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Dr. Julien Huen, ttz Bremerhaven: Ressourcenknappheit
RESSOURCENKNAPPHEIT
Welche Handlungsspielräume haben Backbetriebe?
Die aktuelle globale Situation von Ressourcenknappheit trifft nahezu alle Zweige der Wirtschaft, und die Backbranche ist dabei keine Ausnahme. Die enorm gestiegenen Energiepreise sind zurzeit das akuteste Problem vieler Betriebe, aber der wiederkehrende Mangel an Rohwaren und Personal kommt erschwerend hinzu.
Autor: Dr. Julien Huen, ttz Bremerhaven
+Auch wenn berechtigterweise Lösungen von der Politik erwartet werden, müssen Backbetriebe auch prüfen, was sie tun können, um ihre Geschäftsmodelle an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Dabei sollten auch die Megatrends im Bereich der Verbrauchernachfrage nicht außer Acht gelassen werden.
Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel sind globale Gegebenheiten mit beachtlichen Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Ressourcen, insbesondere im Landwirtschafts- und Lebensmittelsektor. Bäckereiunternehmen sind mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, die schnell gelöst werden müssen. So weit wie möglich sollten die getroffenen Maßnahmen jedoch nicht nur die kurzfristige Situation berücksichtigen, sondern Teil einer Strategie zu sein, die das jeweilige Unternehmen in eine günstige Position für die Zukunft bringt. Dieser Artikel versucht, die aktuellen Herausforderungen zu beschreiben und Lösungsansätze – vor allem im technischen Bereich – vorzuschlagen. Energieknappheit
Die Produktion von Backwaren ist eine sehr energieintensive Aktivität, die insbesondere mechanische und thermische Prozesse involviert. Die am häufigsten eingesetzten Energieträger sind dabei Strom für die mechanischen Prozesse und das Kühlen, sowie Gas für die Backprozesse. Beide
Abb. 1: Energiepreisindizes
Abb. 2: Energieverbrauch in einer typischen Filialbäckerei
Abb. 3: Energieverbrauch in einem typischen Batch-Backofen
Quelle: ttz-Studie „EnEff Bäckerei“
Energieträger erfahren derzeit erhebliche Preissteigerungen (Abbildung 1), die dazu führen, dass die Wirtschaftlichkeit vieler Betriebe infrage gestellt ist. Außerdem sind für den kommenden Winter Versorgungspässe nicht ausgeschlossen.
Wie hoch ist der Energieverbrauch in der Branche tatsächlich? Es wird geschätzt, dass Bäckereiunternehmen zwischen 1,5 und 6 kWh zur Verarbeitung von 1 kg Weizenmehl aufwenden (sog. spezifischer Energieverbrauch), mit einer starken Korrelation zur Unternehmensgröße: Betriebe mit hohem Mehlverbrauch zeichnen sich im Allgemeinen durch eine höhere Energieeffizienz aus.
Es ist interessant, diese Zahlen mit den Enthalpien einiger Basisvorgänge, die in Bäckereiprozessen stattfinden, zu vergleichen: Die Verkleisterung der Menge an Stärke, die in einem Kilogramm Weizenmehl enthalten ist, verbraucht 0,002 kWh, die Denaturierung der Proteine 0,0001 kWh, die Verdampfung von 150 g Wasser (typischer Backverlust in Relation zu 1 kg Mehl) 0,1 kWh. Das Heizen von 1,65 kg Teig (typische Menge aus 1 kg Mehl) von 25 bis 100 °C benötigt 0,1 kWh, das Einfrieren von 1,65 kg Teig von 25 auf -20 °C verbraucht 0,12 kWh. Dies verdeutlicht, dass der Hauptanteil an Energie, die in Bäckereien verbraucht wird, nicht das Produkt erreicht, sondern im Prozess verloren geht oder in begleitenden Tätigkeiten aufgewendet wird.
Die Abbildung 2 zeigt, dass Backen und Kühlen die energieintensivsten Prozesse sind. Es wird geschätzt, dass beim Backen nur ca. 36 % der Energie tatsächlich als Nutzenergie verbraucht werden (Abbildung 3).
