Leseprobe: Schreibbuch 2013

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Schreiben Tipps, Anregungen und Strategien für das Schreiben am Leuphana College

halten). rot markierten Texte sind ent orben werden. nis ich rze sve alt Inh im le (al Dieses PDF ist eine Leseprobe Form für vier Euro in der Leuphana Schreibwerkstatt erw n in gedruckter Der vollständige Reader kan WANN UND WO? Leuphana Schreibwerkstatt Donnerstag von 14 bis 16 h Dienstag von 15 bis 16 h und .121 Campus Scharnhorststraße, C1 KONTAKT Prof. Dr. Ingrid Scharlau Fon +49.4131.677-1546 or.leuphana.de Mail: ingrid.scharlau@inkubat


Schreiben

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Einleitung Sascha Spoun Beate Söntgen Ingrid Scharlau Sigrid Vierck Christiane Heß Clara Bluhm Selbstvorstellung

Anfangen 20 Lesen 22 Exzerpt 24 Das Schreib-Interview 26 Interesse 28 Exploratives Schreiben 29 Schlau Literatur suchen 31 Das Arbeitsjournal 32 Aufschieben 33 Der stille Zuhörer als Schreib-Maschine: Das Aufnahmegerät 34 Sie stecken fest? 37 Strukturiert oder chaotisch? 39 Forschungsfragen und Frage­stellungen 41 Der Zettelkasten 43 44 46 47 48 49 50 52 53 55

Amelie Bräumer Isabel-Iginia von Wilcke Karin Beck Cristina Blohm Anne Christensen Andreas Fischer Maryann Henck Barbara Nickels Hans-Rüdiger Pfister Carola Schormann

Mitdenken 58 Zeitplanung 59 Ja mach nur einen Plan ... 61 Wie soll ich zitieren? 63 Das Kreuz mit dem Ich 67 Feedback während des Schreibprozesses 69 Ich muss doch erst alles im Kopf klar haben! 70 Schnelles inhaltliches Feedback zu Entwürfen 71 Die wissenschaftliche Hausarbeit 73 78 79 80 82 83 84 86 87 88

DIENADEL (Eva Frey, Fabian Lehmann, Sami Qaiser) Christoph Jamme Andreas Jürgens Daniel Lang Gerd Michelsen Markus Mühling Jens Newig Sven Prien-Ribcke Ulrike Steierwald Tanja Thomas

Entwerfen und Rohtexten 92 Die Klebe-Zettel-Methode 93 Rohtext schreiben 94 Freewriting 95 Grafische Methoden beim Schreiben 96 Argumentieren 97 Strukturieren 99 Schreibfluss und Schreib-Flow – eine persönliche Ansicht 101 Themeneingrenzung 102 Blitzexposé 103 104 105 107 108 110 111

Daniel Benke Anna Gerhardt Matthias Kerkemeyer Maik Adomßent Rebekka Balsam Benjamin Fenker Cathleen Strunz


Inhalt

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Überarbeiten 114 Bildet Banden! Oder: Vorzüge einer Schreibgruppe 116 Eigene Texte überarbeiten 118 Vorlesen 119 Feedback geben 120 Feedback zum fertigen Text 122 Ich finde kein Ende! 123 Für wen schreibe ich? Die imaginierten Leser_innen 124 Wie geht das mit den Fußnoten? 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 136

Anna Aridzanjan Barbara Zeller Asta von Schröder Sandra Dahlhoff Gesche Keding Steffi Hobuß Myriam Prien Isabell May Maria Moss Birgit Stammberger Thomas Wein

Gemeinsamkeiten und (fach-) spezifische Besonderheiten beim Schreiben 140 Erkennungsmerkmale wissenschaftlicher Texte 142 Die Unterschiede englischer und deutscher Wissenschaftssprache 144 Avoid major pitfalls when writing in English 145 Kreatives Schreiben 147 Geschlechtergerechtes Schreiben 149 150 152 153 154 155 156 157

Annika Weinert Wolf-Reinhard Kemper Julia Kayser Nuria Miralles Andress Anja Knoll Dagmar Bussiek Reinhard Hochmuth Ulli Vilsmaier

159 Sabrina Völz 160 Henrik von Wehrden 162 Ursula Weisenfeld UND 164 166 168 171 173 176 177

Vom Schreiben in Bildern: Ein Essay Tricks Glossar Dr. Renate Brezels Schreibapotheke Eine ausgewählte und kommentierte Bibliografie Alphabetischer Index Rückmeldung zum Reader


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Clara Bluhm Studentin der Kulturwissen­ schaften mit Schwerpunkt Kulturorganisation und -kommunikation und Minor BWL Studentische Hilfskraft an der Professur für Psychologie im Innovations-Inkubator

