Bregenzer Meisterkonzerte Abendprogramm 03.12.2017

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BREGENZER

MEISTERKONZERTE a ben d p r o gr a m m

3. Dezember 2017


Wer weiß, wo ich in 20 Jahren spiele...?

BREGENZER

MEISTERKONZERTE

Sonntag, 3. Dezember 2017 19:30 Uhr Festspielhaus Bregenz, Großer Saal

Hélène Grimaud Klavier Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Radoslaw Szulc

Unsere schönsten Erfolge stehen nicht in der Bilanz – sie stehen auf der Bühne. Das Leben ist voller Höhen und Tiefen. Ein begeisterndes Konzert zählt dabei zweifelsohne zu den Höhen. Deshalb unterstützt die Bank Austria viele junge Talente und musikalische Institutionen im ganzen Land.

Künstlerische Leitung

Dauer: ca. 1 Stunde und 55 Minuten (inkl. Pause)

Impressum und Herausgeberin: Amt der Landeshauptstadt Bregenz – Abteilung für Kultur Bergmannstraße 6, 6900 Bregenz T +43 5574 410 1511, E kultur@bregenz.at Programmplanung: Jutta Dieing Texte: Dr. Silvia Thurner Layout: Mikado GmbH, Bad Kissingen Druck: Hecht Druck, Hard Bildnachweis bei der Herausgeberin

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programm

Samuel Barber (1910 – 1981)

Valentin Silvestrov (*1937)

Adagio für Streicher op. 11 (1938)

Dva dialoga s poslesloviem – „Zwei Dialoge mit Nachwort“, Fassung für Klavier und Streicher (2002)

Besetzung: Streicher

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)

I. Hochzeitswalzer II. Postludium III. Morgenserenade

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58

Besetzung: Klavier und Streicher

Allegro moderato – Andante con moto – Rondo vivace Besetzung: Klavier und Orchester (Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Hörner, 2 Fagotte, 2 Trompeten, Pauke, Streicher: Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass) Pause

Valentin Silvestrov (*1937) Vestnik – „Der Bote“ Fassung für Klavier und Streicher (1996)

Joseph Haydn (1732 – 1809) Sinfonie Nr. 60 C-Dur Hob I:60 Adagio – Allegro di molto – Andante – Menuetto Presto – Adagio di lamentatione – Finale: Prestissimo Besetzung: 2 Oboen, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Fagott (mit Bass), Streicher (Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass)

Besetzung: Klavier und Streicher

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Liebes Publikum Heute Abend erleben Sie ein vielschichtiges Konzert­ programm mit einer außergewöhnlichen Werkzusam­ menstellung. Dabei rücken die Vergangenheit und die Gegenwart ganz nahe zusammen und treten in einen Dialog miteinander. Zuerst wenden die Musikerinnen und Musiker den Blick nach Amerika und in die Ukraine des 20. und 21. Jahrhunderts zu Samuel Barber und Valentin Silvestrov. Samuel Barbers Adagio kennen Sie höchst wahrschein­ lich. Vor einigen Jahren wurde genau dieses Werk bei einer BBC Umfrage zur „traurigsten Musik“ gewählt. Ebenso berührend sind die Kompositionen von Valentin Silvestrov, denn auch sie führen die Zuhören­ den in sphärische Stimmungen. Beide Komponisten fanden bzw. finden ihre Inspiration in der traditio­ nellen Musik. Während die zeitgenössischen Komponisten zurück schauten bzw. schauen, um aus dem Fundus der mu­ sikalischen Tradition zu schöpfen, erleben Sie in den Werken von Beethoven und Haydn die sprudelnden Energien zweier Künstler, die ihrer Zeit weit voraus waren. Die Kreativität und der Innovationsgeist der Beethoven-Klavierkonzerte und Haydn-Sinfonien rufen immer wieder aufs Neue Bewunderung hervor.

