Liebe Kundinnen und Kunden, liebe Münzfreunde,
Wir hoffen, dass Sie eine schöne Weihnachtszeit verbracht haben und wünschen Ihnen alles Gute für das Jahr 2024!
Wie Sie der vorliegenden Ausgabe unserer Künker Exklusiv entnehmen können, hält der Jahresbeginn 2024 eine Reihe besonderer Höhepunkte aus dem Hause Künker für Sie bereit. Wir starteten das neue Jahr wie gewohnt mit dem Besuch der New Yorker Messe (NYINC) im Januar. Unser Team nahm dort an den Auktionen teil und präsentierte ausgewählte Highlights unserer Berlin-Auktion und aus der Kleinasien-Sammlung Dr. Kaya Sayar mit dem Schwerpunkt Lykien, die im März zur Versteigerung kommt.
Zwischen der Rückkehr aus New York und dem nächsten numismatischen Höhepunkt, der World Money Fair in Berlin, liegen knappe 2 Wochen, in denen wir uns auf unsere 400. Auktion vorbereiten, die am 1. Februar 2024 im Estrel Hotel in Berlin stattfindet. Auf den folgenden Seiten erhalten Sie einen Einblick in unser Auktions-Angebot, das wieder viele hochkarätige Stücke, u.a. ausgewählte Löser aus der Sammlung Popken, Raritäten aus Altdeutschland und den Habsburger Erblanden, britisches Großgold sowie besondere Münzen aus Italien, Polen, Russland und Übersee für Sie bereithält. Auch aus der Sammlung „Mehrfachporträts“ kommen einige besonders seltene Stücke in Berlin zur Versteigerung. Wir freuen uns über Ihren Besuch zur Besichtigung ab sofort in Osnabrück oder ab dem 30. Januar in Berlin.
Ab Freitag, 2. Februar bis Sonntag, 4. Februar heißen wir Sie herzlich an unserem Messestand auf der World Money Fair willkommen. Dort halten wir zahlreiche Münzen und Medaillen aus unserem Lager zum Verkauf bereit. Gerne beraten wir Sie zum Verkauf einzelner Stücke oder Ihrer ganzen Sammlung über unsere Auktionen. Wir freuen uns auf viele Besucher an unserem Stand!
Ab Montag, 5. Februar findet auf unserer Auktionsplattform www.elive-auction.de unsere eLive Premium Auction 401 statt, die wir Ihnen auf den Seiten 4-5 dieser Ausgabe näher vorstellen. Die eLive Premium Auction beinhaltet u.a. einen weiteren Teil der westfälischen Privatsammlung „Mehrfachporträts“ und bildet Medaillenkunst aus fünf Jahrhunderten ab. Auch diese Objekte können in Berlin ab dem 30. Januar persönlich besichtigt werden.
Im Rahmen unserer neuen Serie „Münzkabinette in aller Welt“ machen wir dieses Mal auf den Seiten 6 und 7 einen Ausflug in die bayerische Landeshauptstadt und stellen Ihnen die Staatliche Münzsammlung München vor. Diese beeindruckende Sammlung bietet einen faszinierenden Einblick in die Geschichte des Geldes und der Numismatik.
Prof. Nollé war auch im letzten Quartal 2023 wieder in ganz Deutschland unterwegs, um unsere Künker-Vorträge bei verschiedenen Münzvereinen zu präsentieren. Die Resonanz auf seine wissenschaftlichen Vorträge war jedes Mal groß und die Mitglieder der Vereine in Speyer, Hamburg und Berlin begeisterte Zuhörer. Ein Thema waren die „Numismatischen Wildschweinjagden“, das Prof. Nollé unseren Lesern auf den Seiten 8-11 näher vorstellt.
Last but not least möchten wir Ihnen auch in dieser Künker Exklusiv einen Einblick in die Arbeit des Künker-Teams geben. Dieses Mal reisen wir mit Ihnen nach Konstanz in unsere Ordens-Filiale und stellen Ihnen das Team rund um unseren Experten für Orden und Ehrenzeichen Michael Autengruber vor, das jetzt schon fleißig an der Bearbeitung der nächsten Ordens-Auktion im Herbst 2024 sitzt.
Wir wünschen Ihnen viel Freude mit der neuen Ausgabe unserer Künker Exklusiv und mit unserem Angebot in der Berlin-Auktion am 1. Februar 2024!
Dr. Andreas Kaiser
Ulrich Künker
In dieser Ausgabe
Ursula Kampmann
Termine
Ein Feuerwerk der Numismatik: Unsere 400. Auktion
Am 1. Februar 2024 beginnt die World Money Fair mit unserer 400. Auktion. Freuen Sie sich auf ein Feuerwerk an seltenen Münzen und Medaillen!
Los 2: Braunschweig und Lüneburg. Julius, 1568-1589. Löser zu 10 Reichstalern 1583, Heinrichstadt (Wolfenbüttel).
Aus Sammlung Friedrich Popken. Äußerst selten. Sehr schön. Schätzung: 50.000 Euro
ELos 55: Herzogtum Bayern. Karl Albert, 1726-1745. Doppelter Karolin 1729, München. Von großer Seltenheit. Sehr attraktives Exemplar mit herrlichem Prägeglanz, vorzüglich-Stempelglanz.
Schätzung: 20.000 Euro
Los 131: Hamburg. 1/4 Portugalöser zu 2 1/2 Dukaten o. J. (1578-1582). NGC MS61. Sehr selten. Gutes vorzüglich.
Schätzung: 20.000 Euro
Los 82: Brandenburg-Preußen.
Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, 1640-1688.
Reichstaler 1684 IE, Magdeburg. Sehr selten. Fast Stempelglanz.
Schätzung: 40.000 Euro
Los 16: Braunschweig und Lüneburg. Rudolf August, 1666-1685.
Löser zu 3 Reichstalern 1679, Zellerfeld. Aus der Sammlung Friedrich Popken. Äußerst selten. Vorzüglich.
Schätzung: 40.000 Euro
s sind 770 Lose mit einer Gesamtschätzung von mehr als 7 Millionen Euro – damit läuten wir am 1. Februar 2024 das numismatische Wochenende im Berliner Hotel Estrel ein.
Ausgewählte Löser aus der Sammlung Popken
Unsere Auktion 400 beginnt mit einem weiteren Teil der Sammlung Popken. Angeboten werden 39 Löser, darunter spektakuläre Stücke wie ein Julius-Löser von 1583, geprägt in der Wolfenbütteler Heinrichstadt (Los 2). Ein anderes prachtvolles Beispiel aus dieser Sammlung ist ein Löser zu drei Reichstalern von 1679, geprägt in Zellerfeld im Auftrag von Fürst Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel, der die Stadtansichten von Braunschweig und Wolfenbüttel zeigt (Los 16).
Raritäten aus Altdeutschland und den Habsburger Erblanden
Von Anhalt bis Württemberg und den österreichischen Standesherren reicht das Spektrum der Raritäten, die in diesem Teil der Auktion zu finden sind. Ganz gleich, welches altdeutsche Gebiet Sie sammeln, seien Sie gewiss, dass Sie in diesem Katalog ganz spezielle Entdeckungen machen werden. Flussgolddukaten, schwere Goldmünzen, seltene und historisch interessante Medaillen, spektakuläre Taler: Blättern Sie den Katalog in Ruhe durch. Sie werden Spannendes finden, wie z.B. das Prachtexemplar eines äußerst seltenen Reichstalers des Großen Kurfürsten aus dem Jahr 1684 (Los 82), den noch selteneren und früheren Taler von Wilhelm V. von Jülich-Berg (Los 149) oder den vierfachen Dukaten des Simon Heinrich von Lippe (Los 163), um nur einige wenige Beispiele zu nennen.
Los 64: Bayern. Ludwig I., 1825-1848. Dukat 1830. Donaugold. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 15.000 Euro
Los 79: Brandenburg-Preußen.
Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, 1640-1688.
Silbermedaille 1669, unsigniert, auf die Geburt des Prinzen Philipp Wilhelm. Von größter Seltenheit. Sehr attraktives Exemplar mit feiner Patina, vorzüglich. Schätzung: 10.000 Euro
Los 149: Jülich-Berg. Wilhelm V., 1539-1592. Taler o. J. (um 1540), Mülheim. Äußerst selten. Vorzüglich. Schätzung: 35.000 Euro
Los 163: Lippe. Simon Heinrich, 1666-1697. 4 Dukaten 1685 (geprägt 1685/6), Detmold. Abschlag von den Stempeln des Dukaten. Äußerst selten. Vorzüglich. Schätzung: 60.000 Euro
Los 241: Sachsen-Hildburghausen. Ernst, 1680-1715. Reichstaler 1708, Münzstätte vermutlich Coburg. Wohl das 2. bekannte Exemplar. Vorzüglich. Schätzung: 35.000 Euro
Los 281: Württemberg. Julius Friedrich, Administrator und Vormund von Eberhard III., 1631-1633. Reichstaler 1631, Stuttgart. Sehr selten. Fast vorzüglich. Schätzung: 25.000 Euro
Los 302: Römisch-Deutsches Reich. Ferdinand I. 1522-1558-1564. Goldmedaille o. J. (1531), unsigniert, auf die römische Königskrönung von Ferdinand I. und seiner Gemahlin Anna. Von größter Seltenheit. Geprägtes Original. Sehr schön-vorzüglich. Schätzung: 20.000 Euro
Los 460: Frankreich. Louis XIII., 1610-1643. Double louis d’or 1640, Paris. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 40.000 Euro
Los 494: Großbritannien. William III., 1694-1702. 5 Guineas 1701, London. Selten. NGC MS61. Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 60.000 Euro
Mehrfachporträts aus einer westfälischen Privatsammlung
Nicht nur in unserer eLive Premium Auction (siehe Artikel auf den Seiten 4 und 5) finden sich Stücke aus der westfälischen Privatsammlung „Mehrfachporträts auf Münzen Medaillen“, auch in der Auktion 400 können Sie ausgewählte Münzen aus diesem speziellen Sammelgebiet erwerben. Ein goldenes Exemplar aus Bayern, ein doppelter Karolin aus dem Jahr 1729 von Karl Albert zeigt die Brustbilder von ihm und seiner Gemahlin Maria Amalia nebeneinander (Los 55). Ein ähnliches Bild zeigt sich auf der Goldmedaille auf die römische Königskrönung von Ferdinand I. und seiner Gemahlin Anna aus dem Jahr 1531. Das Stück von größter Seltenheit hat die Losnummer 302.
Britisches Großgold
5 Guineas-Stücke gehören zu den beliebtesten Sammelobjekten, wenn es um Großbritannien geht. Unsere Auktion 400 bietet eine reiche Auswahl. Das Highlight dieser Partie entstand aber etwas später. Es handelt sich um eine Probe zum 5 Pfund-Stück von 1820 mit glattem Rand (Los 497). Insgesamt existieren von dieser Probe nur 25 Exemplare, wobei die meisten keinen glatten Rand aufweisen, sondern eine Randumschrift. Von den Proben mit glattem Rand kennt man heute nur zwei Stücke! Auf Seite 12 dieser Ausgabe beschäftigt sich Professor Nollè näher mit dem Thema Großbritannien
Italien: Von Friedrich II. bis Vittorio Emanuele III. Auch in der kleinen Serie Italien gibt es viel zu entdecken: Von mittelalterlichen Grossi in außergewöhnlicher Erhaltung über beeindruckende Renaissance-Porträts bis hin zu extrem seltenen Stücken aus der Epoche der napoleonischen Herrschaft - die Münzen spiegeln die Vielfalt Italiens, die selbst heute noch dieses Land zu einem touristischen Hotspot macht. Aber auch die Zeit nach der Einigung ist bestens vertreten mit Münzen, die nur selten zu sehen sind. Wir präsentieren Ihnen u.a. ein Beispiel aus dem Jahr 1901 (Los 553). Die italienischen 5 Lire-Stücke mussten auf Grund einer Intervention Frankreichs eingeschmolzen werden. Nur 114 Exemplare entgingen diesem Schicksal. Der von der Numismatik so begeisterte König sorgte persönlich dafür, dass sie in die Hände der damals prominentesten Münzsammler kamen.
Los 303: Römisch-Deutsches Reich. Ferdinand I., 1522-1558-1564. Silbergussmedaille 1531, nach einem Modell von Peter Flötner. Von größter Seltenheit. Originalguss. Prachtvolles Portraitstück mit feinst gravierten Brustbildern, vorzüglich.
Schätzung: 10.000 Euro
Traditionell kommen viele Münzhändler und -sammler aus dem Osteuropäischen Raum nach Berlin, um an unserer Auktion Anfang des Jahres teilzunehmen. Sie dürfen sich auf ein breites Angebot freuen, das den Rahmen des Gewöhnlichen bei weitem sprengt. Ob Polen, Tschechien, Transsylvanien oder Russland: Die Münzen und Medaillen, die aus diesen Ländern angeboten werden, gehören zu den großen Seltenheiten der Numismatik.