Vor diesem Hintergrund sollte bei der Bewältigung der Energieknappheit-Thematik hinterfragt werden, welche Energieträger benutzt werden, wo Verluste entstehen und wo Produkt-/ Prozesskonzepte neu gestaltet werden können, um den Energieverbrauch zu senken.
Quelle: ttz-Studie „EnEff Bäckerei“
Rohwarenknappheit
Engpässe bei der Rohwarenversorgung können unterschiedliche Ursachen haben, wie (1) tatsächliche Reduktion der am Markt verfügbaren Mengen (nahezu Export-Stopp von Weizen und Sonnenblume aus der Ukraine, von Palmöl aus Indonesien; reduzierte Erntemenge nach extremen Wetterereignissen), (2) logistische Schwierigkeiten in den weltweiten Lieferketten, (3) „Hamsterkäufe“ bestimmter Marktteilnehmer (wie vor einiger Zeit bei Trockenhefe) und (4) Wettbewerb mit Non-Food-Anwendungen (wie die Produktion von Biodiesel).
Die Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der Lebensmittelpreise auf dem globalen Markt. Seit Anfang 2020 wird eine besonders hohe Volatilität beobachtet, der Trend ist dabei
deutlich steigend mit ca. +50 % für Getreide und +80 % für Speiseöle.
Es muss jedoch angemerkt werden, dass auf globaler Ebene seit 2020 keine signifikante Veränderung der Balance zwischen Produktion und Verbrauch stattgefunden hat, wie die Daten der FAO zeigen (Abbildung 5). Lokale Knappheiten hängen demnach vorrangig mit Schwierigkeiten in der Verteilung zusammen. Die Preisanstiege können mit ebendiesen lokalen Knappheiten sowie mit steigenden Energiekosten, Wechselkursschwankungen zwischen Währungen sowie Spekulation in Verbindung gebracht werden. Im Falle von Weizen befindet sich die Europäische Union insgesamt in einer günstigen Situation, mit Produktionsmengen (ca. 125 Millionen Tonnen), die den eigenen Verbrauch (ca. 100 Millionen Tonnen) deutlich übersteigen. Im Gegensatz dazu sind Netto-Importeur-Länder mit geringem Pro-Kopf-Einkommen zurzeit mit deutlichen Schwierigkeiten konfrontiert: Libanon etwa ist nicht in der Lage, seine Binnennachfrage zu befriedigen, und Ägypten hat beschlossen, den Kleieanteil in Auszugsmehlen auf 6 % zu erhöhen, um die steigenden Preise zu kompensieren.
Es ist schwierig, die Auswirkungen des Klimawandels auf die künftigen weltweiten Erntemengen und -qualitäten vorherzusagen. Einige Studien weisen darauf hin, dass die Erträge an manchen Standorten aufgrund wärmerer Bedingungen steigen könnten. Auf der anderen Seite sollen Dürreepisoden sowie andere extreme klimatische Ereignisse, die sich negativ auf die Erntemengen auswirken, in Zukunft häufiger stattfinden. Außerdem soll die steigende Bodendegradation zu einer Verringerung der Anbauflächen führen. Es scheint wahrscheinlich, dass die veränderten Klimabedingungen zumindest zu einer qualitativen Veränderung der Rohwaren führen werden.
Abb. 4: Lebensmittelpreisindizes
Quelle: fao.org, Referenzzeitraum 100 = 2014–2016
Abb. 5: Weltweite Produktions-, Verbrauchs- und Bestandsmengen von Weizen sowie Ölen und Fetten in den letzten Jahren
Quelle: fao.org Personalmangel
Die Backbranche hat bereits seit Jahren Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten, jedoch hat sich die Situation seit Beginn der Corona-Pandemie weiter zugespitzt. Schwierige Arbeitszeiten, niedrige Löhne, körperlich anstrengende Arbeitsbedingungen sowie ein rückständiges Image sind Gründe für Arbeitnehmer, in einem angespannten Arbeitsmarkt andere Branchen vorzuziehen.