Samuel Barber: Adagio für streicher op. 11, 1938 Der amerikanische Komponist Samuel Barber (19101981) war in der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine hoch geehrte Persönlichkeit. Viele Werke wurden in Europa und Amerika aufgeführt. Zunächst trat Samuel Barber als Sänger mit einer schönen Baritonstimme in Erscheinung. Sein Gesangsstudium führte ihn auch zu John Braun nach Wien. Schließlich war der Aufenthalt an der „American Academy“ in Rom ein entscheiden­ der Ausgangspunkt für eine große Karriere. Dort begegnete Barber dem Dirigenten Arturo Toscanini. Dieser förderte den talentierten Komponisten nach Kräften und begründete damit seinen Weltruhm. Mit seiner musikalischen Sprache nahm Samuel Barber stets eine Sonderstellung innerhalb der Kompositions­ geschichte ein. Ihn kümmerten die stilistischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts wenig. Vielmehr orientierte er sich an seinen Vorbildern Johann Sebastian Bach, Frédéric Chopin und Gabriel Fauré und schrieb in einem expressiven und lyrischen Stil. In den Vordergrund stellte Barber immer die melodische Linie und die tonale Harmonik. „Man sagt, ich hätte überhaupt keinen Stil, doch das macht nichts“, erklärte er in einem Interview. „Ich werde meine Sache genau so weitermachen. Und dazu brauche ich, wie ich glaube, einen gewissen Mut.“ Weil Samuel Barber eine Gesangsausbildung hatte, konzipierte er musikalische Ideen immer von einem voka­len Ausdruckswillen ausgehend. Mit kontrapunk­­ tischen Mitteln und handwerklich auf höchstem Niveau verarbeitete er die Themen und ließ seiner Neigung für elegische, weit ausgebreitete melodische Bögen freien Lauf. Nur selten äußerte sich der Komponist zu seiner Musik, doch meinte er einmal, er fühle sich als eine „schattenhafte Figur aus einem anderen Zeit­­alter“. Neben Symphonien entstanden auch Opern, ein Hauptaugenmerk galt dem Liedschaffen. Barbers neo­

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romantische, lyrische und zugleich auch dramatische Musiksprache kamen diesen Gattungen sehr entgegen. Ein großer Verehrer des amerikanischen Komponisten war unter anderem Dietrich Fischer-Dieskau. Bislang hat jedoch Barbers Lied- und Chorschaffen weniger Beachtung gefunden als die Instrumentalmusik. Zum Werk Während seines Studienaufenthaltes in Rom kompo­ nierte Samuel Barber das Streichquartett op. 11 den zweiten Satz arrangierte er wenig später für Streich­ orchester. Diese Fassung brachte Arturo Toscanini im Jahr 1938 in New York mit großem Erfolg zur Urauf­ führung. Jahre später bearbeitete Barber das Adagio überdies für achtstimmigen Chor und unter­legte die Musik mit dem Text des „Agnus Dei“. Bei einer Umfrage der BBC wurde Samuel Barbers Adagio zum „traurigsten Musikstück“ gewählt. Und tatsächlich ist dieser langsame Satz die Beerdigungs­ musik schlechthin. Das Werk erklang unter anderem bei den Trauerfeiern der amerikanischen Präsidenten Roosevelt und J. F. Kennedy. Außerdem wurde das Adagio bei der Beisetzung von Grace Kelly, Rainier II. von Monaco und Albert Einstein gespielt. Und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sendeten un­­zählige Radiostationen genau diese Komposition. Darüber hinaus wurde das Stück aufgrund seiner emotionalen Kraft zu einem beliebten Soundtrack. Es ist eine interessante musikpsychologische Frage, warum genau diese Musik von besonders vielen Men­ schen mit traurigen Gefühlen assoziiert wird. Hier ein Erklärungsversuch: Samuel Barber ist die Gratwande­ rung zwischen Gefühl und Intensität gelungen, ohne sentimental übersteigert zu sein. In einem getragenen Tempo wird der musikalische Fluss entfaltet und die Themen erklingen in dunklen Klangfarben. Die melodi­ sche Linie entwickelt sich mit Seufzerfiguren in satten, archaisch wirkenden Harmonien. Stufenweise wird das 8