Beginnen wir mit unserem Beispiel aus Polen, einer Goldmedaille von Sigismund III. Wasa, jenem Schweden auf dem polnischen Thron (Los 584). Die wunderbare Medaille aus der Spätrenaissance zeigt auf der Rückseite die Taufe Christi im Jordan. Dieses Motiv war bemerkenswert für einen Herrscher, der gleichzeitig das protestantische Schweden und das katholische Polen regierte.
Beide Beispiele aus Russland, die wir hier zeigen, gehören zu den seltensten Stücken der russischen Numismatik. Beim Rubel von 1801 handelt es sich um eine Probe der Bankmünzstätte von St. Petersburg (Los 631). Der 37 1/2-fache Rubel aus dem Jahr 1902 entsprach hinsichtlich seines Feingewichts exakt 100 Francs der Lateinischen Münzunion. Er wurde in lediglich 225 Exemplaren zu Geschenkzwecken herausgegeben (642).
Los 497: Großbritannien. George III., 1760-1820. Pattern 5 Pounds 1820, London. Probe mit glattem Rand. NGC PF64CAMEO (Top Pop). Nur zwei Exemplare bekannt. Polierte Platte (Proof). Schätzung: 150.000 Euro
Los 553: Königreich Italien. Victor Emanuel III., 1900-1946. 5 Lire 1901, Rom. Sehr selten. Fast Stempelglanz. Schätzung: 50.000 Euro
Los 512: Como. Friedrich II., 1250-1280. Grosso da 6 Denari o. J. Sehr selten. Fast vorzüglich. Schätzung: 10.000 Euro
Los 523: Mailand. Karl V., 1535-1556. Testone o. H. Auf die Huldigung durch den Senat von Mailand. Sehr selten. Fast vorzüglich. Schätzung: 6.000 Euro
Los 529: Neapel und Sizilien. Joachim Murat, König von Neapel, 1808-1815. 40 Franchi 1810, Neapel. Variante ohne N.M. im Halsabschnitt. NGC AU55 (Top Pop) Äußerst selten. Vorzüglich. Schätzung: 75.000 Euro
Los 584: Polen. Sigismund III., 1587-1632. Goldmedaille zu 5 Dukaten 1596, vermutlich Posen. NGC AU58 (Top Pop). Äußerst selten. Fast vorzüglich. Schätzung: 100.000 Euro
Los 593: Polen. Thorn. 2 Dukaten 1664. PCGS MS63 (Top Pop). Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 50.000 Euro
Los 631: Russland. Alexander I., 1801-1825. Rubel 1801, St. Petersburg (Bankmünzstätte). Probe. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 100.000 Euro
Los 642: Russland. Nikolaus II., 1894-1917. 37 1/2 Rubel (100 Franken) 1902, St. Petersburg. Nur 225 Exemplare geprägt. Erstabschlag, fast Stempelglanz. Schätzung: 150.000 Euro
Los 686: Tschechien / Böhmen-Mähren. Johann von Luxemburg, 1310-1346.
Royal d’or o. J. (1337), geprägt für die Grafschaft Luxemburg. Einziges Exemplar im Handel. Vorzüglich. Schätzung: 75.000 Euro
Los 700: Tschechoslowakei. 5 Dukaten 1934, Kremnitz, auf die Wiedereröffnung des Kremnitzer Bergbaus. Originalprägung. NGC 63PL. Nur 70 Exemplare geprägt. Erstabschlag, fast Stempelglanz. Schätzung: 10.000 Euro
Für tschechische Sammler ist ebenfalls einiges geboten, so zum Beispiel zahlreiche Gedenkmünzen der Tschechoslowakei sowie ein Royal d’or von Johann von Luxemburg aus dem Jahr 1337 (Los 686). Der später blinde König, der auf dem Schlachtfeld von Crécy den Tod fand, war der Vater von Karl IV. Bei seinem Royal d’or handelt es sich um das einzige Exemplar, das sich im Handel befindet.
Beschließen wir unseren Ausflug nach Osteuropa mit einem 10-fachen Dukaten von Sigismund Rakoczi, jener schillernden Gestalt der siebenbürgischen Geschichte, der seinen Titel der Anerkennung des kaiserlichen Hofs genauso wie der des osmanischen Sultans verdankte (Los 705). Bemerkenswert ist die Waffe, die der Held des Langen Türkenkrieges führt: Es handelt sich um einen Streitkolben.
Ferner Osten und USA
Wir beenden diesen Auktionsvorbericht mit einem Blick auf die Abteilung „Übersee“. Kenner dürfen sich auf eine kleine Serie seltener und exquisit erhaltener chinesischer Münzen freuen. Aber auch Münzen aus Indonesien und Mexiko werden auf großes Interesse stoßen. Zudem bieten wir eine kleine Partie US-Goldmünzen an.
Los 705: Ungarn / Siebenbürgen. Sigismund Rakoczi, 1607-1608. 10 Dukaten 1607. NGC AU55+. Äußerst selten. Fast vorzüglich. Schätzung: 100.000 Euro
Los 719: China. Republik. 1 Dollar Jahr 12 (1923), wahrscheinlich auf die Vermählung des ehemaligen Regenten Henry Pu Yi. NGC MS61. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Schätzung: 20.000 Euro
Los 731: Mexiko. Augustin Iturbide I. 1822-1823. 8 Reales 1822, Mo/JM, Mexico City. Von großer Seltenheit. Hübsche Patina, min. Schrötlingsfehler am Rand, sehr schön-vorzüglich.
Schätzung: 10.000 Euro
Mehrfachporträts: Eine westfälische Privatsammlung
Es gibt fast so viele Sammelgebiete wie es Sammler gibt, denn jeder Sammler definiert für sich selbst, was in seiner Sammlung einen Platz finden soll. In unserer eLive Premium Auction 401 stellen wir Ihnen ein spannendes Sammelgebiet vor: Mehrfachporträts.
Am 5. und 6. Februar 2024 wird auf www.elive-auction.de ein weiterer Teil der westfälischen Privatsammlung „Mehrfachporträts“ angeboten. Seien Sie bequem vom heimischen Bildschirm aus mit dabei, wenn die Medaillen der umfangreichen Sammlung zum Ausruf kommen. Wir präsentieren in diesem Vorbericht die Geschichte von fünf Beispielen. Bitte beachten Sie, dass wir uns dabei auf seltenere Stücke konzentriert haben, die deshalb natürlich etwas höher geschätzt sind. Die Startpreise beginnen ab 50 Euro, so dass wirklich für jeden Geldbeutel etwas dabei ist. Und alle Stücke haben eine interessante Geschichte, die es zu entdecken gilt!
Ein König betritt das Schafott (Los 1059)
Los 1059: Frankreich. Silbermedaille 1793 auf die Hinrichtung von Ludwig XVI., von Conrad
Selten. Fast Stempelglanz. Schätzung: 1.500 Euro
Am Vormittag des 21. Januar 1793 wurde der Bürger Louis Capet auf den Platz gebracht, den wir heute als Place de la Concorde kennen. Rund 20.000 Menschen waren gekommen, um die Hinrichtung des einstigen Königs von Frankreich zu beobachten. Sie starrten auf die Guillotine, die genau dort stand, wo heute der große Obelisk in den Himmel ragt. Direkt hinter ihr befand sich der Sockel des einstigen Reiterdenkmals von Ludwig XIV. Die Statue selbst war bereits im August 1792 gestürzt worden. All diese Details können Sie auf einer Medaille sehen, die anlässlich der Hinrichtung des ehemaligen Königspaars wahrscheinlich in London entstand (Los 1059). Verantwortlich für die Darstellung zeichnete der Darmstädter Graveur Conrad Heinrich Küchler, der nach Großbritannien geflohen war. Er bildete auf der Vorderseite der Medaille das einstige Königspaar ab. Marie Antoinette wurde als Witwe Capet im Oktober des gleichen Jahres am gleichen Orte enthauptet. Diese Medaille ist Teil einer umfassenden
eLive Premium Auction 401 5.-6. Februar 2024
Alle Lose der eLive Premium Auction können im Rahmen der Auktion 400 in Berlin besichtigt werden
Estrel Hotel Berlin
Sonnenallee 225, 12057 Berlin, Saal B
30. Januar 2024 von 15.00 bis 18.00 Uhr
31. Januar 2024 von 10.00 bis 18.00 Uhr
1. Februar 2024 von 10.00 bis 18.00 Uhr
Medienkampagne zur Aktivierung der bürgerlichen Kräfte Europas, die von den Monarchen in allen Ländern zum Kampf gegen die Revolution aufgeboten werden sollten.
William Phips findet seinen Schatz (Los 1107)
Vergessen Sie den Fluch der Karibik! Die Numismatik hat weit bessere Geschichten auf Lager, so die des William Phips, die
Los 1107: Großbritannien. Silbermedaille 1687 auf die Bergung eines Schatzes durch William Phips, von G. Bower. Sehr selten. Sehr schön bis vorzüglich. Schätzung: 1.000 Euro
Los 1349: Ungarn. Silbergussmedaille 1526 auf den Tod Ludwigs II. in der Schlacht von Mohacs, von Christoph Füssl. Sehr selten. Scharfer Originalguss. Kleine Henkelspur. Sehr schön bis vorzüglich. Schätzung: 1.000 Euro
Los 1392: Böhmen. Einseitige, ovale Silbermedaille mit Altvergoldung auf die Krönung Friedrichs von der Pfalz 1619, von Christian Maler. Sehr selten. Original. Kleine Henkelspur. Sehr schön. Schätzung: 1.000 Euro
auf dieser Medaille erzählt wird (Los 1107). Phips, geboren in der Massachusetts Bay Colony kam aus ärmeren Verhältnissen. Er absolvierte eine Lehre als Schiffszimmermann und gewann die Liebe einer Bürgerstochter. Mit ihr versuchte er, den schwiegerväterlichen Betrieb zu einer Reederei auszubauen. Doch statt auf der geplanten Jungfernfahrt seines ersten Schoners profitables Bauholz zu transportieren, evakuierte Phips seine Mitbürger aus der brennenden Stadt. Auch seine Werft brannte nieder, und so musste er mit nichts als einem Schiff neu anfangen.
Phips entwickelte sich zu einem Bergungsspezialisten. Viele Schiffe sanken damals und rissen ihre kostbare Fracht mit in die Tiefe. Phips holte sie sich und lebte auskömmlich davon. Nun wusste die englische Marine von einem spanischen Wrack vor San Domingo, das während des jährlichen Silbertransports von der neuen in die alte Welt untergegangen war. Sie beauftragte Phips, das Silber zu bergen. Der erfolgreiche Schatzsucher brachte Silber im Wert von 300.000 Pfund nach England. Die Staatskasse freute sich über den Löwenanteil. Für Phips blieb noch genug, um selbst reich zu werden, und König Jakob II. erhob ihn in den Adelsstand.
Wir sehen diesen englischen Herrscher zusammen mit seiner Gattin Maria von Modena auf der Vorderseite der Medaille. Sie wurde auf königlichen Befehl in der königlichen Münzstätte als Geschenk hergestellt. Phips, seine Offiziere und die Unterstützer des Unternehmens erhielten auch ein Exemplar.
Die Rückseite zeigt das Schiff von Kapitän Phips, im Vordergrund ein kleines Ruderboot, von dem aus Phips mit einem Haken nach den Schätzen fischt. Darauf verweist die lateinische Umschrift, die Ovid entnommen ist: Lass deinen Haken immer baumeln.
Tu felix Austria nube (Los 1349)
Auf den ersten Blick hat das Schlachtfeld, das wir auf der Medaille mit der Losnummer 1349 sehen, nichts mit Hochzeit und Glück zu tun. Es zeigt den Clash der Kulturen: Die christlichen Ungarn auf der linken Seite, deutlich erkennbar an ihren Ritterrüstungen, kämpfen gegen die Osmanen, auf deren Schilden der Halbmond deutlich zu sehen ist. Die ungarische Kavallerie steht nicht nur den Sipahis gegenüber, sondern auch einer starken Artillerie, der die Ungarn nichts entgegenzusetzen hatten.
Bei Mohacs fiel König Ludwig II. zusammen mit einem großen Teil seines Adels. Die Türken eroberten einen großen Teil seines Herrschaftsgebiets. Der lachende Dritte war aber ein anderer. Auf Grund eines Heiratsvertrags annektierte der Habsburger Ferdinand I. das reiche Böhmen und einen Teil Ungarns. Er erhob auf den gesamten Besitz Ludwigs II. Anspruch. Den konnte er aber erst mit dem Niedergang des Osmanischen Reichs durchsetzen. Nur wenige Schlachten der Geschichte haben so weitreichende Folgen gehabt wie die Schlacht von Mohacs am 29. August 1526.