Megatrends in den Erwartungen der Verbraucher
Während die Verfügbarkeit von Ressourcen nachlässt, verändern sich die Erwartungen der Verbraucher weiter. Aus diesem Grund sollten Anpassungsstrategien sowohl die Ressourcen- als auch die Konsumentenseite berücksichtigen. Die veränderten Wünsche der Verbraucher umfassen die Nutzung von Zutaten aus lokalem Anbau und lokaler Verarbeitung, eine verbesserte ernährungsphysiologische Qualität, pflanzliche Inhaltsstoffe, Clean Label sowie einen niedrigen Umweltfußabdruck. Außerdem kann im Zuge der Inflation und der damit einhergehenden schwindenden Kaufkraft erwartet werden, dass die Nachfrage nach Produkten im Niedrigpreissegment steigen wird.
Lösungen
Die oben beschriebenen, massiven Veränderungen der Marktsituation führen dazu, dass viele Bäckereiunternehmen nicht in der Lage sind, ihre Geschäfte auf die bisherige Art und Weise weiterzuführen: Entweder die Ressourcen- oder die Kundenseite würde wegbrechen. In diesem Zusammenhang möchte das ttz Ansätze zur Bewältigung der genannten Herausforderungen vorschlagen. (siehe auch Tabelle 1).
Dabei liegt der Fokus auf Maßnahmen, die von den Betrieben selbst umgesetzt werden können. Mögliche politische Interventionen zur Lenkung der Energiepreise, Prävention von Betriebsschließungen und allgemeinen Stützung der Verbrauchernachfrage werden hier nicht thematisiert.
Da jedes Unternehmen einzigartig ist, sind nicht alle beschriebenen Lösungsansätze für jede Firma gleich geeignet. Die Auswahl einer passenden Maßnahmenkombination ist eine strategische Entscheidung, die der Identität des Unternehmens entsprechen sollte. Einige der beschriebenen Ansätze sind auf eine bestimmte Ressource fokussiert, während andere die Gesamteffizienz adressieren. Außerdem berücksichtigen einige Vorschläge nur die Ressourcenseite, während andere auch die veränderten Kundenwünsche einbeziehen.
Decomplexity
Der „Decomplexity“-Ansatz beruht auf der Grundhypothese, dass komplexe Prozesse eine niedrigere Effizienz und eine Verschwendung von Ressourcen zur Folge haben. Wie kann dies an die Produktion von Backwaren angewandt werden? Es liegt nahe, dass industrielle, automatisierte, kontinuierliche Produktionslinien, die dasselbe Produkt über Tage ohne Unterbrechung herstellen, eine sehr hohe Effizienz in Bezug auf Personal, Rohwaren und Energie haben. De Wechsel zwischen zwei Produkten ist immer mit Standzeiten, Materialverlusten und Arbeitsaufwand verbunden. In Filialbetrieben, die täglich eine Vielzahl von frischen Produkten mit Batch-Prozessen herstellen, ist die Ressourceneffizienz vielfach niedriger (siehe Abbildung 6). Dies bedeutet aber auch, dass Filialbetriebe das höchste Potenzial zur Verbesserung ihrer Ressourcennutzung haben.
Angewandt an das Produktsortiment impliziert der „Decomplexity“-Ansatz, herauszufinden, welche Kernprodukte hauptsächlich für den Erfolg des Unternehmens verantwortlich sind und seine Identität am besten repräsentieren. Das Auslisten von Produkten, die diese Kriterien nicht erfüllen, wird dazu beitragen, die Gesamteffizienz zu steigern. Wenn erforderlich, können bestimmte ergänzende Produkte auch extern beschafft werden.
In einem weiteren Schritt können die Rezepturen angefasst werden, dem Clean-Label-Trend folgend mit dem Ziel einer Reduktion der Gesamtanzahl an Zutaten und Zusatzstoffen. Dies wird die Abhängigkeit gegenüber bestimmten Rohwaren reduzieren und den Aufwand zur Beschaffung und Lagerung der Zutaten reduzieren. Einige Funktionalitäten können durch die Entwicklung von Prozess-Knowhow, zum Beispiel im Bereich der Sauerteige, ersetzt werden. Das Eliminieren von stabilisierenden Inhaltsstoffen kann eine Erhöhung der Qualitätsschwankungen
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Tabelle 1: Überblick über die vorgeschlagenen Maßnahmen und Lösungen zur Verbesserung der Ressourcennutzung unter Berücksichtigung der veränderten Verbraucherwünsche
Probleme Lösungsansätze Vor- und potenzielle Nachteile für Konsumenten
Generische Lösungen zur besseren Nutzung von Ressourcen
Spezifische Lösungen zum EnergieVerbrauch
Unverkaufte Produkte stellen eine Verschwendung von Ressourcen dar.