Schreibort und -material Ich schreibe am liebsten an meinem Schreibtisch zu Hause. Er steht vor einem großen Fenster und ich kann rausgucken und vor mich hinstarren, wenn mir die Worte fehlen. Ich habe letztens für mehrere Tage in einem Coworking-Büro gearbeitet, in dem man einzelne Arbeitsplätze mieten kann. Große Tische und nahezu leere, klinisch weiße, moderne Räume. Ich fand das sehr inspirie­ rend und befreiend. Ich konnte morgens hingehen, abends nach Hause kommen und musste dann auch wirklich nichts mehr machen. Das ist die Gefahr am häuslichen Arbeiten – dass man Dinge unnötig in die Länge zieht und dann plötzlich um ein Uhr nachts noch etwas bearbeitet. Ich schreibe viel auf dem Compu­ ter, die Möglichkeit der umfassenden Überarbeitung ist hier ein­ fach besser gegeben, als wenn man mit der Hand Geschriebenes verändern muss. Außerdem sind meine Gedanken oft zu schnell, ich kann wesentlich schneller tippen als schreiben und dann besser mit Geschriebenem arbeiten, als mit Gedanken. Inspiration Beim wissenschaftlichen Schreiben inspiriert mich das Perlen­ tauchen nach Zitaten oder Dingen, die perfekt in das Thema pas­ sen, das ich gerade bearbeite. In heißen Phasen stundenlang in Büchern herumzukramen und am Ende zu merken, der Autor will genau das sagen, was ich auch sagen will ( Zitieren). Außerdem rede ich viel mit meinem Vater über die wissenschaft­ lichen Sachen. Ich bekomme dann eine ganz neue Perspektive, noch nicht einmal, weil er immer so viel Neues sagt, sondern weil er zuhört, Interesse hat und ich mich reden höre. Dabei konstru­ ieren sich die Dinge noch einmal ganz neu. Ich finde es wichtig, wenn er begeistert davon ist. Jemand, der sich wirklich dafür interessiert und sagt „Wow, das hast Du gefunden? Ja, perfekt!“ Das besänftigt oft meine überkritische Seite ein wenig und lässt mich aufatmen ( Feedback während des Schreibprozesses). Schreibprozesse Wenn ich Material sichte, fange ich damit an, mir Stichpunkte und Gedanken zum Thema aufzuschreiben. Das sind eigentlich ganze Sätze, auch fast fertig formuliert, aber nicht miteinander verwoben. Die kann ich dann in das Dokument einfügen und drumherum schreiben. Mit ihnen setze ich Ausgangspunkte, die oft zu mehreren Seiten Text führen. Ich schreibe relativ ähnlich und lese mir all meine Texte vor. Ich höre wie sie fließen und wie sie sich reden lassen. Ohne Sprechen und Vorlesen geht Schreiben für mich nicht, das hängt unmittelbar zusammen ( Vorlesen). Und natürlich lese ich viel, auch oft Autor_innen, die ich gerade deshalb gut finde, weil sie eine tolle Sprache haben.

Erfolgsstrategien Mit dem Schreiben eines Absatzes kommt bei mir die Begeis­ terung für ein Thema. Bevor ich nicht etwas geschrieben habe, bleibt alles sehr abstrakt und ich habe keine Motivation, mich länger dranzusetzen. Sobald ich mit meinen eigenen Worten beginne, bin ich irgendwie involviert – natürlich auch nicht immer, aber meistens. Was ich am Schreiben mag Ich mag diesen Prozess des Kreativen mit der Sprache, das Formu­ lieren. Ich habe schon als Kind immer Geschichten geschrieben. Als ich noch nicht schreiben konnte, habe ich sie diktiert und war sauer, wenn mein Vater eine andere Formulierung benutzte, als ich vorgegeben hatte. Das Formulieren ist eine Sache, bei der ich das Gefühl habe, dass ich dabei sicher bin, auf die ich mich verlassen und ausgehend von ihr in alle Richtungen weiterbewegen kann. Warum mir dieser Reader wichtig ist Ich denke, dass das wissenschaftliche Schreiben viel grund­ sätzlich Neues, viele Fallen, saisonale Tiefpunkte der Motivation und der Mundwinkel, Höhenflüge des Flows und des Koffeins im Blut und neue Arbeitsweisen beinhaltet, die man gerade als Anfänger_innen erst einmal einschätzen und verstehen lernen muss. Man kommt in Situationen, in denen man sich an seinem Schreibtisch ziemlich einsam fühlt oder denkt, falsche Methoden zu nutzen, in denen man alles wegschmeißen möchte oder einfach nicht den Fehler findet. Obwohl Schreiben ein Hauptbestandteil des Studiums ist, wird doch wenig darüber geredet. Man hastet mit seinen Büchern und Exzerpten durch die Uni und verflucht seine Situation und Probleme, von denen man denkt, dass man sie als einzige_r zu bewältigen hat. Ich habe gerne an diesem Reader mitgearbeitet, weil ich durch ihn gemerkt habe, dass man mit all dem ganz und gar nicht alleine ist. Ich habe zum ersten Mal festgestellt, wie unglaublich viele Leute sich zu diesem Thema Gedanken machen, die ihr Wissen weitergeben können. Wissenschaftler, die die skurrilsten Methoden verfechten, sich über Konven­ tionen echauffieren ab und zu ebenso quälen, wie wir Studie­ renden. Dozent_innen, Professor_innen, Präsident_innen, von denen wir aber ebenso lernen können, die eigene Arbeit und vieles, was damit verbunden ist, lieben zu lernen. Man sollte diesen Reader als das nehmen, was er ist: als Mut­macher, als Wegweiser, als Alternativen-Aufzeiger. Und dann sollte man die Berichte ernst nehmen und sich mit dem Wissen, dass man mit seinen Unsicherheiten in guter Gesellschaft ist, trauen, sich – seinen Studenten_innenstatus ausreizend – auszuprobieren und Neues zu entdecken.


