Zweitwohnsitzproblematik – Fluch oder Segen? Die Stellungnahme von Bürgermeister Fritz Zefferer aus Mitterberg-St. Martin in voller Länge: In den vergangenen Wochen wurde die „Zeitwohnsitzproblematik“ in diversen Fernseh- und Zeitungsberichten vermehrt kritisch erörtert und mit unterschiedlichen Argumenten die Sachlage eher oberflächlich dargestellt. In meiner Funktion als Bürgermeister, aber auch als Diplomrechtspfleger in Grundbuchssachen am Bezirksgericht bin ich mit dieser Sach- und Rechtslage ständig konfrontiert. Insbesondere geht es immer wieder um die Frage, wer darf in unseren Gemeinden einen sogenannten „Zweitwohnsitz“ begründen und was bedeutet dies für unsere Kommunen. Vorerst zurück an den Start. Im Jahre 1995 wurde Österreich Mitglied der Europäischen Union. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde im Grundverkehrsgesetz zwischen Inländer (Österreicher) und Ausländer (also auch Deutsche, Holländer, Belgier usw.) unterschieden. Da durch den EU-Beitritt alle EU-Bürger beim Grundkauf gleichgestellt wurden, hatte insbesondere das Bundesland Tirol große Bedenken, dass künftig die Deutschen, Holländer, Belgier usw. ohne Schwierigkeiten Grund und Boden in Tirol kaufen können und dadurch ein Ausverkauf stattfindet. Um EUrechtskonform zu bleiben und diese Gefahr abwenden zu können, wurde in den Bundesländern (vorwiegend Tourismusgebieten) das Grundverkehrsgesetz neu gestaltet und sogenannte „VORBEHALTSGEMEINDEN“ mit Beschränkungszonen eingerichtet (Schladming, Ramsau am Dachstein, Haus im Ennstal, Aich,
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Gröbming, Michaelerberg-Pruggern, Sölk, Mitterberg-Sankt Martin usw.). Dies bedeutet, dass eine Grundbuchseintragung (Eigentumsrecht) in den Vorbehaltsgemeinden mit Beschränkungszonen gem. § 30 des Stmk GVG nur dann erfolgen kann, wenn der Käufer eine sogenannte § 17 Erklärung vorgelegt. In dieser § 17 Stmk GVG Erklärung verpflichtet sich der Käufer, dass er das Baugrundstück in einer Beschränkungszone für Zweitwohnsitze NICHT zur Begründung eines Zweitwohnsitzes nutzt oder nutzen lässt. Die Konsequenz daraus ist jene, dass der Käufer an dieser Adresse Hauptwohnsitz begründen muss. Hauptwohnsitz ist jener Ort, wo der Lebensmittelpunkt der betroffenen Person ist (Arbeitsplatz, Familie, Aufenthaltsdauer usw.). Mit diesem Gesetz ist somit klar geregelt, dass Baugründe in den Vorbehaltsgemeinden mit Beschränkungszonen ausschließlich der heimischen Bevölkerung zur Verfügung stehen sollten. Es gibt in der Raumordnung jedoch auch die Möglichkeit, dass die Gemeinde sogenanntes „Ferienwohngebiet“ ausweist, wo eine Zweitwohnsitzmöglichkeit gegeben ist. Verstößt ein Baugrundkäufer gegen das obgenannte Gesetz, indem er keinen Hauptwohnsitz begründet, hat die Grundverkehrsbehörde mit Bescheid ein Verfahren zur Prüfung dieser Fragen einzuleiten. Wird dem grundbücherlich bereits durchgeführten Rechtsgeschäft (Kaufvertrag) die Genehmigung rechtskräftig versagt, so hat das ordentliche Gericht die Eintragung auf Antrag der Grundverkehrsbehörde zu löschen (§ 31 Stmk. GVG). Klartext: Wer in Vorbehaltsgemeinden mit Beschränkungszonen anstatt des erforderlichen Hauptwohnsitzes nur einen Zweitwohnsitz anmeldet, dem droht die Aufhebung des Kaufvertrages und dadurch auch die Löschung der Eigentumseintragung im Grundbuch! § 19 Stmk GVG: Unter einem Zweitwohnsitz ist ein Wohnsitz zu
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verstehen, der ausschließlich oder überwiegend dem vorübergehenden Wohnbedarf zum Zwecke der Erholung oder Freizeitgestaltung dient. Welche Nachteile entstehen den Gemeinden durch die Zweitwohnsitzbesitzer, welche trotz der § 17 Erklärung keinen Hauptwohnsitz sondern einen Zweitwohnsitz begründen? 1.) Es gibt keine Finanzzuweisung (Ertragsanteile) vom Land zu den Gemeinden mit ca. € 950,- pro Hauptwohnsitzbesitzer. 2.) Weiters treiben die sogenannten „Zweitwohnsitzbesitzer“ (meistens Nichtösterreicher) die Baugrund- und Eigentumswohnungspreise in unerschwingliche Höhen für die Einheimischen. Die großen Gewinner sind die Grundverkäufer und Bauträger größerer Wohnanlagen, welche in letzter Zeit dieses lukrative Geschäft entdeckt haben. Das Argument, dass der Bau von Großwohnanlagen auch die Absicherung von Arbeitsplätzen im Baugewerbe bedeutet, stimmt nur bedingt, da andererseits die vielen Eigenheimbauten für Einheimische aufgrund der hohen Baugrundpreise drastisch zurückgehen. Jetzt bleibt es jedem überlassen, diese Causa als Fluch oder Segen einzustufen. Ich habe für mich die Entscheidung klar getroffen: Segen ist es wohl keiner! Daher haben wir in unserer Gemeinde durch die klare Festlegung der Baurichtlinien (max. zweigeschossiges Bauen plus ausgebautem Dachgeschoss) die spekulativen Großbauten von vornherein ausgeschlossen. Weiters verweise ich bei jeder Bauverhandlung in einer Beschränkungszone für Zweitwohnsitze auf die Bestimmung des § 17 Stmk GVG, wonach Hauptwohnsitz zu begründen ist. Nachdem die Katastralgemeinde Mitterberg eine Vorbehaltsgemeinde mit Beschränkungszone ist (als nur hauptwohnsitzfähig –
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ausgenommen die ausgewiesen Ferienwohngebiete im Flächenwidmungsplan), überprüfe ich alle 3 Monate die angemeldeten Zweitwohnsitze im ZMR (zenrales Melderegister), um feststellen zu können, ob ein Bauwerber trotz der Hauptwohnsitzverpflichtung sich mit Hauptwohnsitz angemeldet hat. Sollte ein solcher Fall auftauchen, wird dieser Bauwerber von mir vorgeladen und umgehend ersucht, einen Hauptwohnsitz anzumelden, widrigenfalls ich diesen Sachverhalt an die Grundverkehrsbehörde weiterleite. Diese hat, wie oben erwähnt, gem. § 31 GVG vorzugehen. Bgm. Fritz Zefferer
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