Ein zu breites Produktsortiment führt zu Effizienzverlusten in der Produktion und im Verkauf.
Eine hohe Anzahl von einzelnen Rohwaren impliziert einen hohen Beschaffungs- und Lagerungsaufwand und ist mit höheren Ausfallrisiken verbunden.
Backwaren mit schlechten Nährwerten (hoher Gehalt an Fett, insbesondere an gesättigten Fetten, hoher Salzgehalt, niedriger Ballaststoffgehalt) stellen eine schlechte Verwertung von Ressourcen in Relation zum ernährungsphysiologischen Nutzen dar.
Produkte aus dem aktuellen Sortiment sind möglicherweise nicht im Einklang mit der neuen Ressourcensituation und den veränderten Verbrauchererwartungen.
Eine suboptimale Auslastung der Anlagen führt zu einer Verschwendung von Energie. Tatsächlich benötigte Mengen auf Basis von Verkaufsdaten aus der Vergangenheit sowie ggf. Wetterdaten vorhersagen. Unverkaufte Mengen als Rework verwerten.
Produktsortiment verschlanken mit Fokus auf Produkte, die den Erwartungen des Marktes sowie der Identität des Unternehmens am besten entsprechen. Ggf. können weitere Produkt zugekauft werden.
Anzahl der Rohwaren reduzieren, mit Fokus auf Zutaten aus lokalem Anbau und lokaler Verarbeitung. Funktionelle Zusatzstoffe nach Möglichkeit eliminieren, stattdessen Prozess-Know-how aufbauen.
Fokus auf Zutaten und Rezepturen mit hoher ernährungsphysiologischer Qualität (z. B. auf Basis von Vollkornmehlen und Leguminosen). Kreative Rezepturen entwickeln, um sicherzustellen, dass die neuen Produkte sensorisch überzeugen.
Neue Produkte entwickeln, die der neuen Marktsituation besser gerecht werden
Komplexität der Prozesse reduzieren, Abläufe neu planen
Die meiste verbrauchte Energie erreicht nicht das Produkt, sondern geht im Prozess verloren. Der Energieverbrauch kann erst dann optimiert werden, wenn die Prozesse, die am meisten Energie verbrauchen, identifiziert sind.
Die produktspezifischen Prozessparameter sind selten mit Hinblick auf eine Optimierung des Energieverbrauchs festgelegt worden.
Ältere Anlagen haben eine schlechtere Energieeffizienz.
Einige Produkte sind bei der Herstellung besonders energieintensiv, weil sie mit einer Abfolge von Kühlungs- und Heizungsschritten sowie von Hydratisierungs- und Trocknungsschritten produziert werden.
Eine suboptimale Wartung der Anlagen (insbesondere der Brenner) führt zu Energieverlusten.
Die Abhängigkeit von Strom wirkt sich bei Preissteigerungen negativ auf die Margen und bei Versorgungsunterbrechungen auf die Produktionsfähigkeit aus. Energiemonitoring implementieren, um den Verbrauch der einzelnen Prozesse zu ermitteln. Energieeffizienz der wichtigsten Prozesse prüfen, Optimierungsmaßnahmen treffen (z. B. Systeme zur Wärmerückgewinnung)
Prüfen, ob Kühltemperaturen erhöht, Heiztemperaturen reduziert werden können. Auswirkungen auf Produktqualität, Energieverbrauch und Prozesszeiten prüfen
Investition in neue Anlagen
Energieverbrauch auf Produktebene ermitteln Prüfen, ob der Herstellungsprozess einzelner Produkte überdacht werden kann, um den Energieverbrauch zu senken
Wartungspläne optimieren
Einsatz von Fotovoltaik-Anlagen zur Eigenproduktion von Strom bzw. zukünftig von Wasserstoff Potenziell bessere Endpreise Risiko einer reduzierten Verfügbarkeit
Potenziell bessere Produktqualität Potenziell bessere Endpreise Die Identität und die Werte des Unternehmens werden sichtbarer, was dem Wunsch nach „authentischen“ Produkten entspricht Reduziertes Angebot, weniger Auswahl
Entspricht der Nachfrage nach Clean Label, lokaler Produktion und „authentischen“ Produkten Risiko einer höheren Variabilität der Produktqualität
Entspricht der Nachfrage nach gesunden Produkten Risiko einer schlechten sensorischen Akzeptanz
Entspricht den veränderten Verbraucherwünschen Die Akzeptanz der neuen Produkte ist im Einzelfall nicht garantiert.