Der Winterkönig (Los 1392)
Theoretisch war Böhmen eine Wahlmonarchie, deren Landstände die Freiheit besaßen, ihren König zu wählen. Praktisch hatten sie seit 1526 nur Habsburger gewählt, so dass es einer Kriegserklärung gleich kam, als sie sich nach dem Prager Fenstersturz und dem Tod von Kaiser Matthias dazu entschlossen, den bereits gekrönten böhmischen König Ferdinand II. nicht anzuerkennen. Statt seiner holten sie sich Friedrich V. von der Pfalz. Er war als erbitterter Vorkämpfer der protestantischen Sache bekannt, und die Böhmen hofften, dass seine Gattin Elisabeth, Tochter des englischen Königs Jakob I., die Unterstützung ihres Vaters gewinnen würde. Friedrich wurde am 4. November 1619 im Veitsdom gekrönt, woran die altvergoldete Silbermedaille erinnert (Los 1392), die in der eLive Premium Auction angeboten wird. Sie zeigt auf der Vorderseite den als Winterkönig verspotteten Herrscher mit seiner Gemahlin. Auf der Rückseite heben die böhmischen Stände hervor, dass die Krönung eine gemeinsame, von Gott gesegnete Entscheidung war: Viele Hände halten die Krone. Darunter liegt das sprichwörtliche Pfeilbündel, das nicht gebrochen werden kann, solange man die Bande nicht löst und die Pfeile einzeln bricht.
triumphiert. Natürlich schrieb der Protestant Dadler dem Protestanten Gustav Adolf all diese Tugenden zu und feierte so den Sieg bei Breitenfeld als ein Gottesurteil zu Gunsten der Protestanten.
Kaiser sind auch nur Menschen (Los 2170)
Im März 1887 konsultierte der deutsche Kronprinz Friedrich einen Berliner Kehlkopfspezialisten, weil er – als starker Raucher – ständig unter Heiserkeit litt. Für einen Mann, der noch ohne Mikrophon vor großen Menschenmengen sprechen musste, ein Handikap. Die Heiserkeit entpuppte sich als Kehlkopfkrebs, gegen den weder deutsche noch englische Ärzte damals etwas ausrichten konnten. Zu dem Zeitpunkt hatte Friedrichs Vater Wilhelm I. schon seinen 90. Geburtstag hinter sich. Sein Ende war abzusehen. Deshalb hatte die Berliner Münzstätte auch schon einige Entwürfe für neue Münzen im Namen des neuen Herrschers gemacht. So ein Stempel mit dem Porträt des frisch gebackenen Kaisers und seiner Gemahlin (Los 2170). Zur Ausführung kam dieser Entwurf nie. Wahrscheinlich war Friedrichs Regierungszeit dafür zu kurz. Sein Vater starb am 9. März 1888. Er selbst am 15. Juni 1888, nachdem er noch zwei Tage zuvor unter Schmerzen den offiziellen Empfang für König Oskar II. von Schweden durchgestanden hatte. „Lerne leiden, ohne zu klagen“ ist ein Motto, das ihm heute zugeschrieben wird.
1951: Sachsen.
1.500 Euro
Tatsächlich schätzten Friedrich V. und die böhmischen Stände die Machtverhältnisse falsch ein. Friedrich musste bereits am 9. November 1620 aus Prag fliehen, nachdem sein Heer die Schlacht am Weißen Berg verloren hatte.
PR im 17. Jahrhundert (Los 1951)
Der Medailleur Sebastian Dadler (1586-1657) gehört zu den größten Künstlern unter den Medailleuren, die mit innovativen Designs die protestantische Sache propagierten. Wir könnten Ihnen ein Dutzend spannende Details auf dieser Medaille (Los 1951) zeigen, die anlässlich der Schlacht von Breitenfeld bei Leipzig am 17. September 1631 produziert wurde. Um aber den Rahmen nicht zu sprengen, beschränken wir uns auf eines.
Da stehen drei Damen unter einer mit dem Namen Gottes beschrifteten Sonne. Eine aus den Wolken kommende Hand segnet sie und sichert ihnen so die göttliche Gnade zu. Die Dame links hält ein Schwert, so dass jeder gebildete Mensch damals wusste, dass nur die Gerechtigkeit damit gemeint sein könne. Die Dame in der Mitte präsentiert eine Säule und identifiziert sich so als Beständigkeit. Die Dame rechts mit dem Lorbeerzweig symbolisiert die Gottesfurcht, so dass die Darstellung folgendermaßen gelesen werden kann: Wenn Gerechtigkeit, Beständigkeit und Gottesfurcht zusammenkommen, dann segnet sie Gott und ihre Sache
Los 2170: Deutsches Kaiserreich. Friedrich III. Probe zu 5 Mark 1888, glatter Rand, Zinn. Sehr selten. Von korrodierten Stempeln, fast vorzüglich. Schätzung: 300 Euro
Katalogbestellungen
Für Katalogbestellungen kontaktieren bitte unseren Kundenservice unter Telefon 0541 962020 oder per E-Mail unter service@kuenker.de. Außerdem können Sie die Auktionskataloge online auf www.kuenker.de studieren. Wenn Sie live am heimischen Computer mitbieten wollen, denken Sie bitte daran, sich rechtzeitig für diesen Service anzumelden.
Münzkabinette in aller Welt: Die Staatliche Münzsammlung München
München gehört zu den beliebtesten touristischen Zielen der Welt. Und das absolut zu Recht. Auch für Münzsammler ist die bayerische Hauptstadt mit ihren vielen numismatischen Highlights attraktiv. Eines davon ist die Staatliche Münzsammlung München mit ihrem eigenen Museum.
Eingang zur Staatlichen Münzsammlung München.
© Staatliche Münzsammlung München / Foto: Sergio Castelli
Kein Münchner, der am früheren Haupteingang der Residenz vorbeigeht, versäumt, einen der beiden Löwen zu berühren, die an diesem prachtvollen Portal Wache stehen. Genauso wenig sollte es der eingefleischte Münzfreund verpassen, zwischen den beiden Löwen hindurchzugehen. Denn im Innenhof liegt der Eingang zur Staatlichen Münzsammlung München, einem der bedeutendsten Münzkabinette weltweit. Der Standort des Museums ist relativ neu: Es hat hier erst seit 1963 seinen Platz. Und der könnte passender nicht sein! Denn der Ursprung der Münzsammlung wurde genau an dieser Stelle gelegt.
Das Erbe der Renaissance
In ihrem Kern geht die Sammlung nämlich auf Herzog Albrecht V. von Bayern zurück. Dieser Renaissancefürst machte aus München ein Zentrum der Kunst. Er ließ zwischen alter und neuer Residenz das Marstall-Gebäude errichten, wo er seine Kunstkammer unterbrachte. Heute kennen wir Albrechts Marstall als die „Alte Münze“, weil in den Räumlichkeiten seit dem 19. Jahrhundert die Königlich Bayerische Münzstätte tätig war.
Aber zunächst lagerten hier Albrechts Bücher, Grundstock der Bayerischen Staatsbibliothek, seine Gemälde, Kern der Alten Pinakothek, und natürlich die antiken Statuen aus dem Besitz von Hans Jakob Fugger und dem Venezianer Andrea Loredan. Doch als dieser Teil der Sammlung mit 600 Objekten zu sperrig wurde, um sie in einer Kunstkammer ordentlich zu präsentieren, ließ Albrecht V. für sie das heute noch existierende Antiquarium errichten.
In diesem wunderbaren Festsaal speisten und tanzten die herzoglichen Gäste zur Musik des Hofkomponisten Orlando di Lasso. Und viele von ihnen dürften zusätzlich das Privileg genossen haben, Albrechts Münzsammlung zu bewundern. Sie muss für die Zeitgenossen beeindruckend gewesen sein! Denn die am besten vernetzten Münzhändler ihrer Zeit – Jacopo Strada und Adolph Occo – schafften für ihn alle Seltenheiten herbei, derer sie habhaft werden konnten.
Das Antiquarium der Münchner Residenz wurde einst gebaut, um all die antiken Objekte im repräsentativen Rahmen unterbringen zu können, die die Antiquare Jacopo Strada und Adolph Occo für Albrecht V. verschafften. Foto: KW
Das Pfälzer Erbe, die Säkularisation und eine königliche Verordnung
Die Münchner Münzsammlung wuchs und gedieh – von einem größeren Aderlass durch die Schweden im 30-jährigen Krieg mal abgesehen. In ihr gingen viele weitere Sammlungen auf, so die Münzsammlung der Pfälzer Wittelsbacher, die mit Karl Theodor nach München kam. Wesentlich umfangreicher war das Erbe der Säkularisation, jener Zwangsverstaatlichung des bayerischen Klosterbesitzes mit französischem Segen. Vor der Säkularisation hatte jedes Kloster seine eigene Münzsammlung besessen. Davon wanderten nach 1803 all die Münzen, die des Bewahrens für wert gehalten wurden, in die herzogliche Sammlung.
Der „Wirkliche Hofkapelldirektor“ und Numismatiker Franz Ignaz von Streber, der schon für die Ordnung der kurfürstlichen Münzsammlung verantwortlich gezeichnet hatte, übernahm die Leitung der Institution, als das nun Königliche Münzkabinett 1807 der Akademie der Wissenschaften unterstellt wurde. Nur ein Jahr später erließ König Max I. Joseph jenes Gesetz, das Bayern so viele Hortfunde bescheren sollte: Die Bayerische Verordnung zum Schutze aufgefundener Münzen und Altertümer teilte den Besitz an Münzfunden hälftig zwischen glücklichem Finder und Bodeneigentümer, solange der Fund der Münzsammlung gemeldet wurde. Allein im 19. Jahrhundert überlebten so 330 Hortfunde.
Wo die Idee zur modernen Gedenkmünze entstand
Jener Franz Ignaz Streber ist noch für eine weitere numismatische Leistung zu preisen, die wir uns heute aus
der Numismatik gar nicht mehr wegdenken können. Zwar hatte es schon vor dem 19. Jahrhundert Münzen gegeben, die an ein spezielles Ereignis erinnerten, aber Streber schuf aus bestehenden Konzepten etwas ganz Neues. Er überzeugte Ludwig I., die Idee der französischen Histoire Métallique –Medaillen, die in regelmäßigem Rhythmus herausgegeben wurden und an die bestimmte Ereignisse erinnerten – auf die Münzprägung zu übertragen. Die Bayerischen Geschichtstaler wurden so zu den ersten Gedenkmünzen im modernen Sinne! Dieses Konzept fand weltweit sein Echo, so dass die Gedenkmünzen in der Kultur des Sammelns die Medaillen praktisch verdrängt haben.
Wohl das bekannteste Stück der Staatlichen Münzsammlung München: Das Dekadrachmon von Akragas. Es wahr viele Jahrzehnte auf den Plakaten abgebildet. Foto: KW.
Die Staatliche Münzsammlung
München heute
Bis zum Zweiten Weltkrieg war die nun Staatliche Münzsammlung München in der Alten Akademie in der Neuhauser Straße untergebracht. Glücklicherweise lagerte man vor den großen Bombenangriffen auf München nicht nur die Sammlung aus, sondern auch die Bibliothek. So entging beides der Vernichtung, als im April 1944 die Akademie von Fliegerbomben getroffen und vollständig zerstört wurde. Wie gesagt, heute ist die Staatliche Münzsammlung München in einem Innenhof der Residenz untergebracht. Sie besitzt ein eigenes Museum, in dem in einer Dauerausstellung eine winzige, aber sehenswerte Auswahl der rund 300.000 Objekte zu besichtigen ist.
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Dank seiner vielfältigen Aktivitäten ist das Münzkabinett nicht nur bei eingefleischten Sammlern sehr beliebt.
© Staatliche Münzsammlung München / Foto: Sergio
Ich würde Ihnen aber raten, zuerst die numismatische Bibliothek zu besuchen, die im Erdgeschoss untergebracht ist und von jedem interessierten Bürger genutzt werden kann. Das Besondere: Wir haben hier eine der wenigen großen numismatischen Bibliotheken, die keine Kriegsschäden zu verzeichnen hatte. Hier finden Sie nicht nur die neueste Literatur, sondern vor allem die schwer erhältlichen Bände der Vergangenheit. Allein schon die Sammlung von Auktionskatalogen, die vor dem Ersten Weltkrieg publiziert wurden, ist spektakulär!
Das sind natürlich auch die Objekte in den oberen Räumen. Lieben Sie Renaissancemedaillen? Sie werden wunderbare Originale sehen! Bevorzugen Sie die Schönheit griechischer Münzen? Ich sage nur: Akragas, Dekadrachmon. Ein perfektes Exemplar dieser großen Rarität ist nur einer der Höhepunkte der Sammlung griechischer Münzen und warb jahrelang auf dem Plakat der Staatlichen Münzsammlung München. Sie interessieren sich eher für Geschichte? Dann werden Ihnen angesichts jenes kleinen Silbermedaillons die Augen übergehen, auf dem zum ersten Mal und exakt datiert das Christogramm auf dem Helm Kaiser Konstantins zu sehen ist. Oder wollen Sie ihren Kindern zeigen, mit was Menschen früher gezahlt haben? Dank des vor kurzem getätigten Erwerbs der Sammlung Kuhn besitzt die Staatliche Münzsammlung München einen der größten Bestände an prämonetären
Ganz gleich, für was Sie sich interessieren: In München gibt es einen aufregenden Bestand!
