3/2014
Leibniz-Journal
Atemnot
Pflanzenhüter
Igelzähler
Aufarbeitung
Meerestierwelt in Gefahr Bürger modernisieren die Forschung
Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft
Der
G 49121
Die Bedeutung der Biodiversität für den Menschen
Wert der Vielfalt
Zu Besuch im Saatgutarchiv Der Fußball und die DDR
REIH
L E I B N I Z | I N H A LT
THEMENSCHWERPUNKT: DER WERT DER VIELFALT Biodiversität ist für den Menschen überlebenswichtig. Wissenschaftler erfassen, erforschen und konservieren Arten, um sie besser schützen zu können. Manchmal helfen sie sogar, Verlorenes zurückzubringen.
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SPEKTRUM | Der DDR-Fußball wird aufgearbeitet.
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AUSSTELLUNGEN | „Fliegen“ im Museum für Naturkunde.
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KURZ & FORSCH
16 Artenbestimmung: Die Wiederentdeckung der Taxonomie
46 AUSSTELLUNGEN
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NUR SO EIN VORSCHLAG…
20 Portrait: Der Pflanzenhüter 26 Wildschweinzähler und Sternengucker: Citizen Science in der Naturfoschung 30 Wiederansiedlung: Die Rückkehr des Störs 36 Nord- und Ostsee: Maritime Tierwelt in Gefahr
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...von Leibniz-Präsident Matthias Kleiner
10 TITEL: DER WERT DER VIELFALT 10 Raumwissenschaft: Wildnis in der Stadt 12 Insektenkunde: Der Forscher und die Käfer
Titel-Fotos (Collage): Hwa Ja Götz und Carola Radke/Museum für Naturkunde
14 Klement Tockner: Der Wert der Vielfalt
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40 SPEKTRUM
49 LEIBNIZ LEKTÜRE 50 LEIBNIZ LIFE 51 Verlosung, Leibniz-Liste
53 LEIBNIZ LEUTE
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40 Interview: Fußball in der DDR 44 Mehr Wasser: Neue Entsalzungstechniken
Liebe Leserin, Sie würden die costa-ricanische Trauermücke sichern so die Ernährung von morgen. Dass lieber Leser, vermutlich nicht sonderlich vermissen. Ein verlorene Arten auch zurückkehren können, unscheinbares Insekt, drei Millimeter lang, ganz schlicht schwarz. Empfindlicher träfe sein Verschwinden Lepanthes glicensteinii: Die Trauermücke bestäubt diese Orchidee, die ihrerseits Lebensraum zahlreicher T iere ist. Stirbt die Mücke aus, sind auch sie in Gefahr. Der Verlust winziger Arten kann ganze Lebensgemeinschaften ins Wanken bringen. Auch wir Menschen brauchen die Vielfalt: Tiere, Pflanzen und intakte Ökosysteme liefern uns zum Beispiel Essen und heilende Wirkstoffe. Dennoch bedrohen wir sie mehr als jede Naturkatastrophe. Um das Schwinden der Vielfalt zu stoppen, müssen wir sie kennen. Mit aufwendigen Erbgutanalysen erfassen und erforschen Taxonomen deshalb die Arten der Erde. Andere Forscher widmen sich ihrem Erhalt ganz unmittelbar: In Genbanken konservieren sie die Samen bedrohter Pflanzensorten und
zeigt der Stör. In Deutschland gilt der Fisch seit 1968 als ausgestorben. Ein Wiederansiedlungsprogramm verspricht ihm eine Zukunft in unseren Gewässern. | Titel ab Seite 10 Im Spektrum blicken wir in die Vergangenheit: Der Deutsche Fußballbund hat die Historikerin Jutta Braun beauftragt, die Geschichte des DDR-Fußballs zu untersuchen. | Seite 40
Neu im Leibniz-Journal ist die Kolumne „Nur so ein Vorschlag...“ unseres Leibniz-Präsidenten. Zum Auftakt schlägt Matthias Kleiner vor: Konzentration auf das Wesentliche. | Seite 9 Viel Spaß bei der Lektüre! David Schelp, Redakteur
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Starrende Ziegen Ziegen merken, ob Menschen ihnen Aufmerksamkeit schenken oder nicht und ändern abhängig davon ihr Verhalten. Das haben Forscher der Universität Halle und des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie in Dummerstorf in zuvor lediglich mit Primaten durchgeführten Verhaltensversuchen herausgefunden. Ein Wissenschaftler zeigte den Tieren zunächst Futter. Dann suggerierte er mit unterschiedlichen Kopf- und Köperhaltungen verschiedene Aufmerksamkeitsgrade, bevor er sie nach 30 Sekunden fütterte. Die Ziegen waren weniger aktiv und starrten länger, wenn der Experimentator seinen Kopf abwandte oder ihnen den Rücken zudrehte. Dies deute darauf hin, dass Ziegen die Rolle des Menschen und seiner Aufmerksamkeit ihnen gegenüber beim Füttern interpretieren können, so die Wissenschaftler. Erkenntnisse wie diese könnten helfen, Haltung und Wohlbefinden der Tiere in der Zucht zu verbessern.
Zwitschern aus der Vergangenheit
Geschichte auf 140 Zeichen: Anlässlich des 25. Jahrestages des Mauerfalls twittern der Bundesbeauftragte für die StasiUnterlagen, die Bild-Zeitung und das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam über den Weg zur friedlichen Revolution von 1989. In mehreren Hundert Einträgen geht es etwa um die massenhafte Ausreise von DDRBürgern, die anschwellenden
Proteste und die zunehmend unkontrollierten Reaktionen der SED. Als Quelle dienen zum Teil unveröffentlichte Dokumente des Staatssicherheitsdienstes der DDR, des Bundesnachrichtendienstes und anderer Behörden. Der Twitter-Feed @ Mauerfall89 soll die Geschehnisse von damals vor allem jüngeren Menschen näher bringen. Twitter.com/Mauerfall89
doi = Digital Object Identifier, ein eindeutiger und dauerhafter Identifikator für digitale Objekte, vor allem für Online-Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften verwendet
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Verborgenes Virus
Das Rätsel um die mit HIV-1 infizierten „Boston-Patienten“, die nach einer Stammzellentransplantation für mehrere Monate als geheilt galten, ist geklärt. Ein internationales Wissenschaftler-Team unter Beteiligung des Hamburger Heinrich-PetteInstituts, LeibnizInstitut für Experimentelle Virologie, fand heraus, dass die Kombination der Stammzellentransplantation mit einer antiretroviralen Kombinationstherapie zwar zu einer massiven Reduktion des Virus-Reservoirs führte, aber nicht ausreichte, um das Virus vollständig aus dem Körper
zu entfernen. Nachdem das HI-Virus weder im Blut noch im Darmgewebe nachgewiesen werden konnte, hatte zunächst Hoffnung auf Heilung be standen. Später kam es jedoch zu einer erneuten Virusreplikation im Blut der beiden Patienten. Das Virus hatte sich offenbar nur „versteckt“. Aus der großen Homogenität der wiederauftretenden Viruspopulation schließen die Forscher, dass ein einziges verbliebenes intaktes Virus ausreicht, um zu einer erneuten Ausbreitung im Körper zu führen. Annals of Internal Medicine 2014;161(5):319-327. DOI: 10.7326/M14-1027
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Fotos: pixbay; Bundesarchiv-B 145 Bild-00012815; ESA
Animal Cognition, July 2014. DOI: 10.1007/s10071-014-0777-5
LEIBNIZ | KURZ & FORSCH
Luft für die Ostsee
Sauerstoffreiches Salzwasser aus der Nordsee verdrängt erstmals seit elf Jahren den Schwefelwasserstoff in den Tiefen der zentralen Ostsee. Wissenschaftler des Warnemünder LeibnizInstituts für Ostseeforschung vermuten, dass zwei längere Phasen westlicher Winde im Winter 2014 dafür verantwortlich sind. Seit 2003 hatte sich im Gotland-Becken zunehmend Schwefelwasserstoff gebildet
und die Lebensbedingungen für höhere Lebewesen massiv verschlechtert. Die betroffenen Bereiche werden deshalb auch als „Todeszonen“ bezeichnet. Der nun zuströmende Sauerstoff verbessert die Situation zumindest vorerst. Zuletzt hatte sich Ende 2011 ein ähnliches Phänomen ereignet. Der Sauerstoff erreichte damals jedoch lediglich die Tiefenwasser der südlichen Ostsee.
Lohnender Noteinsatz
Süßes Wochenende
www.youtube.com/ user/dbmbochum
European Journal of Clinical Nutrition, July 2014. DOI: 10.1038/ ejcn.2014.87
Beim Sichern eines von Raubgräbern geöffneten Schachts im Siegerland sind Montanarchäologen des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und Kollegen in den Tiefen der Erde auf einen mittelalterlichen Schatz gestoßen: zwei Kammern, in denen einst wertvolles Blei-Silbererz abgebaut wurde. Durch enge Schächte und Gänge arbeiteten sich die Wissenschaftler in voller Schutzausrüstung in die Tiefe. Teilweise mussten sie robben, klettern und sich abseilen, bis sie schließlich die Kammern entdeckten und akribisch vermaßen. In Holzanalysen stellten sie fest, dass die Lagerstätten bereits im 13. Jahrhundert entstanden. Es handelt sich somit um den ältesten archäologisch nachgewiesenen Bergbau im Siegerland. Seine Arbeit dokumentierte das Forscherteam in einem Kurzfilm.
Der Zuckerkonsum von Kindern ist an Freitagen, Samstagen und Sonntagen er heblich höher als an anderen Wochentagen. Das ergab eine Analyse von Daten der zwischen 2006 und 2012 in mehreren europäischen Ländern durchgeführten IDEFICS- Studie durch das Leibniz-Institut für Präventionsfor schung und Epide miologie und Kollegen. Es sei nicht ungewöhnlich, so die Forscher, dass Eltern ihren Kindern nach einer stressigen Schulwoche, zu besonderen Anlässen, am Wochenende oder in den Ferien häufiger Süßigkeiten geben. Wer den Zuckerkonsum seiner Kinder jedoch reduzieren wolle, sollte besonders auf die WochenendErnährung achten, da Eltern die Ernährung ihrer Kinder an diesen Tagen besser kontrollieren können.
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Aktuelle Forschungsergebnisse aus den Leibniz-Instituten
Leibniz-Lektionen Eine Vortragsreihe der Leibniz-Gemeinschaft in der Urania Berlin
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6.10.2014, 19.30 Uhr Isabella Peters Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW), Kiel Science 2.0: Wissenschaft im Netz Vortrag mit Diskussion Eintritt frei
4.11.2014, 19.30 Uhr Martin Sabrow Präsident des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) Der Mauerfall als historische Zäsur
Audiomitschnitte aller bisherigen Vorträge unter: www.leibniz-gemeinschaft.de/leibniz-lektionen
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Veranstaltungsort Urania Berlin An der Urania 17 10787 Berlin
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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH
in
Massive Meteoriteneinschläge haben in der frühesten Erdgeschichte dazu geführt, dass sich kein Leben auf unserem Planeten entwickeln konnte. Das dauerhafte Bombardement aus dem All machte die Erde zu einem lebensfeindlichen Ort aus glutheißer Gesteinsschmelze, auf dem jegliches Wasser verdampfte. Dieser Zustand hielt bis etwa vor vier Milliarden Jahren an. Computersimulationen des Museums für Naturkunde Berlin – Leibniz- Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung zeigen, dass das Auftreten von Zirkonen, den ältesten Mineralkörnern aus der frühen Erdgeschichte, durch massive Meteoriteneinschläge begünstigt wird. Aus dem Alter der gefundenen Zirkone lässt sich so die Häufigkeit großer Einschläge ableiten: Diese hatte vor 4,15 Milliarden Jahren ihren Höhepunkt und nahm erst vor 4,1 bis 3,6 Milliarden Jahren deutlich ab. Nature 511, 578–582 (31 July 2014). DOI: 10.1038/nature13539
Torflaute trotz Drei-Punkte-Regel
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Millionen
EU-Bürger lebten im Jahr 2012 außerhalb ihres Heimatlandes in einem nord-, west- oder südeuropäischen EU-Land (EU-15). Das sind rund 30 Prozent mehr als noch fünf Jahre zuvor. Insbesondere Deutschland verzeichnete zuletzt deutlich höhere Zuzüge ausländischer EU-Bürger, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin ergab. DIW Wochenbericht 30/2014
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Fotos: puchan/123RF Stock Photo; Flickr.com/Dirk Vorderstraße (CC BY-NC 2.0); Stiftung Mammutmuseum Niederweningen; Flickr.com/Thorben (CC BY-NC-ND 2.0).
Kein Leben im Meteoritenhagel
Zahlen
Prozent der Deutschen sind für eine Abschaffung der Kindergarten-Gebühren, 68 Prozent befürworten eine Kindergarten-Pflicht. Das hat das erste ifo Bildungsbarometer des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung gezeigt. Keine mehrheitliche Zustimmung hingegen erfährt das Betreuungsgeld, das 51 Prozent der Befragten ablehnen. www.cesifo-group.de/ ifo-bildungsbarometer
3,8
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Die Mannschaften der FußballBundesliga spielen heute defensiver als noch vor 20 Jahren – und das trotz der Einführung der Drei-Punkte-Regel in der Saison 1995/96, die eigentlich das Gegenteil bewirken sollte. Nach Analysen des RheinischWestfälischen-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen gaben Heimmannschaften zwischen 2011 und 2013 pro Spiel vier Torschüsse weniger ab als noch
in den 1990er Jahren. Bei den Auswärtsteams ging die Zahl der Torschüsse um 2,2 pro Spiel zurück. Bemerkenswert: Die Zahl der Tore je Spiel ist trotzdem nahezu gleich geblieben. Die RWIForscher stellten außerdem fest, dass ein Elfmeter gegen ein Team die Sieg-Chancen stärker reduziert als eine rote Karte. RWI-Materialien Nr. 82 „Sieg der Defensive? Evidenz für die 1. Deutsche Fußball-Liga“
Milliarden Euro
Steuereinnahmen pro Jahr würden dem Staat nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen entgehen, sollte die kalte Progression abgeschafft werden. Für die Steuerzahler würde es eine durchschnittliche Entlastung von 98 Euro bedeuten. Die kalte Progression bezeichnet das Phänomen, dass Bürger, deren Lohnzuwächse durch die Inflation nicht zu einer realen Einkommenssteigerung führen, dennoch eine höhere Steuerbelastung haben. RWI Position #60 „Günstige Gelegenheit: Jetzt die kalte Progression abschaffen“ 3/2014
LEIBNIZ | KURZ & FORSCH Strategisches Zapfen
Riesiger Lebensraum: In der Eiszeit waren Mammuts in weiten Teilen Eurasiens heimisch.
Kältekünstler
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Spätestens seit dem Film „Ice Age“ hat wohl jeder, der an Mammuts denkt, schneebedeckte Landschaften im hohen Norden im Sinn. Wissenschaftler der Senckenberg Forschungsstation für Quartärpaläontologie in Weimar haben nun jedoch rekonstruiert, dass die haarigen Riesen sehr viel weiter verbreitet waren. Dazu analysierten sie Fossilien aus über 500 Fundstellen im eurasischen Raum. Vor 100.000 bis 20.000 Jahren bewohnten Mammuts einen riesigen eiszeitlichen Lebensraum, der im Westen von Spanien, im
Osten vom Pazifischen Ozean, im Norden von der Arktis und im Süden vom Mittelmeer begrenzt wurde. Gemeinsam mit anderen Großtieren wie Moschusochsen und Rentieren bildeten sie die am erfolgreichsten an Kälte angepasste Tierwelt in der Entwicklungsgeschichte der Erde. Erst die Klimaerwärmung und Wiederbewaldung weiter Gebiete Eurasiens vor etwa 12.000 Jahren führten zum Untergang der sogenannten Mammutfauna. Quaternary Science Reviews (2013). DOI: 10.1016/j.quascirev.2013.01.012
Viele Autofahrer empfinden Benzin als zu teuer und sind auch durch starke Preisschwankungen irritiert. In seinem neuen Benzinpreisspiegel hat das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen untersucht, wann der Griff zur Zapfpistole wirklich teuer wird. Dabei stützen sich die Forscher auf Daten der Markttransparenzzentrale für Kraftstoffe, der über 14.000 deutsche Tankstellen seit 2013 Auskunft über ihre Preise geben müssen. Sie fanden heraus, dass Diesel, Super E10 und Super E5 sonn- und feiertags im Durchschnitt am teuersten sind. Das Vorurteil, Mineralölkonzerne würden an
Feiertagen Preiswucher betreiben, sahen sie dennoch nicht bestätigt: Im Schnitt überstieg der Sonntagspreis jenen an Werktagen um lediglich zwei Prozent. Die Studie zeigte zudem, dass die Preise auch im Tagesverlauf schwanken. Am günstigsten ist Benzin in den frühen Abendstunden. Besonders teuer ist es um 23 Uhr und um fünf in der Früh.
http://bit.ly/RWIBenzinpreisspiegel
Kongress ohne Kompromiss Ihr perfekter Gastgeber: Berlin
convention.visitBerlin.de
Ein perfekter Kongress ist mehr als perfekte Organisation. Mehr als perfekte Räumlichkeit. Mehr als perfekter Service. Zu einem perfekten Kongress gehört auch ein Gastgeber, der sich um den Rahmen kümmert. Berlin, die aufregendste Metropole in Europa, tut das. Ob Kultur, Sport oder Party, Berlin gibt sein Bestes. Als Gastgeber für einen Kongress ohne Kompromiss! convention.visitBerlin.de Member of
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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH „Radikal moderne Bibliothek“
Auch nach der Elternzeit: Weniger Arbeit, mehr Zeit für die Kinder.
Laut einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) kümmern sich Väter nach der Elternzeit stärker um ihre Kinder als Männer, die diese nicht in Anspruch genommen haben. Eine Analyse von Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigte, dass sie ihre wöchentliche Arbeitszeit nach der Rückkehr in den Job um durchschnittlich 4,5 Stunden verkürzen und auch ihre Freizeit reduzieren, um mehr Zeit für die Kinderbetreuung zu haben. Im Schnitt verbringen
sie nach Ende der Elternzeit pro Werktag eine Stunde mehr mit ihren Kindern als andere Väter. Anders sieht es bei der Hausarbeit aus. Nur Väter, die während der Elternzeit im Haushalt auf sich allein gestellt waren, weil ihre Partnerinnen arbeiteten, übernahmen später mehr Hausarbeit. Seit die Freistellung von der Arbeit 2007 reformiert wurde, teilen sich immer mehr Paare die Elternzeit. 2012 nahmen schon fast 30 Prozent der Väter sie in Anspruch. WZB Mittteilungen 143, S. 19-22
Grünzeug gegen Diabetes Gemüse und pflanzliche Nahrungsmittel spielen bisweilen eine wichtige Rolle bei alternativen Diabetestherapien. Einen möglichen Grund dafür haben Wissenschaftler um den Mediziner Andreas F. H. Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung identifiziert. Sie stellten fest, dass die in Gemüse, Obst, Kräu8
Umstrittene Klima-Technologien
Um die Risiken des Klimawandels und seine Kosten zu minimieren, könnte der Einsatz umstrittener Technologien nötig sein. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des PotsdamInstituts für Klimafolgenforschung in der bislang umfassendsten Studie zu möglichen Technologiestrategien zur Bekämpfung des Klimawandels. Eine Schlüsselrolle könnte der Bioenergie und Technologien zur CO2Abscheidung und –Speicherung (CCS) zukommen. Im Transportsektor könnte ein Wechsel auf Biokraftstoffe positive Effekte haben, da Gräser und Bäume, aus denen sie gewonnen werden, beim Wachsen CO2 binden. CCS spalten das Klimagas noch in Kraftwerken und Industrieanlagen aus den Emissionen ab und lagern es in unterirdischen Stätten ein. In Kombination könnten beide Maßnahmen Emissionen ausgleichen, die anderswo erst längerfristig oder nur teilweise vermieden werden können und so helfen, das sogenannte Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Climatic Change 123(3-4). DOI: 10.1007/s10584-013-0953-7
tern und Gewürzen enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe Luteolin und Apigenin die intrazellulären Signalwege des Botenstoffs Insulin beeinflussen und die Zucker- und Fettsynthese von in Kultur gehaltenen, menschlichen Leberzellen vermindern. PLOS ONE: 9(8): e104321; DOI: 10.1371/journal.pone.0104321
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Photocase/great barrier thief; pixabay/jarmoluk; Flickr.com/Wolfgang Staudt (CC BY-NC-ND 2.0).