Schreiben

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Zum Ausprobieren Zeitpunkt

Zeitbedarf

früh mittendrin spät

geht schnell benötigt etwas Zeit ein langfristiges Projekt

Exploratives Schreiben [Ingrid Scharlau]

Schreiben besteht aus zwei gegenläufigen Bewegungen, dem Erschaffen, Entwerfen, Gestalten einerseits und dem Kontrol­ lieren, Prüfen, Kritisieren andererseits. Viele Schreibschwierig­ keiten entstehen, wenn Schreiber_innen versuchen, beides gleichzeitig zu tun, Schreiben und kritisches Kontrollieren – schon im ersten Entwurf den endgültigen Text schreiben, den Sachverhalt sofort auf den Punkt bringen, die perfekte Argu­ mentation finden oder beim Korrekturlesen dem Impuls nach­ geben, ganze Teile neu zu schreiben ( Jens Newig). Was hilft? Trennen Sie die Phasen des Erschaffens und des Kontrollierens! In die erste Phase gehört das erkundende oder explorative Schreiben, das Schreiben von bewusst vorläufigen Texten. Beispiele dafür sind: eine E-Mail an eine Freundin, in der Sie den Gedankengang beschreiben (eventuell schicken Sie diese E-Mail gar nicht ab!) eine (grafische) Skizze der wichtigsten Argumente ( Argu­ mentieren, Grafische Methoden beim Schreiben) mehrere verschiedene Versionen eines Gedankengangs, in denen Sie beispielsweise die Argumente unterschiedlich ordnen und verschiedene Dramaturgien ausprobieren ( Die Klebe-Zettel-Methode) Schildern Sie Ihr Thema auf je einer oder zwei Seiten a) Ihrer Großmutter, b) einer Wissenschaftlerin, c) einem Alien, der zwar Ihre Sprache spricht, aber von nichts auf der Welt und in der Wissenschaft eine Ahnung hat. Wählen Sie dabei jeweils das angemessene Niveau, die angemessene Sprachform und achten Sie darauf, welche Begriffe Sie verwenden können, welche hingegen erläuterungsbedürftig sind. Führen Sie ein Arbeitsjournal, in das Sie alles eintragen, was Ihnen zu Ihrem Thema den Tag über einfällt ( Das Arbeits­ journal). Probieren Sie aus, was passiert, wenn Sie zügig und ohne abzusetzen Ihr Thema in 10 Minuten beschreiben ( Free­ writing) Testen Sie kreative Schreibmethoden, die Sie auf ganz un­ gewöhnliche Ideen bringen können ( Kreatives Schreiben)

Zum erkundenden Schreiben gehört neben der Textform auch eine bestimmte Haltung. Bewusst vorläufig zu schreiben heißt auch: Lassen Sie Fehler zu. Überarbeiten Sie nicht sofort! Als es Ihnen sehr schwer fällt, eine unpassende Formulierung oder ein unvollständiges Argument stehen zu lassen, markieren Sie diese mit einem besonderen Zeichen (zum Beispiel # oder * – in Frage kommen alle Zeichen, die Sie nicht regelmäßig be­ nutzen). Oder notieren Sie verschiedene Formulierungen, die Ihnen einfallen, und schieben Sie die Entscheidung für die beste auf, bis Sie die Endversion des Textes erstellen. Suchen Sie eine Art und Weise des Schreibens, die Ihnen das Vorläufige erleichtert. Für mache Personen ist das Schreiben mit der Hand vorläufiger als das Arbeiten am Computer, für andere ist es genau umgekehrt ( Barbara Nickels etwa schreibt Vorläufiges gerne mit dem Bleistift, weil er ausradiert werden kann). Es gibt hier keine allgemein gültige Regel – tun Sie das, was Ihnen hilft, Ihr Ziel zu erreichen! Der bewusst vorläufige Charakter von Texten hilft vielen Schreiber_innen, viel und früh zu schreiben – Schreibblockaden aufgrund zu hoher Ansprüche und falscher Ansprüche an erste Textentwürfe werden so vermieden.


Schlau suchen

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Schlau suchen: Ein Gespräch über die Recherche wissenschaftlicher Literatur für die Hausarbeit [Anne Christensen]

Hanna B., Hallo, ich suche etwas über die Rolle der sozialen 1. Semester Medien beim Erdbeben in Haiti. Anne C., Haben Sie schon was in der Richtung gefunden? Bibliothekarin Hanna B. Ja, bei Google, aber das war nicht so richtig was. Anne C. OK, das Thema klingt ziemlich speziell und das Ereignis liegt noch nicht so lange zurück – ist also unwahrscheinlich, dass es ein ganzes Buch dazu gibt. Hanna B.

Ja, und was mache ich dann?

Anne C. Nach Zeitschriftenartikeln suchen, zum Beispiel. Hanna B. Wie geht das denn? Anne C. Zum Beispiel in LUX, das ist eine Alternative zum Bibliothekskatalog. Da sind nämlich, anders als im Bibliothekskatalog, auch Zeit­ schriftenartikel drin – und man kann auch gleich auf solche eingrenzen, die online zur Verfügung stehen.

Hanna B. Aber zu dem Thema findet man da trotzdem nichts. Anne C. Das kann dann daran liegen, dass es nichts auf Deutsch gibt – probieren Sie doch auch mal englische Suchbegriffe. Hanna B. Tatsächlich, das sieht ja schon mal ganz gut aus. Anne C.. Und ich würde auch noch vorschlagen, dass Sie mal schauen, was es generell zur Bericht­ erstattung über Naturkatastrophen in sozialen Medien gibt – also die Suchanfrage unabhän­ gig von dem Erdbeben in Haiti machen Hanna B. Aber meine Dozentin hat gesagt, dass ich mir speziell das anschauen soll. Anne C.. Klar, das müssen Sie auch – aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass ein kurzer Blick über den Tellerrand bei einem eng gesteckten Thema neue Erkenntnisse und interessante Querverbindungen bringt.