Denn die Kuratoren der Münchner Münzsammlung waren auch in jüngster Zeit aktiv und konnten viele Neuerwerbungen tätigen. Und das ist nicht alles. 1988 wurde der Künstlerkreis der Medailleure München in der Staatlichen Münzsammlung München begründet. Hier hat die Bayerische Numismatische Gesellschaft ihr Quartier. Und zusammen mit dem Münchner Museumspädagogischen Zentrum hat die Staatliche Münzsammlung ein umfangreiches Programm entwickelt, um Kinder und Jugendliche in die Welt des Geldes zu entführen.
Immer wieder ein Muss, schon allein wegen der Sonderausstellungen
Es lohnt sich also, der Staatlichen Münzsammlung München einen Besuch abzustatten! Und zwar nicht nur einmal. Denn es gibt immer wieder neue Sonderausstellungen, zu denen sehr lesenswerte Kataloge entstehen. Zur Zeit können Sie eine Ausstellung anlässlich der 175. Wiederkehr des Jahrestages der 1848er Revolution sehen.
Und vergessen Sie den Brunnenhof nicht!
Übrigens, wenn Sie sowieso schon in der Residenz sind: Wenige Schritte vom Eingang zur Staatlichen Münzsammlung entfernt, befindet sich ein weiteres „numismatisches“ Juwel: Im angrenzenden Brunnenhof steht der Wittelsbacher-Brunnen, der höchstwahrscheinlich Franz Andreas Schega zu den FlussgötterDarstellungen auf den bayerischen FlussgoldDukaten inspirierte.
Ursula Kampmann
Ebenfalls von großer Bedeutung sind die Münzschränke der Staatlichen Münzsammlung München. Es handelt sich um schwarz-goldene Lackkabinette aus Japan, die am Münchner Hof zu Münzmöbeln umgearbeitet wurden. © Staatliche Münzsammlung München / Foto: Nicolai Kästner
Numismatische Wildschweinjagden
aus einem Gemälde von Peter
Das Wildschwein im Kampf mit dem Löwen
Der Löwe gilt uns Menschen als der König der Tierwelt, weil seine majestätische Erscheinung nahezu jeden beeindruckt. Darüber hinaus ist er aber eines der stärksten und gefährlichsten Tiere. Mit der Eleganz des Löwen, seinem sonnengelben Fell und seiner Mähnenpracht kann das oft im Schlamm wühlende und sich in ihm voller Vergnügen suhlende Wildschwein in seinem schwarzbraunen Borstenkleid nicht konkurrieren (Abb. 1). Allerdings steht es mit seiner Schnelligkeit und ungestümen Kraft wie auch mit seiner hohen Intelligenz dem Löwen an Gefährlichkeit kaum nach, besonders dann, wenn es angegriffen wird oder sonst in Rage gerät. Nicht von ungefähr gilt die Wildschweinjagd erfahrenen Jägern als eine mit hohem Risiko verbundene Unternehmung (Hull 1964, 103). Das war besonders in der Antike der Fall, in der es keine weitreichenden und durchschlagskräftigen Schusswaffen von hoher Zielgenauigkeit gab, wie sie in unserer Zeit dem Jäger zur Verfügung stehen.
um 1635, in der Alten Pinakothek München: Meleager übergibt Atalante den Schweinskopf (JN 7.2.2010).
Antike Schutzjagden
Angesichts der nahezu gleichwertigen Kampfkraft von Löwe und Eber stellte man sich schon in der Antike die Frage, wer bei einem Aufeinandertreffen beider Tiere Sieger bleiben würde?
In Homer’s Ilias (XVI 823-828) ist beschrieben, wie ein Löwe und ein Wildschwein bei einer Quelle in den Bergen sich begegnen und miteinander um das wenige Wasser streiten. Nur mit Mühe gelingt es dem Löwen, den Eber zu besiegen. In der schönen Nachdichtung der Ilias von Johann Heinrich Voss (1751-1826) lautet diese Stelle:
So wie der Löwe den unermüdlichen Eber bewältigt, wenn im hohen Gebirge die zwei um die kärgliche Quelle mutig einander bekämpfen, weil beide zu trinken gelüstet, aber das keuchende Schwein bezwingen die Kräfte des Löwen. So entriss dem Menoitiossohne, der viele getötet, Hektor, Priamos’ Sohn, mit dem Speer aus der Nähe das Leben.
In diesem homerischen Gleichnis wird Achills Freund Patroklos – er ist der Sohn des Menoitios – mit dem unterlegenen Eber verglichen, während der trojanische Held Hektor den überlegenen Löwen verkörpert.
Über eine Konfrontation von Wildschwein und Löwe erzählt auch der kleinasiatische Fabeldichter Aesop (253. Fabel). Allerdings nimmt in der Fabel dieses klugen Erziehers der Griechen die Begegnung der beiden Tiere einen völlig anderen Ausgang:
Zur Sommerzeit, wenn die Hitze einen Durst leiden lässt, kamen ein Löwe und ein Eber zu einer kleinen Quelle, um daraus zu trinken. Sie stritten darum, wer von ihnen zuerst trinken sollte. Aus diesem Grunde gerieten sie bis zum Totschlag aneinander. Als sie unversehens abließen, um Luft zu holen, sahen sie, wie Aasgeier darauf warteten, welcher von ihnen wohl fiele, um diesen dann zu fressen. Deswegen gaben sie ihre Feindschaft auf und sprachen: «Besser ist es, Freunde zu werden als Futter für Geier und Raben». (Das zeigt), dass es schön ist, üblen Streit und Eitelkeiten zu beenden, sobald sie für alle zu einem gefährlichen Ende führen.
Auf einer zwischen 520-500 v. Chr. geprägten extrem seltenen Tetradrachme des an der Ostküste der Chalkidike gelegenen Städtchen Stageira – es handelt sich um die Heimatstadt des Philosophen Aristoteles – findet sich die Darstellung eines Kampfes von Löwe und Wildschwein: Der Löwe ist auf den Eber aufgesprungen und versucht, sich in dessen Hinterteil zu verbeißen. (Abb. 2). Der Wildeber (κάπρος/ kápros) ist anscheinend das Wappentier von Stageira, was damit zusammenhängen dürfte, dass sowohl der Hafen von Stageira als auch ein vorgelagertes Inselchen Kápros hießen. Es wäre überraschend, wenn Stageira sein Wappentier in einer Situation zeigte, in der es von einem Löwen überwältigt wird. Wahrscheinlicher ist, dass es einer mythischen Tradition zufolge dem stagiritischen Eber gelang, den Löwen wieder abzuschütteln.
Den angespanntesten Kampf mit dem Wildschwein führte aber nicht der Löwe, für den es leichtere Beute als dieses wehrhafte Tier gab, sondern vor allem der Mensch. Wildschweine waren nämlich die schlimmsten Verwüster der von den Bauern angelegten und in harter Arbeit gepflegten Felder und Weinberge. In seinen ,Metamorphosen‘/,Verwandlungen‘ (VIII, 290-297) schildert der römische Dichter Ovid (43 v. – 17 n. Chr.) die Schäden, die Wildschweine der Landwirtschaft zufügten:
Bald in den Halmen zertritt die sprossenden Saaten der Eber, bald auch mäht er hinweg den Segen des klagenden Landmanns schon früh und zerstört in den Ähren das Brot, und die Tenne harret umsonst und der Speicher umsonst der verheißenen Ernte. Niedergestampft wird samt dem Geranke die schwellende Traube und mit den Ästen die Frucht der beständig belaubten Olive. Auch an den Schafen erweist er den Grimm. Nicht können sie schützen Hüter und Hund noch auch wutschnaubende Stiere das Hornvieh.
Im alten Griechenland war es die Aufgabe des Adels, diese gefährlichen Schädlinge des Acker- und Weinbaus zu bekämpfen. Nur die hohen Herren hatten die Möglichkeiten, Treibjagden auf diese klugen Tiere zu organisieren, nur sie waren im Waffengebrauch so geübt, dass sie Wildschweine erlegen konnten. Durch die Abwehr der wilden Schweine (Nollé 2001) kamen die Männer des Adels der Fürsorgepflicht für ihre Bauern nach, sicherten sich mit solchen Schutzjagden aber auch die Naturalabgaben, die die Bauern ihnen zu leisten hatten. In der griechischen Literatur stößt man immer wieder auf berühmte Wildschweinjagden.
Sehr bekannt ist die Teilnahme des jungen Odysseus an einer Eberjagd im zentralgriechischen Parnassosgebirge, das über Delphi aufragt (Homer, Odyssee XIX 428-466). Odysseus, der Sohn des Herrschers von Ithaka, war von Standesgenossen, die am Parnass in Zentralgriechenland ihren Sitz hatten, zu einer Wildschweinjagd eingeladen worden. Gerade die jungen Adligen sollten sich bei Wildschweinjagden bewähren, ihren Mut beweisen, ihre Geschicklichkeit im Waffengebrauch vorführen und dabei aristokratische Gemeinschaft
Abb. 4: Bronzemünze von Samos: ΦΟVPIA CAB TP-ANKVΛ-ΛЄΙΝΑ CЄ; drapierte Büste der Tranquillina mit Diadem n. r. // C-A-MIΩN; Ankaios stellt mit der Saufeder den Eber, der in seinen Weinberg eingedrungen ist (Elsen 108, 12.3.2011, Lot 503).
Abb. 5: Bronzemünze von Aphrodisias: AV KAI ΠO ΛI ΓAΛΛIHNOC; gepanzerte Büste des Gallienus mit Strahlenkrone n. l. // AΦPOΔICIЄ-ΩN; Adonis streckt seinen Speer dem Eber entgegen; zu seinen Füßen Adonisröschen (Numismatik Naumann 76, 7.4.2019, Lot 280).
auszeichnen sollte, konnte sich in letzter Minute vor dem anstürmenden Tier retten, indem er sich mit Hilfe seiner Lanze auf einen Baum schwang. Unter den Jägern war auch eine Frau, die schöne Atalante (Abb. 3). Ihr gelang es, dem wütenden Wildschwein mit einem Pfeil die erste Verletzung beizubringen – an seinem Ohr. Erlegt wurde der Eber von Meleager, der die wichtigste Trophäe der Jagd, den Eberkopf, an die schöne Jägerin, in die er sich verliebt hatte, verschenkte. Das führte zu einem heftigen Streit mit Meleagers Onkeln, die er im Jähzorn erschlug. Am Ende stand dann der tragische Tod des erfolgreichen Jägers, den dessen Mutter herbeiführte, weil sie der Tod ihrer Brüder schmerzte.
Ein Eber brachte auch einem frühen König der Insel Samos namens Ankaios den Tod. Ankaios galt als der Begründer des berühmten samischen Weinbaus. Als die Weinstöcke des Ankaios prächtig gediehen und er sich bereits auf einen guten Wein freute, sagte ihm ein pessimistischer Diener, er wisse nicht, ob er von diesen Trauben trinken werde und nicht zuvor zu Tode käme. Als die Trauben reif wurden, erinnerte sich Ankaios an
8: Panorama von Ephesos: Hinter den Häusern von Selçuk ragt eine rekonstruierte Säule auf und bezeichnet den Platz des Artemisions, dahinter rechts ragt der Pion/Panayir dağı auf, dann der Bülbül dağı (JN 3.10.2010).
und Zusammenhalt pflegen. Bei einer erfolgreichen Wildschweinjagd konnte ein junger Adliger beweisen, dass er die Fähigkeiten besaß, die von einem griechischen Aristokraten erwartet wurden, damit er eine erfolgreiche Herrschaft ausüben konnte. Bei der Jagd am Parnassos wurde Odysseus, als der von ihm aufgescheuchte Eber mit seinem Zahn ihm ein Stück Fleisch aus seinem Oberschenkel herausschnitt, erheblich verletzt. Davon behielt er eine markante Narbe zurück, die in seinem späteren Leben noch eine Rolle spielen sollte.
Die berühmteste Jagd war aber die Kalydonische Eberjagd, die in Westmittelgriechenland bei der Stadt Kalydon stattfand. Angeblich hatte der dortige König es versäumt, der Göttin Artemis, der Herrin der Tiere, ein Opfer darzubringen. Erbost schickte sie einen gewaltigen Eber, der das Land um Kalydon verwüstete. Das Tier war ein Leckermaul und hatte es deshalb vor allem auf die süßen Trauben abgesehen. König Oineus, sein Name bedeutet ,Weinmacher‘, lud deshalb die bedeutendsten Helden Griechenlands zu einer Jagd ein. Einige der Jäger, aber auch einige ihrer Hunde hatten weniger Glück als Odysseus. Sie wurden von dem wilden Eber getötet. Nestor, der berühmte König von Pylos, der sich Jahre später im Trojanischen Krieg
diese Weissagung, ging in den Weingarten, pflückte eine reife Traube und drückte sie über einem Becher aus. Er war gerade dabei, den Becher an seinen Mund zu führen und zu trinken, um die Vorhersage seines Dieners als Unsinn zu entlarven, als ihm gemeldet wurde, ein Eber verwüste seinen Weinberg. Er setzte, bevor er trinken konnte, den Becher wieder ab, griff seine Lanze und eilte zu seinem Wingert. Dort wurde er von dem Eber getötet. Die Moral von dieser Geschichte war das geflügelte Wort der Griechen: ,Viel kann zwischen dem Rand eines Bechers und eines Menschen Lippen liegen‘. Es warnt vor überzogenem Selbstbewusstsein und mahnt zur Demut vor dem Schicksal. Diese Geschichte ist nicht nur literarisch überliefert (Alte Kommentare zu Apollonios Rhodios von C. Wendel, I 188), sondern auch auf Münzen von Samos dargestellt (Abb. 4).
