicklung des Kindes auswirken können und oftmals schwerwiegende Spätfolgen nach sich ziehen. Bei der Klärung eines Verdachtsfalls infolge von Beobachtungen oder Hinweisen benötigt es deshalb eine kompetente Begleitung durch Fachpersonen, welche bei der Einschätzung hochkomplexer Gefährdungssituationen von Kindern und Jugendlichen eine hohe Fachlichkeit sowie die nötige Sensibilität garantieren. Die Fachgruppe Kind und Jugend bietet Fachpersonen und Fachstellen bei der Deutung und Interpretation sämtlicher Informationen rund um die Themen Kindesschutz und Kindeswohlgefährdung, Hilfe und Unterstützung in Form einer interdisziplinären Beratung. Sie kann sich bei Bedarf beispielsweise der Frage widmen, ob im jeweiligen Einzelfall zivil- oder strafrechtliche Kindesschutzmassnahmen und damit der Einbezug der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde oder der Polizei angemessen erscheint. In solchen Fällen fungiert sie als eine der KESB vorgelagerte Stelle und verhindert allenfalls einen vorschnellen und nicht verhältnismässigen Einbezug der Behörde. Darüber hinaus kann die Fachgruppe Kind und Jugend auch Aufgaben der Koordination und der Organisation innerhalb eines Fallverlaufs der Kinder- und Jugendhilfe übernehmen.

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In der Kinder- und Jugendhilfe kann es Hilfsprozesse geben, welche über Jahre andauern und in deren Verlauf es wiederkehrende Krisen zu bewältigen gibt. Es gibt Kinder und Jugendliche, welche über viele Jahre oftmals ununterbrochen von Angeboten und Massnahmen der Kinder- und Jugendhilfe profitieren. Oftmals sind die Problemlagen der jungen Menschen auch vielschichtig, vielseitig und nicht nur bei der Person selbst zu verorten. Sie betreffen sämtliche


Lebensbereiche wie das Bildungs-, Gesundheits- oder das Sozialwesen und sind meistens bedingt durch eine Wechselwirkung der Kinder und Jugendlichen mit ihrem sozialen Umfeld (Familie, Freunde). Dementsprechend sind auf den verschiedenen Ebenen auch unterschiedliche Fachpersonen involviert, welche wiederum auf der Grundlage ihres spezifischen Aufgaben- und Professionsverständnisses die nötigen Angebote und Massnahmen umsetzen. Innerhalb einer Fallsituation können durchaus über zehn unterschiedliche Fachstellen und Personen gleichzeitig involviert sein, welche entsprechend ihres Aufgabenspektrums tätig sind.3 Um die jeweiligen Hilfs- und Unterstützungsangebote möglichst sinnvoll und effektiv zu gestalten, sind eine gute Koordination sowie eine enge Zusammenarbeit innerhalb des Helfersystems sehr wichtig.

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Die Fachgruppe Kind und Jugend kann bei Bedarf eine Helferkonferenz organisieren, an der neben den involvierten Fachpersonen und ggf. den Betroffenen selbst auch weitere Professionelle beratend teilnehmen. Auf der Grundlage einer gemeinsamen Situationsanalyse werden die wichtigsten Ziele definiert, die vorhandenen Hilfsangebote aufeinander abgestimmt, Zuständigkeiten geklärt und allenfalls neue Angebote und Massnahmen geplant. Somit wird die fallbezogene Zusammenarbeit der Fachpersonen und Fachstellen im Kanton Schaffhausen gefördert, ihre Angebote auf die spezifischen Bedingungen des jeweiligen Falls abgestimmt und deren Wirksamkeit verbessert.

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Dies können z.B. sein: Lehrpersonen (einschl. Fachpersonen aus Kindergarten und Berufsschule), Heilpädagogen, Schulleiter, Schulsozialarbeit, Schulpsychologen, Pädiater, Kinderpsychologen, heilpädagogische Früherziehung, Beistände gem. Art. 308 ZGB, Bezugspersonen der Wohngruppe, Pflegeeltern, Jugendanwaltschaft, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, Fachstelle für Gewaltbetroffene, Sozialhilfebehörde, Berufsberater IV, Sozialberatung im Asylwesen, Polizei.