Väterlicher Familiensinn
Die ZBW – LeibnizInformationszentrum Wirtschaft ist vom Deutschen Bibliotheksverband zur „Bibliothek des Jahres“ gekürt worden. Mit der ZBW werde eine Bibliothek geehrt, die sich den Herausforderungen des technologischen Wandels stellt und ihre exzellenten digitalen Leistungen mit höchster Servicequa-
lität für Forschende, Lehrende und Studierende verbindet, so der Verband. Sie sei eine „radikal moderne“ Bibliothek, die ihr Wissen an Kollegen im In- und Ausland weitergebe und so zur Weiterentwicklung des gesamten Bibliotheksbereichs beitrage. Die Auszeichnung „Bibliothek des Jahres“ ist der einzige nationale Bibliothekspreis in Deutschland.
Foto: Fabian Zapatka
LEIBNIZ | KOLUMNE
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Gerade blättere ich wieder einmal durch ein Wissen- Immerzu unzufrieden mit Leerstellen und offenen Fraschaftsjournal – ähnlich wie das, was Sie gerade in den gen, ist das Forschen im Wissenschaftler-Leben ein inHänden halten. Ich tue das sehr gern, es gibt viele span- neres Erfordernis. Schon die Formen der Anerkennung nende Veröffentlichungen aus Forschungseinrichtun- künden davon: Ein wissenschaftlicher Preis ist meist gen, Universitäten und natürlich aus Leibniz-Instituten, dotiert mit Fördermitteln – eine Einladung, geradezu die anschaulich und informativ von Forschungserfol- eine Bitte an die Preisträgerin oder den Preisträger, eingen, -wegen und -prozessen berichten. geschlagene Wege und Fragen mit der gleichen HartnäNur eines hält Wissensaneignung und Lesevergnü- ckigkeit und Originalität weiterzuverfolgen. gen einmal wieder mit schöner Beharrlichkeit auf: Wissenschaft ist Berufung und Beruf – und der ProMitten im Text am Ende einer Zeile drängelt sich eine fessorentitel eine Berufs- und Amtsbezeichnung. Schon Folge nur allzu bekannter Abkürzungen, leider erst deswegen wäre es irreführend, die allgemeine Anerdem Zeilenumbruch folgt dann der Name, auf den ich kennung zu sehr und lediglich einer wissenschaftlichen aber besonders gespannt bin, denn er ist in diesem Arbeit zu überlassen, die – auf ein erfülltes und erfolgZusammenhang besonders aufschlussreich: Wer reiches Wissenschaftsleben gesehen – nur punkhat diese beeindruckende Forschung erdacht, tuell und reduktiv wirken kann. entwickelt und durchgeführt? Die Namen Die Nennung von Doktorgraden und „Ein von Wissenschaftlern sowie Ort und Instiakademischen Titeln hat gewiss eine inakademischer tution, an denen sie arbeiten, geben weit formative Note, manchmal sogar eine Grad ist wichtig. mehr Aufschluss, als es die Aufzählung praktische Relevanz: Zusammen mit der von Titeln, vor allem Ehrentiteln und GraKonkretisierung der wissenschaftlichen Wichtiger sind den vermag – allemal in den Kontexten, Disziplin, in der sie erworben wurden, die Leistungen die ohnehin offenkundig w issenschaftlich weisen sie die Expertise und Auskunftsdahinter.“ sind und die eine akademische Biographie fähigkeit ihrer Träger verlässlich aus. Darvoraussetzen. in ist und bleibt ihre Nennung unverzichtbar, Missverstehen Sie mich nicht: Ein akademiaber zur emanzipativen Distinktion und gar als scher Grad ist etwas Schönes und Wichtiges, und er ist Ausdruck von Autonomie und Reputation brauchen wir etwas, worauf der Inhaber oder die Inhaberin stolz sein sie eigentlich nicht (mehr): Unsere Promotions- und darf und soll. Noch schöner und noch wichtiger aber Habilitationsordnungen bestimmen wir heute selbst, sind gewiss die Leistungen, die dahinter stehen und die und die wissenschaftliche Selbstverwaltung sichert Bader Grad ausweist, ebenso wie die Erfahrung und das lance und Freiräume für Grundlagenforschung reiner Wissen und die Disziplin, die es anzusammeln und zu Erkenntnisorientierung sowie mit Anwendungspersbelasten galt, um diese Leistungen erbringen zu kön- pektiven. nen. Die Leibniz-Gemeinschaft und ihre Einrichtungen Es ist paradox: Wer sie erbracht hat, kennt die Mü- stehen mit der Gesellschaft in einem besonderen Diahen, vor allem aber kennt sie oder er die unbeirrbare log über ihre Forschungsleistungen und Inhalte. Diesen Bedingtheit einer wissenschaftlichen Erkenntnis. Da- Leistungen und Inhalten der Leibniz-Forschung den geher machen Wissenschaftler immerfort weiter, suchen, bührenden Raum einzuräumen, ist Ehrensache. Dafür probieren, erkennen, verwerfen, reüssieren, fragen, fin- können wir uns getrost beim Selbstverständlichen beden. Schon früher einmal habe ich von dieser latenten schränken: bei den langen Buchstabenketten von GraEigenschaft gesprochen, die unter Wissenschaftlern so den, Titeln und Ehrungen. Nur so ein Vorschlag… häufig ist: Unzufriedenheit. m atth i as kl ei n er , pr äsi d en t d er l ei bn i z - g em ei n s c h aft
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LEIBNIZ | K N SDI TKÄOTN F L I K T E BR I OI EDGI V U ER
Wilde Stadt in dicht bebauten Innenstädten jeden Sommer unter der Hitze. Das Grün kühlt die Stadt. Bei Anwohnern sind verwilderte Flächen trotzdem nicht immer beliebt. Sie gelten als hässlich und unsicher. Stadtplaner sollten die Bedürfnisse der Menschen ernst nehmen, Brachflächen durch Wege und Parkbänke nutzbar machen und darauf achten, dass industrielle Altlasten und marode Gebäude niemanden gefährden. Auch privat finde ich es faszinierend, wie die Natur freie Flächen um Fabriken und Lagerhallen zurückerobert. Ich hätte nichts dagegen, jeden Tag durch Dresdens Wildnis zu radeln, aber mein Weg ins Institut führt durch keine dieser Flächen.“
ju l i an e m ath ey ,
l ei b n i z - i n sti tu t fü r ökol og i sc h e r au m en tw i c kl u n g
Foto: Sven Döring; Protokoll: David Schelp
„Als Raumwissenschaftlerin untersuche ich, welche Bedeutung Wildnis für Städte und ihre Bewohner hat und wie verschiedene Grünflächen sinnvoll in die Stadtplanung einbezogen werden können. Wildnis holt das, was uns Städtern fehlt, in die Wohngebiete: Zugang zur Natur. Selbst verwaiste Bahnhöfe und verfallende Industrieanlagen bieten einer bunten Artengemeinschaft Raum, eingewanderten Pflanzen wie dem Sommerflieder, Insekten wie der Ödlandschrecke, Vögeln wie der Nachtigall, aber auch dem Galmei-Veilchen, das auf mit Schwermetallen belasteten Wiesen gedeiht. Wilde Wiesen, Stadtwälder und Brachen machen das Leben auch für uns Menschen gesünder. Wir können dort Sport treiben und spazieren gehen. Außerdem verbessern sie die klimatischen Bedingungen. Nicht nur alte Menschen leiden
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L E I B N I Z | K R I E G LUE NI BDN KI ZO N| FKL RI KI ET G E
LEIBNIZ | KURZ & FORSCH
In der Krabbelgruppe setzen wir selbst zur Schädlingsbekämpfung ein. Der Schwerpunkt meiner wissenschaft lichen Arbeit sind eher kleine und unauffällige Käfer aus der Familie der Kurzflügelkäfer, sogenannte Staphylinidae, und andere Insekten aus Südostasien. Die wissenschaftlichen Sammlungen sind dafür eine unverzichtbare Grundlage, denn wer neue Arten erkennen will, muss wissen, was vorher bereits beschrieben wurde. Schon immer haben Käfer wie der altägyptische Scarabaeus die Fantasie der Menschen beflügelt. Als Entomologe hat man sicher ein vergleichsweise positives Bild von Insekten, die ja sonst eher ein Imageproblem bei den Menschen haben. Aber auch ein Entomologe möchte nicht gerne Käfer in der Speisekammer haben oder Schaben in der Küche.“
d am i r kovac , sen c ken ber g
for sc h u n g si n sti tu t u n d n atu r m u s eu m fr an kfu rt
Foto: Sven Tränkner/Senckenberg; Protokoll: Christoph Herbort-von Loeper
„Zu Beginn meines Biologiestudiums habe ich mich zunächst für Genetik und Neurophysiologie interessiert. Bei einer zoologischen Exkursion nach Garmisch-Partenkirchen hat mich jedoch die Begeisterung für die Käfer gepackt. Mit mehr als 350.000 beschriebenen Arten sind sie die weltweit artenreichste Organismengruppe. Jede vierte Tierart ist ein Käfer! Es gibt kaum einen Lebensraum oder eine Nahrungsquelle, die Käfer nicht nutzen. Käfer spielen eine wichtige Rolle bei allen biologischen Kreisläufen der Erde: Sie sind am Abbau von pflanzlichen und tierischen Organismen beteiligt, bestäuben aber auch Blüten. Für andere Organismen sind sie als Beute oder Symbionten wichtig und dienen verschiedenen Parasiten als Wirtstiere. Einige Käferarten schaden dem Menschen, indem sie unsere Nutzpflanzen, Holz oder Nahrungsvorräte anfressen. Andere
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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH
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LEIBNIZ | BIODIVERSITÄT
An dieser Stelle bitte ein bisschen was übers MFN oder über Tiere oder Vitrinen - oder so. Jedenfalls zum Bild eine BU, bitte.
Der Wert der Vielfalt Die Hälfte der Arten droht bis zum Ende des Jahrhunderts verloren zu gehen. Ihr Erhalt zählt zu den wichtigsten Herausforderungen der Menschheit, denn die Vielfalt ist nicht nur von ökono-
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Wir befinden uns inmitten einer dramatischen Zeitenwende – vom Holozän hin zum Anthropozän. Seit Beginn der industriellen Revolution, besonders aber seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts, hat der Mensch die Geo-, Hydro-, Bio- und Atmosphäre global, langfristig und zumeist unumkehrbar verändert. Dazu zählen die Anreicherung von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre und die Versauerung der Ozeane ebenso wie die Ausbeutung fossiler Grundwasserspeicher. Besonders betroffen ist die Biosphäre: Ökosysteme wurden fast flächendeckend „domesti-
ziert“, das heißt zum größtmöglichen und zumeist kurzfristigen Nutzen für den Menschen verändert. Heute sind mehr als 75 Prozent der eisfreien Landoberfläche durch den Menschen überprägt. Diese Eingriffe in die Biosphäre haben eine rapide Veränderung der biologischen Vielfalt zur Folge.
Neun von zehn Arten unentdeckt
Biodiversität, die Vielfalt des Lebens auf der Erde, von der genetischen Vielfalt über die Artenvielfalt bis hin zur Diver-
sität der Ökosysteme, bildet die Grundlage unseres Wohlergehens. Vielfältige Ökosysteme und Lebensgemeinschaften sichern unsere Ernährung und die medizinische Versorgung, dämpfen die Auswirkungen der Klimaveränderung und versorgen uns mit sauberem Trinkwasser. Die biologische Vielfalt hat somit auch einen ökonomischen Wert. Um zu überzeugen, dass Biodiversität erhaltenswert ist und gefördert werden muss, wird deshalb vermehrt mit ihren „Leistungen“ und deren ökonomischen Nutzen argumentiert. Verstärkt berücksichtigt werden müssen jedoch
Fotos: Museum für Naturkunde/Carola Radke; IGB/Andy Küchenmeister
mischem Wert — sondern Grundlage unseres Wohlergehens.
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L E I B N I Z | D E R W E R T D E R V I E L FA LT
auch ästhetische, emotionale und ethisch begründete Aspekte für den langfristigen Erhalt der Biodiversität. Die biologische Vielfalt ist gefährdeter denn je. Zwar gibt es heutzutage mehr Arten als je zuvor in der Erdgeschichte, jedoch ist die Aussterberate um das Hundertfache höher als in der Vergangenheit. Ohne tiefgreifende Maßnahmen muss bis zum Ende dieses Jahrhunderts mit einem Verlust von bis zu 50 Prozent der globalen Artenvielfalt gerechnet werden. Der Rückgang der Vielfalt ist wahrscheinlich dramatischer als vermutet, da von den etwa neun bis zwölf Millionen Arten höherer Lebewesen bislang erst 1,2 Millionen beschrieben sind. Das bedeutet, dass rund 90 Prozent aller Arten noch auf ihre Entdeckung warten – und womöglich verschwinden, bevor sie überhaupt erfasst werden können. Die wesentlichen Ursachen für den rapiden Rückgang der Biodiversität sind der Verlust an Lebensräumen, der Klimawandel, die rasante Ausbrei-
tung gebietsfremder Arten sowie die Überdüngung von Land- und Wasserökosystemen. Zwar macht sich der Artenrückgang zu Beginn kaum bemerkbar, wird jedoch ein bestimmter Schwellenwert unterschritten, kann es zu unvorhersehbaren Folgewirkungen für Mensch und Natur kommen.
Lebensraum Wasser besonders unter Druck
Besonders dramatisch ist die Situation in Gewässern. Bäche, Flüsse und Seen sind Zentren der biologischen Vielfalt. Obwohl sie nur etwa ein Prozent der Erdoberfläche bedecken, beherbergen sie zehn Prozent aller Tierarten, 30 Prozent aller Wirbeltiere und 40 Prozent aller Fische. Bis zu 20.000 dieser Arten sind bereits verschwunden oder besonders gefährdet, so zum Beispiel 15 der 27 Störarten weltweit. Das World Economic Forum listet die globale Wasserknappheit als eine der drei größten Herausforderun-
Der Weltbiodiversitätsrat Der Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben sich von einem Nischen- zu einem gesellschaftlichen und politischen Megathema entwickelt. Nach jahrelangen Vorbereitungen gründeten im April 2012 in Panama 90 Regierungen die „Zwischenstaatliche Plattform zur Biodiversität und Ökosystemleistungen“, kurz IPBES. Die Aufgabe der UN-Organisation: das vorhandene Wissen über die biologische Vielfalt global sicherstellen und gebündelt für politische Entscheidungsprozesse verfügbar machen. Wissenschaftler aus aller Welt werden an einer globalen Bewertung für den ersten „WeltbiodiversitätsBericht“, ähnlich dem Weltklima-Bericht, als unabhängige Experten und Autoren mitwirken. Die Entscheidung für Bonn als Sitz des IPBES-Sekretariats dürfte zudem neue Impulse für die Biodiversitätsforschung in Deutschland setzen.
gen unserer Zeit. Der Druck auf die Ressource Wasser wird also weiter zunehmen. Dabei muss sichergestellt werden, dass Wasser nicht nur als Ressource für uns Menschen dient, sondern zugleich Lebensraum für eine einzigartige und vielfältige Fauna und Flora bietet. Der langfristige Erhalt der biologischen Vielfalt zählt zu den wichtigsten globalen Herausforderungen der Menschheit. Dabei ist ein grundlegendes Umdenken im zukünftigen Management unserer Ökosysteme erforderlich. Ein rein konservatorischer Ansatz, wie er im Natur- und Artenschutz häufig praktiziert wird, greift im Zeitalter des Anthropozän zu kurz und wird eine nachhaltige Sicherung der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen nicht gewährleisten können. Zwar muss dem Schutz der naturnahen Lebensräume höchste Priorität eingeräumt werden, zugleich müssen wir aber auch unsere vielfach überformten Ökosysteme auf der Grundlage gesellschaftlicher Erfordernisse aktiv gestalten. Der Erhalt der biologischen Vielfalt muss gleichberechtigt neben der Nutzung unserer Ökosysteme durch den Menschen stehen. Die Biodiversitätsforschung erfordert insbesondere eine integrative und transdisziplinäre Herangehensweise: Forschung und Praxis hängen eng zusammen. Schutz und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt erfordern innovative Maßnahmen und sind zugleich eng an die sozio-ökonomische und demographische Entwicklung, Armutsbekämpfung, soziale Gerechtigkeit und Sicherung der (menschlichen) Gesundheit gekoppelt. kl em en t toc kn er
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Klement Tockner
ist Sprecher des Leibniz-Verbunds Biodiversität und Direktor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Zudem hält der gebürtige Österreicher eine Professur für Aquatische Ökologie an der Freien Universität Berlin. Tockner ist ein gefragter Experte für Umwelt- und Biodiversitätsfragen. Zuletzt berief ihn das nationale japanische Umweltforschungsinstitut NIES als Mitglied seines wissenschaftlichen Beratergremiums. 15
LEIBNIZ | BIODIVERSITĂ„T
Systematik der Arten: Taxonomen ordnen Arten wie den Grauschenkel Kleideraffen anhand charakteristischer Merkmale in den Stammbaum des Lebens ein.
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Wiederentdeckte Entdecker Lange fristete die Taxonomie — die Systematik der Arten — ein Schattendasein in der Biologie. Moderne Techniken ermöglichen
Fotos: Tilo Nadler; ZFMK
wichtige neue Erkenntnisse für den Schutz der Vielfalt des Lebens.
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Bradysia floribunda ist ein zartes Wesen, schwarz und nur drei Millimeter lang. Und doch spielt die kleine Trauermücke aus Costa Rica eine große Rolle: Von ihr hängt die Existenz der Orchidee Lepanthes glicensteinii ab, die wiederum Nahrung und Lebensraum vieler anderer Tiere ist. Ein Teil der LepanthesBlüte gleicht dem Geschlechtsorgan der Bradysia-Weibchen. Es lockt Mückenmännchen an, die sich beim Kopulieren mit der Blüte mit Pollen bepudern. So tragen sie den Pollen von Blüte zu Blüte und bestäuben die Pflanzen. Die Beziehung der Mücke und der Orchidee ist eines von vielen Beispielen für eine extreme Spezialisierung in der Natur. Und vor allem dafür, wie stark ein Lebewesen auf ein anderes angewiesen sein kann, selbst wenn es nur eine kleine Mücke ist. Solche Zusammenhänge können Forscher nur dann erkennen, wenn sie über große Artenkenntnis verfügen und Pflanzen- und Tierarten, Mücken oder Orchideen zweifelsfrei bestimmen können. Taxonomen werden diese Spezialisten genannt, die Lebewesen anhand charakteristischer Merkmale be-
Trauermücke der Gattung Bradysia – kleines Tier, große Wirkung.
s timmen, benennen und in den Stammbaum des Lebens einordnen – Kleinkrebse anhand von Borsten oder Laufkäfer anhand ihrer Geschlechtsorgane.