Opfer eines Wildschweines wurde auch der jugendliche Geliebte der Aphrodite, Adonis. Auf einer Münze der karischen Stadt Aphrodisias (,Stadt der Aphrodite‘) ist er im Kampf mit dem Keiler dargestellt (Abb. 5). Aus seinem Blut soll – wie Ovid in seinen Metamorphosen (X 734-739) in schönen Versen beschreibt – das blutrote Adonisröschen, eine Anemonenart, entstanden sein (Abb. 6).
Abb. 7: Bronzemedaillon von Perinthos: AV·T· K· Λ· CEΠΤΙ · CЄVHPOC · [ΠЄ]; drapierte Büste des Septimius Severus im Panzer mit Lorbeerkranz n. r. // ΦΙΛAΔЄΛΦЄIA· Π–ЄPINΘIΩN NЄ–ΩKOPΩN; Herakles bringt den Erymanthischen Eber zu Eurystheus, der sich in einem Pithos versteckt hat (CNG Triton 20, 10.1.2017, Lot 444), 41 mm.
Ein berühmter Eberjäger war Herakles, der auch an der Kalydonischen Eberjagd teilnahm. Er musste für den bösen wie feigen König Eurystheus 12 Aufgaben erledigen. Eine der schwierigsten Aufgaben war es, einen die Bauern zur Verzweiflung bringenden Eber im Erymanthos-Gebirge, das inmitten der Peloponnes liegt, lebendig zu fangen. Eurystheus rechnete damit, dass Herakles, der zum Jähzorn neigte, das gefährliche Tier entweder nicht würde fangen können oder es in seiner Wut erschlüge. Herakles aber war klug und trieb im Winter den Eber in den hohen Schnee des tief verschneiten Gebirges hinein, bis er feststeckte, packte ihn mit seinen übermenschlichen Kräften auf seinen Rücken und brachte ihn so in den Königspalast von Mykene. König Eurystheus hatte solche Angst vor dem wilden Tier, dass er sich in einem der großen Vorratskrüge (Pithoi) in seinem Palast versteckte. Die am Marmara-Meer gelegene Stadt Perinthos, die von den Griechen Herakleia (also ,Herakles-Stadt‘ genannt wurde; der heutige türkische Name Marmara Ereğlisi geht auf das antike Toponym zurück) bildet diese Heldentat des Herakles auf einer schönen Bronzemünze der Stadt ab (Abb. 7).
Gründungsjagden
In den mythischen Überlieferungen der Griechen treffen wir häufiger auf Wildschweinjagden im Zusammenhang mit der Gründung neuer Städte. Der dahinterstehende Sachverhalt ist gut nachvollziehbar. Ein Stadtgründer musste als Vorbild dafür dienen, dass die Bürger der neuen Stadt in der Lage sein würden, die Wildschweine kurzzuhalten und die Felder, die die Lebensgrundlage der neuen Ansiedlung bildeten, vor den Tieren zu schützen.
Der berühmteste Gründungsmythos, in dem eine Eberjagd eine Rolle spielt, ist der der jonischen Stadt Ephesos. Der athenische Königssohn Androklos – er war nachgeboren, erbte deshalb nicht von seinem Vater die Herrschaft über Athen und war aus diesem Grunde gezwungen, sich eine eigene Herrschaft in der Fremde aufzubauen – kam in früher Zeit mit seinen athenischen Gefolgsleuten in die Bucht von Ephesos. Die Athener waren auf der Suche nach einem idealen Siedlungsplatz, konnten diesen aber zunächst nicht finden. Sie hatten, wie dies in Griechenland üblich war, vor ihrer Ausfahrt ein Orakel eingeholt. Das hatte ihnen geweissagt, sie sollten dort eine neue Stadt gründen, wo es ein Fisch und ein Eber ihnen zeigten. Nach menschlichem Ermessen besagte der Orakelspruch, dass ihre Unternehmung keinen Erfolg haben würde. Denn wie konnten ein Wassertier und ein Landtier den Athenern einen Platz anzeigen, der für die Neugründung einer Stadt geeignet war? So siedelten Androklos und seine Männer mehrere Jahre missmutig auf einem kleinen Inselchen in der Bucht von Ephesos und dachten schon an die Rückkehr nach Athen. Eines Tages gesellte sich Androklos zu einheimischen Fischern, die auf dem der Insel gegenüberliegenden Festland sich zu Mittag Fische, die sie gefangen hatten, brieten. Einer dieser Fische war noch nicht ganz tot und schlug, als er auf den heißen Rost gelegt wurde, glühende Kohlen in die ausgetrocknete Macchia. Die ging sofort in Flammen auf und scheuchte einen Eber auf, der sich dort versteckt hielt. Androklos begriff sofort, dass das ihm gegebene Orakel in Erfüllung gehen sollte und alles nun auf ihn ankäme. Er ergriff seine Lanze und setzte dem Eber über Berg und Tal nach. Auf dem Berg Pion (heute Panayir Dağı; Abb. 8) gelang es ihm, den Eber zu erlegen. Dort gründete er das erste Ephesos, das ihm Verlauf der Geschichte mehrfach verlagert wurde. Kaiserzeitliche Münzen von Ephesos illustrieren diese Überlieferung. Auf einer Münze, die unter dem römischen Kaiser Macrinus (217-218) geprägt wurde, ist die gesamte
Abb. 9: Bronzemünze von Ephesos: Vs. AVT K M OΠЄΛ CЄOV – MAKPЄINOC CЄ; drapierte Büste des Macrinus mit Lorbeerkranz n. r. // Π-ЄI-Ω-N – ЄΦЄCIΩΝ (i. A.); das Wildschwein läuft über den Berg Pion. Im Vordergrund ein stilisierter Tempel – das Artemisheiligtum – mit Zypresse und der Berggott Pion mit dem Kultbild der Artemis auf der vorgestreckten Rechten und einem Füllhorn im linken Arm (Leu 4, 25.5.2019, Lot 434).
Abb. 10: Bronzemünze von Ephesos: • AVT • K M ANT – ΓOΡΔIANO∑ •; Gordian III. in drapierter Panzerbüste mit Lorbeerkranz n. r. // EΦE-∑IΩN – Π-PΩ-TΩN –ACIAC; Androklos jagt zu Pferde den Eber (CNG Triton 21, 8.1.2008, Lot 482).
Abb. 11: Bronzemünze von Ephesos: AVT K M OΠЄΛ CЄOVH MAKPЄINOC CЄB; Panzerbüste des Macrinus mit Lorbeerkranz n. r. // ЄΦЄ-CIΩΝ ΑΝΔΡΟ-ΚΛΟC Androklos bekämpft den Eber mit der Lanze (Helios 5, 25.06.2010, Lot 710).
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Abb. 12: Bronzemünze von Ephesos: AY M OΠЄΛ C MAKPЄINOC; Büste des Macrinus mit Drapierung und Lorbeerkranz n. r. // ЄΦЄC-I-ΩN; Eber mit Speer im Rücken läuft n. r. (Numismatik Naumann 91, 5.7.2020, Lot 912).
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Abb. 13: Bronzemünze von Ephesos:
AVT ΠΟ ΛΙΚ ΓΑΛΛ[ΙHΝΟC]; drapierte Büste des Gallienus mit Lorbeerkranz n. r. // ЄΦЄCIΩΝ - Γ ΝЄΩΚΟΡΩΝ; Androklos trägt den erlegten Eber aus dem Wald. (Leu, WebAuction 3, 25.2.2018, Lot 552).
Abb. 14: Das Amazonentempelchen von Ephesos (JN 22.5.2009).
Szenerie dieser Gründungsgeschichte wiedergegeben. Das Wildschwein läuft über den Berg Pion: Zu sehen sind ein stilisierter Tempel mit Zypresse – das uralte wie hochberühmte Artemisheiligtum von Ephesos – und der Berggott Pion mit dem Kultbild der Artemis auf der vorgestreckten Rechten und einem Füllhorn im linken Arm, das auf den verborgenen Wasserreichtum des Berges hinweist (Abb. 9). Eine weitere Bronze aus der Zeit Kaiser Gordians III. (238-244) gibt die Verfolgungsjagd des Androklos zu Pferde wieder. Der Eber ist bereits von einem Speer getroffen (Abb. 10). Auf einer weiteren Münze des Macrinus ist Androklos bereits vom Pferd abgestiegen und attackiert den Eber mit seiner Lanze (Abb. 11). Ein kleines Nominal, wiederum aus der Macrinus-Zeit, zeigt allein den von einem Speer des Androklos durchbohrten Eber (Abb. 12). Schließlich kennen wir aus der Zeit des Kaiser Gallienus (253-268) noch eine ephesische Bronze, die wiedergibt, wie Androklos den Eber aus dem Wald heraussträgt – eine Arbeit, die auch dem heutigen Jäger oftmals nicht erspart bleibt (Abb. 13). Die Eberjagd des Androklos ist auch in einem schönen ephesischen Heiligtum, das den Amazonen geweiht war, dargestellt (Abb. 14 und 15).
Auch bei der Gründung der pamphylischen Stadt Aspendos spielte nach einer Lokaltradition eine Wildschweinjagd eine Rolle (Nollé 2001, 49 mit den antiken Zeugnissen). Nach dem Trojanischen Krieg (um 1200 v. Chr.) sollen griechische Helden über das Taurosgebirge in die weite Ebene Pamphyliens vorgedrungen sein. Unter ihnen war auch der griechische Held Mopsos, ein Sohn des Apollon. Als er eines Tages in den Sümpfen an der Mündung des Flusses Eurymedon (heute Köprü Çayı) jagte, gelang es ihm, einen riesigen Eber zu erlegen. Er hatte der dortigen Ortsgottheit, den Zwillingsaphroditen (Abb. 16), seine Erstlingsbeute feierlich gelobt. Deshalb opferte er den erlegten Eber auf jenem Tafelberg, auf dem er dann die Stadt Aspendos gründete. Die frühen Silberstatere von Aspendos bilden den zu Pferd jagenden Mopsos – die Pferde von Aspendos war wegen ihrer Schnelligkeit und Ausdauer berühmt – und den von seinem Speer getroffenen Eber ab (Abb. 17).
Die Wildschweinjagden des Kaisers Hadrian
Der römische Kaiser Hadrian war ein Verehrer der griechischen Kultur und ein leidenschaftlicher Jäger. Die
Jagdheroen des griechischen Mythos waren seine Vorbilder, und überall im Reich unternahm er in Ausübung seiner kaiserlichen Pflichten Schutzjagden zum Wohle der Bauern wie auch zum eigenen Vergnügen. Er erlegte gewaltige Bären und gefährliche Löwen, jagte aber auch die schädlichen Wildschweine. Der griechisch-römische Historiker Cassius Dio (LXIX 10, 3) unterstreicht die Gewandtheit Hadrians bei der Jagd:
Hadrian war ein so geschickter Jäger, dass er einmal sogar einen großen Eber mit einem einzigen Streich zur Strecke brachte.
Auf eine Eberjagd weisen auch die berühmten hadrianischen Rundreliefs (Tondi), die später im Konstantinsbogen verbaut wurden und den Kaiser bei der Verfolgung eines Ebers zeigen (Abb. 18 und 19). In einem Grabgedicht auf Hadrians Pferd Borysthenes (der Name bedeutet: ,Vom Djnepr stammend‘) wird ebenfalls die Wildschweinjagd thematisiert (Geist - Pfohl 1976, 153 f. Nr. 404):
Borysthenes, alanisches, kaiserliches Pferd, das über Wassertümpel und Morast und über Hügel und Buschwerk zu fliegen pflegte gegen die pannonischen Eber. Kein Eber wagte es, mit weißglänzendem Zahn seinem Verfolger zu schaden. Wohl aber benetzte es mit Schaumflocken aus dem Maul seine Schwanzspitze, wie es nun einmal geschieht. Aber ungebrochen in seiner Jugend, unverletzt in seinen Gliedern, ist es an dem ihm bestimmten Tag gestorben; in diesem Acker liegt es.
Ein seltenes römisches Bronzemedaillon hat Hadrians Schweinsjagd auf seinem Borysthenes verewigt (Abb. 20; vgl. Mittag 2012, 95).
Eine Schlussüberlegung
Die antiken Münzen belegen immer wieder, dass es bei den Saujagden in antiker Zeit vornehmlich um Schutzjagden ging. Die Landwirtschaft musste vor diesen Tieren geschützt werden, zumal sie nicht so produktiv war wie unsere und Hunger oftmals die Folge von Zerstörungen der Felder sein konnte. Die Jagd auf Wildschweine war nicht einfach und endete gar nicht so selten tödlich. Das Wildschwein war ein gefährlicher Feind des Menschen.