Tipp 1

Tipp 2

Tipp 3

Wissenschaftliche Literatur findet man in Bibliothekskatalogen und speziellen wissenschaftlichen Such­ maschinen.

Die Suchmaschine LUX finden Sie auf der Homepage der Bibliothek www.leuphana.de/ub/

Nicht frustrieren lassen, wenn man auf Anhieb nichts findet – lieber andere oder englische Suchbegriffe ausprobieren!


Schreiben

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Hanna B. Aber da sind ja dann auch Artikel dabei, die ich per Fernleihe aus anderen Bibliotheken bestellen müsste. Anne C. Stimmt, das kostet 1,50 Euro pro Bestellung und dauert auch ein paar Tage. Hängt also davon ab, wie viel Zeit Sie haben. Hanna B. OK, ich gucke jetzt mal selbst weiter. Anne C. Viel Erfolg! Und bitte fragen, wenn Sie nicht weiterkommen – die Literatursuche kann ihre Tücken haben! Übrigens: Recherchieren können Sie auch von zu Hause aus. Dann aber bitte nicht verges­ sen, den VPN-Zugang zu benutzen, denn nur damit haben Sie auch den Zugriff auf die elektronischen Texte, die wir für Sie lizensiert haben.

Tipp 4

Tipp 5

Das Thema auf eine abstraktere Ebene heben, also nicht nur nach dem Erdbeben auf Haiti, sondern nach Naturkatastrophen in der Karibik suchen.

Bücher aus anderen Bibliotheken per Fernleihe bestellen, elektronische Ressourcen von zu Hause nutzen – rätseln Sie nicht lange selbst, sondern fragen Sie in der Bibliothek!


Der stille Zuhörer als Schreib-Maschine: Das Aufnahmegerät

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Zum Ausprobieren Zeitpunkt

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geht schnell benötigt etwas Zeit ein langfristiges Projekt

Der stille Zuhörer als Schreib-Maschine: Das Aufnahmegerät [Clara Bluhm]

Man nehme: 1 Aufnahmegerät oder 1 Handy Schreiben ist Sprache auf Papier. Durch das wissenschaftliche Schreiben werden Sachverhalte kommuniziert. Warum also diesen Umstand nicht wörtlich nehmen und hörbar sprechen? Über den Text, mit dem Text, den Text - später durch den Text. Zunächst hilft das Aufnahmegerät, flüchtige Gedanken auszu­ sprechen und ihnen somit in die Welt hinüberzuhelfen, in der man sie ohne Angst, etwas ihres ursprünglichen Charakters zu verlieren, bearbeiten kann. ( Reinhard Hochmuth, Maria Moss) Hat man gerade keinen Notizzettel dabei oder würde es zu lange dauern, den Gedanken aufzuschreiben, ist die Lösung so nah, dass man sie übersieht: das Handy. Jedes Handy hat heute eine Aufnahmefunktion, jede_r Studierende hat heute ein Handy. Man spricht einen Zusammenhang auf, genau so, wie er einem gerade durch den Kopf geht, kann so viel und so lange erläutern, wie man will und braucht. Denn der große Vorteil ist: Das Auf­ nahmegerät nimmt, wie sein Name schon sagt, nur auf. Es kritisiert nicht, es zensiert nicht, es guckt nicht verständnislos. Schreibt man etwas auf, und sei es nur eine Notiz, hat es sofort endgültigen Charakter. Man traut sich unter Umständen nicht, die Irrungen und Wirrungen seiner Gedanken so ursprünglich aufzuschreiben, wie man sie denkt, sondern kann das Gefühl bekommen, einen Fauxpas zu begehen und das Geschriebene gleich überarbeiten zu müssen. Gedanken sind schneller und schmerzloser auszusprechen als zu schreiben, vor allem wenn der Zuhörer eine Maschine ist. Das Aufnahmegerät macht sich auch sehr gut darin, Ge­ spräche mit anderen Personen über den eigenen Text aufzu­ zeichnen. Oft werden in solchen Phasen der Zusammenarbeit Aspekte genannt, die so fein eine möglicherweise brillante Assoziation hervorrufen, dass diese nach dem Gespräch ver­ flogen ist. Nutzt man ein Aufnahmegerät, kann man das Ge­ spräch im Nachhinein immer wieder anhören oder stichwort­

artig verschriftlichen, muss den Fluss der Konversation an ihrem eigentlichen Höhepunkt nicht durch hektisches Notizen­ machen unterbrechen. Ebenfalls interessant wird es, wenn man einen geschriebenen Text laut vorliest ( Vorlesen) und sich das Produkt in eigener Stimme anhört. Wenn man den Text im Nachhinein hört, kann man feststellen, zum einen durch das Hören des Textes an sich, zum anderen an der eigenen Stimme, an welchen Stellen sich noch Schwachpunkte befinden. Holpert sie an einer Stelle, ist diese noch nicht ausgereift, hört sich eine Formulierung dünn an, kann das ein Hinweis auf dünne Sachlage sein, sollte man noch etwas umformulieren, eventuell noch mehr Literatur zu Rate ziehen. Ist man zufrieden mit dem, was man hört, kann man auch wörtlich abschreiben und produziert so ganz unkompliziert einen geschriebenen Text – das Aufnahmegerät ist also in gewisser Weise auch eine Schreibmaschine. Der stille Zuhörer spricht bei der Wiedergabe der Einflüste­ rungen seines Besitzers einen anderen Sinn an. Der haptische Charakter des Schreibens wird normalerweise nur durch das Lesen begleitet. Hört man einen Text, bezieht man einen dritten Sinn mit ein, der einem neue Aspekte des Textes bewusst machen kann – seien es Schwachstellen oder aber Geniestreiche. Man zeichnet mit der Stimme ein Relief des Textes, das man sich immer wieder anhören und bearbeiten kann.