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2. Auftrag und Ziele

Die Fachgruppe Kind und Jugend unterstützt Fachpersonen, welche in ihrem beruflichen Alltag einen Bezug zu Kinder- und Jugendlichen haben, bei der professionellen Beurteilung und Einschätzung von Beobachtungen und Informationen, welche in einem Zusammenhang mit einer möglichen Kindeswohlgefährdung stehen (Fokusgruppe Schutz). Die Fachpersonen erhalten durch die interdisziplinäre Fallberatung eine grössere Entscheidungs- und Handlungssicherheit bei der Klärung von schwierigen und komplexen Fragestellungen des Kindesschutzes, sowie eine fachliche Unterstützung bei der Eruierung der nötigen und angemessenen Reaktionen und Massnahme. Sie werden von erfahrenen Fachpersonen aus dem Bereich Kindesschutz innerhalb der Gruppensitzung unterstützt und beraten, sowie bei der Umsetzung der empfohlenen Massnahmen fachlich begleitet. Die Fachgruppe Kind und Jugend unterstützt die meldende Fachperson a) bei der bestmöglichen Klärung des Verdachtsmoments (auf Grundlage der vorhandenen Informationen), b) sie spricht Massnahmenempfehlungen aus, c) und begleitet die Fachperson bei der Umsetzung der empfohlenen Massnahmen.

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Die Fachgruppe Kind und Jugend kann ausserdem auf Anfrage von Fachpersonen ein interdisziplinär zusammengesetztes Gremium einberufen, um innerhalb eines laufenden Falls der Kinder- und Jugendhilfe die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu klären sowie geeignete Unterstützungsmassnahmen zu prüfen und zu installieren (Fokusgruppe Koordination). Ergänzend zu den Mitgliedern der Fachgruppe, können sämtliche, im Fall involvierten Fachpersonen, sowie auch die Betroffenen selbst, an der Beratung teilnehmen. Die Fachgruppe bietet die Möglichkeit, die bisher geleistete Unterstützung zu reflektieren, allenfalls wirksamere Hilfeleistungen und Massnahmen zu planen, sowie eine gut abgestimmte Fallkoordination zu gewährleisten.

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Das Angebot der Fachgruppe Kind und Jugend sollte allen Fachpersonen bekannt sein, welche beruflich regelmässigen Kontakt mit Kindern oder Jugendlichen haben. Sie ist niederschwellig und unkompliziert erreichbar und kann bereits am ersten Werktag nach Eingang der Meldung eine erste telefonische Kurzberatung (Klärung des Anliegens) anbieten.

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3. Organisation

Die Organisation sowie die Angebote der kantonalen Fachgruppe Kind und Jugend orientieren sich an den Bedürfnissen der um Rat suchenden Fachpersonen (Angebotsnutzer). Ein unkomplizierter und niederschwelliger Zugang wird ebenso gewährleistet wie methodisch gestützte und fachlich begründete Empfehlungen.

3.1 Meldungen über zentrale Anlaufstelle

Die Fachgruppe Kind und Jugend ist über eine zentrale Anlaufstelle während den üblichen Geschäftszeiten telefonisch sowie per Mail erreichbar. Anfragen entgegennehmen (Intake) können alle Mitarbeitenden sowie das Sekretariat der Anlauf- und Koordinationsstelle Jugendhilfe4. Somit ist die Erreichbarkeit während des ganzen Jahres und den üblichen Geschäftszeiten gewährleistet. Die Mitarbeitenden der Anlauf- und Koordinationsstelle leiten die standardisiert erfasste Meldung 5 umgehend weiter an die Fallkoordination der Fachgruppe Kind und Jugend.

3.2 Fallkoordination Fachgruppe Kind und Jugend

Die operative Koordination der eingehenden Meldungen erfolgt durch eine im Kindesschutz erfahrene und qualifizierte Fachperson (Fallkoordination). Diese steht darüber hinaus auch den Gruppenmitgliedern, der Fachaufsicht sowie der Fachöffentlichkeit bei Fragen und Anliegen zur Verfügung. Für die Erledigung der Aufgaben entsprechend dem vorliegenden Konzept steht der Fallkoordination Fachgruppe Kind und Jugend ein Stellenpensum von 20% zur Verfügung.

3.3 Koordination eingehender Meldungen

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Die Fallkoordination der Fachgruppe Kind und Jugend kontaktiert spätestens am Tag nach Eingang der Mitteilung die meldende Person, worauf eine detailliertere, theoretisch fundierte Klärung des Anliegens erfolgt. Die Fallkoordination bestimmt aufgrund einer systematisch sowie theoriebasierten Ersteinschätzung und Fallcharakterisierung das weitere Vorgehen. Es folgt entweder ... a) ... eine telefonische Beratung mit anschliessendem Abschluss des Falles6, b) ... die Einberufung der Fokusgruppe Koordination, c) ... oder die Einberufung der Fokusgruppe Schutz.