In unserer Zeit werden von Menschen, die die Realitäten des Lebens nicht sehen wollen, ganz abwegige, nicht selten menschenfeindliche Vorstellungen entwickelt. Ein goldenes 100-Euro-Stück aus der Münzserie ,Österreichisches Wildleben‘, das auf der Vorderseite einen Keiler, auf der Rückseite aber eine Bache mit ihren Frischlingen zeigt, konfrontiert uns mit einem idyllischen Bild vom Schweineleben (Abb. 21). Es passt in eine Zeit, wo radikal ideologisierte und nicht zu einer Gesamtschau der Wirklichkeit neigende Tierschützer sich wenig um die von den wilden Schweinen (oder Wölfen) verursachten Flurschäden scheren und gar nicht so selten Jäger als Tiermörder bezeichnen. Aber mittlerweile verwüsten Horden von Wildschweinen nicht nur unsere Felder und Weinberge, sondern dringen immer häufiger in unsere Städte ein und bringen uns die Realitäten der Natur und des Lebens näher, als uns lieb ist: Tatsächlich, „Wir sind umzingelt von Wirklichkeit“, wie es in diesen Tagen ein deutscher Politiker bedauernd formuliert hat. Was für eine Einsicht! Blicke in die Geschichte, wozu auch Münzen erheblich beitragen können, würden uns helfen, schmerzliche Irrwege bei der Einschätzung der Realität vorausschauend zu vermeiden.
Johannes Nollé
Geist – Pfohl 1976: H. Geist – G. Pfohl, Römische Grabinschriften, München 21976. — Hull 1964: D.B. Hull, Hounds and Hunting in Ancient Greece, Chicago/London 1964. — Mittag 2012: P.F. Mittag, Römische Medaillons. Caesar bis Hadrian, Stuttgart 22012. — Nollé 2001: J. Nollé, Die Abwehr der wilden Schweine. Schwarzwildjagden im antiken Lykien, München 2001.
Abb. 16: Bronzemünze von Aspendos: ΔΟΜΙΤΙΑΝΟC – KAICA[P]; Kopf des Domitian mit Lorbeerkranze n. r. // ACΠЄΝ-ΔΙωN; die Aphroditai Kastnietides mit Götterkronen und Schleiermänteln in Vorderanssicht (Roma E-Sale 112, 7.9.2023, Lot 751).
Abb. 15: Die Wildschweinjagd des Androklos auf einem Relief aus dem Amazonentempelchen von Ephesos, jetzt im Museum von Selçuk (JN 22.5.2009).
Abb. 17: Silberdrachme von Aspendos mit zwei Gegenstempeln, 5./4. Jhdt. v. Chr.: Mopsos mit erhobenem Speer n. l. reitend // EΣΤFE; das n. r. davonlaufende Wildschwein (Künker 347, 22.3.2021, Lot 752).
Abb. 20: Römisches Bronzemedaillon: HADRIANVS – AVGVSTVS; drapierte Büste des Kaisers Hadrian mit Lorbeerkranz n. r. // COS III P P; Hadrian attackiert auf seinem Pferd Borysthenes einen Eber (Hirsch 355, 12.2.2020, Lot 2130).
Abb. 21: Republik Österreich, 100 Euro in Gold, 2014: Eber / Bache mit Frischlingen (JN 25.1.2016).
Abb. 18: Rom: Konstantinsbogen (JN 10.1.2012).
Abb. 19: Rom: Konstantinsbogen, Tondo mit der Darstellung einer Eberjagd Hadrians (JN 10 .1.2012).
Künker gibt zwei seltene Goldmünzen an das
Museum Grand Curtis in Lüttich zurück
Diebstahl ist ein weit verbreitetes Delikt, von dem auch Museen nicht verschont bleiben. Der hier geschilderte Fall liegt mehr als 40 Jahre zurück: Im Jahr 1980 sind Einbrecher gewaltsam in das Lütticher Museum Grand Curtis eingedrungen und haben alle Münzen aus den Vitrinen der Dauerausstellung gestohlen. Niemand weiss bis heute, welche Objekte abhandengekommen sind, weil eine Fotodokumentation der ausgestellten Münzen nicht vorhanden war bzw. ist. So war es eher einem Zufall und der Aufmerksamkeit unseres Kollegen M. Druso Franceschi aus Brüssel zu verdanken, dass zwei seltene Goldmünzen des Bistums Lüttich als Eigentum des Museums identifiziert werden konnten. Der Numismatiker Druso Franceschi betreibt mit Engagement seinen Münzhandel, den er von seinem Vater übernommen hat.
Und so rief er nach Erhalt unseres Auktionskataloges 331 im Januar 2020 seinen Kollegen Fritz Rudolf Künker an und teilte ihm folgende bedauerliche Situation mit: Durch einen Vergleich
von Fotos aus seinem Archiv mit den Fotos der Losnummern 770 und 771 aus der Berlin-Auktion 331 konnte Franceschi klar erkennen, dass die angebotenen Lütticher Raritäten aus dem Einbruchdiebstahl in das Museum Grand Curtis stammen mussten.
Es handelte sich zum einen um einen sog. Griffon d´or o.J. aus Lüttich, der unter Fürstelekt Johann von Bayern (1389-1418) geprägt worden war. Die Münze ist von großer Seltenheit und mit „sehr schön“ im Auktionskatalog beschrieben worden. Ihr Schätzwert betrug 5.000 Euro (vgl. Los 770, Auktion 331 vom 30. Januar 2020 in Berlin).
Bei der zweiten aufgefallenen Münze handelte es sich um eine Couronne d´or o.J. aus Lüttich, ebenfalls unter Johann von Bayern geprägt. Dieses Stück war im Katalog von unseren Numismatikern mit „sehr schön“ und von großer Seltenheit beschrieben worden und hatte eine Schätzung von 7.500 Euro (vgl. Los 771, A 331).
Fritz Rudolf Künker reagierte sofort: Er zog beide Losnummern aus der Auktion zurück und schaltete die Polizei ein.
Die Polizeibehörden in Belgien und Deutschland haben den Vorschlag von Fritz Rudolf Künker akzeptiert, die beiden Münzen persönlich an das Museum in Lüttich zurückzugeben. Durch die Pandemie hat es leider bis zum Jahr 2023 gedauert, bis die Konservatorin Carmen Genten die Goldmünzen entgegennehmen konnte. Die Freude war allerdings nicht minder groß, als Fritz Rudolf Künker persönlich das Museum besuchte und die Münzen ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben konnte.
Anhand dieses Falles in Belgien kann man erkennen, welche Bedeutung eine fotografierte und vor allem digitale Archivierung von Objekten in einem Museum hat und wie wichtig es ist, dass viele Münzkabinette bereits digitale Kataloge besitzen. Zum Teil sind sie sogar öffentlich sichtbar, wie zum Beispiel der interaktive Katalog des Münzkabinettes
der Staatlichen Museen zu Berlin, kurz IKMK. Hier können alle Objekte online angesehen und nach Münzstätten, Fundorten oder Schlagworten gesucht und gefunden werden. Auch das Archäologische Museum in Münster hat bereits ein digitales Münzkabinett, in dem man die Münzsammlung der Universität Münster online erkunden kann. Es lohnt sich, dort einmal vorbeizuschauen.
Auktion 331, Los 770 Belgien. Lüttich . Johann von Bayern, 1389-1418. Griffon d'or o. J., Lüttich. Von großer Seltenheit. Min. berieben, sehr schön.
Auktion 331, Los 771 Belgien. Lüttich . Couronne d'or o. J., Lüttich. Von großer Seltenheit. Sehr schön.
Hier geht es zum interaktiven Katalog des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin.
Hier geht es zur Münzsammlung der Universität Münster im digitalen Münzkabinett des Archäologischen Museums in Münster.
Mit den Augen eines Historikers: Der britische goldene Doppelflorin von 1868
In der kommenden Auktion 400, die am 1. Februar 2024 zum Ausruf kommt, können wir Ihnen eine grandiose Auswahl schöner und extrem seltener britischer Goldmünzen anbieten. Selbstverständlich sind die beiden 5 Guinea-Stücke William III. (Los 491 und Los 494) – eines zeigt ihn zusammen mit Mary Stuart – wie auch die beiden 2 Guinea-Stücke von William und Mary (Los 492) sowie von Queen Anne (Los 495) äußerst attraktiv. Die 5 Pfund-Probe mit dem Bildnis Georges III. und dem Pistrucci-St. Georg (Los 497) ist eine Münze, die nicht so schnell wieder, wenn überhaupt noch einmal, in einer Auktion zu erwerben sein wird. Dann ist da noch die extrem seltene Familienmedaille zu 65 Dukaten (230,88 g Gold) mit den Konterfeis Georges II. und seiner Frau Wilhelmine Karoline Charlotte von Braunschweig-Calenberg-Hannover (Los 496); auf ihrer Rückseite sind deren Kinder, in der Mitte der Prince of Wales, abgebildet. Hinzu kommen noch viele wunderbar erhaltene große Goldstücke von Victoria, Edward VII. und George V. Für den Historiker ist aber auch ein extrem seltener, hervorragend erhaltener goldener Doppelflorin – eine Probe – äußerst interessant (Los 502). Unter den GroßbritannienMünzen dieser Auktion ist diese Münze mit nur 15mm
Auktion 400, Los 502: Victoria, 1837-1901. 2 Florins (5 Francs) 1868, London, von W. Wyon. Probe (Pattern) mit geriffeltem Rand. NGC PF63+ ULTRA CAMEO. Von größter Seltenheit. Polierte Platte.
Schätzung: 20.000 Euro
Durchmesser und einem Gewicht von nur 1,63 g die kleinste Goldmünze. Sie zeigt auf der Vorderseite das Porträt von Queen Victoria mit Diadem und der üblichen Titulatur: VICTORIA, D(ei) G(ratia) BRITANNIAR(um) REGINA, F(idei) D(efensatrix)/Victoria von Gottes Gnaden, Königin der Britannien, Verteidigerin des Glaubens.
Die Rückseite zeigt in einem Kranz die Legende DOUBLE | FLORIN | 1868. Über dem Kranz steht 5 FRANCS, unter ihm INTERNATIONAL. Die Gleichsetzung des doppelten Goldflorins mit 5 französischen Francs dürfte für die meisten von uns völlig unverständlich sein. Hinter diesem merkwürdigen Entwurf einer kleinen Goldmünze steckt große Geschichte.
Während der Französischen Revolution, im Jahre 1795, war in Frankreich die Währung auf das Dezimalsystem umgestellt worden, das den Umgang mit Geld erheblich vereinfachte: Ausgangspunkt der Währung war der Franc zu 100 Centimes. In England hatte sich hingegen ein kompliziertes Währungssystem herausgebildet, das teilweise auf dem Duodezimalsystem beruhte, in dem ein Pfund den Wert von 240 Pence hatte, 1 Schilling den von 12 Pence. 20 Schillinge entsprachen einem Pfund. Seit den späten 40er Jahren des 19. Jhdts. gab es in Großbritannien Debatten, ob man nicht auch im Vereinigten Königreich das leichter handhabbare Dezimalsystem verwenden sollte. Einen Ansatz dazu bildete die Einführung der silbernen Florins, eines 2 Schilling-Stückes. Dieses machte 1/10 des Pfunds aus. Der Silber-Florin sollte das 2 1/2 Schilling-Stück, die sogenannte Half-Crown, ersetzen.
Zwischen 1850 und 1874 wurde keine Half-Crown mehr geprägt (vgl. Seaby 1990, 155 f.).
Am 23. Dezember 1865 hatten sich Frankreich und seine angrenzenden Nachbarländer Belgien, die Schweiz und Italien zu einem lockeren Währungsverbund zusammengeschlossen, der zunächst die auf dem Dezimalsystem beruhenden Münzstandards dieser Länder nach dem Vorbild des französischen Franc vereinheitlichen sollte. England hatte die Initiative seines Rivalen Frankreich zunächst nur mit Spott bedacht und die Währungsunion als ,Latin Monetary Union‘ bezeichnet und damit ausdrücken wollen, dass dieser Währungsverbund auf einen kleinen Kreis ,lateinischer‘ Staaten in Mitteleuropa beschränkt bleiben würde und auch sollte. Großbritannien fürchtete einen Machtzuwachs von Frankreich.