Noch einmal zusammengefasst 1. 2. 3. 4.

Notizen aufsprechen statt schreiben Gespräche aufzeichnen Vorlesen und Fehler finden Vorlesen und Text produzieren


Schreiben

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Erste Hilfe

Sie stecken fest? [Ingrid Scharlau]

Schreibhemmungen sind nichts Seltenes; es gibt nur wenige Schreiber_innen, die niemals feststecken. Blockaden können ein Hinweis auf ernst zu nehmende Arbeitsprobleme sein. In den meisten Fällen entstehen sie aber deswegen, weil der Schreibprozess ungünstig gestaltet wird, und es lässt sich

lernen, ihn so zu organisieren, dass Blockaden seltener werden oder gar nicht mehr entstehen. Hier einige Tipps:

Beobachten Sie sich selbst ...

Was helfen könnte ...

Haben Sie den Anspruch, sofort einen perfekten Text zu schreiben?

Fangen Sie mit einer bewusst vorläufigen Textform, zum Beispiel einer E-Mail ( Karin Beck).

Finden Sie die Phase des Entwurfs lästig oder überflüssig? Möchten Sie gleich etwas Ernsthaftes tun?

Schreiben Sie bewusst vorläufig. Verzichten Sie am Anfang auf die Suche nach der optimalen Formulierung und klären Sie im ersten Schritt nur die Inhalte ( Rohtext). Notieren Sie die Gedanken, die Sie am Schreiben hindern ( Anna Aridzanjan). Legen Sie diese Notizen dann beiseite, z.B. in eine Schachtel, die Sie hinten im Regal vergraben. Später bei der Überarbeitung oder Endredaktion ist immer noch Zeit dafür, die kritische Stimme hervorzuholen!

Nehmen Sie sich gerne Großes vor? Zum Beispiel die Haus­ arbeit an einem Wochenende fertig zu bekommen? Oder an einem Abend mindestens 4 Textseiten fertigzustellen?

Nehmen Sie sich zunächst ganz wenig vor. Eine Seite ( Andreas Fischer). Einen Absatz. Einen Satz. Wenn Sie regel­ mäßig hochfliegende Pläne machen und an diesen scheitern, setzen Sie sich bewusst erst einmal kleine Ziele.

Brüten Sie lange über Ihren Texten? Geben Sie sie erst an andere weiter, wenn Sie den Eindruck haben, dass sie perfekt sind?

Reichen Sie Texte schon früh an andere weiter. Oft macht es Spaß, die Gedanken mündlich zu diskutieren, man bekommt neue Ideen – und vielleicht auch ein motivierendes Lob! Und natürlich ist ein solcher Austausch besonders wertvoll, wenn der Text noch nicht fertig ist ( Nuria Miralles, Maria Moss, Sabrina Völz, Tanja Thomas, Feedback während des Schreib­ prozesses, Feedback geben)

Fällt es Ihnen immer wieder schwer, anzufangen? Selbst dann, wenn Sie eigentlich wissen, was Sie schreiben wollen und gut darauf vorbereitet sind?

Manche Autor_innen hören mitten im Satz auf und fangen am nächsten Tag mitten in diesem Satz wieder an (ähnlich  Jens Newig, Isabell May, Beate Söntgen). Oder lesen Sie sich den letzten Absatz, den Sie geschrieben haben, vor, und schreiben Sie dann weiter. Aber Achtung: Dieses Vorgehen ist nur sinnvoll, wenn Sie nicht anfangen, am bisherigen Text herum­zudoktern!


Schreiben

Dr. Karin Beck Slavistik Professur für Humanities am Innovations-Inkubator und Geschäftsführende Leiterin des College