Taxonomie — vom Aussterben bedroht
Doch die Taxonomie wurde in den vergangenen Jahren stiefmütterlich behandelt. In Deutschland oder auch den USA schrumpft die Zahl der Taxonomie-Lehrstühle an den Univer-
sitäten. Oft findet die klassische taxonomische Forschung nur noch in den wissenschaftlichen Sammlungen der Forschungsmuseen statt. Die Folge: Immer weniger Biologie-Studenten erhalten eine profunde Ausbildung in der Bestimmung von Pflanzen, Tieren, Pilzen oder Mikroorganismen: Der Taxonomie geht der Nachwuchs aus. „Das ist fatal, denn heute ist Artenkenntnis gefragter denn je“, sagt Jonas Astrin, Kurator der Biobank am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig, dem Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere, in Bonn. „Durch die Zerstörung der Natur und den Klimawandel sterben Arten schneller aus, als wir sie beschreiben können.“ Weltweit wurden bis heute rund 1,8 Millionen Arten bestimmt. Bis zu 20 Millionen unentdeckter Arten gibt es noch, schätzen Experten; Millionen von Arten, deren Bedeutung sich heute nicht im Geringsten abschätzen lässt. „Außerdem verändern sich mit dem Klima Lebensräume“, fügt Astrin hinzu. „Wie gravierend diese Veränderun gen sind, k önnen wir nur dann fest stellen, wenn wir wissen, welche Arten verloren gehen oder neu einwandern.“
„Durch die Zerstörung der Natur und den Klimawandel sterben Arten schneller aus, als wir sie be schreiben können.“ Jonas Astrin
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Fliegenfänger: Björn Rulik sichert die Ausbeute einer nächtlichen Sammelaktion.
Gigantische „Durch Inventur Genanalysen Früher haben Taxonomen Leergeben sich bewesen ausschließlich anhand mitunter ihrer äußeren Merkmale – der – oder ihres Verganz neue Morphologie haltens bestimmt. Seit Beginn Erkenntnisse.“ dieses Jahrhunderts nutzen sie zunehmend genanalytische Me-
Björn Rulik thoden, mit denen sich anhand
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des Erbguts bestimmen lässt, ob Lebewesen einer bestimmten Art angehören oder nur
entfernt miteinander verwandt sind. Vor zehn Jahren fürchtete mancher klassische Taxonom, die genanalytischen Verfahren könnten ihn arbeitslos machen. Heute weiß man, dass sich die klassische morphologische Taxonomie und neue molekulare Verfahren sehr gut ergänzen. Von integrativer Taxonomie ist die Rede. Ein Beispiel ist das German Barcode of Life-Projekt (GBOL). Darin bauen seit 2012 rund 50 Experten aus 18 Forschungsinstituten zusammen mit 200 externen Artenkennern eine genetische Referenzbibliothek der deutschen Tier- und Pflanzenarten auf. Dabei werden Exemplare einer Art nicht nur in klassischen naturkundlichen Sammlungen archiviert, sondern zusätzlich Teile des Erbguts analysiert. Die Abfolge der Basenpaare in der DNA wird
gleich dem Barcode auf Lebensmittel-Verpackungen als Kennzeichen einer Art gespeichert.
20.000 Arten erfassen
„Durch die genetische Analyse ergeben sich mitunter voll kommen neue Erkenntnisse“, sagt Astrins Kollege Björn Rulik, der ebenfalls am Museum Koenig arbeitet und im GBOL die taxonomische Arbeit koordiniert. „So zeigt die genetische Information oftmals eindeutig, dass ähnliche Tiere, die lange derselben Art zugeordnet wurden, verschiedenen Arten angehören.“ Nicht einmal in Deutschland seien alle Arten bekannt. „Schmetterlinge oder Säugetiere kennen wir natürlich gut, aber es gibt mehrere Tausend Mückenarten und
Foto: Dirk Ahrens/ZFMK
In der UN-Biodiversitätskonvention und anderen internationalen Abkommen wird die Bedeutung der Artenvielfalt betont. Doch es braucht Menschen, die sie erfassen, beobachten und bewerten können. Die wenigen Taxonomen, die es heute noch gibt, stehen vor einer gigantischen Inventur.
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viele andere Tiergruppen, bei denen wir nicht wirklich wissen, was draußen in der Natur eigentlich los ist.“ Bis 2015 wollen Rulik und seine Kollegen in Kleinstarbeit zunächst 20.000 dieser Arten erfassen.
Hinweise für Artenschutz
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Noch weitaus aufwendiger ist die Arbeit in den artenreicheren Tropen. Das erlebt Christian Roos vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) in Göttingen auf seinen Reisen nach Südostasien immer wieder. Roos ist einer jener Taxonomen, die nicht nur die Morphologie der Tiere kennen, sondern auch die molekulargenetischen Methoden. Er ist Spezialist für Primaten. Umgangssprachlich gesagt: Er erforscht Affen. Mit Peter Kappeler, dem Leiter der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am DPZ, hat er schon einige evolutionäre Verwandtschaftsbeziehungen klären können, etwa beim Riesenmausmaki auf Madagaskar. Kappeler stellte bei Beobachtungen auf Madagaskar fest, dass sich die Tiere im Norden und Süden der Insel ganz unterschiedlich verhalten und auch unterschiedlich aussehen. Roos analysierte ihr Erbgut und stellte fest, dass es sich beim
nördlichen und südlichen Typ um zwei verschiedene Arten handelt. „Dank der Molekulargenetik können wir wichtige Hinweise für den Artenschutz geben“, sagt Roos. Denn Schutzgebiete lassen sich nur dann sinnvoll einrichten, wenn bekannt ist, wo welche Art vorkommt – oder ob es sich, wie beim Riesenmausmaki, um verschiedene Arten handelt. Roos nennt ein anderes Beispiel: „Früher dachten Taxonomen, dass es auf Madagaskar nur eine Wieselmaki-Art mit sieben Unterarten gibt – dank Genanalyse wissen wir inzwischen, dass es 26 Arten sind.“
Mehr Zeit durch Technik
Doch Genetik ist nicht alles. Der genetische Barcode allein wäre so nichtssagend wie eine Nummer im Telefonbuch. Es braucht Taxonomen mit biologischem Hintergrund, die wissen, wie und wo eine Art lebt. Und die die Abhängigkeiten zwischen Arten wie der Mücke Bradysia und der Orchidee Lepanthes kennen. Gleichwohl kann die Genetik die Arbeit der Taxonomen erheblich erleichtern. Denn die Spezialisten verbringen viel Zeit mit Routinebestimmungen von Arten – in der Hoffnung, dabei eine Perle, eine neue Art, zu finden.
Ein Beispiel sind Artenerfassungen in Nationalparks oder Biosphärenreservaten, bei denen die Experten Insekten in Fallen sammeln und der Reihe nach bestimmen. Das Problem: Die meisten Exemplare sind Allerweltsarten. „Es ist zeitraubend, wenn man zum hundertsten Mal einen Siebenpunkt-Marienkäfer bestimmen muss“, sagt Björn Rulik vom Museum Koenig. Deshalb versuchen Experten für molekulare Taxonomie, neue Technologien zu nutzen, um Zeit zu gewinnen. Das künftige Ziel ist es, den Falleninhalt weitgehend automatisch bestimmen zu lassen. Die Experten sollen sich anschließend auf die schwierigen Fälle konzentrieren, die nicht automatisch einer Art zugeordnet werden konnten. So ließen sich neue Arten schneller entdecken. Christian Roos vom DPZ hält das für besonders wichtig: „Es geht ja nicht nur um die Bestimmung von Käfern oder Primaten, sondern auch um neue Bakterien- oder Pilzarten, die man eventuell sogar für die Produktion von Lebensmitteln oder Medikamenten nutzen könnte.“ Die moderne Taxonomie, betont Roos, sei damit keineswegs eine rein akademische Angelegenheit, sondern habe für den Menschen eine bislang völlig unterschätzte Bedeutung und nicht zuletzt ökonomisches Potenzial.
„Es geht ja nicht nur um die Bestimmung von Käfern oder Primaten, sondern auch um neue Bakterienoder Pilzarten.“ Christian Roos
Deutsches Primatenzentrum Leibniz-Institut für Primatenforschung
ti m sc h r öd er
Bundeskunsthalle
OuteR sPaCe Faszination Weltraum
3. Oktober 2014 – 22. Februar 2015 in Bonn
In Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
kunst- und ausstellungshalle der Bundesrepublik deutschland Museumsmeile Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, 53113 Bonn, T +49 228 9171-200 www.bundeskunsthalle.de 3/2014
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Der Pflanzenhüter Die Getreide-, Tomaten- und Kürbissorten, über die Andreas Börner wacht, wachsen auf keinem Feld: In der artenreichsten Genbank der Welt hütet der Pflanzenforscher Tausende vom Aussterben bedrohte Sorten, um die Vielfalt der Nutzpflanzenwelt zu sichern — und die Ernährung künftiger Generationen.
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Es ist ein ausgesprochen kaltes Herz, dem Andreas Börner da seine Liebe schenkt. 28 Jahre seiner Studien hat er ihm mittlerweile gewidmet, ist um die halbe Welt gereist, um es immer von Neuem mit Leben zu füllen. „Es ist der Anfang und das Ende unserer Arbeit“, erklärt der Forscher mit dem grauen Schnauzbart und den freundlichen Augen, „ihr Herzstück.“ Ein Satz, aus dem man nicht unbedingt schließen würde, dass Börner von einem Kühlhaus spricht: dem Kern der Genbank des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK). Draußen scheint August sonne auf die 100 Hektar des Instituts, drinnen überzieht schon in der Schleuse zum Kühlhaus Gänsehaut Andreas Börners Unterarm. Er nimmt eine schwarze Daunenjacke aus einem Schrank, erzählt beiläufig vom erstaunlich niedrigen Krankenstand am Institut („Die Kälte härtet scheinbar ab.“) und zieht dicke Handschuhe an. Als er die Sicherheitstür zum Kühllager öffnet, schlagen ihm -18 Grad Celsius entgegen. Dahinter fällt Kunstlicht auf deckenhohe Regalreihen. Auf Knopfdruck rollen sie ächzend auseinander und geben den Blick frei auf Tausende mit Samen gefüllte Gläser. Andächtig dreht Börner eines davon in der Hand. „Sehen sie, hier!“ sagt er. „Die Urgroßeltern unseres Brotweizens.“
Riesige Körner-Archen
„In 50 Jahren wachsen die Sorten von heute hier nicht mehr.“ 22
Es sind ganze Pflanzengenerationen, deren Saatgut Andreas Börner und seine Kollegen in Gatersleben lagern. Genbanken wie die des IPK sind Pflanzenarchive. Riesige Körner-Archen, in denen Wissenschaftler Tausende Samenproben für die Nachwelt erhalten: Getreide, Gemüse, Gräser. Ihrer Arbeit liegt ein Motiv zugrunde, das der Moskauer Fabrikantensohn und Biologe Nikolai Iwanowitsch Vavilov vor nicht ganz 100 Jahren erstmals formulier-
In Gewächshäusern und auf den Feldern des Instituts gewinnen Andreas Börner und seine Mitarbeiter gesunden Nachwuchs für die Genbank. Schlafmohn-Samen beispielsweise (re.).
te: das Erbgut möglichst vieler Nutzpflanzen sichern – bevor die Vielfalt für immer verloren geht. Vavilovs Sorge war nicht unbegründet. Seit 1900 sind nach Schätzungen der Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen 75 Prozent der Nutzpflanzensorten ausgestorben. In Europa sind es sogar mehr als 90 Prozent. „Generosion“ nennen Wissenschaftler das Schwinden der Sorten. Sie sei, erklärt Börner, als er aus dem Kühlhaus kommt und die Jacke zurück in den Schrank hängt, vor allem darauf zurückzuführen, dass Landwirte nurmehr eine Handvoll hochgezüchteter Sorten aussäen, die besonders dicke Erträge versprechen. Ihre Vorfahren bleiben auf der Strecke: In 10.000 Jahren Zucht, sagt Börner, habe der Mensch die Nutzpflanzen von sich abhängig gemacht. Sie seien darauf angewiesen, be-
wässert, beschnitten und geerntet zu werden. „Alleine können sie meist nicht überleben.“
Ganze Ernten in Gefahr
Die Monotonie auf den Feldern ist für den Menschen ein Problem. Sie bedroht die Ernährungssicherheit von morgen. Wenn Krankheiten oder Schädlinge ganze Ernten gefährden, durchleuchten Forscher und Züchter die Genome alter Sorten auf rettende Resistenzen. Auch in Anbetracht des Klimawandels ist die Arbeit von Genbanken elementar. „In 50 Jahren wachsen die Sorten von heute hier nicht mehr“, sagt Börner. Alternativen aus von Hitze geprägten Ländern wie Marokko könnten helfen. „Sterben sie aus, haben wir ein Problem.“ Schon Nikolai Vavilov, nach dem sie in Gatersleben das Gebäude der Genbank benannt
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haben, sammelte deshalb auf allen fünf Kontinenten Samen. In Leningrad, dem heutigen St. Petersberg, hortete er sie in der ersten Saatgutbibliothek überhaupt. Heute stehen weltweit 1.750 staatlich kontrollierte Genbanken: in China, den USA, Mexiko – und sogar in Syrien. Die Anlage ist dem Bürgerkrieg zum Trotz weiter in Betrieb. Weder das Regime noch die Rebellen wollen auf die Samen verzichten, wenn die Kämpfe eines Tages beendet sind.
Supergenbank im Permafrost
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Und dann ist da noch der „Svalbard Global Seed Vault“, eine Art Supergenbank in der norwegischen Arktis. Alle Genbanken der Welt, so der Plan, sollen Dubletten ihrer Proben in der 120 Meter tiefen Anlage einfrieren, fernab von Kriegsgebieten, geschützt vor dem Ab-
schmelzen der Polkappen. Eine Sicherungskopie im Permafrost Spitzbergens. Die Gänsehaut auf Börners Unterarm hat sich inzwischen geglättet. In Polohemd und Jeans schreitet er durch die Gänge der Genbank. Mit 150.000 Proben zählt sie zu den zehn größten Sammlungen ihrer Art. 3.212 Arten und 776 Gattungen machen sie zur artenreichsten Genbank überhaupt. Auf Expeditionen haben die Mitarbeiter des Instituts und seiner Vorgängereinrichtungen sie nach dem Zweiten Weltkrieg in Ländern wie Usbekistan, China und Jordanien zusammengetragen. Heute wären solche Sammelreisen nicht mehr möglich, sagt Börner. Regierungen betrachten ihr Saatgut als Ressourcen von nationaler Bedeutung. Besonders ehemalige Kolonien werfen den westlichen Industriestaaten und Saatgutkonzernen vor, ihre Flora lange genug ausgebeutet zu haben.
Indien etwa lehnt es deshalb ab, Saatgut in der internationalen Genbank in Spitzbergen zu verwahren.
Saatgut-Versand in alle Welt
Andreas Börner hat Verständnis für das Misstrauen, auch wenn es zur Folge hat, dass er harte Verhandlungen führen muss, um neue Proben fürs IPK zu gewinnen. „Andererseits“, gibt er zu bedenken, „wären noch weit mehr Pflanzen ausgestorben, hätte die Wissenschaft sie nicht gesammelt.“ Gerade machen zwei Mitarbeiterinnen der Genbank die Samen eines äthiopischen Weizens versandfertig. Der Adressat: Äthiopien – wo die Sorte inzwischen ausgestorben ist. Im Internet kann jeder die Muster aus der Sammlung des IPK bestellen, Staaten, Forscher, Züchter. Auch Privatpersonen
„Es wären noch weit mehr Pflanzen ausgestorben, hätte die Wissenschaft sie nicht gesammelt.“
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„So eine Genbank ist kein Museum – die Samen leben. Wir müssen sie pflegen und darüber wachen, wie es um sie steht.“
Im Vavilov-Haus: Ein Doktorand vermisst die Ähren Andreas Börners Lieblingspflanze: des Weizens. Auf dem Feld: Stoffsäcke schützen Sonnenblumenblüten vor Vögeln und Bestäubung.
melden sich. „Es kommt schon vor, dass sich einer nach der Kartoffel seiner Jugend erkundet, die er in keinem Supermarkt mehr kriegt“, sagt Börner. Das Institut stelle das Material allen Menschen zur Verfügung, egal ob sie aus Amerika oder dem Iran kommen. „Schließlich geht es um Grundnahrungsmittel.“
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ren. „Alles stand damals in Frage“, erinnert er sich. Im wiedervereinigten Deutschland gibt es plötzlich zwei Genbanken – von denen eine geschlossen werden soll. „In ähnlich gelagerten Fällen hat es meist die Einrichtung im Osten getroffen“, sagt Börner. Das IPK wird eine der wenigen Ausnahmen: Die Proben der ehemaligen BRD-Genbank wandern aus Braunschweig nach Sachsen„Echte Liebe Anhalt. zu den Pflanzen“ Börner ist all die Jahre geblieben. Gleich links vom InstitutsAuch deshalb ist es Börner wich- eingang wohnt er. „Ich bin der tig, dass seine Mitarbeiter ihre Mitarbeiter mit dem kürzesten Arbeit jeden Tag von Neuem Weg zur Arbeit“, sagt er und lacht. mit Sorgfalt verrichten. Dass sie „echte Liebe zu den Pflanzen“ Ewiges Leben mitbringen. In Börner ist sie früh gereift. Er ist auf einem Bauern- in flüssigem Stickstoff hof groß geworden, den seine Familie seit Ende des 18. Jahr- Inzwischen leitet Andreas Börhunderts betreibt. Als kleiner ner am IPK die Arbeitsgruppe Junge lernt er von seiner Groß- „Ressourcengenetik und Repromutter Salat, Möhren und Zwie- duktion“. Ihre Mitarbeiter verbeln zu ziehen. Später studiert wahren die Samen nicht einfach. er Agrarwissenschaften mit dem Sie wachen darüber, dass die Schwerpunkt Pflanzenzüchtung Proben nicht verunreinigt werin Halle. „Einen anderen Plan als den und erforschen, wie ihre die Pflanzen hat es nie gegeben.“ Lagerung weiter verbessert wer1985 kommt Börner als Dok- den kann. Die meisten Proben torand nach Gatersleben. Hier lagern als Samen in fünf Kühldurchlebt er auch die Wendewir- häusern. Andere werden als fer-
tige Pflanzen in in-vitro-Kulturen konserviert oder mithilfe des sogenannten Cryoverfahrens: In -190 Grad kaltem Flüssigstickstoff kommt ihr Stoffwechsel vollkommen zum Erliegen. Theoretisch können Börners Schützlinge so ewig überdauern. Wenn er von all den Gurken, Leinsamen und Kürbissen spricht, die da schlummern, klingt Börner wie ein besorgter Vater: „So eine Genbank ist kein Museum – die Samen leben. Wir müssen sie pflegen und darüber wachen, wie es um sie steht.“ Eine Erbse könne schon mal 20 Jahre unter dem Küchentisch überleben. Mit einem Salatsamen könne man so nicht umspringen. „Nach spätestens vier Jahren ist der mausetot.“ Schwungvoll betritt Börner ein Labor, in dem eine Studentin vor einem Dutzend Petrischalen sitzt, in denen sie Tomatensaat auf Filterpapier drapiert hat. Regelmäßig holen die Forscher Samen für sogenannte Keimproben aus dem Kühlhaus, um zu testen, ob sie noch lebensfähig sind. Keimen von 100 Samen einer Sorte weniger als 70, wird sie in den Gewächshäusern und auf den Feldern des Instituts
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A ICEHLRFA I CLT HTEN L E I B N I Z | D E R W E R T D E RN V
ausgesät, um gesunden Ersatz für die Genbank zu gewinnen. Aus der Ferne sehen sie aus wie eine Vorstadtsiedlung aus Glas. Wer das Vavilov-Haus verlässt, passiert bald symmetrisch angeordnete Gewächshäuser, in deren Innern sich grün die Silhouetten von Pflanzen abzeichnen. Wassermelonen wachsen in ihnen, grüne Auberginen und fast schwarze Paprikas. Ein Gewächshaus weiter gedeiht Tabak neben einem vier Meter hohen Hanf. „Auch eine Nutzpflanze“, sagt Börner.