Entspricht der Nachfrage nach Produkten mit niedrigem Umweltfußabdruck Potenziell bessere Preise Erhöhte Lieferfähigkeit
Spezifische Lösungen zum EnergieVerbrauch
Spezifische Lösungen zu den Rohwaren
Spezifische Lösungen zum Personal Probleme
Die Abhängigkeit von einem einzigen Brennstoff wirkt sich bei Preissteigerungen negativ auf die Margen und bei Versorgungsunterbrechungen auf die Produktionsfähigkeit aus. Investition in mehrere Brennertypen bzw. in Hybrid-Brenner, um flexibel zwischen Brennstoffen wechseln zu können (z. B. in Verbindung mit einem Thermoöl-System) In Zukunft kann Wasserstoff flexibel entweder extern beschafft (vorzugsweise aus nachhaltigen Quellen) oder selbst produziert werden.
Die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten erhöht das Risiko von Lieferengpässen und reduziert den Verhandlungsspielraum.
Qualitätsschwankungen von Rohwaren können zukünftig durch die Auswirkungen des Klimawandels sowie die Instabilität von Lieferketten vermehrt auftreten.
Schwierigkeit, qualifiziertes Personal zu rekrutieren
Repetitive, körperlich anstrengende Tätigkeiten
Nachtarbeit
Rückständiges Image
Niedrigere Löhne im Vergleich zu anderen Branchen
Lösungsansätze Vor- und potenzielle Nachteile für Konsumenten
Relevante Rohwareneigenschaften ermitteln (Spezifikation) und alternative Lieferanten identifizieren Sichert die Lieferfähigkeit Potenziell bessere Preise
Prozess-Know-how entwickeln (dynamische Anpassung der Prozessparameter an die Rohwareneigenschaften) Prozess-Know-how entspricht dem Wunsch nach „authentischen“ Produkten. Risiko einer geringen Akzeptanz der verbleibenden Qualitätsschwankungen der Endprodukte durch die Verbraucher
Weiterbildung des bestehenden Personals Ein positives Image als Arbeitgeber kann sich auch auf die Wahrnehmung durch die Verbraucher positiv auswirken.
Automatisierung einzelner Prozessschritte
Umgestaltung von Prozessen, insb. Einsatz der Gärverzögerung / Gärunterbrechung (muss mit dem höheren Energieverbrauch abgewogen werden)
Weiterentwicklung des Know-hows im Bereich der Zutaten, der Prozesse und der Ernährung. Geeignete Kommunikation dieser Themen an die Mitarbeiter und Kunden
Erhöhung der Löhne, sofern die wirtschaftliche Situation des Unternehmens es erlaubt Erhöhung des Commitments des Personals durch andere Maßnahmen (Kultur des Vertrauens, Weiterbildungen, flexible Arbeitszeiten, andere monetäre und nicht-monetäre Vorteile)
in den Endprodukten zur Folge haben. Es muss geprüft werden, ob dies den Kunden zugemutet werden kann, was bei guter Kommunikation des Clean-Label-Konzepts auch gelingen kann.
Als weitere Maßnahme kann die Produktion neu organisiert werden mit dem Ziel, Leerläufe, Teilauslastung von Anlagen, Materialverluste sowie personalintensive Schritte zu vermeiden.
