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Die Bedeutung des Zweiten Autonomiestatuts für die ladinische Volksgruppe in Südtirol

Franz Complojer

Das Zweite Autonomiestatut von 1972 ist für die ladinische Volksgruppe von derartiger Tragweite, dass es substanziell als das Erste bezeichnet werden könnte. Das Statut von 1948 beschränkte sich nämlich auf die Anerkennung des Bestehens der ladinischen Bevölkerung in der Region, die vage Zusicherung des Unterrichts des Ladinischen in den Grundschulen sowie die Verpflichtung seitens Land und Region, die Ortsnamen, die Kultur und die Traditionen der ladinischen Bevölkerung zu respektieren. Erst das Statut von 1972 führte auch spezifische Schutzmaßnahmen ein. Dazu zählt auf institutioneller Ebene die verpflichtende Vertretung der Ladiner im Südtiroler Landtag und im Regionalrat, aber auch die direkte Verfassungsbeschwerde, also das Recht, ein Regional- oder Landesgesetz vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten, falls der Grundsatz der Gleichheit der Rechte der Volksgruppen verletzt scheint.

Für die Kulturautonomie maßgeblich sind das Modell der paritätischen Schule sowie die Verpflichtung der Autonomen Provinz Bozen, die zu kulturellen Zwecken bestimmten Haushaltsmittel nicht nur im direkten Verhältnis zur Stärke, sondern auch mit Bezug auf das Ausmaß des Bedarfs einer jeden Sprachgruppe einzusetzen. Die Sicherstellung dieser Mittel ermöglichte unter anderem die Einrichtung des ladinischen Kulturinstituts Istitut Ladin Micurà de Rü im Jahre 1976 und des 2001 eröffneten Museum Ladin Ćiastel de Tor sowie ladinische Sendungen in Hörfunk und Fernsehen.

Obwohl das Statut von 1972 einen wesentlichen Qualitätssprung beim Schutz der Ladiner brachte, enthielt es in der Erstfassung aus ladinischer Sicht einige zum Teil gravierende Benachteiligungen gegenüber den anderen zwei Sprachgruppen. So fehlte das für den Minderheitenschutz unverzichtbare Recht auf den Gebrauch der Sprache im öffentlichen Leben. Dieses wurde erst mit einer Durchführungsbestimmung im Jahre 1988 kodifiziert. Andere Mängel wurden zum Großteil in der Phase der sogenannten dynamischen Autonomie mit den Reformen von 2001 und 2017 behoben.

Mit dem Verfassungsgesetz Nummer 2/2001 wurde die Vertretung der ladinischen Volksgruppe in der Regionalregierung garantiert und jene in der Landesregierung, auch abweichend vom Proporz, ermöglicht. Weiters wurde das paritätische Prinzip bei der Präsidentschaft des Südtiroler Landtags wie auch des Regionalrates aufgeweicht, indem der ladinischen Volksgruppe der Zugang zu diesen Ämtern zumindest ermöglicht wurde.

Das Verfassungsgesetz Nummer 1/2017 eröffnete den Zugang zur Sechser- und zur Zwölferkommission, deren Besetzung bis dahin paritätisch geregelt war. Beide Kommissionen spielen in der Ausarbeitung der Durchführungsbestimmungen eine wesentliche Rolle. Dank derselben Reform wurde das paritätische Prinzip auch bei der Besetzung der Position des Landeshauptmannstellvertreters abgemildert, sodass der den Ladinern bis dahin untersagte Zugang ermöglicht wurde.

Doch das paritätische Prinzip gilt in bestimmten Bereichen nach wie vor, wie etwa beim Verwaltungsgericht. Dies bedeutet zwangsläufig den Ausschluss der ladinischen Volksgruppe. In diesen verbleibenden Bereichen ist das Statut daher aus ladinischer Sicht noch kritisch zu betrachten.

Nachdem die Ladiner im Pariser Abkommen unberücksichtigt geblieben waren, ist aus ihrer Sicht die Streitbeilegung 1992 von großer Bedeutung, da diese erstmals die internationale Absicherung des Schutzes der Ladiner bewirkte.

Insgesamt hat das Zweite Autonomiestatut, ergänzt um die beiden erwähnten Reformen, die Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung auch zugunsten der Ladiner geschaffen. Und schließlich kommt die durch die Autonomie sichergestellte friedliche Konfliktlösung natürlich auch der ladinischen Bevölkerung zugute.

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