Bestäubung per Staubwedel
Dann erklärt er, dass aus den aufgeschnittenen Tetrapaks, die in den Ecken einiger Gewächshäuser hängen, Bienen schlüpfen. Summend bestäuben sie die Pflanzen. Kommen sie einmal nicht hinterher, helfen Gärtner mit Staubwedeln aus. Auf Fahrrädern überholt eine Gruppe Frauen Börner, der über einen schmalen Weg in Richtung Felder spaziert. „Wohin geht’s, Frau Schmidt?“ ruft Börner. „Zu den Tomaten“, ruft Frau Schmidt. Man würde halbe Tage verlieren, wenn man zig Mal zwischen Feld und Institut hin und her laufen würde. Bewerbungsgespräche beginnt Börner deshalb stets mit derselben Frage: „Können Sie Rad fahren?“
Zehn Minuten später stapft er vorbei an Möhren, Bohnen und Schlafmohn („Unsere zweite Droge.“) über einen Acker. Ein Stück weiter stehen Sonnenblumen, deren riesige Blüten mit Stoff verhüllt wurden, um sie vor ungewünschter Bestäubung und hungrigen Vögeln zu schützen. Wie eine Gruppe Außerirdischer mit weißen Schädeln wirken sie im Gegenlicht. Ein engmaschiger Zaun schützt den Acker vor Hasen und Rehen, die die Arbeit eines ganzen Sommers zunichtemachen können. Wenn ihn doch mal eines der Tiere überwindet, treiben die Mitarbeiter es in einer langen Reihe vom Feld. Der viele Regen habe es ihnen dieses Jahr schon schwer genug gemacht, sagt Börner. „Einige Sorten werden wir kommendes Jahr wohl erneut aussäen müssen, um gesunde Samen zu gewinnen.“ Auf der anderen Seite der Anbaufläche fotografiert Frau Schmidt mit einer Spiegelreflexkamera die über 300 Tomatensorten der Genbank, die in diesem Jahr im Anbau sind. Kleine Tomaten, eierförmige Tomaten. Und eine dicke gelbe Tomate namens „Golden King of Siberia“. Die Dokumentation ist ein wichtiger Teil der Arbeit der Genbank: Wie sehen die Pflanzen aus, die den Samen entwachsen? Und steckt tatsächlich die Sorte in ihnen, die auf dem Glas im Kühlhaus vermerkt ist? Erst nachdem sie beschrieben wurden, werden die Pflanzen geerntet. Die letzte
Frucht, ein Kürbis, verlässt im November das Feld.
Cherrytomate oder „Golden King of Siberia“?
Zurück im Vavilov-Haus wandert das frisch gewonnene Saatgut von Hand zu Hand. In einem Labor kratzen zwei Mitarbeiterinnen und ein Azubi an weißen Tischen Samen aus roten Paprikaschoten und gelben Tomaten. Eine dritte Kollegin wäscht die Kerne, bevor sie ein paar Räume weiter bei 20 Grad Raumtemperatur und zehn Prozent Luftfeuchtigkeit getrocknet werden. Einige Getreide werden zu Forschungszwecken in ganzen Ähren getrocknet. Börners Lieblingspflanze Weizen beispielsweise, der er sich schon im Studium verschrieben hat. Konzentriert vermisst ein Doktorand die Ähren an einem Holztisch. Zwei Tische weiter trennt eine Kollegin kranke Gerstensamen von gesunden Gerstensamen. Aus einem Kofferradio schallt Musik. Erst wenn das Saatgut gereinigt, getrocknet und geprüft wurde, füllen Börner und seine Kollegen es in Gläser und verstauen es ein weiteres Mal im Kühlhaus. „Im Allerheiligsten“, sagt Börner. Der Kreislauf schließt sich fürs erste. text : d av i d sc h el p fotos : fabi an z apatka
„Können Sie Rad fahren?“ Mitarbeiterinnen der Genbank auf dem Rückweg ins Vavilov-Haus. 3/2014
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Die
Bürgerforscher Wildschweinzähler und Sternengucker: Unter dem Schlagwort „Citizen Science“ arbeiten immer mehr Forschungseinrichtungen in Deutschland mit Laien zusammen. Die Bürgerforscher engagieren sich vor allem in der Biodiversitätsforschung — und könnten die Wissenschaftslandschaft modernisieren.
Android-App des Forschungsverbunds Verlust der Nacht www.globeatnight.org/ de/webapp
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Spürsinn und Beobachtungsgabe
Auch Forschungsinstitute der Leibniz-Gemeinschaft greifen vermehrt auf den Spürsinn und die Beobachtungsgabe von Nicht-Wissenschaftlern zurück.
Bürgerwissenschaftler in Aktion: Mit einer Insektenfalle durchkämmt Michael Woelky von der Entomologischen Gesellschaft Orion ein Gebüsch.
Sei es bei der Untersuchung von Stechmücken oder der Verbreitung von Wildtieren in der Stadt. Am Museum für Naturkunde in Berlin, dem Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, wurde im Frühjahr eine Internet-Plattform gestartet, die über bestehende Citizen Science-Projekte – derzeit sind es 31 – informiert und zum Mitmachen einlädt. „Jeder hat das Zeug zum Forscher“, meint Johannes Vogel, Generaldirektor am Museum für Naturkunde, in dem schon heute über 50 Amateurwissen-
schaftler mitforschen. Vor seinem Wechsel nach Berlin hat Vogel als Botanik-Direktor am legendären Natural History Museum in London die Begeisterung der Briten für bürgerschaftliche Forschung kennen gelernt – und tatkräftig gefördert. Der Botaniker mit dem markanten Schnurrbart berichtet anschaulich, wie das Wissen der Blumenliebhaber und Fliegenfischer die professionellen Kenntnisse über den Zustand der Natur in Großbritannien verbessert hat.
Tausende Mücken auf dem Postweg
Bürgerwissenschaftler forschen in Disziplinen wie der Mathematik, den Geschichtswissenschaften und in der Astronomie. Mit einer Smartphone-App können sie beispielsweise das Citizen Science-Projekt „GLOBE at Night“ unterstützen, das der Forschungsverbund „Verlust der Nacht“ zur Untersuchung der Lichtverschmutzung ins Leben gerufen hat. Unter den deutschen Projekten dominieren The men aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Gerade die Biodiversitätsforschung kann aus der Bürgerbeteiligung Nutzen ziehen.
Fotos: Carola Radke/MfN
Globe at Night:
Wissenschaft braucht den Bürger, als Finanzier sowieso, als Nutznießer, gerne auch als Bewunderer. Jetzt wächst eine neue Beziehung: Die Wissenschaft sucht den Bürger als Forschungspartner. Unter der Bezeichnung „Citizen Science“, Bürgerwissenschaft also, entsteht in Deutschland derzeit eine neue Allianz zwischen Experten und Laien, die in den angelsächsischen Ländern bereits Tradition hat. In den USA gibt es seit 1900 die weihnachtliche Vogelzählung. Zehntausende Naturfreunde beteiligen sich jedes Jahr am „Christmas Bird Count“, der für die ornithologische Forschung quasi die amtliche Volkszählung der Piepmätze darstellt. Beim Astronomieprojekt „Galaxy Zoo“ beteiligten sich über eine Online-Plattform binnen eines Jahres sogar 150.000 AmateurSterngucker an der Klassifizierung von Galaxien.
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Inventur im Pr채sidentengarten: Im Park von Schloss Bellevue untersuchen ehrenamtliche Experten der Entomologischen Gesellschaft Orion Berlin gemeinsam mit Forschern des Berliner Museums f체r Naturkunde die Artenvielfalt.
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In Berlin melden Bürgerforscher Wildschweinsichtungen, bundesweit können sie tiefgefrorene Mücken für den „Mücken-Atlas“ einsenden. „Langfristig kann Citizen Science die Naturwissenschaft modernisieren“, sagt Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde.
Doreen Werner
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung 28
land „wissenschaftlich lange vernachlässigt“ worden, daher fehle es an grundlegendem Wissen über Vorkommen und Verbreitung der verschiedenen Arten. So konnte erst durch die Mücken-Kartierung nachgewiesen werden, dass sich die Asiatische Buschmücke in Nordrhein-Westfalen und im Großraum Hannover etabliert hat. Möglich wird der Erkenntnisgewinn durch die Hilfe vieler ehrenamtlicher Mückenforscher, deren Zahl sich seit Einführung des Online-Portals (www.mueckenatlas.de) vor zwei Jahren deutlich erhöht hat. „2012 bekamen wir über 2.000 Einsendungen mit 6.000 Mücken, im Jahr darauf waren es bereits 2.400 Einsendungen mit 12.000 Tieren“, berichtet die Forscherin. 2014 ist dagegen witterungsbedingt kein gutes Mückenjahr: Bislang trafen knapp 700 Mückenlieferungen in Müncheberg ein. Die Bürgerforscher fangen die Insekten in einem Behältnis,
töten sie über Nacht im Gefrierfach ab und schicken sie dann in einer Streichholzschachtel oder in einem kleinen Döschen plus Fangprotokoll an das Brandenburger Institut. „Nach drei Jahren können wir sagen, dass der Mückenatlas für uns einen unschätzbaren wissenschaftlichen Wert erlangt hat“, betont Werner. Insgesamt 42 Mückenarten konnten in ihrer Verbreitung nachgewiesen werden. Der direkte Kontakt mit den Bürgern ist den ZALF-Wissenschaftlern dabei wichtig: „Jeder Einsender“, sagt Werner, „bekommt von uns eine persönliche Antwort.“
Fotos. Florian Möllers; ZALF; Carola Radke/MfN
„Nach drei Jahren können wir sagen, dass der Mückenatlas für uns einen unschätzbaren wissenschaft lichen Wert erlangt hat“
Das zeigt auch der „MückenAtlas“ des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) im brandenburgischen Müncheberg, der in Zusammenarbeit mit dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf der Insel Riems ins Leben gerufen wurde. ZALF-Biologin Doreen Werner verweist auf das Beispiel der „Blauzungenkrankheit“, einer Tierseuche, die sich in Deutschland 2006 unter Wiederkäuern verbreitete. „Wie sich herausstellte, sind hierzulande mindestens sieben Arten der Gnitzen, einer blutsaugenden Mückenfamilie, heimisch, die den Krankheitserreger übertragen könnten.“ Innerhalb der Familie der Stechmücken sind in Deutschland 50 Arten bekannt. „Aber wir wissen nicht genug darüber, wie sie auf bestimmte Krankheitserreger reagieren und sie weitergeben“, skizziert Werner das Erkenntnisinteresse. Stechmücken seien in Deutsch-
Borstenvieh und Stacheltier
Mit größerem Getier haben es die Wissenschaftler am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) zu tun. Sie untersuchen die Verbreitung
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von wildlebenden Tieren in Städten. In Berlin laufen zwei Citizen Science-Projekte zu Igeln und Wildschweinen. Wenn IZW-Forscherin Anne Berger die Vielfalt der Fragen aufzählt, die von wissenschaftlichem Interesse sind, kommt eine lange Liste zustande. „Wo kommen Igel vor? Wie haben sie sich in ihrer Lebensweise an die Großstadtbedingungen angepasst? Gibt es bei Nahrung, Parasitenbelastung, körperlicher Verfassung, Fortpflanzung und Sterblichkeit Unterschiede zwischen ‚Stadtigeln‘ und ‚Landigeln‘? Wie beeinflussen die wärmeren Stadtbedingungen oder die menschlichen Aktivitäten das Verhalten von Igeln, zum Beispiel den Winterschlaf?“ Auch hier läuft der Bürgerkontakt in den meisten Fällen über das Internet. Im „Portal Beee“ (www.portalbeee.de) – die Abkürzung steht für „Biodiversität erkennen, erforschen, erhalten“ – melden die Laienforscher, wann, wo und unter welchen Bedingungen sie die Wildtiere beobachtet haben. Seit seiner Öffnung Anfang 2013 verzeichnet es inzwischen 228 Igel- und knapp 90 Wildschweinsichtungen. Die Schwarzkittel erobern die Hauptstadt. Und ihre zunehmende Zahl „verursacht enorme Konflikte mit der Bevölkerung und
stellt Jäger, Förster und zuständige Behörden vor die Aufgabe, ein effektives Management zu entwickeln, um Konflikte langfristig zu vermeiden“, heißt es in der Projektbeschreibung. Erster Schritt sei die genaue Erforschung der Lebensweise „städtischer Wildschweine“. Im Unterschied zu den Mückenforschern stehen die Arbeiten mit Bürger-Unterstützung am IZW noch am Anfang. „Wir bilden gerade einen Suchhund aus, der die nachtaktiven Igel sicher aufspüren kann“, berichtet IZW-Forscherin Berger. Die IgelMeldungen der Bürger helfen, da man bei den angegebenen Orten schon einmal von einem klaren Nachweis ausgehen kann. Auch hier ist die Rückkopplung wichtig; in einem regelmäßigen Newsletter berichtet das Institut über „Neuigkeiten von unseren tierischen Nachbarn“.
Citizen-ScienceStrategie
Bisher kamen solche Kontakte zwischen Wissenschaft und Bürgerforschern nur punk-tuell zustande, waren begrenzt auf bestimmte, überwiegend „grüne“ Themenbereiche und sehr vom individuellen Engagement auf
beiden Seiten abhängig. Mit einem neuen Förderprojekt des Bundesforschungsministeriums unter dem Titel „BürGEr schaffen WISSen – Wissen schafft Bürger“ (GEWISS, www. buergerschaffenwissen.de) wurde im Mai 2014 ein Programm gestartet, das die Stärkung von Citizen Science in Deutschland in der Breite erreichen will. In einer Reihe von Workshops sollen die Akteure vernetzt und in den nächsten zwei Jahren eine „Citizen-Science-Strategie“ für mehr Bürgerbeteiligung in der Wissenschaft erarbeitet werden. Dem GEWISS-Konsortium, das vom Museum für Naturkunde der Leibniz-Gemeinschaft und dem Umweltforschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft geleitet wird, gehören neun wissenschaftliche Einrichtungen an. MfN-Generaldirektor Vogel, der auch Vorsitzender der Europäischen Vereinigung für Citizen Science ist, sieht in der Bürgerforschung keine Modeerscheinung. „Langfristig hat Citizen Science das Potential, die gesamte Forschungslandschaft zu modernisieren“, prognostiziert der Biodiversitäts-Professor. Er erwartet, dass in zehn Jahren jede größere Wissenschaftseinrichtung in Deutschland eine Kontaktstelle für Bürgerwissenschaft unterhält. m an fr ed r on z h ei m er
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Früher bevölkerten Hunderttausende Störe Deutschlands Flüsse. Heute ist der urtümliche Knochenfisch hierzulande ausgestorben, aber ein Berliner Wissenschaftler will dem Artentod ein Schnippchen schlagen.
Autobahn A 20. Auf dem Rastplatz Brohmer Berge im mecklenburgischen Niemandsland steht ein blauer Transporter mit Berliner Kennzeichen, als von Westen ein zweiter Wagen auf den Rastplatz rollt. Ohne viele Worte zu verlieren, machen sich die Fahrer daran, große, prall gefüllte Plastiksäcke zu verladen. Sie arbeiten zügig, nach kaum zehn Minuten verlassen sie den Rastplatz in entgegengesetzte Richtungen. Eile ist geboten, denn die Sommersonne steht schon hoch am Himmel und heizt das Innere der Autos unaufhaltsam auf. Und auch wenn die konspirativ anmutende Übergabe den Verdacht nährt, hier sei heiße Ware ausgetauscht worden, ist das Gegenteil der Fall – die Ware darf nicht heiß werden: 22.000 jeweils etwa drei Zentimeter lange Ostseestöre (Acipenser oxyrinchus).
Fotos: Christoph Herbort-von Loeper
Mammutprojekt
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Jörn Geßner, der Fahrer des blauen Transporters, hat sie hier von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern übernommen. Seit dem Frühsommer hat diese die Fische in Born auf dem Darß aufgezogen. Die Eier stammten aus einem Kooperationsprojekt mit dem LeibnizInstitut für Gewässerökologie und Binnenfischerei am Berliner Müggelsee. Seit 1996 widmet sich der promovierte Biologe hier einem wahren Mammutprojekt: der Wiedereinbürgerung des Störs in
Nord- und Ostsee. Noch vor 150 Jahren gab es in Deutschlands Flüssen so viele der Fische, dass sich die Dienstboten an der Elbe ausbaten, nur zwei Mal pro Woche Stör essen zu müssen. Bis zu 10.000 Fische von mehr als 1,80 Metern Länge hätten die Störfischer an der Unterelbe damals pro Saison gefangen, berichtet Jörn Geßner. Dann verbaute ihnen der Mensch mit Wehren und Schleusen zunehmend die Wege in ihre Laichgründe und verdrängte den Stör so aus Deutschlands Gewässern. Heute gilt er in Deutschland als ausgestorben, obwohl Jörn Geßner und seine Kooperationspartner inzwischen Hundertausende Jungtiere ausgesetzt haben. Aber: Solange sich die Art in Deutschland nicht selbstständig vermehrt, gilt sie auch weiter als ausgestorben.
Austausch auf der Autobahn. 22.000 Störe wechseln den Chauffeur.