Eine wichtige Ursache für Ressourcenverschwendung kann in unverkauften Mengen liegen. Ihre Reduktion setzt voraus, dass die tatsächlichen Verkaufsmengen besser antizipiert werden können (auf Basis von historischen sowie ggf. von Wetterdaten). Die nach einer Optimierung der Planung verbleibenden Mengen können über Rework-Maßnahmen verwertet werden, z. B. über die Herstellung eines Brotsirups.
Entwicklung neuer Produkte
Es kann sich als schwierig erweisen, das bestehende Produktsortiment unter den veränderten Rahmenbedingungen weiter herzustellen. Die Entwicklung und die Einführung neuer Produkte kann hier eine gute Lösung darstellen. Insbesondere die Trends lokale Zutaten, Clean Label, pflanzenbasiert (z. B. Eiersatz), hohe ernährungsphysiologische Qualität und niedrigerer Umweltfußabdruck sollten dabei berücksichtigt werden. Dabei sind Vollkornmehle (hohe ernährungsphysiologische Qualität, keine Seitenströme bei der Vermahlung) sowie Hülsenfruchtmehle wie Ackerbohnenmehl (lokaler Anbau, funktionelle Proteine) von besonderem Interesse.
Maßnahmen im Bereich des Energieverbrauchs
Zur Reduktion des Energieverbrauchs muss zunächst ermittelt werden, welche Prozesse am energieintensivsten sind, und dann müssen einzelne Maßnahmen zur Effizienzoptimierung implementiert werden, wie Wärmerückgewinnung, Reduktion des Schwadens, Einsatz der Aerosoltechnologie anstelle von Dampf bei Gärprozessen, Optimierung der Wartung, Optimierung der Anlagenauslastung, Reduktion von Stillstandzeiten, Implementierung von Niedrigenergie-Beleuchtung, Ersatz alter Anlagen durch energieeffizientere Maschinen.
Abb. 6: Symbolische Darstellung der Komplexität des Prozessmanagements in einem Backbetrieb mit Batch-Prozessen. Eine hohe Anzahl von Produkten wird zeitgleich hergestellt, jedes mit anderen Parametern und Prozesseinstellungen, was eine suboptimale Auslastung sowie Energieverluste zur Folge hat
Die Abhängigkeit gegenüber externer Stromversorgung kann durch den Einsatz von Photovoltaik-Anlagen reduziert werden, die Abhängigkeit gegenüber einem einzigen Brennstoff durch die Investition in Anlagen, die flexibel zwischen Brennstoffen wechseln können. In Kraft-Wärme-Kopplungskraftwerken können sowohl fossile Brennstoffe (Erdgas oder Heizöl) als auch nachwachsende (Biogas, Biodiesel oder Holzpellets) eingesetzt werden. Eine Zukunftsperspektive ist die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger, vorzugsweise aus „grüner“, also nicht-fossiler Erzeugung.
Das ttz Bremerhaven arbeitet derzeit an einem Forschungsvorhaben zur direkten Nutzung von Wasserstoff als Brennstoff im Backofen. Ziel ist die Prüfung der Praxistauglichkeit dieses Konzepts. Es konnte gezeigt werden, dass die direkte Verbrennung von Wasserstoff in einem Bäckereibackofen sicher ist und sehr gute Backergebnisse ermöglicht. Wasserstoff dient dabei als Medium zur Zwischenspeicherung von Energie, seine Verbrennung erzeugt ausschließlich Hitze und Wasserdampf, welche beide direkt im Backprozess genutzt werden können. Bäckereiunternehmen könnten in Zukunft den Wasserstoff extern beziehen oder ihn selbst über Fotovoltaik-Panels in Verbindung mit einem Elektrolyseur erzeugen – eine Kombination beider Quellen ist ebenfalls möglich.