Hauptthema im Orchester mit sich wiederholenden Figuren nach oben getragen. Das Gleichgewicht zwi­ schen vorwärtsstrebenden Melodien und die Gegen­ bewegung in Form einer resignierenden Zurücknahme lässt dabei eine Wellenbewegung entstehen. Diese wird zu einem leuchtenden Höhepunkt geführt und sinkt dann wieder in sich zurück. Der offene Schluss schafft Raum für individuelle Assoziationen, denn er setzt anstatt eines Schlusspunktes ein Fragezeichen.

Valentin Silvestrov Vestnik – „Der Bote“ für Klavier und Streicher (1996) Dva dialoga s poslesloviem – „Zwei Dialoge mit Nachwort“ Fassung für Klavier und Streicher, 2002 „Die Musik muss so durchsichtig sein, dass man bis auf den Grund sehen kann, und dass durch diese Durch­ sichtigkeit ein Gedicht hindurchschimmert“, beschreibt der ukrainische Komponist Valentin Silvestrov (*1937) sein wichtigstes künstlerisches Anliegen. Seit den 1980-er Jahren ist die fein verwobene, oft meditativ wirkende Musik des „Individualisten“ aus Kiew auch in Mitteleuropa bekannt und berührt viele Zuhörerin­ nen und Zuhörer. Die Komponistenkollegin Sofia Gu­baidulina beschreibt die Wesenszüge der Musik von Valentin Silvestrov sehr treffend, indem sie dessen musikalisches Schaffen in einen religiösen beziehungs­ weise metaphysischen Zusammenhang stellt. „Seiner Meinung nach ist alles schon da – ist alles schon ge­­­­­schrieben worden. Um das zu verstehen, muss man an den Allmächtigen erinnern. Alles ist schon einmal ge­schaffen worden, man muss nichts weiter tun als auf­merk­sam dem zu lauschen, was schon da ist, und das wieder aufrufen. Dann fängt wieder etwas an zu schwin­gen. Es war eigentlich die ganze Zeit schon da, aber jetzt können auch wir die Schwingungen spüren und das als Musik wahrnehmen.“

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Das Leben von Valentin Silvestrov, der am 30. Septem­ ber 2017 seinen 80. Geburtstag gefeiert hat, verlief nach außen hin unspektakulär. Erst als Jugendlicher fand er zur Musik. Sein Wissen eignete er sich vorerst autodidaktisch an. Ab Anfang der 1960-er Jahre be­ suchte er das Konservatorium in seiner Heimatstadt Kiew. Seit 1970 lebt er als freischaffender Komponist immer in der gleichen Plattenbauwohnung in der „Ulitsa Entusiasstov“ – der Straße der Enthusiasten – in Kiew. Während der politischen Unruhen in der Ukraine hat Silvestrov mit „musikalischen Mitteln“ für sein Land gekämpft und zahlreiche Chöre, „MajdanHym­­nen“ und „Gebete für die Ukraine“ komponiert. Trotz erfolgreicher Aufführungen im Westen war Sil­ves­trovs Musik im künstlerisch-konservativen sowje­ ti­­schen Klima verpönt und unerwünscht. In seiner frü­ hen Schaf­­fensphase war er ein führender Ver­tre­ter der soge­nannten „Kiewer Avantgarde“. Die inno­va­tions­­ freudigen Komponisten schreckten die konserva­ti­ven Musikästheten mit 12-tönigen, seriellen und alea­to­ri­ schen Kompositionstechniken auf. Im Jahr 1970 voll­ zog der Komponist jedoch eine stilistische Neu­orien­ tierung. Fortan verzichtete er auf zeitgenössi­sche Kom­ positionstechniken und entwickelte einen „meta­pho­ rischen Stil“, der auf der Basis eines neuen Tradi­tiona­ lismus beruht. Die Idee der Verbundenheit von Natur und Kunst zieht sich durch das künstlerische Schaffen. Der Wesenskern von Silvestrovs Musik liegt in der Melo­die und der poetischen Idee begründet. Diese betrachtet er in einem umfassenden Sinn. „Poesie ist die Rettung des Wichtigsten, nämlich der Melodie als einem ganzheitlichen und unentbehrlichen Organis­ mus“, erklärt er im Gespräch mit der Musikwissen­ schaftlerin Tatjana Furmkis. „Entweder es gibt diesen Organismus oder es gibt ihn nicht. Ich glaube, dass Musik – auch wenn sie nicht ‚gesungen‘ werden kann – dennoch Gesang ist; keine Philosophie, kein Weltbild, sondern Gesang der Welt über sich selbst und ein musikalisches Zeugnis des Seins.“ 10