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Jörn Geßner
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
Es ist ein gewaltiger Aufwand, den Wissenschaftler, Naturschutzverbände und Angler betreiben, um das zu ändern, denn Störe sind alles andere als frühreif: Die Weibchen brauchen 13 bis 16 Jahre, bis sie geschlechtsreif werden und überhaupt erst selbst eine Population aufbauen können. Die Frage, ob sich der Aufwand lohnt, um eine Fischart wieder anzusiedeln, die nach 200 Millionen Jahren Evolution vielleicht mit Aussterben an der Reihe war, ist für Jörn Geßner klar beantwortet: „Es lohnt sich, jede einzelne Art zu schützen, denn in Deutschlands Gewässern kommen nur 35 Flussfischarten vor.“ Aber es gibt auch systemische Gründe, denn der bis über 60 Jahre alt werdende Fisch ist für den Biologen eine Flaggschiff-Art – so etwas wie ein „aquatischer Big Five“, meint Geßner. Jede Aufwertung der Lebensräume des Störs schafft auch Raum für andere, weniger öffentlichkeitswirksame Arten, die für funktionierende Ökosysteme ebenfalls wichtig sind: die große Flussperlmuschel etwa, andere Wanderfische und zahllose Insektenarten. Außerdem sind Störe lebende Fossilien, die letzten Überlebenden einer ganzen Gruppe. „Hunderte Millionen Jahre haben sie allen Umweltveränderungen getrotzt“, sagt Geßner, „nur die zweibeini-
ge Katastrophe war zu schnell, um sich anzupassen.“
Keine Müdigkeit vorschützen
Knapp 90 Kilometer steuert Geßner in Richtung Süden zur Blumberger Mühle. Im Infor mationszentrum des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin liefert Geßner etwa die Hälfte der Passagiere ab – rund 10.000 Fische – wo sie weiter gedeihen und nebenbei zusätzliche Aufmerksamkeit für das Störprojekt herstellen. Im Herbst, dann etwa zehn bis 15 Zentimeter groß, werden sie ihren Artgenossen in die Oder folgen. Jörn Geßner und zwei Mitarbeiter der Fischzucht tragen sechs der Plastiksäcke in einen ehemaligen Stall. Dort stehen mehrere längliche Rinnen, durch die kontinuierlich frisches Flusswasser gepumpt wird. Vorsichtig schüttet Jörn Geßner die Fische aus den Säcken. „Da bewegt sich aber nicht viel!“ sagt Nicole Schwenderling von der Blumberger Mühle mit skeptischem Blick. Tatsächlich, die Mehrzahl der kleinen Fische treibt regungslos in den Becken. Geßner aber bleibt ruhig und beginnt mit den Händen, das Wasser in der Wanne zu bewegen. „Du musst die kleinen
Bei Stören denken viele Menschen als erstes an Kaviar, die gesalzenen Eier des Störs. Der spielt bei der Wiederansiedlung aber keine Rolle. Auch historisch ist das Sinnbild für Luxus-Delikatessen in Deutschland eine Modeerscheinung. Während der Stör in Deutschland ein klassischer Speisefisch war, über den schon Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert schrieb, wurde die Kaviarnutzung vermutlich erst 1848 von einem russischen Immigranten hierher gebracht.
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Kerle in Bewegung halten“, sagt er zu Schwenderling, „dann berappeln die sich schnell. Nur auf dem Rücken dürfen sie nicht liegen bleiben, sonst ersticken sie.“ Nach der hohen Sauerstoffsättigung in den Transportsäcken müssen sich die Fische erst wieder an den Normalzustand gewöhnen, aber schon fangen immer mehr Fische an, umher zu schwimmen, und in der Rinne entwickelt sich ein ausgewachsenes Gewusel.
Die letzten ihrer Art
Nachdem er den Jungstören auf die Flossen geholfen hat, fährt Geßner mit den restlichen Fischen in Richtung Oder. Der Grenzfluss zu Polen ist ein traditioneller Lebensraum des Störs. Von ehemals acht oder neun historisch belegten Laichplätzen sind vermutlich vier noch für die Fische nutzbar, wie Untersuchungen in den vergangenen Jahren ergeben haben. Die Fische benötigen einen kiesartigen Untergrund, in dessen Lücken die frisch geschlüpften Larven Unterschlupf finden. Allerdings habe sich die Wasserqualität in der Oder, anders als in vielen anderen Flüssen, in den vergangenen Jahren nur langsam verbessert, da polnische Großstädte wie Posen oder Breslau bis in die 1990er Jahre kaum über funktionierende Klärwerke verfügten. Vermutlich haben sich die Störe in Deutschland zuletzt in den 1960er Jahren auf natürliche Weise vermehrt. Vereinzelt gingen Fischern noch bis in die 1990er Jahre Störe ins Netz. Legendär ist der „Bonner Kantinenstör“. Dieser 142 Kilogramm schwere, 2,85 Meter lange Fisch wurde 1993 vor Helgoland gefangen und illegal auf dem Cuxhavener Fischmarkt verkauft. Ironischerweise landete er in der Kantine des Bundesinnenministeriums in Bonn. Ein Koch rettete immerhin noch Kopf und Haut des unter Naturschutz stehenden Tiers. Wissenschaftler des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn identifizierten ihn als etwa 42 Jahre al-
Fotos: Christoph Herbort-von Loeper; Sean Ganann/Flickr.com (CC BY-NC-SA 2.0)
„Nur die zweibeinige Katastrophe war zu schnell, um sich anzupassen.“
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Muntermacher: Jörn Geßner und Nicole Schwenderling bringen die Störe in der Blumberger Mühle wieder auf Trab. Fischer paradox: Lutz Zimmermann fährt Jungstöre raus auf die Oder, statt sie zu fangen.
ten, reproduktionsfähigen Europäischen Stör (Acipenser sturio) und damit als einen der letzten Vertreter der zweiten ursprünglich in Deutschland beheimateten Störart. Sie besiedelte hauptsächlich die Nordsee und deren Zuflüsse und soll dort ebenfalls wieder heimisch werden.
StörKinderstube
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Der Transporter erreicht das kleine Fischerdorf Friedrichthal in der Nähe von Schwedt. Von ehemals zahlreichen Oderfischern ist hier allerdings nur noch einer übrig geblieben: Lutz Zimmermanns Familie betreibt die Fischerei in siebter Generation. Das Geschäft ist hart geworden, die Erträge sinken. Wo die Fischer
früher zwei Tonnen Aal und mehr im Jahr fingen, kommen sie heute auf maximal 200 Kilo. Lutz Zimmermann ist so eine Art Stör-Kindergärtner. Auf seinem Ufergrundstück steht ein großer Container, in dem die Störe in Oderwasser aufwachsen. Dadurch sollen sie früh mit dem natürlichen Cocktail von Bakterien und anderen Erregern in Kontakt kommen, um für das Leben in freier Wildbahn gewappnet zu sein. Zudem prägt das Flusswasser die Tiere auf ihr Heimatrevier. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie zum Laichen zurückkehren. Mit der Stör-Aufzucht bessert Lutz Zimmermann sein Einkommen berufsnah auf. Mit viel Idealismus und Berufsehre ist er dabei. Wirtschaftlich wird ihm sein Engagement nichts mehr bringen, denn vor 2020 dürften
nach Jörn Geßners Schätzungen kaum fortpflanzungsfähige Störe in die Oder zurückkehren.
Erfolgsfaktor Fischer
Für Jörn Geßner sind die Fischer ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Wiederansiedlungsprogramms, indem sie Störe, die als Beifang ins Netz gehen, wieder freilassen und den Wissenschaftler markierte Tiere melden. „Bei der intensiven Befischung der Oder und ihres Mündungsgebietes hat vermutlich jeder junge Stör mindestens zwei Mal ein Netz gesehen, bevor er ins Meer hinauswandert“, vermutet Geßner. „Wenn die Fischer nicht mitziehen, wird es schwierig.“ Im Allgemeinen klappt die
„Ich säe heute, damit die nächsten Generationen ernten können.“ Lutz Zimmermann Oder-Fischer
Gesellschaft zur Rettung des Störs www.sturgeon.de
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„Euch will ich erst in 15 Jahren wiedersehen.“
Ein letzter prüfender Blitz, bevor die Störe auf eigenen Flossen schwimmen müssen.
Beginn einer langen Reise
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Jetzt ist es aber an der Zeit, die Saat auszubringen. Am Himmel ziehen Wolken auf und Jörn Geß1
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ner hat sein Regenzeug zu Hause gelassen. Rasch laden die Männer die verbliebenen Plastiksäcke in Zimmermanns schmalen Fischerkahn, der an einen Einbaum mit Außenbordmotor erinnert.
Geßner schiebt das Boot durch den Uferschlamm, während Lutz Zimmermann es von Bord aus mit einem langen Ruder abstößt. Etwa fünf Minuten dauert die Fahrt durch den Seitenarm der Oder im Mündungsbereich des Flüsschens Welse im Nationalpark Unteres Odertal. Hohes Schilf säumt die Ufer, ab und zu ragt ein umgestürzter Baum ins Wasser. Im Zielgebiet angekommen, schöpft Jörn Geßner die ersten Fische mit einem Messbecher aus den Plastiksäcken in einen Eimer und entlässt die Jungstöre behutsam in die Freiheit. „Die suchen sich jetzt ein schönes Plätzchen und bleiben über Herbst und Winter in der Gegend“, er-
Foto: Christoph Herbort-von Loeper
Zusammenarbeit gut: Etwa 1.700 Fangmeldungen hat Geßner bereits von Fischern erhalten. Die am weitesten entfernte kam aus dem Bottnischen Meerbusen, 1.200 Kilometer vom Aussetzort entfernt. Grundsätzlich hat Jörn Geßner keine Probleme mit einer wirtschaftlichen Nutzung des Störs: „Wenn der Bestand stabil ist und die Fischerei nachhaltig geschieht. Aber soweit sind wir wohl erst in 50 Jahren.“ Lutz Zimmermann nimmt’s gelassen. Er denkt ohnehin perspektivisch: „Ich sehe das wie beim Wald. Ich säe heute, damit die nächsten Generationen ernten können.“
klärt er den erhofften weiteren Lebensweg seiner Schützlinge. Im nächsten Frühjahr brechen die Tiere in Richtung Meer auf und wachsen einige Jahre im küstennahen Brackwasser heran. Erst mit zunehmender Größe vertragen sie das Salzwasser im Meer. Mit etwa sieben Jahren gehen sie auf ihre lange Wanderschaft durch die Ostsee, über die die Wissenschaftler nur wenig wissen, denn viel mehr Informationen als die Fangmeldungen der Fischer haben sie bisher nicht. Dann dauert es nochmals mehrere Jahre, bis die Fische zur Eiablage in ihr angestammtes Heimatrevier zurückkehren. Die Verluste sind immens. „Von tausend aus den Eiern geschlüpften Tieren erreicht nur eins das fortpflanzungsfähige Alter“, vermutet Jörn Geßner. „Ein Weibchen legt zwar etwa 2,5 Millionen Eier, aber das nur alle drei bis vier Jahre.“ Man könne sich ja ausrechnen, wie viele Fische davon wiederkämen. Und so ist es eine Mischung aus Bangen und Hoffen, mit der Jörn Geßner die letzten Fische aus den Plastikbeuteln schüttelt: „Euch will ich erst in 15 Jahren wiedersehen.“ c h r i stoph h er bort - v on l oeper
F O R S C H U N G S
museum
KOENIG ZOOLOGISCHES FORSCHUNGSMUSEUM ALEXANDER KOENIG
A R T E N V I E L FA LT E R F O R S C H E N U N D E R K L Ä R E N
– Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK) Stiftung des öffentlichen Rechts BONN
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LEIBNIZ | SPEKTRUM
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LEIBNIZ | BIODIVERSITÄT
Helgoland, um 1900
Hitzekoller und Atemnot Die Tierwelt in den deutschen Hausmeeren steht unter Druck. In der sich erwärmenden Nordsee verdrängen Neuzuwanderer aus see macht den Meeresbewohnern vor allem der Sauerstoffmangel in „Todeszonen“ zu schaffen. Verantwortlich für beides: der Mensch.
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Illustration: Library of Congress
dem Süden die heimischen Arten in kältere Gefilde. In der Ost-
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Der rote Sandsteinfelsen kommt mehr und mehr ins Schwitzen. Seit 1962 hat sich das Nordseewasser vor Helgoland, Deutschlands einziger Hochseeinsel, um 1,7 Grad Celsius aufgeheizt. Tendenz: steigend. Der Grund: die globale Erwärmung in Folge des menschengemachten Klimawandels. Knapp zwei Grad Celsius. Das klingt zunächst nach wenig. Doch als Folge der Erwärmung hat in der Nordsee eine regelrechte Völkerwanderung eingesetzt. „Ihre Fauna verändert sich massiv“, sagt Michael Türkay, der die Abteilung Marine Zoologie am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt am Main leitet. Vielen heimischen Kaltwasserarten ist es in der südlichen Nordsee inzwischen zu warm geworden. So ist zum Beispiel der Kabeljau – einer der beliebtesten Speisefische auf deutschen Tellern – in den kühleren Norden ausgewichen. „Vor der norwegischen Küste gibt es ihn nun in rauen Mengen“, berichtet Türkay. Im Gegenzug wandern verstärkt mediterrane Warmwasserarten wie Streifenbarbe und Sardelle in die Nordsee ein.
Foto: Sven Tränkner/Senckenberg
Gekommen, um zu bleiben
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Dabei handelt es sich keineswegs nur um Einzelfälle bei Fischen. „Der Wandel zieht sich durch die gesamte marine Lebensgemeinschaft von Fischen über Quallen, Krebse, Schnecken bis hin zum Plankton“, erläutert Türkay. Die Neulinge untergliedern sich in zwei Gruppen. Gruppe eins wandert direkt in die Nordsee ein, indem sie schlicht ihren Lebensraum nach Norden aus-
dehnt. So wie der winzige Einsiedlerkrebs Diogenes pugilator, der ursprünglich im Mittelmeer und im angrenzenden Atlantik beheimatet war. „Der Krebs hat 2002 die Deutsche Bucht erreicht“, berichtet Türkay. „Seit dem Jahr 2005 beobachten wir stabile Populationen vor und auf der Nordsee-Insel Wangerooge.“ Die andere Gruppe wurde von Schiffen aus weit entfernten Regionen eingeschleppt oder wie die Pazifische Auster zu Zuchtzwecken eingeführt. Lange ging man davon aus, dass sich die exotischen Gäste mit den klangvollen Namen – Australische Seepocke, Amerikanische Schwertmuschel, Japanischer Gespensterkrebs – wegen des kalten Wassers der Nordsee nicht dauerhaft ansiedeln könnten. In Folge der Erwärmung gilt jedoch mehr und mehr: Sie sind gekommen, um zu bleiben. Wie nachhaltig sich die Nordseefauna verändert, haben die Senckenberg-Forscher in einer großangelegten Langzeitstudie bewiesen. „Seit 1990 untersuchen wir mithilfe unserer Forschungsschiffe regelmäßig die Veränderungen der marinen Tierwelt im Bereich der Doggerbank, einer riesigen, teilweise nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche liegenden Sandbank mitten in der Nordsee“, berichtet Michael Türkay. An 40 Stationen sammeln die Wissenschaftler seither mit Schleppnetzen Meerestiere und bestimmen die Artenzusammensetzung. Im Bereich der Doggerbank treffen verschiedene Wassermassen aufeinander: stationäres Wasser aus der Deutschen Bucht, atlantisch geprägtes Wasser aus dem Ärmelka-
nal und kaltes Wasser aus dem Norden. „Alle drei Bereiche beherbergen eine ganz eigene Lebensgemeinschaft mit teilweise unterschiedlichen Arten“, erläutert der Frankfurter Meeresforscher. „Seit 2000 stellen wir allerdings an allen 40 Stationen einen massiven Regime-Wechsel zugunsten der Warmwasserarten fest.“
Vereinheitlichung der Tierwelt
Das Ergebnis ist eine Vereinheitlichung der Tierwelt: Eine über viele Jahrtausende gewachsene heimische Fauna mit großen regionalen Unterschieden weicht einer eher eintönigen Warmwasserfauna. „Die Folge der Erwärmung in der Nordsee ist also eine lokale Abnahme der Artenvielfalt und eine dadurch bedingte geringere Stabilität des Ökosystems gegenüber großen Störeinflüssen wie der Bodenfischerei“, sagt Michael Türkay. Und wie ergeht es den Auswanderern im kühleren Norden? Viele schaffen die Umstellung, doch einige Arten könnten auf der Strecke bleiben, glaubt Türkay. „Meerestiere sind keine Driftbojen, die sich einfach hin und her schieben lassen. Sie haben über die Temperatur hinaus Bedürfnisse. Wenn die am neuen Ort nicht erfüllt werden, verschwinden sie eben.“ Ein Beispiel ist die nordpazifische Königskrabbe, die aus dem Beringmeer zwischen Alaska und Sibirien nach Norden in die kühlere Beringstraße gewandert ist. Ihre Bestände schrumpfen, weil es das Plankton, von dem sie sich
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Probennahme: Regelmäßig fährt Alexander Darr raus auf die Ostsee, um die Benthosgemeinschaft am Meeresboden zu überwachen.
Atemnot im Mare Balticum
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Anders als die Nordsee ist das zweite Meer vor der bundesdeutschen Haustür schon ohne Zutun des Menschen ein hartes Pflaster für Meeresbewohner. Seit der Geburt der verhältnismäßig jungen Ostsee vor 12.000 Jahren schwankten die Lebensbedingungen beständig: Mal war die Ostsee salziges Nebenmeer des Weltozeans, dann von Süßwasser geprägtes Binnenmeer ohne Verbindung zur Nordsee. Die heutige Situation entspricht einer Zwischenform. Salzwasser, das durch die schmalen Passagen zwischen den dänischen Inseln in die Ostsee strömt, mischt sich mit Süßwasser aus unzähligen in die Ostsee mündenden Flüssen. Das Ergebnis ist ein riesiges Brackwassermeer mit stetig schwankendem Salzgehalt. „Die wech-
selhaften Bedingungen machen es Meeresbewohnern schwer, in der Ostsee zu überleben“, sagt Alexander Darr, Meeresbiologe am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW). „Die Artenvielfalt ist deshalb von Natur aus geringer als in anderen Meeren.“ Trotzdem ist die Unterwasserwelt im Mare Balticum alles andere als langweilig. Auch hier gibt es von Schnecken, Würmern, Muscheln und Krebsen bis hin zu Fischen, Robben und Walen Vertreter aus allen Organismengruppen. Alexander Darr befasst sich am IOW mit dem sogenannten Benthos, einer Gemeinschaft am Meeresboden lebender Organismen. Regel mäßig fahren er und seine Arbeitsgruppe mit dem Forschungsschiff „Elisabeth Mann Borgese“ raus auf die deutsche Ostsee. Mit Bodengreifern nehmen sie Proben des Meeresbodens und überwachen die Benthosgemeinschaft mit Unterwasserkameras. „Der Boden der deutschen Ostsee ist ein sehr heterogenes Gelände“, berichtet Darr. Einige Bereiche seien „wahre
Hotspots“ der Biodiversität. Im Bereich des Fehmarnbelts zwischen Fehmarn und Dänemark bilden große Felsbrocken strukturreiche Riffe. Hier leben bis zu 120 Arten auf einem Quadratmeter, darunter Wellhornschnecken, Seeigel, Einsiedlerkrebse, Islandmuscheln. In anderen Gebieten wie der Oderbank, deren Meeresboden aus feinem Sand besteht, finden sich zwar nur 25 bis 30 Arten bodenlebender Meeresorganismen auf einem Quadratmeter, aber auch sie erfüllen eine bedeutende Funktion.
„Todeszonen“ in der Tiefe
„Sie sind Nahrung für zahlreiche Fischarten“, sagt Darr. Für den Forscher sind die Organismen aber vor allem wegen einer weiteren Eigenschaft von Interesse: „Sie sind die besten Indikatoren für schädliche Einflüsse menschlicher Aktivitäten, weil sie anders als zum Beispiel Fische standorttreu sind“, erklärt er. „Wir überwachen deshalb die Entwicklung der benthischen Organismen und kartieren ihre Verbreitung.“
Fotos: Eric Roettinger/Kahi Kai Images; IOW/Thomas Mandt
ernähren, dort nicht gibt. Die Krabben sitzen in der Falle.