Schreibort und -material Ich schreibe meistens lieber außerhalb des Hauses, aber in manchen Situationen kann ich besser zu Hause schreiben. Ganz oft schreibe ich in einer Bibliothek. Ich fange immer mit der Hand an, um dann zum Computer zu wechseln, sobald ich mich warmgeschrieben habe. Wenn der Schreibprozess einmal läuft, kann ich – auch am nächsten Tag – meistens mit dem Computer weiterschreiben – es sei denn, ich komme nicht rein; dann fang ich wieder mit der Hand an. Ich weiß nicht warum. Ist es das haptische Erlebnis? Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Notizen immer mit der Hand mache. Das Schreiben mit der Hand hat eine weniger hohe Schwelle. Wenn ich mit dem Computer anfangen muss, hilft es manch­ mal, wenn ich mir eine E-Mail schreibe ( Exploratives Schreiben). Inspiration Ich schreibe sehr gerne da, wo auch andere arbeiten. Ich schreibe eigentlich ungern ganz allein. Vielleicht inspiriert es mich, wenn andere wie die Wilden in die Tasten hauen, dann kann ich das auch, dann bin ich nicht so einsam in meinem Leid. Meine Dissertation habe ich in einem großen offenen Raum in der Bibliothek geschrieben, wo wir alle unsere Plätze hatten, hinter uns ein Regal. Fest war nur das Regal, man konnte sich hinsetzen, wo man wollte, aber man hat sich im Prinzip vor sein eigenes Regal gesetzt. Und dadurch waren das feste Plätze. Das war eine Notlösung, weil die Einzelbüros umgebaut wurden. Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft geworden, das war eigentlich viel schöner. Als hinterher die Einzelbüros fertig waren, habe ich gedacht, dass ich dort nie fertig geworden wäre. Da wäre ich wahnsinnig geworden! Schreibprozesse Ich schreibe auf unterschiedliche Weisen je nachdem, wie weit ich bin, ob ich zum Beispiel schon redigiere oder erst anfange zu schreiben. Ich bin ein Löscher. Ich schreibe sehr viel und dann schmeiße ich die Hälfte wieder weg. (Beziehungsweise weil das so weh tut, kommt dann die Hälfte erst mal in eigene Datei. Das ist ja so hübsch, dass man das machen kann.) Weil ich als Literaturwissenschaftlerin sehr viel sehr enge Textarbeit mache, liebe ich es, wenn es den literarischen Text, mit dem ich arbeite, elektronisch gibt und ich mir erst einmal alles aus ihm herauskopieren kann, was ich eventuell gebrauchen könnte, und um diese Stellen dann „drumherumschreibe“. Bei Sekundärliteratur mache ich mir, wenn es möglich ist,  Exzerpte. Ich exzerpiere und kopiere mir wichtige Stellen,

manchmal schreibe ich auch ab, weil mir auch dieser Prozess des Schreibens auf eine Weise hilft. Was ich am Schreiben mag Schreiben kann Qual sein, ich kann aber beim Schreiben auch in Flow kommen, wenn Gedanken plötzlich zusammenfallen und der Schreibprozess dazu führt, dass mir etwas klarer wird, was mir vorher nicht so klar war. Ich mag es Manuskripte zu schreiben, Entwürfe zu schreiben. Den Moment hingegen, in dem ich sagen muss „Das ist jetzt ein fertiges Produkt!“ finde ich ganz schlimm, schlimmer als anzufangen. Ich persönlich finde es auch gar nicht schlimm, Texte aus der Hand zu geben, die noch nicht fertig sind. Dann habe ich ja so einen Schutz, dann kann ich sagen „Kannst Du das mal lesen – das ist so ein erster Entwurf.“ Aber dann irgendwann zu sagen zu müssen „Jetzt bin ich fertig, ich stehe hinter dem was ich hier ge­ schrieben habe“, das finde ich ganz schwierig. Das ist eine Qual. Aber wenn man durch den Schmerz erst mal durch­ gegangen ist, dann ist das Erlebnis danach umso schöner. Erfolgsstrategien Den hemmenden Gedanken zu überwinden, dass es ganz wich­ tig ist, was ich da jetzt hinschreibe. Deswegen ist eine persön­ liche Erfolgs­strategie Freischreiben ( Freewriting).  Lesen ist eine ganz wichtige Strategie. Und mir dann einen Ort schaffen, an dem ich diesen speziellen Text jetzt schreibe. Das kann eine Bibliothek sein, das kann ein Schreibtisch zu Hause sein. Und für mich persönlich ist das Schreiben an einem Ort, an dem auch andere arbeiten, einfacher als irgendwo allein, nur ich und das leere Blatt.


Ich muss doch erst alles im Kopf klar haben!

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Erste Hilfe

Ich muss doch erst alles im Kopf klar haben! [Ingrid Scharlau]

Viele Studierende haben die Vorstellung, sie müssten beim Schreiben einer größeren Arbeit erst im Kopf klar haben, was sie sagen wollen, und es dann nur noch aufschreiben. Wie Sie in den Interviews entdecken können, ist diese Überzeugung unter Wissenschaftler_innen sehr selten; diese klären ihre Gedanken, wenn auch in unterschiedlich starkem Ausmaß, durch das Schreiben ( Tanja Thomas). Auf „Kopfklarheit“ zu setzen und zu warten, geht zudem mit spezifischen Risiken und Nebenwirkungen einher, insbesondere bei Neulingen: arten auf den Moment der Klarheit (der ja in der Regel über W einen herfällt und nicht aktiv erzeugt wird) kann verstecktes  Aufschieben sein. Komplexe Sachverhalte lassen sich im Denken möglicherwei­ se nicht vollständig klären. Der Schreibdidaktiker Otto Kruse hat dazu kurz und bündig formuliert: „Es ist nicht nötig, alles zu verstehen, ehe man zu schreiben beginnt. Im Gegenteil: Vieles versteht man nicht, solange man nicht versucht hat, es zu schreiben. Und vieles glaubt man verstanden zu haben, bis man versucht hat, es zu schreiben“ (Kruse 2005, S. 219). Nicht durch Kommunikation, also Sprechen oder Schreiben, zu prüfen, was wir denken, kann zu einer Verständnisillusion führen. Wir glauben dann lediglich, dass wir etwas verstanden haben. Das ist gar nicht so selten; viele Menschen neigen zu selbstwertschützender und anstrengungsersparender Selbst­ ein­schätzung. Erinnern Sie sich an das Vokabellernen in der Schule: Haben Sie die Vokabeln in immer derselben Reihen­ folge abgefragt, mit dem Buch vor Augen und vielleicht sogar ohne die zu reproduzierenden Vokabeln gänzlich abzudecken? Oder „nur mal ganz kurz“ geguckt und sofort wieder alles gewusst? So erzeugt man Könnensillusionen! Ohne Buch, ohne vorgegebene Reihenfolge sind die Vokabeln plötzlich nicht mehr präsent. Vielleicht haben Sie auch schon einmal in einer mündlichen Prüfung gemerkt, dass etwas, das Sie beim Durchlesen am Tag vor der Prüfung für völlig plausibel und klar hielten, plötzlich In­konsistenzen und Widersprüche enthält? Das nennt man eine Verständnisillusion.