Valentin Silvestrovs Kunstauffassung verweist auf ein Naheverhältnis zur Musik von Gustav Mahler. Auch er verfolgte mit seiner Musik die Idee einer „verborge­ nen“ thematischen Arbeit. Mit unterschiedlichen Stil­­­typen und musikalischen Themengestalten verwies Mahler auf soziokulturelle Zusammenhänge. Dieses Spiel mit Zeitebenen, Zitaten und Anspielungen sind auch wichtige Merkmale in Silvestrovs Werken. Darin fließt die Zeit anders, musikalische Gestalten werden bewusst verlangsamt oder beschleunigt und die Wer­ ke vermitteln nicht das Gefühl der Geschlossenheit. Seine „Metamusik“ versteht Valentin Silvestrov als universellen Stil und als „ein allgemeines ‚Wörterbuch’, das niemandem gehört, aber das jeder auf seine Weise benutzen kann.“ Die Pianistin Hélène Grimaud und der Künstlerische Leiter des heutigen Abends, Radoslaw Szulc, haben ein besonderes Naheverhältnis zur Musik von Valentin Silvestrov. So erzählt die Pianistin in einem Interview, dass sie durch Radoslaw Szulc diese Musik erst kennen gelernt habe. „Und mittlerweile liebe ich diese Musik. Sie ist so still, so flüsternd, hat viel Schwere, aber ist ungemein intensiv“, beschreibt Hélène Grimaud ihre Eindrücke. Zu den Werken Die beiden Werke „Der Bote“ aus dem Jahr 1996 so­wie die „Dialoge mit Nachwort“ aus dem Jahr 2002 wirken wie Sinnbilder, die „einen Stil aus vielen musi­ kalischen Stilen“ herauskristallisieren. In der Komposition „Der Bote“ werden wohl viele Kla­ vierspielerinnen und –spieler Verweise auf Sonatinen von Wolfgang Amadeus Mozart wieder erkennen. Mit subtilen Gesten, Akzentuierungen und Verzögerungen sowie ungewöhnlichen motivischen Kombinationen wirkt Silvestrovs Musik durchscheinend und macht feinsinnig musikalische Perspektivenwechsel möglich. Ebenso nimmt das Werk „Zwei Dialoge mit Nachwort“ 11


die Zuhörenden mit auf eine musikalische Zeitreise, die neue Sinnzusammenhänge entstehen lässt. Der erste Abschnitt ist nach dem berühmten „KupelwieserWalzer“ von Franz Schubert komponiert, der zweite Teil bezieht sich auf Richard Wagners Elegie für Klavier. Die „festgehaltenen Augenblicke“ aus Werken von Schubert und Wagner beschreibt Valentin Silvestrov selbst als „Versuche, die Geschichte fortzusetzen, um in einen Dialog mit der Vergangenheit zu treten.“

Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58 Bereits in seinen Jugendjahren in Bonn genoss Ludwig van Beethoven (1770-1827) einen guten Ruf als be­ gabter Pianist. Mit zweiundzwanzig Jahren übersiedel­ te er nach Wien, wo er schnell als großartiger Virtuose und Meister der Improvisation anerkannt und sogar mit Mozart verglichen wurde. An Beethovens Spielart schätzte das Publikum die kraftvolle Themengestal­ tung, die gleichzeitig auch das filigrane Spiel mit ein­ bezog. Als Musiker und Komponist stellte Beethoven hohe Ansprüche an die Klaviere seiner Zeit und er war ständig auf der Suche nach Verbesserungen, deshalb arbeitete er mit Klavierbauern zusammen. Angestrebt wurden eine differenzierte Pedalmechanik, mehr Klangfülle und differenzierte Klangfarben. Beethoven war einer der ersten Komponisten, der spezifische Pedalanweisungen in die Partitur notierte. Beethovens Selbstbewusstsein wuchs in den 1790-er Jahren in dem Maße, in dem er, neben den erfolgrei­ chen Auftritten als Pianist, seine kompositorische Arbeit steigern konnte. Seine Werke wurden vom Pub­likum äußerst positiv aufgenommen. So gestaltete sich Beethovens Leben in Wien zufrieden und hoch gestimmt, denn in gewisser Weise war er heimisch geworden. An einigen Dingen wird ersichtlich, dass er sich sogar den Forderungen der Wiener Gesellschaft 12

Joseph Karl Stieler, Öl auf Leinwand um 1819, Beethoven-Haus, Bonn

anpasste. So trug Beethoven elegante und modische Kleidung, zeitweilig besaß er sogar ein Reitpferd – das er jedoch nie ritt. Im Jahr 1796 schrieb Beethoven an seinen Bruder Johann: „Fürs erste geht mir‘s gut, recht gut. Meine Kunst erwirbt mir Freunde und Achtung, was will ich mehr.“ Und fünf Jahre später teilte er sei­ nem Freund Wegeler mit: „Meine Kompositionen tra­ gen mir viel ein, und ich kann sagen, daß ich mehr Be­stellungen habe, als fast möglich ist, dass ich befriedi­ gen kann. Auch habe ich auf jede Sache sechs, sieben Verleger und noch mehr, wenn ich mir‘s angelegen lassen sein will: Man akkordiert nicht mehr mit mir, ich fordere und man zahlt“. Die Zeit des Hochgefühls währte nicht mehr lange, denn Beethoven stellte mit großer Verzweiflung seine fortschreitende Taubheit fest, die ihn in tiefe Lebenskrisen stürzte. Die Entstehung der ersten drei Klavierkonzerte spiegelt modellhaft den Prozess der künstlerischen Entwicklung und die Selbstfindung des Komponisten wider. Vor allem die ersten beiden sind auch als Dokumente der viel gerühmten Improvisationskunst zu sehen. „Er bringt auf dem Clavier Schwierigkeiten und Effecte 13


hervor, von denen wir uns nie etwas haben träumen lassen“, schwärmt der Klaviervirtuose Czerny in seiner Autobiografie. Die innovativen Momente der kompo­ sitorischen Anlage liegen vor allem innerhalb der diffe­ renzierten Klavierfigurationen, die Beethoven in seinen Klavierkonzerten entwickelte und verarbeitete. Viel ge­ rühmt wurde und wird Beethovens Kunst, aus einer Ursprungsidee heroische, lyrische und scherzando Themencharaktere heraus zu entwickeln. Sämtliche Konzerte Ludwig van Beethovens sind vor dem Jahr 1809 entstanden und bilden wichtige Stati­ onen in der Etablierung dieser Gattung. Er führte die Musik quasi in epische Dimensionen, in dem er den Solisten als „Held“ in den Mittelpunkt des musikali­ schen Geschehens rückte. Im Wechsel zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester, mit spezifischen Kommunikationsmustern zwischen dem Einzelnen und der Gruppe formte Beethoven jeweils individuelle Aus­ drucksformen. Seine wohl besten Leistungen bot er mit den Klavierkonzerten Nr. 4 und Nr. 5, in denen er zahlreiche Innovationen einführte. Sie hatten Einfluss auf das Schaffen auf alle nachfolgenden Komponisten­ generationen. Zum Werk Das vierte Klavierkonzert und einige andere Werke entstanden während einer sehr experimentierfreudi­ gen Phase im Jahr 1806. Richtungsweisend waren da­ bei nicht nur kompositionstechnische Errungenschaf­ ten, sondern auch Neuerungen im Instrumentenbau. Im Gegensatz zu früheren Instrumenten verfügte Beet­ hoven nun über ein Instrument, das sechs Oktaven umfasste und zudem dreifach besaitet war. So gewann das Instrument enorm an Zugkraft, die stabilere Bau­ weise bewirkte überdies ein größeres Klangvolumen sowie ein breiteres dynamisches Spektrum. Das Instrument selbst und die neuen Entwicklungen waren Beethovens wichtigste Inspirationsquelle in 14