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Kaum ein Meer wird stärker vom Menschen genutzt als die Ostsee. Bauvorhaben wie der geplante Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Deutschland und Dänemark, der Abbau von Kies oder die Schleppnetzfischerei ziehen lokale Bereiche des Meeresbodens stark in Mitleidenschaft. „Wirklich bedrohlich für alle Ostseeorganismen ist aber vor allem die Eutrophierung, also die Überdüngung der Ostsee mit Nährstoffen aus Landwirtschaft und Industrie“, warnt der Warnemünder Meeresforscher. Die Nährstoffe, die über Flüsse in die Ostsee gelangen, fördern das Wachstum einzelliger Algen im Oberflächenwasser. Diese Algen sinken in größere Tiefen und werden von Mikroorganismen unter Sauerstoffverbrauch abgebaut. Auf diese Weise entstehen in
der tiefen Ostsee sogenannte Todeszonen: Bereiche mit wenig oder gar keinem Sauerstoff, in denen höheres Leben nicht mehr existieren kann.
Klimawandel versus Meeresschutz
Ende der 1980er Jahre war die Ostsee stark eutrophiert. 1992 wurde deshalb die HelsinkiKommission gegründet, die verbindliche Reduktionsziele für Nährstoffeinträge der Ostsee anrainer festlegt. Die Situation hat sich seither leicht entspannt. Auch Schutzzonen für besonders artenreiche Gebiete seien probate Mittel, um die Biodiversität in der Ostsee zu erhalten. „Gerade Riffe sind von großer Bedeutung“, erklärt Darr. „Sie liegen meist auf erhöhten Kuppen und sind
deshalb wichtige Reservoirs für eine Wiederbesiedlung von tieferen Bereichen, die durch Sauerstoffmangel geschädigt wurden.“ Doch der Klimawandel, der auch der Nordsee zusetzt, könnte diese Bemühungen zunichte machen. Noch sind seine Effekte in der Ostsee kaum spürbar. Aber in nicht allzu ferner Zukunft könnten die Erwärmung und der verstärkte Süßwasserzustrom durch mehr Regenfälle dazu führen, dass die positiven Effekte der verminderten Nährstoffkonzentration aufgehoben werden und sich die „Todeszonen“ weiter ausbreiten. Die Helsinki-Kommission berät schon jetzt, ob die Reduktionsziele verschärft werden müssen, um die Artenvielfalt in der Ostsee zu retten. n i l s eh r en ber g
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LEIBNIZ | SPEKTRUM
„Der
DDR-Fußball war nicht sozialistisch“
Jutta Braun
ist assoziierte Wissenschaftlerin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und Vorsitzende des Berliner Zentrums deutsche Sportgeschichte. Sie befasst sich unter anderem mit der Gesellschaftsgeschichte des Fußballs, Sport im Kalten Krieg und der politischen Justiz in der DDR. 40
Warum ist es so viele Jahre nach der Wiedervereinigung noch wichtig, den DDR- Fußball zu erforschen? Es geht darum, eine Lücke zu schließen: Die Fußballgeschichte des Dritten Reichs hat der DFB bereits aufgearbeitet, nun nimmt man sich der DDR an. Der Ostfußball ist Teil der DFB-Geschichte; vor der Wende hat er Millionen Ostdeutsche bewegt. Das hat DFB-Präsident Wolfgang Niersbach erkannt, nachdem er 2012 Theo Zwanziger ablöste. Wo liegt der Fokus der Studie? Natürlich geht es um die Auf arbeitung der Repressionen und Eingriffe durch die Stasi. Aber es geht auch darum, Fußball als Alltags- und Sozialgeschichte zu untersuchen. Wir wollen ergründen, wie er unter den besonderen sozialistischen Bedingungen aussah. Und wie sah er aus? Der Fußball unterlag den Anweisungen des Zentralkomitees der SED. Im Westen gab es
ein freies Vereins-System, jeder Bürger hatte das Recht, einen Verein zu gründen. Im Osten hießen die Clubs im Volksmund zwar ebenfalls „Verein“, waren aber immer staatlich kontrollierte Körperschaften. Wie drückte sich diese Kon trolle im Ligabetrieb aus? Die Partei hatte den Ehrgeiz, den Fußball über das gesamte Staatsgebiet der DDR zu verteilen. Da wurde eine Mannschaft wie Empor Lauter aus dem Erzgebirge auf Parteibefehl nach Rostock ans Meer verpflanzt, weil es im Süden schon genug Clubs gab. Auch die Spieler konnten in der DDR nicht einfach wechseln, wohin sie wollten. Sie sollten bei der Mannschaft bleiben, bei der sie ausgebildet wurden. Der Spieler markt war wie in der Planwirtschaft organisiert.
Trotzdem wechselten Profis zu anderen Teams. Thomas Doll beispielsweise, der 1986 von Hansa Rostock zum BFC Dynamo Berlin ging. So sozialistisch wie der DDRFußball sein sollte, war er in Wirklichkeit nicht. Es gab viele kapitalistische Elemente. Einige SED-Funktionäre waren so etwas wie regionale Bezirksfürsten und schmückten sich mit Fußballteams. Der FC CarlZeiss Jena war auch deshalb so erfolgreich, weil der Direktor des Optik-Betriebs alle möglichen finanziellen und materiellen Mittel besorgen konnte. Es flossen illegale Handgelder und Prämien an Spieler, die mit dem stillen Einverständnis der
Funktionäre von einer Mannschaft zur anderen delegiert wurden. Auf diese Weise zog der BFC Dynamo, Stasi-Club und Rekordmeister der DDR, systematisch die talentiertesten Spieler an Land.
Überwachte die Stasi die Fußballer? Erfolgreiche Fußballer genossen Privilegien wie die bevorzugte Bereitstellung von Wohnungen oder Autos. Zugleich wurden sie streng überwacht, um sicher zu stellen, dass sie nicht „Republikflucht“ begehen. Spieler wie Falko Götz, der in den Westen flüchtete und später unter anderem Hertha BSC trainierte, fanden nach der Wende detaillierte Pläne und Fotos ihrer neuen Woh-
Fotos: IMAGO (2), privat
25 Jahre nach Mauerfall lässt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Geschichte des DDRFußballs erstmals systematisch aufarbeiten. Jutta Braun vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam ist eine der beteiligten Wissenschaftler. Die Historikerin untersucht, wie sozialistisch es in der DDR-Oberliga wirklich zuging. Und warum die Nationalmannschaft kaum Erfolge feierte.
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LEIBNIZ | SPEKTRUM
Deutsch-deutsches Duell: Durch Jürgen Sparwassers (li.) 1:0 schlägt die DDR die DFB-Auswahl in der Vorrunde der Weltmeisterschaft 1974.
nungen in der Bundesrepublik in den Stasi-Akten. Die Geflüchteten waren auch hier auf Schritt und Tritt beobachtet worden.
Gab es Absprachen, die den Verlauf von Spielen oder Meisterschaften beeinflussten? Aktenkundig sind sie nicht. Trotzdem pfiffen die Schiedsrichter, von denen einige Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi waren, immer wieder zugunsten des BFC Dynamo. Das war vorauseilender Gehorsam gegenüber Erich Mielke, dem StasiChef – und Ehren-Vorsitzenden des BFC Dynamo.
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Waren die Fans nicht empört? Der Ärger der Anhänger anderer Mannschaften war sogar groß.
Viele Spiele wurden als „verpfiffen“ empfunden. Ein Beispiel ist der „Schand-Elfmeter von Leipzig“: 1986 gab Schiedsrichter Bernd Stumpf kurz vor Schluss einen unberechtigten Strafstoß gegen Lokomotive Leipzig und ermöglichte dem BFC Dynamo so den Ausgleich. Der Volkszorn war so groß, dass man Stumpf sperren ließ. Auch weil sich SEDFunktionäre aus Leipzig eingeschaltet hatten. Konnte unter solchen Bedingungen überhaupt eine Fankultur entstehen? Es gab in der DDR-Oberliga eine Fankultur, ähnlich der im Westen. Und ähnliche Probleme in den Stadien: Hooligans und auch rechtsradikale Sprüche. Das hätte
ja eigentlich nicht sein dürfen in der DDR, die sich als antifaschistischer Staat verstand. Die Fankultur entzog sich zumindest teilweise der K ontrolle der Stasi. Besonders der heutige Zweitligist Union Berlin stand unter Beobachtung. Man sagte damals: „Nicht jeder Union-Fan ist Staatsfeind, aber jeder Staatsfeind ist UnionFan“. Union Berlin galt als Club der Oppositionellen. Das führte dazu, dass zahlreiche Fan-Clubs von der Stasi infiltriert wurden.
Was befürchtete der Geheimdienst? Dass sich die Anhänger Unions mit der oppositionellen Szene mischen, was teilweise auch
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2014·09 www.udo-bernstein.de
LEIBNIZ | SPEKTRUM
geschah. Die Unioner wurden aber vor allem so streng beobachtet, weil sie eine geheime Fanfreundschaft zu Hertha BSC im Westen Berlins pflegten. Einige Herthaner kamen zu Union-Spielen über die Grenze. Ein schönes Kapitel deutsch-deutscher Sportgeschichte. Doch die Stasi nahm die heimlichen Treffen der Fan-Lager immer wieder hoch.
Der DFB war international früh erfolgreich, der DDRFußball eher bedeutungslos. Warum? Die Führung der DDR war stark auf Olympia fixiert. Sie förderte vor allem Sportarten, in denen eine Person mehrere Medaillen gewinnen konnte, Schwimmen oder Leichtathletik beispielsweise. Sportlich besonders talentierte Schüler wurden für solche Disziplinen ausgewählt, die Und wie standen die Ost-Fans Fußball-Auswahl war auch deszur Bundesliga? halb nicht so erfolgreich. Bei den Viele hatten nicht nur ihren olympischen Spielen gewann die Oberligisten, sondern fieberten DDR dafür weit mehr Medaillen auch mit Westclubs mit. Der als die Bundesrepublik. DDR-Fußball war international ja nicht so erfolgreich. Deswe- Viele Aktive von damals leben gen schwärmte man beispiels- noch. Fürchten Sie, sie könnten weise für Beckenbauer und den Ihre Arbeit behindern? FC Bayern München, durfte das Wir erleben das Gegenteil: Es melden sich viele ehemalige aber nicht offen ausleben. Spieler und Sportjournalisten. Ich hätte nie gedacht, dass unManche DDR Bürger reisten sere Arbeit auf so positive Resogar zu Länderspielen des sonanz stößt. Vielleicht wollen DFB-Teams, wenn diese im einige Zeitzeugen aus persönliOstblock stattfanden... ...und die Stasi reiste ihnen hin- chen oder politischen Gründen terher. Das Regime versuchte trotzdem nicht mit uns sprechen. ja bereits seit Mitte der 1950er Wir werden jedenfalls versuchen, Jahre mit aller Macht eine ge- so viele Interviews wie möglich samtdeutsche Identität zu zu führen: mit Stars wie Michakappen. Die Agenten notierten el Ballack, Matthias Sammer beispielsweise akribisch, wer und Jürgen Sparwasser, der bei das Spiel der Bundesrepublik der Weltmeisterschaft 1974 das gegen Polen in Warschau be- Siegtor der DDR gegen die DFBsuchte und wer dort die Fahne Auswahl schoss – aber auch mit der BRD schwang. Wen sie er- bislang eher unbekannten Spiewischten, der wurde verhaftet, lern und Funktionären, deren verhört und bestraft. Jungen Geschichten noch nicht erzählt Fans wurde in einigen Fällen wurden. Wir hoffen, sie sprechen sogar untersagt, ein Studium mit uns. i n terv i ew : si m on h u fei sen aufzunehmen.
Das grösste kulturhistorische MuseuM Des Deutschen sprachrauMs
Enge Verbindung: Stasi-Chef und BFC Dynamo-Ehrenvorsitzender Erich Mielke gratuliert dem späteren DFB-Nationalspieler Thomas Doll zur Oberligameisterschaft 1987 der Mannschaft. Kartäusergasse 1 · 90402 Nürnberg · www.gnm.de
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NACHRICHTEN
DEUTSCHE UNIVERSITĂ„TS ZEITUNG
Geht die Wissenschaft baden? Wie Forschende, Studierende und Rektoren die Geldnot an Hochschulen erleben
Wissenschaft weiterdenken duz MAGAZIN, KarriereLETTER und SPECIAL unverbindliche Leseprobe anfordern unter www.duz.de/abo/ oder 030 212987-49 3/2014
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LEIBNIZ | SPEKTRUM
Mehr Wasser Die Hälfte der Weltbevölkerung wird 2030 unter Trinkwasser mangel leiden, fürchten die Vereinten Nationen. Schon heute entsalzen die meisten Länder Meerwasser. Doch die gängigen Verfahren sind teuer und energieintensiv. Ein neuer Ansatz ver-
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Auf den ersten Blick scheint es paradox: Zwei Drittel der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt – dennoch haben Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der scheinbare Widerspruch ist schnell geklärt: 97,5 Prozent der Wasservorräte unseres „blauen“ Planeten bestehen aus Meerwasser, nur 2,5 Prozent aus Süßwasser. Davon wieder-
um sind gut zwei Drittel als Eis in den Gletschern gebunden. Süßwasser ist also knapp; Salzwasser gibt es in Hülle und Fülle. Für einige Lebewesen ist das kein Problem: Seevögel wie Möwen oder Pinguine decken ihren Flüssigkeitsbedarf über das Meerwasser, da sie das überschüssige Salz mit Hilfe spezieller Drüsen ausscheiden können. Für den Menschen dagegen ist
Salzwasser nur in kleinen Dosen unschädlich. Salz entzieht dem Körper Wasser. Die Folge: Er trocknet aus.
Destillation auf See
Schon seit der Antike beschäftigen sich die Menschen deshalb mit der Herausforderung, Salz-
Foto: Kundan Ramisetti/unsplash.com
sucht, das zu ändern.
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LEIBNIZ | SPEKTRUM
in Süßwasser zu verwandeln. Aristoteles soll im vierten Jahrhundert vor Christus als einer der ersten beschrieben haben, wie durch Verdampfen von Salzwasser Trinkwasser entsteht. Dieses Grundprinzip der Destillation, also der Verdampfung und Kondensation, war lange Zeit vor allem für Schiffsbesatzungen von großer Bedeutung. Einige Jahrhunderte nach Aristoteles berichtete der Philosoph Alexandros von Phrodisias von Seefahrern, die Meerwasser in Bronzegefäßen aufkochten und den Dampf mit Schwämmen auffingen. Wrangen sie diese aus, erhielten sie Süßwasser. Längst ist das Thema nicht mehr nur für die Seefahrt relevant. In den vergangenen 50 Jahren ist der weltweite Wasserverbrauch doppelt so schnell gestiegen wie die Weltbevölkerung. Nach Uno-Schätzungen wird der Bedarf an Süßwasser bis 2030 die vorhandenen Ressourcen um 40 Prozent übersteigen. Fast die Hälfte der Menschen könnten dann unter Wassermangel leiden. Angesichts der überwältigenden Menge an Meerwasser liegt es zumindest in Küstenzonen nahe, daraus Trinkwasser zu gewinnen. Derzeit wird bereits in 150 Ländern entsalzt. 12.000 bis 14.500 Entsalzungsanlagen sind Schätzungen zufolge momentan in Betrieb, die meisten in Saudi-Arabien, den Arabischen Emiraten, den USA und Spanien.
Teuer und umweltschädlich
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Die bis vor wenigen Jahren dominierende Technologie zur Entsalzung von Wasser ist die Entspannungsverdampfung. Hierbei wird Meerwasser erhitzt, bis es verdampft und das Salz sich vom Wasserdampf trennt. Die momentan gängig ste Methode ist die Umkehr osmose. Unter hohem Druck von 60 bis 80 bar wird Meerwasser durch eine feine Membran gepresst, die das Salz zurückhält.
Beide Methoden teilen jedoch ein Problem: die Kosten. Große Anlagen verbrauchen extrem viel Energie, sie benötigen ein eigenes Kraftwerk für den Betrieb. Meerwasserentsalzung ist bislang also vor allem etwas für reiche Länder oder Touristenregionen. Zudem wird die benötigte Energie oft aus fossilen Brennstoffen bezogen – zum Schaden der Umwelt. Matthias Wessling vom Leibniz-Institut für Interaktive Materialien (DWI) in Aachen setzt auf ein neues Verfahren der Meerwasserentsalzung. Er forscht mit seinem Team im Bereich der „Kapazitiven De ionisierung“. Mit Hilfe von neuartigen Elektroden aus Kohlenstoffpartikeln entwickelten die Wissenschaftler einen kontinuierlichen elektrochemischen Entsalzungsprozess. Die Bestandteile des Salzes, Anionen und Kationen, werden von den Elektroden an einer internen Oberfläche wie in einem elektrischen Kondensator aufgenommen und auf diese Weise aus dem Wasser entfernt.
Kontinuierliche Entsalzung
Gegenüber älteren Ansätzen hat die Methode den Vorteil, dass die Elektroden fortlaufend regeneriert werden, so dass ein kontinuierlicher Betrieb möglich ist. Matthias Wessling: „Im ersten Modul unserer Apparatur binden die kohlenstoffbasierten Elektroden Salz aus dem Wasser. In einem zweiten Modul werden die ElektrodenPartikel fortwährend regeneriert. Sie gelangen anschließend wieder in das erste Modul, wo sie erneut Salz-Ionen aus dem Meerwasser aufnehmen.“ Bei einer Ausgangskonzentration von einem Gramm Salz pro Liter konnte das Forscherteam auf diese Weise in 90 Prozent des zufließenden Wassers 99 Prozent des enthaltenen Salzes entfernen. Die restlichen zehn Prozent des Wassers dienen der Regeneration der Elektroden-Partikel.
Ein weiteres Plus liegt laut Wessling in der Kapazität der Elek troden: „Die KohlenstoffPartikel der Elektroden binden das im Wasser vorhandene Salz extrem gut, mindestens um den Faktor Zehn höher als bei zuvor beschriebenen Prozessen dieser Art.“
Anfragen aus der Industrie
Die neue Methode ist zudem sehr energieeffizient und kommt ohne umweltschädliche chemische Reaktionen aus. Momentan ist das Verfahren allerdings vor allem für niedrige Salzkonzentrationen geeignet – also für Brackwasser. Geht es um sehr salziges Meerwasser, muss das Potential noch erforscht werden. Ein Industriekonsortium hat dennoch bereits Interesse an der Technologie angemeldet und ein Vorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beantragt. „Wenn die Finanzierung steht“, sagt Matthias Wessling, „kann ein Prototyp, der den Prozess demonstriert, innerhalb von drei Jahren realisiert werden.“ Für besonders schwer von Wassermangel betroffene Länder dürfte das eine gute Nachricht sein. Trotzdem kann die Meerwasserentsalzung allein ihr Problem nicht lösen. In vielen Regionen der Welt ist die Trinkwasserknappheit ein hausgemachtes Problem, das mit Verschwendung im großen Stil zu tun hat. In Spanien, das Europa ganzjährig mit Obst und Gemüse versorgt, versickern riesige Wassermassen aus maroden Leitungen ungenutzt in Äckern. In den Touristenregionen am Mittelmeer werden unzählige Golfplätze bewässert. Aber auch der Fleischkonsum des Menschen trägt zum Trinkwassermangel bei: Um ein Kilo Rindfleisch zu erzeugen, werden 15.000 Liter Wasser verbraucht. Die Lösung heißt also zu allererst: Wasser sparen. ju l i a u c s n ay
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LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN
Fliegen Plagegeist oder Meisterwerk der Natur? Das Berliner Museum
Aktuelle Ausstellungen
der Leibniz-Gemeinschaft
für Naturkunde nimmt die Fliege unter die Lupe.