Die französische Seele dieses Währungsverbundes, der Jurist, Ökonom und Politiker Félix Marie Louis Pierre Esquirou de Parieu (1815-1893), hatte zwar auch die Vorteile Frankreichs bei der Währungsunion im Auge, strebte aber eine gemeinsame europäische Wirtschafts- und Friedensordnung an. Er plädierte sogar dafür, diese Währung ,Europe‘ zu nennen. Damit wurde er gedanklich zum Vater des Euros. 1867 lud er
zu einer Konferenz nach Paris ein, an der auch Großbritannien teilnahm. Dort wurde angeregt, dass die goldene 5 FrancsMünze die Grundlage dieses Währungssystems sein sollte. In Großbritannien gab es zahlreiche Befürworter für die Teilnahme an der Währungsunion. Sie fürchteten, dass Großbritanniens Handel mit dem Kontinent leiden könnte, wenn es sich nicht an der Währungsunion beteiligte. In Großbritannien durchgesetzt haben sich aber die Kritiker der Währungsunion, die mit Frankreich rivalisierten und die Kosten für die Umstellung des Währungssystems scheuten. Großbritannien, das damals auf dem Höhepunkt seines Wohlstandes und seiner Macht stand, schloss sich der Lateinischen Münzunion nicht an und zählte bis zum 15. Februar 1971 sein Geld traditionell. Erst dann wurde das Dezimalsystem eingeführt. Seinen Widerstand gegen eine europäische Währungsunion hat es bis heute bewahrt.
Der italienische Ökonomieprofessor Luca Einaudi (Einaudi 2000) hat in einem grundlegenden Aufsatz über die Lateinische Währungsunion zu zeigen versucht, dass es in Großbritannien ernsthafte Überlegungen gab, diesem Verbund beizutreten. Er widerspricht damit anderen Gelehrten. Der goldene Doppelflorin ist der wichtigste Beweis dafür, dass er die Situation richtig eingeschätzt hat. Vorstellungen,
der Währungsunion beizutreten, hatten sogar materielle Gestalt angenommen, wie dieses Probestück zeigt. Da es aus den oben genannten Gründen nicht dazu kam, sind nur wenige Probestücke ausgemünzt worden und noch viel weniger erhalten geblieben. Leider hat Einaudi diese seltene Münze nicht in seine Überlegungen einbezogen. Selbst für die moderne Geschichte können Münzen extrem wichtige Zeugnisse sein und sollten deshalb mehr Beachtung finden.
Die goldene Doppelflorin-Probe ist demnach eine historisch wichtige Münze, die nicht nur mit einem dramatischen Geschehen in ihrem Prägejahr zu tun hat, sondern weit über 1868 hinausweist. Dieses Goldstück ist aufs Engste mit den Jahren 1999/2002 verbunden – mit jenen Jahren, in denen der Euro eingeführt wurde.
Johannes Nollé
Einaudi 2000. L.L. Einaudi, From the Franc to the ,Europe‘: The Attempted Transformation of the Latin Monetary Union into a European Monetary Union, 1865-1873, The Economic History Review, NS 53,2, 2000, 284-308.
Seaby 1990. P. Seaby, The Story of British Coinage, London 21990 (1985).
Künker-Vorträge in Speyer, Hamburg und Berlin
Im Rahmen unserer Förderung numismatischer Vereine hielt Professor Johannes Nollé Vorträge in Speyer (5. Juli 2023), Hamburg (19. September 2023) und Berlin (21. September 2023).
Abb. 1: Künker-Auktion 158, 28. September 2009, Los 295. Stater von Aspendos, ausgehendes 5./beginnendes 4. Jhdt. v. Chr.: Ringer // Schleuderer, im Feld Pferdevorderteil und Helm.
In dem Vortrag, zu dem Professor Nollé am 5. Juli 2023 nach Speyer reiste, trug er aus dem weiten Thema ,Pferde auf Münzen‘ über Pferde und Pferdezucht im kleinasiatischen Taurosgebirge vor. Vielen Sammlern des Speyrer Vereins, dem Dr. Wolfgang Dreher vorsteht, waren die zahlreichen Städte im Einzugsgebiet dieser Bergkette aufgefallen, die bronzenes Kleingeld mit Pferdedarstellungen prägten, z.B. Arykanda in Lykien, Termessos in Pisidien, Aspendos in Pamphylien oder Kaisareia in Kappadokien. Der Name Aspendos wird von den Sprachwissenschaftlern als ,Pferdestadt‘ gedeutet, was nicht verwundert, wenn man die literarische Überlieferung kennt, dass Aspendos dem persischen Großkönig Pferde als Tribut zu leisten hatte. Das Vorderteil eines Pferdes fungierte geradezu als Wappen der Stadt nicht nur auf ihrem bronzenen Kleingeld, sondern kommt auch auf ihren Stateren und den in Aspendos (Abb. 1) ausgemünzten Alexander-Tetradrachmen vor. Es gibt auch eine Reihe von Reitergottheiten, die auf Münzen von Südkleinasien abgebildet sind. Auch das mythische Flügelpferd Pegasus stammt aus der kleinasiatischen Mythologie und ist eng mit den Götterbergen des Tauros verbunden. Ehe die Griechen es übernahmen, war das Piḫaššašši -Pferd der Blitzträger des luwischen Gewittergottes. Die Griechen, die seinen Namen nicht verstanden, machten es zu einem Pferd, das mit seinem Huf Quellen zum Sprudeln brachte. Sie verbanden nämlich den Namen Pegasos mit dem griechischen Wort für Quelle (pegé). Weil es auch auf dem Musenberg Helikon mit seinem Huf eine Quelle aus dem Fels schlug, wurde Pegasos zum Musen- und Dichterpferd. Heute ist es in den Giebeln vieler Theater und Opernhäuser dargestellt. In einer der nächsten Ausgaben der Künker Exklusiv wird Johannes Nollé diesen Vortrag unseren Lesern nahebringen.
Vor dem Verein der Münzenfreunde in Hamburg trug Johannes Nollé am 19. September 2023 über ,Wildschweine auf Münzen‘ vor. Der Vorsitzende des Vereins, Dr. Ralf Wiechmann, hatte sich diesen Vortrag gewünscht, als in Berlin ein Löwe von
sich reden machte, der sich schließlich als ein Wildschwein entpuppte. Johannes Nollé stellt unseren Kunden, die den Vortrag in Hamburg nicht hören konnten, einige Aspekte des Zusammenlebens von antiken Menschen mit dem Schwarzwild vor. Sie finden den Artikel „Numismatische Wildschweinjagden“ auf Seite 8 dieser Ausgabe.
Zwei Tage nach dem Vortrag in Hamburg war Johannes Nollé im Berliner Münzkabinett bei Professor Bernhard Weisser zu Gast. Mit dem Direktor des Berliner Münzkabinetts verbindet ihn eine lange Freundschaft, seitdem er dessen Dissertation – die die kaiserzeitlichen Münzen von Pergamon, grundlegend katalogisiert und ausgewertet hat – mitbetreut hat. In einem Online-Vortrag diskutierten beide Numismatiker zwei Herangehensweisen an antike Münzen, die man als die Imhoof-Blumersche und Robertsche Methode bezeichnen kann. Imhoof-Blumer (1838-1920, Abb. 2), der bedeutende Schweizer Sammler und Numismatiker, hat die Erforschung der kleinasiatischen Stadtmünzen durch seine Katalogwerke und Aufsätze einen enormen Schritt vorangebracht. Er versuchte vor allem durch eine möglichst vollständige Erfassung des Materials die Bilder und damit die Aussagen der Münzen zu verstehen. Ein wichtiger Teil seiner Sammlungen befindet sich heute im Berliner Münzkabinett. Der französische Historiker, Archäologe, Epigraphiker und Numismatiker Louis Robert (1904-1985, Abb. 3), der vor allem die griechische Inschriftenkunde (Epigraphik) aus dem Mittelalter in die Neuzeit katapultiert hat, war auch als Numismatiker von weitreichender Wirksamkeit und Bedeutung. Sein Angang an das antike Geld bestand darin, alle verfügbaren Dokumente – literarische Schriftquellen, die Zeugnisse der Inschriften und Papyri, archäologische Monumente und Befunde – verbundenen mit einer intimen Ortskenntnis für das Verständnis der Münzen nutzbar zu machen. Welche Erfolge damit zu erzielen sind, hat er vor allem in seinen Büchern ,A travers l’Asie Mineure. Poètes et prosateurs, monnaies grecques, voyageurs et géographie (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 239), Athen/
Paris 1980‘ und ,Documents de l’Asie Mineure, Athen/Paris 1987‘ vorgeführt. Er hat auch gezeigt, dass Fundmünzen für die Identifizierung antiker Ruinenstätten von Bedeutung sein können: ,F. Delrieux, Les monnaies du Fonds Louis Robert (Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Mémoire 45), Paris 2012‘. Dieser Forschungsansatz ist für das Berliner Münzkabinett wichtig, das sich im Augenblick der Aufarbeitung seiner Münzen aus Mysien und der Troas widmet. Das Problem der Robertschen Methode – darin waren sich Bernhard Weisser und Johannes Nollé am Ende einig – besteht vor allem darin, dass es eine umfassende und zugleich in die Tiefe gehende Beherrschung der verschiedenen Disziplinen der Klassischen Altertumswissenschaften voraussetzt und somit mit seinen enormen Anforderungen auch abschreckend wirken kann.
Wir müssen dankbar für jeden Beitrag zur Numismatik sein, ganz gleich ob er von Seiten der Berufsnumismatiker, die an Universitäten, Forschungsinstituten oder Museen wirken, der Sammler oder des Handels kommt. Wir sind schon wenige genug!
Das Eisenbahnunglück von Borki
Am 29. Oktober 1888 entgleiste nahe dem russischen Borki der kaiserliche Zug. 23 Menschen kamen ums Leben. Die Familie des Zaren überlebte. Eine Medaille erinnert an das Geschehen. Sie wird am 1. Februar 2024 im Rahmen unserer Berlin-Auktion 400 versteigert.
Es dürfte wohl die ungewöhnlichste Medaille der russischen Numismatik sein: Jene Medaille, die anlässlich des Zugunglücks von Borki am 29. Oktober 1888 geprägt wurde. Sie zeigt die kaiserliche Familie, allerdings nicht in der üblich repräsentativen Pose, sondern ganz privat in Reisekleidung. Im Rahmen unserer Berlin-Auktion 400 wird diese fast stempelglänzende Medaille am 1. Februar 2024 mit einer Schätzung von 6.000 Euro zur Versteigerung kommen. Während die Bronzevariante der Medaille immer wieder zu sehen ist, sind Stücke in Silber ausgesprochen selten.
Auktion 400, Los 641.
Vorderseite der russischen Silbermedaille von 1888. Äußerst selten. Fast Stempelglanz.
Schätzung: 6.000 Euro.
Ein sorgfältig komponierter Schnappschuss
Auch wenn die Szenerie wirkt, als sei sie ein zufälliger Schnappschuss, der nach dem Unglück von der Familie aufgenommen wurde, ist sie sorgfältig komponiert. Im Zentrum des Geschehens steht Zar Alexander III. Er trägt einen langen Militärmantel und eine Schirmmütze. Seinen Arm legt er schützend um seine Gemahlin Maria Fjodorowna. Rechts steht der Thronfolger, Zarewitsch Nikolaus, der spätere Nikolaus II. Er legt seinen Arm schützend um seine dreizehnjährige Schwester Xenija. Links finden wir den siebzehnjährigen Georgi, im Vordergrund die beiden jüngsten Kinder – zum Zeitpunkt des Eisenbahnunglücks 10 bzw. 6 Jahre alt. Sie dürfen sich auf dieser Medaille ausnahmsweise ihrem Alter gemäß verhalten: Der kleine Michail, in der Familie Floppy genannt, versenkt störrisch die Hände in den Kitteltaschen und schaut geschockt ins Leere. Olga, die Jüngste, läuft mit wehenden Haaren und fliegendem Röckchen zum Papa, um sich trösten zu lassen.
Wie hervorragend der an der kaiserlichen Münzstätte in St. Petersburg tätige Avenir Grigorjewitsch Griliches die Balance zwischen ungezwungen und repräsentativ gehalten hat, erkennt man, wenn man die Darstellung mit einer nur wenig später entstandenen Fotografie vergleicht.
Das Eisenbahnunglück von Borki
Wie aber war es zu diesem schrecklichen Unfall gekommen? Mitte Oktober begab sich der Zar mit seiner Familie von der Sommerresidenz auf der Krim nach St. Petersburg. Dafür wurde der kaiserliche Zug wie gewöhnlich zusammengestellt. Ihn zogen zwei Dampflokomotiven. Das war nötig, weil seine 15 Waggons mit ihren 64 Achsen wesentlich mehr Gewicht auf die Schienen brachten als jeder Personenzug. Um keine
Kompromisse hinsichtlich der Geschwindigkeit einzugehen, war die hohe Zugkraft notwendig.
Am 29. Oktober – dem 17. Oktober nach Julianischem Kalender – passierte der Zug den Streckenabschnitt zwischen Charkow und Rostow. Nahe dem Bahnhof Borki befuhr er mit 68 Stundenkilometern eine leicht abfällige Strecke, die über einen etwa 10 Meter hohen Eisenbahndamm führte. Dabei entgleiste der Zug. Die Wagen zwei bis acht stürzten in die Tiefe.
Ein Wunder? Eine Heldentat?