seinem vierten Klavierkonzert. Erstmals konnten auch hohe Tonlagen eingebaut werden, unterschiedliche Lautstärkenverhältnisse ermöglichten drastische Stei­ gerungsmomente und klangfarbliche Nuancierungen. Dramatische Momente erreichte Beethoven, indem er die linke und rechte Hand in weiten Abständen setzte und damit einen großen Tonraum absteckte. Sogleich der Beginn des Konzertes erregt die Aufmerk­ samkeit. Ganz allein und isoliert vom Orchester into­ niert der Solist mit einer sanglichen Anfangsphrase das Werk. Ungewöhnlich ist vor allem der zweite Satz an­ gelegt, nämlich als opernhafte Szene. Beethoven selbst erwähnte, dass er beim Komponieren an die Geschich­ te von Orpheus und Eurydike gedacht habe. Nachvoll­ ziehbar wird dies in markanten Wechseln zwischen Solo- und Tuttiabschnitten, die mit extremen Kontras­ ten zueinander in Beziehung gestellt werden.

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 60 C-Dur „Il Distratto“ Hob I:60 Joseph Haydn (1732-1809) diente lange Jahre dem Fürsten Nicolaus auf Schloss Esterháza im Burgenland als Kapellmeister und Dirigent der Hofkapelle. Er war ein überaus viel beschäftigter Mann. Täglich probte er mit Sängerinnen und Sängern für Opernaufführun­ gen, leitete Konzerte, komponierte einen Großteil der aufgeführten Werke selbst und kümmerte sich um die Bibliothek sowie die Instrumente des Hauses. Den Großteil seiner Kompositionen schuf Haydn in der Abgeschiedenheit des Schlosses am Neusiedlersee. Bemerkenswert ist diese Tatsache deshalb, weil der Komponist fast ohne Vergleichsmöglichkeiten aus sich selbst heraus seinen kompositorischen Stil entwickelte und vor allem auf den Gebieten der Kammermusik so­ wie der symphonischen Musik bahnbrechende Neue­ 15


Ehrun­­gen in London brachten Joseph Haydn auch in Wien Beachtung und Ruhm ein. Zum Werk

Thomas Hardy , Öl auf Leinwand um 1792, Royal College of Music Museum of Instruments QUelle: wikimedia

rungen etablierte. Joseph Haydn selbst resümiert seine langjährige Tätigkeit mit diesen Worten: „Mein Fürst war mit allen meinen Arbeiten zufrieden, ich er­­hielt Beifall, ich konnte als Chef eines Orchesters Versuche machen, beobachten, was den Eindruck her­­vorbringt und was ihn schwächt, also verbessern, zu­­setzen, weg­ schneiden, wagen; ich war von der Welt abgesondert. Niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irre machen, und so musste ich original werden.“ Joseph Haydn entwickelte die Gattung des Streich­quar­­tetts mit vier gleichberechtigten Stimmen. Ebenso experi­­mentierte er im Bereich der Sinfonie und schuf aufse­ henerregende neue Werke. Er erweiterte beispiels­­weise die Satzdi­men­sionen und baute die the­ma­tisch wider­ streitenden Themen auf, die in einer klassi­­schen Sonate gegenein­an­der geführt werden. Auch die vier­sätzige Form der Sinfonie, in der die Sätze in einem ausgewo­ genen Verhältnis zueinander stehen, führte er ein. Joseph Haydn komponierte 104 Sinfonien, von denen fast alle bis heute größte Bewunderung hervorrufen. Es ist aber symptomatisch, dass der Komponist schon lange international berühmt war, aber in Österreich wenig bekannt im Abseits wirkte. Erst die großen 16