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3.4 Nachbegleitung

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Die meldenden Fachpersonen erhalten im Anschluss an die Gruppensitzung eine Reihe von Handlungsempfehlungen, für deren Umsetzung sie dann alleinig verantwortlich sind. Sofern dies notwendig und sinnvoll erscheint, können die Meldenden von einer Fachperson der Anlauf- und Koordinationsstelle bei der Umsetzung der Empfehlungen unterstützt und beraten werden. Damit das in Kindesschutzverfahren immanent wichtige Vieraugenprinzip auch während des weiteren Fallverlaufs gewährleistet werden kann, erscheint eine externe Begleitung des Prozesses durch eine Fachperson vor allem dann sinnvoll, wenn die meldende Person in ihrem eigenen beruflichen Umfeld keine solche Unterstützung hinzuziehen kann7.

3.5 Fallevaluation

Die Fallkoordination Fachgruppe Kind und Jugend erkundigt sich rund drei Monate nach der Sitzung der Fokusgruppe Schutz bei der meldenden Person über den aktuellen Stand des Falls und insbesondere über die Wirksamkeit und Konsequenzen der von der Fachgruppe empfohlenen Vorgehensweisen und Massnahmen. Diese Informationen meldet er anschliessend den einzelnen Gruppenmitgliedern zurück, sodass diese für zukünftige Gefährdungseinschätzungen und Empfehlungen wichtige Erkenntnisse gewinnen können. Bei der Fokusgruppe Koordination findet keine Fallevaluation in diesem Sinne statt.

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Die kantonale Anlauf- und Koordinationsstelle Jugendhilfe ist Teil der Dienststelle Sport, Familie und Jugend. Sie ist telefonisch erreichbar unter +41 52 632 71 60 oder per E-Mail: kantonaler.sozialdienst@ktsh.ch 5 Die Meldung wird mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens erfasst, welcher die wichtigsten Informationen betreffend dem Kind, der Gefährdungslage sowie der meldenden Person beinhaltet. 6 Bei einer festgestellten, schweren Gefährdung des Kindes müssen sofort andere Behörden wie die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde oder die Polizei kontaktiert werden. Der Fallkoordinator kann die meldenden Person betreffend weiteren notwendigen Schritte (z.B. Absetzen einer Gefährdungsmeldung) beraten. Bei einer festgestellten niedrigen Gefährdungslage kann die meldende Person auch an andere Fachstellen verwiesen werden. 7 Lehrpersonen können beispielsweise die Schulsozialarbeit oder die Schulleitung beiziehen. In der Kinderbetreuung tätige Fachpersonen beispielsweise ihre Leitung sowie allenfalls im Kindesschutz erfahrene oder ausgebildete Mitarbeitende. 4


3.6 Dokumentation

Die Fallkoordination Fachgruppe Kind und Jugend erfasst alle eingehenden Anfragen und Fälle, wobei die Dokumentation keine persönlichen Daten erhalten sowie keine Rückschlüsse auf die Identität der Betroffenen zulassen dürfen. Zudem ist er darum besorgt, dass die Sitzungen der Fokusgruppe Koordination protokolliert werden und die Protokolle mit der Zustimmung der Betroffenen sämtlichen Fallinvolvierten zur Verfügung gestellt werden. Alle fallbezogenen Notizen und Dokumente werden nach Fallabschluss umgehend und vollständig vernichtet. Ausserdem erstellt und veröffentlicht die Fallkoordination jährlich eine Statistik. Sie unterscheidet zwischen den beiden Fokusgruppen und gibt Auskunft über die Zahl der Fälle, das Alter der betroffenen Kinder sowie die Art der (vermuteten) Misshandlungen und Vernachlässigungen.

4. Fokusgruppe Schutz

Die Fokusgruppe Schutz unterstützt Fachpersonen beratend, welche innerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit eine Kindeswohlgefährdung festgestellt haben oder sich deren Verdacht auf eine mögliche Gefährdung nicht ausschliessen lässt.

4.1 Mitglieder

Die Fokusgruppe Schutz ist interdisziplinär besetzt und besteht aus im Kindesschutz erfahrenen Vertretern der vier Fachgebiete der Pädiatrie, des Rechtswesens, der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Sozialarbeit.