Illusionen von Klarheit und Verständnis werden wahrschein­ licher, wenn wir uns länger an einem Stück mit einem Thema beschäftigen. Wie können dann immer weniger unterscheiden, ob uns Ideenverbindungen oder Schlussfolgerungen nur ver­ traut vorkommen oder tatsächlich korrekt und sinnvoll sind. Aus diesem Grund wird empfohlen, beim Lernen relativ häufig Pausen von wenigen Minuten zu machen (Metzig & Schuster 2006). In dieser Zeit „beruhigen“ sich die aktivierten Verbin­ dungen zwischen Ideen im Langzeitgedächtnis und lassen sich danach wieder genauer prüfen. Beim Schreiben sind solche Pausen ebenso nützlich wie beim Lernen. Natürlich beginnen Arbeiten in der Regel mit einer vagen Vor­ stellung oder Idee, die uns anzieht, motiviert, begeistert oder ins Grübeln kommen lässt, und die gedanklich geklärt werden muss. Und selbstverständlich ist es zentral, aktiv über das Thema nachzudenken. Fangen Sie aber früh mit dem Schreiben zum Klären an ( exploratives Schreiben, Rohtext, Myriam Prien, Tanja Thomas), um die beschriebenen Nebenwirkungen des Nur-Denkens zu vermeiden. Holen Sie sich Inspiration, an­ statt auf sie zu warten ( Maryann Henck).

Literaturtipps Kruse, O. (2005). Keine Angst vor dem leeren Blatt. 11. Auflage. Frankfurt: Campus Die Bedeutung von Pausen und Arten von Pausen beim Ler­ nen werden erläutert auf S. 29 in: Metzig, W., & Schuster, M. (2006). Lernen zu lernen. 7. Auflage. Berlin Heidelberg: Spinger.


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DIENADEL Kulturwissenschaftliche Zeitschrift für Kunst und Medien

Interview mit DIENADEL – Kulturwissenschaftliche Zeitschrift für Kunst und Medien Was ist DIENADEL? Eva: Wir sind ein studentisches Projekt, das heißt ein Projekt von Studierenden für Bachelor- und Masterstudierende der Kulturwissenschaften. Wir bieten den Rahmen einer Zeit­ schrift, in der Studierende Texte veröffentlichen können. Bereits geschriebene Texte werden in einer intensiven Bearbeitungs­phase mit den Lektor_innen der Zeitschrift in ein neues Genre übertragen. Es findet dabei ein Austausch über den Text, die Thematik und das Textgenre statt. Der Haus­ arbeitstext (Hausarbeiten sind ja auch ein Genre) wird für die Zeitschrift neu konzipiert. Das ist ein sehr intensiver Aus­ einandersetzungsprozess zwischen Autor_innen und Lektor_ innen. Wir bieten also Publikation, Beratung und Betreuung. Fabian: Wir haben auch Interesse an Texten, die nicht schon als Hausarbeit existieren. Unser Format bietet auch den Rahmen, Kunstbesprechungen oder Buchrezensionen zu veröffentlichen. Es soll eine Möglichkeit für die Autor_innen sein, Texte zu schreiben, die im Berufsfeld von Kulturwissenschaftler_innen verlangt werden. Da spielen natürlich auch journalistische Texte eine Rolle. Sami: Es gibt auch das Interview, Kunstkritiken, den Plan einer Glosse. Fabian: Wir planen, dass jede Ausgabe unter ein Thema ge­ stellt wird. Thema der ersten Ausgabe ist „Kritik!“ Wir erhoffen uns, dass durch diesen Rahmen jede Ausgabe zwar nicht ab­ geschlossen ist, aber die Texte eine gewisse Kohärenz haben, da die Ausgabe mehr ist als die Summe einzelner Teile. Eva: Das Projekt ging davon aus, Kunstkritiken zu veröffent­ lichen, die wir im Rahmen des Seminars „Künstlerische Wissens- und Praxis­formen: Atelierbesuch“ im Wintersemester 2011/12 bei Prof. Dr. Beate Söntgen schreiben sollten. Das Thema der Kritik wurde uns dann im Prozess des Schreibens wirklich ein Bedürfnis – nicht nur intellektuelle, formale und stilistische Kritik des Geschriebenen, sondern auch, dass man sich als Autor_in einer neuen Leserschaft stellen muss. Das waren in unserem Fall Künstler, zu deren Arbeiten wir Kritiken verfassten. Kritik und Reflexion waren dann auch Motivations­ begriffe, die insgesamt in das Projekt eingeflossen sind. Und das zieht sich bis zum Oberthema der ersten Ausgabe.