Maßnahmen im Bereich der Rohwaren
Eine Konsequenz aus der Rohwarenknappheit kann die Notwendigkeit sein, eine höhere Variabilität von Rohwaren zu akzeptieren: Es kann erforderlich werden, zwischen Lieferanten zu wechseln, und auch ein bestehender Lieferant kann aufgrund eigener Versorgungsschwierigkeiten eine schwankende Qualität liefern. Mehrere Strategien können angewandt werden, um dieser Situation zu begegnen: (1) höhere Schwankungen der Endproduktqualität zulassen (die Tendenz zur „Überspezifikation“ wurde in den letzten Jahren regelmäßig kritisiert), (2) der Einsatz von Sensoren zur Inline-Erfassung der Produktqualität in der Produktion, und die Realisierung von Regelkreisen zur Anpassung der Prozessparameter in Echtzeit, (3) die Verwendung von Zutaten und Zusatzstoffen mit stabilisierender Funktion, und die Anpassung derer Dosierung an die jeweils vorliegende Rohwarenqualität. Letztere Strategie muss jedoch mit Vorsicht genutzt werden, da einerseits dadurch neue Abhängigkeiten geschaffen werden und andererseits die Verbraucher den Einsatz von Zusatzstoffen ablehnen können.
Wie oben erwähnt kann die Vereinfachung von Rezepturen und die zunehmende Nutzung von Rohwaren aus lokaler Produktion dazu beitragen, die Lieferfähigkeit zu sichern. Langfristige Kontrakte mit Landwirten bringen dabei
„Unsere Ansätze lassen sich so zusammenfassen: Produktangebot fokussieren, Rohwaren- und Prozessexpertise kultivieren, Identität der Bäckerei stärken.“
Dr. Julien Huen,Kompetenzfeldmanager Analytik zur Prozessoptimierung, ttz Bremerhaven
zusätzliche Sicherheit, jedoch auf Kosten des Risikos lokaler Schwankungen der Erntequalität.
Maßnahmen im Bereich des Personals
Um die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber zu steigern, kann an mehreren Stellen angesetzt werden: Reduktion der Nachtarbeit durch den Einsatz von GU- und GV-Techniken sowie durch die Rationalisierung des Produktportfolios; Steigerung des Produkt- und Prozess-Knowhows im Unternehmen unter Beteiligung einer breiten Personalbasis; Automatisierung repetitiver und körperlich anstrengender Tätigkeiten; Erhöhung der Löhne, sofern die wirtschaftliche Situation des Unternehmens es erlaubt.
Es kann auch sinnvoll sein, einzelne, nicht strategische Tätigkeiten auszulagern sowie externe Beratungsangebote wahrzunehmen, um neue Projekte zu realisieren und das Wissen der Mitarbeiter auszubauen.
Auf der Ebene der Berufsverbände könnte eine Stärkung von technologischen und wissenschaftlichen Inhalten in der Ausbildung von Fachkräften gelingen; insbesondere im Bereich von Ernährung, Biochemie, Biotechnologie und Verfahrenstechnik könnte dies dazu beitragen, das Image von Karrieren in der Backbranche zu verbessern.
Schlusswort
Aufgrund der schwindenden Verfügbarkeit von Ressourcen wird es zunehmend essentiell, diese bestmöglich zu verwerten und jegliche Form von Verschwendung zu vermeiden. Dies kann am besten gelingen, wenn sich Unternehmen auf eine begrenzte Anzahl von Produkten fokussieren, die aus sorgfältig gewählten Rohwaren hergestellt werden, mit sehr gut beherrschten Prozessen und unter Einsatz von qualifizierten und motivierten Mitarbeitern. Das Konzept der Endprodukte muss mit den Wünschen der Verbraucher im Einklang sein, insbesondere in Bezug auf Ernährung, sensorische Eigenschaften und Umweltauswirkungen.
Eine klare Vision davon, was das Unternehmen in Bezug auf das Produktsortiment und die Herstellungsweise einzigartig macht, und eine gute Kommunikation darüber tragen dazu bei, den Marktwert der Produkte zu steigern sowie die Treue von Kunden und Mitarbeitern zu verbessern.
Die aktuellen Rahmenbedingungen sind extrem fordernd und verlangen nach besonderen Führungskompetenzen. Bäckereiunternehmen befriedigen ein Grundbedürfnis von Menschen, da Getreide etwa 50 % der weltweit eingenommenen Kalorien repräsentieren (Weizen 20 %) und eine wesentliche Quelle von Kohlenhydraten, Proteinen, Ballaststoffen und Mineralien darstellen. Die Unternehmen sollten auf diese grundlegende Nachfrage setzen und Geschäftsmodelle entwickeln, welche diese auf eine möglichst effiziente und transparente Weise bedienen. +++
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