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Bedrohliches Summen erfüllt die Eingangshalle. Nur die aus dünnen Moskitonetzen genähten Wände des schmalen Korridors, der derzeit in die Sonderausstellung im Berliner Museum für Naturkunde führt, trennen die Besucher von den Insekten: Tausende Fliegen schwirren in zwei Volieren durcheinander. Ein paar Meter weiter machen sich ihre Maden über einen überfahrenen Waschbären her. In etwa drei Wochen werden mehrere Generationen der Tiere den Kadaver bis auf das Skelett zersetzt haben. Wer dieser Tage das Museum besucht, braucht starke Nerven.
Zumindest im ersten Moment dürfte er sich in so ziemlich jedem Vorurteil bestätigt fühlen, das Menschen mit Fliegen verbinden. Den Insekten eilt ein miserabler Ruf voraus: Sie sind als nervtötende Plagegeister verschrien, als Schädlinge, die ganze Felder und Obstplantagen befallen, als Krankheitsüberträger, die sich vorzugsweise auf dem frisch gedeckten Frühstückstisch niederlassen, nachdem sie – so die Befürchtung – noch Minuten zuvor im Hausmüll saßen. Doch wer erst den Korridor durchquert, stellt bald fest, dass vielen dieser Vorurteile die Ba-
sis fehlt. Mit der Schau „Fliegen“ zeigt das Naturkundemuseum, dass die Insekten stattdessen eine ganze Reihe faszinierender Eigenschaften aufweisen. Dass sie für Mensch und Natur von elementarer Bedeutung sind. Ein Fünftel der Arten auf der Erde sind Zweiflügler, sogenannte Diptera: Fliegen oder M ücken, die die Ausstellung ebenfalls beleuchtet. Sie leben in den trockensten Wüsten, den höchsten Gebirgen, den salzigsten Böden und natürlich in der Stadt. Wie stark sie sich trotz dieser Allgegenwärtigkeit unterscheiden, zeigt eine Reihe überlebens
Ozeane – Expedition in unerforschten Tiefen bis 16.11.2014 Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven
Kunstwerke im Kleinformat — Deutsche Exlibris vom Ende des 15. bis 18. Jahrhunderts bis 25.1.2015 Germanisches National museum, Nürnberg
Einsichten. Fotografien aus Schülerzeitungen der 1950er und 1960er Jahre bis 14.11.2014 Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, Berlin
Kilometer um Kilometer geht es in die Tiefe. Die Wassermassen wirken hier unten bedrohlich und geheimnisvoll. Und auch die Bewohner der Tiefsee scheinen einer anderen Welt zu entstammen: der Vipernfisch beispielsweise, dessen Leuchtorgane schummriges Licht ins Dunkel werfen. Solvin Zankl hat ihm und anderen Bewohnern der Ozeane mit der Kamera nachgespürt. Er ist dabei nicht nur in die Tiefsee, sondern auch in farbenprächtige Riffe und das ewige Eis vorgedrungen. Das Schiffahrtsmuseum zeigt Zankls Aufnahmen von Manta-Rochen, Kraken und Pinguinen in einer Sonderausstellung.
Ihr Zweck ist denkbar einfach: Seit Ende des 15. Jahrhunderts kennzeichnen Exlibris genannte, in Bücher eingeklebte Papierbögen, wem ein Buch gehört. Sie tun das auf so aufwendige und ästhetische Weise, dass sie schon bald eine künstlerische Gattung bildeten. Albrecht Dürer, Jost Amman und Raphael Sadeler fertigten Exlibris an. Um 1776 radierte Goethe eines für seine Freundin Käthchen Schönkopf. Die Ausstellungsstücke geben nicht nur Einblick in die Vielfalt der Motive und Drucktechniken des Genres, sondern auch in die Gedankenwelt der Buchbesitzer und Künstler.
Die Bundesrepublik ist jung, als die Alliierten Schulen und Jugendliche ermutigen, eigene Zeitungen herauszugeben, um so die Demokratisierung Nachkriegsdeutschlands zu fördern. Über 60 Jahre später sind die Schülerzeitungen von damals Zeitdokumente. Die darin veröffentlichten Fotografien erzählen davon, was Jugendliche in den 1950er und 1960er Jahren bewegte, wie ihr Alltag aussah, wovon sie träumten. Die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung zeigt eine Auswahl der Bilder. 3/2014
LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN
Fotos: Bernhard Schurian/MfN; Solvin Zankl; Georg Janssen; Marie Sjövold; Ingo Arndt; Inge Dunkel; Anne Frank Fonds, Basel
großer Portraits verschiedener Arten, die wie eine Ahnengalerie an den Wänden des Museums hängen. An Außerirdische erinnern die Fliegen darauf: bedrohliche Kiefer, riesige Facettenaugen, behaarte Körper, schillernde Farben. So vielfältig wie ihr Erscheinungsbild sind ihre Fähigkeiten. Wie kann ein so kleines Insekt mit einem so winzigen Gehirn akrobatische Flugmanöver koordinieren und dabei unzählige optische Signale verarbeiten? Das fragen sich Informatiker und beziehen die Fliege als Modellorganismus in ihre Roboterforschung ein. In der Landwirtschaft ernährt heute Fliegen- statt Fischmehl Hühner, Fische und Schweine. In der Medizin säubern Fliegenmaden Wunden. Überhaupt sind Fliegen eine Art Gesundheitspolizei: Sie entsorgen Tierkadaver und beugen so der Verbreitung von Krankheitserregern und Seuchen
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vor. Ohne die Insekten, das haben Wissenschaftler errechnet, ständen etwa die Bewohner Berlins minimal bis zu den Knien in Hundekot. Fliegen sind nicht nur Forschungsobjekte, Heiler und Nahrungsmittel. Sie lösen auch Kriminalfälle, mitunter überführen sie Mörder. Anhand der Arten, die einen Leichnam besiedeln, der Anzahl der Insekten und des Reifestadiums ihrer Eier und Maden können Kriminalisten Tatort und sogar Todeszeitpunkt bestimmen. Schon manches Alibi wurde so widerlegt. Beim Verlassen der Ausstellung klingt das Summen dank all der neuen Erkenntnisse über seine Urheber fast schon beruhigend. Die Fliege erscheint nun weniger als lästiges Biest. Eher als kleiner und surrender Freund und Helfer. soph i e peter
Fliegen bis 15. Januar 2015 Museum für Naturkunde Invalidenstraße 43, 10115 Berlin Öffnungszeiten Di bis Fr 9.30 - 18 Uhr Sa, So und Feiertage: 10 - 18 Uhr www.naturkundemuseum-berlin.de
»MenschlICHes VERSTEHEN« neue Dauerausstellung Römisch-Germanisches Zentralmuseum, MONREPOS – Schloss der Forscher, Neuwied
ArchitekTier Fotoausstellung von Ingo Arndt bis 11.1.2015 Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt am Main
Eine Geschichte für heute — Anne Frank bis 31.5.2015 Institut für Zeitgeschichte, Dokumentation Obersalzberg
Die Besucher der Ausstellung werden zu Entdeckern auf der Suche nach dem eigenen Ich. Sie reisen durch die frühe Menschheitsgeschichte und erfahren dabei mehr über die Evolution des menschlichen Verhaltens. Wie, wann und warum sind unsere Verhaltensweisen entstanden? Warum sind wir manchmal aggressiv? Und warum essen wir so gern fettes Essen? Diesen Fragen gehen auch die Wissenschaftler von Schloss M ONREPOS nach. Ihre Forschungsergebnisse bilden die Grundlage der neuen Dauerausstellung, mit der das Museum nach drei Jahren Sanierung und Neukonzeption wiedereröffnet hat.
Dass Baukunst nicht nur von Menschenhand erschaffen wird, zeigt das Beispiel des Baja webers. In Südostasien webt der Singvogel mithilfe langer, dünner Grashalme hängende Nester, die sogar Tropenstürmen standhalten. In deutschen Wäldern türmen sich die Bauten der Roten Waldameise trotz der winzigen Körpergröße ihrer Erschaffer zu bis zu zwei Metern Höhe auf. Zwei Jahre lang reiste der Naturfotograf Ingo Arndt rund um die Welt, um tierische Architektur zu dokumentieren. In Frankfurt werden seine Fotografien nun neben Originalexponaten aus der Tierwelt prä sentiert.
An ihrem 13. Geburtstag, dem 12. Juni 1942, beginnt Anne Frank ihr Tagebuch. Bis heute gelten die Aufzeichnungen der Frankfurter Jüdin, die 1945 in Bergen-Belsen ermordet wird, als Symbol für die Shoah und als intimes Dokument der Lebens- und Gedankenwelt eines jungen Mädchens. 2014 wäre Anne Frank 85 Jahre alt geworden. Die Winterausstellung der Dokumentation Obersalzberg widmet sich ihrer Lebensgeschichte. Sie möchte so zum Nachdenken über Menschenrechte, Pluralismus und Demokratie anregen und Parallelen und Verbindungen zwischen damals und heute aufzeigen.
Mehr Sonderausstellungen unserer Forschungsmuseen finden Sie online: www.leibnizgemeinschaft.de/ institute-museen/ forschungsmuseen/ leibniz-museenaktuell/
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LEIBNIZ | IMPRESSUM
Wissen direkt vom
Das Leibniz-Journal erscheint viermal im Jahr. Sie können es kostenfrei abonnieren unter: www.leibniz-gemeinschaft.de/journal
Erzeuger. Leibniz-Journal
Leibniz exhibitionistisch Die LeibnizForschungsmuseen S.16 im Überblick Labor als Atelier Kunst aus dem Mikroskop
3/2012
Erfolgsgeschichte S.14
Leibniz-Journal
Leibniz in Ostdeutschland S.26
Zweiter Weltkrieg
Sprache
Dunkles Kapitel
„Mein Kampf“
Alltag unter deutscher Besatzung
Der Holocaust im Schulbuch weltweit
1/2014
Vom Umgang mit NS-Diktion
Editionsprojekt demaskiert Hitlers Hetzschrift
Leibniz-Journal
Obersalzberg. Ein Ort wird entzaubert
Kuba
Affengesellschaft
Bloggen für mehr Freiheit
2/2014
Wissenschaft und Social Media
Die Primatenforscherin Julia Fischer
Leibniz-Journal
Mensch G 49121
G 49121
Herausgeber: Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft Matthias Kleiner Chausseestraße 111, 10115 Berlin Telefon: 030 / 20 60 49-0 Telefax: 030 / 20 60 49-55 www.leibniz-gemeinschaft.de
Vertreibung
Guinea
Ethnische Säuberungen im Ersten Weltkrieg
Wissenschaftler erklären die Krise
Kampf gegen das Ebola-Virus
Der
Große Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum präsentiert neueste Forschungsergebnisse
Leibniz-Journal
Ukraine
Interventionen im Namen der Humanität?
Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft
Frieden und Konflikte
Wie die Digitalisierung unsere Gesellschaft verändert
IMPRESSUM
Völkerrecht
vernetzte
auf der
G 49121
Science 2.0
Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft
Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft
Dürer Spur
Big Data
Goldrausch in Datenbergen?
Redaktion: Christian Walther (Chefredakteur), Christoph Herbort-von Loeper (C.v.D.), David Schelp (C.v.D.) Felix De Caluwe, Sophie Peter (Praktikanten), Nora Tyufekchieva (Grafik), Steffi Kopp (Assistenz). journal@leibniz-gemeinschaft.de
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Die Leibniz-Gemeinschaft – 89 Mal Forschung zum Nutzen und Wohl der Menschen:
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1/2012
Auflage: 30.000 Ausgabe 3/2014: Oktober 2014 www.leibniz-gemeinschaft.de/journal Das Leibniz-Journal erscheint viermal jährlich. Es wird gratis über die Institute und Museen der Leibniz-Gemeinschaft verbreitet. Außerdem kann es über die Redaktion kostenlos unter abo@leibniz-gemeinschaft.de abonniert werden. ISSN: 2192-7847 Leibniz twittert: twitter.com/#!/LeibnizWGL Leibniz ist auf Facebook: facebook.com/LeibnizGemeinschaft
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V. (ifo) · ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS), Dortmund (assoziiert) · INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM), Saarbrücken · Institut für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim · Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW) · Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) · Institut für Zeitgeschichte München – Berlin (IfZ) · Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik (KIS), Freiburg · Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH (DSMZ), Braunschweig · Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), Halle · Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB) · LeibnizInstitut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI), Jena · Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e. V. (ISAS), Dortmund und Berlin · Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik (LIAG), Hannover · Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) · Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) · Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik an der Universität Rostock (IAP), Kühlungsborn · Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), Bamberg · Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), Kiel · Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz · Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW) · Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ), Großbeeren & Erfurt · Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Berlin · Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP), Frankfurt (Oder) · Leibniz-Institut für Katalyse e. V. an der Universität Rostock (LIKAT) · Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ), Berlin · Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL), Leipzig · LeibnizInstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP), Berlin · Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI), Jena · Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN), Magdeburg · Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN), Dummerstorf · Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung (IOM), Leipzig · Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Dresden · Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde an der Universität Rostock (IOW) · Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB), Halle · Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), Gatersleben · Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT), Jena · Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP), Greifswald · Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) · Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS), Bremen · Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS), Erkner · Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig · Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung an der Heinrich-HeineUniversität Düsseldorf gGmbH (IUF) · Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM), Tübingen · Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Berlin · Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Müncheberg · Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie GmbH (ZMT), Bremen · Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID), Trier · Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach (MFO) · Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI), Berlin · Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung (MfN), Berlin · Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik (PDI), Berlin · Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) · Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen · Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM), Mainz · Schloss Dagstuhl – Leibniz-Zentrum für Informatik GmbH (LZI) · Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN), Frankfurt am Main · Technische Informationsbibliothek (TIB), Hannover · Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik Leibniz-Institut im Forschungsverbund Berlin e. V. (WIAS) · Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) · ZB MED - Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln und Bonn · Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim · Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) · Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK), Bonn
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LEIBNIZ | LEKTÜRE
Annette Ranko: Die Muslimbruderschaft. Porträt einer mächtigen Verbindung; 164 Seiten, edition Körber-Stiftung, Hamburg 2014; 14 Euro; ISBN 978-3-89684-157-5
Fotos: Thierry Ehrmann/Flickr (CC BY 2.0); Körber-Stiftung; CH Links Verlag; Katrin Wähner/IGB
Hans-Hermann Hertle:
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Der Sound des Untergangs – Tonmitschnitte aus den letzten Sitzungen des SEDZentralkomitees. Audio-CD, 69 Min., Ch. Links Verlag, Berlin 2013; 12,90 Euro, ISBN 978-3-86153-755-7.
Stefanie Burkert, Johannes Graupner, Nadja Neumann: Nina und der Tomatenfisch. Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin 2013.
Als der „Arabische Frühling“ Ägypten erreicht, zieren die Muslimbrüder die Titelseiten: bärtige Männer, die sich Straßenschlachten mit dem Regime liefern; verhüllte Frauen, die auf dem Tahrir-Platz demonstrieren. Über die Hintergründe der Organisation wird wenig bekannt. Annette Ranko vom LeibnizInstitut für Globale und Regionale Studien (GIGA) beginnt wohl auch deshalb ganz am Anfang: 1928 wird die Muslimbruderschaft gegründet, ist erst Bildungs- und Wohlfahrtsorganisation, bald außerparlamentarische Opposition. Immer wieder wird sie Ziel staatlicher Verfolgung, betreibt zeitweise allerdings auch selbst einen bewaffneten Geheim apparat. Wie vielschichtig die Organisation
ist, zeigen Porträts von Muslimbrüdern: Da ist der Student, der sich für Mode interessiert und zugleich glühend vom Märtyrertum schwärmt – aber auch der Internetaktivist, der mit liberalen Kräften kooperiert und nach dem Sturz Mubaraks austritt. Rasch verspielen die nun regierenden Muslimbrüder das Vertrauen der Bürger. Im Juli 2013 putscht das Militär Muhammad Mursi aus dem Präsidentenamt und verbietet die Muslimbruderschaft einmal mehr. Die Repression, fürchtet Annette Ranko, könne den Radikalen in deren Reihen Vorschub leisten. Den neuen Machthabern am Nil rät sie, die Organisation in den politischen Prozess einzubinden. Nur eine Versöhnungskultur könne das Land d av i d sc h el p einen.
Was hier besprochen wurde, sollte nie veröffentlicht werden. Dennoch ließ die SED die Sitzungen ihres Zentralkomitees auf Tonband mitschneiden. Aus diesen Aufnahmen hat Hans-Hermann Hertle vom Zentrum für Zeithistorische Forschung mit der Audio-CD „Der Sound des Untergangs“ eine spannende und erkenntnisreiche Dokumentation der letzten Wochen der DDR-Staatspartei zusammengestellt, die auch für Nicht-Historiker hörenswert ist. Er setzt mit der Rücktrittserklärung Erich Honeckers am 18. Oktober 1989 ein und spannt den Bogen bis zur letzten Sitzung des formal obersten Parteigremiums am 3. Dezember desselben Jahres. In dieser kurzen Zeit zeigt sich die beispiellose Erosion der Macht
der SED und die Orientierungslosigkeit darüber, wie diese doch noch zu retten ist. Auch der Verlust des Rückhalts an der eigenen Parteibasis, die von der Führung über das Ausmaß des globalen Missmanagements im Unklaren gelassen worden war, und eine an Selbstzerfleischung grenzende Zerstrittenheit in der Agonie des Untergangs werden offenbar. Die durch moderierte Überleitungen verbundenen Einzelpassagen enthüllen auch manch tragisch-komische Momente: den Vorschlag, das Volk durch die landesweite Ausstrahlung des Sowjetfernsehens auf seine Seite zu ziehen beispielsweise. Am 10. November – wenige Stunden nachdem eben dieses Volk die Mauer zum Einsturz gebracht hatte. c h r i stoph h er bort - v on l oeper
Nina ist ein neugieriges Kind, das voller Begeisterung und mit offenen Augen durch die Welt geht. Mit ihrem Vater erkundet sie die Umgebung Berlins und stößt dabei eines Tages auf ein Plakat, das ein rätselhaftes Wesen zeigt: den Tomatenfisch. Sofort begeben sich die beiden auf die Suche, die sie schließlich ins Leibniz-Institut für Gewässerökologie führt. Werden sie dort fündig? „Nina und der Tomatenfisch“ ist eine Kindergeschichte, die eine schon dem Namen nach komplizierte Technologie verständlich erklärt. Die „emissionsfrei Aqua-
ponikanlage“ bringt Tomaten- und Fischzucht in einem Gewächshaus zusammen und spart so Energie und Wasser. Illustrationen von Katrin Wähner verbildlichen, wie genau das funktioniert und zeigen alle Stationen des Aquakulturkreislaufs. Das Buch ist so auch etwas für interessierte Erwachsene. Kitas und Schulen können die Geschichte vom mysteriösen Tomatenfisch kostenlos bestellen. Zudem kann sie als PDF aus dem Internet heruntergeladen werden:
Wir verlosen zwei unserer Buchtipps 3 S. 52
www.tomatenfisch.igb-berlin.de/downloads.html.
soph i e peter
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LEIBNIZ | LIFE
Neue Mitglieder im Leibniz-Senat
Das oberste Beratungsgremium der LeibnizGemeinschaft hat im Juli neun neue Mitglieder für eine jeweils vierjährige Amtszeit gewählt. Dem Senat gehören rund 40 Vertreter des Bundes und der Länder, der Wissenschaft und des öffentlichen Lebens an. Die neuen Mitglieder: Dr. Kurt Bock, Vorstandsvorsitzender von BASF SE (Foto); Prof. Dr. Maria Böhmer (CDU), Staatsministerin im Auswärtigen Amt; Kai Gehring, MdB (Bündnis 90/ Die Grünen); Prof. Dr. Ulrike Gutheil, Kanzlerin der Technischen Universität Berlin; Hubertus Heil, MdB, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion; Dr. Christine HohmannDennhardt, Vorstandsmitglied der Daimler AG, Richterin am Bundesverfassungsgericht a.D.; Anette Hübinger, MdB (CDU); Dr. Waltraud Kreutz-Gers, Kanzlerin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Swen Schulz, MdB (SPD). http://www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/ organisation/senat/
Leibniz-Journal: Zufriedene Leser
Exklusiv: 84 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen das Leibniz-Journal Informationen vermittelt, die sie auf anderem Wege nicht erhalten hätten.
www.leibnizgemeinschaft.de/ leserumfrage
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auf inzwischen 29.000 beteiligten sich zwischen März und Juli 2014 mehr als 900 Personen an der Umfrage. 671 füllten den Onlinefragebogen zu Form und Inhalt des Leibniz-Journals vollständig aus. Interessant ist die Zusammensetzung der Leserschaft: 83 Prozent sind Akademiker. 74 Prozent sind berufstätig, und von diesen haben nach eigener Angabe 28 Prozent eine Führungsposition inne. 56 Prozent der berufstätigen Leser sind in Wissenschaft, Forschung oder Hochschule tätig; 13 Prozent arbeiten im Bereich Medien und Kommunikation; elf Prozent
in Politik, Behörden oder Stiftungen. 14 Prozent befinden sich in Schule, Ausbildung oder Studium, elf Prozent sind Pensionäre oder Rentner. 55 Prozent der Teilnehmer waren männlich, 42 Prozent weiblich – der Rest machte keine Angabe zum Geschlecht. Rund die Hälfte der Befragten kam aus einer Leibniz-Einrichtung, die andere Hälfte hatte mit Leibniz-Einrichtungen nichts zu tun. Die Umfrage wurde von Christine Kreuzer aus dem Studiengang Wissenschaftsmarketing der TU Berlin durchgeführt.
