4. Elternbrief - Gehen, sprechenselber machen... - 12-24 Monate

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24 | 4. Gehen, sprechen, selber machen …

Eltern eines besonderen Kindes Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen Juliana kam drei Wochen zu früh zur Welt. Mein Bruder befand sich zu der Zeit gerade geschäftlich im Nahen Osten. Immer noch überwältigt und geschockt von der Diagnose klingelt einige Tage nach der Geburt bei mir im Krankenhaus das Telefon. Die Verbindung war nicht besonders gut und dennoch vernehme ich die Freude in der Stimme von Julianas einzigem Onkel: „Herzlichen Glückwunsch!“ … Sofort schießt es mir durch den Kopf: „Oh je, er weiß es noch gar nicht.“ Mir steigen Tränen in die Augen und ich überlege kurz, wie ich ihm die traurige Nachricht übermittle, dass seine Nichte nicht so ist, wie er es sich vielleicht vorgestellt hat: „Sie hat das Down-Syndrom“ sage ich kurz und bündig. „Ich weiß. Ja und?“ Die

Freude ist nach wie vor in seiner Stimme. Und ich war sprachlos. Das war die schönste Reaktion, die ich seit der Diagnosemitteilung erhalten hatte. Kaum einer beglückwünschte uns zur Geburt unserer Tochter. Die meisten waren einfach nur tief betroffen. Die bunten Luftballons gab es nicht, dafür bekamen wir das Buch „Trostgedanken“ geschenkt. Manchmal wünsche ich mir, alle Menschen wären so unbefangen und vorurteilsfrei wie mein Bruder, der allem „Andersartigen“ stets mit positiver Neugierde und Aufgeschlossenheit gegenübertritt. Auch bei ihm war dies nicht immer so: Sein Zivildienst, den er in einer Organisation für Menschen mit Behinderung abgeleistet hat, ist für ihn eine sehr gute Lebensschule


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