Welche Ziele verfolgt ihr mit DIENADEL? Fabian: Ich persönlich setze mich gerne mit Texten auseinander, schreibe gerne Texte, lese gerne Texte und möchte gerne noch Erfahrungen sammeln, mich ausprobieren und Textformate besser verstehen. Grundsätzlich denke ich, dass man Dinge, die man verstehen will, selbst machen muss. Das betrifft das Texteschreiben, aber auch die Veröffentlichungspraxis. Jetzt geben wir selbst eine Zeitschrift heraus und werden da vor neue Aufgaben gestellt. Das ist interessant und sehr lehrreich. Eva: Seit sich das Projekt langsam zu entwickeln beginnt, seit Konzept und Finanzierung stehen, ist es für mich wichtig, dass diese Zeitschrift ein eigenes Leben bekommt. Auch jenseits der ersten zwei Ausgaben, die wir hier machen wollen. Das ist eine Herausforderung: ob das ankommt, ob es auch zukünftige Redaktionsgenerationen und Herausgeber_innen gibt, wenn wir das Masterstudium abgeschlossen haben. Sami: Ein kurzfristiges Ziel ist, dass die Leute DIENADEL lesen. Dass wir gemeinsam etwas schaffen, was Leute interessiert. Ich weiß, dass viel Austausch nicht öffentlich, sondern in privaten Runden stattfindet. Neulich bin ich in eine DropboxBibliothek eingeladen worden, in der Studierende ihre Arbeiten untereinander austauschen und gegenseitig lesen. Aber das ist kein öffentliches Forum. Hausarbeiten sind ja normaler­ weise Sachen, die im Archiv verschwinden und dann weg sind. Mir ist es wichtig, auszubuddeln und zu gucken, was hier an der Uni eigentlich so den ganzen Tag über passiert. Eva: Was in dieser Zeitschrift trotzdem unsichtbar bleibt, ist der Überarbeitungsprozess, den die Autor_innen leisten. Was man sieht, ist nur das Endprodukt, der fertige Text. Ich weiß nicht, ob man dafür nicht auch im digitalen Bereich eine Platt­ form bieten kann ... wie so etwas in den öffentlichen Raum kommen könnte. Ob überhaupt eine Diskussionskultur über das Schreiben entsteht. Das wäre spannend. Vielleicht ist es aber auch gar nicht gewünscht, da man als Autor_in verletzlich ist. Fabian: Was wir jetzt schon als Erfahrung mitnehmen können, ist, dass die Autor_innen tatsächlich noch einmal sehr viel an den Texten gemacht, ziemlich viel überarbeitet haben. Damit hätte ich nicht gerechnet, dass die Autor_innen noch einmal so viel Arbeit und Zeit investieren. Bei der Studentin, die ich betreut habe, war es so, dass sie auch noch einmal in Kontakt mit dem Dozenten, in dessen Seminar der ursprüngliche Text entstanden war, getreten ist und Rücksprache gehalten hat. Das finde ich sehr schön.


Themeneingrenzung

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Zum Ausprobieren Zeitpunkt

Zeitbedarf

früh mittendrin spät

geht schnell benötigt etwas Zeit ein langfristiges Projekt

Themeneingrenzung [Christiane Heß]

Koordinaten inhaltlicher Planung:

Fragestellung: was Sie wissen wollen

Arbeitshypothese: was Sie herausfinden möchten

Methode: wie Sie vorgehen wollen

Das Bielefelder Schreiblabor hat ein Modell der dänischen Schreibdidaktikerin Lotte Rienecker und ihres Kollegen Peter Stray Jørgensen (2005) weiterentwickelt.1 Das 5-Eck illustriert die verschiedenen Fragen, die bei einem Schreibprojekt be­ antwortet werden müssen. Sie können dieses 5-Eck nutzen, indem Sie Ihr eigenes Schreib­ projekt dort eintragen. Hat man sich für ein Thema entschieden, gilt es dieses einzugrenzen. Oftmals sind die gewählten The­ men viel zu groß und umfassend für eine Haus- oder Abschluss­ arbeit. Zu Beginn erscheint eine Fragestellung oder das grob formulierte Thema der Arbeit noch sehr vage, je mehr jedoch über das Thema gelesen wird, desto feiner kann man formulieren.

1  Vgl. Andrea Frank, Stefanie Haacke, Swantje Lahm: Schlüssel­kompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf. Stuttgart/Weimar 2007, S. 24–26.

Material/Objekt: was sie untersuchen

Theorien/Konzepte: woran Sie sich dabei orientieren

Eingrenzungen eines Themas sind auf vielfältige Weise möglich: zeitliche Eingrenzung geografische Eingrenzung Eingrenzung auf einen Aspekt Eingrenzung des Materials (z.B. auf nur eine Textsorte) Eingrenzung auf ein Beispiel oder eine Person usw. Die fünf Koordinaten stehen miteinander in Beziehung. Indem Sie die Fragen im Laufe Ihres Schreibprozesses detaillierter beantworten können, verändern Sie etwas bei den anderen Eck-Punkten, sie können dann (vermutlich) auch dort etwas verändern oder ergänzen. Nicht immer ist es zum Beispiel ein­ deutig, ob ein Text zur Methode, Theorie oder als Material (Quelle) gelesen wird. Das 5-Eck bietet die Möglichkeit, sich darüber während des Schreibprozesses klarer zu werden. Auch die Fragestellung kann so präzisiert werden.


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2013/10

Leuphana Universität Lüneburg Scharnhorststraße 1 21335 Lüneburg


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