Fotos: BASF SE; Christoph Herbort-von Loeper
Detaillierte Auswertung unter:
Die Leser des Leibniz-Journals haben dem Magazin der LeibnizGemeinschaft in einer Umfrage Bestnoten erteilt: 95 Prozent sind zufrieden oder sehr zufrieden mit der Gestaltung, 94 mit dem Informationsgehalt, 92 mit der Themenauswahl und immerhin noch 81 mit dem Unterhaltungswert. 84 Prozent der Teilnehmer der Umfrage geben an, dass sie aus dem Leibniz-Journal Informationen erhalten, die sie auf anderem Wege nicht bekommen hätten. Zwei Jahre nach der gründlichen Überarbeitung des Leibniz-Magazins und einer schrittweisen Erhöhung der Auflage von 6.000
c wth
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LEIBNIZ | LIFE
Evaluierung: Senat urteilt differenziert Nach Abschluss der wissenschaftlichen Evaluierung von fünf Einrichtungen der Leibniz‐ Gemeinschaft hat der LeibnizSenat Förderempfehlungen an Bund und Länder veröffentlicht. Demnach sollen drei Institute weitere sieben Jahre gefördert werden: das Heinrich‐Pette‐ Institut – Leibniz‐Institut für Experimentelle Virologie in Hamburg, die Senckenberg Forschungsinstitute und Naturmuseen mit Hauptsitz in Frankfurt am Main sowie das Deutsche Diabetes‐Zentrum – Leibniz‐ Zentrum für Diabetes‐Forschung an der Heinrich‐Heine‐ Universität Düsseldorf. Für das Leibniz‐Institut für Agrartechnik Potsdam‐Bornim ist die nächste Begutachtung für das Jahr 2018 vorgesehen. Im Fall des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung in Speyer empfahl der Senat, die gemeinsame Forschungsförderung von Bund und Ländern zu beenden. Die letztendliche Entscheidung obliegt nun der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz. http://www.leibniz-gemeinschaft. de/ueber-uns/evaluierung/
Fotos DSMZ; IRS; DKA; Jan Zappner; IfL; DIPF/BBF; MfN/Carola Radke.
Wissenschaftscampus Phosphorforschung
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Phosphor ist ein lebenswichtiger Mineralstoff. Als Düngemittel in der Landwirtschaft eingesetzt, kann er durch keinen anderen Stoff ersetzt werden. Doch die weltweiten Phosphorvorräte gehen zur Neige. Diesem drängenden Zukunftsproblem nimmt sich der jetzt neu gegründete „Leibniz-WissenschaftsCampus Rostock: Phosphorforschung“ an. Er verbindet Wissenschaftler von fünf Leibniz-Instituten aus Mecklenburg-Vorpommern und der Universität Rostock. Der Campus erhält finanzielle Unterstützung der Ministerien Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz sowie für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern und aus dem Impulsfonds der LeibnizGemeinschaft.
Liste
Wissenschaftliche Sammlungen sind wichtige Quellen für die Forschung und wertvolle Archive des natürlichen und kulturellen Erbes der Menschheit. Wie vielfältig in der Leibniz-Gemeinschaft gesammelt wird, zeigen diese Beispiele.
Das Leibniz-Institut DSMZ ‑ Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig beheimatet mehr als 40.000 Zellkulturen, darunter 700 menschliche und tierische Zelllinien. Die Proben erforscht die DSMZ nicht nur, sondern stellt sie auch Schulen, Universitäten und der Industrie zur Verfügung. Das Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner verfügt über die einzige auf die Bau- und Planungsgeschichte der DDR spezialisierte Sammlung in Deutschland. Ihren Grundstock bilden die wertvollen Bestände des Instituts für Städtebau und Architektur der Bauakademie der DDR.
Das Deutsche Kunstarchiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg versammelt auf 2,8 Regalkilometern Aufzeichnungen von Architekten, Malern, Bildhauern, Graphikern, Kunsthändlern und -sammlern. Das größte Archiv für schriftliche Nachlässe zur Kunst und Kultur im deutschsprachigen Raum. Das Biographische Archiv des ehemaligen Instituts für Internationale Politik und Wirtschaft der DDR bewahrt in 4.000 Ordnern Zeitungsausschnitte zu mehr als 30.000 Personen aus Politik, Wirtschaft und Kultur von 1946 bis 1992. In der Bibliothek des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam können sie von Interessierten durchforstet werden. 120.000 historische Fotografien seit den 1860er Jahren mit Motiven aus allen Teilen der Welt umfasst die Fotosammlung des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig. Die Aufnahmen zeigen Landschaften, Siedlungen, Menschen, Pflanzen und Tiere unter geographischem Blickwinkel. Bildungsgeschichte in digitalisierten Bildern zeigt das Archiv „Pictura Paedagogica Online“ der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) in Berlin. Etwa 65.000 Bilder aus fast 600 Jahren sind über das Internet recherchierbar. Ein Archiv des Lebens für die Wissenschaft von Weltrang sind die naturkundlichen Sammlungen der drei Leibniz-Forschungsmuseen auf diesem Gebiet. Sie umfassen etwa 75 Millionen Objekte aus dem Tier- und Pflanzenreich sowie der Mineralogie.
www.wissenschaftscampusrostock.de
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LEIBNIZ | LIFE Neues Jahrbuch zweisprachig
Das Jahrbuch 2014 der Leibniz‐Gemeinschaft ist erschienen, in diesem Jahr als zweisprachige Ausgabe Deutsch-Englisch. Es bietet einen kompakten Überblick über die derzeit 89 Mitgliedseinrichtungen der Leibniz‐Gemeinschaft. Erstmals werden auch die Leibniz‐Forschungsverbünde sowie die Leibniz‐WissenschaftsCampi in kurzen Texten vorgestellt. Eine digitale Version ist online verfügbar: www.leibniz-gemeinschaft. de/medien/publikationen/ jahrbuch
Mit Gründerpreis auf den Markt
Die Leibniz‐Gemeinschaft hat erstmals einen Gründerpreis in Höhe von 50.000 Euro ausgeschrieben. Damit soll die gesellschaftliche und wirtschaftliche Nutzung von Forschungsergebnissen gefördert werden. Prämiert wird ein Ausgründungsvorhaben in der Vorbereitungs‐ beziehungsweise Start‐up‐ Phase. Gründungsinteressierte aus den Leibniz‐Instituten, die mit markttauglichen
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Ideen und einem fundierten Geschäftsplan ein Unternehmen gründen wollen, können von ihren Instituten für das Wettbewerbsverfahren um den Leibniz‐Gründerpreis vorgeschlagen werden. Die Einreichungsfrist endet am 15. Dezember 2014.
www.leibniz-gemeinschaft. de/transfer/service/
leibniz-gruenderpreis
Open AccessDoppelerfolg
Doppelsieg für Leibniz im Open Access Repository Ranking für Deutschland des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der HU Berlin. EconStor, der Publikationsserver der ZBW – LeibnizInformationszentrum Wirtschaft belegte den ersten Platz, direkt gefolgt vom am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung betriebenen pedocsDokumentenserver im Fachportal Pädagogik. Das Ranking bewertet vor allem die Qualität der Services und Funktionen von Open-AccessDokumentensammlungen.
Verlosung 3 Exemplare der Audio-CD „Der Sound des Untergangs – Tonmitschnitte aus den letzten Sitzungen des SED-Zentralkomitees“ von Hans-Hermann Hertle. (3 Buchvorstellung auf S. 49). Stichwort: „SED“ 3 Exemplare des Buches „Die Muslimbruderschaft. Porträt einer mächtigen Verbindung“ von Annette Ranko. (3 Buchvorstellung auf S. 49). Stichwort „Muslimbrüder“
Teilnahme unter Nennung von Stichwort, Name und Postanschrift per E-Mail an: verlosung@leibnizgemeinschaft.de Einsendeschluss: 21. November 2014 Die Gewinner erklären sich im Falle des Gewinns mit der Nennung ihres Namens und Herkunftsortes im nächsten Leibniz-Journal einverstanden. Die Gewinner der Verlosungen aus dem Heft 2/2014: Jeweils ein Exemplar des Buchs „Der allererste Struwwelpeter“ geht an Alfred Köhn aus Langen, Irmtraudt Kuß aus Berlin, Christel Henkel aus Urbar, Björn Rußbült aus Wismar und Robert Steegers aus Bonn. Ein Exemplar des Buchs „Dr. Oetker und der Nationalsozialismus“ von Jürgen Finger, Sven Keller und Andreas Wirsching erhalten Irmgard Dreher aus Düsseldorf, L. Glaeser aus München und Thomas Lenth aus Berlin.
www.repositoryranking.org
Arbeiten bei Leibniz Die 89 Institute der Leibniz-Gemeinschaft beschäftigen 17.500 Mitarbeiter, darunter 3.500 Doktorandinnen und Doktoranden und zahlreiche Auszubildende.
Suchen Sie Ihre Zukunft unter
www.leibniz-gemeinschaft.de/stellenportal
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LL EE II BB N N II ZZ || LL EE U UT T EE
Von Cambridge nach Hamburg Dr. Amrita Narlikar ist seit 1. Oktober Präsidentin des Hamburger Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien (GIGA). Zugleich übernimmt die gebürtige Inderin eine Professur an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg. Zuvor war Narlikar an der Universität Cambridge tätig. In ihren Arbeiten untersucht sie den Aufstieg neuer Weltmächte, multilaterale Verhandlungen und den Welthandel.
Was hat Sie dazu bewegt, nach Hamburg zu gehen? Die akademische Agenda des GIGA. Es ist das einzige Institut seiner Art, dass die empirische Expertise aufweist, um die Visionen und politischen Perspektiven der nichtwestlichen Welt und deren Einfluss auf die globale Ordnung zu verstehen. Außerdem habe ich schöne Kindheitserinnerungen an Deutschland. Kann Ihre Forschung zum Scheitern internationaler Verhandlungen zu besseren Verhandlungsergebnissen führen? Das hoffe ich sehr. Meine Arbeit zu Allianzen in der Welthandelsorganisation hat Entwicklungsländern bereits geholfen, ihre Verhandlungspositionen und -strategien zu verbessern. Was wird Ihr Schwerpunkt als Präsidentin: Forschung oder Politikberatung? Da gibt es kein entweder oder. Wenn man international wettbewerbsfähig forscht, wirken sich die Erkenntnisse auch auf die reale Welt aus.
Müssen Sie jetzt Deutsch lernen? Ich würde nicht von Müssen sprechen – die Kollegen in Deutschland sind beeindruckend mehrsprachig. Ich habe aber Lust darauf. Es ist wichtig, die Sprache des Landes, in dem man lebt, zu lernen. Bei mir gibt es auch einen persönlichen Grund: mein Interesse an Sanskrit und den gemeinsamen Wurzeln dieser alt-indischen und der deutschen Sprache. i n terv i ew : c h r i sti an walth er
Fotos: Charlie Gray; IFW; IfW; GESIS; ISAS
Das komplette Gespräch: www.leibniz-gemeinschaft.de/interview-narlikar
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Im jährlich von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung herausgegebenen Ökonomen-Ranking belegen sechs Leibniz-Wissen schaftler Plätze unter den Top 10. Auf Platz eins befindet sich Prof. Dr. Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts – LeibnizInstitut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, direkt gefolgt von Prof. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Platz vier erreicht Prof. Dr. Ludger Wößmann (ifo Institut), Platz sechs Prof. Clemens Fuest (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim), Platz neun Prof. Dr. Gert G. Wagner (DIW Berlin) und Platz zehn Prof. Dr. Christoph Schmidt vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Das Ranking berücksichtigt die Leistungen der Wissenschaftler auf den Gebieten Forschungsleistung, Medienpräsenz und Politikkontakte. Auch die einflussreichste Ökonomin Deutschlands ist Leibnizianerin: Prof. Dr. Claudia Kemfert vom DIW Berlin. http://bit.ly/ Oekonomen-Ranking_2014
Prof. Dr. Manfred Hennecke ist neuer Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW). Er übernimmt das Amt von Prof. Dr. Jürgen Eckert, der sich verstärkt der Leitung des Instituts für Komplexe Materialien und den Forschungsarbeiten zu seinem ERC-Advanced-Grant widmen wird. Hennecke ist Chemiker und war zuletzt Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung. Seit 2014 ist er Mitglied der externen Kommission zur Unterstützung und Sicherung des Strategieprozesses des IFW und betrachtet dies auch weiterhin als Schwerpunkt seiner Arbeit. Hennecke ist zudem Mitglied des Präsidiums von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.
Prof. Dennis J. Snower bleibt für eine weitere Amtszeit bis 2019 Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. Dr. Alex von Bohlen vom Leibniz- Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS in Dortmund ist von der European X-Ray Spectrometry Association mit dem
zweijährlich vergebenen „Outstanding Career Award“ für seine Forschung auf dem Gebiet der Röntgenspektrometrie ausgezeichnet worden. Prof. Dr. Oliver Arránz Becker ist neuer wissenschaft licher Leiter der
bteilung „DatenarA chiv für Sozialwissenschaften (DAS)“ am GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Zuletzt war Becker Juniorprofessor für Bildungs- und Familiensoziologie an der Universität Mannheim.
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LEIBNIZ | LEUTE
Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, ist vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zum Vorsitzenden einer externen Experten kommission zur Stärkung der Investitionen in Deutschland berufen worden.
PD Dr. Hans Peter Klenk, Leiter des Bereichs Mikroorganismen am Leibniz54
Heike Meißner ist neue technischadministrative Geschäftsführerin am Schloss Dagstuhl – Leibniz-Zentrum für Informatik und leitet das Institut künftig gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Direktor Prof. Dr. Raimund Seidel.
Dr. Julia Szendrödi, Leiterin des Klinischen Studienzentrums am Deutschen Diabetes-Zentrum – Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung in Düsseldorf hat für ihre wissenschaftlichen Arbeiten zu Adipositas (Fettsucht) und Diabetes mellitus den Young Investigator Award der Europäischen Gesellschaft zur Erforschung der Adipositas erhalten.
Prof. Dr. Martin Möller, Direktor des Leibniz-Instituts für Interaktive Materialien in Aachen, ist diesjähriger Träger des Hermann-Staudinger-Preises der Gesellschaft Deutscher Chemiker. Die Gesellschaft würdigt damit Möllers international anerkannte Forschung, insbesondere seine prägenden Beiträge zur Synthese von komplexen Polymermolekülen, zur gezielten Funktionalisierung und Strukturierung von Oberflächen sowie zur Visualisierung einzelner Makromoleküle und deren Verhalten auf Oberflächen.
Prof. Dr. Raimund Seidel ist seit Mai 2014 neuer wissenschaftlicher Leiter von Schloss Dagstuhl – Leibniz-Zentrum für Informatik. Der gebürtige Österreicher kam 1994 von der University of California in Berkeley an die Universität des Saarlandes, an der er unter anderem Gründungssprecher der in der Exzellenzinitiative er-
folgreichen „Saarbrücken Gra duate School of Computer Science“ war. Seidels wissen schaftliche Interessen liegen hauptsächlich im Entwurf und der Analyse von Algorithmen und Datenstrukturen, insbesondere für geometrische Probleme und auch unter Verwendung von Zufallsmechanismen („Randomisierung“). Der studierte Mathematiker und Informatiker tritt die Nachfolge von Prof. Dr. Reinhard Wilhelm an, der als Gründungsdirektor des Zentrums nach 24 Jahren in den Ruhestand gegangen ist.
Der Biophysiker Prof. Dr. Adam Lange wechselt als neuer Abteilungsleiter an das LeibnizInstitut für Molekulare Pharmakologie in Berlin. Die Stelle ist verbunden mit einer Professur für „Struktur und Dynamik von Biomolekülen“ an der HumboldtUniversität zu Berlin. Adam Lange hat bisher am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen gearbeitet. Sein bislang größter wissenschaftlicher Erfolg ist die Erforschung einer Art „Injektionsnadel“, mit der Bakterien ihre Wirtszellen angreifen. Am FMP möchte er die Strukturaufklärung solch hochkomplexer Bioaggregate fortsetzen und mit der Suche nach möglichen Wirkstoffen beginnen.
Fotos: LIKAT; DDZ; DIW: DSMZ; LZI; DWI; LZI; Silke Oßwald.
Die Gesellschaft Deutscher Chemiker hat Prof. Dr. Matthias Beller vom Leibniz-Institut für Katalyse für seine vielfältigen und herausragenden Beiträge zur homogenen Übergangsmetallkatalyse und zu einer nachhaltigen Synthesechemie mit der Emil-Fischer-Medaille ausgezeichnet.
Institut DSMZ - Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig, ist für seine herausragenden Beiträge zur Taxonomie der Bakterien mit dem Bergey Award des Bergey‘s Trust (Michigan, USA) ausgezeichnet worden.
Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz hat drei Leibniz-Wissenschaftler in den Rat für Informationsinfrastrukturen berufen: Sabine Brünger-Weilandt vom FIZ Karlsruhe - Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur, Dr. Gregor Hagedorn vom Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung und Prof. Dr. Klaus Tochtermann vom ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft in Kiel (v.l.n.r.). Der Rat soll als forschungspolitisches Instrument Bund und Länder in strategischen Zukunftsfragen für den Wissenschaftsbereich „Informationsinfrastrukturen“ (Bibliotheken, Archive und Datensammlungen) beraten. 3/2014
LEIBNIZ | PERSPEKTIVE
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