4.2 Operationalisierung

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Innerhalb der einstündigen Gruppensitzung erörtern die Gruppenmitglieder zusammen mit der meldenden Person die Situation und treffen im dialogischen Austausch eine fachlich begründete Einschätzung. Darüber hinaus geben sie Handlungs- sowie Massnahmenempfehlungen ab.8 Eine zentrale Fragestellung ist dabei, ob und in welcher Form die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde in den Fall involviert werden muss. Die Situationsanalyse geschieht interdisziplinär und die Fachpersonen tragen mit der jeweilige Perspektive ihrer Disziplin zu einer fachlich begründeten Einschätzung bei. Die perspektivische Bandbreite der Situationsanalyse wird aufgrund der interdisziplinären dialogischen Fallerörterung erhöht und Fehleinschätzungen somit systematisch minimiert.

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Gruppensitzungen können bei Bedarf kurzfristig innerhalb weniger Tage und ohne die Zustimmung des betroffenen Kindes sowie der Sorgeberechtigten einberufen werden, wenn davon auszugehen ist, dass durch deren Kenntnisnahme das Wohl des Kindes zusätzlich gefährdet wird und dessen Schutz nicht gewährleistet werden kann. Die Meldungen werden jeweils anonymisiert und ohne jegliche Angaben von persönlichen Daten der Betroffenen besprochen. Zusätzlich wird besonders darauf geachtet, dass aufgrund der Schilderungen keine Rückschlüsse auf das betroffene Kind oder dessen Umfeld getroffen werden können. Im weiteren Fallverlauf wird der direkte Einbezug der Betroffenen angestrebt und sofern keine schwerwiegenden Gründe dagegensprechen, werden sie zum baldmöglichsten Zeitpunkt nach der Sitzung über den Einbezug der Fachgruppe Kind und Jugend informiert.

4.3 Erweiterte Fokusgruppe Schutz

Entsprechend der spezifischen Fallkonstellation können durch die Fallkoordination weitere Fachpersonen zu der Fokusgruppe Schutz hinzugezogen werden. Insbesondere sind dies Fachpersonen aus den Bereichen der frühen Kindheit, der Polizei, der Suchtprävention, der Sexualpädagogik, der Pflege, des Asyl- und Migrationswesens, des Opferschutzes, der Behindertenhilfe und der Schulbildung. Darüber hinaus kann bei Bedarf eine Fachperson der Sozialen Arbeit der Gruppensitzung beisitzen, welche die meldende Person im weiteren Fallverlauf bei der Umsetzung der Massnahmen und Empfehlungen beratend unterstützen kann (vgl. Kap. 3.4 Nachbegleitung).

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Die Fokusgruppe Schutz ist nicht Weisungsbefugt. Die Massnahmenempfehlungen sind methodisch und fachlich fundiert, für die finanzierenden Stellen jedoch rechtlich nicht bindend.

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5. Fokusgruppe Koordination

Die Fokusgruppe Koordination hilft in Form einer Helferkonferenz einen bestehenden Fall der Kinder- und Jugendhilfe effizient zu gestalten und die Zuständigkeiten der involvierten Fachpersonen zu klären. Bereits bestehende Hilfsangebote werden aufeinander abgestimmt und die Fachpersonen können sich innerhalb ihres Auftrags untereinander vernetzen und besprechen. Darüber hinaus tragen die unvoreingenommenen Gruppenmitglieder mit ihren fachlichen Rückmeldungen zu einer interdisziplinären, perspektivischen Horizonterweiterung bezüglich der weiteren Fallplanung bei. Es werden Ziele festgelegt, sowie bei Bedarf neue Massnahmen geplant und deren konkrete Umsetzung in die Wege geleitet. Die Fokusgruppe Koordination hilft insbesondere in komplexen Fällen der Kinder- und Jugendhilfe, bei denen bereits mehrere Fachpersonen von unterschiedlichsten Stellen involviert sind, eine geordnete, aufeinander abgestimmte und wirksame Hilfeplanung zu gewährleisten.

5.1 Mitglieder

Die Fokusgruppe Koordination ist interdisziplinär zusammengesetzt und besteht aus Vertretern der Disziplinen Schulpsychologie, Migrationswesen, Sozialarbeit, Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie des Rechtswesens. Darüber hinaus nehmen möglichst alle Fachpersonen, welche bereits in dem angemeldeten Fall involviert sind, an der Gruppensitzung teil. Eltern, Pflegeeltern, Verwandte, Lehrpersonen und andere Bezugspersonen sollten – sofern möglich und sinnvoll - ebenso wie die Kinder oder Jugendlichen selbst, an der Gruppensitzung teilnehmen und am Hilfeplanprozess partizipieren.