Zum Zeitpunkt des Unglücks befand sich die kaiserliche Familie im Speisewagen und frühstückte. Zarin Maria Fjodorwna beschreibt, was dann geschah: „Gerade in dem Moment, als wir beim Frühstück saßen, verspürten wir einen starken Schlag und gleich darauf einen zweiten, woraufhin wir uns alle auf dem Boden fanden und alles um uns herum zu schwanken, zu fallen und zusammenzubrechen begann. Alles stürzte ein und krachte wie am Jüngsten Tag! In letzter Sekunde sah ich Sascha, der mir gegenüber an dem schmalen Tisch saß und dann zusammenbrach ... In diesem Moment schloss ich instinktiv meine Augen, damit ich nicht die Glasscherben und alles andere, was da herunterfiel, abbekam. Alles rumpelte und knirschte, und dann herrschte plötzlich so eine Totenstille, als ob niemand mehr am Leben sei.“
Tatsächlich hatte die kaiserliche Familie enormes Glück. Es war geradezu ein Wunder, dass sie mit leichten Prellungen, Schürfwunden und Kratzern aus dem umgestürzten Wagon kroch.
Foto der kaiserlichen Familie, ca. 1889, aufgenommen von Sergej Lvovich Levitsky.
Direkt vor dem Speisewagen befanden sich Küchen- und Servierwagen. Ihre Insassen wurden völlig zerschmettert und verstümmelt aus den Trümmern geborgen. 21 Menschen starben noch am Ort des Unglücks. 68 wurden schwer verletzt, zwei davon so schwer, dass sie kurz danach starben.
Während die Verletzten versorgt und die Toten identifiziert wurden, war der zweite königliche Zug bereits auf den Weg nach Borki, wo er in der Nacht ankam. Er brachte die kaiserliche Familie direkt nach St. Petersburg.
Bald machte eine Legende die Runde, wie sie auch Sergej Witte überliefert, der mit der Untersuchung der Unfallursachen betraut wurde. Er schreibt: „Obwohl einige Passagiere verletzt wurden, entkamen der Zar und seine Familie unverletzt. Tatsächlich wären der Zar und seine Familie wohl gestorben, wenn er [gemeint ist der Zar] nicht so unglaublich stark gewesen wäre. Sie waren im Speisewagen, als dessen Dach zusammenbrach. Aber er war fähig, es mit seinem Rücken zu stützen, so dass er anderen ermöglichte, den Wagon sicher zu verlassen. Erst danach verließ er selbst auf seine so typisch ruhige und sanfte Art den Wagon und tröstete und half den Leidenden. Es war nur auf Grund seiner Stärke, seiner Ruhe und seiner Menschlichkeit, dass nichts Schlimmeres geschah.“
Gesamtansicht der Rückseite.
Die wundersame Errettung als gute PR für die Romanows
In ganz Russland dankte man Gott, dass er die Zarenfamilie verschont hatte. Im gläubigen Russland wurde dies noch als ein besonderes Zeichen seiner Gnade verstanden. Gott selbst sanktionierte quasi die Herrschaft des Zaren. Warum sonst hätte er ihm während des Unglücks beigestanden?
Exakt diese Überzeugung drückt die Darstellung der Medaille aus. Sie zeigt einen Schutzengel vor einer knienden Frau, die wir als Personifikation des russischen Reichs interpretieren dürfen. Vor ihr liegt auf einem Kissen die Zarenkrone und das Zepter als Symbol für die Zarenfamilie, für die sie zum Schutzengel betet. Die Umschrift unterstreicht diese Interpretation. Sie lautet (in Übersetzung): Dein Schutzengel wird Dich beschützen, wohin Du auch gehen magst. Die Medaille ist nur ein Teil einer umfassenden Propagandakampagne, in der die göttliche Unterstützung der Romanows die entscheidende Rolle spielt. Zu ihr gehörten zahlreiche Kirchbauten, und zwar nicht nur in nächster Nähe des Unglücksorts. In Reval an der Ostseeküste wurde genauso eine Kirche erbaut wie in Jaroslawl, ca. 300 Kilometer nördlich von Moskau, oder in Wolgograd, dem früheren Stalingrad. Viele dieser Kirchen wurden auf private Initiative errichtet, um so die Loyalität gegenüber dem Zaren zu zeigen.
In diesen Bereich gehören auch die vielen Ikonen, die die sieben Namensheiligen der kaiserlichen Familie zusammenstellen. Die Ur-Ikone wurde nach dem Eisenbahnunglück neu geschaffen und in zahlreichen Kopien im ganzen Land verbreitet. Sie trägt die Aufschrift: „In Erinnerung an die wunderbare Rettung des Souveränen Kaisers und seiner gesamten kaiserlichen Familie vor der Gefahr, die ihnen drohte, als am 17. Oktober 1888 der Zug auf der Strecke Kursk-CharkowAsow verunglückte zwischen den Bahnhöfen Taranovka und Borki.“ Viele kaisertreue Russen erwarben so eine Ikone und hängten sie in ihrer „roten Ecke“ auf.
Was war nun aber Schuld an der Katastrophe?
Wunder oder nicht, für den Ruf der Eisenbahn als sicheres Verkehrsmittel war dieses Unglück ein Desaster! Wir wissen, wie Menschen reagieren, wenn eine neue Technik ihre Grenzen zeigt: Mit Angst. Und die konnte sich das Russische Reich mit seinen endlosen Weiten schlicht nicht leisten.
Denn um das Land für die Industrialisierung zu erschließen, brauchte man die Eisenbahn. Mit ihr konnte man Rohstoffe und Fertigwaren preiswert und zuverlässig transportieren. Deshalb hatte der Eisenbahnbau oberste Priorität. 1855 umfasste das Eisenbahnnetz nicht einmal 1.000 Kilometer. Ende der 1880er Jahre waren es bereits über 22.000 Kilometer und die Transsibirische Eisenbahn befand sich in Planung.
Der Zar musste also persönlich dafür sorgen, dass die Menschen das Zutrauen in die neue Technologie nicht verloren. So beauftragte er eine Kommission. Diese wurde sich allerdings nicht einig. Wahrscheinlich hat Graf Witte mit seiner Version recht: „Wovor ich bereits gewarnt hatte, war geschehen: Wegen ihres Gewichts begannen die beiden Lokomotiven zu schwanken, als sie die geforderte Geschwindigkeit erreicht hatten; davon lösten sich einige Schienen und die Lokomotive entgleiste und zog den Rest des Zugs mit sich über die Böschung.“
Nicht das einzige Unglück der Eisenbahngeschichte
Das Eisenbahnunglück von Borki ist nur eines von vielen schrecklichen Ereignissen in der Geschichte der Eisenbahn, die zum Teil wesentlich mehr Opfer kosteten. Seinen Bekanntheitsgrad verdankt es der Berühmtheit der Passagiere und der aufwändigen PR-Kampagne, für die es genutzt wurde. Ursula Kampmann
Künker am See – Die Künker-Repräsentanz in Konstanz am Bodensee
In Konstanz im Süden Baden-Württembergs, am malerischen Bodensee gelegen, ist seit über fünfzehn Jahren unsere Repräsentanz für Orden und Ehrenzeichen zu Hause. Die altehrwürdige ehemalige Bischofs-, Freie Reichs- und österreichische Grenzstadt zur Schweiz verfügte über viele Jahrhunderte über das Münzregal und prägte Münzen in Gold und in Silber, ein idealer Platz also für uns als Auktionshaus.
Hier ist die Abteilung für Orden und Ehrenzeichen angesiedelt, mit ihrer sehr umfangreichen phaleristischen (ordenskundlichen) Fachbibliothek, einer der größten der ganzen Welt. Unser Repräsentant, Dipl. Theol. Michael Autengruber, fungiert als leitender Experte der Ordensabteilung, wie sie allgemein kurz genannt wird. Michael Autengruber wurde 1961 in Konstanz geboren und absolvierte ein Studium der katholischen Theologie in Freiburg i. Br. und in Rom, welches er mit der Theologischen Hauptprüfung und dem Diplom abschloss. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann in Freiburg i. Br. war er mehrere Jahre für eine deutsche Großbank in Freiburg i. Br., Offenburg und Frankfurt a. M. tätig. Seit 1983 ist er nebenberuflich, seit 2002 hauptberuflich als Fachhändler von deutschen und ausländischen Orden und Ehrenzeichen tätig. Schließlich arbeitet er seit 1999 als unser Experte für Orden und Ehrenzeichen. Zudem ist er als phaleristischer Experte und Sachverständiger auch für andere deutsche und ausländische Auktionshäuser, Museen sowie Ermittlungs- und Justizbehörden aktiv. Er ist Autor zahlreicher im In- und Ausland erschienener Fachartikel und sonstiger Publikationen.
Seit Jahren schon wird Michael Autengruber von Tanja Pfeiffer, MA, als Assistentin bei der Erstellung der Auktionskataloge und in seiner Forschungstätigkeit, sowie im Back-Office der Repräsentanz unterstützt. In jüngerer Zeit ist zudem Frank Wörner aus Stuttgart als Assistent für die Beschreibungen deutscher Orden und Ehrenzeichen dazugestoßen, ein ausgemachter Experte, u. a. für deutsche Feuerwehr-Auszeichnungen und für den Bundesverdienstorden. Für eine künftige externe Kontrollfunktion bei den deutschen Auszeichnungen konnte zudem der sehr versierte Ordenshändler Sascha Wöschler aus Karlsruhe gewonnen werden.
Schon in unserer 5. Münz-Auktion im Oktober 1986 haben wir Orden und Ehrenzeichen angeboten, was in den folgenden Auktionen fortgeführt und ausgebaut wurde. Im Juni 2005 fand mit der 103. Auktion die erste reine Ordens-Auktion des Hauses statt. Seither fanden 18 solche reine Ordens-Auktionen als Saal-Auktion statt; und seit 2017 ebenfalls 18 eLive Auctions nur über das Internet. So fanden mit unserer Hilfe seit 2005 über
38.000 Lose, u. a. mit Orden, Ehrenzeichen, Ordensminiaturen, Ordens- und Miniaturen-Schnallen, Abzeichen und Kleinabzeichen, Urkunden, Dokumenten und phaleristischer Fachliteratur, neue Eigentümer. Die Preise sind in diesem Zeitraum aus verschiedenen Gründen mehr oder weniger deutlich oder sogar sehr deutlich gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Entwicklung des Goldpreises.
Orden und Ehrenzeichen sind naturgemäß keine Münzen. Zwar besteht ein Teil von ihnen aus tragbaren Medaillen, aber viele haben andere Formen und weisen Verzierungen wie z. B. Emaillierungen auf. Münzen haben eine Entstehungs-, eine Verwendungs- (Umlauf-) und dann eine SammlungsGeschichte, die durch Provenienzen erläutert wird. Bei Orden und Ehrenzeichen ist dies etwas anders. Zwar existiert auch hier eine Entstehungsgeschichte, die sich mit der Stiftung der jeweiligen Auszeichnung und deren Regeln (Statuten) beschäftigt. Aber die wesentliche Bedeutung der einzelnen Objekte zeigt sich hier in der historischen Auseinandersetzung mit ihrer Verwendung, die sich mit ihrer Herstellungs- und Verleihungs-Geschichte beschäftigt. Am Schluss steht auch hier die Sammlungs-Geschichte, die ebenfalls durch Provenienzen dargelegt wird.
Dort wo also die Numismatik in ihrem Bereich nicht allzuviel mitzuteilen weiß, wird es in der Phaleristik erst richtig interessant: Wer hat das Objekt gefertigt (in der langen Zeit der möglichen Verleihungen), wer hat es an wen verliehen, und aus welchem Grund? Welche Dokumente geben Auskunft hierüber? Wo sind die Namen der Träger archiviert? In welchem Gesamt-Zusammenhang erfolgte die Verleihung? Dies sind nur wenige einzelne Fragen, die im Zusammenhang mit der Beschreibung eines Ordens, eines Ehrenzeichens oder eines Abzeichens von allgemeinem Interesse sein können.
Die Aufnahme aller deutschen und ausländischen Orden und Ehrenzeichen und weiterer Objekte unserer Ordens-Auktionen erfolgt in Osnabrück, von wo aus sie mit Werttransport nach Konstanz versandt werden. Hier werden sie, nach Erfassung und Zuordnung durch Frau Pfeiffer von Herrn Autengruber und Herrn Wörner ausführlich unter langjährig bewährten, wissenschaftlichen Gesichtspunkten nach bestem Wissen
und Gewissen bearbeitet, untersucht, für die Kataloge beschrieben, und in die Reihenfolge der Auktion gebracht. Auch die Darstellung ihres historischen Zusammenhangs wird erarbeitet und bildet einen elementaren Bestandteil der bekannten Kataloge.
Ad multos annos!
Auktion 395, Los 324: Bulgarien. Orden „St. Alexander“ (1881).
Aus dem Nachlass von Eleonore, seit 1908 Gemahlin von Zar Ferdinand I. II.
Schätzung: 20.000 Euro, Zuschlag: 95.000 Euro
Impressum
Herausgeber
Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG
Nobbenburger Straße 4a 49076 Osnabrück www.kuenker.de
Redaktion
Julia Kröner, Inja MacClure
Gestaltung Helge Lewandowsky
V.i.S.d.P.
Ulrich Künker
Druck
Druck- und Verlagshaus
Fromm+Rasch GmbH & Co.KG www.frommrasch.de