Der Beiname der Sinfonie Nr. 60 – „Der Zerstreute“ weist bereits darauf hin, dass dieses Werk eigentlich keine Sinfonie im herkömmlichen Sinn ist. Als viel ge­fragter Komponist schrieb Haydn auch Schauspielmu­ siken und so vertonte er im Jahr 1774 die Komödie des französischen Schriftstellers Jean-François Regnard. Kurze Zeit später fertigte der umtriebige Komponist genau aus dieser Musik eine sechsteilige Sinfonie. Für den Kopfsatz verwendete er die Ouverture, der Final­ satz hatte bereits im Theaterstück als „Rausschmeißer“ gedient und die übrigen Sätze waren ursprünglich Zwischenaktmusiken. Die äußerst farbige und abwechs­ lungsreiche Musik erzählt humorvoll die Geschichte einer Verwechslungskomödie, in deren Mittelpunkt der zerstreute Leander steht. Die Charaktertypen sind der „Commedia dell’ arte“ entnommen, die zur Zeit des Jo­ seph Haydns allen Theaterfreunden sehr präsent waren. Lassen Sie sich hinein führen in das turbulente musi­ kalische Geschehen und begegnen Sie unterschiedli­ chen musikalischen Charakteren und vor allem dem zerstreuten Leander, der sogar seinen eigenen Hoch­ zeitstag vergisst. Der Schalk saß Joseph Haydn stets im Nacken. Nach der Uraufführung der Schauspielmusik in Pressburg schwärmte der Rezensent: „Dienstags als am Cäcilientage wurde der Zerstreute gespielet. Herr von Hayden verfertigte ‚eine sonderbare Musik dazu’ ... Hier wird nur so viel erinnert, dass es vortrefflich, ganz vortrefflich ist, und dass das Finale auf unablässliches Händeklatschen der Zuhörer wiederholet werden muß­ te. In demselben ist die Anspielung auf den Zerstreuten, welcher am Hochzeitstage vergessen hatte, dass er der Bräutigam sey, und sich daher im Schnupftuche einen Knoten machen musste, überaus wohlgerathen. Die Musicierenden fangen das Stück ganz pompos an und erinnern sich erst in einer Weile, dass ihre Instrumen­ ten nicht gestimmt wären.“ Viel Vergnügen! 17


Hélène Grimaud, Klavier

Ihre Aufnahmen erhielten hervorragende Kritiken und zahlreiche Auszeichnungen wie unter anderen den Choc du Monde de la musique, den Diapason d’or, den Record Academy Prize (Tokio) und den ECHO Klassik Musikpreis. Zwischen ihrem Debüt 1995 mit den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abbado und ihrem ersten Auftritt mit den New Yorker Philhar­ monikern unter Kurt Masur 1999 – zwei der vielen gefeierten Meilensteine ihrer Karriere – de­­bütierte Grimaud noch in einem völlig anderen Be­reich: Sie gründete das Wolf Conservation Center in Upper New York State. Zu ihren Verpflichtungen in der Spielzeit 2016/17 zählten Auftritte in Europa mit Yannick NézetSéguin und dem Rotterdam Philharmonic, Konzerte mit Werken von Brahms und Ravel in den USA und Australien; hinzu kommen Konzerte in Deutschland und der Schweiz zusammen mit der Cellistin Sol Gabetta, und Hélène Grimaud konzertierte in den USA und Europa mit einem Recital-Programm ihres Albums von 2016 „Water“, das den Themenschwerpunkt 18