5.2 Operationalisierung

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Die Gruppensitzungen finden bei Bedarf monatlich und zu einem festgelegten Termin statt. Für das Einberufen der Fokusgruppe Koordination ist von den Sorgeberechtigten eine schriftliche Entbindung der Schweigepflicht dringend notwendig. Die Fallkoordination und der Angebotsnutzer sind für dessen Besorgung im Vorfeld der Besprechung verantwortlich. Innerhalb der ca. 90- minütigen Gruppensitzung wird mit allen Beteiligten im Anschluss an eine einleitende, transparente Falldarstellung, im dialogischen Austausch der Unterstützungsbedarf analysiert, bereits installierte Massnahmen koordiniert und weitere notwendige Unterstützungsleistungen bestimmt. Der direkte Einbezug aller involvierten Fachpersonen sowie der Betroffenen selbst wird bei der Hilfeplanung aktiv gefordert und gefördert. Soweit es sinnvoll und notwendig erscheint, können auch Teile der Gruppensitzung ohne das betroffene Kind oder den Jugendlichen durchgeführt werden. Dies wird jeweils im Vorfeld festgelegt und kommuniziert. Die Ergebnisse der Gruppensitzung werden schriftlich festgehalten und das Protokoll wird allen Beteiligten zugestellt (Vgl. Kap. 3.6 Dokumentation).9

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5.3 Erweiterte Fokusgruppe Koordination

Entsprechend der spezifischen Fallkonstellation können weitere Fachpersonen zur Fokusgruppe Koordination hinzugezogen werden. Neben den bereits in Kap. 4.3 Aufgeführten, können dies auch Fachpersonen aus den Bereichen der Sozialversicherungen oder des Bildungswesens10 sowie Vertreter der Jugendanwaltschaft oder der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde11 sein.

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Massnahmenempfehlungen mit Kostenfolgen sind für die finanzierende Stelle rechtlich nicht bindend. Z.B. Schulsozialarbeit, Schulinspektorat, Lehrpersonencoaching der PHSH 11 Z.B. bei einer bereits abgesetzten Gefährdungsmeldung 9

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6. Methodik

Bezugnahme auf das Konzept Dialogisch-systemische Kindeswohlabklärung (Prozessmanual) sowie hinzuziehen dokumentarischer Unterstützungshilfen («Werkzeugkästen», «Checklisten»). Vgl. Dialogisch-systemische Kindeswohlabklärungen. Prozessmanual. Biesel, Fellmann, Müller, Schär, Schnurr. Haupt Verlag, Bern, 2017. Oder www.kindeswohlabklaerung.ch

7. Zuständigkeit

Die Fachgruppe Kind und Jugend ist Bestandteil der Dienststelle Sport, Familie und Jugend des Erziehungsdepartements des Kantons Schaffhausen.

7.1 Mitglieder

Die Gruppenmitglieder der Fokusgruppe Schutz sowie deren Stellvertretungen werden von der kantonalen Kindesschutzkonferenz vorgeschlagen und vom Vorsteher des Erziehungsdepartementes in ihrem Amt bestätigt. Die Mitglieder der Fokusgruppe Koordination werden von der kantonalen Kindesschutzkonferenz bestimmt.

7.2 Fachaufsicht

7.3 Operativer Bereich

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Die Fachaufsicht der Fachgruppe Kind und Jugend liegt in der Verantwortung des zuständigen Dienststellenleiters. Er ist besorgt um die Umsetzung des Konzepts und berichtet bei Bedarf dem Regierungsrat über die Tätigkeiten der Fachgruppe.

7.4 Finanzierung

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Für die operativen Aufgaben der Fachgruppe Kind und Jugend ist die Fallkoordination verantwortlich. Für die Erledigung der übertragenen Aufgaben entsprechend dem vorliegenden Konzept, stehen der Fallkoordination innerhalb der Dienststelle Sport, Familie und Jugend ein Stellenpensum von 20% zur Verfügung.

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• 20 Stellenprozent • Sitzungsgeld für nicht beim Kanton angestellte Gruppenmitglieder

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Literaturverzeichnis

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BIESEL, Kay / FELLMANN, Lukas / MÜLLER Brigitte / SCHÄR, Clarissa / SCHNURR, Stefan: Prozessmanual. Dialogisch-systemische Kindeswohlabklärung. Haup Verlag, Bern. 1. Auflage, 2017.F

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