Foto: Mat Hennek / DG

Ein wahres Multitalent unserer Zeit: Hélène Grimaud ist nicht nur eine leidenschaftliche, hingebungsvolle Musikerin, deren pianistische Fähigkeiten eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielen. Die französische Pianistin zeichnet sich auch als engagierte Naturschützerin, als mitfühlende Menschenrechtlerin und als Buchautorin aus. 1969 in Aix-en-Provence geboren, studierte sie bei Jacqueline Courtin am dortigen Konservatorium und anschließend bei Pierre Barbizet in Marseille. Im Alter von nur 13 Jahren wurde sie am Pariser Conser­ vatoire aufgenommen, wo sie schon drei Jahre später 1985 den ersten Preis im Fach Klavier erhielt. 1987 gab sie ihr erfolgreiches erstes Recital in Tokio und im selben Jahr lud der angesehene Dirigent Daniel Baren­ boim sie ein, mit dem Orchestre de Paris aufzutreten. Dies war der Beginn von Grimauds glanzvoller Karriere, gekennzeichnet durch Konzerte mit vielen internatio­ nalen Spitzenorchestern und berühmten Dirigenten.

„Wasser“ hat. Des Weiteren konzertierte sie in Süd­korea und China. Grimaud ist zweifellos eine Künst­ lerin mit vielen Facetten. Ihre tiefe Hingabe zur Musik, im Konzertsaal wie auch bei ihren Aufnahmen, spiegelt sich in der Fülle ihrer Aktivitäten als Umwelt­ schützerin und Schriftstellerin wider und wird dadurch noch verstärkt.

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Das Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks wurde im Jahr 2000 von Radoslaw Szulc und Karl Wagner gegründet. Es ver­ steht sich als variables Kollektiv, das sich vor­­nehm­­lich als Virtuosen­­vereinigung, die kammermusi­kalischen Ensemblegeist pflegen will, sieht. Radoslaw Szulc übernimmt als primus inter pares die künstleri­sche Leitung. Das Ensemble erwies sich laut Einschätzung der Süddeutschen Zeitung „… von Beginn an als erstrangig, mit sogleich eigener Kontur. Man musiziert ebenso fein­­­gliedrig, mit differenzierten Kommunika­ tions­struk­turen, wie auch spontan musikantisch … legt dabei Wert auf Rundung des Klangs und verwirk­ licht das angestrebte Ideal durch höchste spielerische Präzi­­sion.“ Vor allem für seinen charakteristischen, homo­genen und warmen Streicherklang wurde das Kam­mer­orchester schon früh hochgelobt. In den euro­ pä­ischen Musikmetropolen und bei internationalen Festivals ist es seitdem ein viel gefragter Gast. Eine enge Freundschaft verbindet das Kammerorchester mit Hélène Grimaud und Frank Peter Zimmermann. Das Kammerorchester musiziert daneben mit vielen weite­ren international renommierten Künstlern wie Lang Lang, Julia Fischer, Mischa Maisky, Sabine Meyer, Pin­chas Zukerman, Diana Damrau, Igor Levit, Vadim Repin, Janine Jansen und Maxim Vengerov. 20

Foto: Tom Specht

Kammerorchester des Symphonie­ orchesters des Bayerischen Rundfunks

Radoslaw Szulc, Leitung und 1. Konzertmeister wurde in Polen geboren und gab bereits im Alter von zehn Jahren sein Solodebüt mit dem Violinkonzert von Mendelssohn. Soloauftritte mit internationalen Spitzen­ orchestern führten den Geiger durch ganz Europa bis nach Asien. So war er u. a. in Helsinki (Finlandia Hall), London (Barbican Hall), Amsterdam (Concert­gebouw) und München (Herkulessaal) zu hören. 1998 wurde er zum Ersten Konzertmeister des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks berufen, seit 1999 ist er Künstlerischer Leiter des Kammerorchesters des Bayeri­ schen Rundfunks. Zahlreiche Rundfunk- und Fernseh­ aufnahmen sowie CD-Einspielungen u. a. mit Werken von Sarasate und Tschaikowsky dokumen­tieren sein breit gefächertes künstlerisches Können. 21


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